Die bilDer vOn früher - null41
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Monatszeitschrift für Luzern und die Zentralschweiz mit Kulturkalender NO 2 Februar 2014 CHF 8.– www.null41.ch Die bilder von früher
ANZEIGEN matthew mcconaughe Y JennIFer garner und Jared Leto Golden Globe Gewinner bester darsteller Matthew McConauGhey bester nebendarsteller Jared leto “eIner der packendsten und InspIrIerendsten F ILme des J ahres .” the new York observer I ch habe nur eIn L eben . u nd es soLL was bedeuten . Pawel A. Mazurkiewicz, Piano Pawel Pawel A. A. Mazurkiewicz, Pawel Mazurkiewicz, Piano A. Mazurkiewicz, PianoPiano 20. Februar im Kino Abendkasse ab 16.00 Uhr Hauptsponsor Co-Sponsoren Bild-/ Video-Partner Medien-Partner Hotel-Partner Partner der Stanser Musiktage
editorial Klick! Auf Strassen, Bildschirmen, Handys und Zeitungen, Mit dem Reiz alter Fotografien beschäftigt sich mo- überall leuchtet sie uns farbig entgegen, die Bilderflut. mentan der Historiker Valentin Groebner. In seinem Wir sind umgeben von Fotografien, und auch wir Essay geht er der Wirkung von historischen Bildern selbst lichten die Welt seit der Erfindung der Digital- auf den Grund und zeigt auf, was für eine wichtige kamera pausenlos ab. Und als erfahrene Fotokonsu- Rolle sie für eine Touristenstadt wie Luzern spielen. menten lassen wir uns nicht so leicht täuschen: Wir (Seite 8) wissen, dass das Produkt auf dem Werbeplakat schö- Etwas nostalgische Stimmung herrscht zurzeit auch ner aussieht als in der Wirklichkeit, genauso wie die in der 041-Redaktion, denn Catherine Huth, Ge- Frau mit Schnute auf dem Selfie. schäftsführerin der IG Kultur (Herausgeberin dieses Bei Fotografien von früher sind wir weniger kritisch, Magazins), verlässt Ende Februar ihren Posten. Zum im Gegenteil – die vergilbten Bilder bezaubern uns Abschied haben wir mit ihr über das Zentralschwei- auf eigenartige Weise. Wie klein die Welt damals doch zer Kulturleben und ihre Zeit bei der IG Kultur ge- war, denken wir, wie leer die Strassen. Wir mustern sprochen. In dieser hat sie uns bestärkt, kritisiert, be- diese Menschen, die längst tot sind und uns trotzdem kocht, verwöhnt, herausgefordert. Danke, Catherine! anblicken. Was sie wohl in genau diesem Moment gedacht haben? Die Bilder der Vergangenheit faszi- nieren. Sonst würden wir unsere Wohnungen nicht damit schmücken, es gäbe keine Flohmarktstände mit alten Postkarten und Familienfotos oder Kamera- Martina Kammermann funktionen mit Altmach-Effekt. kammermann@kulturmagazin.ch 3
Inhalt 15 verzwickte lage Die Mindestlohndebatte betrifft auch Kultur häuser. Höhere Löhne würden teilweise weniger Stellen bedeuten. 18 huth tritt ab Catherine Huth verlässt die IG Kultur. Ein Gespräch zur Lage der Zentral- schweizer Kultur. KOLUMNEN 6 Gabor Feketes Hingeschaut 7 Lechts und Rinks: Auf ins Disneyland 20 Gefundenes Fressen: Die Österreicher 37 11 Fragen an: Jürg Lischer 65 Kämpf / Steinemann 66 Käptn Steffis Rätsel 67 Vermutungen 16 am tatort 21 SERVICE Bau. Ein alternativer Blick auf den Gütsch Die Zwischennutzung an der Bernstrasse läuft 23 26 Kunst. Die neue «Regionale» Musik. Zwei Babys kehren zurück nun gut drei Monate. Zeit für einen Besuch. 30 Wort. Lyrik will besprochen sein 32 Kino. Der Goalie auf der Leinwand 35 Bühne. Zell:Stoff im Südpol 62 Namen / Notizen / Ausschreibungen 63 Impressum 64 Kultursplitter. Tipps aus der ganzen Schweiz KULTURKALENDER 38 Kinderkulturkalender 39 Veranstaltungen 57 Ausstellungen 23 zurück in der heimat Titelbild: Umbau der Seebrücke in Luzern durch Val- laster J. & Co: Bauzustand, Blick vom Schwanenplatz, 18.11.1935. Staatsarchiv Luzern (PA 1264/87.36). Erstmals nach ihrem Tod werden in Luzern Werke von Bessie Nager gezeigt. PROGRAMME DER KULTURHÄUSER 22 Natur-Museum Luzern / Historisches Museum 40 Chäslager Stans / Stadtmühle Willisau 42 Romerohaus 44 HSLU Musik / Stattkino Bilder: UFO im Tatort / zvg 48 LSO / Luzerner Theater 50 Kleintheater 52 Kulturlandschaft 56 Kunstmuseum Luzern 58 Kunsthalle Luzern / Museum im Bellpark 60 Nidwaldner Museum 4
schön gesagt «Der Zuschauer muss die Privatsphäre verletzen.» Patric Gehrig (seite 35) guten tag Aufgelistet Guten Tag, Neuenkircher Guten Tag, IV-Stelle Luzern Zum Anhören beim Lesen unserer Höckeler-Zunft Um zu prüfen, ob deine Klienten tatsächlich IV- Titelgeschichte – eine Auswahl der Bestimmt freust du dich schon auf die Fasnacht, (un-)tauglich sind, führst du seit 2013 Hirnstrom- nostalgischsten Songs: die – wie immer wieder versichert wird – neben messungen durch, wie man Anfang Jahr erfahren Alkoholausschweifungen ja auch eine kulturelle durfte. Auf die vielen Einwände von Experten • Mary Hopkin – Those Were The Days Seite hat. Tradition, Kostüm et cetera. Die Schnit- und Professoren, welche die Messungenauigkeit zelbänke, in denen Politik und High Society ihr und Unreife solcher neuropsychologischen Tests • Eric Burdon – Good Times betonen, kam kürzlich postwendend deine Stel- Fett abbekommen, sind hierzulande leider nicht • Wang Chung – Dance Hall Days so üblich wie in Basel. Aber Reimen können wir lungnahme: Es werde sich «sicherlich eine wis- auch!, hast du dir gesagt und für die diesjährige senschaftliche Diskussion über die Möglichkeiten • Edith Piaf – Non, Je Ne Regrette Rien Neuenkircher Fasnacht ein klingendes Motto kre- und Grenzen dieser Methoden ergeben». Hä? Die iert: «Eusi Chüe ond Söi düend rocke, wenn d Bü- wissenschaftliche Diskussion ist doch eben in vol- • Oasis – Don’t Look Back In Anger ri a de Fasnacht hocked.» Wir verstehen zwar den lem Gange, trotzdem wird die Methode ange- • The Godfathers – Those Days Are Over Sinn nicht ganz, aber die Sphären der Poesie sind wandt. Doch damit nicht genug. Auch wehrst du halt nicht allen immer zugänglich – das sehen wir dich gegen den Vorwurf einiger Medien, du wür- • Patti Smith – 1959 ein, l’art pour l’art muss sein (um auch unserer- dest «Lügendetektoren» benutzen. Da hast du na- seits noch einen Reim beizusteuern). Wenn die türlich recht – die Hirnstrommessungen dienen • Motörhead – 1916 Kühe und Säue dann gehörig rocken, raten wir allerdings demselben Zweck wie diese Geräte, nämlich demjenigen der Abschreckung. Will- • Fleetwood Mac – Never Going Back aber, auf die Lautstärke im Stall zu achten und den Again Tieren auf jeden Fall die Glocken abzunehmen. kommen im letzten Jahrtausend. Schliesslich hat nur eine einzige Reklamation aus • Joni Mitchell – Both Sides Now der Bevölkerung gereicht, um die Läutordnung Unter Strom, 041 – Das Kulturmagazin der Neuenkircher Kirche über den Haufen zu wer- fen – seit Kurzem läutet der Kirchturm nachts lei- ser und nicht mehr im Viertelstundentakt. Also Vorsicht, sonst heissts dann plötzlich: Bam Bam Fasnacht. Festbankerprobt, 041 – Das Kulturmagazin ANZEIGEN Fotografien von Peter Dammann Ausstellung: 20. 2. bis 4. 4. 2014 – Vernissage: 20. Februar, 19 Uhr MAZ Galerie, Murbacherstrasse 3, Luzern www.mazgalerie.ch In der ehemaligen Wohnstätte Richard Wagners in Tribschen führt die Stadt Luzern das Richard Wagner Museum. Zur Unterstützung der Museumsleitung suchen wir per 1. Mai 2014 eine/einen Museums- mitarbeiter/in als Mitarbeiter/in Administration/Empfang Pensum 40 % Gerne stellen wir Ihnen diese interessante Stelle auf unserer Homepage detailliert vor: www.stellen.stadtluzern.ch 5
