Des Hamsters Dilemma - Organzentren als Mittel gegen Zentralisierung
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LESERBRIEF KOMMENTAR Des Hamsters Dilemma – Organzentren als Mittel gegen Zentralisierung Kommentar zum Beitrag „Was ist und wem nützt ein tes nur im Entfernten etwas zu tun Genitalzentrum?“ von Prof. Dr. A.T. Teichmann haben. Es geht hier um „QM“, also (FRAUENARZT 11/2007, S. 1048–1049) Qualitätsmanagement, einen Begriff aus der Industrie, der nicht neu ist. Serban-Dan Costa Neu ist aber der Glaube, von der Po- litik maßgeblich geprägt, dass ein Herr Professor Teichmann regt in seinem Leserbrief eine längst System, das sich an Fließbändern und überfällige Diskussion über die Sinnhaftigkeit einer aktuellen in Fabriken bewährt hat, auf Kliniken Entwicklung an, die uns mittlerweile überrollt. In seinem Bei- und Patientenbetreuung fast 1:1 trag über „Genitalzentren“ geht er auf die um sich greifende übertragbar ist. Tendenz ein, aus unseren Krankenhäusern etwas anderes, Neues und nach Ansicht mancher Beteiligter Besseres zu zeugen – Gibt es denn keinen Unterschied zwi- nämlich Zentren. Er bezieht sich vor allem auf die semantische schen einem Unternehmen, das Brems- Dimension der Zentrenbildung und geht auf andere, mindes- beläge oder Glühlampen produziert, tens genauso wichtige, zoologische Aspekte dieser Entwicklung und einem Krankenhaus? Kann man nicht ein. Ergänzend ist auch darüber zu diskutieren, ob durch die einzig richtige Betreuung eines Pa- Zentrenbildung eine möglicherweise sinnvolle Zentralisierung tienten, nämlich die individualisierte geschickt umgangen wird. Betreuung, genauso messen, wie man die Herstellung einer Lampe misst? Der Gedanke, Zentren zu bilden, ent- glieder von zwei Vereinen, nämlich stand vor einigen Jahren, und Frau- der Deutschen Krebsgesellschaft und Der entscheidende Unterschied zwi- enärzte waren die ersten, die sich da- der Deutschen Gesellschaft für Seno- schen der Industrie und uns ist, dass ran machten ihn umzusetzen, indem logie, hatten sodann eine gute Ge- wir nicht immer in gleicher Art und sie begannen, Brustzentren zu grün- schäftsidee und gründeten eine Zer- Weise das gleiche Produkt herstellen, den. Der Vater des Gedankens war die tifizierungsfirma namens OnkoZert. wie in der Industrie. Vielmehr ist je- Vorstellung, dass Mindestzahlen ei- Einige Kollegen wurden ausgebildet de Untersuchung und jeder Eingriff nerseits geeignet seien, die Qualität und fingen damit an, nach einem ei- anders, weil die Patienten und ihre der Diagnostik und Behandlung beim genen System zu prüfen und zu zer- Erkrankungen anders sind. Wir pro- Mammakarzinom zu verbessern, aber tifizieren. Die Kliniken bezahlten viel duzieren nicht Medizin und wir ha- andererseits als Hebel genutzt wer- Geld und merkten, dass man mit dem ben auch keine Kunden – für unsere den könnten, um möglichst viele Pa- „Zertifikat“ werben kann. Erst später Patienten zählen das Gespräch, die tientinnen in wenigen Kliniken zu wurde deutlich, dass „nach der Zerti- Empathie, das Verständnis, aber auch behandeln. Das Unwort „Zentralisie- fizierung vor der Zertifizierung ist“ technisches Geschick, Wissen, Intel- rung“, an Zentralkomitees erinnernd, (mod. nach F. Beckenbauer) – denn ligenz und Improvisationsfähigkeit wurde durch „Zentrum“ ersetzt, aber die Besuche der Zertifizierer und da- des Arztes. Also