Die Geschichte des nationalliberalen Lagers und der FPÖ - Begleitheft zur Dokumentarserie auf www.youtube.com/freiheitlichesbildungsinstitut

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Die Geschichte des nationalliberalen Lagers und der FPÖ - Begleitheft zur Dokumentarserie auf www.youtube.com/freiheitlichesbildungsinstitut
Die Geschichte des nationalliberalen
        Lagers und der FPÖ
        Begleitheft zur Dokumentarserie auf
    www.youtube.com/freiheitlichesbildungsinstitut
Die Geschichte des nationalliberalen Lagers und der FPÖ - Begleitheft zur Dokumentarserie auf www.youtube.com/freiheitlichesbildungsinstitut
FBI-FILMDOKUMENTE
                                                                  Die Freiheitliche Partei Österreichs wurde am 7. April 1956 im Rahmen eines Gründungs-
                                                                  parteitages ins Leben gerufen. In ihrem Namen trägt sie das Wort „Freiheit“, das
                                                                  als Grundelement der Programmatik gilt. Die Wurzeln dieser nationalliberalen und frei-
                                                                  heitlichen Gesinnungsgemeinschaft gehen bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück.

                                                                  In einer Dokumentarserie beleuchten wir die Geschichte des nationalliberalen Lagers
                                                                  und der FPÖ. Dies ist das Begleitheft dazu.

                                                                  Sehen Sie hier die Filmdoku:

    Impressum

      2020
    Freiheitliches Bildungsinstitut
    Gesellschaft für Politik, Kultur und Meinungsfreiheit (FBI)
    Friedrich-Schmidt-Platz 4/3a, 1080 Wien
    www.fbi-politikschule.at

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Die Geschichte des nationalliberalen Lagers und der FPÖ - Begleitheft zur Dokumentarserie auf www.youtube.com/freiheitlichesbildungsinstitut
Inhaltsverzeichnis
    1. Vorwort                                                                        7    9. Das sozialliberale Experiment                                    22
      von Herbert Kickl                                                                      Norbert Steger und die erste Regierungsbeteiligung der FPÖ

    2. Die Revolution von 1848 und die Bedeutung der Burschenschaften                 8    10. Der Aufstieg der FPÖ zur Mittelpartei                           24
      Die Wurzeln des freiheitlichen Gedankenguts                                             Jörg Haider und der Kampf gegen das rot-schwarze System

    3. Die stärkste Kraft im österreichischen Reichsrat                               10   11. Die FPÖ in der Krise                                            26
      Die nationalliberalen Parteien und der Parlamentarismus unter Franz Joseph I.           Von der schwarz-blauen Koalition 2000 bis zur Gründung des BZÖ

    4. Die Nationalliberalen an der Wiege der Republik                                12   12. Der Wiederaufstieg der FPÖ unter HC Strache                     28
      Das Dritte Lager und die Gründung der Republik Deutschösterreich 1918                   Der Kurs als „soziale Heimatpartei“

    5. Von der Republiksgründung bis zum „Anschluss”                                  14   13. Eine Reformkoalition für Österreich                             30
      Die Nationalliberalen in der Ersten Republik                                            Von der Bundespräsidentenwahl 2016 bis zur „Ibiza-Affäre”

    6. Die Rückkehr des Dritten Lagers nach 1945                                      16
      Der Aufstieg und Fall des VdU

    7. Die Gründung der FPÖ                                                           18
      Die Jahre 1956 bis 1958

    8. Eine nationalliberale Honoratiorenpartei                                       20
      Die Ära Friedrich Peter

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Die Geschichte des nationalliberalen Lagers und der FPÖ - Begleitheft zur Dokumentarserie auf www.youtube.com/freiheitlichesbildungsinstitut
Vorwort

    Liebe Leserinnen und Leser!

    Das Dritte Lager hat eine wechselvolle Geschichte durchlaufen. Diese beginnt
    mit dem Revolutionsjahr 1848 und führt über das Ende der Monarchie und
    die beiden Weltkriege sowie über die Erste Republik bis hin zur Wiederer-
    richtung Österreichs in der Zweiten Republik. Auch das Ende des Ostblocks,
    der österreichische EU-Beitritt und mehrere freiheitliche Regierungsbeteili-
    gungen in Bund und Ländern zählen zu den Ereignissen, die unsere Heimat
    prägten. Und niemand kann leugnen, dass die Freiheitlichen stets einen
    wesentlichen Beitrag für die Geschichte Österreichs und für Demokratie und
    Rechtsstaatlichkeit leisteten. Darüber können auch tragische Irrwege verein-
    zelter Repräsentanten nicht hinwegtäuschen.

    Umso wichtiger ist es daher, seine eigene Geschichte zu kennen. Denn nur
    wer weiß, wo er herkommt, kann die Orientierung
    für den Weg in die Zukunft finden. Dazu soll die vor-
    liegende Dokumentationsreihe über die Ge-
    schichte der FPÖ und des nationalliberalen
    Lagers von 1848 bis heute ihren Beitrag leisten.
    Und jeder wird erkennen, dass „Die Freiheit, die
    wir meinen“ auch heute noch hochaktuell ist.

    Herbert Kickl
    Präsident des
    Freiheitlichen Bildungsinstituts

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Die Geschichte des nationalliberalen Lagers und der FPÖ - Begleitheft zur Dokumentarserie auf www.youtube.com/freiheitlichesbildungsinstitut
Foto: Illustration / F. Werner
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                                                                                                                                    die Urburschenschaft und demonstrierten für       Deutschland – den Wahlen für eine künftige
                                                                                                                                    Freiheit und Verfassung – etwa beim               deutsche Nationalversammlung. Diese trat
                                                                                                                                    Hambacher Fest 1832, bei dem 30.000 Men-          erstmals am 18. Mai 1848 in der Frankfurter
                                                                                                                                    schen unter den burschenschaftlichen Farben       Paulskirche zusammen und der liberale Bur-
                                                                                                                                    Schwarz-Rot-Gold, die später die Farben der       schenschafter Heinrich Freiherr von Gagern
                                                                                                                                    deutschen Fahne wurden, für nationale Ein-        wurde zum Präsidenten gewählt. Die wich-
                                                                                                                                    heit und Volkssouveränität eintraten.             tigste Aufgabe der Nationalversammlung war
                                                                                                                                                                                      die Entwicklung einer deutschen Verfassung.
                                                                                                                                    Am 12. März 1848 versammelten sich die Stu-
                                                                                                                                    denten in der Universität Wien, darunter Mit-     Es kam zu weiteren Aufständen der Studen-
                                                                                                                                    glieder der bis dahin im Geheimen                 ten und von revolutionären Bürgern, die aber
                                                                                                                                    bestehenden Burschenschaft Arminia, und           letztlich blutig an der kaiserlichen Armee
                                                                                                                                    verlangten in einer Petition die Presse- und      scheiterten. Wien wurde im Oktober 1848 von
                                                                                                                                    Redefreiheit, die Freiheit der Universität, die   den kaiserlichen Truppen eingenommen und
                                                                                                                                    Religionsfreiheit und die Gleichstellung der      Franz Joseph I. stellte im Kaiserreich Öster-
                                                                                                                                    jüdischen Mitbürger sowie ein vom Volk ge-        reich den alten Absolutismus wieder her. Die
                                                                                                                                    wähltes Parlament. Am Folgetag kam es zu          Revolution war gescheitert.
                                                                                                                                    einem verlustreichen Aufstand, dem sich auch
                                                                                                                                    weitere Bürger anschlossen. Parallel dazu         Der Idealismus der Revolutionäre von 1848,
                                                                                                                                    stürmten in den Vorstädten die Arbeiter aus       ihr freiheitliches Denken, ihr demokratisches
                                                                                                                                    Protest gegen ihre Arbeitsbedingungen die         Streben und ihr soziales Fühlen für die
     Bei der Universität Wien wurden im Mai 1848 Barrikaden errichtet.                                                              Fabriken.                                         Arbeiter und die ärmsten Bevölkerungs-
                                                                                                                                                                                      schichten sollten jedoch für die Entwicklung
                                                                                                                                    Diese bürgerliche Revolution erfasste ganz        des nationalliberalen Lagers in Österreich
    Die Revolution von 1848 und die Bedeutung

                                                                                                                                      „
                                                                                                                                    Deutschland von Berlin bis Wien und blieb         bis zum heutigen Tag als Vorbild weiter-
                                                                                                                                    nicht ohne Folgen: Es kam zu den ersten           wirken.
    der Burschenschaften
    Die Wurzeln des freiheitlichen Gedankenguts
    Nach den napoleonischen Kriegen wurde auf      Unterdrückung nationaler und liberaler Bewe-
    dem Wiener Kongress 1814/15 der Deutsche       gungen wahr und forderten einen deutschen                                            Die Urburschenschaft kämpfte für Freiheit und eine Verfassung unter
    Bund geschaffen – ein loser Staatenbund aus    Nationalstaat.                                                                       den burschenschaftlichen Farben Schwarz-Rot-Gold, die später die
    den deutschen Ländern und Teilen des Kaiser-
    reichs Österreich. Etliche Zeitgenossen nah-   Eine neue bürgerliche Freiheitsbewegung zog                                          Farben der deutschen Fahne wurden.
    men dieses absolutistische Gebilde als         sich quer durch Deutschland, deren Träger die

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Die Geschichte des nationalliberalen Lagers und der FPÖ - Begleitheft zur Dokumentarserie auf www.youtube.com/freiheitlichesbildungsinstitut
Foto: Wilhelm Müller
     Die stärkste Kraft im österreichischen Reichsrat
     Die nationalliberalen Parteien und der Parlamentarismus
     unter Franz Joseph I.

