Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim - Begleitstudie - Age-Stiftung

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Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim - Begleitstudie - Age-Stiftung
Begleitstudie

Die Integration einer Hausarztpraxis
in ein Alters- und Pflegeheim

Prof Dr. Romy Mahrer Imhof
Prof Dr. Lorenz Imhof

2017—2020
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim - Begleitstudie - Age-Stiftung
Impressum

Auftraggeber: Alters- und Pflegeheim Im Fahr, Brügg
Projektverantwortliche: Barbara Burkhalter
Schlussbericht: Prof Dr. Romy Mahrer Imhof, Prof Dr. Lorenz Imhof,
Nursing Science & Care GmbH, www.ns-c.ch, 052 213 65 65,
Ansprechperson für das Projekt: Barbara Burkhalter
Lektorat: Dore Wilken, dwilken@gmx.de
Layout und Grafiken: publix.ch
Fotografien: Publix, Nursing Science & Care GmbH, Alters- und
Pflegeheim Im Fahr
Förderung: Dieser Bericht dokumentiert ein Förderprojekt der Age-
Stiftung. Weitere Informationen dazu unter www.age-stiftung.ch.
Die Age-Stiftung legt ihren Fokus auf Wohnen und Älterwerden. Dazu
fördert sie Wohn- und Betreuungsangebote in der deutschsprachigen
Schweiz mit finanziellen Beiträgen. Sie engagiert sich für inspirierende
zukunf tsträchtige Lösungen und informier t über gute Beispiele.
Zitation des Berichts: Mahrer Imhof Romy, Imhof Lorenz (2020).
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim.
Winterthur: Nursing Science & Care GmbH.

Februar 2020
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim - Begleitstudie - Age-Stiftung
Inhaltsverzeichnis

1        Zusammenfassung                                                  4

2        Ausgangslage                                                    10

3        Projektidee                                                     13

4        Evaluation                                                      14
4.1      Wirkungsmodell                                                  14
4.2      Methode                                                         16

5        C hronologische Entwicklung des Projektes im Überblick         17

6        Überzeugungsarbeit leisten und Infrastruktur erstellen          18
6.1      Politische Prozesse                                             18
6.2      Umbauarbeiten / Infrastruktur (Pläne, Kosten)                   18

7        Die Idee umsetzen und ein Betriebsmodell entwickeln             20
7.1      Die Organisation festlegen                                      20
7.2      Patienten versorgen                                             20
7.3      Eine Hausarztpraxis auslasten                                   22

8        Neue Prozesse einleiten                                         24
8.1      Ein Team entwickeln                                             24
8.2      Als Pflegeexpertin tätig werden                                 25
8.3      Kollaborieren für bessere Wirksamkeit                           28

9        Interview mit der Heimleitung Barbara Burkhalter              29

10       Einbettung des Projektes in Konzepte integrierter Versorgung    32
10.1     Pro-aktive Unterstützung                                        32
10.2     Integrierte Versorgungsmodelle                                  33
10.2.1   Befähigende Interaktion zwischen Patienten und Patientinnen /
         Bewohnenden und Fachpersonen                                    34
10.2.2   Zukunftsweisendes Betriebskonzept                               36
10.2.3   Ermöglichendes Gesundheitssystem                                38

11       Referenzen                                                      42

                                                                              3
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim - Begleitstudie - Age-Stiftung
1   Zusammenfassung

                                                                     Das Alters- und Pflegeheim Im Fahr in der Berner
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                     Gemeinde Brügg integrierte eine Hausarztpraxis
                                                                     in seine Räumlichkeiten. Damit sollte die heim­
                                                                     ärztliche Versorgung der 46 Bewohnerinnen und
                                                                     Bewohner und gleichzeitig die hausärztliche
                                                                     Versorgung in der Region sichergestellt werden.
                                                                     Das Projekt war erfolgreich. Die Praxis funktio-
                                                                     nierte nach kurzer Zeit kostendeckend. Die enge
                                                                     Zusammenarbeit zwischen den Ärztinnen und
                                                                     einer Pflegeexpertin in Palliativ Care erlaubte eine
                                                                     neue Aufgabenteilung im Heim. Neue interpro­
                                                                     fessionelle Prozesse verbesserten die Versorgung.
                                                                     Das fachliche Profil wurde geschärft und die
                                                                     Nachfrage nach Palliativ-Care-Betreuung durch
                                                                     das Alters- und Pflegeheim nahm zu.