das, was wir mit Ein- vieles deutet darauf hin, dass die bei- mit die Kontrollen und deren Bezah- fühlungsvermögen und Erfahrung den Wörter primär synonym gemeint lung wiederholen sich Jahr für Jahr. umschreiben. Das hat mitnichten mit waren. den Begriffen der „New Economy“ Nicht nur vor der ersten Zertifizie- wie „Struktur-, Prozess- oder Ergeb- Nach den ersten Gerüchten entstand rung, sondern auch später sind meh- nisqualität“ oder gar „Controlling“, Panik, so wie Panik immer entsteht: rere Mitarbeiter über Wochen und „Evaluating“ und „Monitoring“ zu Einer sagte, dass die Kassen künftig Monate damit beschäftigt, Abläufe tun. Umgekehrt, wie würden die nur noch bezahlen, wenn die Patien- aufzuschreiben, an zahlreichen, vor- Glühlampen oder Bremsbeläge ausse- tinnen in einem Zentrum behandelt geschriebenen Sitzungen teilzuneh- hen, wenn man sie „individualisiert“ werden, die Verwaltungen sahen die men, alles zu protokollieren und zu herstellen würde?! DRGs davonschwimmen, die Kassen aktualisieren – also mit Verwaltungs- fingen an zu drohen, und plötzlich bzw. Dokumentationsaufgaben, die Für derartige Gedanken über die Phi- entstanden die ersten Zentren. Mit- mit der eigentlichen Arbeit eines Arz- losophie des ärztlichen Handelns ha- FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 2 107
LESERBRIEF ben wir aber mittlerweile keine Zeit und ... ließ sich ebenfalls zertifizie- und Frauenarztes war, nämlich die mehr – denn ein Großteil unserer Tä- ren. Patientin zu beraten und ihr zu sa- tigkeit ist Dokumentation und wir gen, was und wo sie noch Hilfe be- lassen uns vom Management treiben. Aus der ursprünglichen Absicht, kommt, wird nun von anderen, Nicht- Wie eine Herde. Wenn man allein die Mammakarzinome nur in einigen we- Medizinern, übernommen. Die Kassen über 200 zertifizierten Brustzentren nigen Zentren zu behandeln, wurde und die Politik unterstützen diese betrachtet, dann ist es wohl erlaubt nichts – die anderen Ärzte zeigten Entwicklung, ganz einfach, weil die zu sagen – wie Lemminge! den ersten den Vogel! Telefonistinnen (zur Zeit noch) billi- ger als die Ärzte sind. Um die „tierische Dimension“ weiter Selbstverständlich wird keine Patien- zu verdeutlichen, erinnert der im- tin anders, woanders, von jemand an- Die Etablierung der „Psychoonkolo- mense Aufwand, den wir mit der me- derem operiert und behandelt als frü- gen“ in Brustzentren gilt ebenfalls dizinfremden Etablierung der Ma- her. Es ist anstrengender und frus- als Conditio sine qua non für die Zer- nagementstrukturen zusätzlich zu trierender geworden, weil wir zusätz- tifizierung. Man sollte aber beden- unserer medizinischen Kernaufgabe lich zu unserer ärztlichen Tätigkeit ken, dass die überwiegende Mehrheit betreiben, an ein Hamsterrad. Unser noch Management-Aufgaben zu er- unserer Patientinnen nicht psychisch Hamster-Dilemma ist, ob wir dem füllen haben. krank ist und dementsprechend kei- Rad entkommen, indem wir schneller nen Psychologen oder gar Psychiater treten (also die Managementstruktu- Ein verheerender, aber seit Jahrzehn- brauchen – sie brauchen einen ein- ren optimieren) oder indem wir das ten tolerierter Missstand wurde ur- fühlsamen Menschen, Arzt oder Kran- Rad selbst in Frage stellen (keine plötzlich zu einem Vorteil für alle: Es kenschwester, der zuhören kann und oder nur Teile oder andere, medizin- gab primär keine Zahlen. Niemand