Allzeit HSV - Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge - Der Fußballreisende Thomas von Heesen - HSV e.V.
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supporters news # 82 | 04.2016 Preis: 2,00 Euro Das Magazin des HSV Supporters Club Mode von der Insel Kiebitze am Volkspark Heimat für Flüchtlinge Allzeit HSV Der Fußballreisende Thomas von Heesen
INTRO Editorial Moin! Herzlich willkommen zur 82. Ausgabe der supporters news. Knapp vier Monate sind seit der letzten Ausgabe vergangen. Genug Zeit, das neue Magazin mit viel Stoff zu füllen. Sportlich stehen wir – endlich mal, möchte ich sagen – im Niemandsland. Die einen sind unzufrieden (zu Recht), weil wir die gefühlt einfachen Spiele verlieren, die anderen sind zufrieden (auch zu Recht) weil wir immer dann, wenn wir Gefahr laufen, in den Abstiegsstrudel gerissen zu werden, die wichtigen Spiele gewinnen. Eigentlich brauche ich in diesem Editorial aber gar nicht so viel zu schreiben, denn Axel Formeseyn hat mit seinem Intro „Wie ich es sehe“ eine sehr schöne Einleitung für diese Tim-Oliver Horn Ausgabe gefunden. Hamburg ist das Tor zur Welt, und wie gut das funktionieren kann, zeigt in diesem Magazin auch der Bericht über den FC Hamburger Berg. Des Weiteren erwartet Euch in der sn – die Titelseite verrät es – ein großes Interview mit Thomas von Heesen über seine Zeit im Aufsichtsrat und „Cross Scouting“ für den HSV. Mode und Fußball gehören immer mehr zusammen. Gehörte früher die Kutte zum guten Ton in der Kurve, ist es heute teure Markenkleidung. Wir haben dazu mit Mirko Beyer gesprochen, der die Fußballmode zu seinem Beruf gemacht hat. Nur einmal um- blättern, und Ihr erfahrt zudem, wo Ihr die richtige HSV-Frisur bekommt. „Freiheit für die Jungs“ war vor zehn Jahren ein großes Thema vor allem in der HSV- Fanszene. Untersuchungshaft für eine Schlägerei, die nie stattgefunden hat. Wie es den Beteiligten heute geht, erfahrt ihr im Bericht von Nils Bethge. Gänsehaut ist garantiert. Selbstverständlich thematisieren wir zudem die Korruption im Fußball, werfen einen Blick auf die letzte Mitgliederversammlung und lesen gespannt, was Klößchen in mehr als fünfzig HSV-Spielen (in verschiedenen Sportarten) in den letzten drei Monaten erlebt hat. Zu guter Letzt noch ein paar Worte in eigener Sache. Ich möchte mich auch an dieser Stelle noch einmal für das Engagement von Thomas Kerfin bedanken, der im Januar von seinem Amt als Mitglied der Abteilungsleitung zurückgetreten ist. Wir wünschen Dir alles Gute für die Zukunft, Thomas. Wir sehen uns in der Kurve. Und wir freuen uns über engagierte HSVer, die sich auf der Versammlung im Herbst zur Wahl stellen, um den frei gewordenen Platz in der Abteilungsleitung einzunehmen. Leider mussten wir uns im März auch von Simon verabschieden, der den Kampf gegen den Krebs verloren hat. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seiner Freundin. Ruhe in Frieden. Wir wünschen Euch viel Spaß mit der neuen supporters news und würden uns freuen, wenn Ihr uns unter www.hsv-sc.de/sn-umfrage Eure Meinung zur sn hinterlasst. Un- ter allen Teilnehmern verlosen wir einen schönen Preis, und vielleicht können wir auch durch Deine Meinung die sn immer wieder ein Stück besser machen. Alle Mann an Bord – für den HSV Supporters Club Euer Tim-Oliver Horn Titelbild: Roman Pawlowski 3
Inhalt INTRO Die dunkle Seite des Spiels 46 Sportjournalist Thomas Kistner Editorial 3 über Korruption im Profifußball. Meinung 6 Heimat für Flüchtlinge 50 Der FC Hamburger Berg startete 2014 als Hobbyteam. In Gedenken: R. I. P., Simon 8 Mittlerweile spielen dort mehr als 300 Flüchtlinge. Kurzmeldungen 10 Auf Achse 56 Mehr als fünfzig Spiele hat Andreas Kloß in drei Monaten besucht. TRIBÜNE Laufsteg Fankurve 14 VEREIN Casuals haben die Mode im Fußball verändert – auch abseits der Stadien. Der Koch des HSV 60 Seit einem Jahr steht Mario Mosa beim HSV an den Nur der Haar-SV! 18 Töpfen. Beim Verein ist er aber schon viel länger. Ernst Schmidt arbeitet mit neunzig Jahren noch als Friseur. In seinem Salon geht’s nur um den HSV. 90 Minuten live: Das Netradio 63 Wer zahlt für Polizeipräsenz? 20 Versammlung mit Gänsehautmoment 64 Die Stadt Bremen will Polizeikosten an die Deutsche Die Fananleihe ist nicht in Gefahr, verspricht Fußball Liga abwälzen. Ein fragwürdiges Unikum. Dietmar Beiersdorfer den HSV-Mitgliedern. Die Nummer eins im Norden 22 Mehr als 300 Jahre Mitglied 68 In Schleswig-Holstein hat der HSV die meisten Zu vier geehrten Jubilaren zählen auch Fanclubs. Woran liegt’s? Uwe Seeler und Manfred Kaltz. Fans kündigen Dialog mit dem DFB 25 HSV plus: Eine Bestandsaufnahme 70 Trainingskiebitze 26 Base, Base, wir brauchen Base! 74 Sie meckern, loben und sammeln Autogramme: Weshalb sind Base- und Softball in den USA Besuch bei den Zaungästen auf dem Trainingsplatz. so beliebt? Und wie sind überhaupt die Regeln? Die HSV-Abteilung erklärt es. „Freiheit für die Jungs“ 32 Vor zehn Jahren kamen zwei HSVer unschuldig in Kurzes aus dem Verein 77 Untersuchungshaft. Was ist seitdem geschehen? Verwandlung eines Teams 78 Fan-Mitsprache bei den Rangers 34 Das Erfolgsgeheimnis vom HSV III. Die Organisation Rangers First kauft Anteile der Glasgow Rangers. Das Ziel: mehr Mitsprache. SCHLUSSPHASE News aus den Fanclubs 36 Siebenmal deutscher Meister 80 Man wird ja wohl noch träumen dürfen … SPIELFELD HSV kompakt 83 Allzeit HSV 38 Thomas von Heesen über seine Zeit im Aufsichtsrat und „Cross-Scouting“ für den HSV. Der Volkspark in Zahlen 44 Impressum Herausgeber: Hamburger Sport-Verein e. V., Supporters Club, Sylvesterallee 7 , 22525 Hamburg, Telefon: 040/41 55-15 00, Fax: -15 10 Verantwortlich für die Inhalte: Abteilungsleiter Tim-Oliver Horn (V. i. S. d. P.), Stellvertreter Martin Oetjens sowie der Beisitzer Mathias Helbing Erscheinungsweise: vierteljährlich | Auflage: 56.000 Exemplare Autoren: Klaus Baumann, Axel Formeseyn, Otto Gruhn, Andreas Kloß, Johannes Kühner, Tina Kuttig, Thorsten Langenbahn, Stephanie Lehnert, Jan-Walter Möller, Jörg Niederoth, Alexander Nortrup, Mathis Paus, Lars Wegener Fotografen: Andreas Kloß, Marco Kopp, Johannes Kühner, Roman Pawlowski, Lucas Wahl, Witters Sport-Presse und sonstige genannte Bildquellen | Illustrationen: Jenny Adam Koordination und Realisierung: publish!, Hannover | Druck: Quensen Druck+Verlag, Hildesheim Namentlich gekennzeichnete Artikel, Leserbriefe und Kommentare geben nicht unbedingt die Meinung der Abteilungsleitung des Supporters Clubs als Herausgeber der supporters news wieder. Wir bitten freundlichst um Beachtung der Anzeigen und danken allen Anzeigenkunden für ihre Treue. 5
