Deutscher Automobil-Veteranen-Club e.V. 2-2015 - Jahrgang
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Editorial Liebe DAVC-Mitglieder, liebe Oldtimerfreunde! das erste Quartal im DAVC ist immer geprägt von not- In unserem Jubiläumsjahr wendigen Vereinsregularien, insbesondere den jährli- war nach anfänglichem Zö- chen Wahlen in den Landesgruppen und dem Haupt- gern unser Deutschland- verband. treffen im September zur Die LG Südbaden hat mit Herbert Partikel einen 50-Jahr-Jubiläumsfeier neuen Präsidenten gewählt. Die LG Ostwestfalen- vom 03. bis 06.September Lippe hat Raimund Arzdorf zu ihrem neuen Präsiden- recht schnell ausgebucht. ten ernannt. Wir gratulieren herzlich zur Wahl, eben- Dies zeigt die große Ver- falls den neu dazugekommenen Vorstandsmitgliedern bundenheit der DAVCler und freuen uns auf eine gute und konstruktive Zusam- zu ihrem Verein und ihre menarbeit. Freude an den gemeinsa- men Vereinsaktivitäten. Zur Präsidiumssitzung und Hauptversammlung waren wir in diesem Jahr Gäste von Karl Ulrich Herrmann Unsere südlichen Landesgruppen bereiten gerade die auf der Retro Classic in Stuttgart. Das Team der Messe 2. CRUZ DEL SUR unter Beteiligung der LG Allgäu, hat uns hervorragend betreut, ein großer Dank gilt Oberbayern, Südbaden und Süd-West als 2-Tages- dem Team und Herrn Herrmann. Sternfahrt vor. Wir sollten solche Veranstaltungen Im Hauptvorstand standen keine Wahlen an, dafür auch in der Mitte und/oder im Norden Deutschlands eine sehr wichtige Satzungsänderung, die als Auflage anstreben, dadurch wird der DAVC auch neueren Mit- des Finanzamtes eine Voraussetzung für den Erhalt gliedern transparent und führt zu vielen neuen und in- unserer wieder erlangten Gemeinnützigkeit ist. teressanten Kontakten innerhalb unseres Vereins. Un- Leider wurde von einer LG die Bedeutung nicht er- sere Fahrzeuge wären im Sinne des „Rollenden Muse- kannt, und einige rieben sich lieber an der Ablehnung ums“ noch stärker präsent. von redaktionellen Anpassungen auf. Da somit die nö- Der DAVC hat die Arbeit der Culture Commission der tige Zweidrittelmehrheit zusammenkam, konnte der FIVA zur Tagung am 16.05. in München mit einer amtierende Vorstand seine Konsolidierungsarbeit der Einladung zum Mittagessen unterstützt. Unser 1. Vize, vergangenen 6 Jahre formal erfolgreich abschließen. Pit Gilb, hat als Gastgeber neben Rainer Hindrischedt Diese Arbeit war verbunden mit hohem Engagement als Mitglied an der Sitzung im Hause des ADAC teil- und Zeiteinsatz auch vieler DAVCler, um die hinläng- genommen. lich bekannten früheren Defizite zu heilen. Der Arbeitsaufwand zur Führung und Verwaltung Aus dem Parlamentskreis „Automobiles Kulturgut“ im eines Vereines in der Struktur des DAVC ist allerdings Deutschen Bundestag hat sich aus einer Arbeitsgruppe unter den heutigen finanziellen und rechtlichen Anfor- heraus ein Verein gegründet, die „IAK Initiative Au- derungen generell nicht mehr mit früheren Jahren zu tomobiles Kulturgut e. V.“. Anlass ist die Bemühung, vergleichen. Hier müssen Lösungen überlegt werden, für das Automobile Kulturgut den Status als immate- die unseren persönlichen ehrenamtlichen Einsatz, ge- rielles UNESCO-Weltkulturerbe zu erreichen. Hierzu rade auch für Verwaltungsvorgänge, auf ein annehm- ist ein Verein als Antragsteller und Mitteleinwerber mit bares Maß reduzieren. Auch wir Vorstände, das gilt Gemeinnützigkeitsstatus eher erfolgreich als Einzelper- auch für die LG, wollen natürlich in erster Linie unser sonen. In kurzer Zeit waren die Kosten des Antrages Hobby ausüben. Um dies zu ermöglichen, bringen wir bereits eingeworben. Der Verein sollte auf breiter Basis uns gerne für unsere Vereinsfreunde in den Ämtern unterstützt werden. ein. Für delegierbare Verwaltungsvorgänge sollten wir nach Lösungen suchen. Andere vergleichbare Vereine Ich wünsche allen Club- und Oldtimerfreunden eine unterhalten z. B. schon lange Geschäftsstellen, weil tolle Oldtimer-Saison. sonst die Bereitschaft zur Übernahme eines Amtes wei- ter nachlässt. Das teilweise angestrengte Suchen nach Georg Sewe Führungspersonen im Verein spricht für sich. Präsident ■ CM 2-2015 | www.DAVC.DE 1
Inhalt Die Themen dieser Ausgabe Titelbild: Citroën 5HP, Stephan Arbeitlang (s. S. 18 ff.); Tradition hat Bestand, Hans-Joachim Rose (s. S. 26 ff.); Die Saison beginnt in Bremen, Stephan Arbeitlang (s. S. 32 ff.) Editorial: Historie: Georg Sewe Präsident des DAVC 1 Citroen 5HP – oder warum kleine Jungs ein altes Auto brauchen 18 Stephan Arbeitlang Editorial: Historie: Dieter Grossblotekamp Redakteur des Clubmagazins 3 Opel Kapitän – ein Juwel der Automobilgeschichte 22 Dieter Grossblotekamp Intern: Veranstaltungen: Werkstättenverzeichnis unserer Mitglieder 4 Traditon hat Bestand, auch wenn das Wetter einmal nicht mitspielt! 26 Thomas-Markus Leber Intern: Veranstaltungen: Wir begrüssen unsere neuen Mitglieder Termine 2015 5 3. Treffen „Oldtimer am großen Weserbogen“ · Erich Rostek 29 Aktuell: Veranstaltungen: Buchvorstellung: Weltrekordfahrten bei Dessau 6 Die Saison beginnt in Bremen … Bremen Classic Motorshow 2015 32 Stephan Arbeitlang Historie: Veranstaltungen: Historisches aus dem Fotoalbum Rainer Hindrischedt 7 Eindrücke von der Techno Classica in Essen 36 Wlly Krieg Historie: Intern: Historische Rekordwoche in Dessau ein voller Erfolg · Horst-Dieter Görg 10 Kleinanzeigen 38 Historie: Intern: Ford A. Roadster von 1930 Ernst-Leo Nießen 12 Impressum – Redaktionsschluss 40 Historie: Intern: Das Göttinger Ei – der Schlör-Wagen Hans-Peter Röhl 13 Vorstandsmitglieder im DAVC 41 www.davc.de 2 CM 2-2015 | www.DAVC.DE
