Deutschland in Europa 2002-2016 - Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey
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Deutschland in Europa 2002-2016 Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey
Deutschland in Europa 2002-16 Der European Social Survey Beim European Social Survey enthält er von Runde zu Runde (ESS) handelt es sich um wechselnde Themenmodule zu aktuellen eine länderübergreifende, gesellschaftlichen Fragen. Diese bilden sozialwissenschaftliche Umfrage, beispielsweise Einstellungen gegenüber die 2002 erstmals erhoben wurde Immigrant*innen (2002 und 2014) und seitdem im Abstand von zwei oder gesundheitliche Ungleichheiten Jahren in Form von face-to-face (2014) ab. Ziel des ESS ist es, Wandel Interviews stattfindet. Ziel des ESS und Kontinuität in den Gesellschaften ist es, die Einstellungen und zentralen Europas möglichst präzise zu erfassen Verhaltensmuster in möglichst vielen und zu erklären. europäischen Ländern zu messen, Die gewonnenen Daten sind auf um sie sowohl im Länder- als auch der Website des ESS unter www. im Zeitvergleich besser zu verstehen. europeansocialsurvey.org für nicht- Bisher haben 36 Länder am European kommerzielle Zwecke frei zugänglich, Social Survey teilgenommen, wovon wo sie auch mithilfe eines Online etwa die Hälfte an sechs oder mehr der Analysetools untersucht werden können. im Zeitraum 2002-2016 durchgeführten acht Runden mitgewirkt hat. Der Empfohlene Zitation dieser Broschüre: Fragebogen umfasst einerseits Themen Schnaudt, C., Hochman, O., Ludwig, S. von andauernder Relevanz, wie z.B. und Mertens, M. (2020). Deutschland in die allgemeine Lebenszufriedenheit, Europa 2002-2016: Zentrale Befunde das Vertrauen in die Politik und die auf Grundlage des European Social Relevanz von Religion, andererseits Survey. London: ESS ERIC.
Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey 1 Deutschland in Europa 2002-2016: Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey Christian Schnaudt, Oshrat Hochman, Sandra Ludwig und Maila Mertens Einleitung aus Schweden, Finnland, Dänemark und Norwegen zusammen, Westeuropa aus Wie sehr vertrauen Sie der Politik? Wie den Niederlanden, Belgien, Frankreich, viele Freund*innen haben Sie, mit denen Sie Österreich, Großbritannien, Irland und der über intime Dinge sprechen können? Wie Schweiz, zu Südeuropa zählen Spanien und zufrieden sind Sie mit der Wirtschaftslage? Portugal und zu Osteuropa Polen, Ungarn, Fragen wie diese helfen der Sozialforschung Slowenien, Estland sowie die Tschechische dabei, Einstellungen und Werte zu messen, die Menschen in ihrem Handeln beeinflussen. Republik. Dieses Vorgehen ermöglicht einen Diese unterscheiden sich sowohl von Person systematischen Vergleich der Entwicklungen zu Person als auch zwischen Gesellschaften in Deutschland mit jenen anderer bzw. Ländern und verändern sich über die Ländergruppen im o.g. Zeitraum. Zeit. Ihre wissenschaftliche Beobachtung Innerhalb der drei gesellschaftlichen ist von großer Relevanz, denn sie ermöglicht Teilbereiche Wirtschaft, Soziales und Politik ein besseres Verständnis von einzelnen erfolgt außerdem, soweit möglich, ein Gesellschaften sowie großen Einheiten wie Abgleich der individuellen Einstellungen der europäischen Union. und Verhaltensweisen (Mikroebene) mit Diese Broschüre dient der Gesamtschau Indikatoren der Makroebene. Hiermit sind einiger zentraler politischer, gesellschaftlicher strukturelle und institutionelle Gegebenheiten und normativer Einstellungen und oder offizielle Statistiken wie bspw. die Verhaltensweisen der Bürger*innen in Anzahl politischer Parteien im Parlament oder Deutschland und Europa und beleuchtet die Arbeitslosenquote gemeint. Durch diese deren Entwicklung seit Beginn des European Unterteilung soll der Frage nachgegangen Social Surveys (ESS) im Jahr 2002. Dafür werden, inwiefern sich die objektiv werden acht Runden der Umfrage genutzt. beobachtbaren Gegebenheiten der Länder Der Fokus liegt auf drei grundlegenden Europas in den individuellen Einstellungen Teilbereichen der Gesellschaft: Wirtschaft, und Verhaltensweisen der Bürger*innen Soziales und Politik. Nach einem Blick widerspiegeln. Gehen beispielsweise auf die Entwicklungen in Deutschland Veränderungen in den Einstellungen der werden diese in den Gesamtkontext Bevölkerung gegenüber Immigrant*innen mit Europas eingeordnet. Für eine möglichst einer steigenden Zahl an Zuwander*innen einheitliche Vergleichsgrundlage werden einher? Zeigt sich eine abnehmende für den Gesellschaftsvergleich nur die Zufriedenheit mit der Wirtschaftslage bei Länder miteinbezogen, die an mindestens steigender Arbeitslosigkeit oder Inflation? sechs der ersten acht Runden des ESS Fragen wie diese sollen im Rahmen der teilgenommen haben. Diese werden vorliegenden Broschüre näher betrachtet zudem in vier Ländergruppen unterteilt, und die Entwicklung Deutschlands im um die Darstellungen anschaulicher zu Zeitraum 2002-2016 in den Kontext anderer gestalten. Dabei setzt sich Nordeuropa europäischer Länder eingebettet werden.
2 Deutschland in Europa 2002-16 Wirtschaft Im Haushaltseinkommen der Deutschen macht sich diese Entwicklung bisher nur Wirtschaftliche Lage in Deutschland hat sich verbessert mäßig bemerkbar, denn von 2002 bis 2016 hat sich die jährliche Wachstumsrate hier Der Teilbereich Wirtschaft lässt sich in die nur gering verbessert. Seit 2010 liegt sie generelle wirtschaftliche Performanz der geringfügig über dem EU-Durchschnitt nationalen Ökonomien sowie die Verteilung (vgl. OECD, 2018b).3 Auch hinsichtlich der von erwirtschafteten Leistungen innerhalb Inflation zeigte sich in Deutschland lediglich der Gesellschaften untergliedern. Generell zwischen 2008 und 2009 ein wirtschaftlicher zeichnet sich Deutschland im untersuchten Zeitraum durch eine stabile wirtschaftliche Einbruch als Konsequenz aus der Finanzkrise. Entwicklung aus. Das Bruttoinlandsprodukt Danach erholte sich die Lage wieder (vgl. ist seit 2002 konstant gestiegen und liegt OECD, 2018c).4 Auch in den anderen über dem Durchschnitt der Europäischen Ländern Europas hatte die Finanzkrise ab Union (vgl. OECD, 2018a).1 Zudem ist 2007 eine sichtbare Auswirkung. Allerdings die Arbeitslosenquote seit 2005 deutlich waren Länder wie Spanien oder Irland gesunken und erreichte 2016 den bisher mit deutlich stärker betroffen als Deutschland. Abstand tiefsten Wert (vgl. Bundesagentur für Arbeit, n.d.).2 Abb. 1: Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Nordeuropa Westeuropa Durchschnittliche Zufriedenheit (0−10) Südeuropa Osteuropa Deutschland 0 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Wie zufrieden sind Sie −alles in allem− mit der gegenwärtigen Wirtschaftslage in [Land]?’ Anmerkungen: ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen).
Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey 3 Abb. 2: Beurteilung des gegenwärtigen HH−Einkommens 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Prozent Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa Deutschland 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Was beschreibt am besten, wie Sie Ihr gegenwärtiges Haushaltseinkommen beurteilen?’ Anmerkungen: Anteil an Befragten, die ’ich komme zurecht’ oder ’ich kann davon bequem leben’, angaben. ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen). Zunehmende Zufriedenheit mit der die Einstellungen der deutschen Befragten wirtschaftlichen Situation Deutschlands also durchaus mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklungen. Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa spiegelt sich auch Während sich die Frage nach der in den Einstellungen der Menschen wider. wirtschaftlichen Zufriedenheit auf die Wie Abb. 1 zeigt, brach die Zufriedenheit Einschätzung der Befragten zur Situation mit der aktuellen Wirtschaftslage 2008 Deutschlands oder Europas insgesamt in den meisten Ländern ein. Die Befunde bezieht, so spiegelt sie nicht wider, wie die für Osteuropa weichen von diesem Trend Befragten ihre subjektive wirtschaftliche ab und deuten eher auf eine Stagnation Lage bewerten. Hierzu liefert der ESS eine als einen Rückgang der wirtschaftlichen Frage danach, wie gut oder schlecht man mit Zufriedenheit hin. Dass Deutschland im dem gegenwärtigen Haushaltseinkommen Vergleich zu anderen Ländern weniger zurechtkommt. Ein Blick auf die Antworten unter der Finanzkrise gelitten hat, zeigt sich der deutschen Befragten zeigt, dass es sich daran, dass die wirtschaftliche Zufriedenheit seit 2006 scheinbar immer komfortabler der Deutschen nur relativ kurz zwischen mit dem Haushaltseinkommen leben 2006 und 2008 stagnierte und bereits ab lässt. In Abb. 2 ist der prozentuale Anteil 2010 wieder konstant anstieg. Hinsichtlich derjenigen dargestellt, die angeben, mit der Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen ihrem gegenwärtigen Haushaltseinkommen Situation ihres Landes korrespondieren zurechtzukommen oder sogar bequem davon
4 Deutschland in Europa 2002-16 leben zu können. In Deutschland stieg der vorhandene Einkommensungleichheiten Anteil dieser Gruppe zwischen 2006 und in einer Gesellschaft zu messen, stehen 2016 von bereits sehr hohen 80% auf 90%. eine Vielzahl von Indikatoren zur Verfügung, von denen der Gini-Koeffizient zu den Damit befinden sich die Bürger*innen gebräuchlichsten gehört. Dabei handelt Deutschlands seit 2012 auf einer Stufe es sich um ein statistisches Maß, das mit anderen nord- und westeuropäischen die Ungleichverteilung von Ressourcen Ländern, nachdem in 2004 und 2006 in einer Gesellschaft abbildet. Der Index lediglich Ungarn, Polen, Estland und Portugal liegt zwischen 0 und 1, wobei der Wert pessimistischere Bewertungen gegenüber 0 die absolute Gleichverteilung, der Wert ihrem Haushaltseinkommen abgaben 1 die höchstmögliche Ungleichverteilung (Ergebnisse nicht dargestellt). von Einkommen und Vermögen angibt. Starker Wunsch nach Maßnahmen zur Im europäischen Vergleich sind Daten Verringerung von Einkommensunterschieden zum Gini-Koeffizienten ab 2005 verfügbar (vgl. Eurostat 2020).5 Mit einem Gini- Neben der allgemeinen Zufriedenheit mit Koeffizienten zwischen 0,261 (2005) der Wirtschaftslage ist die Wahrnehmung und 0,295 (2016), basierend auf dem von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher verfügbaren Äquivalenzeinkommen, Ungleichheit in den letzten Jahren zu befindet sich Deutschland knapp unter einem zentralen Thema geworden. Um dem Durchschnitt der Europäischen Abb. 3: Der Staat sollte Einkommensunterschiede verringern 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Prozent Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa Deutschland 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Der Staat sollte Maßnahmen ergreifen, um Einkommensunterschiede zu verringern.’ Anmerkungen: Anteil an Befragten, die ’stimme stark zu’ oder ’stimme zu’ angaben. ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen).
Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey 5 Union, während Großbritannien von den enthaltene spezifische Modul beschäftigt sich hier untersuchten Ländern weitgehend explizit mit Fragen zu Fairness und sozialer konstant die größten Ungleichverteilungen Gerechtigkeit. aufweist. Zur Überprüfung, ob sich Noch immer unterschiedliche Einkommen für objektive Vermögensverteilungen auch Männer und Frauen in den individuellen Einstellungen der Bürger*innen widerspiegeln, eignet sich Neben allgemeinen Ungleichverteilungen vor allem die im ESS enthaltene Frage, ob existieren zudem Unterschiede im der Staat Maßnahmen ergreifen sollte, um Einkommen, die auf das Geschlecht Einkommensunterschiede zu verringern. Der zurückzuführen sind. Diese Unterschiede Anteil der Befragten, die dieser Aussage können mithilfe des „Gender Wage Gap“, zustimmen oder stark zustimmen, ist in Abb. einem Maß geschlechtsspezifischer 3 dargestellt. Lohnunterschiede, näher untersucht werden (vgl. OECD, 2018d).6 Im Gesamtzeitraum von 2002 bis 2016 zeigt sich in Deutschland eine zunehmende Dieser hat sich in Deutschland relativ Zustimmung, dass der Staat Maßnahmen konstant gehalten und lag über den Zeitraum ergreifen sollte, um Einkommensunterschiede von 2002 bis 2016 zwischen 14,1 (2013) zu verringern. Zu Beginn des ESS lag und 21,9 (2004). Damit liegt Deutschland die Zustimmung der Deutschen im im europäischen Vergleich eindeutig im Ländervergleich zunächst im unteren Bereich oberen Bereich der geschlechtsspezifischen (circa 50%), hat sich im Laufe der letzten Lohnunterschiede, genauso wie Jahre jedoch bis auf knapp über 70% im Großbritannien und Finnland. Belgien Jahr 2016 erhöht. Am höchsten fällt die und Dänemark hingegen weisen einen Zustimmung konstant in Südeuropa aus, wo vergleichsweise geringen Lohnunterschied sie seit 2002 durchgängig bei über 80% auf. Der Durchschnitt der Mitgliedsstaaten liegt. der EU lag in diesem Zeitraum immer über den deutschen Werten. In den meisten Einen weiteren Mikro-Indikator liefern die ESS der miteinbezogenen Länder ist der Erhebungen aus 2008 und 2016, die ein geschlechtsspezifische Lohnunterschied Modul zu den Einstellungen der Bürger*innen seit Beginn des ESS zurückgegangen, auch gegenüber Wohlfahrtsstaatlichkeit enthalten. wenn der europäische Durchschnitt auf lange Der Aussage, dass die Unterschiede im Sicht nur eine sehr geringe Veränderung Lebensstandard der Menschen gering sein zeigt. sollten, damit eine Gesellschaft gerecht ist, stimmten 2016 in Deutschland etwa 61% Diese Entwicklung könnte für Veränderungen der Befragten zu, was im Vergleich zu 2008 in der Einstellung der Befragten eine Steigerung um circa vier Prozentpunkte verantwortlich sein; der Aussage „Wenn bedeutet. In fast allen teilnehmenden Ländern Arbeitsplätze knapp sind, sollten Männer liegt die Zustimmung kaum verändert bei mehr Recht auf einen Arbeitsplatz haben als über 50%, lediglich die Niederlande liegen Frauen“ stimmten 2010 insgesamt knapp darunter (Ergebnisse nicht dargestellt). 10% weniger Befragte zu als 2004. Auch in Deutschland zeigt sich eine klare Änderung: Hinsichtlich der Analyse des Themenbereichs der Anteil derer, die diese Aussage stark soziale Ungleichheit lässt sich künftig auch ablehnen, stieg um knapp 15% (Ergebnisse mithilfe von Daten der neunten Runde des ESS (2018) vertiefend ansetzen: das darin nicht dargestellt).
