Die elektrische Bahn von Chur nach Arosa
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Inhaltsverzeichnis Die elektrische Bahn von Chur nach Arosa ............................................ 1 Inhaltsverzeichnis ................................................................................ 2 Vorwort ................................................................................................... 3 Literatur- und Quellenverzeichnis ........................................................... 4 Bildquellen: .......................................................................................... 4 Textquellen: ......................................................................................... 4 Baugeschichte ........................................................................................ 5 Bericht der Bauleitung über die Bauarbeiten an der Chur-Arosa-Bahn.. 10 Schlussbericht der Bauleitung über die Bauarbeiten der Chur-Arosa- Bahn ..................................................................................................... 15 Bahnverhältnisse 1914 .......................................................................... 21 Die ersten Betriebsjahre ........................................................................ 21 Die Chur-Arosa-Strecke bei der RhB .................................................... 23 Personenzug in Chur (Foto: H. Räss) www.rhb-info.ch 2
Vorwort Liebe Leserinnen und Leser Zum 100 jährigen Bestehen der Strecke Chur – Arosa, hat sich die Interessengemeinschaft intensiv mit der Geschichte dieser einzigartigen Gebirgsstrecke auseinandergesetzt. Zusammengekommen sind einige alte Unterlagen, wie Bilder und Texte, die wir zusammengefasst in dieser Dokumentation vorstellen möchten. Gerade für Eisenbahnhistoriker ist diese Zusammenfassung sicher von Interesse. Ganz herzlich bedanken, möchte ich mich bei meinem werten Kollegen F. Wild, der ganzen Interessengemeinschaft und den RhB-Angestellten, die mir bezüglich Unterlagen und Bilder sehr viel weiter geholfen haben. Nun wünsche ich viel Freude beim Lesen, der Webmaster F. Huber www.rhb-info.ch 3
Literatur- und Quellenverzeichnis Bildquellen: H. Räss F. Wild Verkehrshaus Rhätische Bahn AG, Chur Landesbibliothek Textquellen: Schweizerische Bauzeitung RhB-Nachrichten Die elektrischen und Diesel-Triebfahrzeuge schweizerischer Eisenbahnen, vierter Teil: Die Gleichstromlinien der Rhätischen Bahn, Claude Jeanmaire, Verlag Eisenbahn, Villigen Diverse Unterlagen aus dem RhB-Archiv www.rhb-info.ch 4
Baugeschichte Am 10, Dezember 1914 fuhr die Postkutsche zum letzten Male von Chur nach Arosa. Anderntags legte der erste Zug die 26 Kilometer lange Schanfigger Strecke zurück. Damit ging ein Abschnitt der Aroser Verkehrsgeschichte zu Ende, der mit dem Einsatz eines Postboten auf der Strecke Chur-Langwies begonnen hatte. Das war in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als lediglich ein schmaler Fussweg das abgelegene Tal mit Chur verband. Zweimal in der Woche brachte der Bote die Post ins Tal bis Langwies. Dem Langwieser Pfarrer fiel die Aufgabe zu, am Sonntag den Arosern nicht nur das Wort Gottes, sondern auch die Post zu bringen. Arosa zählte damals acht Haushaltungen und 47 Einwohner. 1865 wurde ein Postbote für die Strecke Langwies-Arosa eingestellt. Ende der sechziger Jahre löste ein Saumtier den Postboten ab. Dann ging es rasch aufwärts. 1874 wurde die Strasse bis Langwies, 1890 bis Arosa gebaut. Mit der Strasse kam die Postkutsche, mit der Postkutsche die ersten Gäste, 1912 bereits die Bahn. Das Aussergewöhnlichste im Entstehen dieser Schmalspurbahn war wohl das Tempo, das nach erfolgter Gründung der Gesellschaft bei den ihr unmittelbar folgenden Gelände-Aufnahmen, bei der Projektierung und bei der Ausführung dieses zum Teil schwierigste Verhältnisse aufweisenden Bahnbaues eingeschlagen wurde. Ein Tempo, das geradezu amerikanisch anmutete, das aber das Werk gerade noch zur rechten Zeit erstehen liess, das alles bisher Dagewesene weit hinter sich lässt. Ein Tempo, das der ebenfalls aussergewöhnlichen, durch die Verhältnisse lange gehemmten und nun mit aller Wucht sich auswirkenden Energie und Tüchtigkeit, insbesondere auch in organisatorischer Hinsicht, des Bauleiters und Oberingenieurs Gustav Bener entsprang. Die Idee einer Bahnverbindung von Chur nach dem Kurort Arosa und damit dessen Anschluss an das www.rhb-info.ch 5
rätische, schweizerische und internationale Eisenbahnnetz ist nicht etwa erst nach der Vollendung der heute bestehenden Linien der RhB, gewissermassen als Fortsetzung dieser Eisenbahnbestrebungen, entstanden, sondern parallel mit ihnen, nach Eröffnung der Linie Landquart-Davos 1889/90. Also ist die Geschichte der Chur-Arosa-Bahn auch schon so alt wie diejenige der RhB. Als Vater dieser Idee bezeichnet eine Denkschrift Dr. med. Rüedi. Aber erst 1909 nahm diese Idee festere Gestalt an, in einer ersten Interessenten-Versammlung in Chur, bei welcher der vielverdiente Dr. Anton Meuli für den Grundsatz eintrat, es sei allen wichtigeren bündnerischen Tälern Bahnanschluss zu verschaffen. Das damals gewählte Eisenbahn-Komitee, an dessen Spitze in der Folge der hochverdiente Förderer der Chur-Arosa-Bahn, Nationalrat Anton Caflisch, trat, arbeitete so intensiv an der Erreichung des einmal gesetzten Zieles, dass am 15.Juli 1911 in Chur die Bahngesellschaft gegründet und durch Zeichnung von je einer Million Franken durch Chur und Arosa und 200000 Fr. durch die Talgemeinden die Voraussetzung für die Beteiligung des Kantons auf Grund des bündnerischen Eisenbahngesetzes geschaffen wurde. Gleichzeitig erfolgte die Wahl