Hingeschaut Der ruhende Pol Da es noch nicht richtig Winter war und ziemlich warm, nutzte netter Gastgeber, oder? Jedenfalls, in diesem ganzen Wirrwar ent- ich die Gelegenheit, meine müden und faulen Beine mal wieder in deckte ich einen eleganten Herrn auf dem Schiff, versunken in Bewegung zu setzen und auf Fotopirsch zu gehen. seiner Zeitung. Ein in sich ruhender Pol. Was für eine geniale Ver- Wie so oft ging ich am Quai entlang – ich liebe es, dem See wendung dieser Zeitung, als Schutz, als Hut und als Lektüre. Hut zuzusehen, und fühle mich dann oft wie am Meer. Wolken, tolle ab! Multitasking in Vollendung. Bäume und verrückte Touristen, die besonders gerne die Schwäne ins Visier nehmen. Wenn ich ein Schwan wäre, dachte ich, würde Bild und Text Gabor Fekete ich zurückschiessen oder zubeissen, aber das macht man nicht als 6
lechts und rinks Es werde Licht im Disneyland Mit einer Lichtinszenierung von Kapellbrücke und Wasserturm soll das idyllische Luzern noch schöner werden. Wozu eigentlich? Die Stadt. Der See. Die Berge. Das ist unser serturm unter der Präsidentschaft von Alt- Jagdgebiet. Der Wasserturm wiederum be- Luzern, wie es beworben wird. Stimmt: stadtrat Ruedi Meier vorschwebt: Mit ei- herbergt eine Alpensegler-Kolonie von et- Luzern ist schön. Es stellt sich nur die Fra- nem gross angelegten Ideen-Wettbewerb wa 60 Brutpaaren. Zwischen April und ge, ob alles, was schön ist, noch schöner wird derzeit das beste Beleuchtungskon- September können die Vögel beim Anpei- werden soll. Oder ob es einfach mal so blei- zept für ebendieses Ensemble gesucht. Der len des Turms in der Abenddämmerung ben darf, wie es ist. Noch besser, noch Wirkungsbereich soll den Abschnitt See- gehört und gesehen werden. Niemand schöner kann schnell ins Gegenteil kippen: brücke bis Reusssteg sowie die dazugehöri- weiss, ob die geschützten Fiederlinge aus Irgendwann ist der Höhepunkt erreicht gen Uferpartien umfassen. Im Frühsom- dem schönen Luzern verschwinden, wenn und es geht bergab. Analog dazu könnte mer wird das Siegerprojekt bekannt gege- da noch mehr Disneyland wird. Warum aus dem schönen Luzern plötzlich ein kit- ben. Die Chose kostet rund 1,2 Millionen nicht aus diesem faszinierenden Natur- schiges Disneyland werden. Das mag zwar Franken. Wer das bezahlt und ob es von schauspiel eine «stille» Attraktion machen, ein paar Tausend Touristen mehr anlo- den Einheimischen goutiert wird, ist noch die vielleicht bei den Touristen gut an- und cken, aber davon leben die wenigsten Ein- ungewiss. ohne Licht auskommt? Das wäre mal was heimischen. Sogar das Forum Wirtschaft Nebst der Frage nach Sinn und Unsinn Aufregenderes als diese kitschige Histori- Luzern merkt in seiner kürzlich erstellten einer solchen Lichtinszenierung gibt es eninszenierung, wie es jedes Kaff macht. Broschüre «Markenkern Luzern», dass sich handfeste Bedenken: Die Kapellbrücke ist Apropos: Ironischerweise kämpfen die Luzern viel zu sehr auf die touristischen das Fortpflanzungsquartier der grössten Quartiervereine Altstadt und Kleinstadt Aspekte ausrichte. Hingegen fehle es an ei- Kolonie von Wasserfledermäusen im Kan- (IG Kronenbeleuchtung) damit, dass sie ner umfassenden Strategie, die den Fokus ton. Bis zu 200 Tiere nutzen die Holzver- ihre traditionelle Weihnachtsbeleuchtung auf die wirtschaftlichen Vorzüge legt. Dass schalung der Brücke zwischen März und kaum mehr finanzieren können. Möglich sich Unternehmen nicht alleine durch die Oktober für ihre Wochenstuben, der an- also, dass wir künftig während der Ad- Senkung der Unternehmenssteuern anzie- grenzende Flussraum dient als wichtiges ventszeit im Dunkeln shoppen und uns im hen lassen, zeigt sich jetzt schon deutlich. Anschluss auf der Kapellbrücke im Licht Dazu braucht es bessere Argumente und baden. Halleluja! eben nicht nur touristische. Es gibt also Wichtigeres zu tun, als die zwei Wahrzei- PS: Empfinden Sie dekorative Beleuch- chen an der Reuss in Licht zu tauchen, wie tungen als Lichtverschmutzung oder Be- es der IG Inszenierung Kapellbrücke/Was- reicherung? Das Bundesgericht hat kürz- lich bestimmt, dass Hausbesitzer verpflich- tet werden können, Zierbeleuchtungen um 22 Uhr auszuschalten. Christine Weber, Illustration: Stefanie Dietiker 7
Bildernostalgie Weisst du noch, als in Luzern das Tram fuhr? Alte Bilder üben auf uns einen ganz eigenen Zauber aus. Nicht nur weil sie uns etwas Vergangenes zeigen, sondern weil sie Erinnerungen neu erzeugen. Diese Wirkung macht sich der Tourismus zunutze. Von Valentin Groebner* Tourismus geht nicht ohne die gute alte Zeit. Und die Fotografie macht offenbar nicht einfach nur Bilder. geht nicht ohne Fotos: Herren mit Zylinder, Damen in Sie erzeugt die lllusion, es habe diesen schönen Au- hochgeschlossenen Blusen unter Sonnenschirmen, genblick gegeben, den sie eingefangen hat. Alte Fotos Kinder mit Dienstboten. Strassen fast ohne Autos, erzeugen das etwas unwirkliche Gefühl des «Dagewe- Trams vor Fassaden, die es heute nicht mehr gibt. Die senseins», in dem die eigene Gegenwart des Betrach- braunstichigen Fotos, die Luzern als mondänen Ur- ters, hier und jetzt, mit diesem eingefrorenen Augen- laubsort vor dem Ersten Weltkrieg zeigen oder als blick vor fünfzig, achtzig oder hundertzwanzig Jahren schon leicht ramponierte Idylle in den 1930ern und vermischt wird. So sehen wir in ihnen etwas eigent- 1940ern, wirken heute anders als damals. Sie sind zum lich Unerreichbares. Erzeugt worden sind diese Bilder Versprechen einer vergangenen, heilen Welt geworden. durch sorgfältige Inszenierungen oder glückliche Aber wenn das alles nicht mehr da ist, warum setzt Schnappschüsse, die nicht für uns bestimmt waren, dann die Gefühlsindustrie Tourismus so beharrlich sondern für ganz andere Betrachter, und zwar ge- auf diese Bilder von gestern, um damit Werbung zu wöhnlich solche, über die wir nicht viel wissen – und machen? Hotelrestaurants heissen «1871»; die Vereini- zwar umso weniger, je privater diese Bilder aus den Le- gung Swiss Historic Hotels bringt ein Buch heraus, das bensgeschichten anderer Leute sind. «Zeitreisen» heisst; und je frischer ein Café renoviert Mit persönlichen Gefühlen aufladen lassen sie sich worden ist, desto zuverlässiger ist es dekoriert mit Ab- trotzdem. Denn jedes alte Foto sagt zwar «Ich habe zügen von alten Postkarten, verschwundenen Häusern nichts mit dir zu tun», flüstert aber gleichzeitig: «So und Gründerzeithotels. war es früher wirklich.» Die geringe Entfernung des 8
