Immobilienverwertung, Kulturorte und der öffentliche Raum - Konzertagentur Seliger

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124   Aus der Praxis

      Immobilienverwertung, Kulturorte und der
      öffentliche Raum
      Clubs, soziokulturelle Zentren, Unterhaltungsviertel

      Berthold Seliger

      Das Grundrecht auf kulturelle Teilhabe,         tieren wollen – entweder veranstalten die
      Möglichkeiten und Räume für eine lebendi-       Großkonzerne unter den Konzertveran-
      ge Gegenkultur, in denen wir uns betätigen      staltern die Festivals gleich selbst oder sie
      können, müssen erobert werden, das lehrt        diktieren den lokalen Veranstaltern die fi-
      die Geschichte. Die Herrschenden haben          nanziellen und sonstigen Bedingungen. Auf
      Partizipation nie freiwillig gewährt, sondern   diese Situation bezogen bezeichnete der
      sie vielmehr unterdrückt.                       Kulturwissenschaftler Mark Fisher (2015:
         Die kulturelle Vielfalt, die Gegenkultur     44) die Zeit von etwa 2003 bis heute „als die
      und alle Strukturen der Soziokultur (deren      schlimmste seit den 1950er-Jahren“, als eine
      wichtigste die Häuser, also die Räume der       „kulturelle Ödnis“.
      gesellschaftlichen Teilhabe sind) müssen im-       Ist diese Entwicklung unumkehrbar?
      mer wieder aufs Neue erobert beziehungs-        Oder gibt es Möglichkeiten, die dringend
      weise verteidigt werden. Die Feind*innen        benötigten Freiräume zurückzuerobern?
      des Fortschritts haben zu allen Zeiten ver-     Bevor wir diese Fragen beantworten kön-
      sucht, jede kulturelle Äußerung, jede Musik,    nen, ist es notwendig, eine Bestandsaufnah-
      die ihnen als Kampfansage erschien, zu ver-     me der Situation der soziokulturellen Zent-
      eiteln, und sie tun es heute stärker denn je    ren und der Clubs vorzunehmen, jener Sze-
      und nicht zuletzt durch räumliche Verdrän-      ne also, die seit den Anfängen in den Sechzi-
      gung.                                           gerjahren einen wichtigen Baustein unserer
         Die große Vielfalt an unabhängigen           Kultur darstellt, die nicht „funktional“ sein
      Konzertveranstaltern, an Clubs und an so-       will, also nicht „zur Aufrechterhaltung oder
      ziokulturellen Zentren, die noch vor zwei       gar Verstärkung der Machtsysteme beitra-
      Jahrzehnten existierte, ist der Normierung      gen“ möchte, sondern die „oppositionell“,
      der Quotenkultur gewichen. Konzertveran-        also subversiv ist und „zur Bekämpfung oder
      stalter werden von den Großkonzernen nur        Infragestellung dieser Systeme“ beiträgt.
      noch als „Durchführer“ betrachtet. Viele
      Kulturzentren und selbst renommierte Mu-
      sikfestivals können kaum noch ein unab-         Quo vadis soziokulturelle Zentren?
      hängiges und selbstbestimmtes Programm
      buchen und die Künstler*innen und Bands         Sind die soziokulturellen Zentren (oder, wie
      einladen, die sie ihrem Publikum präsen-        sie auch genannt werden, die alternativen

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„Kultur- und Kommunikationszentren“)                                      Die „Mühen der Ebene“, vor denen laut
heute noch Träger einer oppositionellen,                               Brecht alle stehen, die „die Mühen der Ber-
gar einer subversiven Kultur, die sich den                             ge“ hinter sich gelassen haben, sind typisch
Machtsystemen im kapitalistischen Realis-                              für die politischen und kulturellen Kämp-
mus unserer Tage verweigert oder im Ideal-                             fe. Zunächst erleben wir die Phase des kul-
fall sogar entgegenstellt? Oder sind sie nicht                         turellen Aufbruchs, der Kämpfe, der Eu-
längst ein Teil des systemtreuen Netzwerks                             phorie, „Menschen und Dinge scheinen in
dieser Machtsysteme geworden, eine bloße                               Feuerbrillanten gefasst, die Ekstase ist der
Abspielstation für marktgängige Konzerte                               Geist jedes Tages“ (Marx 1960: 118). Doch
und Events? Hat der Kommerz die Politik                                dann folgt die Ernüchterung, der „lange
eliminiert?                                                            Katzenjammer“ (noch einmal Marx), und
   „Nach zehn Jahren merkst du einfach, dass                           die Mühen der Ebene, die tägliche Routine
die Bewegung sich geändert hat“, wird ein                              verschleißen die zuvor noch so euphori-
Mitarbeiter des Duisburger Kulturzentrums                              schen und kämpferischen Akteur*innen.
Eschhaus (einst Zentrum der Anti-AKW-                                  Sie sitzen in den eroberten Räumen und
Bewegung in Nordrhein-Westfalen) bereits                               müssen plötzlich Nutzungskonzepte und
1989 zitiert, und im gleichen Jahr spricht ein                         Wirtschaftspläne schreiben, um die zum
Mitarbeiter des Dortmunder Kulturbüros                                 Überleben so dringend benötigten Zuschüs-
routiniert vom „kulturell wirtschaftlichen                             se zu erhalten. Nicht wenige geben hier auf,
Zentrum“ (Claßen et al. 1989). Die ehema-                              andere ruhen sich auf dem Erreichten aus
ligen Spontis der selbstverwalteten Kultur-                            – ein Zeichen der „bürgerlichen Revoluti-
zentren, die die Häuser den Kommunen ab-                               onen“, wie sie Marx beschrieben hat, „die
getrotzt haben und häufig aus der Besetzer-                             Gesellschaft lernt, sich die Resultate ihrer
szene kamen, haben sich professionalisiert,                            Drang- und Sturmperiode anzueignen“ und
schreiben ihre Diplomarbeiten über sich und                            sie zu verwalten. Aus den dringend benötig-
ihre Arbeit, sie haben sich Arbeitsverträge                            ten kulturellen Orten, den Räumen der kul-
organisiert, die an den öffentlichen Dienst                             turellen Bewegung in Verhandlung, werden
angelehnt sind, oder sind Lehrer*innen und                             häufig Orte der Stagnation.
Sozialarbeiter*innen geworden. Die Ange-                                  Nicht wenige soziokulturelle Zentren
stellten der Kulturzentren kümmern sich                                sind von entschiedenen Protagonisten einer
hauptsächlich darum, in ständigen Verhand-                             selbstbestimmten, „alternativen“ Kultur zu
lungen mit den Kommunen ihre Stellen und                               einem kulturellen Gemischtwarenhandel
die Budgets ihrer Häuser zu sichern. Subven-                           verkommen. Die wenigen Veranstaltun-
tioniert werden die soziokulturellen Zentren                           gen mit anspruchsvollen Künstler*innen
in aller Regel von der öffentlichen Hand, die                           dienen oft nur noch als Feigenblatt für ein
längst begriffen hat, dass alternative Kultur                           Mainstream-Programm mit Musiker*innen
billiger (und häufig auch populärer) ist als                            und Bands (und „Comedians“), die von der
bürgerliche Kultur. Aber auch Konzerne för-                            Kulturindustrie längst durchgesetzt sind.
dern in Einzelfällen bereits seit den späten                           Ich denke etwa an den jungen Leiter eines
Achtzigerjahren die Kulturzentren, wie die                             ostdeutschen Kulturzentrums, der haupt-
Alte Weberei Gütersloh, die sich der finan-                             sächlich erfolgreiche Mainstream-Konzerte
ziellen Unterstützung des Bertelsmann-Kon-                             und Partyreihen anbietet und schulterzu-
zerns erfreute.                                                        ckend meint: „Ich muss ja ab und zu auch