des Oberingenieurs Gustav Bener und seines kaufmännischen Adlaten S. Profahter von Castiel, der auch später als Betriebsleiter amtete, somit die Chur-Arosa-Bahn während dieses ersten Vierteljahrhunderts kaufmännisch und danach noch betriebstechnisch betreut hat. Kaum war der Oberingenieur gewählt, so setzte das er- wähnte Tempo ein. Zunächst galt es, die Trasseefrage zu entscheiden. ln ähnlicher Weise, wie seinerzeit von prominenten, aber ängstlichen geologischen Fachkreisen die Möglichkeit der Erstellung einer Bahnlinie von Reichenau nach Ilanz durch die Rheinschlucht hindurch, dem Rhein entlang, verneint worden war, so erklärte man auch hier die Erstellung einer Bahnlinie an der rechten Berglehne (Sonnseite) wegen der zahlreichen Tobel und Rutschhalden für ein Ding der Unmöglichkeit. Trotzdem wurde (der Bauingenieur hatte zum Glück robustere Nerven als der Wissenschafter) im Gegensatz zum Vorprojekt das Trassee von Sassal, hinter Chur, bis Langwies in den rechten Uferhang verlegt und die Aufgabe umschrieben: „Auf kürzestem Wege, ohne Gegengefälle, in möglichst gleichmässiger Steigung eine elektrische Adhäsionsbahn, auf die auch die Wagen der Rhätischen, der Bernina- und der Furka-Oberalp-Bahn übergehen www.rhb-info.ch 6
könnten, bis zur Wintersaison 1914 betriebsbereit zu stellen und betriebssicher zu erhalten.“ Dieser Problemstellung entsprach die Wahl einer Maximalsteigung von 60 Promille, die auf 18 von den 22 in Steigung liegenden Kilometern der insgesamt 25,7 km langen Bahnstrecke angewendet werden konnte. Die Wahl der Meterspur war nicht nur des genannten Rollmaterials wegen eine Selbstverständlichkeit, sondern vor allem auch der Geländeverhältnisse wegen. Und nun folgte, nachdem die sonst fast unzugängliche Strecke von Chur-Sassal bis Lüen durch die an sich Für Fortschritt und Verkehr – dem Bündnerland zur Ehr! Anschrift Station Litzirüti schwierige Anlage von Fusswegen dem Trassee nach erschlossen war, die Absteckung eines Polygonzuges längs dem zukünftigen Bahntrassee und die Geländeaufnahme durch den Oberingenieur zusammen mit dem durch die beiden Söhne des Vorprojektverfassers geleiteten lngenieurbureau Wildberger, eine Arbeit, die geradezu tambour battant von statten ging und in der unglaublich kurzen Zeit vom August bis zum Winterbeginn 1911 bewältigt war, worauf im Winter 1911/12 das Bauprojekt bis zum 1. März 1912 fertig ausgearbeitet wurde, was wiederum eine Rekordleistung darstellt. Ende März lag auch der Kostenvoranschlag vor mit einer Bausumme von 7,4 Mio. Fr. Ein von Prof. Dr. F. Hennings, dem Oberingenieur des Albulabahnbaues, und dem Sektionsingenieur der Bausektion Bevers- Zernez der RhB eingeholtes Gutachten über das Bauprojekt, das die Trasseewahl bestätigte und u. a. zur Unterfahrung des Lüener und des www.rhb-info.ch 7
Station St.Peter-Molinis mit Bauzug (Foto: Archiv Verkehrshaus) Spundetscha-Rutsches riet, lag im Mai 1912 vor. Es empfahl ferner Gleichstromtraktion, im Hinblick auf die dafür günstige Lage des Kraftwerkes Lüen, das von der Stadt Chur auf Grund der ihr von der Chur-Arosa-Bahn abgetretenen Konzession durch Bauleiter lng. F. Gugler ausgeführt wurde. Nach Vorlage der Botschaft an den Grossen Rat, nach Durchführung des Plangenehmigungsverfahrens bis zur Baubewilligung durch die kantonalen und eidgenössischen Behörden und nach Vergebung der Bauarbeiten an die verschiedenen Unternehmungen, konnte schon anfangs Juli 1912, also elf Monate nach Beginn der Gelände- und Projektaufnahmen, mit der Bauausführung begonnen werden, die sofort auf hoher Tourenzahl lief und ohne Unterbruch bis zur Bauvollendung auf ihr verblieb, insbesondere auf der untern Strecke bis gegen Peist, über die zunächst die Bautransporte für die obere Strecke und später jene für das Kraftwerk Lüen gehen mussten. Auch diese Arbeit stellt eine Höchstleistung dar, nicht minder auch die prominente, unentwegte und unermüdliche der Bauleitung: des Oberingenieurs und seiner vier Bauführer, der lngenieure Rovida, Biveroni, Lanzi, Gugler, später Bindschädler, die z. T. allein, ohne Assistenten, ihre umfangreiche, schwierige und beschwerliche Arbeit zu bewältigen hatten. Der Charakter des teilweise sehr stark durchschnittenen Geländes und der Bahnanlage lässt sich schon aus der Linienführung erkennen: 12,3 km, d. s. 48 % der ganzen Bahnlänge, sind Kurven, wovon fast zwei www.rhb-info.ch 8
Drittel vom Minimalradius von 60 m. Die Gesamtlänge der Brücken beträgt 7 %, die der Tunnel 9,6 %. Und doch bedeutete diese Linienführung eine sehr wesentliche Verbesserung gegenüber dem Vorprojekt. Diese meterspurige Adhäsionsbahn zweigt vom SBB- Bahnhof Chur (588,0 m ü. M.) ab, folgt bis Sassal der Strasse längs der Plessur und steigt dann auf der rechten Talseite, der Sonnenseite, des Schanfigg bis Langwies, setzt dort auf die linke Talseite über und erreicht bei km 25,7 die Stationsmitte Arosa auf 1742 m ü. M. Die maximale Steigung beträgt 60 Promille, der Minimalradius 60 m; die Unterbaunormalien lehnen sich an jene der Rhätischen Bahn und der Berninabahn an. Das Schanfigg ist in seinem vordern Teil ein wildes, schluchtähnliches Tal. ln seinem obern Stück bis Langwies wird der rechte Talhang von vielen tiefen Bachrunsen und Schluchten durchfurcht. Von Langwies bis Arosa boten sich dann weniger Bauschwierigkeiten. Geologisch betrachtet, durchfährt die Bahn bis km 11 (Pagig-St. Peter) ein reines Bündnerschiefergebirge, dessen Schichten sehr verworfen sind, in ihren normalen Strecken aber ein Fallen von etwa 30° östlich zeigen. Von km 11 bis Langwies mussten mächtige Moränen-Kiesablagerungen angeschnitten werden. Von Langwies bis Arosa wechseln Kalk, kristalline Gesteine, Serpentin- und flyschartige Schiefer. Mit Kurven und Kunstbauten ist die Bahn daher überreich gesegnet, trotzdem sie nur einmal, bei Langwies, die Plessur übersetzt. Als Fahrzeit Chur-Arosa war 1914 mit 1 Stunde 35 Minuten für die Bergfahrt und 1 Stunde 15 Minuten für die Talfahrt zu rechnen, während die Postkutsche 5 Stunden 55 Minuten bergwärts und 3 Stunden 35 Minuten talwärts benötigte. Zur Durchführung des Bahnbaues ist gestützt auf das Bündnerische Eisenbahngesetz eine Aktiengesellschaft mit 3,8 Millionen Aktien- und ebensoviel Obligationen-Kapital gegründet worden, der Hauptaktienbesitz lag in den Händen des Kantons Graubünden und der Gemeinden Chur und Arosa. www.rhb-info.ch 9