INTRO Foto: Witters Wie ich es sehe: Axel Formeseyn (er nu’ wieder!) Warum Nazis und Rassisten und solche, die sich so aufführen, niemals echte HSVer sein können! Eine kleine Nachhilfestunde in Sachen „HSV-Geschichte“ D ie Geschichte ging nach dem 3:0-Auswärtssieg in der (oder die) mag sich vielleicht sogar ‚stolzer HSV-Fan‘ nennen Hannover rum. Drei besoffene Volltrottel hatten und was von ‚Treue‘ und ‚Ehre‘ faseln, okay, okay! im Auswärtsblock stumpfeste Naziparolen gegrölt. Das lässt sich nicht ändern. Volkssport Fußball … Abbild der Die Mehrheit der anwesenden HSV-Fans nahm Gesellschaft … seufz! dieses ungeheuerliche Verhalten offenbar gelas- sen bis ignorant, vielleicht ängstlich (oder gar zustimmend?) zur ABER, und genau DARUM geht es mir hier: Er (oder auch sie) wird Kenntnis und hielt es nicht für nötig, die Nazidödel hochkant aus niemals (und wenn ich ‚niemals‘ schreibe, dann meine ich auch dem Gästeblock zu schmeißen. NIEMALS!) ein ECHTER HSVer, ein ECHTER HANSEAT sein! Verstanden? NIEMALS!!! Ich habe von alldem zwar unmittelbar nichts mitbekommen, will und werde hier aber dennoch (m)eine ganz klare Meinung ECHTE HSVer bekennen sich nämlich nicht nur zu bedingungsloser dazu kundtun. Ich habe nämlich ab und zu das Gefühl, als wäre Hingabe, schier endloses, uninspiriertes Gebolze auf dem Rasen manchen ‚Fans‘ vielleicht gar nicht so klar, welchen Lieblings und jahrelanges Herumdilettieren neben dem Platz hin oder her! verein sie sich da mit dem HSV überhaupt auserkoren haben … ECHTE HSVer bekennen sich zur RAUTE! Vorweg (und Achtung, jetzt kommt ein langer Satz, aber – sorry – ZUM BLAUEN PETER! scheiß drauf, ich krieg das einfach nicht kürzer hin!): (HALLO?!? ALLE Mann an Bord?!?) DIE ELBE! Wer dumpfen, rassistischen Nazischrott in der Birne hat und/ SCHIFFFAHRT! oder öffentlich von sich gibt, egal ob nüchtern, besoffen, bekifft DEN HAFEN! oder in welchem Zustand auch immer, HANSESTADT! wer Gut nicht von Böse unterscheiden kann, WELTSTADT! wer für eigenes Versagen stets andere Sündenböcke braucht, MEIN HAMBURG LIEB ICH SEHR! wer immer noch an Herrenrassen glaubt, TOR ZUR WELT! wer allem Fremden grundsätzlich ablehnend und hasserfüllt WELTOFFENHEIT! gegenübersteht, wem das positive Ansehen seines vermeintlichen Lieblings DAFÜR STEHEN WIR HSVER!!! vereins nicht über alles geht, ÜBRIGENS SCHON IMMER!!! der (oder die) mag vielleicht einen HSV-Schal, vielleicht auch einen dusseligen blau-weiß-schwarzen Zylinder, Schalrock, eine Die Seelers, die Dörfels, unsere Meistermannschaft von 1960! Basecap, einen Schlafanzug, was auch immer tragen, A lles fantastische Fußballer aus einfachsten Verhältnissen, der (oder die) mag meinetwegen sogar landauf, landab alle Spiele die bei Niederlagen keine Ausreden oder Sündenböcke gesucht, der blau-weiß-schwarzen Gurk… äh … Götter gucken, sondern immer alles gegeben, ihr Schicksal in die eigenen Hände 6
Meinung genommen und dabei niemals Menschlichkeit und Fremden- weiterhin zu uns einluden, soll an dieser Stelle nur der FC Santos freundlichkeit vergessen haben! mit dem fabulösen Pelé genannt werden. All die Trainer, all die Spieler aus nahezu aller Herren Länder, Es wird an dieser Stelle nicht verwundern, dass wir auch der die auf unserer Bank saßen, die unser weißes Trikot, unsere Rot erste Klub waren, der seine Nazivergangenheit im Rahmen einer hose, unsere blau-weiß-schwarzen Stutzen trugen und tragen! Ausstellung in unserem wunderbaren HSV-Museum aufarbei- Gestern, heute, morgen! tete. Besonders die aufwühlende Geschichte des SS-Mannes Tull Harder und des norwegischen Widerstandskämpfers Assi Halvor- Selbst in unruhigen politischen Zeiten, zwischen den Welt sen – beide zu aktiven, Vor-Nazi-HSV-Zeiten übrigens noch beste kriegen, luden wir stets internationale Gegner zu Freundschafts- Kumpel – gibt in diesem Zusammenhang zu denken. spielen ein! Lange Rede, kurzer Sinn: ECHTE HSVer sind sich der Geschichte Wir hatten mit Emil Martens einen verdienstvollen, schwulen unseres Klubs bewusst! Und ich kann und will an dieser Stelle Präsidenten, der von den Nazis weggesperrt wurde! nur an ebenjene ECHTEN HSVerinnen und HSVer appellieren, unserer bewegten Geschichte Rechnung zu tragen und u nsere Unsere Heimat Hamburg-Rotherbaum war vielleicht DAS Zen hanseatischen, unsere HSV-Werte im Alltag, vorm und im trum jüdischen Lebens in Hamburg! Im Vergleich zum Bevölke- Stadion vehement zu verteidigen und sich in aller Konsequenz rungsanteil von Juden in Hamburg hatte der HSV Anfang der – auch heute, gerade heute – jeglichen rassistischen, stumpf 1930er-Jahre doppelt so viele jüdische Mitglieder! nationalistischen, menschenverachtenden Tendenzen mutig entgegenzustellen! Viele Jahre, bevor die Nazis dort einmarschierten, gastierten wir in freundschaftlicher Mission – übrigens auf Einladung eines ‚Keep politics out of football‘? Meinetwegen! Dann aber auch jüdischen HSV-Gönners – in Frankreich, in Paris! bitte konsequent: Nazis und solche, die sich so verhalten, haben beim HSV rein GAR NICHTS verloren! Wir waren der erste deutsche Klub überhaupt, der nach dem Krieg im Ausland – in Portugal – spielen durfte! Auch in England Dieser Text sollte dafür Beweis genug und gleichzeitig Ansporn trat nach dem Krieg welcher deutsche Klub zuerst gegen eine sein, den Mund aufzumachen, wenn die Werte, die unser Klub britische Profimannschaft an? Richtig, unser HSV! seit jeher verkörpert, von (bislang hoffentlich nur) einigen Wenigen mit Füßen getreten werden! Fast selbstredend waren wir auch der erste deutsche Klub, der freundschaftsspielenderweise, allen Ressentiments den Deut- Für immer erste Liga! schen gegenüber zum Trotz, durch Amerika tourte! Für immer weltoffen! Von all den Teams, die wir in der schwierigen Nachkriegszeit Für immer HSV! 7
In Gedenken … und uns fehlen die Worte. Seit über einem Jahr hat Simon gegen den Krebs gekämpft. Er hat nicht nur für sein eigenes Schicksal, sondern für alle Krebspatienten den Kampf aufgenommen. Seine lebensfrohe und humorvolle Art hat vielen Betroffenen Mut gemacht, hat wachgerüttelt und die Menschen verbunden. Von Simons Schicksal berührt, haben wir vor knapp einem Jahr eine der größten Typi sierungsaktionen der Bundesligageschichte durchgeführt. Der Zusammenhalt der HSV- Familie war einzigartig. S imon wird immer ein Teil dieser Familie sein. Tief betroffen müssen wir jetzt Abschied Foto: Matthias Scharf nehmen. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie, seinen Freunden und allen, die in den letzten Monaten mit ihm gehofft, gebangt und gebetet haben. Ruhe in Frieden, Simon. | 9
