Allzeit HSV - Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge - Der Fußballreisende Thomas von Heesen - HSV e.V.

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Allzeit HSV - Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge - Der Fußballreisende Thomas von Heesen - HSV e.V.
supporters news # 82 | 04.2016          Preis: 2,00 Euro

Das Magazin des HSV Supporters Club

Mode von
der Insel

Kiebitze am
Volkspark

Heimat für
Flüchtlinge

Allzeit HSV
Der Fußballreisende Thomas von Heesen
Allzeit HSV - Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge - Der Fußballreisende Thomas von Heesen - HSV e.V.
Allzeit HSV - Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge - Der Fußballreisende Thomas von Heesen - HSV e.V.
INTRO                                                                                                      Editorial

                             Moin!
                             Herzlich willkommen zur 82. Ausgabe der supporters news. Knapp vier Monate sind seit
                             der letzten Ausgabe vergangen. Genug Zeit, das neue Magazin mit viel Stoff zu füllen.
                             Sportlich stehen wir – endlich mal, möchte ich sagen – im Niemandsland. Die einen
                             sind unzufrieden (zu Recht), weil wir die gefühlt einfachen Spiele verlieren, die anderen
                             sind zufrieden (auch zu Recht) weil wir immer dann, wenn wir Gefahr laufen, in den
                             Abstiegsstrudel gerissen zu werden, die wichtigen Spiele gewinnen.
                             Eigentlich brauche ich in diesem Editorial aber gar nicht so viel zu schreiben, denn Axel
                             Formeseyn hat mit seinem Intro „Wie ich es sehe“ eine sehr schöne Einleitung für diese
Tim-Oliver Horn              Ausgabe gefunden. Hamburg ist das Tor zur Welt, und wie gut das funktionieren kann,
                             zeigt in diesem Magazin auch der Bericht über den FC Hamburger Berg.
                             Des Weiteren erwartet Euch in der sn – die Titelseite verrät es – ein großes Interview
                             mit Thomas von Heesen über seine Zeit im Aufsichtsrat und „Cross Scouting“ für den
                             HSV.
                             Mode und Fußball gehören immer mehr zusammen. Gehörte früher die Kutte zum
                             guten Ton in der Kurve, ist es heute teure Markenkleidung. Wir haben dazu mit Mirko
                             Beyer gesprochen, der die Fußballmode zu seinem Beruf gemacht hat. Nur einmal um-
                             blättern, und Ihr erfahrt zudem, wo Ihr die richtige HSV-Frisur bekommt.
                             „Freiheit für die Jungs“ war vor zehn Jahren ein großes Thema vor allem in der HSV-
                             Fanszene. Untersuchungshaft für eine Schlägerei, die nie stattgefunden hat. Wie es den
                             Beteiligten heute geht, erfahrt ihr im Bericht von Nils Bethge. Gänsehaut ist garantiert.
                             Selbstverständlich thematisieren wir zudem die Korruption im Fußball, werfen einen
                             Blick auf die letzte Mitgliederversammlung und lesen gespannt, was Klößchen in mehr
                             als fünfzig HSV-Spielen (in verschiedenen Sportarten) in den letzten drei Monaten
                             erlebt hat.
                             Zu guter Letzt noch ein paar Worte in eigener Sache. Ich möchte mich auch an dieser
                             Stelle noch einmal für das Engagement von Thomas Kerfin bedanken, der im Januar
                             von seinem Amt als Mitglied der Abteilungsleitung zurückgetreten ist. Wir wünschen
                             Dir alles Gute für die Zukunft, Thomas. Wir sehen uns in der Kurve. Und wir freuen uns
                             über engagierte HSVer, die sich auf der Versammlung im Herbst zur Wahl stellen, um
                             den frei gewordenen Platz in der Abteilungsleitung einzunehmen.
                             Leider mussten wir uns im März auch von Simon verabschieden, der den Kampf gegen
                             den Krebs verloren hat. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seiner Freundin.
                             Ruhe in Frieden.
                             Wir wünschen Euch viel Spaß mit der neuen supporters news und würden uns freuen,
                             wenn Ihr uns unter www.hsv-sc.de/sn-umfrage Eure Meinung zur sn hinterlasst. Un-
                             ter allen Teilnehmern verlosen wir einen schönen Preis, und vielleicht können wir auch
                             durch Deine Meinung die sn immer wieder ein Stück besser machen.

                             Alle Mann an Bord – für den HSV Supporters Club

                             Euer

                             Tim-Oliver Horn

Titelbild: Roman Pawlowski
                                                                                                                         3
Allzeit HSV - Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge - Der Fußballreisende Thomas von Heesen - HSV e.V.
INTRO

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Inhalt
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Allzeit HSV - Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge - Der Fußballreisende Thomas von Heesen - HSV e.V.
Inhalt

INTRO                                                                                              Die dunkle Seite des Spiels                                              46
                                                                                                   Sportjournalist Thomas Kistner
Editorial                                                                  3                       über Korruption im Profifußball.

Meinung                                                                    6                       Heimat für Flüchtlinge                                                   50
                                                                                                   Der FC Hamburger Berg startete 2014 als Hobbyteam.
In Gedenken: R. I. P., Simon                                               8                       Mittlerweile spielen dort mehr als 300 Flüchtlinge.

Kurzmeldungen                                                            10                        Auf Achse                                                                56
                                                                                                   Mehr als fünfzig Spiele hat Andreas Kloß
                                                                                                   in drei Monaten besucht.
TRIBÜNE
Laufsteg Fankurve                                                        14                        VEREIN
Casuals haben die Mode im Fußball verändert –
auch abseits der Stadien.                                                                          Der Koch des HSV                                                         60
                                                                                                   Seit einem Jahr steht Mario Mosa beim HSV an den
Nur der Haar-SV!                                                         18                        Töpfen. Beim Verein ist er aber schon viel länger.
Ernst Schmidt arbeitet mit neunzig Jahren noch
als Friseur. In seinem Salon geht’s nur um den HSV.                                                90 Minuten live: Das Netradio                                            63

Wer zahlt für Polizeipräsenz?                                           20                         Versammlung mit Gänsehautmoment                                          64
Die Stadt Bremen will Polizeikosten an die Deutsche                                                Die Fananleihe ist nicht in Gefahr, verspricht
Fußball Liga abwälzen. Ein fragwürdiges Unikum.                                                    Dietmar Beiersdorfer den HSV-Mitgliedern.

Die Nummer eins im Norden                                               22                         Mehr als 300 Jahre Mitglied                                              68
In Schleswig-Holstein hat der HSV die meisten                                                      Zu vier geehrten Jubilaren zählen auch
Fanclubs. Woran liegt’s?                                                                           Uwe Seeler und Manfred Kaltz.

Fans kündigen Dialog mit dem DFB                                         25                        HSV plus: Eine Bestandsaufnahme                                          70

Trainingskiebitze                                                       26                         Base, Base, wir brauchen Base!                                            74
Sie meckern, loben und sammeln Autogramme:                                                         Weshalb sind Base- und Softball in den USA
Besuch bei den Zaungästen auf dem Trainingsplatz.                                                  so beliebt? Und wie sind überhaupt die Regeln?
                                                                                                   Die HSV-Abteilung erklärt es.
„Freiheit für die Jungs“                                                 32
Vor zehn Jahren kamen zwei HSVer unschuldig in                                                     Kurzes aus dem Verein                                                     77
Untersuchungshaft. Was ist seitdem geschehen?
                                                                                                   Verwandlung eines Teams                                                  78
Fan-Mitsprache bei den Rangers                                          34                         Das Erfolgsgeheimnis vom HSV III.
Die Organisation Rangers First kauft Anteile der
Glasgow Rangers. Das Ziel: mehr Mitsprache.
                                                                                                   SCHLUSSPHASE
News aus den Fanclubs                                                    36
                                                                                                   Siebenmal deutscher Meister                                              80
                                                                                                   Man wird ja wohl noch träumen dürfen …
SPIELFELD
                                                                                                   HSV kompakt                                                              83
Allzeit HSV                                                              38
Thomas von Heesen über seine Zeit im
Aufsichtsrat und „Cross-Scouting“ für den HSV.

Der Volkspark in Zahlen                                                 44

Impressum
Herausgeber: Hamburger Sport-Verein e. V., Supporters Club, Sylvesterallee 7 , 22525 Hamburg, Telefon: 040/41 55-15 00, Fax: -15 10
Verantwortlich für die Inhalte: Abteilungsleiter Tim-Oliver Horn (V. i. S. d. P.), Stellvertreter Martin Oetjens sowie der Beisitzer Mathias Helbing
Erscheinungsweise: vierteljährlich | Auflage: 56.000 Exemplare
Autoren: Klaus Baumann, Axel Formeseyn, Otto Gruhn, Andreas Kloß, Johannes Kühner, Tina Kuttig, Thorsten Langenbahn, Stephanie Lehnert, Jan-Walter Möller,
Jörg Niederoth, Alexander Nortrup, Mathis Paus, Lars Wegener
Fotografen: Andreas Kloß, Marco Kopp, Johannes Kühner, Roman Pawlowski, Lucas Wahl, Witters Sport-Presse und sonstige genannte Bildquellen | Illustrationen: Jenny Adam
Koordination und Realisierung: publish!, Hannover | Druck: Quensen Druck+Verlag, Hildesheim

Namentlich gekennzeichnete Artikel, Leserbriefe und Kommentare geben nicht unbedingt die Meinung der Abteilungsleitung des Supporters Clubs als Herausgeber der supporters news wieder.
Wir bitten freundlichst um Beachtung der Anzeigen und danken allen Anzeigenkunden für ihre Treue.