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Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim - Begleitstudie - Age-Stiftung
1.      Die Projektidee                                 2.         Begleitstudie

                                                                     Im Jahr 2016 drohte ein Hausarztmangel als Folge        Die Begleitstudie deckte den Zeitraum von Beginn
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                     der bevorstehenden Pensionierung einer bisherigen       des Umbaus im Jahr 2017 bis zum Abschluss des Pi-
                                                                     Ärztin im Gemeindeverband Brügg. Dies veranlasste       lotprojekts Ende 2019 ab. Die Evaluation wurde durch
                                                                     die Heimleiterin des Alters- und Pflegeheims Im Fahr    die Firma Nursing Science & Care GmbH, Prof. Dr.
                                                                     dazu, ein Projekt zur Sicherung der heim- und haus-     Romy Mahrer Imhof und Prof. Dr. Lorenz Imhof, durch-
                                                                     ärztlichen Versorgung zu lancieren. Eine ins Heim       geführt.
                                                                     integrierte Hausarztpraxis sollte der Sicherung ei-
                                                                     ner guten medizinisch-pflegerischen Versorgung der      Die Grundlage der Studie bildeten Interviews mit ver-
                                                                     Heimbewohnenden dienen und gleichzeitig die ärzt-       schiedenen Akteuren und Akteurinnen: Leitungs-
                                                                     liche Grundversorgung der 15’000 Einwohnerinnen         mitglieder, Vertreter politischer Gremien, Ärztinnen,
                                                                     und Einwohner im Einzugsgebiet unterstützen. Im Be-     Fachpersonal aus der Arztpraxis und dem Heim, Patien-
                                                                     wusstsein wie schwierig sich die Suche nach Hausärz-    tinnen und Patienten sowie Bewohnende des Im Fahr.
                                                                     tinnen und Hausärzten für die Region in der Vergan-
                                                                     genheit gestaltet hatte, genehmigten die Trägerschaft   Ergänzend wurden Daten zum Betrieb der Hausarzt-
                                                                     und der Vorstand das Projekt. Durch die finanzielle     praxis, Protokolle der Heimleitung zum Projektverlauf
                                                                     Unterstützung der Age-Stiftung konnten im Jahr 2017     und Daten zu den Aktivitäten der Pflegeexpertin im
                                                                     die notwendigen Umbaumassnahmen und das neue            Alters- und Pflegeheim ausgewertet.
                                                                     Betriebskonzept in Angriff genommen werden.
                                                                                                                             Auf dieser Datengrundlage beschreibt der vorliegen-
                                                                                                                             de Bericht den Aufbau der Heim- und Hausarztpra-
                                                                                                                             xis, deren Auslastung und Funktionieren. Dargestellt
                                                                                                                             werden die neu etablierte Zusammenarbeit zwischen
                                                                                                                             Praxis und Heim und Veränderungen in der interpro-
                                                                                                                             fessionellen Zusammenarbeit. Reaktionen von Heim-
                                                                                                                             bewohnenden, Patientinnen und Patienten, aber auch
                                                                                                                             von externen Stakeholders werden beschrieben.
                                                                                                                             Überlegungen der Autorin und des Autoren zu neuen
                                                                                                                             Versorgungsmodellen werden mit den Erfahrungen in
                                                                                                                             diesem Projekt in Verbindung gebracht.

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3.       Ergebnisse

a.	Das Konzept der Praxis ist aufgegangen                 b.	Neue fachliche Kompetenz integriert