     In den letzten Jahren des Absolutismus in       Nach der Niederlage Österreichs gegen das
     der österreichischen Habsburgermonarchie        Königreich Preußen bei Königgrätz 1866 und
     kam es nach dem verlorenen Krieg gegen          der daraus resultierenden politischen Ver-
     Frankreich und Sardinien-Piemont 1859 sowie     drängung Österreichs aus Deutschland
     dem Verlust von Gebieten in Italien zu einem    musste Kaiser Franz Joseph I. 1867 den Aus-
     innenpolitischen Tauwetter. Bürgerliche Ver-    gleich mit Ungarn zulassen. Für die österrei-
     eine und Studentenverbindungen erhielten        chische Reichshälfte der neu gebildeten
     Zulauf, wobei diese zur Basis des nationalli-   Doppelmonarchie Österreich-Ungarn – die
     beralen Lagers werden sollten. Der bera-        „im Reichsrat vertretenen Königreiche und
     tende Reichstag wurde um Mitglieder der         Länder“ – wurde die Dezemberverfassung             Die Sitzungen des Reichsrats fanden bereits im Parlament an der Wiener Ringstraße statt.
     neuen Landtage erweitert und 1860 durch         von 1867 erlassen und ein eigenes Parla-
     das Oktoberdiplom gestärkt. Die Liberalen       ment, der Reichsrat in Wien, eingerichtet.
     unter Staatsminister Anton Ritter von                                                             Slawen. Denn seit dem Krieg mit Preußen         lern und Mitstreitern gehörten Karl Lueger,
     Schmerling strebten aber eine echte parla-      Im österreichischen Reichsrat waren die Na-       1866 war Österreich vom größten Teil des        der Begründer der christlichsozialen Bewe-
     mentarische Verfassung an. So kam es 1861       tionalliberalen die weitaus stärkste Kraft. Sie   deutschen Sprachraums abgetrennt, obwohl        gung, sowie Victor Adler und Engelbert
     zum Februarpatent, das für die gesamte          befanden sich in Gegnerschaft zu den Katho-       die Habsburger in deutschen Angelegenhei-       Pernerstorfer, die Gründer der Sozialdemo-
     österreichische Monarchie galt und den          lisch-Konservativen. Darüber hinaus schürte       ten über Jahrhunderte eine führende Rolle       kratie. Letztere waren übrigens auch Bur-
     Reichsrat zu einem Parlament mit Gesetzge-      ihr Eintreten für die deutschsprachige Bevöl-     gespielt hatten. Plötzlich standen die          schenschafter. Schönerer radikalisierte sich

      „
     bungskompetenz machte.                          kerung der Monarchie den Konflikt mit den         deutschsprachigen Österreicher in Öster-        zunehmend. Ihm und seiner Alldeutschen
                                                                                                       reich-Ungarn einer Mehrheit nicht deutscher     Vereinigung stand allerdings eine Reihe ge-
                                                                                                       Völker gegenüber.                               mäßigter nationalliberaler Politiker wie etwa
                                                                                                                                                       Otto Steinwender gegenüber.
                                                                                                       Es entwickelten sich daher mehrere natio-
                                                                                                       nalliberale Parteien, die in Summe immer        Die nationalliberalen Kräfte in Österreich
                                                                                                       die Mehrheit im österreichischen Reichsrat      setzten sich aber auch besonders für das all-
                                                                                                       stellten – aber auch zerstritten waren. Daher   gemeine Wahlrecht ein, das 1907 erstmals
            Das nationalliberale Lager war von Beginn an eine tragende Kraft                           kann man das nationalliberale Lager von         als allgemeines, gleiches, geheimes und di-
            des österreichischen Parlaments. Die nationalliberalen Parteien                            Anbeginn an als tragende Kraft des öster-       rektes Wahlrecht für alle Männer zur Anwen-
            hatten in Summe immer die Mehrheit im österreichischen Reichs-                             reichischen Parlamentarismus bezeichnen.        dung kam. Das nationalliberale Lager trat
                                                                                                                                                       jedoch gleichzeitig auch für den Bestand
            rat.                                                                                       Eine besonders prägende Persönlichkeit war      Österreich-Ungarns ein und zog schließlich
                                                                                                       Georg Ritter von Schönerer, der als Sozialre-   für Kaiser und Vaterland in den Ersten Welt-
                                                                                                       former auftrat. Zu seinen politischen Schü-     krieg.

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                                                                                                                            Deutschösterreich bezieht sich auf diesen         bäudes am Wiener Ring aus die neue Repu-
                                                                                                                            30. Oktober 1918.                                 blik ausrief.

                                                                                                                            Als erster Präsident der Provisorischen Natio-    Die erste Volkswahl zur Konstituierenden
                                                                                                                            nalversammlung amtierte der Deutschliberale       Nationalversammlung fand sodann am 16.
                                                                                                                            und Burschenschafter Franz Dinghofer. Zum         Februar 1919 statt, wobei erstmals auch
                                                                                                                            Staatskanzler wählte man den Sozialdemo-          Frauen ihre Stimme abgeben konnten. Von
                                                                                                                            kraten Karl Renner. Nach dem Verzicht Kaiser      den 170 neuen Abgeordneten entfielen 72
      Die Ausrufung der Republik erfolgte am 12. November 1918 vor dem Parlament                                            Karls I. an jeglichem Anteil an den Staatsge-     auf die Sozialdemokraten, 69 auf die Christ-
      an der Wiener Ringstraße.                                                                                             schäften, wurde in der dritten Sitzung der        lichsozialen und nur mehr 26 auf die natio-
                                                                                                                            Provisorischen Nationalversammlung am 12.         nalliberalen beziehungsweise deutsch-
                                                                                                                            November 1918 – drei Tage nach der Ausru-         nationalen Parteien.
     Die Nationalliberalen an der Wiege der Republik                                                                        fung der deutschen Republik in Berlin – ein-
                                                                                                                            stimmig das Gesetz „über die Staats- und          Damit waren diese zum Dritten Lager in der
     Das Dritte Lager und die Gründung der Republik                                                                         Regierungsform von Deutschösterreich“ be-         neuen Republik geworden – eine bis heute
     Deutschösterreich 1918                                                                                                 schlossen. Die ersten beiden Artikel lauteten:    verwendete Bezeichnung. Die Nationallibe-
                                                                                                                            „Artikel 1. Deutschösterreich ist eine demokra-   ralen waren damit eng mit der Entstehung
     Die über 600 Jahre andauernde Herrschaft         lichsozialen und den Sozialdemokraten. Dabei
                                                                                                                            tische Republik. Alle öffentlichen Gewalten       der Ersten Republik verbunden – aus staats-
     des Hauses Habsburg in Österreich ging nach      beschloss man die Gründung eines selbst-
                                                                                                                            werden vom Volke eingesetzt. Artikel 2.           politischer Räson war das größte parlamen-
     dem verlorenen Ersten Weltkrieg 1918 zu Ende.    ständigen Staates und konstituierte sich als
                                                                                                                            Deutschösterreich ist ein Bestandteil der         tarische Lager des alten Reichsrats ja sogar

                                                                                                                             „
     Kaiser Karl I. war nach dem Tod von Franz        Provisorische Nationalversammlung. Als
                                                                                                                            deutschen Republik [...]“ Franz Dinghofer war     bereit, den unmittelbaren Führungsanspruch
     Josef I. im Kriegsjahr 1916 auf den Thron ge-    Staatsname für die neue Republik wählte man
                                                                                                                            schließlich jener Politiker, der am 12. Novem-    an die Sozialdemokraten abzugeben.
     kommen und hatte danach noch vergeblich          „Deutschösterreich“. Diese Nationalversamm-
     versucht, die Doppelmonarchie Österreich-Un-     lung gilt daher als erstes österreichisches Par-
     garn als „Bund freier Völker’ zu erhalten.       lament.