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Allzeit HSV - Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge - Der Fußballreisende Thomas von Heesen - HSV e.V.
INTRO

                                                                                                                                         Foto: Witters
Wie ich es sehe: Axel Formeseyn (er nu’ wieder!)

Warum Nazis und
Rassisten                                                und solche, die
                                                         sich so aufführen,

niemals echte HSVer
sein können!
Eine kleine Nachhilfestunde in Sachen „HSV-Geschichte“

D
              ie Geschichte ging nach dem 3:0-Auswärtssieg in        der (oder die) mag sich vielleicht sogar ‚stolzer HSV-Fan‘ nennen
              Hannover rum. Drei besoffene Volltrottel hatten        und was von ‚Treue‘ und ‚Ehre‘ faseln, okay, okay!
              im Auswärtsblock stumpfeste Naziparolen gegrölt.       Das lässt sich nicht ändern. Volkssport Fußball … Abbild der
              Die Mehrheit der anwesenden HSV-Fans nahm              Gesellschaft … seufz!
              dieses ungeheuerliche Verhalten offenbar gelas-
sen bis ignorant, vielleicht ängstlich (oder gar zustimmend?) zur    ABER, und genau DARUM geht es mir hier: Er (oder auch sie) wird
Kenntnis und hielt es nicht für nötig, die Nazidödel hochkant aus    niemals (und wenn ich ‚niemals‘ schreibe, dann meine ich auch
dem Gästeblock zu schmeißen.                                         NIEMALS!) ein ECHTER HSVer, ein ECHTER HANSEAT sein!
                                                                     Verstanden? NIEMALS!!!
Ich habe von alldem zwar unmittelbar nichts mitbekommen,
will und werde hier aber dennoch (m)eine ganz klare Meinung          ECHTE HSVer bekennen sich nämlich nicht nur zu bedingungsloser
dazu kundtun. Ich habe nämlich ab und zu das Gefühl, als wäre        Hingabe, schier endloses, uninspiriertes Gebolze auf dem Rasen
manchen ‚Fans‘ vielleicht gar nicht so klar, welchen Lieblings­      und jahrelanges Herumdilettieren neben dem Platz hin oder her!
verein sie sich da mit dem HSV überhaupt auserkoren haben …
                                                                     ECHTE HSVer bekennen sich zur RAUTE!
Vorweg (und Achtung, jetzt kommt ein langer Satz, aber – sorry –     ZUM BLAUEN PETER!
scheiß drauf, ich krieg das einfach nicht kürzer hin!):              (HALLO?!? ALLE Mann an Bord?!?)
                                                                     DIE ELBE!
Wer dumpfen, rassistischen Nazischrott in der Birne hat und/         SCHIFFFAHRT!
oder öffentlich von sich gibt, egal ob nüchtern, besoffen, bekifft   DEN HAFEN!
oder in welchem Zustand auch immer,                                  HANSESTADT!
wer Gut nicht von Böse unterscheiden kann,                           WELTSTADT!
wer für eigenes Versagen stets andere Sündenböcke braucht,           MEIN HAMBURG LIEB ICH SEHR!
wer immer noch an Herrenrassen glaubt,                               TOR ZUR WELT!
wer allem Fremden grundsätzlich ablehnend und hasserfüllt            WELTOFFENHEIT!
gegenübersteht,
wem das positive Ansehen seines vermeintlichen Lieblings­            DAFÜR STEHEN WIR HSVER!!!
vereins nicht über alles geht,                                       ÜBRIGENS SCHON IMMER!!!
der (oder die) mag vielleicht einen HSV-Schal, vielleicht auch
einen dusseligen blau-weiß-schwarzen Zylinder, Schalrock, eine       Die Seelers, die Dörfels, unsere Meistermannschaft von 1960!
Basecap, einen Schlafanzug, was auch immer tragen,                   ­A lles fantastische Fußballer aus einfachsten Verhältnissen,
der (oder die) mag meinetwegen sogar landauf, landab alle Spiele      die bei Niederlagen keine Ausreden oder Sündenböcke gesucht,
der blau-weiß-schwarzen Gurk… äh … Götter gucken,                     sondern immer alles gegeben, ihr Schicksal in die eigenen Hände

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Allzeit HSV - Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge - Der Fußballreisende Thomas von Heesen - HSV e.V.
Meinung

genommen und dabei niemals Menschlichkeit und Fremden-              weiterhin zu uns einluden, soll an dieser Stelle nur der FC Santos
freundlichkeit vergessen haben!                                     mit dem fabulösen Pelé genannt werden.

All die Trainer, all die Spieler aus nahezu aller Herren Länder,    Es wird an dieser Stelle nicht verwundern, dass wir auch der
die auf unserer Bank saßen, die unser weißes Trikot, unsere Rot­    erste Klub waren, der seine Nazivergangenheit im Rahmen einer
hose, unsere blau-weiß-schwarzen Stutzen trugen und tragen!         Ausstellung in unserem wunderbaren HSV-Museum aufarbei-
­Gestern, heute, morgen!                                            tete. Besonders die aufwühlende Geschichte des SS-Mannes Tull
                                                                    Harder und des norwegischen Widerstandskämpfers Assi Halvor-
Selbst in unruhigen politischen Zeiten, zwischen den Welt­          sen – beide zu aktiven, Vor-Nazi-HSV-Zeiten übrigens noch beste
kriegen, luden wir stets internationale Gegner zu Freundschafts-    Kumpel – gibt in diesem Zusammenhang zu denken.
spielen ein!
                                                                    Lange Rede, kurzer Sinn: ECHTE HSVer sind sich der Geschichte
Wir hatten mit Emil Martens einen verdienstvollen, schwulen         unseres Klubs bewusst! Und ich kann und will an dieser Stelle
Präsidenten, der von den Nazis weggesperrt wurde!                   nur an ebenjene ECHTEN HSVerinnen und HSVer appellieren,
                                                                    unserer bewegten Geschichte Rechnung zu tragen und ­u nsere
Unsere Heimat Hamburg-Rotherbaum war vielleicht DAS Zen­            hanseatischen, unsere HSV-Werte im Alltag, vorm und im
trum jüdischen Lebens in Hamburg! Im Vergleich zum Bevölke-         ­Stadion vehement zu verteidigen und sich in aller Konsequenz
rungsanteil von Juden in Hamburg hatte der HSV Anfang der            – auch heute, gerade heute – jeglichen rassistischen, stumpf
1930er-Jahre doppelt so viele jüdische Mitglieder!                   nationalistischen, menschenverachtenden Tendenzen mutig
                                                                     entgegenzustellen!
Viele Jahre, bevor die Nazis dort einmarschierten, gastierten wir
in freundschaftlicher Mission – übrigens auf Einladung eines        ‚Keep politics out of football‘? Meinetwegen! Dann aber auch
jüdischen HSV-Gönners – in Frankreich, in Paris!                    bitte konsequent: Nazis und solche, die sich so verhalten, haben
                                                                    beim HSV rein GAR NICHTS verloren!
Wir waren der erste deutsche Klub überhaupt, der nach dem
Krieg im Ausland – in Portugal – spielen durfte! Auch in England    Dieser Text sollte dafür Beweis genug und gleichzeitig Ansporn
trat nach dem Krieg welcher deutsche Klub zuerst gegen eine         sein, den Mund aufzumachen, wenn die Werte, die unser Klub
britische Profimannschaft an? Richtig, unser HSV!                   seit jeher verkörpert, von (bislang hoffentlich nur) einigen
                                                                    ­Wenigen mit Füßen getreten werden!
Fast selbstredend waren wir auch der erste deutsche Klub, der
freundschaftsspielenderweise, allen Ressentiments den Deut-         Für immer erste Liga!
schen gegenüber zum Trotz, durch Amerika tourte!                    Für immer weltoffen!
Von all den Teams, die wir in der schwierigen Nachkriegszeit        Für immer HSV!