6 Deutschland in Europa 2002-16 Abb. 4: Auswirkungen von Immigration auf das eigene Land 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa Deutschland Prozent 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Wird [Land] durch Zuwanderer zu einem schlechteren oder besseren Ort zum Leben?’ Anmerkungen: Anteil an Befragten, die meinen, dass das eigene Land zu einem schlechteren Ort wird (Werte 0−3 auf der Skala von 0−10). ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen). Soziales Gefahr für den Zusammenhalt und die Solidarität in der Gesellschaft. Daher ist Gesellschaftlicher Zusammenhalt: es sinnvoll, einen Blick auf die Einstellung Entwicklungen und Herausforderungen der Europäer*innen und der Deutschen Das Vorhandensein eines inneren gegenüber Immigrant*innen zu werfen – Zusammenhaltes ist für eine Gesellschaft gehen die Einstellungen zur Auswirkung von zweifelsfrei von zentraler Bedeutung. Ein Immigration auf das Land stark auseinander Zusammenspiel von Maßnahmen erhält diesen oder findet sich ein eher homogenes aufrecht und verhindert seine Gefährdung Meinungsbild? Der Zusammenhalt einer durch eine Polarisierung oder Desintegration Gesellschaft wird ferner durch fortschreitende der Gesellschaft. Eine Herausforderung Individualisierungsprozesse, sich wandelnde für den gesellschaftlichen Zusammenhalt Wertorientierungen sowie den Rückgang in Deutschland und vielen anderen sozialer Kontakte beeinflusst. Nach europäischen Ländern stellt die anhaltende Betrachtung der Debatte um Immigrant*innen „Flüchtlingsdebatte“ dar, die in Europa zu den werden deshalb auch Befunde zur meistdiskutierten Themen der letzten Jahre Individualisierung von Lebenslagen und der gehört. Finden sich Polarisierungstendenzen in sich ändernden Bedeutung von Religiosität in den Einstellungen gegenüber Immigrant*innen Deutschland und Europa genauer betrachtet und deren Eingliederung, so birgt dies werden.
Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey 7 Zuwanderungsland Bundesrepublik schlechteren oder einem besseren Ort zum Leben wird. Abb. 4 zeigt den prozentualen Der Umgang mit der Ankunft einer Anteil derjenigen, die der Meinung sind, dass hohen Zahl von Immigrant*innen aus das eigene Land durch Zugewanderte zu Kriegsgebieten oder Ländern mit inhumanen einem schlechteren Ort wird. Lebensbedingungen beschäftigen sowohl die einzelnen europäischen Staaten als auch Insgesamt ist der Anteil der Befragten die EU als politische Einheit. Im Folgenden im Zeitraum 2002-2016 von knapp soll daher ein Blick auf die Einstellungen 25% auf 20% gesunken. Zu Beginn des der Befragten gegenüber Immigrant*innen ESS 2002 herrschte in Deutschland die geworfen und die vorhandenen neutrale Meinung vor, dass Immigrant*innen Einstellungsmuster mit offiziellen Statistiken Deutschland weder zu einem besseren zu Immigration abgeglichen werden, noch zu einem schlechteren Ort zum Leben also z.B. mit den tatsächlichen Zahlen machen. Im Jahr 2006 stieg der Anteil zu Zuwanderung. Zu den Einstellungen derjenigen, die einen negativen Einfluss gegenüber Immigration finden sich im ESS sehen, auf einen Höchstwert von 30%. mehrere Variablen, die über alle Runden Zwischen 2006 und 2012 zeigte sich eher hinweg abgefragt wurden. Unter anderem eine entgegengesetzte Entwicklung, die auf soll von den Befragten bewertet werden, ob ein besseres Leben durch Zuwanderung das eigene Land durch Zuwander*innen zu hinweist und bei der der Anteil der hier einem besseren oder schlechteren Ort zum abgebildeten Gruppe stark zurückging. Leben wird. Ab 2012 gewann jedoch wieder eine pessimistischere Einstellung der Befragten Die tatsächliche Zahl der Immigrant*innen gegenüber dem Einfluss von Zuwander*innen stieg in Deutschland seit 2012 an. an Zuwachs. Einen deutlichen Höhepunkt gab es im Jahr 2016, in dem über eine Million Beim Abgleich der Entwicklungen der Immigrant*innen nach Deutschland kamen individuellen Einstellungen mit den zuvor (vgl. Eurostat, 2018).7 Vor 2012 war die skizzierten tatsächlichen Zahlen zur Zahl der Zuwander*innen allerdings lange Einwanderung lässt sich kein einheitlicher relativ niedrig. Im europäischen Vergleich Zusammenhang feststellen, der sich auf alle verzeichnete Deutschland in den Jahren Runden anwenden ließe. Zeitgleich mit dem 2012 bis 2016 eine vergleichsweise Rückgang an Zuwander*innen verbreitete hohe Immigration. Dieser Umstand sich in Deutschland eine negativere könnte folglich auch einen Einfluss auf die Einstellung gegenüber diesen, was die Einstellungen der Deutschen gegenüber Vermutung nahelegt, dass erhöhter Kontakt Zugewanderten haben, da die erhöhte zu verminderten Vorurteilen führt und eine Anzahl an Immigrant*innen unterschiedliche optimistischere Einstellung zur Folge hat Reaktionen hervorruft. Als Beispiele sind (vgl. Kontakthypothese). Ab 2012 zeigt sich Skepsis, ob alle Immigrant*innen mit den jedoch eine gegensätzliche Entwicklung: vorhandenen Ressourcen versorgt werden während die Zahlen der Zuwander*innen in können, denkbar, oder aber eine Verringerung diesem Zeitraum relativ deutlich anstiegen, von Voruteilen durch erhöhten Kontakt, wie wuchs auch die Zahl der Deutschen, deren es die sog. „Kontakthypothese“ nahelegt. Ein Ansicht nach Immigrant*innen das Land zu Blick auf die Daten des ESS veranschaulicht einem schlechteren Ort machen, leicht an. die Einschätzungen der Befragten, ob Die Ergebnisse weisen auf der einen Deutschland durch Immigrant*innen zu einem