Bericht der Bauleitung über die Bauarbeiten an der Chur- Arosa-Bahn Das am 14. März 1912 aufgestellte Bauprogramm konnte in allen wichtigen Punkten eingehalten werden. Der konstituierenden Generalversammlung vom 4.Juli 1912 folgten die Vergebungen an folgende Firmen: 5. Juli Langwieser-Brücke an Züblin & Cie. in Zürich. 18. Juli Strecke Sassal-Grosstobel. Los I b und ll, an Gebr. Baumann & Stiefenhofer. 20. August Strecke Grosstobel-Peistergrenze, Los Ill a, an Gebr. Baumann & Stiefenhofer. 24. August Station Langwies an die dortige Brückenbaufirma. 30. September Strecken Peistergrenze bis Arosa (ohne Langwies), Los ll b und lV, an Müller, Zeerleder & Gobat. 30. Oktober Drei eiserne Brücken nach Plänen von Thurnherr & Bolliger in Zürich an Bosshard & Cie. in Näfels. 18. November Ganzer elektrischer Teil einschliesslich Rollmaterial an Brown, Boveri & Cie. in Baden. 20. November Ausschreibung der Hochbaukonkurrenz (Nr. 12, Band LXI der Schweiz. Bauzeitung vom 22. Ill. 1913). 29. November Abschluss des Strommietevertrages mit der Stadt Chur. 23. Dezember Ratifizierung der Oberbaulieferungsverträge mit Fritz Marti AG. 15. Januar 1913 Vergebung der Oberbaulegung an die Unterbau- Unternehmer. 15. Februar Vergebung der Stadtstrecke an Caprez & Rossi, Chur. 11. April Vergebung der Steinschlaggalerien an Löhle & Kern, Zürich. 6. und 28.Juli Vergebung der hauptsächlichsten Hochbauarbeiten und 4. unter der Bauleitung der Architekten Meier 8. Arter, September Zürich, A. Rocco in Arosa und 0. Manz in Chur. Als Bauführer der Chur-Arosa-Bahn amten die Ingenieure Rovida in Chur, Biveroni in Castiel, Lanzi in St. Peter und Bindschädler in Arosa. Vom 17. September bis 8. November 1912 wurden die Haupttunnels von www.rhb-info.ch 10
Los I (455 m) durchschlagen. Vom 6. November 1912 bis 25, Februar 1913 folgten die Tunneldurchschläge der Lose ll und Ill (1575 m), und im Juni 1913 waren mit dem Durchschlag eines letzten kleinen Tunnels auf Los I und dem des 290 m langen Arosertunnels alle Stollen aufgeschlossen. Die geologischen Voraussetzungen trafen überall zu, mit Ausnahme des Arosertunnels, in dem statt des erwarteten Gneisfelsens blaue, lehmige Moräne und verwitterter Serpentin angefahren wurden. Die so sehr gefürchteten ungeheuren Moränen, in die vielerorts tiefe Flunsen eingegraben sind, zeigten sich in dem überaus nassen Sommer 1913 als ganz brauchbarer Baugrund, auf den man viel sicherer fundieren konnte als z. B. auf den Bergschutt der Hänge unterhalb der Ortschaft Maladers. Von den 44 Widerlager- und Pfeilerfundamenten des Loses l b konnten 38 auf Fels fundiert werden, wobei allerdings Tiefen bis zu 11 m unter dem gewachsenen Boden erreicht werden mussten. Das Auslegertrottoir aus Eisenbeton längs der von der Bahn in Chur benützten Strasse am Plessurquai ist von der Firma Gebr. Caprez in Chur erstellt worden. Das Widerlager der eisernen Dorfbach-Brücke von 24 m Lichtweite ist an der talseitigen Ecke 10,2 m unter dem gewachsenen Boden auf Felsen fundiert. Grösste Vorsicht erforderte der Eingang des 148 m langen Spundetschatunnels, der auf 53 m wenig standfesten Bergschutt durchquert, bevor der Bündnerschiefer angeschnitten wurde. Das bergseitige Widerlager musste hier streckenweise armiert, das talseitige auf 1,20 m im Zentrum und 2,18 m im Fundament verstärkt werden, zudem musste eine Sohlenverspannung ein- betoniert werden. Die Baufortschritte auf Los l a (Caprez & Rossi) und l b (Gebr. Baumann & Stiefenhofer) waren so erfreulich, dass schon mit der Oberbaulage begonnen werden konnte und die Fertiglegung derselben noch im Herbst 1913 möglich war. Los ll begann bei km 5,9 mit dem ansehnlichen Calfreiser-Viadukt, dessen zwei Hauptöffnungen von 25 und 18 m aus Betonsteinen gemauert und dessen vier Nebenöffnungen von 12 und 6 m aus Stampfbeton mit Stirnkranz aus Betonsteinen erstellt sind. Die Pfeiler der Hauptöffnung stehen auf Fels und haben aus Mangel an Bausteinen einen Stampfbetonkern mit Bruchsteinverkleidung erhalten. Der 53 m hohe, aus drei Öffnungen von 25 m bestehende Castieler-Viadukt ist die bedeutendste steinerne Brücke der Linie und passt mit seinen massiv- wuchtigen Formen ausgezeichnet in den grandiosen Felskessel des Castieler-Tobels hinein. Die tiefen Fundationen von Widerlager l und www.rhb-info.ch 11