INTRO Foto: Miroslav Menschenkind Schweren Herzens zurückgetreten: Thomas Kerfin vom Supporters Club. Danke, Thomas! Ob Regionalbetreuer, Fanclub-Vorsitzen- unter anderem federführend die Neuauf- Abteilungsleiter Timo Horn hat vollstes der oder die Abteilungsleitung des Suppor- stellung und Ausrichtung der regionalen Verständnis für seinen bisherigen Mit- ters Clubs: Tag für Tag, Woche für Woche, Ansprechpartner vorangetrieben. streiter: „Es ist sehr schade, dass wir Tho- Saison für Saison betreiben die Ehrenamt- Nun ist er schweren Herzens von sei- mas in unserer Abteilungsleitung ver- lichen einen riesigen zeitlichen Aufwand nem Amt als Mitglied der Abteilungslei- lieren. Aber wenn der Spagat zwischen für den HSV, trotz aller anderen Verpflich- tung zurückgetreten. „Meine familiären Familie, Beruf und Ehrenamt zu groß wird, tungen im Privat- wie Berufsleben. Verpflichtungen lassen es nicht mehr zu, ist dies ein verständlicher Schritt.“ Auch Thomas Kerfin gehörte zu diesem meinem Ehrenamt vollumfänglich nach- Auch auf diesem Wege noch einmal ein Kern der Freiwilligen und hatte in den ver- gehen zu können“, begründete er seine großes Dankeschön für die geleistete gangenen Monaten im Supporters Club Entscheidung. A rbeit! | Hit für Hit nur der HSV Heimspiel im Ausland „… Vol. 2 lässt Platz für Vol. 3 …“, hieß es im Text ist in diesen Zeiten ja sogar aktueller Zu beneiden sind sie ja nicht gerade, die Vorwort des zweiten „Supporters Under- denn je … Fans der französischen Supercup-Finalisten. ground Samplers“. Und siehe da: Fünf Jah- Erfreulich: Der HSV hat seit geraumer Zeit Denn wenn der Meister der Ligue 1 auf den re später ist die Nachfolge-CD auf dem ein offenes Ohr für Musikkultur – mehr, Pokalsieger trifft, geht die Reise seit 2009 Markt. Dieses neue musikalische Werk als es in früheren Jahren der Fall war. Zu in ausländische Stadien. Kanada, T unesien, ist ein tolles Zeichen dafür, dass Fan- und jedem Heimspiel wird der Fansong des Ta- Marokko, USA, Gabun, China und zuletzt Subkultur beim HSV noch lange nicht tot ges gewählt, Abschlach!s Hymne „Mein wieder Kanada – das waren die Stationen sind – trotz allem, was in den vergange- Hamburg lieb ich sehr“ läuft regelmäßig der vergangenen sieben Jahre. Welcher Fan nen Jahren passiert ist und den Verein ver- durch die Boxen im Stadion, und Video- kann sich das denn leisten?! Immerhin: In ändert hat. clips unter anderem von Elvis & Pape sind dieser Saison hat der französische Verband Es gibt sie immer noch, die alten Haude- auf der Leinwand zu sehen. ein Einsehen und bleibt zumindest in Euro- gen der Szene wie Abschlach!, die Ham- In diesem Sinne: weiter so! Und sicher pa – das Finale findet am 6. August im Wör- burger Jungz, selbstverständlich Elvis und gibt’s irgendwann auch die Vol. 4 des „Un- thersee-Stadion in Klagenfurt (Österreich) auch die Maggers United. All diese Bands derground Samplers“. | statt. sind mit neuen Songs auf dieser CD, aber Ideen wie die französischen Funktionäre natürlich gibt es auch haufenweise Mate- hat auch HSV-Marketing-Vorstand Joachim rial von neuen HSV-Musikern. Angefangen Hilke. In ausländischen Märkten sieht er bei Standardsituation und Billy King über das größte Wachstumspotenzial für die Paul Strumpf, Hummels & Mors und Not- Bundesliga. „Darmstadt gegen HSV in hahn bis hin zu Acts wie Front Orchester, Shanghai klingt erst einmal verrückt und Daweed, Fresh L., Lukas Vinzens und Rio wirkt treulos den heimischen Fans gegen- & Die Schnarchlappen (mit einem Song zu über“, sagte er in einem Interview mit Ehren der verstorbenen Fanlegende Rai- HSV.de. „Diese Überlegungen sind jedoch ner Becker Barmbek) und allen voran Her- alles andere als neu und nur Ausdruck ei- bie Kopp. Sie alle vereint die Liebe und die ner konsequenten Entwicklung. Die eng- Leidenschaft zum HSV, welche sie in ihren lische Premier League diskutiert diese seit musikalischen Werken präsentieren. Längerem.“ Ganz besonders erfreulich ist die Tatsache, Dann mal schön weiterdiskutieren – und dass mit dem alten Hit „Trotzdem HSV“ immer im Hinterkopf behalten: Die Stim- von Norbert & Die Feiglinge ein ganz be- mung im Stadion von Shanghai wird sicher sonderer Klassiker auf der Platte ist! Der bombe sein … | 10
Kurzes Die Raute: Gefällt mir! Ein bisschen überraschend ist es ja schon: Außerhalb Deutschlands hat der HSV die meisten Fa- cebook-Fans in Brasilien. Liegt’s an Zé Roberto und Cléber Reis, die ihre Landsleute anlockten? Wir können nur mutmaßen; ebenso wie über die 10.000 Follower aus der Türkei: Vielleicht er- Ticker füllt das Winter-Trainingslager ja seinen Zweck; oder Hakan Çalhanogu hat noch seine Finger +++ Der englische Drittl igist im Spiel. Weshalb die Niederlande mit knapp über 2831 Followern jedoch nur auf Platz 34 von 45 Bradford City AFC setzt bei der Ländern liegen – trotz Ruud van Nistelrooy Stadionrenovierung auf Crowd- und Rafael van der Vaart: Wir schieben es funding: Fans können zwi- mal darauf, dass das Land so klein ist. schen 5 und 2000 Pfund spen- Nachfolgend die Top Ten. | den. Wird das Ziel – 250.000 Pfund (rund 320.000 Euro) – er- Deutsch land reicht, bekommen Spender je 467.270 nach Höhe ihres Einsatzes ein Brasilien Ticket, ein signiertes Trikot – 17.692 oder Spielerbesuch beim nächs- In Ägy p do ten Kindergeburtstag. +++ Beim ten 15 n 13.91 .07 e s ie 150. Belgrader Stadtderby zwi- 8 1 n schen Roter Stern und Parti- zan flog ein eher ungewöhnli- ches Wurfgeschoss in Richtung Thailand des vom Feld gestellten Heim- 11 .496 kapitäns Aleksandar Luko- Algerien USA 10.703 vic: Gästefans bewarfen ihn 10.525 mit Feuerzeugen, Münzen – und mindestens einem Smart- Tü Ma Polen phone. Den Täter aufzuspüren rk 9.9 ei ro 9.4 kko 9.702 dürfte keine Schwierigkeit ge- 58 31 wesen sein. +++ Weil sie ein „außergewöhnlich hohes Ag- gressionspotenzial“ haben sol- len, bittet die Stadt Oberhausen 15 Mitglieder der Rot-Weiß-Ult- ras „Semper Fidelis“ zur medizi- FACEBOOK-FANS SIND KEINE VERBRECHER! nisch-psychologischen Untersu- chung, bekannt als Idiotentest. Die Anschuldigungen stüt- zen sich jedoch überwiegend auf „Erkenntnisse“, nicht aber auf Verurteilungen. 