                                                                                                                                       7
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INTRO

Die Welt
steht still …
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Allzeit HSV - Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge - Der Fußballreisende Thomas von Heesen - HSV e.V.
In Gedenken

… und uns fehlen die Worte. Seit über einem
Jahr hat Simon gegen den Krebs gekämpft.
Er hat nicht nur für sein eigenes Schicksal,
sondern für alle Krebspatienten den Kampf
aufgenommen. Seine lebensfrohe und
humor­volle Art hat vielen Betroffenen
Mut gemacht, hat wachgerüttelt und die
Menschen verbunden.
Von Simons Schicksal berührt, haben wir
vor knapp einem Jahr eine der größten Typi­
sierungsaktionen der Bundesliga­geschichte
durchgeführt. Der Zusammenhalt der HSV-
Familie war einzigartig. S
                         ­ imon wird immer
ein Teil dieser Familie sein.
Tief betroffen müssen wir jetzt Abschied
                                                   Foto: Matthias Scharf

nehmen. Unser Mitgefühl gilt seiner
­Familie, seinen Freunden und allen, die
in den letzten Monaten mit ihm gehofft,
gebangt und gebetet haben.
Ruhe in Frieden, Simon. |

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Allzeit HSV - Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge - Der Fußballreisende Thomas von Heesen - HSV e.V.
INTRO

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Schweren Herzens zurückgetreten: Thomas Kerfin vom Supporters Club.

Danke, Thomas!
Ob Regionalbetreuer, Fanclub-Vorsitzen-            unter anderem federführend die Neuauf-         Abteilungsleiter Timo Horn hat vollstes
der oder die Abteilungsleitung des Suppor-         stellung und Ausrichtung der regionalen        Verständnis für seinen bisherigen Mit-
ters Clubs: Tag für Tag, Woche für Woche,          Ansprechpartner vorangetrieben.                streiter: „Es ist sehr schade, dass wir Tho-
Saison für Saison betreiben die Ehrenamt-          Nun ist er schweren Herzens von sei-           mas in unserer Abteilungsleitung ver-
lichen einen riesigen zeitlichen Aufwand           nem Amt als Mitglied der Abteilungslei-        lieren. Aber wenn der Spagat zwischen
für den HSV, trotz aller anderen Verpflich-        tung zurückgetreten. „Meine familiären         Familie, Beruf und Ehrenamt zu groß wird,
tungen im Privat- wie Berufsleben.                 Verpflichtungen lassen es nicht mehr zu,       ist dies ein verständlicher Schritt.“
Auch Thomas Kerfin gehörte zu diesem               meinem Ehrenamt vollumfänglich nach-           Auch auf diesem Wege noch einmal ein
Kern der Freiwilligen und hatte in den ver-        gehen zu können“, begründete er seine          großes Dankeschön für die geleistete
gangenen Monaten im Supporters Club                Entscheidung.                                  ­A rbeit! |

Hit für Hit nur der HSV                                                                           Heimspiel im Ausland
„… Vol. 2 lässt Platz für Vol. 3 …“, hieß es im    Text ist in diesen Zeiten ja sogar aktueller   Zu beneiden sind sie ja nicht gerade, die
Vorwort des zweiten „Supporters Under-             denn je …                                      Fans der französischen Supercup-Finalisten.
ground Samplers“. Und siehe da: Fünf Jah-          Erfreulich: Der HSV hat seit geraumer Zeit     Denn wenn der Meister der Ligue 1 auf den
re später ist die Nachfolge-CD auf dem             ein offenes Ohr für Musikkultur – mehr,        Pokalsieger trifft, geht die Reise seit 2009
Markt. Dieses neue musikalische Werk               als es in früheren Jahren der Fall war. Zu     in ausländische Stadien. Kanada, T  ­ unesien,
ist ein tolles Zeichen dafür, dass Fan- und        jedem Heimspiel wird der Fansong des Ta-       Marokko, USA, Gabun, China und zuletzt
Subkultur beim HSV noch lange nicht tot            ges gewählt, Abschlach!s Hymne „Mein           wieder Kanada – das waren die Stationen
sind – trotz allem, was in den vergange-           Hamburg lieb ich sehr“ läuft regelmäßig        der vergangenen sieben Jahre. Welcher Fan
nen Jahren passiert ist und den Verein ver-        durch die Boxen im Stadion, und Video-         kann sich das denn leisten?! Immerhin: In
ändert hat.                                        clips unter anderem von Elvis & Pape sind      dieser Saison hat der französische Verband
Es gibt sie immer noch, die alten Haude-           auf der Leinwand zu sehen.                     ein Einsehen und bleibt zumindest in Euro-
gen der Szene wie Abschlach!, die Ham-             In diesem Sinne: weiter so! Und sicher         pa – das Finale findet am 6. August im Wör-
burger Jungz, selbstverständlich Elvis und         gibt’s irgendwann auch die Vol. 4 des „Un-     thersee-Stadion in Klagenfurt (Österreich)
auch die Maggers United. All diese Bands           derground Samplers“. |                         statt.
sind mit neuen Songs auf dieser CD, aber                                                          Ideen wie die französischen Funktionäre
natürlich gibt es auch haufenweise Mate-                                                          hat auch HSV-Marketing-Vorstand ­Joachim
rial von neuen HSV-Musikern. Angefangen                                                           Hilke. In ausländischen Märkten sieht er
bei Standardsituation und Billy King über                                                         das größte Wachstumspotenzial für die
Paul Strumpf, Hummels & Mors und Not-                                                             Bundesliga. „Darmstadt gegen HSV in
hahn bis hin zu Acts wie Front Orchester,                                                         Shanghai klingt erst einmal verrückt und
Daweed, Fresh L., Lukas Vinzens und Rio                                                           wirkt treulos den heimischen Fans gegen-
& Die Schnarchlappen (mit einem Song zu                                                           über“, sagte er in einem Interview mit
Ehren der verstorbenen Fanlegende Rai-                                                            HSV.de. „Diese Überlegungen sind jedoch
ner Becker Barmbek) und allen voran Her-                                                          alles andere als neu und nur Ausdruck ei-
bie Kopp. Sie alle vereint die Liebe und die                                                      ner konsequenten Entwicklung. Die eng-
Leidenschaft zum HSV, welche sie in ihren                                                         lische Premier League diskutiert diese seit
musikalischen Werken präsentieren.                                                                Längerem.“
Ganz besonders erfreulich ist die Tatsache,                                                       Dann mal schön weiterdiskutieren – und
dass mit dem alten Hit „Trotzdem HSV“                                                             immer im Hinterkopf behalten: Die Stim-
von Norbert & Die Feiglinge ein ganz be-                                                          mung im Stadion von Shanghai wird sicher
sonderer Klassiker auf der Platte ist! Der                                                        bombe sein … |

10
Kurzes

         Die Raute: Gefällt mir!
           Ein bisschen überraschend ist es ja schon: Außerhalb Deutschlands hat der HSV die meisten Fa-
           cebook-Fans in Brasilien. Liegt’s an Zé Roberto und Cléber Reis, die ihre Landsleute anlockten?
           Wir können nur mutmaßen; ebenso wie über die 10.000 Follower aus der Türkei: Vielleicht er-
                                                                                                                                                                                               Ticker
           füllt das Winter-Trainingslager ja seinen Zweck; oder Hakan Çalhanogu hat noch seine Finger
                                                                                                                                                                                               +++ Der englische Dritt­l igist
           im Spiel. Weshalb die Niederlande mit knapp über 2831 Followern jedoch nur auf Platz 34 von 45
                                                                                                                                                                                               Bradford City AFC setzt bei der
           Ländern liegen – trotz Ruud van Nistelrooy
                                                                                                                                                                                               Stadionrenovierung auf Crowd-
           und Rafael van der Vaart: Wir schieben es
                                                                                                                                                                                               funding: Fans können zwi-
           mal darauf, dass das Land so klein ist.
                                                                                                                                                                                               schen 5 und 2000 Pfund spen-
           Nachfolgend die Top Ten. |
                                                                                                                                                                                               den. Wird das Ziel – 250.000
                                                                                                                                                                                               Pfund (rund 320.000 Euro) – er-
                                                                                                                                               Deutsch
                                                                                                                                                         land                                  reicht, bekommen Spender je
                                                                                                                                               467.270                                         nach Höhe ihres Einsatzes ein
                                            Brasilien
                                                                                                                                                                                               Ticket, ein signiertes Trikot –
                                            17.692
                                                                                                                                                                                               oder Spielerbesuch beim nächs-
                                                                                                                                                                           In
                                                                                                                   Ägy p                                                        do             ten Kindergeburtstag. +++ Beim
                                                                                                                           ten                                             15      n
                                                                                                                   13.91                                                        .07 e s ie     150. Belgrader Stadtderby zwi-
                                                                                                                           8                                                       1       n
                                                                                                                                                                                               schen Roter Stern und Parti-
                                                                                                                                                                                               zan flog ein eher ungewöhnli-
                                                                                                                                                                                               ches Wurfgeschoss in Richtung
                                                                                                                                                                Thailand                       des vom Feld gestellten Heim-
                                                                                                                                                                 11 .496                       kapitäns Aleksandar Luko-
                 Algerien                                                                                                      USA
                      10.703                                                                                                                                                                   vic: Gästefans bewarfen ihn
                                                                                                                                  10.525
                                                                                                                                                                                               mit Feuerzeugen, Münzen –
                                                                                                                                                                                               und mindestens einem Smart-
                                                                        Tü                                                                                  Ma                       Polen     phone. Den Täter aufzuspüren
                                                                      rk
                                                                   9.9 ei                                                                                     ro
                                                                                                                                                           9.4 kko                    9.702    dürfte keine Schwierigkeit ge-
                                                                      58                                                                                      31
                                                                                                                                                                                               wesen sein. +++ Weil sie ein
                                                                                                                                                                                               „außergewöhnlich hohes Ag-
                                                                                                                                                                                               gressionspotenzial“ haben sol-
                                                                                                                                                                                               len, bittet die Stadt Oberhausen
                                                                                                                                                                                               15 Mitglieder der Rot-Weiß-Ult-
                                                                                                                                                                                               ras „Semper Fidelis“ zur medizi-
                                       FACEBOOK-FANS SIND KEINE VERBRECHER!                                                                                                                    nisch-psychologischen Untersu-
                                                                                                                                                                                               chung, bekannt als Idiotentest.
                                                                                                                                                                                               Die Anschuldigungen stüt-
                                                                                                                                                                                               zen sich jedoch überwiegend
                                                                                                                                                                                               auf „Erkenntnisse“, nicht aber
                                                                                                                                                                                               auf Verurteilungen. 13 Mitglie-
                                                                                                                                                                                               der haben lupenreine polizei-
                                                                                                                                                                                               liche Führungszeugnisse. +++
Umfrage zur supporters news                                                                                                                                                                    „Wir werden auf ewig hinter
Im Dezember 2014 hat die sn einen Relaunch erhalten – mit neuem Layout und neuen Inhalten. Jetzt                                                                                               uns bleiben“ prangte jüngst rie-
wollen wir wissen: Wie gefällt euch die neue sn? Welche Anmerkungen und Vorschläge möchtet                                                                                                     sengroß auf einem Spruchband
ihr machen? Die Teilnahme an unserer Onlineumfrage dauert nur drei Minuten. Wer uns zusätzlich                                                                                                 im Fanblock des VfL Wolfs-
noch seine E-Mail-Adresse verrät, hat die Chance auf ein Trikot mit allen Unterschriften der aktuellen                                                                                         burg. Zu dem Banner bekann-
Profi­f uß­ball­mann­schaft. Alle Angaben bleiben auch bei Nennung der E-Mail-Adresse anonym.                                                                                                  te sich die „Kleinstadtgang Ul-
Teilnahme über unten stehenden QR-Code beziehungsweise den nachfolgenden Link:                                                                                                                 tras 2015“, die sich aufrichtig
www.hsv-ev.de/sn-umfrage |                                                                                                                                                                     entschuldigte und direkt auf-
                                                                                                                                                                                               löste. +++ Vier Gäste kommen
                                                                                                                                                                                               zum nächsten Tankstellentalk
 supporters news # 80 | 10.2015                      Preis: 2,00 Euro        supporters news # 81 | 12.2015                 Preis: 2,00 Euro