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      anspruchsvolle Konzerte anbieten, weil wir      schem Flair verbunden“ wird. In dem übli-
      sonst unsere städtischen Subventionen ver-      chen Jargon der Eigentlichkeit werden die
      lieren.“                                        Räume für selbstständige „Gründer“ und
                                                      Start-ups bis hin zu etablierten Unterneh-
                                                      men mit „flexiblen“ Teams angeboten, als
      Es gibt Räume                                   ginge es um eine große WG mit Partys auf
                                                      dem Dach, und entsprechend nennt Rent24
      Noch einmal: Das Grundrecht auf kulturelle      den „Ort, der dir alles bietet“, sein Angebot
      Teilhabe und die Räume, in denen wir uns        einen „Rent24 Campus“: „Arbeite smarter,
      betätigen können, müssen immer wieder           wohne flexibler mit globalen Coworking
      neu erkämpft werden! Das zeigt sich auch bei    und Coliving Spaces“! Nebenan eröffnen
      den selbstverwalteten Kulturzentren „Potse“     dann Saftbars, Filialen der einschlägigen in-
      und „Drugstore“ in Berlin-Schöneberg. Seit      ternationalen Kaffeeketten, Cupcake- und
      sage und schreibe 47 Jahren bestehen diese      Suppenläden, und derartige Läden heuern
      beiden selbstverwalteten soziokulturellen       dann, wie es die Saftbar in der Potsdamer
      Projekte. Sie waren für Generationen von        Straße gemacht hat, eigens einen Street-Art-
      Jugendlichen eine Art Wohnzimmer und            Künstler an, der ihnen die Wände gestaltet.
      zugleich ein kommerzfreier Zufluchtsort für      Solch ein hipper Saftladen lässt sich prima
      selbstbestimmtes gemeinsames Leben. Der         als „kreatives Berlin“ vermarkten, während
      Gebäudekomplex in der Potsdamer Straße          nebenan zwei unabhängige, selbstbestimm-
      war einst in öffentlicher Hand. Er gehörte       te soziokulturelle Zentren den Bach run-
      dem Senat, der ihn 1986 für einen Spottpreis    tergehen und verdrängt werden, in denen
      an die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)          nicht zuletzt all jene jungen Menschen seit
      verkaufte. 2008 wurde das Gebäude dann          fast fünf Jahrzehnten wirklich kreativ sein
      (die übliche, üble Geschichte) an private       können und dürfen, die aus verschiedenen
      Investor*innen verkauft. Neuer Hauptmie-        Gründen von zu Hause aus solche Angebote
      ter ist „Rent24“, einer der größten deutschen   gar nicht erst kennengelernt hätten.
      Anbieter von sogenannten „Coworking                Berlin steht hier nur stellvertretend für
      Spaces“, ein Unternehmen, das Büroflächen        Fehlentwicklungen, die überall stattfinden,
      und Wohnraum zu Hotelpreisen an „Noma-          in Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart
      den mit leidenschaftlichem Unternehmer-         und Leipzig ebenso wie in Paris, London,
      geist“ untervermietet, wie es in der Selbst-    Kopenhagen, New York oder Peking. Das,
      darstellung von Rent241 heißt: „Viel Raum       was wir „Gentrifizierung“ nennen, bricht ja
      zum Arbeiten, Begegnen und Wohlfühlen“.         nicht wie eine höhere Gewalt über uns her-
      Und: „Für unsere Mitglieder ist nichts un-      ein. Gentrifizierung ist wie die Verslumung
      möglich, keine Idee zu absurd. Ob Ideen-        eine Extremform der Immobilienverwer-
      austausch oder einfach nur High Five nach       tung. Wir erleben heute in den attrakti-
      einem gelungenen Pitch – entdecke die neue      ven Großstädten weltweit eine gigantische
      Art, gemeinsam zu arbeiten“. Oder: „Erlebe      Zufuhr von Kapital. Das führt dazu, dass
      unsere Community“, in einem Gebäude, in         Häuser und Grundstücke zu Preisen ge-
      dem die „neueste Technologie mit histori-       kauft werden, deren Refinanzierung durch
                                                      Mieteinnahmen unter bestehenden Ver-
      1   rent24.com [24.02.2019].                    trägen völlig illusionär ist. Also gehen die