Pfeiler l in dem lockern Bergschutt verursachten mehr Schwierigkeiten als das Aufsetzen und Aufmauern des grossen Pfeilers sowie des vogelnestartigen Widerlagers Il auf den gewachsenen Felsen am Tunnelportal. Das überaus leichte Laufgerüst und die praktische Konstruktion der Lehrbogen haben sich gut bewährt. Pfeiler und Gewölbe sind gleich erstellt wie am Calfreiser-Viadukt, die drei Gewölbe wurden am 6. September begonnen und am 4. Oktober geschlossen. Auf die Durchfahrung des Störmigen 250 m langen Bärenfallentunnels, dessen Stollenausbruch wegen dem an seinem unteren Portal anschliessenden Castieler Brückenbau grösstenteils in der 60 Promille- Steigung aufwärts geschafft werden musste, folgt eine etwa 2 km lange Strecke, die so arm an guten Bausteinen ist, dass nicht nur die Viadukte, sondern auch Stütz- und Futtermauern grösstenteils in Stampfbeton ausgeführt werden mussten. Nach Überschreitung einer interessanten Tuffsteinwand kreuzt die Bahn bei km 8.1 die Druckleitung des städtischen Kraftwerkes Chur auf einem als Leitungsfixpunkt ausgebildeten Betonklotz. Erst nach dem 400 m langen Umgehungstunnel des grossen Lüener-Rutsches bessern sich die Gesteinsverhältnisse. Am Glasaurertobel ist der Bündner Schiefer kompakt wie bei St. Peter und zeigt hie und da prächtige Gesteinsfalten. Gleich nach dem 378 m langen „Sandgrind“-Tunnel beginnen die gewaltigen Moränen, die bis Langwies auf einer 7 km langen Baustrecke nur an zwei Orten brauchbaren Felsen zutage treten lassen. Glücklicherweise ist die Moräne so sprenghart und standfest, dass gefahrlos auf sie gebaut werden durfte. Von 75 Widerlager- und Pfeilerfundamenten dieser Strecke stehen nur 10 auf Felsen, 51 in Moräne und 14 in Bergschutt. lm Grosstobel und im Frauentobel mussten aus Fundamentierungs- und andern Rücksichten eiserne Brücken von 12 bis 48 m Spannweite eingesetzt werden. Im Lochbächli- und Gufertobel-Viadukt mit ihren vier bzw. drei Öffnungen zu 15 m kommt der Typus dieser vielen Lehnenviadukte des Loses Ill und ihrer Bauart zur Darstellung. Der Bausteinmangel und der sehr schwierige Transport langer Gurtungsstücke einerseits, sowie der Kies- und Sandreichtum anderseits drängten zwischen Peist und Langwies-Flüti geradezu zum Eisenbetonbau. Leicht wurde dieser Schritt indessen nicht gemacht. Bauleitung und Unternehmung nahmen sowohl dem Eisenbahn- Departement als auch der Bahngesellschaft gegenüber die ganze Verantwortung auf sich, und kein objektiv Urteilender wird es der www.rhb-info.ch 12
Bauleitung verargen, dass sie unter solchen Umständen diese ganz abnormale Vergebung nicht nach den Grundsätzen einer allgemeinen Konkurrenz, sondern in persönlichem Vertrauen auf die Unternehmer befürwortete, Bis heute haben die Auftraggeber dieses, für das Haupt- Brückenobjekt der Bahn der Firma Züblin & Cie. geschenkte Vertrauen nicht in einem einzigen Punkte zu bereuen gehabt. Nicht die grosse Langwieser Brücke, aber doch ein ansehnliches Objekt, nämlich die sogenannte Gründjetobel-Brücke vor Langwies, bei km 16,4, ist nach einer Konkurrenz, in der die Projekte Züblin & Cie. und von Ingenieur J. Bolliger als gleich gut und jedenfalls empfehlenswerter als die eingereichten Eisenkonstruktionen befunden worden waren, an die Firma Müller, Zeerleder & Gobat, die mit J. Bolliger & Favre & Cie, arbeiten wollte, vergeben worden, infolge nachträglicher Projektänderung konnten die Ausführungspläne erst am 21.Juni 1913 genehmigt werden, worauf mit aller Energie zur Ausführung geschritten wurde. Am 27.Juni begann die Fundamentbetonierung; am 6.Juli war noch wenig zu sehen, am 26. August ist dann das Gerüst, das Gerüstbauer Coray aus dem Lehrgerüstholz der Halenbrücke bei Bern gemacht hat, vollendet worden, und am 15.September konnte der grosse Bogen von 86 m Stützweite geschlossen werden. im Gegensatz zum Langwieser- Viadukt ist der eingespannte Bogen des Gründjetobel-Viadukts mehr gegossen als gestampft worden. Die ganze Gründjetobel-Brücke von rund 145 m Länge und 46 m Höhe bietet wohl die eleganteste Lösung der Überschreitung dieser geologisch sehr jungen Erosionsturche. Der Langwieser Viadukt von 287 m Totallänge, einem Mittelbogen von 100 m Stützweite, bzw. 96 m Lichtweite und 62 m Höhe, den die Firma Züblin & Cie. in Zürich erstellte, war damals das bedeutendste Eisenbetonbauwerk der Schweiz. www.rhb-info.ch 13
Station Lüen-Castiel um 1914 (Foto: Landesbibliothek) Der Bau ist in musterhafter Weise organisiert und durchgeführt worden, trotzdem die Fundamentierungen namentlich in der Halde gegen Arosa zu viel bedeutendere Schwierigkeiten verursachten als die Unternehmung erwartet hatte. So mussten z. B. die dortigen drei Nebenpfeiler und das Widerlager mit Spannriegeln auf die grosse Bogenfundierung, die auf Felsen und sprengharter Moräne möglich war, abgestützt werden. Die sehr früh einsetzende Kälte des Vorjahres (erster Frost am 7. Oktober 1912) erlaubte nur noch die dringendsten Fundierungsarbeiten an den Widerlagern des grossen Bogens und an den Gerüstfüssen, die bis auf rund 22 m über Wasserspiegel ebenfalls aus armiertem Beton errichtet worden sind. Noch am 6.Juii 1913 war herzlich wenig von der Brücke und deren Gerüstungen sichtbar, und es bedurfte aller Anstrengung der Beteiligten, namentlich des Gerüstbauers Coray. um am 6. September das Richtmahl dieses imposanten Fächers, der über 700 Festmeter Holz benötigte, feiern zu können. Dank dem ordentlichen Wetter und namentlich dank der ausgezeichneten und gewissenhaften Leitung durch die Unternehmungsingenieure J. Müller und A. Zwygart konnten die zwei Rippen des grossen Bogens bis auf das Ausgiessen der Fugen am 6. Oktober des Jahres 1913 geschlossen werden. www.rhb-info.ch 14