8 Deutschland in Europa 2002-16 Seite auf einen Zusammenhang zwischen angaben, annähernd gleichblieb, stieg der der Anzahl an Zugewanderten in einem Anteil derjenigen, die einen Wert von 8-10 Land und der Einstellung der jeweiligen angaben, um etwa fünf Prozentpunkte an. Bevölkerung gegenüber Immigrant*innen hin. Im europäischen Vergleich haben sich die Sie zeigen aber auch, dass die Anzahl an Einstellungen der Deutschen hinsichtlich Immigrant*innen sicherlich nicht der einzige der Auswirkungen von Immigration im Auslöser ist. Andere Faktoren könnten Zeitverlauf also von einer eher skeptischen beispielsweise Rahmenbedingungen wie die hin zu einer positiveren Haltung entwickelt. Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Politik Am positivsten sind die Einstellungen in oder der Umgang der Massenmedien mit Nordeuropa, wohingegen jene in Osteuropa diesem Thema sein. eine zunehmende Skepsis suggerieren (Abb. Um die Vermutung einer möglichen 4). Die Menschen in Ungarn bewerteten Polarisierung in den Einstellungen gegenüber den Einfluss von Immigrant*innen 2012 und Immigration zu überprüfen, wurden zusätzlich 2014 am schlechtesten: auf der 11-Punkt die beiden Extremgruppen miteinander Skala gaben sie im Durchschnitt eine 3,5 an. verglichen (Ergebnisse nicht dargestellt). Durch eine positive Einstellung gegenüber Hierbei wird deutlich, dass keine klare Immigrant*innen zeichneten sich in der letzten Spaltung der Meinungen stattgefunden Runde des ESS in erster Linie vor allem hat. Während die Gruppe derer, die auf nordeuropäische Länder wie Schweden aus der 11-Punkt Skala einen Wert von 0-2 (Ergebnisse nicht dargestellt). Abb. 5: Auswirkungen von Immigration auf die Wirtschaft 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa Deutschland Prozent 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Was würden Sie sagen, ist es im Allgemeinen gut oder schlecht für die [nationale] Wirtschaft, dass Zuwanderer hierher kommen?’ Anmerkungen: Anteil an Befragten, die meinen, dass Immigration schlecht für die Wirtschaft ist (Werte 0−3 auf der Skala 0−10). ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen).
Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey 9 Zunehmend positiver Blick auf Individualisierung von Lebenslagen? wirtschaftlichen Einfluss von Zuwanderung Der gesellschaftliche Zusammenhalt Neben dem Einfluss auf die Gesamtdynamik eines Landes wird ebenfalls durch eines Landes kann es aufschlussreich sein, voranschreitende Individualisierungsprozesse die eingeschätzte Auswirkung von Immigration innerhalb moderner Gesellschaften auf die nationale Wirtschaft zu analysieren. beeinflusst. In den späten 1980ern Hierdurch wird erneut beleuchtet, ob formulierte u.a. der Soziologe Ulrich Beck Zuwanderung positiv oder negativ angesehen eine These zur Individualisierung der wird, insbesondere in Bezug auf Möglichkeiten Lebensführung. Demnach vollzieht sich seit der Ressourcenverteilung. Stellen einiger Zeit ein langfristiger gesellschaftlicher Immigrant*innen aus Sicht der Befragten eine Wandel, in dem ein selbstbestimmtes Bereicherung für den Arbeitsmarkt dar oder Leben und Selbstverwirklichung für das beanspruchen sie Ressourcen, die an anderen Stellen fehlen? Individuum in den Vordergrund rücken, während die Fremdbestimmung durch Hier zeigt sich in Deutschland eine beispielsweise die Politik an Bedeutung sehr ähnliche Entwicklung wie bei der verliert (vgl. Beck 1986).8 Infolgedessen zuvor erläuterten generellen Frage, ob öffne sich für das Individuum – insbesondere Immigrant*innen ein Land zu einem in modernen Wohlstandsgesellschaften schlechteren oder besseren Lebensort – eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, machen. Auch hier wurde der Anteil derer, was dessen Entscheidungen bezüglich die Immigration als schlecht für die Wirtschaft der Lebensführung angeht. Gleichzeitig ansehen, insgesamt etwas kleiner und die Gruppe, die einen positiven Einfluss geht man davon aus, dass zunehmende von Immigration auf die Wirtschaft sieht, Individualisierung auf lange Sicht auch die gewann an 15 Prozentpunkten. Die in Abb. 5 Gefahr gesellschaftlicher Isolation birgt, dargestellten Daten bestätigen, dass deutsche da soziale Kontakte für das Individuum Befragte seit 2004 einen zunehmend positiven immer unwichtiger werden (vgl. Putnam Einfluss von Zuwanderung auf die Wirtschaft 2000).9 Eine Möglichkeit zur Überprüfung sehen. Durch den starken Rückgang der These einer sich individualisierenden derjenigen, die einen schlechten Einfluss Lebensführung sowie des Rückgangs sehen, liegen die deutschen Ergebnisse sozialer Bindungen bieten die im ESS im europäischen Vergleich zuletzt klar im enthaltenen Fragen nach sozialen Kontakten immigrationsfreundlichen Bereich Europas, und dem Vertrauen in andere Menschen. während osteuropäische Länder den Einfluss Folgt man der Individualisierungsthese, von Immigrant*innen auf ihre Wirtschaft am lässt sich annehmen, dass das Ausmaß pessimistischsten bewerten. an engen sozialen Kontakten und das Bezüglich der Tatsache, dass in den letzten Vertrauen in andere Menschen im Zeitverlauf Jahren vermehrt – wenn auch niedrigschwellig zurückgegangen sind. Ein Blick auf die – die Meinung auftrat, dass Immigrant*innen Daten des ESS zeigt, dass sich die Anzahl Deutschland zu einem schlechteren Ort zum an Treffen mit Freund*innen, Verwandten Leben machen, kann somit gesagt werden, und Kolleg*innen in Deutschland seit 2002 dass die Gründe dafür von mehr Faktoren nur geringfügig verändert hat und in den abzuhängen scheinen als allein der Skepsis letzten Jahren eine leicht steigende Tendenz gegenüber den wahrgenommenen negativen zeigt (Abb. 6). Im Durchschnitt gaben die wirtschaftlichen Folgen.