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Investor*innen daran, die Verträge aufzulö-                            Beispiel Räumungsklagen ausgesetzt sind,
sen. Das ist doch der Hauptgrund für die so-                           erfahren sie mitunter eine gewisse lokale So-
genannte Gentrifizierung: Sie wird nicht von                            lidarität; auch wenn ein Kulturzentrum oder
Künstler*innen und Kreativen betrieben,                                ein Club schließen muss, gibt es nicht sel-
sondern dadurch, dass so viel internationa-                            ten Proteste in den jeweiligen Stadtvierteln.
les Kapital bereitsteht, das investiert werden                         Aber all diese Proteste, all diese Demonstra-
will und den sogenannten Boom auslöst.                                 tionen bleiben punktuell und auf lange Sicht
Es liegt an uns, die rein oder vornehmlich                             wirkungslos. Nur wenn wir all diese Kämpfe
profitorientierte Form der Immobilienver-                               zusammendenken und bündeln, können
wertung zu beenden. Wir müssen die sozi-                               sie zu einem Machtfaktor werden. Wenn
ale Stadt stärken (oder überhaupt erst wie-                            wir etwa beispielsweise immer dann, wenn
der aufbauen), die den Menschen, die in ihr                            ein Kulturzentrum oder ein Club schließen
leben, wirkliche Lebensräume bietet. Die                               muss, entsprechende Orte an anderen Stel-
einzige Lösung für Kulturräume, die die kul-                           len in unseren Städten oder Stadtteilen be-
turelle Vielfalt sichern, wie auch für Men-                            setzen, werden wir gefährlich. Der Kampf
schen, die bezahlbaren Wohnraum suchen,                                für bezahlbare Mieten, der Kampf gegen die
besteht tatsächlich darin, dass ein starker,                           Spekulation mit Wohnraum und der Kampf
intervenierender Staat als Gegenpol zum so-                            für soziokulturelle Räume in unseren Städ-
genannten „freien“ Markt fungiert und Lö-                              ten sind ein und derselbe Kampf!
sungen zugunsten der Menschen, zugunsten                                  Mietsteigerungen und Verdrängung sind
der Gesellschaft findet.                                                die Folge von Bewirtschaftungsentschei-
   Aber wer nicht von sozialen Unterschie-                             dungen und damit abhängig von Rahmen-
den, wer letztlich nicht vom Klassenkampf                              bedingungen, die die Politik für die Immo-
spricht, braucht sich auch nicht über Gen-                             bilien- und Wohnungswirtschaft setzt – und
trifizierung zu echauffieren. In einer auf                                „die Politik“ muss permanent unter Druck
Ungleichheit basierenden Gesellschaft pro-                             gesetzt werden, damit sie vernünftige, nicht
duzieren Entwicklungen, wie sie ursächlich                             von der Eigentümerlobby geprägte Ent-
zur Gentrifizierung gehören, immer wenige                               scheidungen trifft. Es gibt genug Beispiele,
Profiteur*innen und viele Verlierer*innen,                              wie Städte gegen Mieterhöhungen und Ver-
und auf dem Immobilienmarkt profitieren                                 drängung vorgehen können. Man sehe etwa
unverhältnismäßig wenige unverhältnis-                                 nach Wien, wo rund 60 Prozent der Miet-
mäßig viel. Nur wenn wir an die Wurzel                                 wohnungen von der Kommune oder von
des Problems gehen, können wir wirklich                                Genossenschaften verwaltet werden, die den
etwas ändern. „Die Herrschenden“ haben                                 Bedingungen der Wohnungsgemeinnützig-
ein Interesse daran, dass wir unsere Kämp-                             keit unterliegen. Diese Mieten sind abhän-
fe fragmentiert führen. So bleibt alles über-                          gig von tatsächlich entstandenen Kosten
schaubar und ungefährlich und letztlich                                und staatlichen Förderprogrammen, und
erfolglos. Mieter*innen, die aus ihren von                             je mehr preiswerte Wohnangebote es gibt,
Investor*innen erworbenen Wohnungen                                    desto weniger Mieter*innen sind bereit,
fliegen, demonstrieren vielleicht vor dem                               überhöhte Preise zu bezahlen (Rosa Luxem-
Haus, in dem sie wohnen; wenn ältere Men-                              burg Stiftung 2017: 37 ff.). Dies ist das Ge-
schen, die Jahrzehnte in ihrer Wohnung ge-                             genmodell zu den sogenannten „Schwarm-
lebt haben, diese verlassen müssen und zum                             städten“, mit denen die großen Mietwoh-