13 Mitglie- der haben lupenreine polizei- liche Führungszeugnisse. +++ Umfrage zur supporters news „Wir werden auf ewig hinter Im Dezember 2014 hat die sn einen Relaunch erhalten – mit neuem Layout und neuen Inhalten. Jetzt uns bleiben“ prangte jüngst rie- wollen wir wissen: Wie gefällt euch die neue sn? Welche Anmerkungen und Vorschläge möchtet sengroß auf einem Spruchband ihr machen? Die Teilnahme an unserer Onlineumfrage dauert nur drei Minuten. Wer uns zusätzlich im Fanblock des VfL Wolfs- noch seine E-Mail-Adresse verrät, hat die Chance auf ein Trikot mit allen Unterschriften der aktuellen burg. Zu dem Banner bekann- Profif ußballmannschaft. Alle Angaben bleiben auch bei Nennung der E-Mail-Adresse anonym. te sich die „Kleinstadtgang Ul- Teilnahme über unten stehenden QR-Code beziehungsweise den nachfolgenden Link: tras 2015“, die sich aufrichtig www.hsv-ev.de/sn-umfrage | entschuldigte und direkt auf- löste. +++ Vier Gäste kommen zum nächsten Tankstellentalk supporters news # 80 | 10.2015 Preis: 2,00 Euro supporters news # 81 | 12.2015 Preis: 2,00 Euro am 3. Mai im Sportpub Tank- Das Magazin des HSV Supporters Club Das Magazin des HSV Supporters Club Eintrittspreise: Ist Fußball noch Abgetaucht: Der tiefe Fall von stelle (Gerhardstraße/Nähe Hans-Albers-Platz): Team-Ma- bezahlbar? Nottingham Forest Interview mit Seitenlinie: Geschäftsführer Jeder kann Jörn Spuida nager Bernd Wehmeyer, Nord- Trainer werden Foto-Reportage: Tradition: „Am Stellinger“ Eishockey tribüne-Vorsänger Patrick Schil- im HSV ler, Mediendirektor Jörn Wolff und Nils Kuhlwein, Inhaber von Grantler Tatort 1887-Street-Wear. Start ist – wie mit Herz Stadion immer – um 18.87 Uhr. +++ Bernd Wehmeyer spricht über Ernst Happel Bjarne Mädel über seinen HSV 11
INTRO Andreas Schier: „Horst Hrubesch. Die Biografie“, 304 Seiten, Gütersloher Ver- lagshaus, ISBN 978-3-57-907059-9 Der Mensch dahinter Eine Biografie? Bloß nicht! So dach- Neu aufgelegt Teamgeist läuft mit te Horst Hrubesch lange Zeit. Nun ist Das aktuelle Album „Meist kommt’s an- Die jungen Spieler des FC Kopenhagen es aber doch passiert – auch wenn das ders“ von Abschlach! ist noch kein hal- wirkten irgendwie, als sei es ihnen zu Kopfball-Ungeheuer, so schreibt Autor bes Jahr alt, hat den Sprung in die Top 100 laut zwischen all den Fans um sie herum. Andreas Schier in seinem Nachwort, der deutschen Albumcharts geschafft Beim Auswärtsspiel beim Aarhus GF hat- erst überzeugt werden musste. Und und auch die aktuelle Live-DVD „10 Jahre te sich das Team kollektiv bereiterklärt, Hrubesch machte Vorgaben: Er vermit- Abschlach! – Live in Hamburg“ ist noch in bei einem Fußmarsch zum Stadion mit- telte 200 Kontakte zu sportlichen Weg- aller Munde, da kommt direkt der nächs- zulaufen, den die Fans des FCK organisiert gefährten, zu seiner Familie, zu Freun- te Silberling auf den Markt: die Neuauf- hatten. Also stiegen die Jungs um den ehe- den – und Autor Andreas Schier sollte lage des alten Klassikers und Dauerhits maligen Kölner Trainer Ståle Solbakken sie alle besuchen. „Mein Hamburg lieb ich sehr“. Neu auf- aus dem Mannschaftsbus, versammelten Herausgekommen ist ein Werk, das genommen und produziert in den Mono sich hinter e inem breiten Banner in den authentisch und tief eintaucht in das chrom-Studios Hamburg, läuft die- Vereinsfarben und schlichen los – wirk- (Seelen-)Leben des Familienmenschen se Stadionversion inzwischen bei jedem ten dabei aber wie eingeschüchterte Rehe, Horst Hrubesch. Da erzählt seine HSV-Heimspiel durch die Boxen im weiten die von laut donnernden Jagdgewehren Mutter von ihrem lausbubenhaften Rund, kurz bevor Barde Lotto King Karl auf vor sich hergetrieben werden. Teamgeis- Sohn, der einmal die Badewanne mit seinem Kran vor der Fankurve aufsteigt. ter, könnte man sagen. Sei’s drum: Für die Kaulquappen füllte (weil der Nach- Die sechs Punkrocker haben den Song in- Fans war die A ktion ein voller Erfolg. Über bar versprochen hatte, für jedes Tier zwischen sogar live im Innenraum des Sta- Social-Media-Kanäle verbreitete sich ein fünf Pfennig zu zahlen). Oder es er- dions performt, zudem ein Video dieses Video i hrer Aktion tausendfach. Aufs Spiel- zählt Hrubesch, wie sein Nachbar aus- Auftritts im Internet veröffentlicht. Als feld hat sich die Euphorie der Fans hinge- schlaggebend dafür war, „dass ich den Bonussong ist die zweite Single-Auskopp- gen nicht übertragen: Der Tabellenf ührer Weg zum Fußballprofi gegangen bin“. lung des aktuellen Albums enthalten. Mit schaffte gegen Aarhus GF nur ein mage- Franz Beckenbauer berichtet, wie er „Samstagnacht“ steht eine weitere, neue res 0:0. | zu HSV-Zeiten wegen eines Zusam- Ballade über Hamburg, den Hafen und das menpralls mit Hrubesch zehn Tage ins Meer in den Startlöchern. | Krankenhaus musste (Hrubesch da- mals: „Was hätte ich denn machen sol- len? Ich musste dich doch aus dem Weg räumen!“), und Günter Netzer be- schreibt in einem anderen Kapitel, Gäste zahlen weniger welche Vorwürfe Hrubesch sich des- Premier-League-Klubs schwimmen dank Supporters’ Federation erreichen wollte – wegen machte. hoher Summen aus TV-Einnahmen ja nur so das Ziel dieser Initiative waren 20 Pfund. Aber auch wenn es um Spielberichte im Geld – und verlangten bislang trotzdem Dennoch ist das Entgegenkommen ein geht: In ihrem Mittelpunkt stehen teils horrende Summen für Eintrittskarten. Erfolg. Für Heimmannschaften gilt die stets Anekdoten um Horst Hrubesch Zur kommenden Saison haben alle Vereine Vereinbarung der Premier-League-Klubs – und wie zur EM 1980 in Italien auch zumindest eine Preisobergrenze für Gäste jedoch nicht. Proteste wie in Liverpool Nebenschauplätze wie ein zufälliges fans beschlossen. Diese seien für die Atmo dürfte es also wohl weiterhin geben: Dort Treffen mit dem Papst im Petersdom. sphäre im Stadion besonders wichtig hatten 10.000 Fans gegen eine geplante Insgesamt zeichnet Andreas Schier auf und durch Anfahrt sowie Verpflegung Preiserhöhung von 59 auf 77 Pfund protes 304 Seiten ein sehr umfassendes Bild sowieso schon genug belastet. Wer seine tiert und im Spiel gegen Sunderland in eines „Geistes der Mannschaft“, eines Mannschaft also auswärts begleitet, muss der 77. Minute das Stadion verlassen (aus Familienmenschen, eines Mannes mit in den nächsten drei Jahren – so lange gilt einem 2:0-Vorsprung wurde noch ein 2:2). teils ungewöhnlichen Hobbys (Angeln, die Vereinbarung vorerst – nie mehr als Liverpool verstand das Signal und zog seine Reiten). Zum Glück ließ sich Hrubesch 30 Pfund (rund 38 Euro) bezahlen. Das ist Pläne zurück. Fanprotest kann halt doch von dieser Biografie überzeugen. | zwar nicht ganz der Betrag, den die Football einiges bewirken … | 12