Ratschläge erteilt, die vor allem auf gerechtere Managementstrukturen in Deutschland wusste, wie hoch die dem Wissen über die Grunderkran- etablieren). Inzidenz und wie die Verläufe beim kung beruhen. Wenn jemand Angst Mammakarzinom sind, unter anderem vor den Therapiefolgen oder dem na- Als den meisten klar wurde, „wohin weil wir kein einheitliches Krebsre- henden Tode hat, braucht er keine die Reise geht“ und dass einige We- gister haben. Wie soll man wissen, Diskussion über seine Kindheit oder nige versuchen, alles an sich zu rei- dass sich etwas verbessert, wenn über Ödipus – er braucht jemanden, ßen, reagierten „die anderen“. Ob- man keinen Vergleich mit „früher“ der ihn begleitet, zuhört und weiß, wohl anfangs die Kriterien für die anstellen kann? Es beruhigt mich kei- wie es weitergeht. Zertifizierung der Brustzentren ge- nesfalls, dass wir immer noch keine heim waren, ist es immer mehr Kol- genauen Zahlen über die Inzidenz Psychoonkologen und Case Manager legen gelungen, diese herauszufin- des Mammakarzinoms haben, auch sind geradezu lebende Beweise dafür, den. nach einigen Jahren „Brustzentren“. dass wir in den so genannten Brust- zentren weniger Zeit für unsere Pa- Nachdem man die Kriterien in Erfah- Wenn man all das betrachtet, ist tientinnen haben. Wir delegieren rung gebracht hatte, war es nicht doch die These erlaubt, dass wir heu- wichtigste Tätigkeiten unseres Berufs schwierig, sie zu erfüllen – wie bei te weniger Zeit für unsere Patientin- an andere, weil wir uns mit Dingen einer Prüfung, bei der die Fragen vor- nen haben – denn schließlich haben beschäftigen müssen, die nichts mit her bekannt sind. Ärzte in Praxen und wir früher Patientinnen betreut, oh- dem Arztsein zu tun haben. in Kliniken aller Versorgungsstufen ne Management-Handbücher auszu- bildeten so genannte Netzwerke, füllen und ohne den immensen zeit- Den Ärger des Kollegen Teichmann etablierten TÜV-fähige Management- lichen Aufwand für die Vorbereitung verstehe ich gut. „Darmzentren“ sind strukturen, gründeten Zentren und der Re-Zertifizierung oder Re-Audits. Realität, „Kontinenzzentren“ im ließen sich zertifizieren. Wenn eine Weiter gedacht: Wenn wir weniger Kommen, die Schilderhersteller kom- Klinik die Mindestzahlen nicht erfüll- Zeit für Patientinnen haben, kann men mit der Arbeit kaum nach. Wenn te, gab es einen Klinikverbund, wo- dann unsere Behandlung wirklich wir schon über 200 Brustzentren im bei der Abstand zwischen den Klini- besser geworden sein? Lande haben, prophezeie ich, dass ken bis zu 100 km und mehr betra- wir bald etwa genauso viele Genital- gen darf. Wenn ein Belegarzt allein Für diese These sprechen auch wei- zentren haben werden. Solange es sie keine 50 Mammakarzinome im Jahr tere Entwicklungen. An manchen Or- noch nicht gibt, hätten wir die Gele- operierte, ging er in ein Kranken- ten gibt es „Case Manager“ – d.h. genheit, ihre Entstehung zu beein- haus, in dem jährlich mehr Mamma- Laien in Callcenter-ähnlichen Insti- flussen – sofern wir das auch wollen. karzinome operiert werden, schloss tutionen, die sich als Lotsen für Pa- mit der Klinik, die sich über die zu- tientinnen betätigen. Das, was ur- Es gibt meines Erachtens keinen sätzlichen DRGs freute, Verträge ab sprünglich die Uraufgabe eines Haus- Zweifel, dass die Behandlung der Ge- 108 FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 2