Flanieren in einer scheinbar heilen Welt. Der Schweizerhofquai, undatiert. Im Paradiesgarten: Für wen hat die Dame mit Fell wohl posiert? Im Park des Hotels Seeburg um 1930. Laut Hotel-Website ab 1900 ein beliebtes Ziel britischer Reise-Aristokraten. 9
Bildernostalgie Wir kennen sie nicht, und doch sind wir ihnen nahe: «Wie man es auch dreht und wendet, Fotografie hat etwas mit Auferstehung zu tun», schrieb Philosoph Roland Barthes Ende der 1970er. Begutachtung der Rapsernte durch den Bauernverein bei Rothenburg, 1944. Betrachters von der Bildfläche verstärkt ein Gefühl der Jahrhundert später Walter Benjamin weiter, seien Nähe. Ironischerweise erscheinen Fotos umso intim- doch ohne Zweifel die Nachfahren der Wahrsager, die berührender, je kleiner ihre Formate sind. Und ob- Omen läsen und die Zukunft vorhersagten. Noch ex- wohl wir keine dieser gepflegten Damen, ihre Dienst- pliziter macht das einer der vertracktesten und schöns- mädchen und niemanden der Herren mit Zylinder, der ten Texte zur Fotografie, den Roland Barthes Ende der Portiers und Kofferträger und der barfüssigen Kinder 1970er-Jahre geschrieben hat. Was fotografiert wird, kennen können, kommt es uns vor, als seien diese Bil- meinte er, werde dadurch eine Art kleines Götzenbild, der mit unseren eigenen Erinnerungen verbunden. versehen «mit dem etwas unheimlichen Beige- schmack, der jeder Fotografie eigen ist, der Wieder- Der magische Effekt kehr der Toten.» Daher die magischen Effekte: «Von einem realen Objekt, das einmal da war, sind Strahlen Kein Zufall, dass die Fotografie nicht einfach nur als ausgegangen, die mich erreichen (...) eine Art Nabel- Technik der Bildfixierung mit lichtempfindlichen Sil- schnur verbindet den Körper des fotografierten Ge- bersalzen gilt, sondern beharrlich mit den Kategorien genstands mit meinem Blick.» Und er wird noch deut- des Magischen beschrieben worden ist. «Selbstein- licher: «Wie man es auch dreht und wendet, Fotografie schreibung der Natur» sei sie, so ihr stolzer Erfinder hat etwas mit Auferstehung zu tun.» Henry Fox Talbot 1839, und gleichzeitig «natural ma- Da glaubte einer ganz fest an die Bilder. Apropos gic», ein bisschen übernatürlich: «ein Bild, das sich Auferstehung: Die mittelalterlichen Theologen hatten selber macht». Die Fotografen, so denkt das fast ein sich dafür das coole Konzept der acheiropoeita ausge- 10
Bildernostalgie Fotografie lässt die Zeit scheinbar stillstehen – Verschwindendes wird daher besonders gern fotografiert. Sprengung der alten Kaserne, 1971. dacht. Es gebe Bilder, die durch das erzeugt worden Wendell Holmes 1859 die neue Technik. Verschwin- seien, was sie zeigten, lehrten sie. Von menschlicher dendes wird seither besonders gern fotografiert: Das Hand unberührt, könnten sie genau deswegen das gilt nicht nur für die Bilder der luxuriösen Hotelpaläs- Überirdische sichtbar machen. te und der schönen alten Häuser, die im Luzern der Gute Fotos können dies bis auf den heutigen Tag. 1940er- bis 1970er-Jahre so flott abgerissen wurden, Denn ein wirklich wirkungsvolles Foto lässt denjeni- sondern auch für Gesichter. Nur: Wen haben die ele- gen, der es gemacht hat, Fotografen oder Fotografin ganten Touristen und die lachenden Kinder vor hun- plus das ganze aufwendige technische Drumherum dert oder vor siebzig Jahren eigentlich angeschaut, als samt Kamera, Beleuchtung und Dunkelkammer, ein- die Kamera sie festgehalten hat? fach verschwinden. Als wären sie nie dagewesen. Da- Uns nicht. Die Verbindung zwischen den Fotografi- bei gäbe es ohne alle diese Dinge – fragiles, zerbrechli- en von früher und den eigenen Erinnerungen ist trü- ches Zeug – das Foto gar nicht. gerisch. Denn tatsächlich hat das menschliche Ge- dächtnis mit der Vergangenheit selbst nicht viel zu Die Fotografie als Erinnerungsmaschine tun, sondern erzeugt die Erinnerungen sozusagen lau- fend neu durch ständiges Aufdatieren. Erinnerungen, Weil Fotografien versprechen, die Zeit magisch stillzu- die man nicht benutzt, verblassen und verschwinden stellen, werden sie seit sehr langer Zeit dafür verwen- deshalb; häufig aufgerufene Erinnerungen verfestigen det, Bilder von dem zu machen, das bald nicht mehr da sich und verändern sich durch den Gebrauch. Gespei- sein wird. «The mirror with a memory» nannte Oliver chert wird nämlich nicht die Erinnerung an das ver- 11
Bildernostalgie Die Verbindung zwischen den Bildern von früher und eigener Erinnerung ist trüge- risch. Erinnerungen werden laufend neu erzeugt. Jesuiten- kirche mit Freienhof, vor 1948. gangene Ereignis selbst, sondern an das letzte Mal, als Das kennen wir natürlich von unseren eigenen Ur- man es erinnert hat. Fotografien bringen nicht irgend- laubsbildern. Wir erinnern uns mithilfe von Bildern, etwas zurück oder machen es «wieder» sichtbar, son- und irgendwann im Wesentlichen an die Bilder: Sie dern erzeugen Erinnerung. bringen das, was unfotografiert geblieben ist, ziemlich effizient zum Verschwinden und setzen sich an seine So lautet jedenfalls das etwas ernüchternde Ergeb- Stelle. Die Kamera wird so zum Instrument vom Um- nis der Gedächtnisforschung und der Befragung von bau dessen, was wir gesehen haben. Und ihre Bilder Zeitzeugen. Diejenigen, die dabei gewesen sind, wissen sind stets Auswahl, Seh-Anleitung und Seh-Anwei- es sehr oft nicht besser. Denn das Gedächtnis unter- sung: «Schau, da!» scheidet nicht zwischen Bildern im eigenen Kopf und denen aus Fotoschachteln. So ist es relativ einfach, Gefilterte Wirklichkeit Personen mit manipulierten Aufnahmen Erinnerun- gen einzupflanzen: Und weil neue Erinnerungen alte Damit wird gleichzeitig immer ziemlich viel zum Ver- überschreiben, erinnern sich viele Zeitzeugen nicht an schwinden gebracht. Denn zu zeigen heisst, anderes das, was sie vor dreissig oder fünfzig Jahren selbst ge- auszuschliessen, das Unpassende. Eine wirklich ver- sehen haben. Sondern an die Bilder, die andere von lässliche Fotografie wäre also eine, auf der man sieht, diesem oder anderen Ereignissen gemacht und die sie dass fotografiert worden ist. Aber wieso empfinden selbst später gesehen und in ihr eigenes Gedächtnis wir solche Bilder, die ihr eigenes Gemacht-werden ver- eingebaut haben, ohne es zu merken. raten, als weniger ästhetisch? Weil wir als gute Katho- 12