Editorial Liebe Leser des Clubmagazins! Veranstaltungen, Historie, Technik, Oldtimererleb- Classic Motor- nisse u.a. – das sind die Hauptrubriken unserer show, und von Clubzeitschrift, unseres Clubmagazins. Bisher konn- Thomas-Markus ten wir – dank der Autoren aus unseren Reihen – Leber werden wir diese Themenbereiche auch immer mit Leben erfül- über die Großver- len und somit eine abwechslungsreiche Zeitschrift anstaltung der LG anbieten. Der Wunsch der Redaktion geht natürlich Ostsee informiert. dahin, dass dies so bleiben möge. Einen kritischen Bericht zur Tech- In der vorliegenden Ausgabe können wir allerdings no Classica schick- nur Artikel zu zwei der genannten Oberbegriffe ab- te uns Willy drucken, diese allerdings auch wieder mit interes- Krieg, DAVC santen Inhalten. Vielleicht gelingt es, das nächste Rheinland, zu. Magazin wieder vielfältiger zu gestalten durch mehr eingehende Beiträge – darum bitte ich als Redakteur Schließlich run- sehr herzlich! In unserem DAVC im Umgang mit den einige sehr nette Bilder aus den alten Fotoalben unseren Automobilen ereignet sich doch so man- dieses Clubmagazin ab. ches! Greifen Sie zur Feder und berichten darüber! Redaktion und Leser danken es Ihnen! Zum Schluss noch ein wichtiger Hinweis: Dieses Clubmagazin bietet unter der Rubrik HIS- TORIE eine interessante Abhandlung über eine Um das nächste Clubmagazin 3/15 „Historische Rekordwoche in Dessau“ – zur Erinne- rechtzeitig vor den Veranstaltungen rung an die Eröffnung der Rekordstrecke auf der zum Jubiläum „50 Jahre DAVC“ damaligen Reichsautobahn vor 75 Jahren, geschrie- vom 3. bis 6. September erscheinen zu lassen, ben vom Motorjournalisten Horst-Dieter Görg. müssen wir den Eine kurze Historie zu seinem Ford A hat uns Ernst- Redaktionsschluss vorverlegen auf den Leo Nießen zugesandt, und Stephan Arbeitlang schreibt voller Begeisterung über seinen Citroen 15. JULI 2015 5HP: Herkunft, Geschichte, Technik, Erlebnisse etc. Etwas ganz Besonderes stellt sicherlich der Beitrag Nun wünsche ich Ihnen viel Freude beim Lesen! von Hanspeter Röhl „Das Göttinger Ei – der Schlör Wagen“ dar. Ein informativer und von detaillierten Kenntnissen zeugender Bericht über eine Seltenheit innerhalb der Automobilgeschichte. D. Großblotekamp Der Text über den Opel Kapitän beschäftigt sich mit DAVC Südbaden einem historischen Fahrzeug während 30 Jahren sei- Redakteur des Clubmagazins ner Bauzeit. ■ Unter der Rubrik VERANSTALTUNGEN berich- tet Erich Rostek von der LG Ostwestfalen-Lippe über „Oldtimer am großen Weserbogen“, Stephan Arbeitlang schreibt eine Abhandlung über die Prä- sentation der LG Weser-Ems anlässlich der Bremen www.davc.de CM 2-2015 | www.DAVC.DE 3
Intern Werkstättenverzeichnis unserer Mitglieder 14789 61440 82279 Karosseriebaumeister René Große Dipl.-Ing. Hans-Robert Schramm Fachwerkstatt für historische Ihr Spezialist für Restaurierungen! Reparaturwerkstätte für Veteranen und Fahrzeuge Waldstraße 44, 14789 Wusterwitz klassische Automobile – Hammermühle Oldtimer Rehberger GmbH Tel.: 038839 - 71185, Fax: 038839 - 71408 Gattenhöferweg 33, 61440 Oberursel/Ts. 82279 Eching am Ammersee E-Mail: kontakt@rene-grosse.com Tel.: 06171 - 964784, Fax: 06171 - 3069 Tel.: 08143 - 997888 www.rene-grosse.com Mobil: 0172 - 6969373 Mobil: 0170 - 7770307 LG Brandenburg www.medidentaschramm.de E-Mail: illia@oldtimer-rehberger.de www.oldtimer-rehberger.de 22525 64331 Zukowsky Classic Cars Fa. Walter Knöbel 83607 Warnstedtstraße 28-32, 22525 Hamburg Darmstädter Landstraße 63 Spezialisten für historische Fahrzeuge Tel.: 040 - 387605, Fax: 040 - 54751850 64331 Weiterstadt-Gräfenhausen Johannes Jäger und Alfred Schmidt Tel.: 06150 - 51197 Warngauer Str. 5, 83607 Holzkirchen 22143 Tel.: 08024 - 6080970 AUTOKIPKE KFZ – Meisterbetrieb 65326 Fax: 08024 - 6090970 Michael KIPKE – Kfz-Meister Heestweg 19, 22143 Hamburg Fa. Helge Stuckart 86949 Tel.: 040 - 6772001, Fax: 040 - 6779079 Buchenweg 11, 65326 Aarbergen Spezialist für Englische Autos E-Mail: info@autokipke.com Tel.: 06120 - 4244, Fax: 06120 - 92311 Joachim Rainer www.michaelkipke.com LG Rhein-Main Burgleitenstraße 10, 86949 Windach www.autokipke.com Tel.: 08193 - 7430 LG Hanse 67065 Mobil: 0171 - 3619899 KFZ Wilhelm Dillinger LG Oberbayern 23923 Maudacherstr. 107, 67065 Ludwigshafen Retroclassic GmbH & Co KG, Bernd Lindner Tel.: 0621 - 5720222, Fax: 0621 - 5720239 87700 An der Trave 15, 23923 Lübeck-Selmsdorf LG Kurpfalz-Saar Fa. Schrapel GmbH Tel.: 038823 - 55985, Fax: 038823 - 55986 Unfallreparatur und Lackierung E-Mail: info@retroclassic.com 73732 Allgäuer Str. 59 www.retroclassic.com Dieter Munk 87700 Memmingen 27283 Schanbacher Straße 25, 73732 Esslingen Tel.: 08331-4495 Autohaus Kühn GmbH Tel.: 0711 - 375202 E-Mail: info@schrapel.de Im Burgfeld 15, 27283 Verden/Aller LG Süd-West 88046 Tel.: 04231 - 5114, Fax: 04231 - 81668 Klaus Leicht E-Mail: info@autohaus-kuehn.de 74354 Heinz Schneider Georg Straße 9, 88046 Friedrichshafen 27305 Carl-Benz-Straße 1 Tel.: 07541 - 43630 Reparatur, Rest., Wartung 74354 Besigheim/Ottmersheim 88427 Borgward, Lloyd, Goliath Tel.: 07143 - 59818, Fax: 07143 - 58136 Ohlinger Automobile Volker Wischnewski Mobil: 0171 - 2642526 Inh. Joachim Ohlinger Lange Str.1, 27305 Bruchhausen-Vilsen E-Mail: schneiderkfz@t-online.de Steinhauser Straße 31 Tel.: 04252 - 913739 LG Staufen-Ostalb 88427 Bad Schussenried 32278 Tel.: 07583 - 2552, Fax: 07583 - 2566 Kfz.-Technik – Restaurierungen 79111 www.ohlinger-classic.de Peter Finkemeier Autodienst Merkle – Inh. Nico Angleitner LG Allgäu Alte Quernheimer Straße 96, Riegeler Str. 13, 79111 Freiburg Gewerbegebiet Haid 88471 32278 Kirchlengern Bernhard Ganser sen. und jun. Tel.: 05223 - 75926, Fax: 05223 - 654166 Tel.: 0761 - 441079 E-Mail: info@auto-dienst-merkle.de Parkweg 11, 88471 Laupheim 33818 Tel.: 07392 - 2150 Autohaus Heinrich Freitag GmbH & Co. KG 79115 Westring 1-3, 33818 Leopoldshöhe 88499 Vogt Engineering Freiburg Autohaus Schlegel Tel.: 05202 - 983700, Fax: 05202 - 983701 Vergaser- und Motorabstimmungen E-Mail: info@opel-freitag.de Neue Unlinger Str. 20 Klassisches Tuning 88499 Riedlingen LG Ostwestfalen-Lippe Haslacher Str. 25, 79115 Freiburg Tel.: 07371-934450 51379 Mobil: 0171 - 5317088 E-Mail: Vogt-Engineering@t-online.de Willy Krieg – VERCHROMEN Bracknellstr. 9, 51379 Leverkusen www.vogttt.com ■ Tel.: 02171 - 4317452068 LG Südbaden 52068 79379 Geänderter Wilhelm Holländer Graf Motoren und Motorenteile GmbH Motorenbearbeitung W. Holländer GmbH Schliengener Str. 12, 79379 MÜLLHEIM Redaktionsschluss Rotter Bruch 18, 52068 Aachen Tel.: 07631-5495 für CM 3-2015: Tel.: 0241 - 507012, Fax: 0241- 507776 www.graf-motoren.de E-Mail: info@motoren-hollaender.de E-Mail: info@graf-motoren.de 15. Juli 2015 LG Rheinland 4 CM 2-2015 | www.DAVC.DE