Die sehr vorsichtige Gerüstung des Hauptbogens zeigte nach Betonierung der Scheitellamelle kaum einen Zentimeter Setzung. An Armierungseisen enthält die fertige Brücke 330 t, an Beton verschiedener Qualitäten waren reichlich 7500 m3 nötig. Die Linienführung der Bahn von Langwies bis Arosa ist eine sehr einfache; die Schlaufe bei Rüti war von der Natur den projektierenden Ingenieuren geradezu aufgezwungen. Da die Unternehmung an allfälligen Bauersparnissen bedeutend interessiert war, wurden auf dieser Strecke durch äusserst vorteilhafte Vorschläge von Ingenieur Gobat der Firma Müller, Zeerleder & Gobat namentlich an Stütz- und Futtermauern grosse Minderausgaben erzielt. Ob das von Aroser Interessenten der Bauleitung vorgeschriebene Schlussstück mit dem 290 m langen, sehr teuren Arosertunnel zweckmässiger war als das technisch einfachere und viel billigere Schwarzseeprojekt, wird erst die spätere Entwicklung von Arosa beweisen können. Unbestritten gehört die jetzige Station Arosa am Obersee landschaftlich zu den schönsten Bahnstationen der Schweiz. Schlussbericht der Bauleitung über Bauarbeiten der Chur- Arosa-Bahn Gemäss Bauprogramm vom 14. März 1912 hätte die Bahn im günstigsten Fall am 15. November 1914 eröffnet werden sollen. Trotz aller erdenklichen Schwierigkeiten, hervorgerufen durch grosse Rutschungen. die Mobilisation der Schweizer Armee, Kupfermangel usw. wurde die Eröffnung auf 12. Dezember 1914 schon mehr erzwungen als möglich gemacht. Es galt aber, die Wintersaison des Kurortes Arosa zu retten, und deshalb musste dieser äusserste Termin eingehalten werden. Nach zweieinhalbmonatigem Betrieb darf gesagt werden, dass Arosa durch diese forcierte Eröffnung wirklich ein grosser Dienst geleistet worden ist und dass die dortige Bevölkerung wie auch die Bahngesellschaft dem Schweizerischen Eisenbahndepartement sein Entgegenkommen bei den Kollaudationsarbeiten nicht vergessen wird. in den ersten Betriebswochen sind allerdings häufige Zugsverspätungen vorgekommen, von Unfällen oder andern erheblichen Schäden, hervorgerufen durch die etwas überstürzte Eröffnung, ist jedoch die Bahn glücklicherweise verschont geblieben. Ein Felssturz am Sassaltunnel lII, km 2,65, der am 10. März 1914 die fertige Bahn beschädigte, zwang zur Anlage grösserer www.rhb-info.ch 15
Felskopfuntermauerungen oberhalb der Bahnlinie. Beim Nesslariestunnel (km 3,46) war nach belgischem System zuerst die Kalotte ausgemauert worden. Als dann beim Strossenabbau im bergseitigen Widerlager eine lehmige Gleitschicht blossgelegt wurde, rutschten die zwei obersten Tunnelringe von 10 m Länge in wenigen Stunden ab. im Februar 1914 sank bei km 3,78 eine Stützmauer von mehr als 740 m3 Trockenmauerwerk, die ohne je eine Spur von Bewegung gezeigt zu haben seit dem Sommer 1913 dagestanden hatte und über die schon ein halbes Jahr die Materialzüge mit Dampftraktion auf dem definitiven Oberbau der Bahn verkehrten, in wenigen Wochen mit dem ganzen Schuttkegel, auf dem sie stand, gegen die Plessur ab. Die Ursache des Abgleitens dieser äusserlich ganz trockenen Halde ist direkt oder indirekt in dem ganz sorglosen Einlaufenlassen der Abwasser der oberhalb gelegenen Ortschaft Maladers und der dortigen Strasse in den steilen Waldabhang zu suchen. Um diesem einigermassen zu steuern, hat die Chur-Arosa-Bahn, die auf Kote 704 diese Stelle passiert, von dem 930 m ü. M. gelegenen Gasthaus „Strela“ an der Schanfiggerstrasse eine Abwasserleitung erstellt. Die Rutschpartie selbst musste, da an eine Fundation in derselben nicht mehr zu denken war. mit einer eisernen Brücke von 46 m Weite überspannt werden. Die Fundation des Widerlagers I ruht 15,5 m tief im Boden auf Bündner Schiefer, mit dem sie noch durch eiserne Anker verbunden ist. Damit der Maschinentransport auf Schienen nach dem Kraftwerk Lüen nicht unterbrochen werden musste, war es nötig, die ganze Brücke auf einem Gerüst neben der definitiven Bahnachse zu montieren und dann einzuschieben. Um das Abwandern des Gerüstes in der Rutschhalde zu vermeiden, wurde dasselbe durch ein Zugband an die Widerlager festgebunden und auf Balkenrinnen gestellt die die Rutschbewegung mitmachten; der Vertikalverschiebung begegnete man mittelst Winden auf dem Gerüstboden. Dass trotz allen diesen aussergewöhnlichen Schwierigkeiten die Transporte nach dem Elektrizitätswerk Lüen, von dessen Fertigstellung die Bahneröffnung abhing, nicht unterbrochen zu werden brauchten und die Brücke in fünf Monaten betriebsfertig war, gereicht den Unternehmern, der Eisenbaufirma Löhle & Kern in Zürich und Gebrüder Baumann & Stiefenhofer, zur besondern Ehre. Nur 50 m von dieser Baustelle entfernt wanderte seit November 1913 ein gleiches Stützmauerstück in ähnlicher Weise gegen die Plessur. Auch dieser Anschlussflügel der bestehenden Dorfbachbrücke musste durch eine Brückenkonstruktion ersetzt werden, die in kürzester Zeit ohne www.rhb-info.ch 16
Unterbruch der Lüener Speditionen erstellt werden konnte. Man wählte drei eiserne Blechbalken zu je 12 m Spannweite, weil die dortige Bahnkurve keine längeren Spann- weiten zuliess und weil sowohl Steinbogen als Eisenbeton-Lehnenviadukte, die ebenfalls studiert worden waren, hier mehr gekostet hätten. Um ein Abschieben dieser Widerlager und Pfeiler auf dem gewachsenen Felsen, auf den hier abgeteuft werden musste, zu erschweren, wurden auch hier Eisenanker einfundamentiert und zudem der Schubwirkung der Rutschmasserı durch eisbrecherähnliche Kelle begegnet. Dieser Brückenbau wurde von Bosshard AG. Näfels, und Gebr. Baumann & Stiefenhofer vom Januar bis März 1914 sehr befriedigend durchgeführt. Um noch allfälliges Sickerwasser von der Brücke fern zu halten, ist über derselben ein mehr als 40 m langer Entwässerungsstollen, der Felsoberfläche nachstreichend. getrieben worden. Zug der ChA auf dem Weg nach Arosa um 1930 (Foto: Archiv RhB) Bei km 3,98, an einer Stelle, die beim Baubeginn zu Rutschungen geneigt schien, ist ein ganzes Reserve-Widerlager eingemauert worden, von dem aus mit einer einzigen Öffnung von 46 m die Rutschpartie bis in den Steinbruch bei km 4,1 überbrückt werden könnte. Von km 4,1 bis 4,2 lag die Bahn vom Herbst 1912 bis Frühling 1914 fertig und wurde in www.rhb-info.ch 17