                                                                                                                       Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
Die neue Praxis wurde im Gartengeschoss des Heims                   und Zusammenarbeit etabliert
ausgebaut, hat einen separaten Eingang und eine in-        Pflegeexpertinnen APN (Advanced Practice Nurses)
terne Verbindung zum Heim. Parkplätze sind vorhan-         sind dank ihres Masterstudiums und ihrer erweiter-
den und die Anbindung an den öffentlichen Verkehr          ten klinischen Fähigkeiten besonders für den Aufbau
ist mit einer 50 Meter entfernten Bushaltestelle gege-     integrierter Versorgungsmodelle geeignet. Eine ent-
ben. Die Praxis wurde 2018 offiziell eröffnet. Die Haus-   sprechende Fachperson wurde auch für die Mitarbeit
arztpraxis und das Alters- und Pflegeheim wurden           in der Arztpraxis und im Heimbereich gesucht. Der
organisatorisch als zwei unabhängige Einheiten kon-        Mangel an geeigneten Bewerbungen, die diesem An-
zipiert. Beide Bereiche werden von der Heimleitung         forderungsprofil entsprachen, führte dazu, dass von
geführt. Alle Mitarbeiterinnen der Arztpraxis (Ärztin-     diesem Plan abgewichen werden musste. Eine Pfle-
nen und Medizinische Praxisassistentinnen MPA) sind        gefachperson mit absolvierter Palliativpflegeweiter-
Angestellte, mit Teilzeitanstellungen zwischen 40 und      bildung wurde als Pflegeexpertin mit einem Pensum
90 %. Die Ärztinnen erhalten eine Umsatzbeteiligung.       von 80 % angestellt. Ihr laufendes Hochschulstudium
Die Pflegeexpertin mit Spezialisierung in Palliativ Care   wird vom Im Fahr unterstützt und sie erhält regelmäs-
leistet Einsätze im Heim und in der Arztpraxis. Sie ist    siges hausärztliches Mentoring durch die Mitarbeit in
im Alters- und Pflegeheim als Stabsstelle der Heimlei-     der Hausarztpraxis.
tung angestellt.
                                                           Ihr Einsatz erfolgte mehrheitlich im Alters- und Pfle-
Bei der Wahl neuer Mitarbeitender wurde das Perso-         geheim. Ihre Tätigkeiten teilen sich auf in klinische In-
nal beider Einheiten aktiv miteinbezogen.                  terventionen für Bewohnende und Angehörige (54 %),
                                                           in die Koordination mit Ärztinnen, Pflegepersonal und
Die Auslastung der Praxis hat sich wie geplant entwi-      externen Diensten (21 %) und in die Weiterbildung des
ckelt. Der Patientenstamm umfasste in den ersten sie-      Pflegepersonals (25 %).
ben Monaten 840 und am Ende des zweiten Betriebs-
jahrs 1201 Personen. Die Konsultationen stiegen von        Ihr inhaltlicher Schwerpunkt lag in der Bearbeitung
576 pro Monat in der ersten Phase auf nunmehr 681          neuer Standards für das Schmerzmanagement und
pro Monat (+18 %) bei Projektende. Es wurden mehr-         in der Neukonzeption der Arztvisite im Heim. Dafür
heitlich Frauen (61 %) in allen Altersgruppen behan-       übernahm sie vermehrt Triagefunktionen; sie ent-
delt. Rund 36 % der Personen waren über 65 Jahre,          schied, welche Fragen von den Pflegefachpersonen
13,8 % über 80 Jahre alt. Der Anteil der Heimbewoh-        selbstständig beantwortet werden und welche an die
nenden, die durch Ärztinnen der Praxis versorgt wur-       Ärztinnen für deren Vorbereitung der Visite weiter-
den, hat sich im Projektverlauf auf 40 Personen (86 %)     geleitet werden mussten. Vereinzelt übernahmen die
erhöht. Der Vorstand und die Trägerschaft der Ge-          Pflegeexpertin und eine Hausärztin in interprofessio-
meinden äusserten sich positiv zum guten Geschäfts-        neller Zusammenarbeit die Begleitung und Betreuung
verlauf und zur Sicherung der medizinisch-pflegeri-        von Bewohnenden respektive Patientinnen und Pa­
schen Grundversorgung.                                     tienten am Lebensende.