Intern Wir begrüßen unsere neuen Mitglieder ■ LG Ostsee ■ LG Rheinland ■ LG Süd-West Michael Thabe Ingrit Hagemann Wolfgang Bischoff Siemser Landstraße 10 Buschweg 9 Almertsham 39 23569 Lübeck 52511 Geilenkirchen 83129 Höslwang Almertsham, Oberbayern Ute Thabe ■ LG Rhein-Main Siemser Landstraße 10 Jörg Tappert Wilhelm Graf 23569 Lübeck Homburger Landstr. 767 Fichtenweg 15 60437 Frankfurt am Main 74257 Untereisesheim ■ LG Ostwestf.-Lippe Eberhard Gorontzi Dr. Andreas Schunk Sylbacher Straße 310 Eschauer Straße 33 32108 Bad Salzuflen 70437 Stuttgart ■ TERMINE 2015 Von unserem Clubmitglied, Willy Krieg, erhielten wir eine umfangreiche, vom Enkel des Firmen- gründers, Heribert Deutsch, handschriftlich er- 12.–14.06.: Klassikwelt Bodensee in stellte Zusammenstellung eines sehr großen Teils Friedrichshafen der in der Karosseriefirma Karl Deutsch in Köln 30.07.– 01.08.: Schauinsland Klassik in Freiburg gebauten Fahrzeuge. Diese Liste enthält die Fahr- 31.07.– 02.08.: Classic Days Schloss Dyck gestellnummer, die Farbe, das Baujahr sowie den 07.–09.08.: OGP Nürburgring Namen des Käufers des jeweiligen Fahrzeugs. 03.– 06.09.: 50 Jahre DAVC Vorwiegend handelt es sich um Ford-Automobile Info: Pit Gilb, DAVC Rhein-Main (Cabrios und Coupés). 05.–06.09.: Classic Gala Schwetzingen Bei Bedarf kann diese Aufstellung über unseren 09.–11.10.: Veterama Mannheim Archivar, Kresimir Majer, eingesehen werden (red.). FL U GPL ATZ Technorama ® 12. +13. 0 9. 2015 Adresse Flugplatz Hildesheim: Lerchenkamp, 31137 Hildesheim Öffnungszeiten: Samstag 9 –18 Uhr, Sonntag 9 –16 Uhr Tel. +49 (0) 731 18968-0, info@technorama.de Hildesheim Der Oldtimermarkt in Europa www.technorama.de oram ma.de CM 2-2015 | www.DAVC.DE 5
Aktuell Buchvorstellung: Weltrekordfahrten bei Dessau Der Hanomag-Diesel aus Hannover Im Februar 1939 fuhr Karl Haeberle, ein Ingenieur tuelle Auferstehung des Fahrzeugs, die Anfertigung der Hanomag aus Hannover, mit einem 1,9 Liter eines professionellen Designer-Modells, die eigent- Diesel auf der Autobahn bei Dessau anlässlich der liche Rekonstruktion, erste Präsentationen des Pro- dortigen Rekordwoche vier Weltrekorde; diese hat- jektes in der Öffentlichkeit und eine ausführliche ten bis in die späten 1950er-Jahre Bestand. Dokumentation der Historischen Rekordwoche Des- sau im Oktober 2014 – einschließlich internationa- 75 Jahre später wird das in den Nachkriegswirren lem Pressespiegel. verschollene Fahrzeug auf Basis noch vorhandener, damaliger Serientechnik schrittweise rekonstruiert. Dieses Projekt wurde initiiert vom Arbeitskreis Der Rohbau dieses Meilensteins der Technikge- Technik- und Industriegeschichte in der Region schichte ist mit Hilfe zahlreicher Sponsoren und Hannover (kurz AK TIG), dem auch die Herausge- sehr viel privatem Engagement abgeschlossen, das ber angehören. Das Fahrzeug ist als Meilenstein der Fahrzeug auch technisch einsatzbereit. Technikgeschichte Bestandteil der Sammlung der in Gründung begriffenen „Hanomag-Stiftung“ zur Er- Diese erste Dokumentation zu einem außergewöhn- haltung kultureller Werte. lichen und zugleich faszinierenden Projekt schildert in mehreren reich bebilderten Beiträgen den Wer- Eggers, Holger u. Goerg, H.-D. (Hrsg.) degang der Rekonstruktion des Diesel-Weltrekord- 80 Seiten, ca. 130 meist farbige Abbildungen, Hard- wagens der Hanomag aus Hannover. cover, 22 x 27 cm (DIN-A4-Querformat), Dazu gehört auch ein Rückblick auf 1939, die ange- ISBN 978-3-923976-97-3, Leuenhagen & Paris, rissene Lebensgeschichte des genialen Konstruk- Hannover, 19,90 Euro zuzüglich 4,90 Euro Ver- teurs Lazar Schargorodsky, ein Blick auf historische sandkostenpauschale. Vorbilder, den Beginn der Aufarbeitungen, die vir- Porsche am Berg 6 CM 2-2015 | www.DAVC.DE
Historie Historisches aus dem Fotoalbum Unser ehemaliger Präsident, Rainer Hindrischedt, schickte uns diese Bilder aus früherer Zeit! Mein Vater und Onke l im Jahre 1936 beim Pickni ck neben einer DKW F 5-Cabriolimou sine Unterwegs im Schwarzwald im Jahre 1966 mit meinem ersten Auto, einem Fiat 500. CM 2-2015 | www. DAVC.DE 7
Historie Historisches aus dem Fotoalbum Aus einem alten Familienalbum bekamen wir diese Bilder zugeschickt: Eine Urlaubsreise nach Italien vom 17. bis 30. Mai 1959 mit einem VW-„Käfer“ Export, Modell 1957– 60, 1200 ccm und 30 PS über den Brenner und St. Gotthard, fünf Personen, Gepäck, Zelt und Campingausrüstung. Route: Hannover – München – Mittenwald – Innsbruck – Brenner – Bozen – Riva – Desenzano – Verona – Rimini – Riccione – Apennin – Rom – Pisa – Genua – Mailand – Lugano – St. Gotthard – Luzern Riccione Bozen am Gardasee Camp Desenzano Über historische Bilder aus IHREM Fotoalbum freut sich nicht nur die Redaktion! Blick auf den Apennin Schicken Sie uns diese zu! 8 CM 2-2015 | www. DAVC.DE
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Historie Historische Rekordwoche Dessau ein voller Erfolg Mit einer Veranstaltungsreihe erinnerte das Tech- nur vier Tagen bei Uli und Fynn Weinberg in Zetel nikmuseum Hugo Junkers in Dessau vom 2. bis 5. noch eine fast komplette Aluminium-Verkleidung Oktober 2014 an die Eröffnung der Rekordstrecke um die Fahrzeugfront bekommen – gerade noch auf der damaligen Reichsautobahn vor 75 Jahren. rechtzeitig für die Fahrt in Dessau vollendet. Wie schon 1939, so kamen auch zu dieser Veranstal- tung zahlreiche Rekordfahrzeuge aus Deutschland und der Schweiz. Nach der Eröffnung durch Des- saus OB Peter Kuras war der Höhepunkt der Re- kordwoche am 3. Oktober – Tag der deutschen Ein- heit – morgens eine Demonstrationsfahrt auf der heutigen A9 unter den Bauhaus-Brücken zwischen Wolfen-Bitterfeld und Dessau-Süd. Abgerundet wurde das Programm durch einige Fachvorträge sowie eine Aerodynamik-Ausstellung des deutsch- schwedischen Künstlers Rony Lutz aus Karlstad, die erstmals überhaupt in Deutschland gezeigt wurde. Stromlinie und Leichtbau waren gefragt bei der His- torischen Rekordwoche Dessau. In den 30er-Jahren spielten diese Faktoren im Fahrzeugbau erstmals eine größere Rolle. Dazu gehörte auch die Jagd nach Geschwindigkeiten, an der sich vor 75 Jahren zahl- reiche Hersteller von Automobilen und Motorrä- dern beteiligten. Eine der wenigen Rekordstrecken wurde Anfang 1939 auf der damaligen Reichsautobahn Leipzig- Berlin eröffnet. Auf der heutigen A9 zwischen Wol- fen und Dessau-Süd ist dieser inzwischen sanierte, 14 km lange Streckenabschnitt noch komplett erhal- ten. Dazu gehören auch die vier filigranen Stahlbrü- cken im Bauhaus-Design. Diese moderne Kunst- schule kam 1928 nach Dessau und war bereits 1933 von den Nazis geschlossen worden, aber ihr effizien- Vergleich Hanomag 1939 und 2014 – es fehlt noch etwas Aluminium ter und markanter Stil war allgegenwärtig. Zur Rekordwoche hatten sich 17 Sammler histori- Der Rekordwagen basierte auf damaliger Serien- scher Stromlinienfahrzeuge angemeldet und waren technik, die wiederbeschafft werden konnte. Von alle mit ihren Gefährten nach Dessau gekommen, 1934 bis 1940 baute die Hanomag rund 20.000 Pkw um am 3. Oktober nochmals auf die Rekordstrecke des Typs Rekord, knapp 1.100 davon mit einem zu gehen. Klein-Diesel-Motor. Eines dieser Rekordfahrzeuge kam von der Hano- Um das Rekonstruktionsprojekt bekannter zu ma- mag aus Hannover. Das in den Nachkriegswirren chen und für weitere Sponsoren zu werben, wurde verschwundene Fahrzeug wird gegenwärtig von der die Historische Rekordwoche am Technikmuseum Hanomag IG aus Hildesheim in mühevoller Klein- Hugo Junkers organisiert. In Dessau gibt es zu Ae- arbeit rekonstruiert. Der fahrbereite Wagen hatte in rodynamik und Leichtbau durch Hugo Junkers und 10 CM 2-2015 | www. DAVC.DE