Kurzes Foto: Witters Foto: Witters Text: Mathis Paus · Fotos: Lucas Wahl „Wenn du so gern Fähnchen schwenkst, such dir doch ’nen Job beim Flughafen.“ (Erik Meijer über einen Linienrichter) Lautstärkepegel Was wäre ein Stadion nur ohne seine Vor sänger! Sie heizen die Stimmung einer ganzen Arena an – so wie Poptown im Block 25A des Volksparkstadions. Bis vor einem Jahr lief das alles über Megafon, seitdem gibt es eine fest installierte Anlage. Ob deren Lautstärke ausreicht? Das wollte die Fanbetreuung von den Dauerkarteninhabern des A-Rangs und in den Blöcken 24 bis 26 jetzt wissen. Das Ergebnis: Ein Viertel der 1600 Befragten findet die Anlage zu laut, ein Viertel hält sie für genau richtig, und etwas mehr als ein Viertel (35 Prozent) empfindet sie als zu leise. Die restlichen 15 Prozent hatten keine Meinung. Weil es keine klare Tendenz gibt, wird der HSV an der aktuellen Lautstärke nichts ändern. Auf dass der Support nie verklingt! | 13
TRIBÜNE 14
Casual Look Text: Mathis Paus · Illustrationen: Jenny Adam Laufsteg Fankurve Casuals haben die Mode in den Fußball transferiert und ganz nebenbei einen Look kreiert, der auch abseits der Stadien salonfähig ist. Auch beim HSV ist der modebewusste Fußballfan anzutreffen. K napp 1000 Euro kostet der s andfarbene für den modebewussten Fußballfan. Das gesamte Stoff aus einem speziellen Polyester Sortiment ist auf den Football-Casual-Lifestyle abge- gemisch. Einfache Form, schlichter Schnitt, stimmt und bedient damit ein wachsendes Verlan- nur die integrierte Rennfahrerbrille in der gen nach seltener, qualitativ hochwertiger und meist Kapuze sorgt für Aufsehen. Die Jacke der hochpreisiger Markenkleidung. Beyer, Typ Schwieger- italienischen Traditionsmarke C. P. Company ist keine sohn, akkurater Haarschnitt, Baumwollpullover, dar- Kleidung von der Stange. Auf einem Holzbügel scheint unter kariertes Hemd, ist HSV-Fan und noch mehr ein sie mehr erhaben zu thronen, als dass sie einfach nur Casual. darüber hängt. So zumindest sieht es eine besondere An- Der Begriff bedeutet so viel wie lässig, locker oder hängerschaft von Fußballfans: die Casuals. leger. Er stammt aus England und ist in den späten In der Hamburger Neustadt gibt es die Jacken der itali- Siebzigerjahren auf den Tribünen der Anfield Road in enischen Nobelmarke gleich im Dutzend. Mirko Beyer Liverpool geboren worden. Casual beschreibt die Kunst steht hinter seinem Tresen. Mit rotem Samt bezogene des zwanglosen und doch sehr smarten optischen Auf- Barhocker, ein Snookertisch und vier Zapfhähne sor- tretens. Britische Jugendliche mit einem gepflegten gen für britische Pub-Atmosphäre. Statt Pints verkauft Äußeren sowie kostspieliger Kleidung bevölkerten auf Beyer gemeinsam mit seinem aus Großbritannien einmal die Stadien. Trikots und Schals, die Devotio stammenden Partner Robert aber Kleidung, Kleidung nalien der Arbeiterklasse, galt es hinter sich zu lassen. 15
TRIBÜNE Das neue Motto: auffallen durch Nichtauffallen. Die erlangte der Stil ungeahnte Attraktivität unter den Subkultur verbreitete sich rasant und e rgriff schon britischen Jugendlichen und schwappte von den Tri- bald die gesamte Insel. Das Bild der Zuschauerränge bünen in das gesellschaftliche Leben. änderte sich grundlegend. Fußballfans sahen aus, als Während in England Fußballbegeisterte im edels- ob sie gerade auf den Weg in den Tennis- oder Golfklub ten Zwirn das Stadionerlebnis wie eine Matinee zele- wären, statt im Stadion ihre Mannschaft nach vorn brierten, entwickelte sich der deutsche Zuschauer in zu schreien. Bis heute hat sich das Tragen bestimm- den Siebzigerjahren erst zum Fan. Waren Gesänge und ter Modemarken in der Szene etabliert. C. P. Company, Fanartikel nur sporadisch zu hören und zu sehen, eta- Stone Island, Penfield, Lyle & Scott, Fila, Ellesse, Fred blierten sich nach und nach die Kutten auf den Rän- Perry, Adidas Originals, um nur einige zu nennen, ge- gen. Die Jeansweste sorgte erstmals auch optisch für hören zu den beliebtesten Labels, die Prestigeobjekt Identifikation mit den Farben und Symbolen des Hei- und Erkennungszeichen zugleich sind. matvereins. Auch beim HSV sollten die Westen, die der Rockerszene entlehnt sind, auf Jahre das Stadionbild Der Casual Look beeinflusste prägen. Erst später taten es deutsche Fans den engli- Autoren wie Hornby und Welsh schen Casuals gleich. Durch Fanfreundschaften mit Beyer ist seit Mitte der Neunzigerjahre dem britisch den Glasgow Rangers oder dem FC Millwall gelang- geprägten Modestil verfallen. Seine Liebe zur Fußball- te die britische Fußballkultur immer stärker in die Fashion gipfelte darin, dass er im vergangenen Jahr Hansestadt. seinen eigenen Laden namens „Casual Couture Ham- Statt mit Vereinsschal sind die Leute in Zivil ins Sta- burg“ eröffnete. „Wir haben schon immer diese Mar- dion gegangen, sodass keiner wusste, welcher Mann- ken getragen, aber an die Labels kam man nur schwer schaft man die Daumen drückt. Weniger amüsiert heran. Da hab ich es einfach selbst in die Hand genom- darüber war die Polizei. Denn schon wie zuvor in Eng- men“, erzählt Beyer. Casual, das sei für ihn ein Gesamt land, entdeckten auch Krawallmacher für sich den konzept, bei dem neben Mode und Fußball auch ande- speziellen Look und gelangten so unerkannt auf die re Themen wie Literatur und Musik dazugehören. So Tribünen. In einigen Pubs in London waren Marken verwundert es nicht, dass die Literatur von Bestseller- wie Stone Island nicht mehr gern gesehen und der autoren wie Nick Hornby und Irvine Welsh von den Träger, ob zu Recht oder Unrecht, erhielt Hausverbot. modebewussten Fußballfans beeinflusst wurde oder Längst ist die modische Maskerade den Ordnungs- sie gar selbst Teil dieser Subkultur waren. Mit der Zeit hütern bekannt und bestimmte Labels stehen bei 16