                                                                                                                                        7
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim - Begleitstudie - Age-Stiftung
4.	Perspektiven für                                       5.	Einbettung des Projektes
                                                                         das Projekt                                                in Konzepte integrierter
                                                                                                                                    Versorgung

                                                                     Nach 18 Monaten Laufzeit hat die Integration einer         Die Autorin und der Autor verbinden die erfolgreiche
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                     Hausarztpraxis in das Pflegeheim Im Fahr und die Idee      Umsetzung der Projektidee mit verschiedenen Ge­
                                                                     enger interprofessioneller Zusammenarbeit im Sinne         lingensfaktoren. Dazu gehört neben einem sorgfäl-
                                                                     integrierter Versorgung zwei der drei gesetzten Zie-       tigen Projektmanagement und der politischen Inte­
                                                                     le erreicht. Erstens, konnte die ärztliche Versorgungs-    gration auf Gemeindeebene die klare Ausrichtung der
                                                                     sicherheit für Heimbewohnende und Einwohner oder           Leistungen auf ein Modell integrierter Versorgung.
                                                                     Einwohnerinnen des Gemeindeverbands erhöht wer-            Entscheidend war die Neugestaltung von Rollen und
                                                                     den. Zweitens, kam es zu einer Qualitätssteigerung         Prozessen in der interprofessionellen Zusammenar-
                                                                     sowie einer Stärkung und Erweiterung des pflege-           beit. Eine Zusammenarbeit, die personelle Ressour-
                                                                     risch-medizinischen Angebots durch den Einsatz ei-         cen auch für die Bildung eines gemeinsamen Teams,
                                                                     ner Pflegeexpertin mit Spezialisierung in Palliativ-       Kontinuität und Transparenz durch offene Informati-
                                                                     pflege. Erfolgsfaktor dabei waren Teamarbeit über          onswege zur Verfügung stellt.
                                                                     bestehende organisatorische, professionelle Grenzen
                                                                     hinweg und eine enge persönliche Zusammenarbeit
                                                                     aller Beteiligten. Dies führte zu einer Profilschärfung
                                                                     für das Alters- und Pflegeheim Im Fahr. Die Instituti-
                                                                     on gilt heute als kompetent in der palliativen Versor-
                                                                     gung. Ein Anstieg an Anfragen für Dienstleistungen in
                                                                     diesem Bereich war zu verzeichnen. Der Ausbau der
                                                                     Fachkompetenz der Mitarbeitenden und die Intensi-
                                                                     vierung der integrierten Versorgung in diesem Gebiet
                                                                     ist geplant. Erste Überlegungen zur Bereitstellung von
                                                                     Palliativ-Care-Betten als Teil der medizinisch-pflegeri-
                                                                     schen Grundversorgung drängen sich auf.

                                                                     Das dritte Ziel, die Koordination und die mögliche Ko-
                                                                     operation des neuen Angebots mit bestehenden Leis-
                                                                     tungen auf Gemeindeebene, steht noch am Anfang
                                                                     der geplanten Umsetzung.

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Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim - Begleitstudie - Age-Stiftung
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    Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim - Begleitstudie - Age-Stiftung
2          Ausgangslage