Historie Historische Rekordwoche Dessau ein voller Erfolg sein Lebenswerk zahlreiche Verbindungen, sodass der ehemaligen Rekordstrecke. Auf den Bauhaus- es nahe lag, das Technikmuseum zum Ausgangs- brücken hatten sich zahlreiche Schaulustige einge- und Mittelpunkt der Veranstaltung zu wählen. funden, die sich das Ereignis nicht entgehen lassen wollten. Nach erfolgreichem Verlauf waren die sel- Den weitesten Weg hatte Leo Kreienbühl mit Frau tenen Rekordfahrzeuge noch unter der Ju 52 im und Kindern aus Bern in der Schweiz zurückgelegt. Technikmuseum Hugo Junkers zu bestaunen. Für Mit einem Hanomag AL 28 Wohnmobil als Zug- die Veranstalter steht schon jetzt fest: 2019, zum 80. fahrzeug zudem ein recht beschwerlicher Weg. Aber Geburtstag der Rekordstrecke, wird es eine Wieder- wie sagte Leo dazu: „Der Hanomag ist derzeit sehr holung geben. gut gelaunt!“ Mit dabei auf dem Trailer ein wunder- schönes Darl’mat 402 DSE Peugeot-Coupé von Ein weiterer Höhepunkt der Rekordwoche war eine 1938. Davon wurden insgesamt nur drei Exemplare Ausstellung von Aerodynamik-Zeichnungen des gebaut. deutsch-schwedischen Künstlers Rony Lutz. Die etwa 30 Grafiken von Fahrzeugen der Jahre 1899 Weitere Raritäten waren ein Adler Le Mans von bis 1950 wurden in Dessau erstmalig überhaupt in 1938, ein Leichtbau Maier, zwei Tatra sowie meh- Deutschland gezeigt und bleiben – ebenso wie der rere DKW- und Hanomag-Fahrzeuge. Ein Rekord- Rekordwagen von Hanomag – noch einige Tage län- fahrzeug aus Hannover war gerade erst zu der Ver- ger im Technikmuseum Dessau. anstaltung aus der Restauration gekommen. Mit diesem Rekord Roadster hatte der berühmte Renn- Schön auch, dass durch Spenden und Eintrittsgelder baron Huschke von Hanstein 1937 die Rallye Ma- bei dieser Veranstaltung rund 6.000 Euro für das rokko gewonnen. Diesel-Projekt zusammenkamen, um die beim Ka- rosseriebauer noch bestehende Lücke nicht größer Im geführten Konvoi ging es zur Autobahn und werden zu lassen. Herzlichen Dank dafür an alle nachdem sich am 3. Oktober morgens der Nebel Mitwirkenden! verzogen hatte, gaben die örtlichen Polizeieinsatz- kräfte grünes Licht für die Demonstrationsfahrt auf Bilder: Klaus-Lothar Bebber Text: Horst-Dieter Görg, Motorjournalist ■ Teilnehmerfahrzeuge im Technikmuseum Dessau: DKW, Ihle-BMW, Hanomag- Rekord Roadster, DKW Monza, Ford Roadster (v.l.n.r.). CM 2-2015 | www. DAVC.DE 11
Historie Ford A Roadster von 1930 Die Zeiten, dass in einer alten Scheune ein Oldtimer gann die eigentliche Arbeit. In der Werkstatt des steht, sind längst passé. Gemeinsam mit Werner Wulmstorfer Ford-Händlers Althausen wurde der Hartjen ging ich nach eingehendem Studium von Roadster in wochenlanger Kleinarbeit gründlich Fachzeitschriften immer wieder auf Tour. Die Ent- überholt. Selbst der damals 82-jährige Hermann fernungen spielten für uns keine Rolle, mal ging es Althausen sen. stand bei der Überholung des Fahr- nach Mannheim oder nach Frankfurt. Endlich wur- zeugs mit Rat und Tat zur Seite. Er kannte sich bes- den wir fündig, mein Wunschauto stand in Mön- tens mit dem Fahrzeug aus. In den 1930er-Jahren chengladbach. Es war ein Ford A Roadster, Baujahr hatte er bei den Ford-Werken in Detroit am Band 1930. Das Auto kam aus Uruguay und war bis zu- gearbeitet. In Mai 1987 wurde der Ford A Roadster letzt in Montevideo zugelassen gewesen. Ein Wasser- vom Landkreis Verden zugelassen. bautechniker, der oft in Südamerika tätig war, hatte den Oldtimer gekauft und mit nach Deutschland ge- Technische Daten: bracht. Per Handschlag wurde der Kauf besiegelt. Hubraum 2023 ccm Endlich hatte ich mir einen Jugendtraum erfüllt. Leistung 28 PS Nach den mir vorliegenden Unterlagen wurde der Geschwindigkeit 80 km/h Roadster im Januar 1930 bei Ford in Detroit gefer- tigt und nach Südamerika exportiert. Der damalige Besitzer: Käufer musste 520 US$ für den Ford A Roadster Ernst-Leo Nießen bezahlen. Nachdem wir das Auto geholt hatten, be- August-Hinrichs-Straße 2 ■ 12 CM 2-2015 | www. DAVC.DE
Historie Das Göttinger Ei – der Schlör-Wagen Schon vor 1914 gab es verschiedene Konstrukteure, Dort wurde bereits durch Dipl.-Ing. A. Lange an die sich die Stromlinie als Hobby gönnten. Alfa einem Stromlinienmodell geforscht und gezeichnet. Romeo (Graf Ricotti) oder eine Opel-Limousine und Dieses Design entsprach etwa der Jaray-Form mit nicht zu vergessen das Elektro-Automobil (La jamais auslaufendem Heck in verbesserter Darstellung. Im contante), welches als erstes Fahrzeug die 100 km/h Modell-Windkanal des Institutes wurde ein sagen- überschritt bzw. überfuhr, anno 1898. Nach 1918 hafter Cw von 0,14 gemessen, allerdings mit Abde- wurde die Aerodynamik mit Stromlinienformen wis- ckung aller 4 Räder. Wenn man das Windkanal-Mo- senschaftlich angegangen. Die 1920er-Jahre waren dell betrachtet, so entspricht dieses noch nicht der auch immer noch nicht reif, die Kunden damit zu Wirklichkeit, um einen genaueren Cw-Wert zu er- beglücken. Erst in der zweiten Hälfte der 1930er mitteln. In dieser Zeit, ohne dass das Projekt zu Jahre waren die Begüterten „In“ mit einem meist Ende geführt werden konnte, schied Lange aus sei- Pseudo-Stromlinienwagen. Pseudo hin oder her, nem beruflichen Arbeitsplatz aus. Dr. Ing. Karl alles, was irgendwie länglich geschwungen war, Schlör übernahm diese Tätigkeit. bekam das Prädikat Stromlinie. Mit seinem Mitarbeiter Hans Becker wollten sie die Am Rennen um den möglichst kleinsten Luftwider- Arbeiten von Ing. Lange nicht fortführen, sondern standsbeiwert beteiligte sich u. a. Altmeister Paul Ja- entschieden sich für eine Einvolumen-Karosserie. ray. Edmund Rumpler war schon 1926 ausgeschie- Die Grundform zeigte ein Tragflächenschnitt. Mo- den, obschon sein Tropfenwagen mit Cw 0,28 dellwindkanal-Messungen ergaben angeblich einen den besten Wert hatte. Da waren noch Prof. Wuni- Luftwiderstandsbeiwert von bescheidenen Cw bald Kamm und Freiherr Reinhard Koenig-Fach- 0,113. senfeld, deren beste Aus- führungen sich mit Cw ab 0.30 bemühten, dem Luftwiderstand aus dem Weg zu gehen. Alle diese Aerodynamiker befanden sich im deutschsprachigen Raum. Aber, da war doch noch einer, von dem bis jetzt noch nicht die Rede war, von Dr. Ing. Karl Schlör von Westhoffen-Dirm- stein (1911-1997). Er kam 1936 von Krauss-Maffei bei München zu der Ae- rodynamischen Versuchs- Anstalt Göttingen e. V. (AVA). Diese war im Kai- ser-Wilhelm-Institut Göt- tingen unter der Leitung von Prof. Dr. Ludwig Prantl (1875-1953) inte- griert. 1939 im Göttinger Windkanal, Fädchen zum Sichtbarmachen der Strömung CM 2-2015 | www.DAVC.DE 13