dieser Zeit von 60-cm- und meterspurigen Materialzügen mit Dampfbetrieb befahren, ohne dass sich Gleissetzungen zeigten. Da trat plötzlich eine starke Senkung ein, an der Plessur sickerte Wasser aus dem Hang, und der schöne Hochwald fiel allmählich Stamm für Stamm gegen den Fluss. Zwei eingebaute Entwässerungsstollen wurden zerdrückt, die Futtermauer umgeworfen, Jetzt ist der bergseitige Hang durch eine bis 4 m starke Mörtelmauer gehalten und durch Sickerschlitze in einen Heberschacht entwässert. Während der Schnee- schmelze wird der Schacht täglich ausgepumpt, was bis- her ein Maximalquantum innert 24 Stunden von 147 Liter ergab. Gelingt es, den Hang so weit zu konsolidieren, dass Stollen unter der Bahnlinie nicht mehr zerdrückt werden und zeigt sich dies später noch als notwendig, so soll dann erst das Wasser nicht nur ausgepumpt, sondern abgezapft werden. Von km 4,7 bis km 5 sind über und unter der Bahnlinie 252 m Entwässerungsstollen (Betonsohlen und Steinpackung darüber) und lange Holzkanalableitungen bis an die Plessur erstellt worden. Die kleine Brücke bei km 4,844. die glücklicherweise auf Felsen abgestellt worden war, er- hielt durch den nassen Bergschutt einen solchen Schub auf ihr turmartiges Widerlager I, dass das erste Gewölbe riss und mit Trockenmauerwerk ausgepackt werden musste. Mit den obgenannten Entwässerungsanlagen konnten keine Bewegung mehr konstatiert werden. Die Spundetschpartie km 5,0 bis km 5,3 stellte an alle Mitarbeiter wie auch an den Geldbeutel der Chur-Arosa- Bahn ausserordentliche Anforderungen. Wer den trostlosen Zustand dieser Rutsch- und Einsturzstrecke im April 1914 gesehen hat, kann jetzt noch kaum begreifen, wie es der Energie des bauleitenden lngenieurs Rovida und der ausführenden Ingenieure Stiefenhofer von Gebr, Baumann & Stiefenhofer und Zwygart von Ed. Züblin & Cie. mit ihren Arbeitern trotz den Hemmnissen des Kriegsausbruches und der Mobilisation gelang, auch hier die Bahn in nur fünf Monaten betriebsbereit zu machen. Der “Spundetscha“ machte bei den ersten Begehungen keinen gefährlichen Eindruck, trotzdem der Name „Schlechter Hang“ etwas verdächtig klang. Eine Art „Fels“ trat sowohl unter dem Stall von Bargils als auch mitten in dem vorhandenen Rinnsal zu Tage. Das ursprüngliche Projekt einer offenen Linie wurde mehr zur äussersten Sicherheit durch einen Tunnel von 148 m Länge ersetzt. www.rhb-info.ch 18
Bahnhof Arosa um 1926 (Foto: Archiv BBC) Dieser Tunnel war am 31. Oktober 1912 schon durchgeschlagen. ergab am untern Portal auf 50 m trockenen Bergschutt, dann auf 80 m brüchigen Bündnerschiefer und auf 18 m wieder Bergschutt. Bis zum Mai 1913 waren die Übergangsringe vom Schutt zum Felsen ausgemauert. Da sich dann am untern Portal bald Druckerscheinungen zeigten, wurden die dortigen Ringe nach Spezialtypen mit talseitig strebepfeilerförmigen und bergseitig eisenversteiften Widerlagern verstärkt. lm Oktober 1913 war der ganze Tunnel fertig und konnte bis zum Februar 1914 von den Materialzügen gefahrlos befahren werden. Risse im Gewölbescheitel und auf Zentrumhöhe wurden regelmässig beobachtet und liessen bis da- hin auf wenig Bewegung schliessen. Bald aber wurden die bergseitigen Widerlager in den Schuttstrecken stark ein- gedrückt, und Anfang April trat am untern Portal noch eine Bodensenkung hinzu, die zum schweren Entschluss zwang, dieses Tunnelstück aufzugeben und auf Vorschlag von Sektionsingenieur H. Studer einen Umgehungstunnel mit Einmündung in das mittlere, im Bündnerschiefer ruhig gebliebene Tunnelstück zu bauen. Die eingedrückten Ringe am obern Portal beschloss man, unter Beibehaltung der bisherigen Tunnelachse, durch eine armierte www.rhb-info.ch 19
Tunnelröhre zu ersetzen, weil dort absolut keine Bodenbewegung, sondern nur ein Eindrücken der bergseitigen Widerlager zu beobachten war. Auch hier durften während dieses Tunnelbaues die Maschinentransporte nach Lüen nicht unterbrochen werden, es war also nötig, eine provisorische, offene Linie (nach dem ursprünglichen Projekt) um den Bergvorsprung herum zu legen, so dass an dieser Stelle nun drei Bahntrassees, eine offene, eine verschüttete und die jetzt im Betrieb stehende Linie nebeneinander zu liegen kamen. Die sechs Felder der hölzernen Pfahljoch-Notbrücke, auf 12 t Achsdruck berechnet, bilden in diesem Rutschgebiet eine wertvolle Reserve, die aber hoffentlich nicht wieder zur Verwendung kommen möge. Am 9.April wurde der Umgehungstunnel an Gebr. Baumann & Stiefenhofer und am 15. April die Eisenbeton-Rekonstruktionspartie an Ed. Züblin & Cie. vergeben. Anfangs September war der ganze 283 m lange Tunnel samt dem sehr tief auf Fels fundierten untern Portal betriebsbereit. Bis jetzt konnten weder Risse noch Setzungen auf dieser umgebauten Strecke beobachtet werden. Unerwartet schlecht war auch das Bündnerschiefergebirge des Umgehungstunnels. So sind wir denn am Ende dieser 3 km langen Leidensstrecke angelangt, und erleichtert betritt der Fuss bei km 5,4 am Schmalztobel-Viadukt sicherem Boden, um bis Arosa, ganz wenige Stellen ausgenommen, darauf zu bleiben. Eine grosse Befriedigung für Bauleiter und Unternehmer, dass trotz allen geschilderten Schwierigkeiten die Linie rechtzeitig und ohne schweren Unfall beendigt werden konnte. Der Castieler-Viadukt verdient als grösste Steinbaute der Chur-Arosa-Bahn hervorgehoben zu werden. Ein mehr durch Unachtsamkeit der Arbeiter entstandener Einsturz im daran anschliessenden Bärenfallentunnel sowie Verstärkungsarbeiten in der Schuttpartie am obern Portal drohten im April 1914 die mehrfach genannten Transporte zu verzögern; durch Prämien gelang es aber auch hier, die Bahn im richtigen Augenblick doch noch frei zu bekommen. Die Cuora-Eisschlag-Galerie bei km 7,85 ist mehr wegen ihrer in die Felswand eingeklemmten Lage am Ausgang des Cuora-Tunnels erwähnenswert. Die Capalserrutsch-Brücke, die an Stelle einer wandernden Moränenanschüttung bei km 11,7 eingeschaltet werden musste und die leider wegen der engen Kurve nicht in einer einzigen Öffnung überspannt werden konnte, er- forderte eine sehr tiefe Fundation des Mittelpfeilers. Die Gründjetobelbrücke mit 85 m weiter Mittelöffnung, von Müller, Zeerleder & Gobat gemeinsam mit Favre & Cie, erbaut, hat wie der grosse Langwieser-Viadukt bei den www.rhb-info.ch 20