Bildernostalgie So war es früher wirklich, flüstert das Bild uns zu. Luzerner Schwanenplatz, um 1940. Luzern in seiner ganzen Pracht – oder vielleicht doch eine Fotomontage? Luzerner Bahnhof, vor 1971. liken so weniger leicht daran glauben können, dass das so etwas wie die offizielle Hauptstadt des Tourismus Bild sich vielleicht doch selber gemacht hat? Aus der und der historischen Illusionen ist. In ihr kann die Bil- Sicht eines strengen Historikers ist deswegen oft dasje- derwalze Fotografie gar nicht anders, als historische nige an den alten Aufnahmen am interessantesten, Wirklichkeit ununterbrochen neu zu erzeugen: Vene- das der Fotograf gar nicht zeigen wollte – aufschluss- dig wird von 25 Millionen Touristen jährlich besucht, reiche Details, die man erst beim zweiten oder dritten und alle, alle machen Fotos. Hinschauen überhaupt bemerkt. Kameras halten so- zusagen aus technischem Eigensinn immer mehr fest, Die Vergangenheit der Zukunft als der Fotograf sehen konnte und zeigen wollte, als er auf den Auslöser gedrückt hat. Und das seit 150 Jahren. Der organisierte Tourismus, Fotografie als theatralischer Vergangenheitszauber nur ein paar Jahre jünger als die Fotografie, hat sich hat also eine Rückseite, und der italienische Philosoph von Anfang an darauf spezialisiert, seinen Kunden Massimo Cacciari hat sie auf eine etwas barsche For- Dinge anzubieten, die man nicht kaufen kann: Erleb- mulierung gebracht. Die Fotografie, meint er, zeige nisse, Aussichten, Erinnerungen. Die Geschichte des nicht einfach, was da sei, sondern auch das, was es Tourismus ist deswegen auch von Anfang an die Ge- nicht gebe, und zwar dadurch, dass sie die Zeit stillstel- schichte von Standardisierung, Massenproduktion le – scheinbar. Philosophen sind ja noch viel strenger und Wiederholbarkeit. Heute ist die Branche, je nach als Historiker. Aber Cacciari weiss, wovon er spricht: Zahlenbasis, die zweit- oder drittgrösste Dienstleis- Er war zwölf Jahre lang Bürgermeister jener Stadt, die tungsindustrie des Planeten. Tourismus ist eine Agen- 13
Bildernostalgie Fotografien halten aus technischem Eigensinn oft mehr fest, als der Fotograf zeigen wollte. Mädchen auf dem Rathausquai, 1963. Es sind die Bilder von früher, die auch heute noch täglich produziert werden. Mann auf der Kapellbrücke, vor 1930. tur für geträumte Zeitwiederbeschaffung, mit der Ver- ner eigentlich tun, die immer an der Seebrücke und gangenheit als vermeintlich unerschöpflichem Reser- am Löwendenkmal herumstehen – fünfeinhalb Milli- voir an Authentizität: «Dort war es echter.» onen Besucher jährlich. Sie machen die Bilder von frü- Zeigen das nicht die alten Aufnahmen? Luzern her. Aber jetzt mit ganz viel Megapixeln. Und mit sich hat sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur selbst darauf. künstliche Alpenwelten, Dioramen und Souvenirlä- * Valentin Groebner lehrt Geschichte an der Universität Luzern. Ein den zugelegt, sondern auch viele, viele Fotostudios. aktuelles Forschungsprojekt, 2013 gestartet, beschäftigt sich mit Denn ohne die hat der Fremdenverkehr schon damals touristischer Bilderproduktion und der Neuinszenierung von Mittelalter im 21. Jahrhundert. Der Text ist die gekürzte und überarbeitete Versi- nicht funktioniert. Die offizielle Agentur Schweiz Tou- on eines Vortrags am Staatsarchiv Luzern in der «Langen Nacht der rismus propagiert seit einigen Jahren eine «Via Cook», Museen» im Herbst 2013. auf der man den Spuren der Belle Époque folgen kön- ne und sich in eine englische Touristin des 19. Jahr- hunderts verwandeln. Oder anders gesagt, in ein altes Foto. Bilder: Staatsarchiv Luzern (FDC 45/41, 55, 61, 63, 64, FDC 76/1075, FDC 90/98, FDC 102/2533, PA 1270/237) Jetzt wissen Sie auch, was all die freundlichen Chi- FotografInnen: Emil Goetz, Max A. Wyss, Lisa Meyerlist Urheberrechte: Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Luzern, Stiftung Fotodokumentation nesen, Inder und die etwas ratlosen deutschen Rent- Kanton Luzern 14
aktuell Mindestlöhne – auch für Kultur- schaffende? Im Zusammenhang mit der Mindestlohninitiative, über die am 9. Februar in der Schweiz abgestimmt wird, ist viel von den schlecht bezahlten Angestellten im Detailhandel und Gastgewerbe die Rede. Kaum jemand spricht hingegen von den Kulturschaffenden. Welche Konsequenzen hätte ein Ja des Souveräns zum Beispiel für das Luzerner Theater? Von Pirmin Schilliger Genaue Zahlen über die Löhne auf den öffentlichen Bühnen in Mindestlöhne gelten aber ausschliesslich für blutige Anfänger; der Schweiz sind zwar nicht bekannt. Aber viele der an den Thea- länger als zwei Jahre muss sich niemand mit dieser Mindestgage tern tätigen Künstler und Techniker dürften zu jenen 330 000 Be- begnügen», betont Adrian Balmer, Verwaltungsdirektor des Lu- schäftigten gehören, die weniger als die mit der Initiative von den zerner Theaters. Überdies erhielten sämtliche Mitarbeitenden ei- Gewerkschaften geforderten 4000 Franken monatlich oder 22 nen 13. Monatslohn, schiebt er nach. Aufgerechnet «steigt» damit Franken in der Stunde verdienen. Beispiel Sandra K.*, die vor an- der Mindestlohn auf 3800 Franken. So oder so liegt dieser Ansatz derthalb Jahren ihre Ausbildung zur Balletttänzerin abgeschlos- unter den Forderungen der Mindestlohninitiative. Höhere Gagen sen und nun seit einigen Monaten ihr erstes Engagement am Lu- zahlen in der Schweiz einzig die grössten Theater. «Aber mit Zü- zerner Theater hat. Die 24-Jährige erhält einen Bruttolohn von rich und Basel können wir nicht mithalten», erklärt Balmer, der 3500 Franken. «Ich komme damit gerade mal so über die Run- die Verhältnisse in der Branche bestens kennt. Er ist nämlich Prä- den», sagt die junge Frau. Weil die Miete einer kleinen Wohnung sident des SBV und damit eine der einflussreichsten Persönlich- mit zwei Zimmern mehr als ein Drittel ihres Lohnes wegfrisst, keiten auf Arbeitgeberseite. Freimütig räumt er ein, dass in Luzern sucht sie jetzt ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft. nicht nur die Mindest-, sondern auch die Maximallöhne beschei- den seien. Ein Solist etwa, der bereits auf eine mehrjährige Karri- Unterschiedliche Mindestlöhne ere an renommierten Bühnen zurückblicken kann, darf am Lu- Immerhin können Schauspieler, Sänger oder Tänzer an den öf- zerner Theater unter Umständen mit über 5000 Franken rechnen. fentlichen Theatern auf ein festes Salär zählen. Sie befinden sich «Eine Sechs an erster Stelle, wird er aber nie auf seinem Lohnzet- damit in einer komfortableren Situation als jene vielen freien Kul- tel vorfinden», so Balmer. turschaffenden, die in steter Ungewissheit dem Geld nachrennen müssen. Trotzdem erstaunt