Historie Das Göttinger Ei – der Schlör-Wagen Die Verantwortlichen fanden dieses Ergebnis so gut, tig anstoßen. Trotz der Alu-Karosserie war der dass entschieden wurde, den Wagen zu bauen. Als Wagen etwa 250 kg schwerer als die Serien-Limou- Fahrgestell wurde ein Mercedes 170 Heck durch sine. Die AVA hatte den ersten 1:1-Windkanal Mitte Karl Schlör ausgelesen. Es wurde noch einiges ge- des Jahres 1938 erhalten, also noch bevor das For- ändert, wie Mittellenkung und entsprechend die Pe- schungsinstitut für Kraftfahrwesen Stuttgart (FKFS) dalerie dazu. Das Windkanalmodell wurde auf der unter der Leitung von Prof. W. Kamm seinen 1:1- IAA 1938 in Berlin ausgestellt. Ein Jahr danach Windkanal hatte. sahen die Besucher den fertigen Wagen, welcher in Der Schlör-Wagen, wie er von nun an genannt der Zwischenzeit bei den Gebrüder Ludewig in wurde, hatte einen Radstand von 2,60 m, 4,33 m Essen karossiert worden war. Die Karosseriefirma Länge, die Höhe betrug bei einer Bodenfreiheit von Ludewig hatte schon einige Erfahrungen mit Strom- 20 cm nur 1,48 m an der höchsten Stelle. In der linienaufbauten, vor allem mit Bussen auf Opel- Breite schlug er wahrscheinlich alles, was es damals Blitz-Fahrgestellen. Im 1:1-Windkanal in der AVA gab auf den Straßen mit 2,10 m. Diese Breite kam brachte der Cw 0,189, die beste Messung Cw 0,186, daher, weil die Vorderräder innerhalb der Karosse- eine absolute Sensation. rie drehten, die Hinterräder waren abgedeckt. Was dazu verhalf, war der abgedeckte, geschlossene Daimler-Benz hatte mit seinen beiden Heckmotor- Boden, die Fenster welche mit der Aluaußenhaut Varianten, den Typen 130 und 170 H, ihre Kund- bündig waren und nicht, wie damals üblich, vier bis schaft nicht gerade beglückt, sodass keine großen sechs Zentimeter weiter davon entfernt. Für Frisch- Verkaufszahlen resultierten. Beim 170 H waren dies luft im Inneren konnten die vorderen und die hin- von 1935 bis1939 ganze 1.507 Exemplare. Ob das teren Fenster mit je einem Ziehbeschlag von oben Schlör-Fahrgestell dabei war? nach innen gezogen werden, und in der Front Die Reihen-4-Zylinder längs hinter der Hinterachse wurde eine Klappe eingebaut, wobei die beiden waren in schnellen Kurven, wobei schnell ca. 70 Ziehbeschläge nicht der Sicherheit der Fahrenden km/h waren, schlecht aus der Kurve zu steuern und dienten, man konnte sich bei einer Vollbremsung auf der Straße zu halten. Der 170 H leistete bei oder bei einem Unfall zusätzlich noch den Kopf hef- 3.200 U/min. 38 PS. Das Gewicht des Fahrgestelles brachte 650 kg auf die Waage, mit der Limousinen- Karosserie ganze 1.100 kg. Wie gesagt, der Schlör- 14 CM 2-2015 | www.DAVC.DE
Historie Das Göttinger Ei – der Schlör-Wagen Schlör-Wagen 1939 CM 2-2015 | www.DAVC.DE 15
Historie Das Göttinger Ei – der Schlör-Wagen Wagen in Aluminium brachte noch zusätzliche 250 sche Motor-Schlitten“, Seite 19 und 20, herausgege- kg. Also rund 1.350 kg Leergewicht. Die Höchstge- ben in: „Deutsche Forschungsanstalt für Luft und schwindigkeit betrug beim Serienwagen cirka 105 Raumfahrt e.V. 1992“: km/h, beim Stromlinienwagen lockere 134-136 „Dazu musste man aber aus der Versuchsanstalt he- km/h. Beim Verbrauch wurden auf 100 km acht rausfahren und die Stadt (Göttingen) und ihre Liter und 10-12 Liter zu Gunsten des aerodynami- engen Straßen passieren, um endlich die Auffahrt schen Fahrzeuges ermittelt. zur Autobahn zu erreichen. Ein sowieso andersartig Nun, nachdem die Tests abgeschlossen waren, gestalteter Personenwagen, wie er es nun einmal wurde der Wagen in eine Ecke gestellt und ein Tuch war, und dazu noch ein donnernder Flugmotor mit darüber gelegt, weil die Kraftfahrtforschung am In- Propeller hintendran, konnte nur mit polizeilicher stitut kriegsbedingt aufgegeben wurde. Es folgten Extragenehmigung diese Fahrt antreten. Und dabei nun die Jahre 1939 bis 1945. Auch Schlör „durfte“ geschah es. Bis zur Groner Landstraße konnte man Militärdienst absolvieren, allerdings seinen berufli- durchfahren. Dort an der Kreuzung stand, wie üb- chen Fähigkeiten entsprechend. Er wurde mit sei- lich, ein Polizist, der – wie konnte es anders sein – nem Freund und Mitarbeiter Hans Becker nach zunächst einmal den Wagen anhielt. Also die Pulle Riga entsandt. Beim LKW-Werk von Mercedes ein- raus und den Motor im Leerlauf rumpsen lassen, quartiert, wurden Propellerschlitten aus Beuteteilen rumpeldirumpeldirumpel. Mittlerweile füllten sich zusammengebaut. So wurde auch einmal zu Beginn die Bürgersteige mit Jung und Alt und Männlein dieser Aktion ein fünfzylindriger M11-Sternmotor und Weiblein, und als alle da waren, hob der Polizist mit einer Leistung von etwa 130 PS, eine Konstruk- seinen Arm und gab die Fahrt frei. Ja – also – die tion der Russen, als Beuteteil beansprucht. Darauf- Pulle rein und dröhnend und fauchend blies der hin schlug jemand vor, man könnte den eingemot- Propeller – ein Riesen-Gebläse in der engen Straße – teten Schlör-Wagen damit bestücken und testen, ja wie ein Orkan und die Hüte flogen, die Röcke vielleicht sogar in Russland einsetzen. Gesagt und hoben sich und die gaffende Menschheit stand bloß getan, der Motor wurde nach Göttingen mit der Bahn transportiert. Der Schlör-Wagen wurde entmottet, der Merce- des-Motor amputiert und dafür der Russen- motor mit Propeller hinten drauf montiert. Das klappte sogar und auch noch bestens. Nach den Standschub- versuchen wurden nun die Geschwindigkeits- verhältnisse auf der Autobahn festgestellt. Dr. Ing. Karl Schlör von Westhoffen-Dirm- stein in seiner Veröf- fentlichung „Der deut- 16 CM 2-2015 | www. DAVC.DE