                                                                                                                                                                                               am 3. Mai im Sportpub Tank-
 Das Magazin des HSV Supporters Club                                         Das Magazin des HSV Supporters Club

 Eintrittspreise:
 Ist Fußball noch
                                                                             Abgetaucht:
                                                                             Der tiefe Fall von
                                                                                                                                                                                               stelle (Gerhardstraße/Nähe
                                                                                                                                                                                               Hans-Albers-Platz): Team-Ma-
 bezahlbar?                                                                  Nottingham Forest
 Interview mit                                                               Seitenlinie:
 Geschäftsführer                                                             Jeder kann
 Jörn Spuida

                                                                                                                                                                                               nager Bernd Wehmeyer, Nord-
                                                                             Trainer werden
 Foto-Reportage:
                                                                             Tradition:
 „Am Stellinger“
                                                                             Eishockey

                                                                                                                                                                                               tribüne-Vorsänger Patrick Schil-
                                                                             im HSV

                                                                                                                                                                                               ler, Mediendirektor Jörn Wolff
                                                                                                                                                                                               und Nils Kuhlwein, Inhaber von
 Grantler                                                                    Tatort                                                                                                            1887-Street-Wear. Start ist – wie
 mit Herz                                                                    Stadion
                                                                                                                                                                                               immer – um 18.87 Uhr. +++
 Bernd Wehmeyer spricht über Ernst Happel                                    Bjarne Mädel über seinen HSV

                                                                                                                                                                                                                                 11
INTRO

                         Andreas Schier:
                         „Horst ­Hrubesch.
                         Die ­Biografie“,
                         304 Seiten,
                         Güters­loher Ver-
                         lagshaus, ISBN
                         978-3-57-907059-9

Der Mensch
dahinter
Eine Biografie? Bloß nicht! So dach-         Neu aufgelegt                                  Teamgeist läuft mit
te Horst Hrubesch lange Zeit. Nun ist        Das aktuelle Album „Meist kommt’s an-          Die jungen Spieler des FC Kopenhagen
es aber doch passiert – auch wenn das        ders“ von Abschlach! ist noch kein hal-        wirkten irgendwie, als sei es ihnen zu
Kopfball-Ungeheuer, so schreibt Autor        bes Jahr alt, hat den Sprung in die Top 100    laut zwischen all den Fans um sie herum.
Andreas Schier in seinem Nachwort,           der deutschen Albumcharts geschafft            Beim Auswärtsspiel beim Aarhus GF hat-
erst überzeugt werden musste. Und            und auch die aktuelle Live-DVD „10 Jahre       te sich das Team kollektiv bereiterklärt,
Hrubesch machte Vorgaben: Er vermit-         ­Abschlach! – Live in Hamburg“ ist noch in     bei einem Fußmarsch zum Stadion mit-
telte 200 Kontakte zu sportlichen Weg-        aller Munde, da kommt direkt der nächs-       zulaufen, den die Fans des FCK organisiert
gefährten, zu seiner Familie, zu Freun-       te Silberling auf den Markt: die Neuauf-      hatten. Also stiegen die Jungs um den ehe-
den – und Autor Andreas Schier sollte         lage des alten Klassikers und Dauerhits       maligen Kölner Trainer Ståle Solbakken
sie alle besuchen.                            „Mein Hamburg lieb ich sehr“. Neu auf-        aus dem Mannschaftsbus, versammelten
Herausgekommen ist ein Werk, das              genommen und produziert in den Mono­          sich hinter e­ inem breiten Banner in den
authentisch und tief eintaucht in das         chrom-Studios Hamburg, läuft die-             Vereins­farben und schlichen los – wirk-
(Seelen-)Leben des Familien­menschen          se Stadion­version inzwischen bei jedem       ten dabei aber wie eingeschüchterte Rehe,
Horst Hrubesch. Da erzählt seine              HSV-Heimspiel durch die Boxen im weiten       die von laut donnernden Jagdgewehren
Mutter von ihrem lausbubenhaften              Rund, kurz bevor Barde Lotto King Karl auf    vor sich her­getrieben werden. Teamgeis-
Sohn, der einmal die Badewanne mit            seinem Kran vor der Fankurve aufsteigt.       ter, könnte man sagen. Sei’s drum: Für die
Kaulquappen füllte (weil der Nach-            Die sechs Punkrocker haben den Song in-       Fans war die A  ­ ktion ein voller Erfolg. Über
bar versprochen hatte, für jedes Tier         zwischen sogar live im Innenraum des Sta-     Social-­Media-Kanäle verbreitete sich ein
fünf Pfennig zu zahlen). Oder es er-          dions performt, zudem ein Video dieses        Video ­i hrer Aktion tausendfach. Aufs Spiel-
zählt Hrubesch, wie sein Nachbar aus-         Auftritts im Internet veröffentlicht. Als     feld hat sich die Euphorie der Fans hinge-
schlaggebend dafür war, „dass ich den         Bonussong ist die zweite Single-Auskopp-      gen nicht übertragen: Der Tabellen­f ührer
Weg zum Fußballprofi gegangen bin“.           lung des aktuellen Albums enthalten. Mit      schaffte gegen Aarhus GF nur ein mage-
Franz Beckenbauer berichtet, wie er           „Samstagnacht“ steht eine weitere, neue       res 0:0. |
zu HSV-Zeiten wegen eines Zusam-              Ballade über Hamburg, den Hafen und das
menpralls mit Hrubesch zehn Tage ins          Meer in den Startlöchern. |
Krankenhaus musste (Hrubesch da-
mals: „Was hätte ich denn machen sol-
len? Ich musste dich doch aus dem
Weg räumen!“), und Günter Netzer be-
schreibt in einem anderen Kapitel,           Gäste zahlen weniger
welche Vorwürfe Hrubesch sich des-           Premier-League-Klubs schwimmen dank            Supporters’ Federation erreichen wollte –
wegen machte.                                hoher Summen aus TV-Einnahmen ja nur so        das Ziel dieser Initiative waren 20 Pfund.
Aber auch wenn es um Spiel­berichte          im Geld – und verlangten bislang trotzdem      Dennoch ist das Entgegenkommen ein
geht: In ihrem Mittelpunkt stehen            teils horrende Summen für Eintrittskarten.     Erfolg. Für Heimmannschaften gilt die
stets Anekdoten um Horst Hrubesch            Zur kommenden Saison haben alle Vereine        Vereinbarung der Premier-League-Klubs
– und wie zur EM 1980 in Italien auch        zumindest eine Preis­ober­grenze für Gäste­    jedoch nicht. Proteste wie in Liverpool
Nebenschauplätze wie ein zufälliges          fans beschlossen. Diese seien für die Atmo­    dürfte es also wohl weiterhin geben: Dort
Treffen mit dem Papst im Petersdom.          sphäre im Stadion besonders wichtig            hatten 10.000 Fans gegen eine geplante
Insgesamt zeichnet Andreas Schier auf        und durch Anfahrt sowie Verpflegung            Preiserhöhung von 59 auf 77 Pfund protes­
304 Seiten ein sehr umfassendes Bild         sowieso schon genug belastet. Wer seine        tiert und im Spiel gegen Sunderland in
eines „Geistes der Mannschaft“, eines        Mannschaft also auswärts begleitet, muss       der 77. Minute das Stadion verlassen (aus
Familienmenschen, eines Mannes mit           in den nächsten drei Jahren – so lange gilt    einem 2:0-Vorsprung wurde noch ein 2:2).
teils ungewöhnlichen Hobbys (Angeln,         die Vereinbarung vorerst – nie mehr als        Liverpool verstand das Signal und zog seine
Reiten). Zum Glück ließ sich Hrubesch        30 Pfund (rund 38 Euro) bezahlen. Das ist      ­Pläne zurück. Fanprotest kann halt doch
von dieser Biografie überzeugen. |           zwar nicht ganz der Betrag, den die Football    einiges bewirken … |