10 Deutschland in Europa 2002-16 deutschen Befragten an, sich einmal in Das Vertrauen in andere Menschen hingegen, der Woche mit Freund*innen, Verwandten welches ebenfalls seit der ersten Runde oder Kolleg*innen zu treffen, während der im ESS abgefragt wird, hat in Europa Durchschnitt in Portugal mit mehreren Treffen insgesamt zugenommen – der Anteil derer, pro Woche am höchsten liegt und in Ungarn die nur wenig Vertrauen in ihre Mitmenschen mit mehreren Treffen im Monat am geringsten haben, ist seit 2002 zurückgegangen, ausfällt (Ergebnisse nicht dargestellt). während der Anteil derjenigen, die anderen Betrachtet man die fünfzehn Länder, die Menschen viel Vertrauen entgegen bringen, an den ersten acht Runden des ESS im beobachteten Zeitraum von 14 Jahren teilgenommen haben, ist ersichtlich, dass der zunahm. In Deutschland zeigt sich diese Anteil derer, die sich weniger als einmal pro Entwicklung in einer deutlichen Ausprägung Woche treffen, von 2002 zu 2016 gestiegen – der Anteil „misstrauischer“ Menschen ist, während der Anteil der Befragten, bei ging um über 10 Prozentpunkte zurück denen solche Treffen häufiger als einmal pro (Ergebnisse nicht dargestellt). Woche stattfinden, leicht zurückgegangen ist. Diese Entwicklungen liefern Hinweise auf einen Rückgang sozialer Kontakte im gesamteuropäischen Kontext. Abb. 6: Häufigkeit sozialer Kontakte 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Prozent Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa Deutschland 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Wie oft treffen Sie sich mit Freunden, Verwandten oder privat mit Arbeitskollegen?’ Anmerkungen: Anteil an Befragten, die sich mind. einmal pro Woche mit Freunden, Verwandten oder privat mit Arbeitskollegen treffen. ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen).
Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey 11 Abb. 7: Religionszugehörigkeit 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Prozent Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa Deutschland 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Unabhängig davon, ob Sie Mitglied oder Angehöriger einer Kirche oder Religionsgemeinschaft sind, fühlen Sie sich einer bestimmten Religion oder Konfession zugehörig?’ Anmerkungen: Anteil an Befragten, die sich einer Religion zugehörig fühlen. ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen). Religiosität nach wie vor von Relevanz Kirchgangshäufigkeit hat sich im gleichen Zeitraum nur leicht verändert. Glaubt man einer Vielzahl an Artikeln, scheint außer Frage zu sein, dass die Der Anteil der Befragten, die nie in die Relevanz von Religion in Deutschland Kirche gehen, ist minimal gewachsen abgenommen hat und religiöse Riten (Abb. 8). In Deutschland stieg er immer weniger praktiziert werden von etwa 35% auf knapp 40%. Ein (siehe z.B. Liermann, 2017).10 Auch Nachlassen der Präsenz von Religion der Skandal um vielfach vertuschte im Allgemeinen kann somit – zumindest Fälle von Kindesmissbrauch führte zum in Deutschland – an dieser Stelle nicht Vertrauensverlust seitens der Angehörigen bestätigt werden. Zwar scheint es der katholischen Kirche (siehe z.B. Bohr, offensichtliche Unterschiede zwischen 2019).11 den Konfessionen zu geben, wenn es um den Besuch des Gottesdienstes Schaut man sich jedoch die deutschen geht, doch die Anzahl an Befragten in Daten des ESS an, wird diese Behauptung Deutschland, die einer anderen Religion keineswegs bestätigt: Die (gefühlte) als dem Christentum angehören, ist zu Zugehörigkeit zu einer Religion (Abb. 7) gering um hierüber verlässliche Aussagen ist in Deutschland im Zeitraum 2002- treffen zu können. Im europäischen 2016 nahezu unverändert. Auch die
12 Deutschland in Europa 2002-16 Abb. 8: Kirchgangshäufigkeit 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa Deutschland Prozent 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Abgesehen von besonderen Anlässen wie Hochzeiten und Beerdigungen, wie oft gehen Sie derzeit zum Gottesdienst?’ Anmerkungen: Anteil an Befragten, die niemals den Gottesdienst besuchen. ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen). Vergleich nimmt Deutschland hinsichtlich Unterteilt man die Befragten zusätzlich der gefühlten Religionszugehörigkeit nach ihrem Alter, so zeigt sich, dass eine mittlere Position ein. Diese fällt Befragte im Rentenalter den Gottesdienst besonders hoch in Süd- und Osteuropa am häufigsten besuchen. Allerdings aus, in West- und Nordeuropa ist sie um bestätigt sich die Annahme, dass Religion gut 10 Prozentpunkte geringer. Auch insbesondere für junge Menschen an bei der Kirchgangshäufigkeit befindet Bedeutung verlöre, nicht. In der Gruppe sich Deutschland im Mittelfeld Europas, der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zusammen mit den Ländern Nord- und ist die Kirchgangshäufigkeit seit Beginn Südeuropas. Am höchsten ist die des ESS sogar gestiegen und hat damit Kirchgangshäufigkeit in Osteuropa: der die Häufigkeit der Gruppe der älteren Anteil derer, die angeben, niemals den Erwachsenen überstiegen. Gottesdienst zu besuchen, beträgt hier um die 20 Prozent. Am geringsten ausgeprägt ist die Kirchgangshäufigkeit hingegen in den anderen westeuropäischen Ländern: hier geben fast 50 Prozent der Befragten an, niemals den Gottesdienst zu besuchen.
Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey 13 Politik mit der Politik verursacht werden kann, im Ausmaß politischer Partizipation Politikverdrossenheit in Deutschland bleibt niederschlägt. Mögliche Folgen sind ein Mythos ein sinkendes Partizipationsniveau, das sich in der Wahlbeteiligung oder den Wenn sinkendes Interesse am politischen Parteimitgliedschaften niederschlägt. Geschehen oder ein Rückgang der Hinsichtlich politischer Partizipation kann Wahlbeteiligung zum Inhalt öffentlicher zwischen zwei Formen unterschieden Diskussionen werden, wird als Ursache werden: Einerseits institutionalisierte häufig eine vermehrte Politikverdrossenheit Partizipation, die in einem verfassten innerhalb der Bevölkerung ausgemacht. Rahmen des politischen Systems abläuft Dabei handelt es sich keineswegs um und andererseits nicht-institutionalisierte ein neues Phänomen, denn bereits Partizipation, die außerhalb dieses Rahmens gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde erfolgt. Der ESS bietet ausreichend „Politikverdrossenheit“ gerne als Oberbegriff Ansatzpunkte, um beide Formen für verschiedenste Formen negativer gegenüberzustellen und zu untersuchen, Einstellungen gegenüber Politik eingesetzt ob sich die These einer zunehmenden (vgl. bpb, 2002).12 Man geht davon Politikverdrossenheit in den Angaben der aus, dass sich der Verdruss, der durch Befragten widerspiegelt. Trifft dies zu, lässt Skepsis gegenüber oder Unzufriedenheit sich mit den Daten des ESS weiter ermitteln, Abb. 9: Interesse an Politik 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa Deutschland Prozent 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Wie sehr interessieren Sie sich für Politik?’ Anmerkungen: Anteil derer, die sich ’ziemlich’ oder ’sehr’ für Politik interessieren. ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen).