Historie Das Göttinger Ei – der Schlör-Wagen und frei solange, bis der Spuk vorbei war. Das Göt- Die englischen Besatzer hatten das Kaiser-Wilhelm- tinger Tagblatt hatte für den nächsten Tag seine Institut und damit auch die AVA aufgelöst. Heute Sensation und das trug – wieder einmal – zum heißt das Institut Deutsche Forschungsanstalt für Ruhm des Kaiser-Wilhelm-Instituts und der Aero- Luft- und Raumfahrt e. V. dynamischen Versuchsanstalt in Göttingen in popu- Der Schlör-Wagen wurde beschlagnahmt und nicht lärster Weise bei. Auf der Autobahn Göttingen-Kas- wieder herausgegeben. Angeblich wurde er nach sel mit längeren Steigungs- und Gefällstrecken England gebracht. Dort steht er möglicherweise wurde mit Propellerantrieb durch den Wagen eine noch heute in einem Verlies. Dr. Karl Schlör traf Geschwindigkeit von 180 km/h erzielt, die zugleich man später wieder für kurze Zeit bei Krauss Maffei das maximal Zulässige für die Fahrzeugkonstruktion in München. Zweimal hat er sich mit Stromlinien- bedeutete. Die Aerodynamik trug hier nichts mehr Projekten befasst: Ein Sportcoupé mit Propelleran- dazu bei, es war die reine Kraft, welche den Wagen trieb wurde jedoch nicht realisiert. Es blieb auf dem vorwärts trieb. Ob dabei der Verbrauch ermittelt Papier, wie so Manches. Später ging er zu Teves, wurde, möglich ist es, aber nicht mehr überliefert dem Bremsen-Spezialisten, wo er mit dem bekann- (oder?). Das Versuchsfahrzeug war schließlich kein ten Physiker Fritz Ostwald zusammenarbeitete. Rennwagen.“ Beide waren sehr interessiert an dem neu herausge- Dieser Versuchswagen mit Propellerantrieb wurde brachten Motor von Felix Wankel. Geschäftlich und nach verschiedenen Debatten bei den zuständigen beruflich wurde jedoch nichts daraus. Herren nicht in Russland eingesetzt, sondern ge- 1983 setzte sich Schlör nochmals ans Zeichenbrett langte nach dem finnischen Rovaniemi als Propel- und brachte einen neuen Wagen aufs Papier für lerdruck-Prüfstand. Wie und wann der Wagen wie- seine Techno-Transfer GmbH. Die deutschen Au- der zurück nach Deutschland kam, wurde nicht be- tohersteller hatten überhaupt kein Interesse daran. schrieben. Heute sähe das wahrscheinlich anders aus. 1991 Nach Kriegsende ging Schlör zum bayrischen Staats- wurde das nächste Windkanal-Modell in Sindelfin- ministerium nach München. Hier war er zuständig gen im kleinen Windkanal von Mercedes-Benz ge- für die Kfz-Industrie und Reifen-Importe der Alli- testet, was angeblich ebenfalls einen Luftwiderstand ierten. Er machte auch den Vorschlag, Vorkriegs- von Cw 0,19 ergab. Aber das Ergebnis war am glat- Fahrgestelle von DKW mit seiner Karosserie zu ver- ten Modell gemessen. sehen. Es gab zwar schon in den 1930er-Jahren 1997 ist Dr. Ing. Karl Schlör verstorben. einen Stromlinien-DKW mit Heckmotor, aber nur als Einzelstück. Die DKW-Geschichte ging nicht wei- Text: ter, leider! Es ist heute schlecht vorstellbar, mit Hanspeter Röhl, MVC einem DKW mit 600 ccm 2-Taktmotor und einem Leergewicht von 1.350 kg mit Fahrgästen und Ge- Fotos: päck über den Gotthard nach Italien in die Ferien Karl Schlör, AVA-Archiv, Daimler AG zu fahren. ■ Geänderter Redaktionsschluss für CM 3-2015: 15. Juli 2015 CM 2-2015 | www. DAVC.DE 17
Historie Citroën 5HP – oder warum kleine Jungs ein altes Auto brauchen Die Geschichte zu dieser merkwürdigen Überschrift lig, auch gleich einen Anhänger dabei. Das war im beginnt 1983. Stephan, damals gerade sechs Jahre April 1999. Zwischenzeitlich hatte ich mich ausgie- alt geworden, war mit seinen Eltern in Frankreich, big mit der Geschichte des kleinen Wagens beschäf- um dort einen Citroën Traction Avant zu kaufen tigt und wusste so genau, welche Fahrzeuge für und mit ihm auf Achse nach Hause zu fahren. mich in Frage kamen. Es musste ein früher 5HP, also ein 5HP Typ C Torpedo, sein. Dieser wurde Daheim angekommen, wurde erst einmal fleißig Li- von 1921 bis 1923 gebaut. Des Weiteren gab es noch teratur zum Thema Citroën gekauft. In einem die- den C2 als Torpedo, Coupé und Cabriolet und den ser Bücher war ein leicht unscharfes Bild eines 5HP auf 11 PS erstarkten C3 als Trefle, faux Trefle, Tor- Prototypen abgebildet. Stephan, der gerade seine pedo und als Kastenwagen. All diese Varianten sind ersten Leseversuche begonnen hatte, fand heraus, zwar nett, aber eben nicht der Ursprung und somit dass es dieses lustig anzusehende Auto nur in Gelb für mich damals uninteressant. Der C2 und der C3 gab. Von diesem Augenblick an war klar: Stephan wurden bis 1926 gefertigt. Die gelbe Farbe war nur braucht ein solches Auto! bis März 1923 im Programm. Citroën 5HP Typ C2 Torpedo Citroën 5HP Prototyp Wie es so oft ist, kleine Kinder brauchen alles und müssen auch alles haben, bekommen es aber nicht und vergessen es dann wieder. Klein Stephan, Sie ahnen es, wer diesen Text geschrieben hat, blieb aber am Ball. Immer wieder wurde das Buch gele- sen und verliebt das Bild bewundert. Ende der acht- ziger Jahre hatte Stephan seinen Papa weich ge- klopft und es wurde ein angebotener 5HP besichtigt. Damals siegte die Erkenntnis, dass ein Zweisitzer mit gerade einmal 9 PS nicht unbedingt reisetauglich ist und somit nicht in Frage kommt. Thema abgehakt. Lange Jahre vergingen, bis wieder ein 5HP angebo- ten wurde, der dann auch gleich besichtigt wurde. Allerdings hatte ich mein Erspartes und, rein zufäl- Citroën 5HP Typ C3 Trefle 18 CM 2-2015 | www. DAVC.DE
Historie Citroën 5HP – oder warum kleine Jungs ein altes Auto brauchen Der damals angebotene 5HP erwies sich als struktu- zu schweren Unfällen mit solchen Flitzern kam, än- rell gesund und somit für mich als Vorkriegs-Neu- derte man die entsprechenden Gesetze ab. Zum ers- ling restaurierbar. Er war fast komplett, nur leider ten Januar 1921 wurden die Cyclecars rechtlich dem waren die Restaurierungsversuche eines Vorbesit- „richtigen“ Automobil gleichgestellt. Sofort brach zers alles anderes als brauchbar. Gegenstand dieses der Markt zusammen und das, obwohl ja scheinbar Berichtes soll nun nicht die Restaurierung werden. Bedarf bestand. André Citroën erkannte als erster Deshalb lasse ich diese außen vor und beschreibe diese Marktlücke und brachte bereits im März 1921 lieber, wie man mit einem solchen Fahrzeug unter- den 5HP heraus. Im Gegensatz zu den meist recht wegs ist und warum André Citroën den 5HP über- provisorisch und zusammengeflickt wirkenden Cy- haupt baute. clecars war der 5HP ein richtiges Automobil. Da er, wie auch die großen Citroëns, am Fließband gefer- In ganz Europa gab es nach dem Ersten Weltkrieg tigt wurde, war er entsprechend günstig. Citroën das Verlangen nach günstigen Automobilen für die ließ diesen Wagen in seinen Werken in Frankreich, Massen. Überall gab es sogenannte Cyclecars, also Belgien, England und Italien fertigen. Bis 1926 ver- Automobile gebaut aus Motorradteilen. Diese Fahr- ließen über 80.000 Exemplare die Werkshallen. Ci- zeuge nutzten eine Gesetzeslücke und waren somit troën stellte die Fertigung des Wagens nicht wegen steuer- und zulassungsfrei. Da es aber immer wieder nachlassender Nachfrage ein, sondern weil er, aus Bahnhof Bruchhausen-Vilsen CM 2-2015 | www. DAVC.DE 19