12
Kurzes

                                                Foto: Witters

                                                                                                                       Foto: Witters
 Text: Mathis Paus · Fotos: Lucas Wahl
                                                                „Wenn du so gern
                                                                Fähnchen schwenkst,
                                                                such dir doch ’nen Job
                                                                beim Flughafen.“
                                                                (Erik Meijer über einen Linienrichter)

Lautstärkepegel
Was wäre ein Stadion nur ohne seine Vor­
sänger! Sie heizen die Stimmung einer
ganzen Arena an – so wie Poptown im
Block 25A des Volksparkstadions. Bis vor
einem Jahr lief das alles über Megafon,
seitdem gibt es eine fest installierte
Anlage. Ob deren Lautstärke ausreicht?
Das wollte die Fanbetreuung von den
Dauerkarteninhabern des A-Rangs und
in den Blöcken 24 bis 26 jetzt wissen. Das
Ergebnis: Ein Viertel der 1600 Befragten
findet die Anlage zu laut, ein Viertel hält
sie für genau richtig, und etwas mehr als
ein Viertel (35 Prozent) empfindet sie als zu
leise. Die restlichen 15 Prozent hatten keine
Meinung. Weil es keine klare Tendenz gibt,
wird der HSV an der aktuellen Lautstärke
nichts ändern. Auf dass der Support nie
verklingt! |

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TRIBÜNE

14
Casual Look

                                                                                                 Text: Mathis Paus · Illustrationen: Jenny Adam

                                                                Laufsteg
                                                               Fankurve
                                       Casuals haben die Mode in den Fußball transferiert
                                             und ganz nebenbei einen Look kreiert, der auch
                                          abseits der Stadien salonfähig ist. Auch beim HSV
                                                  ist der modebewusste Fußballfan anzutreffen.

K
               napp 1000 Euro kostet der s­ andfarbene       für den modebewussten Fußballfan. Das gesamte
               Stoff aus einem speziellen Polyester­         Sortiment ist auf den Football-Casual-Lifestyle abge-
               gemisch. Einfache Form, schlichter Schnitt,   stimmt und bedient damit ein wachsendes Verlan-
               nur die integrierte Rennfahrerbrille in der   gen nach seltener, qualitativ hochwertiger und meist
               Kapuze sorgt für Aufsehen. Die Jacke der      hochpreisiger Markenkleidung. Beyer, Typ Schwieger-
 italienischen Traditionsmarke C. P. Company ist keine       sohn, akkurater Haarschnitt, Baumwollpullover, dar-
Kleidung von der Stange. Auf einem Holzbügel scheint         unter kariertes Hemd, ist HSV-Fan und noch mehr ein
sie mehr erhaben zu thronen, als dass sie einfach nur        Casual.
­darüber hängt. So zumindest sieht es eine besondere An-     Der Begriff bedeutet so viel wie lässig, locker oder
 hängerschaft von Fußballfans: die Casuals.                  ­leger. Er stammt aus England und ist in den späten
 In der Hamburger Neustadt gibt es die Jacken der itali-      Siebzigerjahren auf den Tribünen der Anfield Road in
 enischen Nobelmarke gleich im Dutzend. Mirko Beyer           Liverpool geboren worden. Casual beschreibt die Kunst
 steht hinter seinem Tresen. Mit rotem Samt bezogene          des zwanglosen und doch sehr smarten optischen Auf-
 Barhocker, ein Snookertisch und vier Zapfhähne sor-          tretens. Britische Jugendliche mit einem gepflegten
 gen für britische Pub-Atmosphäre. Statt Pints verkauft       Äußeren sowie kostspieliger Kleidung bevölkerten auf
 Beyer gemeinsam mit seinem aus Großbritannien                einmal die Stadien. Trikots und Schals, die Devo­tio­
 stammenden Partner Robert aber Kleidung, Kleidung            nalien der Arbeiterklasse, galt es hinter sich zu lassen.

                                                                                                                                              15
TRIBÜNE

          Das neue Motto: auffallen durch Nichtauffallen. Die          erlangte der Stil ungeahnte Attraktivität unter den
          Subkultur verbreitete sich rasant und e  ­ rgriff schon      britischen Jugendlichen und schwappte von den Tri-
          bald die gesamte Insel. Das Bild der Zuschauerränge          bünen in das gesellschaftliche Leben.
          änderte sich grundlegend. Fußballfans sahen aus, als         Während in England Fußballbegeisterte im edels-
          ob sie gerade auf den Weg in den Tennis- oder Golfklub       ten Zwirn das Stadionerlebnis wie eine Matinee zele-
          wären, statt im Stadion ihre Mannschaft nach vorn            brierten, entwickelte sich der deutsche Zuschauer in
          zu schreien. Bis heute hat sich das Tragen bestimm-          den Siebzigerjahren erst zum Fan. Waren Gesänge und
          ter Modemarken in der Szene etabliert. C. P. Company,        Fanartikel nur sporadisch zu hören und zu sehen, eta-
          Stone Island, Penfield, Lyle & Scott, Fila, ­Ellesse, Fred   blierten sich nach und nach die Kutten auf den Rän-
          Perry, Adidas Originals, um nur einige zu nennen, ge-        gen. Die Jeansweste sorgte erstmals auch optisch für
          hören zu den beliebtesten Labels, die Prestige­objekt        Identifikation mit den Farben und Symbolen des Hei-
          und Erkennungszeichen zugleich sind.                         matvereins. Auch beim HSV sollten die Westen, die der
                                                                       Rockerszene entlehnt sind, auf Jahre das Stadionbild
          Der Casual Look beeinflusste                                 prägen. Erst später taten es deutsche Fans den engli-
          Autoren wie Hornby und Welsh                                 schen Casuals gleich. Durch Fanfreundschaften mit
          Beyer ist seit Mitte der Neunzigerjahre dem britisch         den Glasgow Rangers oder dem FC Millwall gelang-
          geprägten Modestil verfallen. Seine Liebe zur Fußball-       te die britische Fußballkultur immer stärker in die
          Fashion gipfelte darin, dass er im vergangenen Jahr          Hansestadt.
          seinen eigenen Laden namens „Casual Couture Ham-             Statt mit Vereinsschal sind die Leute in Zivil ins Sta-
          burg“ eröffnete. „Wir haben schon immer diese Mar-           dion gegangen, sodass keiner wusste, welcher Mann-
          ken getragen, aber an die Labels kam man nur schwer          schaft man die Daumen drückt. Weniger amüsiert
          heran. Da hab ich es einfach selbst in die Hand genom-       darüber war die Polizei. Denn schon wie zuvor in Eng-
          men“, erzählt Beyer. Casual, das sei für ihn ein Gesamt­     land, entdeckten auch Krawallmacher für sich den
          konzept, bei dem neben Mode und Fußball auch ande-           speziellen Look und gelangten so unerkannt auf die
          re Themen wie Literatur und Musik dazugehören. So            Tribünen. In einigen Pubs in London waren Marken
          verwundert es nicht, dass die Literatur von Bestseller-      wie Stone Island nicht mehr gern gesehen und der
          autoren wie Nick Hornby und Irvine Welsh von den             Träger, ob zu Recht oder Unrecht, erhielt Hausverbot.
          modebewussten Fußballfans beeinflusst wurde oder             Längst ist die modische Maskerade den Ordnungs-
          sie gar selbst Teil dieser Subkultur waren. Mit der Zeit     hütern bekannt und bestimmte Labels stehen bei