     Mit dem Ausscheiden der anderen Nationali-       Am 30. Oktober 1918 nahm diese eine vor-
     täten aus dem Reichsverband traten am 21.        läufige Verfassung an und richtete eine
     Oktober 1918 daher auch 208 deutschspra-         Note an den Präsidenten der USA, Woodrow                                     Der deutschliberale Burschenschafter Franz Dinghofer rief als
     chige Abgeordnete des Wiener Reichsrats, der     Wilson, wonach die „Deutsche Nation in
                                                                                                                                   Präsident der Provisorischen Nationalversammlung am 12. Novem-
     für die österreichische Reichshälfte zuständig   Österreich“ beschlossen habe, einen eigenen
     war, im Niederösterreichischen Landhaus in       Staat zu bilden. Dies kann als Proklamation                                  ber 1918 von der Rampe des Parlamentsgebäudes in Wien die neue
     Wien zusammen: Die größte Zahl an Abgeord-       der Eigenstaatlichkeit und damit als eigent-                                 Republik aus.
     neten stellten die nationalliberalen und         liches Gründungsdatum der Republik ange-
     deutschnationalen Parteien vor den Christ-       sehen werden – denn auch das erste

12                                                                                                                                                                                                                           13
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     Von der Republiksgründung bis zum „Anschluss”
     Die Nationalliberalen in der Ersten Republik
     Die Republik Deutschösterreich kam nach          Persönlichkeiten waren der Bundeskanzler
     ihrer Gründung 1918 nicht zur Ruhe. Eine Be-     Johannes Schober sowie der erste Bundes-
     lastungsprobe war der Friedensvertrag von        präsident der Republik Österreich, der offiziell
     Saint-Germain mit den Siegermächten des          parteiungebundene Nationalökonom Michael
     Ersten Weltkriegs im Jahr 1919, wobei            Hainisch.
     deutschsprachige Gebiete der ehemaligen
     Monarchie wie etwa Südtirol abgetrennt, der      Zwar konnte nach der Inflation der 1920er
     Staatsname „Deutschösterreich“ untersagt         Jahre die Währung durch den Schilling sta-
     und ein „Anschluss” an Deutschland verboten      bilisiert werden, doch gleichzeitig kam es zu
     wurden. Diesen hatten 1918 sowohl die natio-     einer Militarisierung der Innenpolitik, wobei       Der Justizpalastbrand 1927 illustriert die Spannungen in der Ersten Republik.
     nalliberalen Parteien als auch die Sozialde-     sowohl die Christlichsozialen als auch die So-
     mokraten gefordert.                              zialdemokraten paramilitärische Verbände
                                                      schufen. Die sich daraus ergebenden bürger-        Deutschlands unter Adolf Hitler erhofften.      ten Putsch der Nationalsozialisten im Juli
     Die 1919 entstandene Koalition aus Christlich-   kriegsähnlichen Zustände gipfelten im Brand        Auch der Kurs der Sozialdemokratie wurde        1934, bei dem Dollfuß ermordet wurde, wollte
     sozialen und Sozialdemokraten zerbrach bald.     des Justizpalastes in Wien im Jahr 1927 mit        autoritärer, während die Anhänger des Drit-     sein Nachfolger Kurt Schuschnigg den auto-
     Zu den nationalliberalen Parteien, die nun       fast 100 Toten. Gekoppelt mit den Folgen der       ten Lagers verstärkt zu den österreichischen    ritären Kurs fortsetzen. Doch der Verlust der
     die „Dritte Kraft“ im Parlament waren, zähl-     Weltwirtschaftskrise kam es schließlich zur        Nationalsozialisten abwanderten.                Unterstützung durch Mussolini und der
     ten die Großdeutsche Volkspartei und der         Abkehr von der Demokratie: Die Christlichso-                                                       wachsende Druck der illegalen Nazis im
     Landbund, die in wechselnden Koalitionen         zialen orientierten sich am faschistischen Ita-    Angesichts der Stärke der Nationalsozialis-     Land führten schließlich zum von Hitler for-

      „
     gemeinsam mit den Christlichsozialen bis         lien Benito Mussolinis, von dem sie                ten und des Konflikts mit den Sozialdemo-       cierten „Anschluss“: Am 12. März 1938 rückte
     1933 regierten. Führende nationalliberale        Unterstützung gegen die aggressive Politik         kraten benützte der christlichsoziale           die deutsche Wehrmacht in Österreich ein.
                                                                                                         Bundeskanzler Engelbert Dollfuß eine Ge-        Dieser Schritt fand Anhänger aus allen poli-
                                                                                                         schäftsordnungskrise des Nationalrates im       tischen Parteien – darunter war auch das
                                                                                                         März 1933, um die parlamentarische Demo-        traditionell deutschfreiheitliche Dritte Lager.
                                                                                                         kratie zu beseitigen und den Weg in den au-     Aber auch der Wiener Erzbischof Theodor
                                                                                                         toritären Ständestaat zu ebnen. Proteste der    Innitzer oder der Sozialdemokrat Karl Renner
            Die Christlichsozialen und die Sozialdemokraten schufen in der                               Nationalliberalen wurden unterdrückt. Nach      begrüßten den „Anschluss”.
            Ersten Republik als paramilitärische Einheiten die Heimwehr und                              dem Verbot der österreichischen Nationalso-
                                                                                                         zialisten 1933 folgte nach einem kurzen, blu-   Damit fand die ungeliebte Erste Republik –
            den Republikanischen Schutzbund. Die bürgerkriegsähnlichen Zu-
                                                                                                         tigen Bürgerkrieg im Februar 1934 auch das      ein Staat, den keiner wollte – ein tragisches
            stände gipfelten im Brand des Justizpalastes in Wien.                                        Verbot der Sozialdemokratie. Der Druck des      Ende und Österreich wurde als Teil des Deut-
                                                                                                         nationalsozialistischen Deutschlands auf        schen Reiches in die Schrecken des Zweiten
                                                                                                         Österreich nahm zu. Nach einem missglück-       Weltkrieges miteinbezogen.

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                                                                                                                                                 mit dem „Nationalsozialistengesetz“ ihr ak-       etwa Viktor Reimann, Willfried Gredler,
                                                                                                                                                 tives Wahlrecht wieder zugestanden wor-           Gustav Zeillinger oder Helfried Pfeifer. Zwar
                                                                                                                                                 den. Auch die Kriegsheimkehrer und die            wurde im Mai 1954 vom VdU in Bad Aussee
                                                                                                                                                 vertriebenen Volksdeutschen aus Mittel- und       ein neues Programm mit einem verstärkt na-
                                                                                                                                                 Osteuropa waren eine Zielgruppe.                  tionalen Charakter beschlossen und das Ge-
                                                                                                                                                                                                   spräch mit der kurz zuvor gegründeten
                                                                                                                                                 Bei der zweiten Nationalratswahl im Jahr          Freiheitspartei gesucht. Aber als bei weiteren
                                                                                                                                                 1949 konnte der VdU mit der „Wahlpartei der       Landtagswahlen im Jahr 1954 erhebliche
                                                                                                                                                 Unabhängigen“ (WdU) rund 11,7 Prozent und         Verluste verzeichnet wurden, zeigte der VdU
      Herbert A. Kraus spricht 1949 bei einer VdU-Kundgebung auf dem                                                                             16 Nationalratsmandate erlangen. Die Er-          bereits Zerfallserscheinungen. So kam es im
      Wiener Rathausplatz.
                                                                                                                                                 folge setzten sich bei mehreren Landtags-         Jahr 1955 zu Verhandlungen zwischen den
                                                                                                                                                 wahlen fort. Auch das „Soziale Manifest“ des      VdU-Vertretern und der nationalbetonten
     Die Rückkehr des Dritten Lagers nach 1945                                                                                                   VdU von 1950 kann als Versuch gewertet            Freiheitspartei von Anton Reinthaller, die
                                                                                                                                                 werden, die Arbeiterschaft zu gewinnen.           schon bei den oberösterreichischen Land-
     Der Aufstieg und Fall des VdU
                                                                                                                                                                                                   tagswahlen 1955 eine Wahlgemeinschaft mit
                                                                                                                                                 Trotzdem wurde der VdU – auch durch das           dem VdU und Parteilosen gebildet hatte.
     Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Re-        Klasse“, die von essentiellen politischen Rech-
                                                                                                                                                 Verhalten von ÖVP und SPÖ – zunehmend
     publik Österreich im April 1945 wiedererrich-   ten ausgeschlossen waren.
                                                                                                                                                 politisch isoliert und in der Folge brachen in-   Am 17. Oktober 1955 schließlich einigten sich
     tet. Anfangs wurden von der alliierten
                                                                                                                                                 nerhalb des Verbandes Streitigkeiten aus.         der VdU und die Freiheitspartei von Anton
     Besatzungsmacht nur drei Parteien aner-         Erst im Frühjahr 1949 gelang Herbert A.
                                                                                                                                                 Nach Stimmenverlusten bei den National-           Reinthaller in Wien auf den Zusammen-
     kannt: Dazu zählten die christlich-konserva-    Kraus und Viktor Reimann die Gründung des
                                                                                                                                                 ratswahlen 1953 verschärften sich die Gegen-      schluss zur FPÖ. Damit war der Grundstein
     tive Volkspartei (ÖVP), die Sozialistische      „Verbandes der Unabhängigen“ (VdU). Die
                                                                                                                                                 sätze zwischen dem nationalen und dem             für eine Nachfolgepartei gelegt, die das po-