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      nungskonzerne Vonovia SE (der größte           den Marktwert der Wohnungen allerdings
      Mietwohnungskonzern in Deutschland,            vervierfacht habe. Rund 66 Prozent des
      dem 355.000 Wohnungen in allen größeren        Konzerngewinns seien auf Mieterhöhungen
      Städten gehören; zusätzlich werden 65.000      durch Modernisierungen zurückzuführen.
      Wohnungen anderer Eigentümer*innen                Die Deutsche Wohnen SE, heute bör-
      verwaltet), Deutsche Wohnen SE (160.700        sennotiert, aber ursprünglich eine Toch-
      Wohnungen, davon über 100.000 in Berlin),      tergesellschaft der Deutschen Bank, die
      LEG Immobilien AG (91.000 Wohnungen)           Werkswohnungen von Hoechst aufgekauft
      und andere in allen deutschen Großstädten      hatte, gehört ebenfalls Fondsgesellschaf-
      ihre Geschäfte machen: „In Schwarmstäd-        ten (wieder Norges, Vanguard, BlackRock
      ten mit viel Zuzug wie etwa Berlin, in denen   u. a.), ebenso wie die LEG (ursprünglich die
      die Wohnungsknappheit groß ist, investiert     Landesentwicklungsgesellschaft von Nord-
      man für Luxussanierungen, treibt die Mie-      rhein-Westfalen), die 2008 von der CDU/
      ten hoch und vertreibt Altmieter.“ (Rüge-      FDP-Landesregierung an zwei Hedgefonds
      mer 2019: 45).                                 verkauft wurde, bevor auch hier Black-
         Und bei allen Wohnungskonzernen sind        Rock einstieg. Auch bei der LEG gehören
      wieder die berüchtigten Fondsgesellschaften    zu den größten Aktionären die einschlä-
      beteiligt, ob Hedgefonds oder Private Equi-    gigen Fonds- und Investmentgesellschaf-
      ty: Vonovia entstand durch Vorarbeit von       ten (u. a. MFS International, Massachu-
      Private-Equity-Investoren, und nach dem        setts Financial Service, Vanguard, Norges,
      Börsengang wurde BlackRock mit zunächst        BlackRock) sowie die Bank BNP Paribas
      8,3 Prozent größter Vonovia-Aktionär (ak-      und der Versicherungskonzern AXA.3
      tuell etwa 4,5 Prozent Anteil). Heute sind     Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen,
      die zehn größten Anteilseigner an Vonovia      wie finanzkräftige Akteure sich heutzutage
      ausschließlich Fondsgesellschaften (u. a.      horizontal und vertikal in die Stadtland-
      Norges Bank Investment Management,             schaft drängen.
      Lansdowne Partners, The Vanguard Group
      und Fidelity), und zum Führungspersonal
      der Vonovia gehören die ehemalige CDU-         Scheindemokratische Städte
      Politikerin und Staatsministerin im Bun-
      deskanzleramt Hildegard Müller und der         Die Fragen, wie die Zukunft unserer Städte
      ehemalige Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fit-       aussehen soll, wie unser Zusammenleben in
      schen als Aufsichtsratsvorsitzender.2 2018     diesen Städten und Stadtteilen gestaltet wer-
      hat Vonovia dank steigender Mieteinnah-        den kann und was eine Stadt eigentlich ist
      men und durch Zukäufe im Ausland mit           und in Zukunft sein soll, diese Fragen wer-
      1,07 Milliarden Euro Gewinn ein Rekord-        den kaum öffentlich diskutiert. Demokratie
      ergebnis eingefahren – den Preis für diese     findet in diesen essenziellen Fragen nur zum
      Profite zahlen die Mieter*innen. Der Deut-      Schein statt: Ein Mercedes-Platz in Berlin
      sche Mieterbund wies darauf hin, dass Vo-      wird als konsumistisches Unterhaltungs-
      novia den Wohnungsbestand zwischen 2013        zentrum errichtet, während gleichzeitig die
      und 2018 verdoppelt, im gleichen Zeitraum      in einem Bürgerentscheid artikulierten In-

                                                     3    Alle Aktionäre und Beteiligungen laut: Market-
      2   Marketscreener.com [26.02.2019].                screener.com [26.02.2019].

                                                         Beltz Juventa | Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit · Nr. 2/2020
Seliger | Immobilienverwertung, Kulturorte und der öffentliche Raum   129