LESERBRIEF nicht der Realität. Man zeige mir bit- Primäre Vulvakarzinome in Sachsen-Anhalt in den Jahren te die Klinik aus der Tabelle 1, in der 2000–2006 man als Oberarzt die Möglichkeit hat, Klinik* 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Erfahrung auf dem Gebiet des Vulva- karzinoms zu sammeln! Man beden- 2 1 38 1 ke dabei auch, dass in den „großen 39 1 2 Zentren“ (also in denen jährlich 4–5 40 1 Vulvakarzinome operiert werden) 42 2 5 2 1 1 noch einige andere Oberärzte arbei- 43 1 2 1 ten, die auch gerne mal operieren 44 1 2 1 1 2 wollen... 45 1 3 3 1 1 46 1 1 3 1 Zurzeit sind wenige Ärzte und Kran- 47 3 1 2 2 kenhäuser in Deutschland bereit, oh- 49 1 1 2 ne Zwang Patientinnen mit malignen 50 1 1 Erkrankungen einem Zentrum zu 52 3 1 2 1 54 1 2 1 2 überlassen. Auf die Einnahmen für 55 2 2 1 3 diese DRGs zu verzichten, würde gro- 57 3 2 3 4 5 2 ße finanzielle Verluste verursachen. 58 3 2 2 4 Genauso wenig ist zu erwarten, dass 59 1 1 3 Kliniken der Maximalversorgung auf 62 2 1 2 2 Eingriffe verzichten, die in jeder Pra- 65 2 1 xis und in jedem Krankenhaus der Re- 67 1 1 1 4 2 gelversorgung genauso durchgeführt 68 1 1 2 werden könnten. Auch den Maximal- 69 3 2 6 3 3 3 3 versorgern geht es um „Fallzahlen“. 70 2 1 2 1 1 72 3 4 3 3 3 2 2 73 2 3 2 2 1 4 Unter dem Druck von Kassen, Politik 74 4 8 5 3 5 2 3 und eigenen Verwaltungen wird die 75 2 5 3 2 4 jetzige Entwicklung fortschreiten. Sie 76 2 2 sollte von uns kritisch analysiert wer- 77 2 1 1 den, weil sie sowohl Vor- als auch 97 1 Nachteile hat. Klinik unbekannt 2 8 4 1 5 2 Klinik außerhalb Ein Teil der Maßnahmen, die bei der Sachsen-Anhalts 2 Gründung von Zentren gefordert wer- ohne OP 4 5 7 7 12 8 5 den, ist sinnvoll – so beispielsweise gesamt 41 42 49 51 54 48 43 die interdisziplinäre Tumorkonferenz, * anonymisierte Darstellung der Kliniken. Dabei werden als „Klinik“ das Benchmarking, die fortlaufende auch Abteilungen (z.B. Chirurgie oder Gynäkologie) getrennt aufgeführt. und prospektive Analyse der Zahlen, der Komplikationen sowie die zeitna- Tab. 1: In den Jahren 2000–2006 wurden insgesamt 328 Patientinnen wegen eines primären he Einleitung von Verbesserungen, Vulvakarzinoms in Sachsen-Anhalt behandelt. (Daten aus den drei klinischen Krebsregistern die auf diesen (vorgeschriebenen) Sachsen-Anhalts, geschätzte Melderate >85%). Analysen beruhen. Andere wie der immense Verwaltungs- und Doku- nitalmalignome – hier in erster Linie haus vorzuhaltende Infrastruktur be- mentationsaufwand oder die paralle- die Operation und die Nachbehand- einflusst, sicher viel mehr als beim le, stumpfsinnige Dokumentation für lung – durch eine Zentralisierung ver- Mammakarzinom. Durch die weitge- Qualitätssicherung, DMP, Zertifizie- bessert werden könnte. Wohlbemerkt hende Streuung dieser Patientinnen rung etc. sind zeitraubend, kostspie- Zentralisierung und nicht Zentren- ist es nicht nur beim Vulvakarzinom lig und verschlechtern die medizini- bildung. Die Prognose und damit der (s. Tab. 1) praktisch nicht mehr mög- sche Versorgung unserer Patientin- Krankheitsverlauf werden beim Ova- lich, Experten auszubilden. Das oft nen. rial-, Zervix-, Endometrium- und Vul- verwendete Argument: „Während vakarzinom maßgeblich durch opera- meiner Ausbildung im Zentrum X ha- Auf der einen Seite gibt es Erkran- tive Expertise, Interdisziplinarität be ich Hunderte solcher Patientinnen kungen, die man besser in Zentren und eine aufwändige, im Kranken- operiert, ich kann das“, entspricht behandeln kann und sollte – dazu ge- FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 2 109