Historie Citroën 5HP – oder warum kleine Jungs ein altes Auto brauchen 5HP auf Tour Citroëns Sicht, veraltet war. Die Karosserie des 5HP Ganghebel im Weg herum. Citroën schrieb damals, besteht noch aus Blechen, die auf einem Holzrah- dass ein 5HP geeignet ist für Leute, die nicht über men genagelt sind. Alle anderen Citroëntypen wur- 1,70 Meter groß sind. Ist man sich dessen bewusst, den ab August 1921 jedoch schon mit einer Ganz- steigt man über die Beifahrerseite ein. Ein wenig stahlkarosserie gebaut. Eine „tout acier“ (Ganzstahl) klettern und schon sitzt man recht bequem. Nun -Karosserie hätte den 5HP allerdings derart verteu- wird der unterm Tank hängende Benzinhahn (Fall- ert, dass er nicht mehr verkaufbar gewesen wäre. benzin ohne Pumpe) geöffnet, der Choke und der Opel kopierte den 5HP Typ C Torpedo und ver- Zündknauf gezogen, und nach einer kurzen Warte- kaufte ihn als 4/12 PS Laubfrosch. zeit tritt man mit dem rechten Fuß auf den Anlas- serknopf. Vorausgesetzt es ist kein Gang eingelegt, Wie fährt sich ein solches Automobil? Bevor man in tobt nun der Anlasser los. Ein Höllenlärm! Anlassen einen 5HP steigt, sollte man sich bewusst sein, dass mit eingelegtem Gang und getretener Kupplung man mit großen Füßen aufgeschmissen ist. Die Pe- mag der Kleine überhaupt nicht. Es gibt allerdings dalen liegen viel zu eng beieinander. Außerdem ste- Tage, an denen gekurbelt werden muss. Passen die hen dann auch noch die Handbremse und der Außentemperaturen, reicht eine halbe Kurbelum- 20 CM 2-2015 | www. DAVC.DE
Historie Citroën 5HP – oder warum kleine Jungs ein altes Auto brauchen drehung. An kalten Novembertagen dürfen es auch schon mal zwei oder drei Umdrehungen sein. Läuft der Kleine, dann muss man wieder ein wenig warten. Um einen Gang einzu- legen, läuft der Motor mit gezogenem Choke viel zu schnell. Läuft der Motor auch ohne Choke zufrieden- stellend, kann die Reise losgehen. Dazu löst der Fahrer zuerst die Hand- bremse, um dann den ersten Gang unten rechts einzulegen. Legt man zuerst den Gang ein, stehen sich Handbremse und Ganghebel im Weg… Im Stand kracht es nun ein wenig und dann geht’s los. Den rech- ten Fuß auf das mittlere Pedal und vorsichtig Gas geben. Am Beginn einer Fahrt ist der Kleine noch recht mürrisch. Hat er dann erst einmal Fahrt aufgenommen, geht es recht Zugkreuzung zügig voran. Begleitet durch das Heulen des gerad- verzahnten Getriebes, erreicht man flott den Gang- Trommeln an den Hinterrädern. Für eine echte Ge- wechselzeitpunkt. In der Ebene liegt dieser bei ca. fahrenbremsung nach heutigen Maßstäben ist selbst 10 Stundenkilometern. Dazu Fuß vom Gas, Kupp- die Kombination aus beiden Bremsen unbrauchbar. lung mit dem linken Fuß getreten, Gang raus, Fuß Auch ein Ausnutzen der Motorbremskraft ist nicht von der Kupplung, kurz warten, kuppeln und den möglich, da bei zu hoher Motordrehzahl ein nach zweiten Gang oben links einlegen. Während man unten Schalten nicht möglich ist. Das Herunterschal- sich dabei Zeit nehmen muss, um zum einen nicht ten funktioniert auch wieder nur mit Doppelkup- in den Rückwärtsgang zu schalten (ohne Sperre peln. Allerdings sollte man, um in den Zweiten oben rechts) und zum anderen ein lautes Krachen schalten zu können, schon fast stehen. In den ersten zu verhindern, sollte nun recht flott wieder Gas ge- Gang kommt man nur im Ausrollen geräuschlos. geben werden. Man wird sonst einfach zu langsam. Gleiches gilt für den Wechsel in den dritten Gang Beachtet man dies, kann man auch mit 9 PS aus (unten links). Legt man bei ca. 15-20 Sachen den einem 860 ccm 4 Zylinder Viertakter die Welt er- dritten Gang ein, rollt der 5HP genüsslich durch die obern. Ich fahre mit meinem 22er 5HP jährlich ca. Landschaft. Im großen Gang sind die Zahnräder 3500 Kilometer. Und jedes Mal, wenn ich in die Ga- schräg verzahnt, und somit kreischt und jault jetzt rage gehe, freue ich mich, diesen Kindheitstraum auch nichts mehr. Nun kann man den 5HP auf be- vom lustigen gelben Auto heute leben zu dürfen! achtliche 60 Stundenkilometer beschleunigen, die er Übrigens, der Traction Avant von damals steht auch problemlos erreicht. Wer nun wieder langsa- heute natürlich neben dem 5HP. mer werden möchte, sollte sich das früh genug über- legen. Die rechts sitzende Fußbremse wirkt auf eine Stephan Arbeitlang Trommel, die die Kardanwelle abbremst. Die Hand- Präsident DAVC Weser-Ems bremse verzögert zwei über Gestänge betätigte ■ CM 2-2015 | www. DAVC.DE 21
Historie Opel Kapitän – ein Juwel der Automobilgeschichte Als im Jahre 1970 die Produktion des Opel Kapitäns denn dieser „Kapitän“ beherrscht die Straße wie der B aus der letzten großen Opel-Modellreihe einge- Kapitän auf seinem Schiff das Meer. stellt wird, bedeutet das nach mehr als 30-jähriger Bauzeit eine Zäsur nicht nur in der Firmenge- 1938 verließ der erste „Kapitän“ das große Opel- schichte des Opel-Werkes, denn dieses legendäre Schiff im Hafen Rüsselsheim und trat seine Reise in Auto hat Automobilgeschichte mitgestaltet. viele Länder dieser Welt an. Damals – vor dem Zwei- Der folgende Beitrag wurde vor längerer Zeit beim ten Weltkrieg – hatte er noch einen Vorgesetzten, Wettbewerb „Beste Klassik-Story des Jahres“ der den „Admiral“. Den „Kapitän“, von 1938 – 1940 als Zeitschrift Motor Klassik mit dem 3. Preis ausge- zwei- und viertürige Limousine mit Fließheck sowie zeichnet. als Cabriolet gebaut, sah man ab 1948 in leicht ver- Die Darstellung soll in einem kurzen Abriss chrono- änderter Bauweise wieder auf den Straßen, jetzt al- logisch die Modellpalette eines historischen Auto- lerdings nur als viertürige Limousine. Glücklich, wer mobils in seiner Zeit aufzeigen, eines