14 Deutschland in Europa 2002-16 ob dies nur die institutionalisierte Teilhabe Was das politische Vertrauen angeht, zeigten oder auch die nicht-institutionalisierte die deutschen Befragten insbesondere betrifft. Hinsichtlich einer Untersuchung der bis 2010 ein geringes bis mittleres Maß Politikverdrossenheit werden im ESS u.a. an Vertrauen in den Bundestag, welches das Ausmaß an Interesse an der Politik, das im Durchschnitt unter dem theoretischen Vertrauen in die Politik und die Zufriedenheit Skalenmittelpunkt 5 lag (Abb. 10). Doch mit der Regierung abgefragt. Seit 2012 auch hier wurde der Anteil derer, die dem liegt das Interesse an Politik in Deutschland Bundestag viel Vertrauen entgegenbringen, am höchsten im Vergleich zu den anderen größer, während die Anzahl der Befragten, europäischen Ländern (Abb. 9). die wenig Vertrauen haben, zurückging (Ergebnisse nicht dargestellt). Hier gaben zuletzt etwa 65% der deutschen Befragten an, sich ziemlich oder sehr für Im europäischen Vergleich bringen die Politik zu interessieren. Am wenigsten Deutschen dem Bundestag ein ähnliches Interesse am politischen Geschehen Ausmaß an Vertrauen entgegen wie die zeichnet sich in Süd- und Osteuropa ab, vor restlichen westeuropäischen Länder. In allem in Ungarn und Portugal (Ergebnisse fast allen der beobachteten Länder ist nicht dargestellt). In Europa insgesamt ist das Vertrauen in den letzten paar Jahren das Interesse zwischen 2002 und 2016 gestiegen. Das größte Vertrauen in das geringfügig gestiegen. nationale Parlament haben die Menschen Abb. 10: Vertrauen in das nationale Parlament 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Nordeuropa Westeuropa Durchschnittliches Vertrauen (0−10) Südeuropa Osteuropa Deutschland 0 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Wie sehr vertrauen Sie persönlich dem [nationalen Parlament]?’ ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen).
Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey 15 Abb. 11: Zufriedenheit mit der Regierung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Durchschnittliche Zufriedenheit (0−10) Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa Deutschland 0 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Wenn Sie nun einmal an die Leistungen der Regierung [im Land] denken. Wie zufrieden sind Sie mit der Art und Weise, wie sie ihre Arbeit erledigt?’ ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen). in Nordeuropa, in Ost- und Südeuropa ist Aufgrund der Tatsache, dass das Interesse dieses vergleichsweise am geringsten. an Politik europaweit am höchsten ist, das Vertrauen in den Bundestag zugenommen Die Zufriedenheit mit der nationalen und auch die Zufriedenheit mit der Regierung in Deutschland war zu Beginn Regierung kontinuierlich gestiegen ist, des ESS 2002 im europäischen Vergleich kann an dieser Stelle kein erhöhtes Maß die zweitniedrigste nach Polen (Abb. 11, an Politikverdrossenheit in Deutschland Ergebnis aus Polen nicht dargestellt). festgestellt werden. Dementsprechend ist es Danach stieg sie mit Ausnahme von 2010 im nächsten Schritt von Interesse, die mithilfe jährlich an, sodass sich Deutschland des ESS erfassten Partizipationsniveaus zu mittlerweile unter den fünf Ländern mit beleuchten. Wie hat sich die Partizipation an der höchsten Regierungszufriedenheit Wahlen entwickelt? Sind institutionalisierte im europäischen Vergleich befindet. Die Formen politischer Teilhabe zurückgegangen? geringste Regierungszufriedenheit herrscht Oder hat sich politische Partizipation einfach seit der Wirtschaftskrise 2008 in Südeuropa. auf eine weniger verfasste Ebene verlagert? Die Werte für Osteuropa liegen in 2016 hingegen auf einem vergleichbaren Niveau wie jene für Westeuropa.
16 Deutschland in Europa 2002-16 Fortbestehende Divergenzen zwischen erkundigt, ob die Befragten bei der letzten berichteter und tatsächlicher Wahlbeteiligung nationalen Wahl gewählt haben. Vergleicht man die in Abb. 12 für Deutschland Zwischen den Bundestagswahlen 2002 abgetragenen Werte mit der in Tab. 1 und 2013 verzeichnete die (tatsächliche) dargestellten tatsächlichen Wahlbeteiligung Wahlbeteiligung in Deutschland einen bei den Bundestagswahlen, so ist ersichtlich, merklichen Rückgang von 79,1% auf 71,5% dass die berichtete Beteiligung konstant (s. Tab. 1). Zwar stieg die Wahlbeteiligung über der tatsächlichen liegt. Dieses als im Jahr 2017 wieder an, doch mit einer „over-reporting“ bekannte Phänomen, also Beteiligung von 76% liegt Deutschland die übertriebene Berichterstattung im Zuge teils deutlich hinter anderen europäischen sozialer Erwünschtheit, bspw. auf Grund Ländern wie bspw. Schweden (85,8%) (vgl. des Vorhandenseins einer Wahlnorm, tritt IDEA).13 Auch die Zahl der Mitglieder ist bei in Befragungen zur Wahlbeteiligung häufig fast allen Parteien drastisch zurückgegangen auf und lässt sich auch in anderen Ländern – SPD und Grüne verloren bis 2016 im erkennen: So lag z.B. die Wahlbeteiligung Vergleich zu 1990 circa die Hälfte an in Schweden bei der Wahl zum Reichstag Mitgliedern, die CDU 45% und die FDP im Jahr 2014 bei etwa 85%. In der sogar fast 70% (Niedermayer, 2017).14 darauffolgenden Runde des ESS gaben jedoch über 90% der schwedischen Zum Vergleich mit der offiziellen Wahlstatistik Befragten an, bei der letzten Wahl gewählt zu enthält der ESS eine Frage, die sich danach haben (Ergebnisse nicht dargestellt). Tab. 1: Ergebnisse und Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen 2002-2017 Bündnis 90/ Die Grünen CDU/CSU beteiligung Die Linke Sonstige Wahl- SPD FDP AfD 2017 32,9 20,5 10,7 8,9 9,2 12,6 5,0 76,2 2013 41,5 25,7 4,8 8,4 8,6 11,0 71,5 2009 33,8 23,0 14,6 10,7 11,9 6,0 70,8 2005 35,2 34,2 9,8 8,1 8,7 4,0 77,7 2002 38,5 38,5 7,4 8,6 4,0 3,0 79,1 Quelle: Deutscher Bundestag15 / Bundeswahlleiter16
Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey 17 Abb. 12: Wahlbeteiligung bei nationalen Wahlen 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Prozent Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa Deutschland 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Manche Menschen gehen heutzutage aus verschiedenen Gründen nicht zur Wahl. Wie ist das bei Ihnen? Haben Sie bei der letzten [nationalen Wahl] gewählt?’ Anmerkungen: Anteil derer, die angeben, bei der letzten nationalen Wahl gewählt zu haben. ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen). Institutionalisierte Partizipation nimmt institutionalisierter Partizpation aufwies, leicht zu befindet es sich seit 2008 auf einem relativ ähnlichen Niveau wie die Gruppe der Neben der Teilnahme an Wahlen umfasst verbleibenden westeuropäischen Länder. die institutionalisierte Teilhabe am politischen Ein vergleichsweise hohes Ausmaß an Geschehen viele weitere Aktivitäten. institutionalisierter Partizipation zeigen Entsprechend enthält der ESS ebenfalls vor allem die skandinavischen Länder Fragen danach, ob man in den vergangenen (Nordeuropa), wohingegen Osteuropa zwölf Monaten Kontakt zu Politiker*innen im Zeitverlauf sowie insgesamt die aufgenommen hat oder für eine politische geringsten Niveaus aufweist. Obwohl die Partei oder eine andere Organisation Partizipationsniveaus mit maximal 20% gearbeitet hat. Die Ergebnisse lassen sich in Europa relativ gering ausfallen, sind zu einem Gesamtindex institutionalisierter sie in Deutschland (und sechs weiteren politischer Partizipation zusammenfassen Ländern) von 2002 bis 2016 gestiegen. (Abb. 13). Während Deutschland in Diese Beobachtung stellt die These einer den ersten Runden des ESS (2002- zunehmenden Verdrossenheit der Deutschen 2006) vergleichsweise geringe Niveaus gegenüber Politik abermals in Frage.