teressen der Bevölkerung ignoriert wurden                             die wir so dringend benötigen, in denen
– was interessiert schon das Bürger*innen-                            die kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft
Interesse, wenn es ein Investoren-Interesse                           sich artikulieren und organisieren kann, auf
gibt? Ein Siemens-Campus in Berlin dient                              Nimmerwiedersehen verschwinden.
als Dauerausstellung für die neuesten Smart-                             Es sind vor allem Investor*innen, die für
City-Produkte des Siemens-Konzerns, und                               das Ende der Clubs verantwortlich sind. Dass
die Konzerne und Immobilienfirmen der                                  in den Firmengebäuden von Zalando die
Samwer-Brüder (Gründer von Zalando)                                   Meetingräume „Tempelhofer Feld“ oder „Ba-
pflügen sich durch die attraktivsten Teile                             deschiff “ heißen und in der Google-Depen-
Berlins und sorgen nicht nur für Gentrifizie-                          dance Unter den Linden diese Räume nach
rung mit all ihren ungemütlichen Begleiter-                           Berliner Clubs (von Berghain bis Watergate)
scheinungen wie Verdrängung angestamm-                                benannt wurden, darf durchaus als zynisch
ter Bewohner*innen, drastischen Mieter-                               bezeichnet werden. Die Konzerne sorgen di-
höhungen und Umgestaltung gewachsener                                 rekt und indirekt dafür, dass die Clubkultur
Wohnquartiere zu konsumorientierten                                   aus der Stadt verschwindet, aber für ihre Be-
Ausgehvierteln, wie man es in weiten Teilen                           schäftigten errichten sie Fake-Rooms, in de-
Kreuzbergs beobachtet. Nein, die undemo-                              nen die in der realen Welt untergegangenen
kratische und an bloßen Imperiengeschäf-                              Kulturorte als Behauptung, als Image einer
ten orientierte Umgestaltung unserer Städte                           künstlich inszenierten Berlin-Marke weiter-
geht viel weiter. Diese „durchkuratierten                             existieren. Die Verdrängung und Zerstörung
Firmengelände simulieren Stadt“ lediglich,                            von Kulturorten ist nicht auf Clubs und Kul-
stellt der Stadtökonom Felix Hartenstein                              turzentren beschränkt, sie betrifft auch zum
fest. „Mit der Digitalisierung gibt es einen                          Beispiel Buchhandlungen und Kinos.
neuen Akteur in der Stadtentwicklung, und
in Berlin wird das besonders deutlich sicht-
bar.“ (Mösken 2018). All das, was Urbanität                           Selbstverwaltung
eigentlich ausmacht, fällt letztlich unter den
Tisch, also das Unvorhergesehene, der Zu-                             Die Idee der Selbstverwaltung ist nicht über-
fall, das Unfertige. „Die Zukunftsbilder, die                         holt, sondern in Zeiten der allgegenwärtigen
wir bei Techfirmen sehen, sind dagegen ge-                             Imperiengeschäfte der nationalen und in-
prägt von unternehmerischem Denken und                                ternationalen Kulturkonzerne so aktuell wie
einem technokratischen Verständnis von                                nie zuvor. Kulturorte sind öffentlich und sie
Stadt“, sagt Hartenstein. Urbanität jedoch                            sind Gemeingut, die wir brauchen wie die
entsteht nicht an den Reißbrettern bezie-                             Luft, die wir atmen, oder das Wasser, das
hungsweise in den Computersimulationen                                wir trinken. Das sollte eine Selbstverständ-
der Technologiekonzerne, sondern durch                                lichkeit sein, muss den Menschen aber erst
das reale Zusammenleben von Menschen,                                 wieder zu Bewusstsein gebracht werden. Die
durch ihr Interagieren, durch soziale Zu-                             Tatsache, dass den Menschen ihre Kulturor-
sammenhänge. Diese Vorstellung mag für                                te gehören und dass sie diese Orte selbst ver-
die Konzerne störend sein. Aber es ist an                             walten dürfen, wäre die Basis für die Ausei-
uns, diese Vorstellung wieder ins öffentliche                          nandersetzung mit privaten Investor*innen,
Bewusstsein zu bringen. Sonst kann es uns                             aber auch mit Politik und Stadtverwaltun-
passieren, dass die gemeinschaftlichen Orte,                          gen, die seit Jahren zunehmend gerne und

Beltz Juventa | Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit · Nr. 2/2020
130   Aus der Praxis

      willig die Kultur privatisieren und den Inte-     „Leben, ohne Angst zu haben“ heißt es auch
      ressen von Investor*innen und der Kultur-         gleich zweimal im fünften der „Ernsten Ge-
      industrie unterwerfen.                            sänge“ von Hanns Eisler, seiner letzten, 1962
         Ein Schritt in die richtige Richtung wäre      abgeschlossenen Komposition (nach einem
      eine umfassende Finanzierung der Zeitkul-         Gedicht von Helmut Richter). Leben, ohne
      tur durch die öffentliche Hand: 100 Milli-         Angst zu haben, das bedeutet natürlich vor
      onen Euro müssen bundesweit über einen            allem: Es müssen soziale Sicherheitsnetze
      Zeitraum von fünf Jahren an die soziokul-         existieren, die Menschen dürfen keine Sor-
      turellen Zentren und die Clubs ausgeschüt-        ge um Wohnraum, um ihren Arbeitsplatz
      tet werden, damit deren wichtige Arbeit           und um gerechte Bezahlung ihrer Arbeit
      substanziell abgesichert wird und sie ihre        oder um menschenwürdiges Leben im Al-
      Energie statt in den permanenten Überle-          ter haben. Chamayou beschreibt detailliert,
      benskampf wieder in das stecken können,           wie dagegen in den letzten Jahrzehnten mit
      was sie eigentlich ausmacht: ihre soziokul-       einer „Disziplinarmacht im Inneren und ei-
      turelle Arbeit, die für die kulturelle Vielfalt   nem Disziplinierungsdruck von außen“ eine
      unserer Gesellschaft sorgt. Almosen wie der       „Gesellschaft der sozialen Unsicherheit“
      Spielstätten-Preis der staatlichen Initiative     kreiert wurde, und kommt zum Schluss:
      Musik reichen hinten und vorne nicht und          „Die Generationen, die nach 1973 geboren
      sind eigentlich ein Schlag ins Gesicht all        wurden, haben nacheinander den Gedanken
      derjenigen, die sich Jahr für Jahr, Tag um        verinnerlicht, dass jede von ihnen alles in
      Tag selbst ausbeuten, um Kultur zu ermög-         allem schlechter leben würde als die vorhe-
      lichen. Die Politiker*innen entnehmen aus         rige. Sie haben wieder gelernt, Angst zu ha-
      dem Topf der Spielstättenförderung jähr-          ben. Eine historische Trendwende, die man
      lich einen sechsstelligen Betrag, um eine         auch als eine Art Großgruppentherapie, eine
      opulente Preisverleihungsgala zu bestrei-         Massenerziehung zur ‚Frustrationstoleranz‘
      ten, auf der sich die Almosen verteilenden        verstehen kann.“ (Chamayou 2019: 40 f.).
      Akteur*innen aus Politik und der soge-            Und in einer derartigen Gesellschaft, die
      nannten Kreativwirtschaft, von Grütters bis       auf bloßem Konsumismus und auf Ausbeu-
      Gorny, selbst feiern können. Wichtig wäre         tung und/oder Selbstausbeutung des (u. a.
      dagegen die kontinuierliche und langfristi-       kulturellen) Prekariats wie auch auf Selbst-
      ge, substanzielle Förderung der soziokultu-       optimierung der Mittelschicht fußt, kann
      rellen Zentren und Clubs.                         man keine selbstbewussten und angstfreien
         Wie der Philosoph Grégoire Chamayou            Kämpfer*innen für eine solidarische Welt
      in seinem neuen Buch über den autoritä-           erwarten.
      ren Liberalismus, „Die unregierbare Ge-
      sellschaft“, beschreibt, war ein wesentlicher
      Faktor für das Selbstbewusstsein der arbei-       Konkrete Vorschläge
      tenden Jugend um 1970, also der Genera-
      tion, die sich auch Kulturorte wie Jugend-        Zunächst: Eine Vertreibung von Kulturorten
      und Kulturzentren und andere Möglichkei-          wie Clubs oder soziokulturellen Zentren aus
      ten gesellschaftlicher Teilhabe erkämpft hat,     Gründen des Lärmschutzes ist nicht akzep-
      ihre Unerschrockenheit: „Sie schienen kei-        tabel und darf grundsätzlich nicht vollzo-
      ne Angst zu haben.“ (Chamayou 2019: 33).          gen werden. Die neuen Eigentümer*innen