Casual Look Fußballspielen auf roten Listen. Zum Leidwesen der Perry in ihren Werbekampagnen nicht selten auf ein anderen Casuals, die einfach nur ihre sorgfältig ausge- Fußballumfeld. wählten Outfits im Block präsentieren wollen. Für Mirko Beyer ist die voranschreitende Kommerzia- lisierung der Casuals ein zweischneidiges Schwert. Ei- Der Nachwuchs-Casual nerseits verdient er mit den markenbewussten Fans kommt mit Mama und Papa sein Einkommen, andererseits soll die Exklusivität ge- Passt die rote Trainingsjacke zu den blauen Turn wahrt bleiben. „Die Nachfrage ist hoch. Die Leute kom- schuhen? Sollte das Hemd lieber mit einem P ullover men mittlerweile aus ganz Deutschland zu uns. Auch mit Rundhalskragen oder V-Ausschnitt kombiniert der Nachwuchs-Casual: Der kommt mit Mama und werden? Ein Casual überlässt nichts dem Zufall, die Papa und erhält seine Geburtstagsgeschenke bei uns.“ Gesamtoptik muss stimmen, dafür verwendet er viel Angst vorm Ausverkauf hat Beyer daher nicht, denn in Zeit und Geld. Heute versuchen sie den Retrolook aus der Regel regulieren die hohen Preise den Zulauf von den Achtzigerjahren wieder aufleben zu lassen, weiß ganz allein und die Vielzahl der Marken bewahrt die Beyer: „Auf Originalstücke wird viel Wert gelegt.“ Je Einzigartigkeit. seltener, desto besser – und bestenfalls einzigartig –, Und so halten die Auswirkungen der modischen so lautet die Formel. Trotz einer gewissen Uniformität Revolution auf den Fußballtribünen bis heute an. in der Gruppe sei Individualität sehr wichtig. „Casuals Mehr noch: Sie sind auch abseits der Spielstätten suchen Einzelstücke von Marken, die andere nicht präsent und verbreiteter denn je. Der ewige Casual- haben.“ Das soll beeindrucken und das eigene Stil Kreislauf aus anprobieren und verwerfen wird sich bewusstsein untermauern. Der Modefetisch geht so weiterdrehen. | weit, dass Kenner nicht nur die Gründer und Designer ihrer Lieblingslabels aufzählen können, sondern auch, wann, wo und in welcher Stückzahl eine s pezielle Schuhkollektion erstmals erschienen ist. Dass d arum eine regelrechte Industrie entstand, ist in der Logik von Unternehmen nur folgerichtig. Neben speziellen Modemagazinen setzen Bekleidungsfirmen wie Fred 17
TRIBÜNE Friseur Text & Foto: Johannes Kühner Nur der Dauerkarten war ewig lang, Ernst stand in der Reihe direkt hinter mir. Wir kamen ins Gespräch, seitdem sind wir gute Freunde. Schmidt: Er kennt sogar meine Familie. Petermann: Ernst hat Sky, da schauen wir Haar-SV! manchmal alle zusammen. Text: Frank Willig Schmidt: Da benehmen wir uns aber normal. Petermann: Wenn ich ein Spiel nicht sehen kann, gibt er mir immer einen Spielbericht am Telefon durch. Schmidt: Und im Stadion sitzen wir auf der Südtribüne, ein paar Reihen auseinander. Er ist der wohl älteste Friseur Hamburgs: Mit Petermann: Ernst mit seinem Sohn und seinem Enkel … neunzig Jahren steht Ernst Schmidt nach wie Da schnacken sie wieder; über Fußball im Allgemeinen, über den HSV im Speziellen, vor fast täglich in seinem Salon. Und beim über die Atmosphäre im Stadion. Frisieren gibt’s fast nur ein Thema: den HSV. Petermann: Die Sprechchöre sind weniger geworden. Schmidt (nachdenklich): Ja, das ist mir auch aufgefallen. Guten Tag – ich denke mal, hier bin ich Weshalb nennt man Sie dann den Petermann: Aber „Hamburg, meine Perle“ … richtig beim HSV-Friseur? HSV-Friseur? Schmidt: … da kommen mir immer fast die Schmidt: Ja. Obwohl: Es kommen immer Schmidt: 1948 bin ich aus Freiburg an der Tränen. wieder Menschen rein, die denken, hier sei Elbe nach Hamburg gezogen. Anfangs Petermann: Ja, das ist immer ganz toll, eine Vorverkaufsstelle des HSV. arbeitete ich in einem Salon am Rathaus wenn das kommt. und habe auch Bürgermeister Paul Never Woran das liegt, wird schnell klar, wenn mann die Haare geschnitten; dann habe ich In diesem Moment geht kurz die Tür auf. der Blick durch den Salon schweift: Im mich selbstständig gemacht. Irgendwann Schaufenster klebt mehrfach die Raute, in habe ich begonnen, meinen Salon zu Ein Kunde: Alles Gute! einem Modell des Volksparkstadions brennt schmücken. Schmidt: Ebenso – erfolgreiches blaues Licht, über den Spiegeln hängen HSV- Warum? Seit ich hier wohne, gehe Wochenende! Fahnen, Ernst Schmidt trägt ein Hemd mit ich zu jedem HSV-Heimspiel, bin bei Der Kunde: Man darf die Hoffnung nie Raute auf der Brusttasche und einen Ring allen Versammlungen dabei, mein aufgeben. mit Raute am Finger, sogar das Schauma- Autokennzeichen beginnt mit HH-SV … Shampoo ist zufällig blau-weiß-schwarz. Mit diesen Worten schließt er wieder die Tür, Rechts der Spiegel zeigt ein Bilderrahmen Stammkunde Klaus Petermann, der gerade und mit der Hoffnung meint er den HSV vor die Feier zu seinem achtzigsten Geburtstag im Salon sitzt, mischt sich ein. seinem nächsten Heimspiel gegen Ingolstadt im Volksparkstadion, zwischen den Spiegeln (es wird 1:1 ausgehen). hängt ein Plakat von seinem neunzigsten Petermann: … und als er wegen seines Knies Geburtstag im Februar mit Gratulant Dietmar im Krankenhaus war, hat er selbst dort Kommen hier denn auch Leute rein, die Beiersdorfer, links sind Fotos von Schmidt mit seinen HSV-Trainingsanzug getragen. nichts mit dem HSV zu tun haben? Uwe Seeler und Hermann Rieger aufgehängt. Schmidt: Später kam mein Arzt im Salon Schmidt: Ja, auch. Wenn einer reinkommt, vorbei. Der ist jetzt auch Kunde bei mir. dann frage ich erst: Wie heißt du? Und Haben Sie denen die Haare geschnitten? Petermann: Und wenn der HSV spielt, dann dann: Bist du HSVer? Wenn nicht, dann Schmidt: Nur dem Hermann Rieger. Früher muss schon was Besonderes sein, dass Ernst finden wir andere Gesprächsthemen. Die kam regelmäßig Torwart Horst Schnoor. sich das nicht anschaut. meisten sind ohnehin Stammkunden. Uwe Seeler habe ich nur mal zufällig im Leider werden es immer weniger; im Laufe Stadion getroffen. Die heutigen Spieler Es ist offensichtlich: Da sitzen zwei, die den der Jahre sind viele gestorben. haben ja alle ihre eigenen Friseure. HSV mögen. Petermann und Schmidt spielen sich die Bälle zu; kein Wunder, seit 35 Jahren Denken Sie nie ans Aufhören? Was sagen Sie denn zu deren Frisuren? sind sie befreundet. Schmidt: Nein, der Salon ist wie mein Schmidt (macht eine wegwerfende zweites Wohnzimmer. Ich bin gern in Handbewegung): Furchtbar, manchmal. Aber Petermann: Es gab damals eine Behelfs meinem Beruf und würde ihn jederzeit das hat die Zeit halt so mit sich gebracht. geschäftsstelle. Die Warteschlange für wieder wählen. | 18
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TRIBÜNE Bremer Sackgasse Das Derby zwischen Werder und dem HSV vom 19. April 2015 in Bremen sorgt noch immer für Spannung. Grund: Die Stadt Bremen hat beschlossen, die Polizeikosten der Deutschen Fußball Liga in Rechnung zu stellen. Ein rechtlich fragwürdiges Unikum in der Bundesligageschichte.