                                                                                                                                                  „
     Partei (SPÖ) und die Kommunistische Partei      Konstituierung dieser neuen Partei fand in
                                                                                                                                                 liberalen Flügel sowie auch zwischen den vie-     litische Geschehen in Österreich bis zum heu-
     (KPÖ), die gemeinsam die provisorische          Salzburg statt, da in der amerikanischen Be-
                                                                                                                                                 len ausgeprägten Einzelpersönlichkeiten wie       tigen Tag entscheidend mitprägen sollte.
     Staatsregierung unter Karl Renner bildeten.     satzungszone eine Parteigründung erheblich
     Das nationalliberale Lager war von der poli-    leichter war. Der VdU wurde jedoch als Verein
     tischen Mitgestaltung in der Gründungszeit      angemeldet, da er keine alliierte „Partei-
     der Zweiten Republik vorerst ausgeschlos-       lizenz“ erhalten konnte. Der VdU wollte einer-
     sen. Dies lag auch daran, dass allen ehema-     seits das historisch gewachsene nationalli-                                                        Der VdU wurde 1949 vom Journalisten Herbert A. Kraus und dem
     ligen Mitgliedern und Parteianwärtern von       berale Lager zurück in die politische
     der NSDAP und von anderen NS-Formationen        Landschaft Österreichs führen – das vor 1938                                                       Widerstandskämpfer Viktor Reimann gegründet, um Heimatver-
     – unabhängig davon, ob sie an Verbrechen        fast 20 Prozent der Wählerstimmen ausge-                                                           triebene und Heimkehrer sowie minderbelastete ehemalige
     beteiligt waren oder nicht – die Wahlberech-    macht hatte. Andererseits sollten die aus der
                                                                                                                                                        NSDAP-Mitglieder zu vertreten und wieder in das demokratische
     tigung entzogen wurde. Damit gab es in          politischen Mitgestaltung bis dahin ausge-
     Österreich zur Zeit der ersten Nationalrats-    schlossenen minderbelasteten Nationalso-                                                           Gefüge einzugliedern.
     wahl 1945 etwa 600.000 Bürger „zweiter          zialisten integriert werden. Diesen war 1947

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     Die Gründung der FPÖ
     Die Jahre 1956 bis 1958

     Die FPÖ entstand auf Grund einer Vereinba-       Zentrum sämtlicher programmatischer Aussa-         Die Tatsache der Wahl Anton Reinthallers
     rung zwischen dem Obmann des Verbandes           gen und Programme stehen.                          zum ersten Obmann der FPÖ wird in der For-
     der Unabhängigen (VdU), Max Stendebach,                                                             schung häufig als Indiz dafür gesehen, dass
     und dem Obmann der Freiheitspartei, Anton        Der konstituierende Parteitag, der gleichzeitig    sich die Freiheitspartei in der neuen FPÖ mit
     Reinthaller, vom 17. Oktober 1955, in der ein    als Gründungsparteitag gilt, trat allerdings       ihrer im stärkeren Maß national-konservati-
     Zusammenschluss dieser beiden Parteien zur       erst am 7. und 8. April 1956 im Hotel „Zum wei-    ven Programmatik gegenüber den teils
     Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) bei      ßen Hahn“ in der Wiener Josefstadt zusam-          etwas liberaleren Positionen des VdU durch-          Anton Reinthaller war der erste Obmann.
     gleichzeitiger Auflösung des VdU und der Frei-   men. Zu den Gründungsmitgliedern zählten           gesetzt hatte. Diese Haltung fand ihren Nie-
     heitspartei beschlossen wurde. Diese Na-         unter anderem Willfried Gredler, Jörg              derschlag auch im ersten Parteiprogramm,            knüpfen zu können, erfüllte sich nicht. Bei der
     menswahl weist bereits auf eines der             Kandutsch, Tassilo Broesigke, Gustav Zeillinger    das als sogenanntes Kurzprogramm bezie-             Nationalratswahl im Mai 1956 erreichte die
     Grundprinzipien der FPÖ hin: Die Freiheit des    und Max Stendebach vom VdU sowie Anton             hungsweise als „Vierzehn Punkte“ am Grün-           FPÖ lediglich 6,5 Prozent und sechs National-

       „
     Individuums sowie auch die Freiheit der Ge-      Reinthaller, Emil van Tongel und Friedrich Peter   dungsparteitag 1956 verabschiedet und 1958          ratsmandate. Zur Nationalratsfraktion, die
     meinschaft und des eigenen Volkes sollten im     von der Freiheitspartei.                           in den „Richtlinien freiheitlicher Politik“ näher   sich von Anfang an auf Opposition und Kon-
                                                                                                         erläutert wurde.                                    trolle der Regierung festlegte, zählten Klub-
                                                                                                                                                             obmann Willfried Gredler, der frühere
                                                                                                         Die Beurteilung von Anton Reinthaller bleibt        Universitätsprofessor Helfried Pfeifer, der ehe-
                                                                                                         umstritten. Der gebürtige Oberösterreicher          malige VdU-Vorsitzende Max Stendebach,
                                                                                                         zählte nach dem Krieg zu den ehemaligen             Heinrich Zechmann, der frühere Landesob-
         1. Wir bekennen uns zum Grundsatz der Freiheit und damit zu den Grundrechten der
                                                                                                         hochrangigen Nationalsozialisten in Österreich      mann des VdU Salzburg und spätere Volksan-
            Menschen und Völker.
                                                                                                         – er war beispielsweise Landwirtschaftsminis-       walt Gustav Zeillinger sowie der spätere
         2. Wir bekennen uns zur sozialen Volksgemeinschaft und bekämpfen das Denken und
                                                                                                         ter in der von Hitler-Deutschland installierten     Rechnungshofpräsident Jörg Kandutsch. Or-
             Handeln in Klassen und Gruppeninteressen.                                                                                                       ganisatorisch war zudem der Wiener Apothe-
                                                                                                         „Anschlussregierung“ unter Bundeskanzler Ar-
         3. Wir bejahen die Eigenstaatlichkeit Österreichs, bekennen uns zur deutschen Volks-            thur Seyß-Inquart. Für die einen galt der über-     ker Emil van Tongel als Presse- und
             und Kulturgemeinschaft und treten für den engen Zusammenschluss der freien Völ-             zeugte Katholik als „Idealist“, der an den          Finanzreferent tätig.
             ker und Staaten Europas auf der Grundlage völliger Gleichberechtigung und Selbst-           Verbrechen des Nationalsozialismus nicht be-
             bestimmung ein.                                                                             teiligt war. Für die anderen war er hingegen        Nach dem Tod von Anton Reinthaller im Jahr
         4. Wir bekämpfen die alle Freiheiten der Menschen bedrohende Allmacht des Staates               auch ein ehemaliger SS-Brigadeführer, der be-       1958 wurde Friedrich Peter zum Bundespar-
             und der mit ihm verkoppelten Machtapparate. Wir bekennen uns zum demokrati-                 reits in der Illegalität für den „Anschluss”        teiobmann gewählt. Die Gründungsphase der
             schen Rechtsstaat freier, vor dem Gesetz gleicher Männer und Frauen und fordern             Österreichs an Deutschland agitiert hatte.          FPÖ war damit abgeschlossen. Dennoch kam
             deshalb die Ausschaltung des demoralisierenden Parteiproporzes.                                                                                 die Partei vorerst nicht aus ihrer innenpoliti-
         (...)                                                                                           Doch die Vorstellung, mit einer betont natio-       schen Isolation heraus und musste um Aner-
                                                                                                         nalen Parteilinie an die Erfolge des Dritten        kennung in der schwarz-rot dominierten
         (Auszug aus dem ersten Parteiprogramm der FPÖ)
                                                                                                         Lagers in der Zwischenkriegszeit mit bis zu         politischen Landschaft der Zweiten Republik
                                                                                                         18 Prozent Stimmenanteil im Nationalrat an-         werben.