Autos, welches sich damals mit ihm sehen lassen konnte! durch Oldtimerfreunde und deren Liebe zum auto- Man missbrauchte nach dem Krieg in noch schlech- mobilen Kulturgut der Nachwelt erhalten bleibt. ter Zeit in Deutschland öfters seinen Namen, indem (Red.). man ihn „Gangster-Kapitän“ nannte, weil hin und wieder sich Gangster seiner bemächtigten und ihr „Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise…“ sang am Unwesen mit ihm trieben, was jedoch auch wieder Anfang der 50er-Jahre der unvergessene Hans Al- bewies, dass man seine Qualitäten zu schätzen bers zu einer Zeit, als in Rüsselsheim der ,„Kapitän wusste, eben ein guter „Kapitän“. Vorgesetzte gab 51“ seine „Reise übers Land“ begann, und wenn es nun nicht mehr. Er selbst führte die Opel-Flotte auch der Interpret in seinem Schlager den Kapitän an. auf See damit ansprach, so nahmen doch in der Tat die Opel-Kapitäne auf ihren Reisen durch drei Jahr- 1951 war seine Zeit abgelaufen, man pensionierte zehnte viele Menschen mit, weckten Freude am ihn und besetzte seine Stelle mit einem Nachfolger Auto sowie am Fahren und realisierten Autoträume. Seit seinem Erscheinen ver- körpert der „Kapitän“ den „großen“ Opel – für viele aller- dings während seiner Produk- tionszeit leider unerschwing- lich! Auf der Straße passt er sich, leicht schwebend, den Un- ebenheiten der Fahrbahn an, gleitet dahin wie Wellen an der Oberfläche des ufernahen Meeres, mit kaum hörbarem Motorgeräusch – eben ein ma- jestätischer „Kapitän der Landstraße“. Dieser in sich wi- dersprüchliche Begriff stellt sich jedoch auch schlüssig dar, „Vorkriegskapitän“ – hier als zweitürige Limousine 22 CM 2-2015 | www. DAVC.DE
Historie Opel Kapitän – ein Juwel der Automobilgeschichte Stils“ – so stand es auf dem Ver- kaufsprospekt – „das souveräne Meisterstück aus Rüsselsheim“. Ein Zwischenblech in der Frontöffnung mit kleinen Hö- ckern und Chromleistchen da- rauf, wie Zähne im geöffneten Maul eines großen Tieres wir- kend, brachte ihm den Namen „Haifischmaul-Kapitän“ ein – analog zum kleinen Bruder „Olympia-Rekord“. Doch be- reits 1955 musste er abdanken. Zwar sehr ähnlich seinem Vor- gänger, veränderte man sein Aussehen: Kühlergrill, größere Front- und Heckscheibe – die- se jetzt ohne Unterteilung. „Schwungvoll in Ruhe und Be- wegung“, so warb man für ihn. Manche sprechen heute noch vom „schönsten Kapitän, den es „Nachkriegskapitän“ 1948 – 1951 je gab“. Stolz, nicht übermäßig groß, elegant, leicht- füßig – so bewegte er sich im stets stärker werden- in völlig anderer Kapitäns-Uniform. Der amerikani- den Verkehr auf Deutschlands Straßen. Aber auch sche Einfluss wurde größer, der Neue erinnerte an sein Berufsleben näherte sich nach zweieinhalbjäh- den Chevrolet Skyline Sport Sedan von 1950. Viel riger Dienstzeit dem Ende entgegen. Chrom an der Front und das Heck mit deutlich herausmodelliertem Kofferraum, kein Fließheck mehr – ein „Kapitän“ mit höchst repräsenta- tivem Charakter. Politiker und Fabri- kanten brachte er auf ihren Dienst- reisen sicher zum Ziel, bis man ihn gegen Ende des Jahres 1953 nicht mehr wollte, er wirkte plötzlich alt- modisch, denn es begann die Zeit, da man die klassische Bauweise verließ und in der Pontonform das Heil suchte. Man kleidete ihn also völlig neu ein. Als „Kapitän 54“ zog er durch die Tore Rüsselsheims hinaus in die Welt und stellte sich der Öf- fentlichkeit vor als neuer, moderner „Kapitän“. „Ein Wagen großen „Kapitän 51“ CM 2-2015 | www. DAVC.DE 23
Historie Opel Kapitän – ein Juwel der Automobilgeschichte Auch so was gibt’s noch!: „Kapitän 54“ „Kapitän 54“ 1958 übernahm ein völlig neu ausgestatteter „Kapi- haft der erfolgreichste „Kapitän“ bis zu diesem Zeit- tän“ das Ruder der Opel-Flotte, dessen Amtszeit nur punkt! ein Jahr währte, denn seine Kritiker traten mit 1964 war Wachablösung: Der Neue hieß „Kapitän schwerwiegenden Argumenten an die Öffentlich- A“ – neben Admiral und Diplomat A – er bekam keit: Zu schmale Fondtüren und an dieser Stelle ein also wieder Vorgesetzte, wie vor dem Krieg schon bereits zu niedriges Dach erschwerten den Einstieg einmal. In der Ausgabe 42 des o. g. Jahres schrieb derer, die sich vom „Kapitän“ über die Landstraßen der „Spiegel“: „Um dem Kapitän wieder den An- chauffieren ließen. „Schlüsselloch-Kapitän“ nannte strich eines deutschen Arbeitgeberwagens zu geben, und nennt man ihn heute noch – aufgrund seiner beschloss Generaldirektor Stork im Einvernehmen schlüssellochähnlichen Rückleuchten. Keinesfalls mit seinem Vorgesetzten in Detroit, den großen eine abwertende Bezeichnung! Das wäre auch un- Opel neu aufzutakeln und in zwei Versionen zu of- verdient, denn er sah gut aus: stämmig, kräftig, ferieren: als »Kapitän« für den biederen Geschäfts- trotzdem schnittig und unternehmungslustig. „Hier mann und als Admiral mit mehr Make-up für den ist der große Wagen europäischer Konzeption – der gehobenen Unternehmer.“ neue Kapitän – in klarer Form, mit sinnvollem Kom- fort und technischer Perfektion. Weltklasse!" So war Clou des Programms stellte eine 17.000 Mark teure zu lesen! Doch die Kritiker setzten sich durch: Er Version des „Kapitän“ dar. Mit dem Weltläufigkeit musste also nach sehr kurzer Produktionszeit abdan- suggerierenden Namen „Diplomat“ und einem ken. Heute sucht man ihn, sehnt sich nach ihm – Achtzylindermotor sollte erstmals ein Opel-Fahr- nach dem seltenen „Schlüsselloch-Kapitän“. zeug in Käuferschichten vorstoßen, die bislang auf den guten Stern aus Schwaben schworen. Dieser Eiligst wurde im August 1959 ein neuer „Kapitän“ „Kapitän A“ zeigte sich glattflächiger, weniger Zier- vorgestellt, der P 2.6, völlig anders eingekleidet, rat an seinem Äußeren – kräftig und geschmeidig auch mit anderer Schuhgröße, 14er Felgen. „Wa- wollte und sollte er wirken. „Linie, Leistung, Luxus“ gen, die verwöhnen, Leistung, die verwöhnt, Fahr- lautete die Devise – ein stolzer „Kapitän“, durch komfort, der verwöhnt, Raumkomfort, der ver- seine Vorgesetzten leider etwas abgewertet. wöhnt“ – ein „Verwöhn-Kapitän“ also – „für An- spruchsvolle“ und in der Tat sehr erfolgreich. Des- Als 1967 der „Kapitän“ kaum noch Begeisterung halb durfte er auch mehr als vier Jahre im Amt blei- hervorrief, startete man im Heimathafen Rüssels- ben – länger als alle Berufskollegen vor ihm! Wahr- heim einen letzten Versuch, Daimler-Benz Paroli zu 24 CM 2-2015 | www. DAVC.DE
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