16
Casual Look

Fußballspielen auf roten Listen. Zum Leidwesen der          Perry in ihren Werbekampagnen nicht selten auf ein
anderen Casuals, die einfach nur ihre sorgfältig ausge-     Fußballumfeld.
wählten Outfits im Block präsentieren wollen.               Für Mirko Beyer ist die voranschreitende Kommerzia-
                                                            lisierung der Casuals ein zweischneidiges Schwert. Ei-
Der Nachwuchs-Casual                                        nerseits verdient er mit den markenbewussten Fans
kommt mit Mama und Papa                                     sein Einkommen, andererseits soll die Exklusivität ge-
Passt die rote Trainingsjacke zu den blauen Turn­           wahrt bleiben. „Die Nachfrage ist hoch. Die Leute kom-
schuhen? Sollte das Hemd lieber mit einem ­P ullover        men mittlerweile aus ganz Deutschland zu uns. Auch
mit Rundhalskragen oder V-Ausschnitt kombiniert             der Nachwuchs-Casual: Der kommt mit Mama und
werden? Ein Casual überlässt nichts dem Zufall, die         Papa und erhält seine Geburtstagsgeschenke bei uns.“
Gesamtoptik muss stimmen, dafür verwendet er viel           Angst vorm Ausverkauf hat Beyer daher nicht, denn in
Zeit und Geld. Heute versuchen sie den Retrolook aus        der Regel regulieren die hohen Preise den Zulauf von
den Achtzigerjahren wieder aufleben zu lassen, weiß         ganz allein und die Vielzahl der Marken bewahrt die
Beyer: „Auf Originalstücke wird viel Wert gelegt.“ Je       Einzigartigkeit.
seltener, desto besser – und bestenfalls einzigartig –,     Und so halten die Auswirkungen der modischen
so lautet die Formel. Trotz einer gewissen Uniformität      ­Revolution auf den Fußballtribünen bis heute an.
in der Gruppe sei Individualität sehr wichtig. ­„Casuals     Mehr noch: Sie sind auch abseits der Spielstätten
suchen Einzelstücke von Marken, die andere nicht             ­präsent und verbreiteter denn je. Der ewige Casual-
haben.“ Das soll beeindrucken und das eigene Stil­            Kreislauf aus anprobieren und verwerfen wird sich
bewusstsein untermauern. Der Modefetisch geht so           ­weiterdrehen. |
weit, dass Kenner nicht nur die Gründer und ­Designer
ihrer Lieblingslabels aufzählen können, sondern auch,
wann, wo und in welcher Stückzahl eine s­ pezielle
Schuhkollektion erstmals erschienen ist. Dass d  ­ arum
eine regelrechte Industrie entstand, ist in der Logik
von Unternehmen nur folgerichtig. Neben speziellen
Modemagazinen setzen Bekleidungsfirmen wie Fred

                                                                                                                                   17
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Text & Foto: Johannes Kühner

Nur der
                                                                                                  Dauerkarten war ewig lang, Ernst stand in
                                                                                                  der Reihe direkt hinter mir. Wir kamen ins
                                                                                                  Gespräch, seitdem sind wir gute Freunde.
                                                                                                  Schmidt: Er kennt sogar meine Familie.
                                                                                                  Petermann: Ernst hat Sky, da schauen wir

Haar-SV!
                                                                                                  manchmal alle zusammen.
Text: Frank Willig
                                                                                                  Schmidt: Da benehmen wir uns aber normal.
                                                                                                  Petermann: Wenn ich ein Spiel nicht sehen
                                                                                                  kann, gibt er mir immer einen Spielbericht
                                                                                                  am Telefon durch.
                                                                                                  Schmidt: Und im Stadion sitzen wir auf der
                                                                                                  Südtribüne, ein paar Reihen auseinander.
Er ist der wohl älteste Friseur Hamburgs: Mit                                                     Petermann: Ernst mit seinem Sohn und
                                                                                                  seinem Enkel …
neunzig Jahren steht Ernst Schmidt nach wie
                                                                                                  Da schnacken sie wieder; über Fußball im
                                                                                                  Allgemeinen, über den HSV im Speziellen,
vor fast täglich in seinem Salon. Und beim                                                        über die Atmosphäre im Stadion.

Frisieren gibt’s fast nur ein Thema: den HSV.                                                     Petermann: Die Sprechchöre sind weniger
                                                                                                  geworden.
                                                                                                  Schmidt (nachdenklich): Ja, das ist mir auch
                                                                                                  aufgefallen.
Guten Tag – ich denke mal, hier bin ich          Weshalb nennt man Sie dann den                   Petermann: Aber „Hamburg, meine Perle“ …
richtig beim HSV-Friseur?                        HSV-Friseur?                                     Schmidt: … da kommen mir immer fast die
Schmidt: Ja. Obwohl: Es kommen immer             Schmidt: 1948 bin ich aus Freiburg an der        Tränen.
wieder Menschen rein, die denken, hier sei       Elbe nach Hamburg gezogen. Anfangs               Petermann: Ja, das ist immer ganz toll,
eine Vorverkaufsstelle des HSV.                  arbeitete ich in einem Salon am Rathaus          wenn das kommt.
                                                 und habe auch Bürgermeister Paul Never­
Woran das liegt, wird schnell klar, wenn         mann die Haare geschnitten; dann habe ich        In diesem Moment geht kurz die Tür auf.
der Blick durch den Salon schweift: Im           mich selbstständig gemacht. Irgendwann
Schaufenster klebt mehrfach die Raute, in        habe ich begonnen, meinen Salon zu               Ein Kunde: Alles Gute!
einem Modell des Volksparkstadions brennt        schmücken.                                       Schmidt: Ebenso – erfolgreiches
blaues Licht, über den Spiegeln hängen HSV-      Warum? Seit ich hier wohne, gehe                 Wochenende!
Fahnen, Ernst Schmidt trägt ein Hemd mit         ich zu jedem HSV-Heimspiel, bin bei              Der Kunde: Man darf die Hoffnung nie
Raute auf der Brusttasche und einen Ring         allen Versammlungen dabei, mein                  aufgeben.
mit Raute am Finger, sogar das Schauma-          Autokennzeichen beginnt mit HH-SV …
Shampoo ist zufällig blau-weiß-schwarz.                                                           Mit diesen Worten schließt er wieder die Tür,
Rechts der Spiegel zeigt ein Bilderrahmen        Stammkunde Klaus Petermann, der gerade           und mit der Hoffnung meint er den HSV vor
die Feier zu seinem achtzigsten Geburtstag       im Salon sitzt, mischt sich ein.                 seinem nächsten Heimspiel gegen Ingolstadt
im Volksparkstadion, zwischen den Spiegeln                                                        (es wird 1:1 ausgehen).
hängt ein Plakat von seinem neunzigsten          Petermann: … und als er wegen seines Knies
Geburtstag im Februar mit Gratulant Dietmar      im Krankenhaus war, hat er selbst dort           Kommen hier denn auch Leute rein, die
Beiersdorfer, links sind Fotos von Schmidt mit   seinen HSV-Trainingsanzug getragen.              nichts mit dem HSV zu tun haben?
Uwe Seeler und Hermann Rieger aufgehängt.        Schmidt: Später kam mein Arzt im Salon           Schmidt: Ja, auch. Wenn einer reinkommt,
                                                 vorbei. Der ist jetzt auch Kunde bei mir.        dann frage ich erst: Wie heißt du? Und
Haben Sie denen die Haare geschnitten?           Petermann: Und wenn der HSV spielt, dann         dann: Bist du HSVer? Wenn nicht, dann
Schmidt: Nur dem Hermann Rieger. Früher          muss schon was Besonderes sein, dass Ernst       finden wir andere Gesprächsthemen. Die
kam regelmäßig Torwart Horst Schnoor.            sich das nicht anschaut.                         meisten sind ohnehin Stammkunden.
Uwe Seeler habe ich nur mal zufällig im                                                           Leider werden es immer weniger; im Laufe
Stadion getroffen. Die heutigen Spieler          Es ist offensichtlich: Da sitzen zwei, die den   der Jahre sind viele gestorben.
haben ja alle ihre eigenen Friseure.             HSV mögen. Petermann und Schmidt spielen
                                                 sich die Bälle zu; kein Wunder, seit 35 Jahren   Denken Sie nie ans Aufhören?
Was sagen Sie denn zu deren Frisuren?            sind sie befreundet.                             Schmidt: Nein, der Salon ist wie mein
Schmidt (macht eine wegwerfende                                                                   zweites Wohnzimmer. Ich bin gern in
Handbewegung): Furchtbar, manchmal. Aber         Petermann: Es gab damals eine Behelfs­           meinem Beruf und würde ihn jederzeit
das hat die Zeit halt so mit sich gebracht.      geschäftsstelle. Die Warteschlange für           wieder wählen. |

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19
TRIBÜNE

Bremer
Sackgasse
Das Derby zwischen Werder und dem HSV vom 19. April 2015 in
Bremen sorgt noch immer für Spannung. Grund: Die Stadt Bremen hat
beschlossen, die Polizeikosten der Deutschen Fußball Liga in Rechnung
zu stellen. Ein rechtlich fragwürdiges Unikum in der Bundesligageschichte.
Kosten für Polizeieinsatz