18                                                                                                                                                                                                              19
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                                                                                                                                                  sierungsprozess ein. 1968 wurde in Bad Ischl     Kreisky auf die Seite Peters stellte. An der
                                                                                                                                                  das modernere „Ischler Parteiprogramm“           Affäre scheiterte letztendlich auch die Wahl
                                                                                                                                                  beschlossen und auf Anregung von Peter           von Friedrich Peter zum Dritten National-
                                                                                                                                                  wurde der sogenannte „Atterseekreis“, ein        ratspräsidenten. Nach parteiinternen Ausei-
                                                                                                                                                  Arbeitskreis für junge und eher liberal orien-   nandersetzungen um die Vergangenheit
                                                                                                                                                  tierte Intellektuelle – darunter auch der spä-   Peters wurde 1978 Alexander Götz neuer
                                                                                                                                                  tere Obmann Norbert Steger –, gegründet.         Bundesparteiobmann der FPÖ. Friedrich
                                                                                                                                                  Der „Atterseekreis“ lieferte in weiterer Folge   Peter blieb allerdings noch bis 1986 Klubob-
                                                                                                                                                  auch wertvolle Impulse für die Modernisie-       mann der FPÖ-Fraktion im Nationalrat.
                                                                                                                                                  rung der Partei und übernahm unter ande-
      SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky empfängt Friedrich Peter (im Bild rechts) im Oktober                                                              rem die Vorarbeiten für das 1973                 Friedrich Peter entfremdete sich nach der
      1975 im Bundeskanzleramt in Wien.
                                                                                                                                                  beschlossene „Freiheitliche Manifest zur Ge-     Wahl Jörg Haiders zum Parteiobmann im
                                                                                                                                                  sellschaftspolitik“ – darin wurde auch bereits   Herbst 1986 zunehmend von der FPÖ, wobei
     Eine nationalliberale Honoratiorenpartei                                                                                                     dem Umweltschutz ein Kapitel gewidmet.           diese Entwicklung im Jahr 1992 mit seinem
                                                                                                                                                                                                   Parteiaustritt gipfelte. Bis zu seinem Tod im
     Die Ära Friedrich Peter                                                                                                                      Überschattet waren die letzten Jahre der         September 2005 blieb das Verhältnis Peters
                                                                                                                                                  Obmannschaft von Peter allerdings durch          zu seiner ehemaligen Partei angespannt.
     Nach dem Tod Anton Reinthallers wurde            Daher waren auch die Erwartungen der FPÖ
                                                                                                                                                  die ab 1975 erfolgte Thematisierung der Teil-    Trotzdem kann es als historischr Verdienst
     1958 Friedrich Peter zum Bundesparteiob-         für die Nationalratswahl 1970 groß, in die die
                                                                                                                                                  nahme Peters am Zweiten Weltkrieg im             von Friedrich Peter gewertet werden, die FPÖ
     mann der FPÖ gewählt, wobei Peter bis            Freiheitlichen mit der Parole „Kein roter Kanz-
                                                                                                                                                  Rahmen der Waffen-SS durch Simon Wie-            und damit das Dritte Lager als stabilen Fak-
     heute mit knapp 20 Jahren als Parteiob-          ler, keine schwarze Alleinregierung“ zogen.

                                                                                                                                                    „
                                                                                                                                                  senthal, wobei sich der mit Friedrich Peter      tor in der österreichischen Innenpolitik ver-
     mann mit der längsten Amtszeit gilt. Der         Schlussendlich stagnierte die FPÖ bei der Na-
                                                                                                                                                  befreundete SPÖ-Bundeskanzler Bruno              ankert zu haben.
     Oberösterreicher Peter schaffte es schließ-      tionalratswahl aber bei 5,5 Prozent. Trotzdem
     lich auch, die FPÖ aus ihrer innenpolitischen    nutzte Friedrich Peter die Gunst der Stunde
     Isolation herauszuführen. Denn es gelang         und konnte mit der Duldung der SPÖ-Minder-
     der FPÖ erstmals, wechselseitige Allianzen im    heitsregierung unter Bruno Kreisky eine für
     Parlament zu schmieden – in der Frage der        die Freiheitliche Partei günstige Wahlrechts-
     Habsburger-Gesetze und der Rückkehr Otto         reform erwirken. Als es auf der Basis der
                                                                                                                                                         Mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ beschloss der Nationalrat die
     von Habsburgs nach Österreich etwa mit der       neuen Wahlordnung zu Nationalratswahlen
     SPÖ. Die Freiheitlichen konnten sich im Natio-   im Oktober 1971 kam, konnte die FPÖ ihre                                                           ‚kleine Wahlrechtsreform‘. Sie senkte die Zugangshürde kleinerer
     nalrat in weiterer Folge mit Abgeordneten        Mandatszahl im – zahlenmäßig von 165 auf                                                           Parteien zum Parlament durch eine Erhöhung der Mandate, eine
     wie Tassilo Broesigke, Otto Scrinzi oder         183 vergrößerten – Plenum von sechs auf
     Gustav Zeillinger als nationalliberale Honora-   zehn erhöhen.
                                                                                                                                                         Verringerung der Wahlkreise und eine Angleichung der Stimmen
     tiorenpartei und „Zünglein an der Waage“                                                                                                            für ein Mandat bei Groß- und Kleinparteien.
     zwischen der Volkspartei und den Sozialisten     Auch in programmatischer Hinsicht leitete
     profilieren.                                     die FPÖ unter Friedrich Peter einen Moderni-

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     Das sozialliberale Experiment
     Norbert Steger und die erste Regierungsbeteiligung der FPÖ
     Nach dem Rückzug von Langzeitobmann            alition aus und von 1983 bis 1986 bildete die
     Friedrich Peter im Jahr 1978 und der kurzen    SPÖ unter Bundeskanzler Fred Sinowatz
     Amtszeit des Grazer Bürgermeisters             sowie seinem Nachfolger Franz Vranitzky
     Alexander Götz als Parteichef wurde im         mit der FPÖ unter Norbert Steger eine rot-
     März 1980 der Rechtsanwalt Norbert Steger      blaue Koalition. In dieser Bundesregierung
     zum FPÖ-Bundesparteiobmann gewählt. Die        war die FPÖ durch Steger als Vizekanzler und
     neue Parteiführung rund um Steger, geprägt     Handelsminister, Harald Ofner als Justizmi-
     durch die unter Peter gegründete liberale      nister und Friedhelm Frischenschlager bezie-
     Denkfabrik des „Atterseekreises“, wollte aus   hungsweise        Helmut      Krünes        als
     der bis dahin betont nationalen FPÖ eine „lu-  Verteidigungsminister vertreten. Allerdings
     penreine“ liberale Partei machen.              hatte die Koalition mit enormen Problemen
                                                    zu kämpfen. Dazu gehörten etwa ein explo-          Die ersten freiheitlichen Minister (von links): Norbert Steger, Harald Ofner und
                                                                                                       Friedhelm Frischenschlager nehmen an einem Festakt teil.
     Zwar konnte die FPÖ bei der Nationalrats- dierendes Budgetdefizit oder die prekäre
     wahl 1983 mit rund 5 Prozent der Wähler- Lage in der Verstaatlichten Industrie.
     stimmen nur ein mäßiges Ergebnis                                                                 jungen Nachwuchspolitikers Jörg Haider zum       3 Prozent der Stimmen erhalten würde,
     einfahren. Die Wahlarithmetik ermöglichte es Gleichzeitig begann es auch unter der frei-         schärfsten Kritiker der blauen Regierungs-       sahen viele in der Partei nur noch die Wahl
     aber, dass die FPÖ trotzdem 12 Nationalrats- heitlichen Wählerschaft zu brodeln. Einer-          mannschaft an. Haider war im Mai 1983 zum        Jörg Haiders zum Obmann als mögliche
     mandate erringen konnte, während die SPÖ seits gab es Diskussionen um den                        geschäftsführenden Landesparteiobmann            Rettung. Daraufhin kam es im September
     erstmals seit 1971 ihre absolute Mehrheit ver- ideologischen Kurs der FPÖ, der sich vor allem    der FPÖ Kärnten bestellt worden und konnte       1986 in Innsbruck zu einer Kampfabstim-
     lor. In dieser Situation ging Friedrich Peters im neuen Parteiprogramm von 1985 äußerte.         alsbald mit einem klaren Kurs gegen die          mung zwischen Steger und Haider, wobei
     Taktik der Annäherung an die Sozialisten Dieses fand bei eher national orientierten              Bundespartei punkten.                            der Wiener dem Kärntner Landesparteiob-