18 Deutschland in Europa 2002-16 Abb. 13: Institutionalisierte Partizipation 50 Nordeuropa Westeuropa 40 Südeuropa Osteuropa Deutschland 30 Prozent 20 10 0 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit denen man versuchen kann, etwas in Deutschland zu verbessern oder zu verhindern, dass sich etwas verschlechtert. Haben Sie im Verlauf der letzten 12 Monate irgendetwas davon unternommen?’ Anmerkungen: Anteil derer, die in den letzten 12 Monaten Politiker kontaktiert oder für eine politische Gruppe gearbeitet haben . ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen). Nicht-institutionalisierte Partizipation mit leichtem Aufwärtstrend Demonstrationen, Unterschreiben einer Neben institutionalisierter Partizipation Petition, Boykott eines Produktes, Anbringen wie der Arbeit für eine politische Gruppe eines Abzeichens einer politischen kann sich politische Teilhabe auch in Kampagne) als Index zusammen, wird nicht-institutionalisierter Form, wie bspw. ersichtlich, dass die Niveaus nicht- dem Unterschreiben einer Petition oder institutionalisierter Partizipation für sämtliche dem Boykott eines Produktes, äußern. Ländergruppen über jenen für die zuvor Durch eine Betrachtung der Entwicklung diskutierte institutionalisierte Partizipation nicht-institutionalisierter Partizipation soll liegen (Abb. 14).i Mit Ausnahme der im Folgenden überprüft werden, ob sich Ergebnisse für Westeuropa fallen die Niveaus die oftmals zu vernehmende These einer nicht-institutionalisierter Partizipation im Jahr zunehmenden Politikverdrossenheit für 2016 zudem überall höher aus als dies noch diese Form politischer Teilhabe bestätigen im Jahr 2002 der Fall gewesen ist. Dieser lässt. Fasst man alle im ESS abgefragten Befund gilt auch für Deutschland, das einen Möglichkeiten der nicht-institutionalisierten Anstieg von circa zehn Prozentpunkten im politischen Teilhabe (Teilnahme an genannten Zeitraum verzeichnet. iHierbei ist zu beachten, dass der Index für nicht-institutionalisierte Partizipation aus einer größeren Anzahl an Items besteht, was die direkte Vergleichbarkeit der Befunde einschränkt.
Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey 19 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass politische Polarisierung oder einen in auf Grundlage der Daten des ESS nicht von Deutschland stattfindenden „Rechtsruck“, einer zunehmenden Politikverdrossenheit der im politischen Geschehen, aber auch im der Deutschen gesprochen werden kann. gesellschaftlichen Umgang deutlich spürbar Während die berichtete Wahlbeteiligung sei (siehe z.B. Spiegel, 2018).17 über den gesamten Zeitraum von 2002 bis 2016 relativ stabil ist, so zeigt sich Um die These der politischen Polarisierung für die institutionalisierte und die nicht- bzw. eines anhaltenden „Rechtsrucks“ auf institutionalisierte Partizipation sogar ein Grundlage der ESS Daten genauer zu leichter Anstieg in den Niveaus politischer beleuchten, erscheint es sinnvoll, zunächst Teilhabe. Diese Befunde beschränken sich einen Blick auf die in Tab. 1 dargestellten nicht nur auf Deutschland, sondern können Ergebnisse der letzten Bundestagswahlen mit wenigen Ausnahmen auch allgemein auf zu werfen. Zwar decken die hier behandelten die verbleibenden Ländergruppen des ESS ESS Daten für Deutschland lediglich den übertragen werden. Zeitraum bis Anfang 2017 ab, jedoch ist es sicherlich interessant, die Ergebnisse Fortschreitende politische Polarisierung? der letzten Bundestagswahl 2017 miteinzubeziehen, da die in der achten Runde Unabhängig von konkreten Wahlergebnissen des ESS (2016) erfassten Einstellungen finden sich in der medialen Berichterstattung womöglich bereits relevant für deren vermehrt Verweise auf eine zunehmende Ausgang gewesen sein könnten. Abb. 14: Nicht−institutionalisierte Partizipation 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa Deutschland Prozent 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit denen man versuchen kann, etwas in Deutschland zu verbessern oder zu verhindern, dass sich etwas verschlechtert. Haben Sie im Verlauf der letzten 12 Monate irgendetwas davon unternommen?’ Anmerkungen: Anteil derer, die in den letzten 12 Monaten eine Petition unterzeichnet, an einer Demonstration teilgenommen, ein politisches Abzeichen getragen oder bestimmte Produkte boykottiert haben. ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen).