es, wie wenig auch das angestellte Gefährliche Auswirkungen künstlerische Personal verdient, denn in der Branche gibt es seit Wie stellt sich der Verwaltungsdirektor nun zur Mindestlohniniti- Jahren schon einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Diesem unter- ative? «Deren Annahme hätte für viele Theater höchst gefährliche stehen rund 5000 Mitarbeitende von 31 professionellen Bühnen. Auswirkungen», warnt er. Er stellt klar, dass die Aufwendungen Abgeschlossen wurde der GAV zwischen dem Schweizerischen fürs Personal bei den Bühnenbetrieben rund 80 Prozent der ge- Bühnenverband (SBV) als Arbeitgeberorganisation und dem samten Kosten ausmachen. Weil die den Theatern zur Verfügung Schweizerischen Bühnenkünstlerverband (SBKV), der die Inte stehenden Mittel mit Annahme der Initiative nicht automatisch ressen der Arbeitnehmer wahrnimmt. In Bezug auf verbindliche grösser würden, kämen die meisten Betriebe kaum darum he Saläre bleibt der GAV allerdings vage. In einer knappen Formulie- rum, nach einem Ja am 9. Februar Stellen und Angebote abzubau- rung wird darauf verwiesen, Mindestlöhne festzulegen sei Aufga- en. «Das liegt wohl weder im Sinne unserer Angestellten noch in be der einzelnen Häuser. In der Praxis führt dies – nicht überra- demjenigen unserer Besucherinnen und Besucher», ist Balmer schend – zu beträchtlichen Unterschieden. Ein junger Schauspie- überzeugt. ler an einer grösseren Bühne, etwa in Zürich oder Basel, kann mit Fazit also: Wer auf einen Mindestlohn pocht, der wird wohl einem Mindestlohn von rund 4000 Franken rechnen. An kleine- auch in Zukunft besser nicht Schauspieler, Balletttänzer oder Sän- ren Stadttheatern muss er sich hingegen mit 3300 Franken begnü- ger. Nicht ganz auszuschliessen ist, dass bei verbindlichen und für gen. Der Spielraum, den der GAV bei der Ausgestaltung von Lohn- alle geltenden Mindestlöhnen den Theatern letztlich doch mehr modellen den einzelnen Bühnen gewährt, soll dem Umstand Mittel zufliessen würden: Über die von der Mindestlohninitiative Rechnung tragen, dass eben nicht überall gleich viele Mittel zur profitierende Arbeitnehmer, die sich dann vielleicht auch mehr Verfügung stehen. Kultur leisten könnten, zum Beispiel den Besuch einer Theater- Kein Geheimnis sind die am Luzerner Theater ausbezahlten vorstellung. Auch wenn dies natürlich für die wenigsten überle- Mindestlöhne. Sie liegen für das künstlerische Personal bei 3500 bensnotwendig ist. Franken pro Monat, für das technische Personal leicht höher. «Die * Richtiger Name der Redaktion bekannt 15
Mal chaotisch, mal aufgeräumt Noch mindestens bis März 2015 wird das ehemalige Gallati-Haus an der Bernstrasse als «Tatort Bernstrasse» zwischengenutzt. Ein Augenschein zeigt: Nach rund drei Monaten ist man noch daran, sich kennenzulernen. Von Patrick Hegglin Am Anfang war die Ausschreibung. Wobei, man müsste vielleicht was zu malen gibt, berichtet Adriana Zürcher. «Aber übrig blieben sagen: Am Anfang war der Überbauungsplan. Wenn 2015 die ABL dann wir drei.» Die beiden anderen sind Lukas Geisseler und Bea- und die Baugenossenschaft von Matt die Überbauung an der trice Stierli, und das Projekt, das letzten Sommer in die Bernstra- Bernstrasse realisieren, wird auch das Haus mit der Nummer 94 – sse 94 einzog, nennt sich «Tatort Bernstrasse». im Besitz der letzteren – abgerissen. Anstatt aber die dreistöckige Liegenschaft bereits vorzeitig abzureissen oder leer stehen zu las- Erst mal raus mit dem Teppich sen, entschied man vergangenen April, sie für die Übergangszeit Hier wird gearbeitet. Das ist das wenig überraschende Fazit eines als Zwischennutzung auszuschreiben. Womit wir wieder beim Besuchs im ehemaligen Gallati-Haus. Im Keller treiben sich eine Anfang angelangt wären und an dem Punkt, wo Menschen be- Handvoll HSLU-Studenten herum und bauen Installationen für ginnen, sich zusammenzusetzen und Konzepte zu schmieden. die nicht öffentliche Semesterausstellung «Tabloo», die im «Tat- Sich wieder zusammensetzen und besprechen, wer denn über- ort» einen ihrer fünf Standorte hat. Im Ausstellungsraum stehen haupt die Kapazität hätte, um Verwaltungsaufgaben zu überneh- gute zwanzig Klebebandrollen herum, einige hängen von der De- men. Jemand sage dann etwa, dass er gerne helfe, falls es mal et- cke. Hier ein bisschen Draht, dort ein Einkaufswagen mit Klein- 16
zwischennutzung teilen. Wenn er herkomme, dann schaue er als Erstes jeweils in den Ausstellungsraum, meint Lorenz Hegi, der hier nach dem Ba- chelor in Kunst und Vermittlung sein erstes Atelier bezogen hat. Auch das scheint dazuzugehören: dass man nicht so genau weiss, woran im Haus sonst noch gearbeitet wird. Die meisten Türen sind zu. Wo man aber doch einen Blick erhaschen kann, zeigt sich ganz Unterschiedliches: vom ikonischen kreativen Chaos aus Farbtöpfen und diversem Allerlei bis zum gut aufgeräumten Raum eines Fotografen-Kollektivs. Nach dem Austausch untereinander im Haus gefragt, lautet der Grundtenor: Nach rund drei Monaten befinde man sich am Anfang eines Prozesses. Es ist eher noch die Kennenlernphase. Vincenzo, der ein Atelier im 2. Stock mietet, schätzt die Auto- nomie, und dass alle herkommen, um zu arbeiten. Damit scheint die wichtigste Funktion des Hauses, jene als Arbeitsplatz, schon einmal erfüllt. Auch die Tatsache, dass die Nutzung befristet ist, wird durchaus positiv gesehen. Das Spannungsfeld zwischen dem Wissen um die befristete Zeit und dem sich einstellenden Besitz- anspruch des Raums findet Vicenzo interessant. Lorenz Hegi schätzt den freien Umgang mit dem Raum und seiner Gestaltung. Wie die meisten hat er gleich mal den Teppich herausgerissen – so kann man Prozesse auch starten. Ein Raum nicht nur für bildende Kunst Acht Ateliers sind am «Tatort Bernstrasse» entstanden und bezo- gen worden. Besonders interessant macht das Projekt aber ein Ausstellungs- und Veranstaltungsraum. «Die Idee ist, dass der Raum da ist und zur Verfügung steht. Man kann uns anfragen, wenn man etwas machen möchte und ohne finanziellen Druck eine Veranstaltung realisieren. So etwas ist rar», sagt Adriana Zür- cher. Man schaue einfach, dass die Veranstaltung einigermassen zum Haus passe. Nebst der Eröffnungsausstellung wurden bislang zwei weitere realisiert: «Leichte Kunst und schwere Kost» mit Fondueessen bei der Vernissage und «Wanderbilder», eine Kunst- tauschaktion. Durch den geringen finanziellen Druck könne man solche ex- perimentelleren Formate wagen und sich erlauben, damit zu scheitern, meint Geisseler. Bislang scheinen die Veranstaltungen aber Anklang zu finden. «Die Vernissagen waren gut besucht. Die Leute bleiben ein bisschen länger, es wird viel geredet und sich ausgetauscht», sagt Zürcher. Was Geisseler besonders gefällt, ist die Durchmischung des Publikums: «Das Interesse beschränkt sich nicht auf eine gewisse Altersklasse oder Kunsti-Studenten, sondern es kommen auch viele Leute, die ich noch nie gesehen habe.» Da frage man sich jeweils, woher die überhaupt kämen, fügt Zürcher lachend hinzu. Durchmischung erhofft man sich auch bei weiteren Veranstaltungen. Andere Sparten nebst der bil- denden Kunst sind ausdrücklich erwünscht – durchmischt sind ja auch die Tätigkeiten in den Ateliers. Eines ist aber allen gemein- sam: Man macht Kunst. Verschiedene Ateliers an der Bernstrasse. Unten rechts: Ausstellungsraum im www.tatortbernstrasse.ch Parterre der Zwischennutzung. Bilder: UFO im Tatort 17