       „
     auf: Mit Bruno Kreisky handelte der FPÖ- Freiheitlichen kaum Zustimmung. Anderer-                                                                 mann unterlag. Kurz darauf kündigte SPÖ-
     Klubchef die Modalitäten einer Kleinen Ko- seits bahnte sich in Kärnten der Aufstieg des         Als zusätzlich noch der Verzicht der FPÖ auf     Kanzler Vranitzky die rot-blaue Koalition auf
                                                                                                      einen eigenen Kandidaten bei der Bundes-         und Österreich ging in Neuwahlen.
                                                                                                      präsidentenwahl 1986 als zu großes Zuge-
                                                                                                      ständnis an die SPÖ gewertet wurde, war          Das Fazit über diese erste Regierungsbetei-
                                                                                                      nach der Ansicht etlicher freiheitlicher Funk-   ligung der FPÖ in der Zweiten Republik bleibt
            Norbert Steger war geprägt durch den ‚Atterseekreis‘, der 1971                            tionäre das Maß voll. Dadurch war aber auch      daher letztlich zwiespältig. Zwar scheiterte
                                                                                                      Stegers Versuch, die FPÖ nach dem Muster         die Regierung vorzeitig, aber historisch be-
            unter Friedrich Peter zur Stärkung des liberalen Flügels in der FPÖ
                                                                                                      der bundesdeutschen FDP auf Dauer in eine        trachtet war die rot-blaue Regierung für die
            gegründet wurde und von dem bis heute wesentliche intellektuelle                          liberale Regierungspartei umzubauen, ge-         Geschichte der Zweiten Republik so etwas
            Impulse für die Partei ausgehen.                                                          scheitert. Als Meinungsforscher im Sommer        wie der Abschluss der Integration des histo-
                                                                                                      1986 prophezeiten, dass die FPÖ bei der          risch gewachsenen Dritten Lagers in das po-
                                                                                                      nächsten Nationalratswahl kaum mehr als          litische System der Republik.

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Zum Vorreiter der Umgestaltung des politi-        schwarz-blaue Koalition, der er selbst jedoch
                                                                                                        schen Systems in Österreich wurde Kärnten.        nicht angehörte und in der Schüssel
                                                                                                        Dort konnte Haider 1989 die absolute Mehr-        Bundeskanzler wurde. Als FPÖ-Vizekanzlerin
                                                                                                        heit der SPÖ brechen und wurde mit Hilfe der      zog Susanne Riess-Passer in die Regierung
                                                                                                        ÖVP zum ersten freiheitlichen Landeshaupt-        ein.
                                                                                                        mann der Zweiten Republik gewählt. 1999
                                                                                                        wurde die FPÖ bei der Landtagswahl in Kärn-       Auch wenn der weitere politische Weg Jörg
                                                                                                        ten stimmenstärkste Partei und Haider er-         Haiders nach 2000 von etlichen Bruchlinien –
                                                                                                        neut Landeshauptmann.                             auch mit seiner einstigen Partei – geprägt
                                                                                                                                                          war, so würdigen doch viele politische Beob-
                                                                                                        Aber auch bei den Wahlgängen auf Bundes-          achter, Zeitzeugen und auch einstige Gegner
      Jörg Haider prägte die FPÖ nachhaltig.
                                                                                                        ebene erzielte die FPÖ beachtliche Erfolge, die   die Leistungen von Jörg Haider im Kampf
                                                                                                        selbst durch die Abspaltung des Liberalen         gegen den rot-schwarzen Proporz und die
     Der Aufstieg der FPÖ zur Mittelpartei                                                              Forums von der FPÖ im Jahr 1993 kaum
                                                                                                        beeinträchtigt wurden. Nach 22,5 Prozent bei
                                                                                                                                                          Auswüchse des Kammerstaates sowie die
                                                                                                                                                          dadurch ausgelöste Deregulierung im staats-
     Jörg Haider und der Kampf gegen das rot-schwarze System                                            der Nationalratswahl 1994 schaffte Haider         nahen Sektor. Und nicht zuletzt zeigte Haider
     Die Entwicklung der FPÖ unter der Obmann-         Nachdem        SPÖ-Bundeskanzler         Franz   mit der FPÖ bei der Wahl zum Nationalrat          mit dem FPÖ-Volksbegehren „Österreich zu-
     schaft von Jörg Haider gilt als eine der span-    Vranitzky wegen der Wahl Haiders die seit        1999 ein historisches Ergebnis: Die Freiheitli-   erst“ zur Migrationspolitik im Jahr 1993 erst-
     nendsten Episoden in der Geschichte der           1983 bestehende Kleine Koalition mit der FPÖ     chen verdrängten mit 26,9 Prozent die ÖVP         mals deutlich ein Thema auf, das fast 30

                                                                                                          „
     Zweiten Republik. Denn die heimische Partei-      aufgekündigt hatte, kam es im November           von Platz zwei. Mit ÖVP-Obmann Wolfgang           Jahre später in der Mitte der Gesellschaft an-
     enlandschaft änderte sich mit dem Aufstieg        1986 zu Neuwahlen, bei denen die FPÖ unter       Schüssel vereinbarte Haider gemeinsam eine        gekommen ist und ganz Europa bewegt.
     des gebürtigen Oberösterreichers erstmals         Jörg Haider rund 9,7 Prozent der Wählerstim-
     seit 1945 grundlegend. Von der Kür Haiders        men erreichte. SPÖ und ÖVP reagierten auf
     zum FPÖ-Bundesparteiobmann 1986 in Inns-          die plötzliche Stärke des Dritten Lagers mit
     bruck im Rahmen einer Kampfabstimmung             einer Neuauflage der Großen Koalition und
     gegen Norbert Steger bis zur schwarz-blauen       einer beginnenden politisch-medialen Aus-               ‚Aus kleinen Anfängen haben wir uns in der Demokratie
     Regierung im Jahr 2000 lag zudem ein 14           grenzung der FPÖ. Dies gab Haider noch mehr
     Jahre währender Erfolgslauf. Der gelernte         Gelegenheit, die rot-schwarze Privilegien- und          hochgedient und sind zu einer Art Befreiungsbewegung von Pro-
     Jurist, der bereits 1979 als Abgeordneter der     Parteibuchwirtschaft anzuprangern sowie die             porz, Privilegien, geistiger Funktionärsenge sowie für einen chan-
     FPÖ in den Nationalrat eingezogen war und         FPÖ im Nationalrat als Oppositionspartei
                                                                                                               cenreichen Neubeginn in einer sich wandelnden Welt
     1983 die Leitung der Kärntner Freiheitlichen      gegen „das rot-schwarze System“ zu positio-
     übernahm, konnte aber auch das nationale          nieren. Haider wurde damit zum politischen              geworden.‘ (Jörg Haider im Buch: Befreite Zukunft jenseits von links
     Lager wieder in die FPÖ integrieren und ver-      Motor der Veränderung in einem Land, in dem             und rechts, 2001)
     breiterte die Partei sowohl inhaltlich als auch   bis dahin die Politik noch vom Lagerdenken
     personell.                                        der Nachkriegszeit bestimmt worden war.

24                                                                                                                                                                                                         25
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     Die FPÖ in der Krise
     Von der schwarz-blauen Koalition 2000 bis
     zur Gründung des BZÖ
     Aus den Nationalratswahlen im Jahr 1999 war       Dazu kamen parteiinterne Diskussionen über
     die FPÖ mit 26,9 Prozent der Stimmberechtig-      die ideologische Ausrichtung. Einerseits be-
     ten erstmals als zweitstärkste Partei in Öster-   trachteten viele Wähler und Funktionäre den
     reich     hervorgegangen.     Jörg Haider         FPÖ-Regierungskurs unter Riess-Passer – etwa
     verständigte sich daraufhin mit der ÖVP auf       in der Europa- und Sozialpolitik – als Bruch mit
     eine gemeinsame Koalition. Mit ÖVP-Bundes-        den Traditionen des Dritten Lagers. Anderer-
     kanzler Wolfgang Schüssel als Partner über-       seits blieb Haider trotz seines Rückzugs als Ob-
     nahmen die Freiheitlichen damit zum zweiten       mann und der neuen Parteiobfrau Susanne
     Mal in ihrer Geschichte auf Bundesebene Re-       Riess-Passer die dominante Persönlichkeit in
     gierungsverantwortung. FPÖ-Vizekanzlerin          der Partei. Im Sommer 2002 spitzte sich die
     wurde Susanne Riess-Passer und die FPÖ er-        Lage zu: Die Hochwasser-Katastrophe im Land
     hielt zudem fünf weitere Minister sowie zwei      veranlasste Schwarz-Blau dazu, die geplante         Susanne Riess-Passer und Jörg Haider gingen ab dem Jahr 2002 getrennte Wege.
     Staatssekretäre.                                  Steuerreform zu verschieben. Dies wurde je-
                                                       doch vom Kärntner Landeshauptmann Jörg
     Am 4. Februar 2000 wurde die neue Bundes-         Haider und einem Teil der Parteibasis nicht ak-    Peter Westenthaler und der freiheitliche Fi-      Haubner ab 2004 außerdem ein Konkurrent
     regierung angelobt, wobei der Start der ÖVP-      zeptiert. Sie sahen dadurch ein zentrales FPÖ-     nanzminister Karl-Heinz Grasser zurück.           innerhalb der eigenen Partei. Verschärft durch
     FPÖ-Koalition in den ersten Monaten durch die     Projekt gefährdet. Bei einem Delegierten-          Wolfgang Schüssel reagierte darauf prompt         Wahlniederlagen in den Bundesländern und
     Sanktionen der Europäischen Union begleitet       treffen im steirischen Knittelfeld wurde letzt-    mit einer Aufkündigung der Koalition.             die katastrophale Darbietung bei der Wahl
     wurde. Trotz erster Erfolge der Regierung wie     endlich gegen den Willen der FPÖ-Vizekanzle-                                                         zum Europäischen Parlament im Juni 2004,
     etwa bei der Pensionsreform oder bei der Ein-     rin die Einberufung eines Sonderparteitages        Bei der Nationalratswahl im November 2002         bei der Andreas Mölzer als Vertreter des re-