Brückenbelastungsproben (mit 90 t) eine elastische Durchbiegung von 2 bis 2 1/2 mm ergeben. Irgendwelche unvorhergesehene Fundations- und Bauerschwernisse traten hier nicht ein. Grosse Mehrkubaturen hingegen brachte der Langwieser Viadukt. Auf der zu Rutschungen geneigten Aroserseite wurden alle Nebenpfeiler durch eine Betonplatte mit Verstärkungsgerippen auf das Widerlager des grossen Bogens abgestützt und durch umfangreiche Sickerungs- und Stollen-Einbauten entwässert. Die eigentliche Brücke konnte bis auf die Fundation genau nach Projekt ausgeführt werden, was bei einem so gewaltigen Bauwerk am besten für die gewissenhafte Planausarbeitung und Planvorbereitung spricht. Der m2 überbaute Fläche kommt nach der gegenseitig unterzeichneten Abrechnung einschliesslich aller Uferschutz- und Entwässerungsarbeiten auf Fr. 46.60 zu stehen. Der Durchschnitt von 33 Viadukten der Albulabahn (1900-1903 erbaut) ergab Fr. 45.-, Ebensowenig wie man den leicht aufgebaut wirkenden und rein nach statischer Notwendigkeit dimensionierten Stäben und Maschen ansieht, dass 7469 m3 Beton und 330 t Eisen für dieses Bauwerk, auf das die Firma Ed. Züblin & Cie. mit Recht stolz sein darf, nötig waren und dass ungefähr die Hälfte des Betons in den Fundationsarbeiten liegt, ebensowenig lassen sich für den, der im bequemen Motorwagen in anderthalb Stunden (heute in 60 Minuten) von Chur nach Arosa fährt, die Schwierigkeiten ermessen, die namentlich die letzte Bauperiode allen Mitarbeitenden brachte. Chur, 27. Februar 1915 G. Bener Bahnverhältnisse 1914 Gesamte Bahnlänge 25.6 km, Spurweite 1000 mm. Maximale Steigung 60 Promille. Kleinster Krümmungshalbmesser 60 m. In der Stadt Chur Rillen-Schienen von 42.8 kg Gewicht pro laufenden Meter. Auf eigenem Bahnkörper Vignol- Schienen von 24,2 kg Gewicht pro laufenden Meter. Zulässiger Achsdruck 10,5 Tonnen. Stromsystem: Gleichstrom, Spannung am Fahrdraht normal 2000 Volt, bei schwachbelastetem Netz 2200 Volt. Die ersten Betriebsjahre www.rhb-info.ch 21
Die Bahn bewährte sich von den ersten Tagen an, und die Schwierigkeiten der Kriegs- und Nachkriegsjahre liessen sich durch die gemeinsamen Anstrengungen aller an der Bahn interessierten Kreise überwinden. Von Personalmangel war nicht die Rede, denn auf 60 zu vergebende Stellen hatten sich 300 Bewerber angemeldet. Für den Personenverkehr standen dem jungen Unternehmen bis zum Jahre 1925 vier Motorwagen mit sechs zweiachsigen Personen-Anhängewagen zur Verfügung. Im Jahre 1925 kamen ausser einem fünften Motorwagen weitere Personenwagen hinzu, und die bis zum Jahre 1932 dauernde starke Baukonjunktur in Arosa brachte die Anschaffung einer Reihe von Güterwagen mit sich. Die guten Verkehrsjahre 1925-1932 erlaubten weitgehende Verbesserungen an den elektrischen Einrichtungen und schöne Geschäftsabschlüsse, ja sogar Dividendenauszahlungen und bescheidene Rückstellungen. Stationsgebäude von St.Peter-Molinis (Foto: F. Wild) Drückende Sorgen erwuchsen der Bahnleitung erst, als nach wenigen Jahren mit guten Erträgnissen die Krisenjahre und die immer mehr spürbare Konkurrenz des Autos auch der Chur-Arosa-Bahn schwer zusetzten. Wollte man das Bahnunternehmen einer wirksamen Bundeshilfe teilhaftig werden lassen, so bedingte dies die Vereinigung (Fusion) mit der Rhätischen Bahn. Die Sorgen wurden jedoch erst kleiner, als nach dem zweiten Weltkrieg ein neuer Aufschwung eintrat www.rhb-info.ch 22
und sich die Erkenntnis durchsetzte, dass das Zeitalter der Eisenbahn eigentlich erst angebrochen sei. Eine freudige Überraschung für den Reisenden bieten die schmucken Stationsgebäude mit ihrer dunklen Holzfarbe und den sinnvollen Kernsprüchen. Lüen-Castiel: Wo ein Wille – da ist auch ein Weg! St.Peter-Molinis: Fürcht nicht die Welt! – greif tapfer an! Peist: Es eilt die Zeit – Mensch sei bereit! Langwies: Höhen und Tiefen ebnet die Zeit – versteh sie und schaffe! Litzirüti: Für Fortschritt und Verkehr – dem Bündnerland zur Ehr! Die pittoresken Sand- und Steintürme (Erdpfeiler) in den Moränen des Gross- und Gründjetobels erinnern an die Rheinschlucht bei Versam und an die Pyramiden krönen, halten Wind und Regen ab, so dass der sandige Sockel durch diese nur sehr langsam abgetragen wird. Die Chur-Arosa-Strecke bei der RhB Die Speisung der Strecke erfolgte bei der Übernahme durch die RhB vom Kraftwerk Lüen durch einen Turbo- Gleichstromgenerator von 520 kW Leistung und einer Umformergruppe von ebenfalls 520 kW Leistung. In Langwies (km 17,900) war eine Gleichrichteranlage von 650 kW Leistung aufgestellt, die durch eine 10-kV-Leitung mit dem Kraftwerk Lüen verbunden war. Diese Leistung genügte den Anforderungen des Verkehrs nach 1942 nicht mehr. Für die Gleichrichterstation Langwies, die nur aus einem Mutator besteht, fehlte überdies die Reserve. Der Spannungsverlust betrug auf der Strecke oberhalb Langwies bis zirka 30%. Die Geschwindigkeit schwerer Züge mit Doppeltraktion sank von 20 auf 14 km/h. Die erste Massnahme galt hier der Verbesserung der Stromversorgung und der Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Fahrleitungsanlage. lm Vordergrund stand die Frage des Umbaues von Gleichstrom auf Einphasenwechselstrom 16 2/3 ~ 11000 V und damit Anpassung an das Stammnetz. Nach gründlicher Untersuchung und www.rhb-info.ch 23