Text: Jörg Niederoth · Foto: Witters

B
             remen hat Anfang November 2014 die ge-          Auch die Rechtsfigur des sogenannten Zweckveranlas-
             setzlichen Voraussetzungen dafür geschaf-       sers kann zur Verantwortlichkeit der Vereine für Rem-
             fen, kommerzielle Großveranstalter an Kos-      midemmi vor den Stadiontoren nicht herangezogen
             ten für Polizeieinsätze beteiligen zu können.   werden. Mit Fußballspielen wird weder subjektiv noch
             Grund für diesen kontrovers diskutierten        objektiv eine Lage geschaffen, die Dritte zu Gewalt-
Gesetzesvorstoß war das Anliegen des Bremer Senats,          handlungen herausfordert. Im Gegenteil – die ­Vereine
zukünftig nicht mehr allein auf den rund 300.000 Euro        haben ein fundamentales Interesse daran, dass es
Mehrkosten sitzen zu bleiben, die bei Risikospielen des SV   nicht nur im Stadion, sondern auch auf dem Hin- und
Werder Bremens durch erhöhte Polizeipräsens rund um          Rückweg für die Fans beider Mannschaften friedlich
das Weserstadion entstehen.                                  bleibt. Aktiv wird mit Fanprojektförderungen, Redu-
Zwar ist der Gesetzeswortlaut allgemein formuliert           zierungen des Gästeticketkontingentes, Stadionverbo-
und wendet sich an alle „Veranstalter von gewinn­            ten sowie verstärkten Einsätzen von Ordnerdiensten
orientierten Veranstaltungen, bei denen es erfah-            versucht, die Gefahr von Gewaltausschreitungen zu
rungsgemäß zu Gewalthandlungen kommt“. Dass die              minimieren. Wenn sich daraus jedoch ergibt, dass eine
Gesetzesschreiber dabei aber vor allem den Fußball           rechtliche Verantwortlichkeit der Fußballvereine und
im Sinn hatten, zeigte die Anhörung im Haushalts-            -verbände für verstärkte Polizeieinsätze vor dem Stadi-
und Finanzausschuss am 17. Oktober 2014. Vertreter           on nicht besteht, können ihnen auch die Kosten dafür
von DFB, DFL und des SV Werder Bremen waren gela-            nicht in Rechnung gestellt werden.
den und durften ihre Stellungnahmen abgeben. Dabei
kündigte die DFL bereits im Gesetzgebungsverfahren           Rechtliche Bedenken
an, dass sie Kostenbescheide im Innenverhältnis an           bei Bremer Gebührenvorschrift
die Grün-Weißen weiterleiten werde – also ein Bremer         Auch an weiteren Stellen hinterlässt die Bremer Gebüh-
Bumerang. Auch verbandspolitisch hatte der Senats-           renvorschrift einen bitteren rechtlichen Beigeschmack.
vorstoß schnell weitreichende Folgen: So entzog der          So muss der Wortlaut eines Gesetzes hinreichend be-
DFB der Hansestadt das für November 2014 angesetzte          stimmt und klar formuliert sein – eine Folge des Rechts-
EM-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar.                      staatsgebotes. Der vorgestellte Gesetzestext verwen-
                                                             det allerdings den konturenlosen und weit gefassten
Staatsaufgabe Sicherheit                                     Begriff „Gewalthandlungen“. Was ist darunter zu ver-
In der öffentlichen Diskussion scheint weitgehende Ei-       stehen? Fallen darunter bereits Bagatellstraftaten oder
nigkeit zu bestehen, dass bei Fußballspielen die Kosten      müssen schwerwiegende Gewalthandlungen befürch-
auch für Polizeieinsätze außerhalb der Stadien von den       tet werden, um vom Veranstalter Gebühren erheben zu
Veranstaltern getragen werden müssen. Schließlich            können? Wessen Perspektive ist eigentlich für die Ge-
wird im Fußballbusiness viel Geld verdient, wohin­           fahrenprognose maßgeblich und warum fallen allein
gegen die öffentlichen Kassen leer sind.                     Veranstaltungen mit den gesetzlich willkürlich fest-
Im ersten Moment ist dieser Gedankengang sogar nach-         gelegten mehr als 5000 Besuchern unter eine mögli-
vollziehbar, juristisch ist er jedoch irrelevant, denn mit   che Zahlungsverpflichtung? Auch, wer Veranstalter ist,
polizeirechtlichen Grundsätzen ist diese Argumenta-          wird in der Vorschrift nicht näher bestimmt. Als Spiel-
tion nicht vereinbar. Grundsätzlich richten sich nach        veranstalter des letztjährigen Nordderbys wird man die
den Polizeigesetzen von Bund und Ländern polizeiliche        DFL kaum ansehen können, und dass die Bremer Ver-
Maßnahmen an diejenigen, die mit ihren Handlungen            waltung ihren heimischen Verein finanziell belasten
Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung          will, dürfte zu bezweifeln sein.
verursachen oder für den polizeiwidrigen Zustand einer       Die Bremer Kostenvorschrift stößt somit auf eine Rei-
Sache verantwortlich sind. Nur wenn diese Handlungs-         he gewichtiger rechtlicher Bedenken. Deshalb sollte
oder Zustandsstörer nicht greifbar sind, kann die Polizei    auch in Bremen der Grundsatz weiterhin Geltung be-
unter engen Voraussetzungen auch sogenannte Nicht-           halten, dass die Gewährleistung von Sicherheit und
störer belangen.                                             Ordnung im öffentlichen Raum allein Staatsangele-
Die Fußballvereine und -verbände verursachen die             genheit und damit allein aus dem Steueraufkommen
von vermeintlichen Fußballfans ausgeübte Randale             zu finanzieren ist. |
und Gewalt im öffentlichen Raum im räumlichen und
zeitlichen Umfeld von Fußballspielen jedoch nicht.

                                                                                                                     21
TRIBÜNE

                                                                                            Niebüll
                                                                                                                      Flensburg
Text: Jan Walter Möller

Die
Nummer
                                                                                                                                  Schleswig

                                                                                                           Husum

eins im                                                                                                        Friedrichstadt

Norden                                                                                                      Heide

 In keinem anderen Bundesland hat der HSV
 so viele Fanclubs wie in Schleswig-Holstein.
 Die Gründe dafür liegen in der geografi-
 schen Lage, dem Mangel an Alternativen –
                                                                                                                                    Itzehoe
 und dem Bekenntnis zu Traditionen.

„S
            eht Ihr die Fans dort in der Kurve, das sind   Um die Beziehung der Fans zwischen Westerland und
            die Fans vom HSV. Das sind die Fans aus        Timmendorfer Strand sowie Brunsbüttel und Glücks-
            Schleswig-Holstein. Schleswig-Holstein         burg zum HSV zu beschreiben, ist ein Blick auf die
            und der HSV!“ Diese Textzeile eines bekann-    Geografie und die übrigen Sportvereine notwendig.
            ten Fanliedes über den HSV stammt von          So sind die fußballinteressierten Fans im Westen und
ideenreichen Fans aus Schleswig-Holstein, die das Ori-     Osten durch die Nord- und Ostsee begrenzt. Im Nor-
ginal mit dem Titel „La ballade des gens heureux“ des      den begrüßen einen die dänischen Nachbarn. So bleibt
französischen Schlagersängers Gérard Lenorman vor          durch diesen natürlichen „Trichter“ nur die Hansestadt
mehr als vierzig Jahren umgedichtet haben – in meh-        Hamburg mit unserem Hamburger Sport-Verein, dem
rere Varianten. Es findet seine bekannteste Version da-    sich sehr viele Anhänger verschrieben haben. Natür-
rin, dass alle Spieler der Europapokalmannschaft von       lich findet man auch Fans anderer Vereine, insbeson-
1983 besungen werden – und zum Abschluss die Fans          dere von den erfolgreichen wie FC Bayern und Borussia
aus dem nördlichsten Bundesland. Das Lied ist bei          Dortmund sowie vom Stadtrivalen FC St. Pauli. Übri-
manchen Fans in Vergessenheit geraten, wird aber re-       ge Vereine sind nur in sehr geringen Zahlen vertre-
gelmäßig bei Auswärtsfahrten von Schlachtenbumm-           ten, sodass die Zahl achtzig Prozent, die dem HSV die
lern aus Heide, Kiel, Friedrichstadt und Flensburg         Daumen drücken, realistisch ist; in einigen Gegenden
aus der geistigen Jukebox geholt und voller Inbrunst       dürfte sie sogar noch höher liegen. Die beiden großen
gesungen.                                                  benachbarten Fußballvereine in Schleswig-Holstein,