      „
     führung des Kindergeldes kam es aber bald zu      gefordert. Als Reaktion auf Knittelfeld traten     konnte die ÖVP mit rund 42,3 Prozent punk-        gierungskritischen Flügels in der FPÖ das ein-
     Differenzen zwischen der ÖVP und der FPÖ.         Susanne Riess-Passer, FPÖ-Klubobmann               ten, während die FPÖ nur 10,01 Prozent er-        zige Mandat für die Partei errang, eskalierte
                                                                                                          reichte. Dennoch erneuerte die ÖVP die            der Konflikt zwischen dem nationalen Lager
                                                                                                          schwarz-blaue Koalition mit Herbert Haupt als     und der Parteiführung zu Jahresbeginn 2005.
                                                                                                          FPÖ-Vizekanzler, wobei die freiheitliche Regie-
                                                                                                          rungsmannschaft fast halbiert wurde.              Am 4. April spaltete sich Jörg Haider mit der
                                                                                                                                                            FPÖ-Regierungsmannschaft von der FPÖ ab
            Die FPÖ stellte mit Susanne Riess-Passer die erste Vizekanzlerin                              Die Auseinandersetzungen in der FPÖ – viele       und gründete das „Bündnis Zukunft Öster-
                                                                                                          befürchteten eine Umklammerung durch eine         reich“ (BZÖ). Die Freiheitlichen, deren Leitung
            in der Geschichte der Republik. Die Regierungskoalition mit der ÖVP
                                                                                                          starke ÖVP – nahmen nun an Heftigkeit zu.         interimistisch der frühere Wiener FPÖ-Ob-
            hielt jedoch nur drei Jahre.                                                                  Mit dem Wiener FPÖ-Landeschef Heinz-              mann Hilmar Kabas als längstdienendes Bun-
                                                                                                          Christian Strache erwuchs der Parteispitze um     desparteivorstandsmitglied           übernahm,
                                                                                                          Haider und Bundesparteiobfrau Ursula              standen damit vor einem Neuanfang.

26                                                                                                                                                                                                            27
Strache an der Spitze gab es bereits bei den     Insgesamt war die FPÖ unter Heinz-Christian
                                                                                                     Wiener Landtags- und Gemeinderatswahlen          Strache durch eine Rückbesinnung auf frei-
                                                                                                     vom 23. Oktober 2005. Die FPÖ erreichte 14,83    heitliche Werte gekennzeichnet. Dies zeigte
                                                                                                     Prozent und schaffte beim Stimmenanteil          sich auch in der Programmatik. So bekannte
                                                                                                     den dritten Platz hinter SPÖ und ÖVP.            man sich etwa im neuen Parteiprogramm,
                                                                                                                                                      das 2011 in Graz beschlossen wurde, neuerlich
                                                                                                     Auf Bundesebene konsolidierte sich die Partei    zur deutschen Kulturgemeinschaft.
                                                                                                     ebenfalls: Bei der Nationalratswahl am 1. Ok-
      Heinz-Christian Strache stand der FPÖ ab dem Jahr 2005 als Obmann vor.
                                                                                                     tober 2006 trat Strache zum ersten Mal bun-      Große Zustimmung unter der österrei-
                                                                                                     desweit als Spitzenkandidat an. Die FPÖ          chischen Bevölkerung erhielten die Freiheitli-
     Der Wiederaufstieg der FPÖ unter HC Strache                                                     erreichte 11,04 Prozent, während das BZÖ mit
                                                                                                     lediglich 4,11 Prozent knapp den Einzug
                                                                                                                                                      chen infolge des Massenansturms von
                                                                                                                                                      Asylwerbern im Sommer 2015. Die FPÖ wurde
     Der Kurs als „soziale Heimatpartei“                                                             schaffte. Damit hatte sich die FPÖ als der er-   in vielen Umfragen als die stärkste Partei des
                                                                                                     folgreichere Teil des „geschiedenen“ Dritten     Landes gesehen. Bei der Nationalratswahl
     Am 4. April 2005 verließ die FPÖ-Spitze die     Oberösterreich und Vorarlberg konnte man die
                                                                                                     Lagers erwiesen. Nun sollte sich der frühere     vom 15. Oktober 2017 konnte sie mit fast 26
     Partei und gründete die Bewegung „Bündnis       Landesorganisationen von einem Verbleib in
                                                                                                     Aufstieg der FPÖ unter Haider mit Heinz-         Prozent und 51 Mandaten zu ÖVP und SPÖ
     Zukunft Österreich“ (BZÖ). Federführend dabei   der freiheitlichen Familie überzeugen.
                                                                                                     Christian Strache fast identisch wiederholen:    aufschließen. Durch den Wahlsieg der ÖVP
     war Jörg Haider, der das gesamte FPÖ-Regie-
                                                                                                     Bei der Nationalratswahl am 28. September        und das beachtliche Ergebnis der Freiheitli-
     rungsteam – die Freiheitlichen befanden sich    Am 23. April 2005 wurde Heinz-Christian
                                                                                                     2008 fuhr man bereits 17,54 Prozent ein.         chen kam es zur Bildung einer Mitte-Rechts-
     gerade in einer Koalition mit der ÖVP – und     Strache auf dem 27. Ordentlichen Bundespar-
                                                                                                     Zwar konnte das BZÖ mit über 10 Prozent die      Regierung zwischen ÖVP und FPÖ.
     etliche Mandatare des blauen Parlaments-        teitag in Salzburg mit 90,1 Prozent der Dele-
                                                                                                     Grünen bei der Wahl überholen. Doch der          Heinz-Christian Strache wurde Vizekanzler in
     klubs zu einem Übertritt zum BZÖ bewegen        giertenstimmen zum Bundesparteiobmann
                                                                                                     überraschende Tod von Jörg Haider am 11. Ok-     einer türkis-blauen Koalition unter ÖVP-Bun-
     konnte. Fast alle politischen Beobachter        der FPÖ gewählt. Der damals 35-jährige Wie-
                                                                                                     tober 2008 bereitete den Spekulationen über      deskanzler Sebastian Kurz. Damit stand am
     schätzten die Chancen der Freiheitlichen        ner Landesparteiobmann galt dabei schon
                                                                                                     eine Kooperation zwischen FPÖ und BZÖ ein        Ende des neuerlichen Aufstiegs der FPÖ wie
     daher als gering ein und manche Kommenta-       länger als Nachwuchshoffnung der FPÖ.