Wirtschaftlichkeitsberechnungen musste ein solcher Umbau abgelehnt werden. Eine Hauptschwierigkeit bestand in der Stromversorgung mit Einphasen-Wechselstrom. Für die Beibehaltung des Gleichstromes sprach auch der Umstand, dass die vorhandenen sechs Triebwagen sich trotz ihres Alters noch in gutem Zustande befanden, indem deren Motoren erst im Jahre 1931 gegen leistungsfähigere ersetzt wurden. Beim Entscheid der Stromsystemfrage spielte ferner die Tatsache eine Rolle, dass die Hauptverkehrssaison der ChA die Winterszeit ist, während bei der Berninabahn der Hauptverkehr sich auf die Sommersaison erstreckt. Langwieser-Viadukt mit Pendelzug (Foto: H. Räss) www.rhb-info.ch 24
Der Gedanke lag deshalb nahe, dass die Betriebsmittel dieser beiden Bahnen sich gegenseitig ergänzen können und deshalb aufeinander abzustimmen sind. Bei oberflächlicher Betrachtung schien die Anpassung des Stromsystemes der Chur-Arosa-Bahn an dasjenige des Stammnetzes die beste Lösung zu sein, weshalb die Gründe, die zur Beibehaltung des Gleichstromes führten, hier erwähnt wurden. Durch Erstellung von drei neuen Gleichrichterstationen und mit derjenigen von Langwies wurde die Stromversorgung der Chur-Arosa-Bahn mit dem Landesversorgungsnetz verbunden und sichergestellt. Der Stadt Chur war es sehr willkommen, dass die GIeichstromerzeugungsanlagen in ihrem Kraftwerk Lüen aufgehoben und durch eine in der Station Lüen erstellte Gleichrichteranlage ersetzt wurden. Damit wurde im Kraftwerk Lüen Platz geschaffen für dessen geplante Erweiterung und für die Erhöhung der Kraftwerkleistung. Die automatische Gleichrichteranlage Lüen wurde im Auftrag der RhB durch die BBC erstellt. Dieselbe umfasst ausser einem Gleichrichter von 800 kW Dauerleistung einen Wechselrichter von 400 kW Leistung. Letzterer dient zur Ermöglichung der Anwendung der Rekuperationsbremse, die schon im Jahre 1931 in die Triebwagen der ChA eingebaut wurden: die Kraftwerkdirektion lehnte jedoch damals die Anwendung der Rekuperationsbremse (Nutzstrombremse) ab, da beim Fehlen von bergfahrenden Zügen am Turbogenerator gefährliche Überspannungen und Tourenzahlerhöhungen auftraten. Der Wechselrichter entnimmt dem Fahrdraht dauernd ca. 20 A bei 2200 Volt Spannung, welche Leistung mit einem Wirkungsgrad von 98% in Drehstrom umgeformt wird. Dieser Mutator steht somit immer in Wechselrichterschaltung zur Aufnahme von Bremsenergie der talfahrenden Züge. Ein von Hand zu bedienender Schalter ermöglicht die Umschaltung des Wechselrichters als Gleichrichter, was anlässlich eventueller Störungen oder ausserordentlicher Belastungen des Gleichrichters für 800 kW erwünscht sein könnte. Die Reserve für den Gleichrichter in Lüen wurde im Kraftwerk Sand der Stadt Chur, bei km 1,900, durch Aufstellung eines Gleichrichters von 800 kW Dauerleistung hergestellt. Die Reserve für die Gleichrichteranlage in Langwies (km 17,800) wurde durch Aufstellung eines Gleichrichters von ebenfalls 800 kW Dauerleistung in der Nähe des Kraftwerkes Arosa (bei km 22,800) hergestellt. Die Speisung der Bahn erfolgt somit an vier Stellen, nämlich: Kraftwerk Sand (km 1,9), Station Lüen (km 8,750). www.rhb-info.ch 25
Station Langwies (km 17,800) und Haspelgrube (km 22,800). Bei diesem Betriebszustande ist der Spannungsabfall bei vollbelasteten Zügen so unbedeutend, dass in den Steigungen von 60 Promille, von Chur-Arosa, die Geschwindigkeit der Züge praktisch unverändert bleibt. Mit der Aufstellung der Gleichrichteranlage „Sand“ ist eine Verminderung der Erdströme in der Stadt Chur verbunden, und es wird erwartet, dass weniger Korrosionen an eisernen Rohrleitungen auftreten. Die Leistungsfähigkeit der Fahrleitung war nun derart, dass sich die Züge auf Stationsdistanz folgen können. Die erzielten Einsparungen gestatten gegenüber dem früheren Zustande eine zehnprozentige Verzinsung und Amortisation der Gleichrichteranlagen. Die grössten Belastungsspitzen treten im Winter an Samstag-Nachmittagen und an Sonntagen auf, zu einer Zeit, wo das Landesversorgungsnetz durch die Industrie entlastet ist, im Gegensatz zur Stromversorgung des Stammnetzes, das zu dieser Zeit die Hauptbelastung aufweist. Da die sechs alten Triebwagen der ChA revisionsbedürftig waren und Mängel aufwiesen, welche die Betriebssicherheit stark herabsetzten und ausserdem zahlenmässig zur Bewältigung des Wintersportverkehrs nicht ausreichten, war es dringend nötig, so rasch als möglich für weitere Triebfahrzeuge zu sorgen. ABe 4/4 I Nr. 34 beim Depot Chur-Sand (Foto: H. Räss) www.rhb-info.ch 26
Da, wie vorstehend erwähnt, die Berninabahn im Winter einen schwachen Verkehr aufweist, war es möglich, vier BB-Triebwagen (Nr. 31-34) für die Benützung auch auf der Chur-Arosa-Bahn umzubauen. Dieser Gedanke war besonders deshalb naheliegend, weil die Triebwagen der Berninabahn ebenfalls renovationsbedürftig waren. Zudem deren Leistungsfähigkeit (300 PS) für eine grössere Anzahl Züge auf Steigungen von 70 Promille zu gering war, was dazu führte, dass im Sommer oft wegen kleinen Güterbelastungen Züge mit zwei Personentriebwagen geführt werden müssen. Mit dem Umbau und der Renovation von BB-Triebwagen konnten die Betriebsverhältnisse gleichzeitig für beide Bahnstrecken verbessert werden. Bergwärts fahrender Zug bei Arosa (Foto: H. Räss) www.rhb-info.ch 27
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