ig kultur Catherine Huth hat das Zentralschweizer Kulturleben in den letzten zehn Jahren als Vorstandsmitglied und Geschäftsleiterin der IG Kultur eingehend kennengelernt. Ende Februar verlässt sie ihren Posten. Wir fragen zum Abschied: Auf was ist sie stolz? Was hat sie genervt? Von Pirmin Bossart «Es wird zu viel geklönt» Catherine Huth, ist Luzern eine Kulturstadt, die diesen Namen verdient? Catherine Huth: Ja, bestimmt. Die Klein- räumigkeit und Überblickbarkeit schafft ei- nen Boden, der vieles möglich macht, auch wenn nicht immer alles geht. Das Klima ist sympathisch und herzlich. Das hat mich hier gehalten, auch wenn es oft beengend ist. Es sind hier sehr viele Kulturschaffende aktiv. Es ist eine riesige und auch fruchtbare Szene, gemessen an der Grösse der Stadt. Aber du weisst doch sicher auch etwas Böses über das Kulturleben hier zu sagen. Ach, es nervt mich auch vieles. Die Kultur- schaffenden sind oft einfach zu lethargisch und selbstbezogen – und würden besser mal den Finger rausnehmen. Welchen Finger? Den Finger der Solidarität, der Gesamtsicht. In ihrer eigenen Arbeit haben sie Pfupf, aber wenn es darum geht, sich zusammenzu- schliessen, für etwas einzustehen, gemein- sam etwas mehr zu erreichen, verharren sie im eigenen Gärtchen. Sonst noch etwas zu bemängeln? Es wird zu viel geklönt, statt dass einfach mal gemacht wird. Machen, das ist die bes- sere Haltung. Nicht alle haben automatisch das Anrecht, unterstützt zu werden. Ich fin- Bild: Franca Pedrazzetti de zum Beispiel, dass Luzern nicht auch noch eine Tanzstadt werden muss, nur weil es hier vier oder fünf Tanzschaffende gibt. Mich nervt auch, dass viele Kulturschaffen- 18
IG Kultur de den Unterschied zwischen Verwaltung umsetzen konnten, war ein grosses High- Zehn Jahre engagiertester Einsatz auf der kultur- und Politik nicht begreifen. light. Aber auch die Mitarbeit bei der Kultu- verwaltenden Ebene: Hat dir all das Bürokrati- ragenda 2020, dem Planungsbericht der sche nicht oft den Garaus gemacht? Wo stehen sich die Kulturschaffenden manchmal Stadt, war für mich persönlich eines. Zudem Doch, ständig. Die vermeintliche Professio- selber im Weg? ist es uns mit viel Hintergrundarbeit gelun- nalität mittels Projektmanagement, Jahres- Es gibt hier eine gewisse Tendenz zur Stur- gen, etwa beim Thema Salle Modulable, plänen, Protokollen, Aktennotizen, Evalua- heit. Man hängt verpassten Gelegenheiten grosse Kultur-Player wie das Lucerne Festi- tionen. Synergien schaffen. Kreativwirt- nach (Boa), lamentiert über mögliche Ver- val an den Tisch zu holen und ihr Vertrauen schaft. Ich kann es nicht mehr hören. Mehr änderungen (Theaterwerk Luzern) oder und ihre Wertschätzung zu gewinnen. Herz, Mut und individuelleres Denken wür- stört sich daran, wie etwas entstanden ist Wenn die kleinen und alternativen Szenen den die Kultur wohl weiter bringen. (Südpol/Neubad), statt einfach mal hinzu- oftmals meckern, wir müssten doch mehr gehen und teilzunehmen. Mir fehlt oft das für sie da sein, muss ich entgegnen: Gerade Zurück zur Szene: Du sprachst von der sympathi- Vorwärtsschauen, das Über–den–eigenen– indem wir als IG Kultur in der engeren Zu- schen Kleinräumigkeit, aber auch von der Enge. Schatten–Springen. sammenarbeit und Beratung der grossen In- Wenn man alle kennt, wird vieles ermög- stitutionen an Legitimation gewinnen, sind licht, aber auch vieles verhindert. Der finan- In welchen Kulturlokalen hast du dich in den auch für die Kleinen wieder mehr Sachen zielle Topf ist sehr begrenzt, alle sind aufei letzten zehn Jahren am meisten herumgetrieben? möglich. Dieser Zusammenhang wird leider nander angewiesen, man muss ständig Im Kultur-Forum natürlich (lacht). Nein, im viel zu wenig wahrgenommen. Rücksicht nehmen und Kompromisse ma- Kleintheater, im Mullbau, im Luzerner The- chen. Wer ausbrechen will, muss sich trotz- ater, im Sedel, im KKL Luzern, im alten La Was ist dir in dieser Zeit weniger oder gar nicht dem einfügen oder weggehen. Fourmi, in der Loge. Zu wenig wohl im Süd- gelungen, wo gab es Frustrationen? pol, kaum je im Kunstmuseum Luzern. Es ist mir zu wenig gelungen, allen Kultur- Gehst du weg? schaffenden zu vermitteln, dass die IG Kul- Ich habe nicht vor, Luzern zu verlassen. Ich Hast du, als ehemalige Kunstschaffende, etwas tur einzigartig ist in ihrer Art und das Po- würde gerne bleiben, aber habe noch keine gegen das Kunstmuseum Luzern? tenzial hätte, die Luzerner Bevölkerung auf- Ahnung, wohin es mich treibt. Die Luzerner Luzern hat eine gute Kunstszene. Es wäre zumischen. Auch in der Bevölkerung Kultur interessiert mich weiterhin und es die Aufgabe des Kunstmuseums, diese Leute wissen viele noch immer nicht, was wir ma- gibt auch schon einige verlockende Angebo- stärker hervorzubringen, ihnen Raum zu chen. Frustrierend ist, dass die Ressourcen te für Mandate. Aber von Ehrenamtlichkeit geben, aber dieses Bestreben merke ich nir- trotz riesigem Engagement des ganzen IG- allein kann auch ich nicht leben. gends. Die Jahresausstellung ist eine Qual Teams nie ausreichen. Und jede nicht ver- für alle, weil es die einzige Gelegenheit ist, hinderte Sparmassnahme beim Kulturgeld vielleicht doch plötzlich wahrgenommen zu war und ist ein grosser Frust. werden. Die lebendige Kunstszene in Luzern hätte mehr verdient als dieses unsägliche Gibt es Dinge, die du heute anders machen wür- Ritual Ende des Jahres. Ich sehe dort null dest? Catherine Huth (40) ist seit 2004 im Vor- Profil, null Mut. Da ist das Verhältnis in der Natürlich, viele! Ich habe immer «gemacht» stand der IG Kultur Luzern tätig und übernahm 2009 deren Geschäftsleitung. Davor war sie Musikszene, etwa zwischen der Hochschule und machen dürfen. Dabei durfte ich viele als Künstlerin im Duo HUTH UND FREY und und kleinen Lokalen wie dem Mullbau, Auseinandersetzungen führen und musste als Ausstellungsgestalterin tätig. Ende Februar deutlich kooperativer und durchlässiger. manchmal auch berechtigte