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Seliger | Immobilienverwertung, Kulturorte und der öffentliche Raum   131

oder die neuen Nachbar*innen von der-                                  zigerjahren, nicht zuletzt, weil auch diese
artigen Kulturzentren haben sämtliche                                  Orte hauptsächlich von jungen Menschen
Lärmschutzmaßnahmen zu finanzieren,                                     aus der Mittelschicht erobert wurden. Hier
die den Erhalt dieser Kulturorte am jewei-                             zeigt sich eines der grundlegenden Proble-
ligen Ort sicherstellen. Sollte dies im Ein-                           me der Popkultur und der sogenannten Al-
zelfall nicht möglich oder nicht sinnvoll                              ternativkultur: Sie ist extrem mittelschichts-
sein, müssen die neuen Eigentümer*innen                                affin. Arbeiter*innen, Verkäufer*innen,
und/oder Nachbar*innen einen geeigneten                                Landwirt*innen oder Friseur*innen kom-
Alternativort für den jeweiligen Kulturort                             men in der Pop- und Alternativkultur wenn
zu gleichen Bedingungen und ohne finan-                                 überhaupt, dann nur am Rande vor. Die
zielle Nachteile zur Verfügung stellen und                             Popkultur ist ähnlich bildungshoch gebun-
natürlich auch Umzug und Einrichtung des                               den wie die sogenannte klassische Musik.
neuen Kulturorts finanzieren.                                           Das gilt für ihre Akteur*innen, also die
   Vor allem aber geht es darum, dass wir                              Musiker*innen wie die Besitzer*innen oder
etwas entwickeln, das ich „umfassenden                                 Manager*innen zum Beispiel von Platten-
Kulturorteschutz“ nennen will. Bei die-                                firmen oder Konzertagenturen, ebenso wie
sem Kulturorteschutz ginge es analog zum                               für die Besucher*innen von Popkonzerten.
Denkmalschutz darum, kulturelle Orte zu                                Nicht nur bei Konzerten mit klassischer
sichern und zu erhalten. Grundsätzlich                                 Musik haben 80 Prozent und mehr der
müssen alle Kulturorte unter umfassenden                               Besucher*innen Abitur, sondern auch zum
Schutz gestellt werden. Es kommt ja auch                               Beispiel bei House-Konzerten, dem sozusa-
niemand auf die Idee, Opernhäuser oder                                 gen bildungshöchsten Genre der Popmusik
Philharmonien an private Investor*innen                                – auch hier trifft man hauptsächlich „auf
oder Fondsgesellschaften zu verkaufen, die                             Künstler, ,Berater‘, Techniker oder irgendei-
die Gebäude dann in Luxuswohnungen und                                 ne moderne Spielart aus den geistes-, sozi-
teure Büros umwandeln. Soziokulturelle                                 al- und politikwissenschaftlichen Berufen.“
Zentren und Clubs sind für die Kultur einer                            (Neuhoff 2008).
Gesellschaft ebenso wertvolle Orte wie zum                                Generell ist eine „wachsende ökonomi-
Beispiel Theater, Konzert- oder Opernhäu-                              sche Ungleichheit im Zugang zur Kultur“
ser und Bibliotheken, und sie müssen eben-                             zu beobachten, was zu „beunruhigenden
so geschützt werden. Kulturorte sind grund-                            Spaltungstendenzen“ (Bude 2019) in un-
sätzlich unantastbar!                                                  serer Gesellschaft führt. In aller Regel wer-
   Für viele der von Ober- und Mittel-                                 den derartige Bestandsaufnahmen mit Bil-
schicht genutzten Kulturorte besteht im                                dern der Hochkultur illustriert, etwa mit
Übrigen ein derartiger „Kulturortschutz“                               den Besucher*innen von Opernhäusern in
bereits: Es ist ein ungeschriebenes Gesetz,                            teurer Abendgarderobe. Man könnte die-
dass Theater oder Konzert- und Opern-                                  se Ungleichheit aber durchaus auch mit
häuser nicht „vernichtet“ werden dürfen.                               Bildern des Publikums von Popkonzerten
In mittelgroßen und kleineren Städten gilt                             untermalen. Hier wie da gilt: Wo sind die
ein ähnlicher Schutz auch für viele der dort                           ärmeren Teile der Gesellschaft? Wo sind
häufig kommunal kofinanzierten oder sub-                                 beispielsweise die Arbeiter*innen und die
ventionierten soziokulturellen Zentren seit                            Verkäufer*innen? Sie sind in aller Regel
den späten Siebziger- und frühen Acht-                                 weder auf noch vor der Bühne anzutref-