Kosten für Polizeieinsatz Text: Jörg Niederoth · Foto: Witters B remen hat Anfang November 2014 die ge- Auch die Rechtsfigur des sogenannten Zweckveranlas- setzlichen Voraussetzungen dafür geschaf- sers kann zur Verantwortlichkeit der Vereine für Rem- fen, kommerzielle Großveranstalter an Kos- midemmi vor den Stadiontoren nicht herangezogen ten für Polizeieinsätze beteiligen zu können. werden. Mit Fußballspielen wird weder subjektiv noch Grund für diesen kontrovers diskutierten objektiv eine Lage geschaffen, die Dritte zu Gewalt- Gesetzesvorstoß war das Anliegen des Bremer Senats, handlungen herausfordert. Im Gegenteil – die Vereine zukünftig nicht mehr allein auf den rund 300.000 Euro haben ein fundamentales Interesse daran, dass es Mehrkosten sitzen zu bleiben, die bei Risikospielen des SV nicht nur im Stadion, sondern auch auf dem Hin- und Werder Bremens durch erhöhte Polizeipräsens rund um Rückweg für die Fans beider Mannschaften friedlich das Weserstadion entstehen. bleibt. Aktiv wird mit Fanprojektförderungen, Redu- Zwar ist der Gesetzeswortlaut allgemein formuliert zierungen des Gästeticketkontingentes, Stadionverbo- und wendet sich an alle „Veranstalter von gewinn ten sowie verstärkten Einsätzen von Ordnerdiensten orientierten Veranstaltungen, bei denen es erfah- versucht, die Gefahr von Gewaltausschreitungen zu rungsgemäß zu Gewalthandlungen kommt“. Dass die minimieren. Wenn sich daraus jedoch ergibt, dass eine Gesetzesschreiber dabei aber vor allem den Fußball rechtliche Verantwortlichkeit der Fußballvereine und im Sinn hatten, zeigte die Anhörung im Haushalts- -verbände für verstärkte Polizeieinsätze vor dem Stadi- und Finanzausschuss am 17. Oktober 2014. Vertreter on nicht besteht, können ihnen auch die Kosten dafür von DFB, DFL und des SV Werder Bremen waren gela- nicht in Rechnung gestellt werden. den und durften ihre Stellungnahmen abgeben. Dabei kündigte die DFL bereits im Gesetzgebungsverfahren Rechtliche Bedenken an, dass sie Kostenbescheide im Innenverhältnis an bei Bremer Gebührenvorschrift die Grün-Weißen weiterleiten werde – also ein Bremer Auch an weiteren Stellen hinterlässt die Bremer Gebüh- Bumerang. Auch verbandspolitisch hatte der Senats- renvorschrift einen bitteren rechtlichen Beigeschmack. vorstoß schnell weitreichende Folgen: So entzog der So muss der Wortlaut eines Gesetzes hinreichend be- DFB der Hansestadt das für November 2014 angesetzte stimmt und klar formuliert sein – eine Folge des Rechts- EM-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar. staatsgebotes. Der vorgestellte Gesetzestext verwen- det allerdings den konturenlosen und weit gefassten Staatsaufgabe Sicherheit Begriff „Gewalthandlungen“. Was ist darunter zu ver- In der öffentlichen Diskussion scheint weitgehende Ei- stehen? Fallen darunter bereits Bagatellstraftaten oder nigkeit zu bestehen, dass bei Fußballspielen die Kosten müssen schwerwiegende Gewalthandlungen befürch- auch für Polizeieinsätze außerhalb der Stadien von den tet werden, um vom Veranstalter Gebühren erheben zu Veranstaltern getragen werden müssen. Schließlich können? Wessen Perspektive ist eigentlich für die Ge- wird im Fußballbusiness viel Geld verdient, wohin fahrenprognose maßgeblich und warum fallen allein gegen die öffentlichen Kassen leer sind. Veranstaltungen mit den gesetzlich willkürlich fest- Im ersten Moment ist dieser Gedankengang sogar nach- gelegten mehr als 5000 Besuchern unter eine mögli- vollziehbar, juristisch ist er jedoch irrelevant, denn mit che Zahlungsverpflichtung? Auch, wer Veranstalter ist, polizeirechtlichen Grundsätzen ist diese Argumenta- wird in der Vorschrift nicht näher bestimmt. Als Spiel- tion nicht vereinbar. Grundsätzlich richten sich nach veranstalter des letztjährigen Nordderbys wird man die den Polizeigesetzen von Bund und Ländern polizeiliche DFL kaum ansehen können, und dass die Bremer Ver- Maßnahmen an diejenigen, die mit ihren Handlungen waltung ihren heimischen Verein finanziell belasten Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung will, dürfte zu bezweifeln sein. verursachen oder für den polizeiwidrigen Zustand einer Die Bremer Kostenvorschrift stößt somit auf eine Rei- Sache verantwortlich sind. Nur wenn diese Handlungs- he gewichtiger rechtlicher Bedenken. Deshalb sollte oder Zustandsstörer nicht greifbar sind, kann die Polizei auch in Bremen der Grundsatz weiterhin Geltung be- unter engen Voraussetzungen auch sogenannte Nicht- halten, dass die Gewährleistung von Sicherheit und störer belangen. Ordnung im öffentlichen Raum allein Staatsangele- Die Fußballvereine und -verbände verursachen die genheit und damit allein aus dem Steueraufkommen von vermeintlichen Fußballfans ausgeübte Randale zu finanzieren ist. | und Gewalt im öffentlichen Raum im räumlichen und zeitlichen Umfeld von Fußballspielen jedoch nicht. 21
TRIBÜNE Niebüll Flensburg Text: Jan Walter Möller Die Nummer Schleswig Husum eins im Friedrichstadt Norden Heide In keinem anderen Bundesland hat der HSV so viele Fanclubs wie in Schleswig-Holstein. Die Gründe dafür liegen in der geografi- schen Lage, dem Mangel an Alternativen – Itzehoe und dem Bekenntnis zu Traditionen. „S eht Ihr die Fans dort in der Kurve, das sind Um die Beziehung der Fans zwischen Westerland und die Fans vom HSV. Das sind die Fans aus Timmendorfer Strand sowie Brunsbüttel und Glücks- Schleswig-Holstein. Schleswig-Holstein burg zum HSV zu beschreiben, ist ein Blick auf die und der HSV!“ Diese Textzeile eines bekann- Geografie und die übrigen Sportvereine notwendig. ten Fanliedes über den HSV stammt von So sind die fußballinteressierten Fans im Westen und ideenreichen Fans aus Schleswig-Holstein, die das Ori- Osten durch die Nord- und Ostsee begrenzt. Im Nor- ginal mit dem Titel „La ballade des gens heureux“ des den begrüßen einen die dänischen Nachbarn. So bleibt französischen Schlagersängers Gérard Lenorman vor durch diesen natürlichen „Trichter“ nur die Hansestadt mehr als vierzig Jahren umgedichtet haben – in meh- Hamburg mit unserem Hamburger Sport-Verein, dem rere Varianten. Es findet seine bekannteste Version da- sich sehr viele Anhänger verschrieben haben. Natür- rin, dass alle Spieler der Europapokalmannschaft von lich findet man auch Fans anderer Vereine, insbeson- 1983 besungen werden – und zum Abschluss die Fans dere von den erfolgreichen wie FC Bayern und Borussia aus dem nördlichsten Bundesland. Das Lied ist bei Dortmund sowie vom Stadtrivalen FC St. Pauli. Übri- manchen Fans in Vergessenheit geraten, wird aber re- ge Vereine sind nur in sehr geringen Zahlen vertre- gelmäßig bei Auswärtsfahrten von Schlachtenbumm- ten, sodass die Zahl achtzig Prozent, die dem HSV die lern aus Heide, Kiel, Friedrichstadt und Flensburg Daumen drücken, realistisch ist; in einigen Gegenden aus der geistigen Jukebox geholt und voller Inbrunst dürfte sie sogar noch höher liegen. Die beiden großen gesungen. benachbarten Fußballvereine in Schleswig-Holstein, 22