LESERBRIEF hören fast alle Genitalmalignome das Nachdenken und die Analyse auf- kann auch nicht durch eine – wie (mit Ausnahme, vielleicht, des frü- hören. Die Zentrenbildung darf nicht auch immer geartete – Zertifizierung hen Endometriumkarzinoms). Auf der als gedanklich abgeschlossener Pro- hervorgebracht werden. anderen Seite gibt es auch Patientin- zess hingenommen werden, sie ist nen, denen man eine Fahrt ins Zen- ein dynamischer Vorgang, der stän- Man mag mich als unverbesserlichen trum nicht zumuten kann bzw. die dig verbessert werden kann und soll. Idealisten bezeichnen, aber ich zie- das nicht wollen, was man respektie- Für mich persönlich, aber nach mei- he die Kollegialität nach wie vor dem ren muss. Außerdem gibt es noch die ner Kenntnis auch für die meisten Wettbewerb zwischen Ärzten und freie Arztwahl für jeden Patienten, Kollegen steht fest, dass Bürokratie Krankenhäusern vor und glaube im- die nach wie vor gesetzlich verankert und mithin Aufwand und Kosten mer noch daran, dass wir Ärzte das ist (§ 611 I BGB). dringend reduziert werden müssen. System gestalten sollen und können Es müssen auch nicht überall in der und nicht der TÜV, die Kassen oder Echte Zentren können nicht entste- Republik, in jeder noch so kleinen die Politik. Mit diesen anderen „Mit- hen, wenn jeder einzelne Arzt und je- Ecke, Patientinnen nur noch „zertifi- spielern“ sollten wir erst reden, wenn de Verwaltung meinen, dass man in ziert“ behandelt werden – gute wir wissen, wie es aussehen soll, wir der eigenen Klinik alles machen kann Medizin ist nicht an ein Zertifikat al- also Vorschläge ausgearbeitet haben, und soll. Die gegenwärtige Zentren- lein gebunden. Wenn es uns gelingt, die in erster Linie das Beste für un- bildung bedeutet einen sehr hohen Transparenz zu schaffen und Benchmar- sere Patientinnen in den Mittelpunkt bürokratischen Aufwand und scheint king-Systeme durchzusetzen, brau- rücken. den Status quo festzuschreiben. Das chen wir nicht mehr, sondern eher Interessante dabei ist, dass sich weniger Qualitätsmanagement. durch die vielen Zentren de facto nichts ändert, alles so bleibt, wie es Im Fall der gynäkologischen Onkolo- war, nur unter einem neuen Namen. gie und hier bezogen auf die großen Autor Wir bezahlen viel Geld und verbrin- Operationen bei gynäkologischen Ma- gen viel Zeit, damit ... sich nichts än- lignomen plädiere ich für eine Zentra- dert! lisierung, weil ansonsten weder Ex- Prof. Dr. Dr. Serban-Dan Costa pertise entwickelt noch die Kosten für Direktor der Universitäts- Durch die Bildung und Zertifizierung die unbedingt notwendige Infrastruk- Frauenklinik von Brustzentren haben wir einiges tur in verantwortbaren Grenzen ge- Otto-von-Guericke-Universität gelernt. Die Existenz der Brustzen- halten werden können. Zentralisie- Gerhart-Hauptmann-Str. 35 tren darf aber nicht bedeuten, dass rung ist nicht mit der Bildung von Or- 39108 Magdeburg damit die Entwicklung und vor allem ganzentren gleichzusetzen, und sie Kommentar von Prof. Dr. Alexander T. Teichmann, Aschaffenburg Die in den letzten Monaten nicht nur Herrn Kollegen Costa deutlich geäu- die Themen Zentrumsbildung, Zerti- in gut informierten