Kritik einste- verlässt sie das Kultur-Forum. Per 1. Mai nimmt cken. Wenn ich irgendwo Gelassenheit kau- nach einer Übergangsphase die Kulturmana- Auf was bist du stolz, wenn du auf deine Zeit in fen könnte, würde ich dort investieren. gerin und Betriebswirtschafterin Edina Kurja- der IG Kultur zurückblickst? kovic (33) ihren Posten ein. Sie ist bekannt als Ich habe tolle und kreative Leute einstellen Was muss die IG Kultur in Zukunft noch stärker Mitbegründerin des B-Sides-Festivals Luzern und arbeitet aktuell als Co-Geschäftsleiterin des und mit ihnen zusammenarbeiten können. anpacken? Braucht es eine Veränderung in der Internationalen Comix-Festivals Fumetto. (mak) Eindrücklich war auch die Sondernummer Ausrichtung? des Kulturmagazins, bei dem Kunstschaf- Die IG Kultur muss man nicht verändern. Es fende an einer Zwei-Tage-Aktion 3500 Ori- ist schon genug herausfordernd, den erreich- Wunderkammer KUFO: ginal-Covers gestaltet haben. Dass so viele ten und guten Status quo zu halten und Eine Ausstellung anlässlich des Abschieds verschiedenste Leute mitgemacht haben, wenn möglich weiter auszubauen. Wichtig von Catherine Huth zeigt Kuriositäten und Ge- war eine Freude und hat extrem viel Good- wird jetzt sein, mit den Kulturschaffenden schichten aus fünf Jahren Kulturalltag im Kultur- Forum. Vom 24. bis 28. Februar, täglich 13 bis will geschaffen. auf der Landschaft eine gemeinsame Lobby- 17 Uhr im Kultur-Forum Luzern an der Bruch- arbeit zu betreiben. Dass wir zentrumslastig strasse 53. Catherine Huth heisst Interessierte, Gibt es kulturpolitische Highlights? seien, wurde uns zu Recht vorgeworfen. Der Freunde und Bekannte willkommen und lädt ein, Sicher doch: «Mitsteuern», die Kampagne Vorstand hat das erkannt und wird das an- einen Kaffee auf ihre Zeit als Geschäftsleiterin zur Steuererhöhung, die wir letztes Jahr packen. der IG Kultur zu trinken. 19
Gefundenes fressen Völkerverständigung aus dem Milchchessi dann ist dessen Konsistenz noch meist zu feucht zum Topfenpalatschinkenglück. Sepp Barmettler, einer der ganz innova- tiven Käser der Zentralschweiz und Erfin- der des Stanser Fladä, hat nach einigen Jahren österreichischen Drängens nachge- geben. Anfänglich habe er sich schon ge- fragt, was die jetzt auch noch Komisches wollen, meint Sepp Barmettler. Dann habe er sich schlau und an die Produktion ge- macht. Labsäuregerinnung und Abhängen in einem grossen Sack, dies sei das Ge- heimnis des richtigen Topfens, sagt Bar- mettler. Ein paar weitere Geheimnisse kä- men noch dazu … Nicht nur die vom kuli- narischen Heimweh geplagten Österreicher hat er mit seinem Topfen überzeugen kön- nen: Heute steht auch Daniela Barmettler, Sepp’s Frau, mit dem krümeligen Quark in der Küche und fabriziert Knödel und Stru- Ich bin mir sicher: Die verfressensten un- del, Topfenknödel, Topfenpalatschinken, del nach österreichischem Vorbild. Aber ter unseren Nachbarn sind die Österrei- Topfenschmarrn ... Topfen ist ein Sauer- auch polnische Pierogi oder Puschlaver Ra- cher. Mit welcher Überzeugung die sich milchquark mit reduziertem Wasserge- violi gelingen mit Barmettlers Topfen bes- der Völlerei hingeben können, ist ein we- halt. Und genau dieser Wassergehalt ist für tens. nig beängstigend. Da können die Franzo- Exilösterreicher das grosse Problem. Mit In den kommenden Jahren wollen sich sen einpacken, die Italiener sowieso. Mit unserem Quark gelingen ihnen ihre Leib- Sepp und Daniela Barmettler aus dem Ver- ein bisschen Pasta und Pizza von Mama speisen aus der alten Heimat nur schwer- kaufsgeschäft zurückziehen, um sich aus- werden die den Österreichern unmöglich lich. Die Wiener Mutter einer Freundin schliesslich der Produktion zu widmen. das Wasser reichen: Gröstl, Beuschel, Ta- soll jeweils verzweifelt in der Küche ge- Sepp Barmettler ist ein experimentierfreu- felspitz an Apfelkren, Gulasch, Rouladen standen sein, jammernd und fluchend diger Mensch. Glücklich machen wird er und Geselchtes an Kümmelkraut. Oder (das können die Österreicher, fast ebenso mit seinen künftigen Produkten bestimmt die ganzen Süss- und Mehlspeisen: Buch- gut wie kochen und essen) ob der Untaug- jemanden. Ich freue mich. teln, Nudeln, Nockerl, Knödel, Krapfen, lichkeit des hiesigen Quarks für ihre Ge- Strudel und Palatschinken! Omnipräsent richte. Man kann ihn ausdrücken und Text und Bild: Sylvan Müller in diesen Gerichten: Topfen. Topfenstru- über Nacht abtropfen lassen, aber auch Sylvan Müller ist Fotograf und Kochbuchautor. Topfen gibt es in der Molkerei Barmettler, Dorfplatz 9, muhle sarnen 6370 Stans, www.cheesenet.ch oder samstags am Luzerner Markt bei Rolf Beeler am die Gaststube Rathausquai. Rezepte für Topfenpalatschinken, Puschlaver Ravioli und polnische Pierogi: «MAMA KOCHT» von Sylvan Müller www.at-verlag.ch Das Bio-Restaurant der Zentralschweiz Giglenstrasse 2 • 6060 Sarnen • Tel. 041 661 12 31 • www.muehlesarnen.ch ANZEIGEN 20
Bau Die Schlange im Wald Verdichten nach innen bedeutet oft den Abriss und Neubau alter Häuserzeilen – oft genug, ohne das Gelände zu berücksichtigen. Die Überbauung der Gütschhöhe aber ist ein gutes Beispiel, wie ein Neubau ein Gelände aufwerten kann. Das Areal liegt abgelegen und fällt nach Norden ab. Die Sonne dringt nur spärlich durch den nahen Gütschwald auf die Lichtung. Sie ist von der Alt- stadt her gut einsehbar und liegt direkt neben der Top-Sehenswürdigkeit der Touristenstadt Luzern, dem Chateau Gütsch. Ein idealer Standort also für den Bau von preisgünstigem Wohnraum? Ja, denn hier hatte die Genossenschaft für Ar- beiterwohnungen GEFA bereits 1946 eine Wohn- siedlung erstellt und damit günstigen Wohnraum für Arbeiter und Familien mit tiefen Einkommen geschaffen. Noch heute verfügt die GEFA über ver- schiedene Liegenschaften an den Rändern der Stadtgemeinde Luzern und in Kriens mit insgesamt 225 Wohnungen. Als gemeinnützige Wohnbauge- nossenschaft fördert auch sie den sozialen Woh- nungsbau und vermietet ihre Wohnungen an Fami- Die Holzfassade aus vorbewittertem Fichtenholz fügt sich gut in die Umgebung ein. Bild: Gerold Kunz lien, Alleinerziehende und Alleinstehende unter- schiedlichen Alters. Ihre Gewinne investiert die GEFA unter anderem in Sanie- einem Gartenhäuschen aus. Damit lebt ein Stück des ehemaligen rungen und Neubauten. 