22
Schleswig-Holstein

                                                                  VfB Lübeck (Regionalliga Nord) und Holstein Kiel (drit-
                                                                  te Liga), stehen sportlich, fantechnisch und wirt-
                                                                  schaftlich, obwohl geringe freundschaftliche Schnitt-
                                                                  mengen vorhanden sind, in nicht nennenswerter
                                                                  Beziehung und Konkurrenz zum HSV und rekrutie-
                                                                  ren ihre Anhänger in ihrer jeweiligen Stadt und in-
                                                                  nerhalb eines überschaubaren Umkreises darüber
                                                                  hinaus. Ähnlich verhält es sich mit den beiden sehr er-
                                                                  folgreichen Handballvereinen, SG Flensburg-Hande-
                                                                  witt und THW Kiel, die in der Handballbundesliga und
                                                                  auch in den europäischen Wettbewerben regelmäßig
                                                                  ganz oben zu finden sind. Aber, um nur noch einmal
                                                                  die Maßstäbe zu verdeutlichen und ohne die beacht-
                                                                  lichen Leistungen der Nachbarvereine zu diskreditie-
                                                                  ren: der HSV hat mehr als 800 Fanclubs, die dem Ver-
                                                                  ein in der Saison 2014/2015 zu einem Zuschauerschnitt
                                                                  von 53.000 verhalfen. Die vier oben genannten Fuß-
                                                                  und Handballvereine weisen in Summe in der Statis-

 Rendsburg           Kiel                                         tik vierzig Fanclubs mit einem Zuschauerschnitt von
                                                                  22.000 Anhängern aus.
                                                                  Schaut man in die übrigen und benachbarten Bundes-
                                                                  länder, so findet man 180 Kilometer Richtung Osten
                                                                  den letzten DDR-Meister und Pokalsieger von 1991, den

                Neumünster
                                              Neustadt/Holstein
                                                                     Keinerlei
                                                                   Schnittmenge
                                                                   mit Wolfsburg
                                                                  F. C. Hansa Rostock. Natürlich gibt es auch hier Schnitt-
                                              Lübeck
                                                                  mengen, die aber recht überschaubar sind. Wenn über-
                                                                  haupt, dann „wildert“ der HSV um Fans in Mecklen-
                                                                  burg. In Hamburg und im Umkreis lebende Hansafans
                                                                  rekrutieren sich größtenteils aus Anhängern, die der
 Elmshorn                                                         Arbeit wegen in die „große“ Hansestadt gezogen sind.
                                                                  Unter der älteren Generation ist das Verhältnis neu­
                                                                  tral bis freundschaftlich, zum Teil noch begründet aus
    Pinneberg                Ahrensburg                           der Zeit einer, ehrlicherweise sehr kurzen, Fanfreund-
                                                                  schaft Anfang der Neunzigerjahre. Die jüngere, insbe-
                                                                  sondere die Ultrageneration, sieht es hier etwas sport-
Wedel                                                             licher. Grundsätzlich ist aber gegenseitiger Respekt
                                                                  vorhanden.
                                                                  Das Verhältnis zu den drei niedersächsischen Erstli-
                                                                  gisten könnte unterschiedlicher nicht sein. Zum VfL
                             Reinbek                              Wolfsburg besteht keines, die Anhänger aus Schles-
                                                                  wig-Holstein nehmen die Werkself kaum wahr und
                                                                  noch weniger ernst. Zu offensichtlich ist der Versuch,
                                  Geestacht
                                                                  eine Fußballmannschaft mit Unsummen an ­Ablösen
                                                                  und Gehältern zu etablieren, wodurch es auch logisch
                                                                  erscheinen muss, dass die Fanszene nicht mitwach-
                                                                  sen konnte und sich regional eher wie der THW Kiel

                                                                                                                         23
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versteht. Achtzig Kilometer weiter westlich ist die Hei-    Beispiel Rostock beschrieben, sind die niedersächsi-
mat von Hannover 96, zu deren Anhängern auf ver-            schen Vereine kilometermäßig und emotional zu weit
schiedenen Ebenen ein freundschaftliches Verhält-           weg, als das hier personell eine Beziehung in nennens-
nis besteht. Fans der „Roten“ wird man im nördlichsten      werter Zahl aufgebaut werden konnte.
Bundesland eher weniger finden. Und zum Verein an           Nach diesem Umriss der sportlichen und geografi-
der Weser ist alles bekannt und gesagt: Eine gegensei-      schen Lage scheint es klar zu sein, dass für die über-
tige und gesunde Abneigung prägt das Bild auf beiden        wiegende Mehrheit der Fußballfans aus Schleswig-
Seiten. Jeweils auf halber Strecke beginnen die Schnitt-    Holstein nur der Hamburger SV infrage kommt – und
mengen zu Hannover und Bremen fanseitig. Beim VfL           weshalb mehr als 200 Fanclubs mit Tausenden Mit-
Wolfsburg handelt es sich eher um ein lokales Phäno-        gliedern unserem Verein dort seit Jahrzehnten die
men mit eigenem Betriebsfanclub. Wie schon beim             Treue halten. |

„Der HSV-Virus wird vererbt“
Im nordfriesländischen Friedrichstadt           an Nummer eins positioniert. Trotzdem          vorbei sind, als in der Zeitung mehr
drückt Heinz Claussen dem HSV seit vielen       ist auch hier die Rivalität mit den            über den Aufsichtsrat stand als über die
Jahren die Daumen. Im sn-Interview erzählt      anderen Nordklubs, besonders mit dem           Mannschaft. Und sportlich ist die Talsohle
er, warum.                                      Stadtteilklub aus Hamburg und dem              mit zwei Relegationen in Folge denke ich
                                                Verein aus der verbotenen Stadt, sehr          durchschritten, und so freue ich mich
Heinz, kannst Du Dich und Deine HSV-            ausgeprägt.                                    einfach über jedes Tor und über jeden Sieg,
Historie kurz vorstellen?                                                                      den ich im Volkspark bejubeln darf. Und
Ich komme aus Friedrichstadt, einigen           Trotz aller Rückschläge in den letzten         grundsätzlich mal ganz ehrlich: Ich glaube
vermutlich als Holländerstädtchen in            Jahren und dem letzten Titel, welcher          nicht, dass es emotionaler geht als die
Nordfriesland bekannt, bin 45 Jahre,            knapp dreißig Jahre her ist und den            letzten Wochen der letzten Spielzeit mit
verheiratet und habe zwei Töchter im            viele jüngere Fans nicht aktiv mehr            dem absoluten Höhepunkt in Karlsruhe.
Alter von 12 und 17 Jahren. Beruflich bin       erlebt haben: Unser Verein besitzt immer       Diese Emotion und diese Freude können
ich selbstständiger Kaufmann mit einem          noch eine immense Strahlkraft. Warum           bei dem Gewinn der Meisterschaft oder
Großhandel für Haustechnik und Stahl an         scheint dies gerade in Schleswig-Holstein      Ähnlichem gar nicht größer sein. |
den Standorten Friedrichstadt und Heide.        so aufzufallen?
Von klein auf bin ich Fußballer, sowohl         Ich glaube, dass der „HSV-Virus“, auch ohne
aktiv als auch passiv als Fan. Anfangs          sportlichen Erfolg, wie ebenfalls in meiner
fand ich noch den VfB Stuttgart ganz gut,       Familie, vererbt wird. Ich lebe es vor, wie
wurde dann durch meinen Vater und den           geil es ist, zur HSV-Familie dazuzugehören,

                                                                                                                                              Foto: privat
sportlichen Erfolg unter Klein, Netzer und      da spielt der sportliche Erfolg eine
Zebec/Happel zügig auf die richtige Bahn        untergeordnete Rolle. Dazu kommt, dass         Der Friedrich­städter Heinz Claussen
gebracht. Spiele wie zum Beispiel die Partie    wir Schleswig-Holsteiner besonders             mit seiner Tochter Anna
gegen Madrid 1980 im Halbfinale des             heimatverbunden, treu, geradlinig sind
Landesmeisterpokals sind es, die dich zum       und Tradition lieben. Da kommt man am
Fan werden lassen. Seit vielen Jahren bin       HSV einfach nicht vorbei.
ich HSV-Mitglied, Dauerkartenbesitzer und
habe die „Raute im Herzen“.                     Was sind Deine Wünsche für die Zukunft
                                                unseres Vereins? Wenn ich mich in
Schleswig-Holstein gilt bekanntermaßen          Deinem Wohnzimmer umsehe, kommt
als das Bundesland mit dem größten              man in schöne Träume an längst
Zuspruch an HSV-Fans. Wenn man über             vergangene Zeiten …
die Dörfer fährt, sieht man sehr viele          Du sprichst sicherlich die große Foto­lein­
HSV-Fahnen an den Häusern wehen.                wand von unseren 83er-Landes­pokal­
Wie sieht es bei Euch in Friedrichstadt         siegern in meinem Wohnzimmer an.
(südliches Nordfriesland an Eider und           Sicher wünscht man sich Erfolg, träumt
Treene gelegen, Anm. d. Red.) genau aus?        von Pokalen und Meisterschaften. Ich
Auch in Friedrichstadt ist der HSV sehr         freue mich schon mal darüber, dass
gut vertreten und ich denke, auch klar          Ruhe im Verein herrscht, dass die Zeiten

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