20 Deutschland in Europa 2002-16 Während CDU/CSU und SPD im Jahr letzten Bundestagswahl erhöhen. Eine 2002 noch identische Stimmenanteile weitere, weitreichende Veränderung im auf sich vereinten, so verlor seitdem deutschen Parteiensystem stellt zudem die insbesondere die SPD deutlich an Entwicklung der AfD dar, welche 2017 mit Stimmen. Die FDP erreichte 2013 erstmals einem Stimmenanteil von 12,6% erstmalig seit 1949 nicht genug Stimmen, um in in den Bundestag einziehen konnte. den Bundestag einzuziehen. Bei der Wahl Betrachtet man die jeweiligen in 2017 erreichte sie hingegen wieder Grundvorstellungen der einzelnen Parteien, mehr Stimmen als dies zu Beginn des lassen sich über den Zeitraum der Betrachtungszeitraums in 2002 der Fall betrachteten Bundestagswahlen Die Linke, war. Während Bündnis 90/Die Grünen Bündnis 90/Die Grünen und die SPD von 2002 bis 2017 relativ konstante links von der Mitte einordnen, wobei Die Wahlergebnisse aufweisen, gewann Die Linke ideologisch konstant am weitesten Linke in diesem Zeitraum an Wähler*innen links liegt. Hingegen sind FDP, CDU, CSU und konnte ihren Stimmenanteil von und AfD rechts der Mitte einzuordnen, 4% im Jahr 2002 auf 9,2% bei der wovon die AfD ideologisch eindeutig am Abb. 15: Selbsteinstufung auf dem Links−Rechts Spektrum 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Selbsteinstufung L−R (0−10) Nordeuropa Westeuropa Südeuropa Osteuropa 1 Deutschland 0 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 ESS Runde Frage: ’In der Politik spricht man manchmal von ’links’ und ’rechts’. Wo auf der Skala würden Sie sich selbst einstufen, wenn 0 für links steht und 10 für rechts?’ ESS 2002−2016, gewichtete Daten (’pspwght’ für DE, ’pspwght’ & ’pweight’ für Ländergruppen).
Zentrale Befunde auf Grundlage des European Social Survey 21 weitesten rechts einzuordnen ist (Infratest, In Deutschland liegt die ideologische 2015).18 Die beiden Parteien Die Linke Verortung über die acht Runden des ESS und AfD liegen ideologisch am weitesten hinweg zwischen einem Durchschnittswert voneinander entfernt und verzeichneten im von 4 und 5, womit sich die deutsche Vergleich zum Jahr 2002 jeweils deutliche Bevölkerung als marginal links von der Zuwächse in ihren Stimmenanteilen. ideologischen Mitte einstufen lässt. Da Somit lässt sich vermuten, dass auch Durchschnittswerte in Zusammenhang die ideologischen Verortungen der mit politischer Polarisierung jedoch Wähler*innen innerhalb der Gesellschaft wenig aussagekräftig sind, soll weiter auseinandergedriftet sind. zusätzlich ein Blick auf mögliche extreme Einschätzungen geworfen werden. Die Zur Überprüfung dieser Vermutung genauere Betrachtung der Antworten soll im Folgenden die persönliche der Befragten zeigt, dass sich die Anzahl Selbsteinstufung der Befragten auf dem derer, die sich in der ideologischen Mitte ideologischen Links-Rechts-Kontinuum einordnen (Werte 4-6), im Zeitraum von herangezogen werden (Abb. 15). Obwohl 2002 bis 2016 nahezu nicht verändert sich die Befragten auf einer 11-Punkt hat. In der Mitte finden sich außerdem mit Skala einordnen konnten, zeigen die Abstand die meisten Befragten (59-62%). abgetragenen Durchschnittswerte eine Weiterhin ist die Anzahl derer, die sich auffallende Tendenz zur ideologischen links von der Mitte einschätzen (Werte Mitte (Skalenwert 5). Dieser Befund 0-3), leicht gestiegen und die Anzahl derer, gilt einheitlich für alle betrachteten die sich rechts von der Mitte einordnen Ländergruppen, wobei sich Befragte aus (7-10), leicht gesunken. Anhand der Ost- und Nordeuropa im Durchschnitt geschilderten Befunde lassen sich keine ideologisch marginal weiter rechts empirischen Hinweise für eine ideologische verorten als in West- und insbesondere Polarisierung oder gar einen „Rechtsruck“ Südeuropa. Auffällig ist weiterhin, dass innerhalb der deutschen Gesellschaft sich kaum zeitliche Veränderungen in der finden. ideologischen Verortung der Befragten offenbaren.
22 Deutschland in Europa 2002-16 Fazit Anstieg in der Zufriedenheit der deutschen Bürger*innen mit der Ziel der vorliegenden Broschüre war wirtschaftlichen Situation ihres Landes. es, einen Überblick über die aktuellen Auch die Zufriedenheit mit dem eigenen Niveaus einiger zentraler politischer, Haushaltseinkommen verzeichnet einen gesellschaftlicher und normativer leichten Zuwachs. Gleichzeitig mit den Einstellungen und Verhaltensweisen tendenziell positiven Entwicklungen im der Bürger*innen in Deutschland und wirtschaftlichen Bereich geht eine stärker Europa zu liefern und deren Entwicklung werdende Befürwortung staatlicher seit Beginn des 21. Jahrhunderts zu Umverteilungsmaßnahmen zur Reduzierung beleuchten. Als empirische Datengrundlage bestehender Einkommensunterschiede dienten hierbei die Daten des European einher. Hinsichtlich der Zufriedenheit Social Surveys (ESS), welcher seit dem mit der nationalen Wirtschaft und dem Jahr 2002 regelmäßig in einer Vielzahl Haushaltseinkommen nimmt Deutschland europäischer Länder durchgeführt und eine Führungsposition im europäischen wiederholt wird. Der ESS bietet durch Vergleich ein. seine inhaltliche Beständigkeit und geographische Reichweite, aber auch Bei der Befürwortung staatlicher durch die aktualitätsbezogenen Themen Umverteilung liegt Deutschland der Wechselmodule die Möglichkeit, zusammen mit anderen west- und die Einstellungen und das Handeln osteuropäischen Ländern im Mittelfeld. Im von Menschen in mehr als 30 Ländern Bereich Soziales wurden insbesondere Europas kontinuierlich zu erfassen und Aspekte und Herausforderungen des zu vergleichen. So kann einerseits das sozialen Zusammenhalts diskutiert. Verständnis ökonomischer Zufriedenheit, Hierbei zeigte sich, dass die deutschen sozialer Ungleichheit oder der politischen Befragten im Zeitverlauf eine Stimmung im Land verbessert werden, zunehmend positive Einschätzung zu andererseits kann ein Vergleich zwischen den allgemeinen und wirtschaftlichen einer Vielzahl kulturell und institutionell Auswirkungen von Immigration mitunter sehr heterogener Länder aufweisen. Im europäischen Vergleich hergestellt werden und sozialer Wandel in zählt Deutschland durchschnittlich zu Europa insgesamt besser nachvollzogen den immigrationsfreundlichsten Ländern werden. Europas, wohingegen insbesondere in Osteuropa vermehrt negative Folgen von Die in dieser Broschüre dargestellten Immigration wahrgenommen werden. Ergebnisse aus den drei Bereichen Wirtschaft, Soziales und Politik zeugen Die Häufigkeit sozialer Kontakte als Indiz sowohl von Wandel als auch Kontinuität in für soziale Isolation ist in Deutschland den Einstellungen und Verhaltensweisen im Zeitverlauf relativ stabil. Im Zeitverlauf deutscher und europäischer Bürger*innen. von 2002-2016 geben in etwa 60% der Im Bereich der Wirtschaft zeigt sich Befragten an, sich mindestens einmal pro im Zeitraum 2002-2016 ein merklicher Woche mit anderen Personen privat zu
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