                                                                                                       „
                                                                                                     jähes Ende und führte letztlich zum politi-      schon im Jahr 2000 der Gang in die Bundes-
     toren prophezeiten sogar das Ende des Drit-     Punkten wollte man als kantige Oppositions-
                                                                                                     schen Aus für das BZÖ.                           regierung.
     ten Lagers in seiner bisherigen Form: Die FPÖ   partei nun vor allem mit aktuellen Themen
     verfügte nur mehr über zwei Nationalratsab-     wie dem Erhalt der österreichischen Leitkul-
     geordnete mit klarem Bekenntnis zur Partei-     tur. Mit den beiden FPÖ-Generalsekretären
     linie. Dazu kam mit Andreas Mölzer noch ein     Herbert Kickl und Harald Vilimsky wurde dem
     Abgeordneter zum Europäischen Parlament.        neuen Obmann zudem ein eingespieltes Team
     Außerdem stand man vor einem gewaltigen         zur Seite gestellt. Zu einer Optimierung kam
                                                                                                             Insgesamt war die FPÖ unter Heinz-Christian Strache durch eine
     Schuldenberg. Dennoch war die Parteibasis im    es beim Marketing: Mit der Marke „HC“ für den
     Großen und Ganzen dem BZÖ nicht gefolgt.        neuen Parteiobmann wollte man auch das                  Rückbesinnung auf freiheitliche Werte gekennzeichnet.
     Abgesehen von Kärnten blieben alle freiheit-    jüngere Publikum erreichen. Ein erstes Le-
     lichen Landesparteien bei der FPÖ. Selbst in    benszeichen der FPÖ mit Heinz-Christian

28                                                                                                                                                                                                     29
Eine Reformkoalition für Österreich
     Von der Bundespräsidentenwahl 2016 bis zur „Ibiza-Affäre“

     Parallel zum Aufstieg der FPÖ unter Heinz-       rund 25,97 Prozent erreichte. Die ÖVP – erst-
     Christian Strache verlor die seit dem Jahr       mals als „neue Volkspartei“ im türkisen An-
     2007 bestehende Große Koalition aus SPÖ          strich – wurde aber mit über 31 Prozent
     und ÖVP zunehmend an Rückhalt in der Be-         stimmenstärkste Partei. Daraufhin kam es zu
     völkerung. Außerdem kam im Sommer 2015           Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und
     durch die europaweite Flüchtlingskrise eine      FPÖ und man einigte sich auf eine gemein-
     Massenzuwanderung samt ihren Folgen für          same Regierung unter ÖVP-Bundeskanzler
     das Sozialsystem und die Sicherheit im Land      Sebastian Kurz. Im Dezember 2017 wurde die
     dazu. Dadurch verzeichneten die Freiheitli-      neue Bundesregierung angelobt. FPÖ-Bun-
     chen mit ihrer zuwanderungskritischen Hal-       desparteiobmann Heinz-Christian Strache           Norbert Hofer und Herbert Kickl führen seit dem Sommer 2019 die FPÖ.
     tung vermehrt Zustimmung. Diese                  wurde Vizekanzler sowie Minister für Be-
     Stimmungslage bestätigte sich bei der Bun-       amte und Sport. Die FPÖ stellte fünf weitere     Grenzschutz, auf eine Reform der Mindestsi-     Sebastian Kurz Neuwahlen und beendete
     despräsidentenwahl im Jahr 2016. Norbert         Minister und einen Staatssekretär – darunter     cherung sowie auf eine Zusammenlegung           damit die türkis-blaue Koalition. Die von der
     Hofer – seit 2013 Dritter Präsident des Natio-   Herbert Kickl als ersten freiheitlichen Innen-   der Sozialversicherungsträger. Eine Steuer-     ÖVP geführte Übergangsregierung wurde je-
     nalrates – unterlag als freiheitlicher Kandi-    minister der Zweiten Republik.                   reform war in Planung.                          doch bereits am 27. Mai 2019 durch einen von
     dat dem zukünftigen Präsidenten Alexander                                                                                                         der FPÖ im Nationalrat mitunterstützten
     Van der Bellen nur knapp und konnte an die   Bei den Eckpunkten des türkis-blauen Regie-          Trotz der positiven Umfragewerte der Regie-     Misstrauensantrag des Amtes enthoben.
     2,12 Millionen Wähler mobilisieren.          rungsprogramms war die freiheitliche Hand-           rung in der Bevölkerung zerbrach die Koali-
                                                  schrift deutlich erkennbar: Die Regierung            tion im Mai 2019 durch die Folgen der           Norbert Hofer wurde am 19. Mai 2019 als

      „
     Der Erfolg setzte sich bei den Nationalrats- setzte etwa auf eine neue Linie im Bereich           „Ibiza-Affäre“. Der Auslöser war ein kompro-    neuer Parteichef der FPÖ designiert. Aller-
     wahlen im Oktober 2017 fort, bei der die FPÖ der Migrationspolitik, auf einen verstärkten         mittierendes und offenbar illegal gedrehtes     dings erreichte die FPÖ bei der Nationalrats-
                                                                                                       Video aus dem Jahr 2017, das am 17. Mai 2019    wahl am 29. September 2019 nur 16,17
                                                                                                       veröffentlicht wurde. Es zeigte Heinz-Chris-    Prozent. Die FPÖ-Spitze betonte nach einer
                                                                                                       tian Strache im privaten Umfeld auf der Mit-    Sondierungsrunde zur Regierungsbildung,
                                                                                                       telmeerinsel Ibiza, wie er – so der Vorwurf –   dass das Abschneiden der Freiheitlichen
            Eckpunkte des Regierungsprogramms waren unter anderem die                                  unter anderem mit einer vermeintlichen rus-     nicht als Regierungsauftrag zu werten sei.
                                                                                                       sischen Investorin über Staatsaufträge im       Man wolle sich vielmehr innerparteilich neu
            Förderung der einheimischen Familien, das Unterbinden der Zu-                              Gegenzug für Parteispenden verhandelte.         aufstellen und in Opposition gehen.
            wanderung in das österreichische Sozialsystem, der Kampf gegen                             Angesichts der Affäre trat Heinz-Christian
            den Asylmissbrauch und das Bekenntnis zu Freiheit, Verantwor-                              Strache am 18. Mai 2019 als Vizekanzler         Am 23. Oktober 2019 konstituierte sich der
                                                                                                       sowie Bundesparteiobmann der FPÖ zurück.        neu gewählte Nationalrat. Herbert Kickl
            tung sowie zu unserer Heimat.                                                              Der frühere Obmann wurde im Dezember            wurde neuer FPÖ-Klubobmann im National-
                                                                                                       2019 aus der FPÖ ausgeschlossen. Am 18.         rat. Norbert Hofer wurde erneut zum Dritten
                                                                                                       Mai 2019 verkündete ÖVP-Bundeskanzler           Nationalratspräsidenten gewählt.

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1999: 26,91 %
                                                                                                                                                                                                2017: 25,97 %
                                                                                                                      1994: 22,50 %
                                                                                                                                                                              2013: 20,51 %

                                                                                                                                                                2008: 17,54 %

                                                                                                                         1995: 21,89 %                                                                  2019:
                                                                                                                                                                                                        16,2 %

            1959: 7,70 %                        1971: 5,45 %                     1983: 4,98 %          1990: 16,64 %
                                 1966: 5,35 %              1975: 5,41 %
                                                                                                                                                         2006: 11,04 %

                                                                                                                                            2002: 10,01 %
1956: 6,52 %      1962: 7,70 %                  1970: 5,52 %           1979: 6,06 %         1986: 9,73 %
     1955          1960            1965           1970          1975          1980             1985            1990           1995           2000           2005           2010          2015            2020           2025

                                                                                                                                                                                                     2019: „Ibiza-Affäre"

       1956:                                                                                                                                                2005:                          2016:
       Gründung der FPÖ                                                                                                                                     Abspaltung des BZÖ             Bundespräsidentenwahl:
                                                                                                                                                                                           46,2 % für Norbert Hofer
                                                  1970-1971:                                                                                 2000-2002:
                                                  Stützung Minderheitsregierung Kreisky                                                      FPÖ-ÖVP Schüssel I/Riess-Passer                    2017-2019:
                                                                                                                                                                                                ÖVP-FPÖ Kurz/Strache
                                                                                          1983-1986:                                                2003-2006:
                                                                                          SPÖ-FPÖ Sinowatz/                                         ÖVP-FPÖ (ab 2005: BZÖ) Schüssel II/Haupt/Gorbach
                                                                                          Vranitzky I/Steger
                                                                                                                                                                                                                   ▶
                                                                                                                                                                                                        seit 2019:
                                                                                                           1986-2000:                                                    2005-2019:                     Norbert Hofer
                                                                                                           Jörg Haider                                                   Heinz-Christian Strache

       1956-1958:                                                      1978-1979:                                                            2000-2002:
       Anton Reinthaller                                               Alexander Götz                                                        Susanne Riess-Passer

                                                                                                                                                         2004-2005:
               1958-1978:                                                  1979-1980:                                                                    Ursula Haubner
               Friedrich Peter                                             Horst Schender
                                                                                                                                               2002:
                                                                              1980-1986:                                                       Herbert Scheibner
                                                                              Norbert Steger
                                                                                                                                                            2005:
                                                                                                                                                            Hilmar Kabas

                                                                                                                                                2002:
                                                                                                                                                Mathias Reichhold

                                                                                                                                               2002-2004:
                                                                                                                                               Herbert Haupt
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