Beltz Juventa | Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit · Nr. 2/2020
132   Aus der Praxis

      fen. Musizierende Arbeiterkinder sind eine     Houses“ als Orte für Kultur eine wichtige
      verschwindende Minderheit. Selbst die          Rolle. Denken wir das weiter, formulieren
      Popstar-Karriere bleibt meistens finanziell     wir eine neue Utopie: Die ganze Welt ist ein
      vorversorgten Ex-Privatschüler*innen vor-      „Sound-House“, die ganze Welt ist ein Club!
      behalten (z. B. Coldplay, Lily Allen oder      Ein Club von überschaubarer Größe, sagen
      Mumford & Sons). In unserer Gesellschaft       wir mit um die 300 oder 400 Plätzen. Am
      fehlen nicht nur die kulturelle und musische   Eingang wird uns ein freundlicher Empfang
      Bildung der Unterprivilegierten, sondern       bereitet. Vielleicht liegt ein Korb mit Äpfeln
      ebenso die nötigen „Möglichkeitsräume“,        bereit, aus dem man sich bedienen kann,
      also Kulturorte mit einer großen sozialen      wie weiland in Bill Grahams Fillmore West.
      Durchlässigkeit. Kulturorte, in denen nicht    Die Eintrittskarten sind für alle bezahlbar,
      nur die Mittelschicht, sondern alle Men-       „jedem nach seinen Bedürfnissen“, alle ge-
      schen das „Reservat der Kultur“ (Marcuse)      ben, was sie geben können. Das Personal ist
      und die darin enthaltenen Möglichkeiten        freundlich und hilfsbereit und lächelt uns an
      des Selbstausprobierens, der Verneinung        – es wird gut bezahlt. Auf der Bühne spie-
      und der Verweigerung kennenlernen kön-         len Musiker*innen, die uns wirklich etwas
      nen, „outside the society“, wie Patti Smith    zu sagen haben. Du hörst deine Bands und
      gesungen hat.                                  bist glücklich, ich höre meine Bands und bin
         Es ist von größter Wichtigkeit, dass die    glücklich, wir hören all die Musiker*innen,
      selbstverwalteten Kulturzentren und Kul-       die wir hören wollen, mehrere an einem
      turorte, die Clubs und die soziokulturellen    Abend, und hören gebannt zu oder tanzen
      Zentren zu einem neuen kämpferischen           oder trinken und liegen uns in den Armen,
      Geist finden, einem an ihr Engagement ver-      weil wir wissen, dass die Welt ein besserer
      gangener Jahrzehnte erinnernden Mut und        Ort sein kann als der da draußen, den wir
      einer ebensolchen Kampfkraft. Sie müssen       vorfinden werden, wenn wir unser utopi-
      wieder zu Motoren des Widerstands gegen        sches „Sound-House“ wieder verlassen.
      eine globalisierte Einheitskultur der Kon-     Aber bis dahin ist die ganze Welt ein Club,
      zerne und gegen den Ausverkauf der Städte      und wir sind mittendrin. Und all die Groß-
      an Investor*innen werden. Sie müssen ihre      konzerne der Konzertindustrie müssen lei-
      subversive Kraft erneuern oder zurückge-       der draußen bleiben. Niemand wird sie ver-
      winnen. Sie müssen nicht zuletzt ihre Ar-      missen. Es geht um eine Form von hedonis-
      beitsbereiche und ihre Ausrichtung so er-      tischer Vernunft. Wir sind gegen den Krieg,
      weitern, dass auch wieder junge Menschen       weil wir im Frieden unser Leben genießen
      aus unterprivilegierten Schichten Zugang zu    und glücklich sein wollen. Wir sind für
      diesen öffentlichen Orten gewinnen.             selbstbestimmte Kulturorte und gegen die
         Wir benötigen utopische Orte. Orte, in      von den Imperiengeschäften der Konzert-
      denen die Utopie in unsere Gegenwart he-       konzerne geprägten kommerziellen Orte,
      reinreicht, sich schon jetzt erleben lässt.    weil wir Musik und Kultur erleben und ge-
      Der englische Philosoph Francis Bacon          nießen wollen, die unser Glück befördern.
      entwarf im Jahr 1624 sein Neu-Atlantis –          Die sowjetische Zeitung Iswestija pro-
      eine der berühmtesten Utopien der Litera-      klamierte bereits unmittelbar nach der Ok-
      turgeschichte (Bacon 1982). In dieser Uto-     toberrevolution 1917: „Genossen, gründet
      pie spielen vor allem sogenannte „Sound        Klubs! Macht diese Klubs zur Tribüne für