2010 wurde deshalb die Siedlung Gütsch- Quartiercharakters wieder auf, denn die vormaligen Bewohne- höhe abgebrochen und durch Neubauten ersetzt, um das Angebot rinnen hatten das gesamte Gelände mit Schrebergärten in Be- an günstigem Wohnraum in der Stadt Luzern zu erhalten. (Das schlag genommen. Jede Wohnung hat eine zimmergrosse Loggia, Projekt von Monika und Martin Jauch-Stolz setzte sich gegen sie- die als Eingangshof dient und den Wohnungen zu mehr Privatheit ben Konkurrenzvorschläge durch.) Hatte man hier zu wenig kri- verhilft. tisch reflektiert, was ein Abriss und ein Neubau für das Leben vor Der 200 Meter lange Massivbau wurde mit vorbewittertem Ort bedeuten? Fichtenholz verkleidet, um ihn gut in die Umgebung zu integrie- Die GEFA hatte nicht vorgegeben, wie mit den vorhandenen ren. Das Gebäudevolumen ist an den Verlauf des Geländes ange- Bauten umzugehen ist. Den Architekten erschien es aber wenig passt und nimmt in der Kontur das Motiv der Zinnen auf, wie sie realistisch, die bestehenden Häuser so umgestalten zu können, am Chateau Gütsch und der Museggmauer vorhanden sind. Von dass ein Wohnen nach heutigen Bedürfnissen ohne Kompromisse unten kaum sichtbar, ist dank der souveränen Anwendung dieser möglich gewesen wäre. Sie erkannten das Potenzial, mit einem einfachen Mittel ein Neubau entstanden, der zwar auf den ersten Neubau den Wohnwert zu verbessern. Blick nicht an die Vorgängerbauten erinnert, aber dennoch we- sentliche Elemente aus deren Nutzungsgeschichte aufnimmt. Den Der Quartiergeschichte verpflichtet Architekten ist es hier gelungen, einen eher unwirtlichen Ort auf- Die Architekten hatten sich für einen schlangenlinienförmigen zuwerten und für kommende Generationen weiterhin bewohnbar Neubau entschieden und diesen teilweise bis an die Krete gerückt. zu machen. Und es wäre wünschenswert, dass mit solch unkon- Damit lässt sich die Belichtung der Wohnungen verbessern. Der ventionellen Projekten andere Areale vom Erneuerungsdruck Wohn- und Essbereich ist beidseitig belichtet, was sowohl eine entlastet werden könnten. Ausrichtung zur Sonne aber auch den Blick auf die Stadt zulässt. Das Dach machen sie allen Mietern zugänglich und rüsten es mit Gerold Kunz 21
ANZEIGEN FEBRUAR 2014 SONDERAUSSTELLUNG 27.9.2013-9.3.2014 REMEMBER LUCERNE – TOURISMUS GESTALTEN R Z M Ä 9 . B IS C H N O www.naturmuseum.ch AUSSTELLUNGEN Natur-Museum Luzern | Kasernenplatz 6 | 6003 Luzern | Tel 041 228 54 11 naturmuseum @ lu.ch | Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr | Montag geschlossen BIS 26. OKTOBER 2014 Überwintern – 31 grossartige Strategien HEUTE STELLT DER TOURISMUS DAS DESIGN VOR NEUE BIS 23. MÄRZ 2014 35 Jahre Natur-Museum Luzern HERAUSFORDERUNGEN. WELCHES SIND DIE TOURIS- TISCHEN BEDÜRFNISSE DER ZUKUNFT? WAS MACHT VERANSTALTUNGEN LUZERN ATTRAKTIV UND EXKLUSIV? UND WIE KANN DE- SAMSTAG 01.02.14 SIGN DAZU BEITRAGEN? DIE AUSSTELLUNG «REMEMBER Naturstreifzug Überwinternde Wasservögel auf dem LUCERNE» ZEIGT ENTWÜRFE VON JUNGEN Luzerner See DESIGNERINNEN UND DESIGNERN UND KOMMENTIERT 13.30 Uhr, Anmeldung und Infos bis 31.01.14 unter 041 228 54 11 DIESE MIT OBJEKTEN UND THEMEN AUS DER BLÜTEZEIT SAMSTAG 01.02.14 / SONNTAG 02.02.14 / MITTWOCH 05.02.14 Figurentheater Petruschka De Has wott ned schlofe DES MODERNEN TOURISMUS IM 19. JAHRHUNDERT. 14.30 Uhr, Dauer 1 h, für Kinder ab 5 Jahren, Vorverkauf unter 041 228 54 11 HISTORISCHES MUSEUM LUZERN, PFISTERGASSE 24, 6000 LUZERN 7 DIENSTAG 04.02.14 TEL: 041 228 54 24 / 22 WWW.REMEMBERLUCERNE.CH Öffentliche Führung Hinter den Kulissen des Natur-Museums: KONTAKT: ALEXANDRA.STROBEL@LU.CH Die Grönlandsammlung Bachmann ÖFFNUNGSZEITEN: 10 BIS 17 UHR (MONTAG GESCHLOSSEN) 18 Uhr, Dauer 1 h, Eintritt frei MITTWOCH 05. / 12. / 19. / 26.02.14 Gwunderstunde Naturgeräusche Für Kinder ab 5 Jahren, 14-17 Uhr, Museumseintritt SAMSTAG 08.02.14 Öffentliche Führungen für Menschen mit und ohne KUMA_0214.indd 1 DIE SCHÖNHEIT DES EINFACHEN 03.12.2013 17:45:46 geistige Behinderung Kleine Vögel… 11 Uhr, Dauer 1.5 h, Eintritts- und Führungspreis CHF 5.– Fotografien von Pater Karl Stadler (1921-2012) Anmeldung und Infos bis 04.02.14 unter 041 226 60 56 Dauer der Ausstellung SAMSTAG 15.02.14 Naturstreifzug Tiere im Winter 14. Dezember 2013 - 27. April 2014 08 Uhr, Anmeldung und Infos bis 10.02.14 unter 041 228 54 11 DONNERSTAG, 20.02.14 Öffnungszeiten Vortrag Manche mögen‘s kalt – 14./15. Dezember 2013: 14-18 Uhr wie Schneeflöhe durch den Winter kommen 21./22. Dezember 2013: 14-18 Uhr 20 Uhr, Dauer 1 h, Eintritt frei 26. Dezember 2013 bis 5. Januar 2014: täglich, 14-18 Uhr SAMSTAG 22.02.14 8. Januar bis 27. April 2014: Mittwoch bis Sonntag, 14-18 Uhr Naturstreifzug Knospen und Zweige im Winter 09.30 Uhr, Anmeldung und Infos bis 17.02.14 unter 041 228 54 11 22
Kunst Subtil und brachial Eine Doppelausstellung zeigt das facettenreiche Werk der Luzerner Künstlerin Bessie Nager (1962–2009), die Tag und Nacht arbeitete und als eine der wichtigsten Schweizer Kunstschaffenden ihrer Generation galt. Teil der Installation «This land is your land, this land is my land» (2009) von Bessie Nager. Bild: zvg «Ittoqqortoormiit» – kein Fantasiewort, sondern eine abgelegene Die Bildserie ist Teil der grösseren Installation «This land is Siedlung mit ein paar wenigen Hundert Einwohnern im Osten your land, this land is my land», die Bessie Nager 2009 fürs Kunst- Grönlands hat den Titel geliefert für eines von Bessie Nagers Wer- museum Solothurn realisiert hatte. Nager war damals 46 Jahre ken, die seit dem 26. Januar in der Kunsthalle Luzern zu sehen alt, sie galt als eine der wichtigsten Schweizer Kunstschaffenden sind. Es ist eine Serie von neun grossformatigen Leuchtbildern, ihrer Generation, konnte viele Kunstprojekte im öffentlichen die jedoch alles andere als den Eindruck eines verlassenen Kaffs Raum realisieren und war in Europa und in den USA in Ausstel- an irgendeinem Ende der Welt wecken: Die Schichtung von un- lungen präsent. Wenige Tage nach der Eröffnung der Solothurner zähligen Fotografien städtischer Strukturen und Architekturen, Ausstellung verunfallte Bessie Nager tödlich. Sie hinterliess ein Lichterflimmern und Menschengewusel bei Nacht erscheinen wie kaum überschaubar grosses Werk, an dem sie, so erzählt ihr Le- hypertrophe futuristische Grossstadt-Visionen. In ihrer Schärfe benspartner und Nachlassverwalter Alf Hofstetter, Tag und Nacht und feinen Präzision entfalten sie einen hypnotischen Reiz, der ihres Lebens arbeitete. Dass jene Installation, die Nager ursprüng- dazu verführt, in sie hinein auf Entdeckungsreise zu gehen, in lich für das Kunstmuseum Luzern entwickeln wollte, nun endlich diese urbane Verdichtung, die dereinst auch Orte wie Ittoqqor- in ihrer Heimatstadt gezeigt wird, freut Hofstetter besonders. toormiit erfassen könnte. «Denkreisen» nannte Bessie Nager das, Auch, weil sich Bessie Nager immer als Luzernerin verstanden was sie hoffte, würden die Betrachter ihrer Werke erleben. hat, wenngleich sie vor allem in Zürich aktiv war, wo sie Kunst 23
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