Schleswig-Holstein VfB Lübeck (Regionalliga Nord) und Holstein Kiel (drit- te Liga), stehen sportlich, fantechnisch und wirt- schaftlich, obwohl geringe freundschaftliche Schnitt- mengen vorhanden sind, in nicht nennenswerter Beziehung und Konkurrenz zum HSV und rekrutie- ren ihre Anhänger in ihrer jeweiligen Stadt und in- nerhalb eines überschaubaren Umkreises darüber hinaus. Ähnlich verhält es sich mit den beiden sehr er- folgreichen Handballvereinen, SG Flensburg-Hande- witt und THW Kiel, die in der Handballbundesliga und auch in den europäischen Wettbewerben regelmäßig ganz oben zu finden sind. Aber, um nur noch einmal die Maßstäbe zu verdeutlichen und ohne die beacht- lichen Leistungen der Nachbarvereine zu diskreditie- ren: der HSV hat mehr als 800 Fanclubs, die dem Ver- ein in der Saison 2014/2015 zu einem Zuschauerschnitt von 53.000 verhalfen. Die vier oben genannten Fuß- und Handballvereine weisen in Summe in der Statis- Rendsburg Kiel tik vierzig Fanclubs mit einem Zuschauerschnitt von 22.000 Anhängern aus. Schaut man in die übrigen und benachbarten Bundes- länder, so findet man 180 Kilometer Richtung Osten den letzten DDR-Meister und Pokalsieger von 1991, den Neumünster Neustadt/Holstein Keinerlei Schnittmenge mit Wolfsburg F. C. Hansa Rostock. Natürlich gibt es auch hier Schnitt- Lübeck mengen, die aber recht überschaubar sind. Wenn über- haupt, dann „wildert“ der HSV um Fans in Mecklen- burg. In Hamburg und im Umkreis lebende Hansafans rekrutieren sich größtenteils aus Anhängern, die der Elmshorn Arbeit wegen in die „große“ Hansestadt gezogen sind. Unter der älteren Generation ist das Verhältnis neu tral bis freundschaftlich, zum Teil noch begründet aus Pinneberg Ahrensburg der Zeit einer, ehrlicherweise sehr kurzen, Fanfreund- schaft Anfang der Neunzigerjahre. Die jüngere, insbe- sondere die Ultrageneration, sieht es hier etwas sport- Wedel licher. Grundsätzlich ist aber gegenseitiger Respekt vorhanden. Das Verhältnis zu den drei niedersächsischen Erstli- gisten könnte unterschiedlicher nicht sein. Zum VfL Reinbek Wolfsburg besteht keines, die Anhänger aus Schles- wig-Holstein nehmen die Werkself kaum wahr und noch weniger ernst. Zu offensichtlich ist der Versuch, Geestacht eine Fußballmannschaft mit Unsummen an Ablösen und Gehältern zu etablieren, wodurch es auch logisch erscheinen muss, dass die Fanszene nicht mitwach- sen konnte und sich regional eher wie der THW Kiel 23
TRIBÜNE Schleswig-Holstein versteht. Achtzig Kilometer weiter westlich ist die Hei- Beispiel Rostock beschrieben, sind die niedersächsi- mat von Hannover 96, zu deren Anhängern auf ver- schen Vereine kilometermäßig und emotional zu weit schiedenen Ebenen ein freundschaftliches Verhält- weg, als das hier personell eine Beziehung in nennens- nis besteht. Fans der „Roten“ wird man im nördlichsten werter Zahl aufgebaut werden konnte. Bundesland eher weniger finden. Und zum Verein an Nach diesem Umriss der sportlichen und geografi- der Weser ist alles bekannt und gesagt: Eine gegensei- schen Lage scheint es klar zu sein, dass für die über- tige und gesunde Abneigung prägt das Bild auf beiden wiegende Mehrheit der Fußballfans aus Schleswig- Seiten. Jeweils auf halber Strecke beginnen die Schnitt- Holstein nur der Hamburger SV infrage kommt – und mengen zu Hannover und Bremen fanseitig. Beim VfL weshalb mehr als 200 Fanclubs mit Tausenden Mit- Wolfsburg handelt es sich eher um ein lokales Phäno- gliedern unserem Verein dort seit Jahrzehnten die men mit eigenem Betriebsfanclub. Wie schon beim Treue halten. | „Der HSV-Virus wird vererbt“ Im nordfriesländischen Friedrichstadt an Nummer eins positioniert. Trotzdem vorbei sind, als in der Zeitung mehr drückt Heinz Claussen dem HSV seit vielen ist auch hier die Rivalität mit den über den Aufsichtsrat stand als über die Jahren die Daumen. Im sn-Interview erzählt anderen Nordklubs, besonders mit dem Mannschaft. Und sportlich ist die Talsohle er, warum. Stadtteilklub aus Hamburg und dem mit zwei Relegationen in Folge denke ich Verein aus der verbotenen Stadt, sehr durchschritten, und so freue ich mich Heinz, kannst Du Dich und Deine HSV- ausgeprägt. einfach über jedes Tor und über jeden Sieg, Historie kurz vorstellen? den ich im Volkspark bejubeln darf. Und Ich komme aus Friedrichstadt, einigen Trotz aller Rückschläge in den letzten grundsätzlich mal ganz ehrlich: Ich glaube vermutlich als Holländerstädtchen in Jahren und dem letzten Titel, welcher nicht, dass es emotionaler geht als die Nordfriesland bekannt, bin 45 Jahre, knapp dreißig Jahre her ist und den letzten Wochen der letzten Spielzeit mit verheiratet und habe zwei Töchter im viele jüngere Fans nicht aktiv mehr dem absoluten Höhepunkt in Karlsruhe. Alter von 12 und 17 Jahren. Beruflich bin erlebt haben: Unser Verein besitzt immer Diese Emotion und diese Freude können ich selbstständiger Kaufmann mit einem noch eine immense Strahlkraft. Warum bei dem Gewinn der Meisterschaft oder Großhandel für Haustechnik und Stahl an scheint dies gerade in Schleswig-Holstein Ähnlichem gar nicht größer sein. | den Standorten Friedrichstadt und Heide. so aufzufallen? Von klein auf bin ich Fußballer, sowohl Ich glaube, dass der „HSV-Virus“, auch ohne aktiv als auch passiv als Fan. Anfangs sportlichen Erfolg, wie ebenfalls in meiner fand ich noch den VfB Stuttgart ganz gut, Familie, vererbt wird. Ich lebe es vor, wie wurde dann durch meinen Vater und den geil es ist, zur HSV-Familie dazuzugehören, Foto: privat sportlichen Erfolg unter Klein, Netzer und da spielt der sportliche Erfolg eine Zebec/Happel zügig auf die richtige Bahn untergeordnete Rolle. Dazu kommt, dass Der Friedrichstädter Heinz Claussen gebracht. Spiele wie zum Beispiel die Partie wir Schleswig-Holsteiner besonders mit seiner Tochter Anna gegen Madrid 1980 im Halbfinale des heimatverbunden, treu, geradlinig sind Landesmeisterpokals sind es, die dich zum und Tradition lieben. Da kommt man am Fan werden lassen. Seit vielen Jahren bin HSV einfach nicht vorbei. ich HSV-Mitglied, Dauerkartenbesitzer und habe die „Raute im Herzen“. Was sind Deine Wünsche für die Zukunft unseres Vereins? Wenn ich mich in Schleswig-Holstein gilt bekanntermaßen Deinem Wohnzimmer umsehe, kommt als das Bundesland mit dem größten man in schöne Träume an längst Zuspruch an HSV-Fans. Wenn man über vergangene Zeiten … die Dörfer fährt, sieht man sehr viele Du sprichst sicherlich die große Fotolein HSV-Fahnen an den Häusern wehen. wand von unseren 83er-Landespokal Wie sieht es bei Euch in Friedrichstadt siegern in meinem Wohnzimmer an. (südliches Nordfriesland an Eider und Sicher wünscht man sich Erfolg, träumt Treene gelegen, Anm. d. Red.) genau aus? von Pokalen und Meisterschaften. Ich Auch in Friedrichstadt ist der HSV sehr freue mich schon mal darüber, dass gut vertreten und ich denke, auch klar Ruhe im Verein herrscht, dass die Zeiten 24
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