                                                       Beltz Juventa | Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit · Nr. 2/2020
Seliger | Immobilienverwertung, Kulturorte und der öffentliche Raum               133

alle, die bewusst die Freiheit suchen! Lasst sie                        Impressum
Leuchttürme für die Massen sein, die nach                               Herausgeber: Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. Ber-
Sinn suchen. Klubs! Mehr Klubs! Und zwar                                lin, Heinrich-Albertz-Haus, Blücherstr. 62/63, 10961
                                                                        Berlin
so schnell wie möglich!“ (Trapp et al. 2018: 5).
                                                                        Redaktion: Peter Kuleßa (verantwortlich), Berit Gründler,
Was hält uns auf?                                                       Ragnar Hoenig, Marius Mühlhausen, Nadine Buder (Re-
                                                                        daktionsassistentin)
Literatur                                                               Redaktionsanschrift: AWO Bundesverband e.V., Blücher-
Bacon, F. 1982: Neu-Atlantis. Übersetzt von Günther                     straße 62/63, 10961 Berlin, Tel: 030-26309-199, Fax:
    Bugge. Stuttgart.                                                   030-26309-32199, Email: tup@awo.org, Internet: www.
                                                                        tup-online.com
Bude, H. 2019: „Gefährliche Begegnungen“, Frank-
    furter Allgemeine Zeitung, 22.02.2019.                              Redaktionsbeirat: Wolfgang Stadler (Vorsitzender), Prof.
Chamayou, G. 2019: Die unregierbare Gesellschaft.                       Dr. Gerhard Bäcker, Prof. Dr. Ernst-Ulrich Huster, Prof. Dr. C.
    Eine Genealogie des autoritären Liberalismus.                       Wolfgang Müller, Prof. Dr. Gerhard Naegele, Prof. Dr. Tho-
                                                                        mas Rauschenbach, Prof. Dr. Doris Schaeffer, Dr. Burkhard
    Berlin.
                                                                        Schiller, Hansjörg Seeh, Prof. Dr. Michael von Hauff.
Claßen, L./Krüger, H. H./Thole, W. 1989: In Zechen,
    Bahnhöfen und Lagerhallen. Zwischen Politik und                     Manuskripte werden jederzeit als Ausdruck und Datei an
    Kommerz – Soziokulturelle Zentren in NRW. Es-                       die Redaktion erbeten. Es werden nur Originalbeiträge an-
                                                                        genommen. Für unverlangte Sendungen wird keine Haf-
    sen.
                                                                        tung übernommen. Rücksendung erfolgt nur, wenn ent-
Eisler, H. 1962: Ernste Gesänge für Bariton und                         sprechendes Rückporto beiliegt.
    Streichorchester.
Fisher, M. 2015: Gespenster meines Lebens: Depres-                      Verlag: Julius Beltz GmbH & Co. KG, Beltz Juventa, Wer-
                                                                        derstraße 10, 69469 Weinheim, Tel: +49(0)6201/6007-0
    sion, Hauntology und die verlorene Zukunft. Ber-
    lin.                                                                TUP erscheint fünfmal jährlich im Februar, April, Juni, Sep-
Marx, K. 1960: Der Achtzehnte Brumaire des Louis                        tember (Beiheft) und Dezember.
    Bonaparte, MEW 8. Berlin.                                           Unter www.juventa.de finden Sie ein Gesamtregister der
Mösken, A. L. 2018: „Wie die Techfirmen Berlin verän-                   Zeitschriftenbeiträge.
    dern“, Berliner Zeitung, 17.11.2018.
                                                                        Preise und Bezugsbedingungen: Jahresabonnement
Neuhoff, H. 2008: „Konzertpublika. Sozialstruktur,                      € 38,00 Studierende (gegen Vorlage einer Studienbe-
    Mentalitäten, Geschmacksprofile“, Deutsches                         scheinigung) € 32,00, Einzelheft € 10,00 (jeweils zzgl.
    Musikinformationszentrum, 14.5.2008 (auch on-                       Versandkosten). Der Gesamtbezugspreis (Abonnements-
    line).                                                              preis plus Versandkosten, Inland € 6,00) ist preisgebun-
Rosa Luxemburg Stiftung (Hrsg.) 2017: „Muss Woh-                        den. Abbestellungen spätestens 6 Wochen vor Jahres-
                                                                        abonnementsende. Ein Probeabonnement umfasst 3 Hef-
    nen immer teurer werden?“ Berlin.
                                                                        te zum Preis von € 17,70 frei Haus.
Rügemer, W. 2019: Die Kapitalisten des 21. Jahrhun-
    derts. Köln.                                                        Anzeigen: Claudia Klinger, Julius Beltz GmbH & Co. KG,
Trapp, H./Thum, R./Hoy, B. 2018: „Der sowjetische                       Postfach 100154, D-69441 Weinheim,
    Arbeiterklub“, Arch+ features 76, London 2018;                      Tel.: 06201/6007-386, Fax: 06201/6007-9331, E-Mail:
    als Einhefter in: Arch+ Nr. 232. Aachen.                            anzeigen@beltz.de

                                                                        Fragen zum Abonnement und Einzelheft: Beltz Medien-
Berthold Seliger                                                        Service, Postfach 100565, D-69445 Weinheim,
ist Konzertagent und Publizist. Zuletzt erschien von                    Tel.: 06201/6007-330, Fax: 06201/6007-9331, E-Mail:
ihm „Vom Imperiengeschäft. Wie Großkonzerne die                         medienservice@beltz.de
kulturelle Vielfalt zerstören“ (Edition Tiamat, 2019,                   Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Ab-
aktuell in der 3. Auflage); der vorliegende Beitrag ba-                 bildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer-
siert auf dem Kapitel 3 dieses Buches.                                  tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsge-
                                                                        setzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und
                                                                        strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,
                                                                        Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche-
                                                                        rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

                                                                        Printed in Germany
                                                                        ISSN 0342-2275

Beltz Juventa | Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit · Nr. 2/2020
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