Zirkeln der be- ßerten Besorgnis hinwegtäuschen – fizierung und – eng damit in Zusam- rufspolitischen Elite verstärkt ge- ist nicht etwa Resultat exogener menhang stehend – die begrifflich führten Diskussionen um die konkre- struktureller Zwänge und Vorgaben manchem nostalgisch erscheinende te Zukunft der klinischen und ambu- der Politik im weitesten Sinne, viel- Entfremdung ärztlicher Arbeit durch lanten Versorgung unseres Faches mehr sind es die Betroffenen selbst, Bürokratisierung. Nicht uncharmant und damit untrennbar verbunden die nicht allein in vorauseilendem mag die Vorstellung wirken, die in- auch der qualifizierten Weiterbildung Gehorsam, sondern zumeist in unmit- flationäre Entwicklung von Zentren unseres Nachwuchses hat deutlich telbarer Sorge, aus dem um sich grei- und zertifizierten Prozeduren soweit gemacht, dass die Geschwindigkeit fenden Konkurrenzkampf nicht als eskalieren zu lassen, dass, wie in insbesondere fremdbestimmter Ver- Sieger hervorzugehen, Strategien manchen Regionen dichter Besiede- änderungen dramatisch zugenommen entwickeln, an deren Ende es kaum lung mit Brustzentren bereits heute und wachsende Unsicherheit nicht wirkliche Sieger geben wird. erlebt, die nukleare Kettenreaktion nur mit Blick auf die ferne Zukunft der Qualitätsinitiativen nicht nur Un- geschaffen hat. Ein nicht geringer Unter den zahlreichen Prozessen, die summen Geld und Arbeit, sondern Teil – und hier darf die Leichtigkeit hier kritisch zu reflektieren sind und auch sich selbst verbraucht hat, ein des Stils nicht über die Tiefe der von einer neuen Ordnung bedürften, sind in sich zusammengesunkenes Häuf- 110 FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 2
LESERBRIEF lein zu Asche gewordener inhaltslo- aller sie tragenden Institutionen ist, gen um mutuelle Bestätigung medio- ser Formalismen zurücklassend. sondern vielmehr der aus dem tiefe- krer Exzellenz fast nicht mehr wahr- ren Verständnis des Arzt- und nicht zunehmen ist. Wenn der nächste Kongress der etwa Medizinerberufes resultierende Deutschen Gesellschaft für Gynäko- Auftrag. Es mutet bizarr an, wenn logie und Geburtshilfe unter dem auf der einen Seite Organisationspa- Aufruf stehen soll, „Durch Gemein- radigmata aus der Fließbandferti- sames Gestalten zu Gewinnen“, so gung zum Leitgedanken der Struktu- sollte man den derzeitigen Präsiden- rierung ärztlichen Tuns definiert wer- ten in der Wahl dieser Begriffe den, zum anderen diejenigen 40 Pro- Autor durchaus ernst nehmen und darin ei- zent der Tätigkeit weiterzubildender ne Absicht sehen, den Gestaltungs- Ärzte, die ausschließlich der ökono- Prof. Dr. prozess nicht zu einer Polypragma- mischen Abbildung ihres Tuns dient, Alexander T. Teichmann sie planloser Profilierungskampa- sich in keinem Logbuch und keiner Frauenklinik im Klinikum gnen verkommen zu lassen, sondern Weiterbildungsordnung wiederfin- Aschaffenburg den Blick auf die wesentlichen Auf- den. Klug wäre es und hohe Zeit, Am Hasenkopf 1 gaben der Gestaltung von Gynäkolo- wieder auf Inhalte und die Frage der 63793 Aschaffenburg gie und Geburtshilfe zu lenken, de- Sinnhaftigkeit unseres Tuns zu fo- alexander.teichmann@ ren Zweck nicht sie selbst und auch kussieren, deren drohende Dürftig- klinikum-aschaffenburg.de nicht die wirtschaftliche Prosperität keit im hektischen Treiben und Rin-
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