                                                                     In der Region des Seelandes drohte das Gesund-                              in ländlichen Gebieten lag die Zahl zwischen 0.4 bis
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                     heitssystem durch den Mangel an Hausärztinnen                               0.55 Hausärztinnen bzw. -ärzten pro 1000 Bewohnende 4.
                                                                     bzw. -ärzten an Qualität zu verlieren.                                      In diesen ländlichen Gebieten müssen demnach von
                                                                                                                                                 einer Hausärztin oder einem Hausarzt zwischen 1800
                                                                     Von diesem Mangel an Fachpersonen waren auch die                            und 2500 Einwohner und Einwohnerinnen versorgt
                                                                     Alters- und Pflegeheime der Region betroffen. Nicht                         werden.
                                                                     mehr alle Heime in der Region fanden einen Heimarzt
                                                                     oder eine Heimärztin, um die Versorgung der Bewoh-                          Auch bei den Pflegefachpersonen, der grössten Be-
                                                                     nerinnen und Bewohner sicherzustellen. In der Region                        rufsgruppe der medizinisch-pflegerischen Grundver-
                                                                     Biel / Seeland sollten deshalb die Spitäler, wie das Spi-                   sorgung, wird ein Fachkräftemangel prognostiziert 5.
                                                                     talzentrum Biel, vermehrt die Grundversorgung in den                        Der Versorgungsbericht von 2016 erwartet, dass der
                                                                     Heimen übernehmen. Diese taten sich aber schwer                             Bedarf an Pflegepersonal in den nächsten neun Jah-
                                                                     mit dieser Aufgabe .    1
                                                                                                                                                 ren um gut 20 % oder 40’000 Personen steigen wird.
                                                                                                                                                 Im Jahr 2014 arbeiteten gut 178’000 Personen im Pfle-
                                                                     Das Problem des Fachkräftemangels in der Gesund-                            gebereich, 2025 werden insgesamt fast 218’000 Fach-
                                                                     heitsversorgung ist nicht neu . Vor mehr als zehn
                                                                                                            2
                                                                                                                                                 kräfte benötigt. Besonders die Versorgung durch die
                                                                     Jahren schlugen die Hausärztinnen und -ärzte in                             Spitex, mit einem prognostizierten Zuwachs von 11’400
                                                                     der Schweiz Alarm und wiesen auf einen drohenden                            Fachkräften, (+35 %) und die Versorgung in den Pflege-
                                                                     Mangel in dieser Berufsgruppe in der medizinischen                          heimen, prognostizierter Zuwachs 16’485 Fachkräfte
                                                                     Grundversorgung hin. Sie forderten, dass mehr Ärz-                          (+25.7 %), weist einen enormen Bedarf an neuem Per-
                                                                     tinnen und Ärzte ausgebildet werden sollten, um für                         sonal aus. Laut dem Bericht werden die Pflegeheime
                                                                     die ganze Bevölkerung die Versorgung zu garantie-                           in den nächsten Jahren zum grössten Arbeitgeber für
                                                                     ren. Mehr Ansehen und ein besserer Lohn für Haus-                           Mitarbeitende in den Pflege- und Betreuungsberufen.
                                                                     ärztinnen und Hausärzte sollten den Beruf attraktiver
                                                                     zu machen.                                                                  In der ganzen Schweiz finden deshalb Diskussionen
                                                                                                                                                 statt, wie bestehende Strukturen und Prozesse der
                                                                     Beim Berufsverband Hausärzte Schweiz schätzt man,                           Versorgung gestaltet werden sollen, um die medizi-
                                                                     dass ohne weitere Massnahmen im Jahr 2025 5000                              nisch-pflegerischen Leistungen in der Grundversor-
                                                                     Hausärzte fehlen werden. Die OECD empfiehlt, dass                           gung zu sichern.
                                                                     eine grundversorgende Ärztin bzw. ein Arzt pro 1000
                                                                     Einwohnende eines Landes vorhanden sein sollte. Die                         Die Heimleitung des Alters- und Pflegeheims Im Fahr
                                                                     Hausarztdichte in der Schweiz lag 2016 bei 0.95 Ärz-                        war 2016 ebenfalls mit der drohenden Lücke in der me-
                                                                     tinnen bzw. Ärzten pro 1000 Einwohnend . Dabei gab  3
                                                                                                                                                 dizinisch-pflegerischen Grundversorgung konfrontiert.
                                                                     es aber erhebliche regionale Unterschiede. Vor allem                        Die Situation wurde durch die bevorstehende Pensio­

                                                                     1 Bieler Tagblatt, «Hausärztemangel trifft Pflegeheime».
                                                                     2 S eematter-Bagnoud u. a., «Offre et recours aux médicaux ambulatoires en Suisse — Projections à l’horizon 2030».
                                                                     3	OECD, Health Workforce Policies in OECD Countries.
                                                                     4 H ofstettler und Kraft, «FMH-Ärztestatistik 2017 — aktuelle Zahlen».
                                                                     5	Schweizerische Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren und OdASanté,
                                                                        «Nationaler Versorgungsbericht für die Gesundheitsberufe 2016».

                   10
nierung der Haus- und Heimärztin in der Gemeinde                        20.2 % höher als im schweizerischen Durchschnitt. Den

                                                                                                                                                                         Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
Brügg akut. Herausgefordert durch die Situation such-                   tiefsten Anteil weist die Gemeinde Scheuren (16.5 %)
ten die Verbandsgemeinden und das Heim nach tragfä-                     und den höchsten Anteil die Gemeinde Aegerten
higen Lösungen, um die Versorgung sowohl der regio-                     (22.6 %) aus 6.
nalen Bevölkerung wie auch der Heimbewohnenden im
Gemeindeverband Brügg langfristig sicherzustellen.                      Zur Zeit des Projektstarts waren drei Hausärzte im Ein-
Dafür sollten die fachlichen Ressourcen aus dem Heim                    zugsgebiet tätig und ein zweites Heim bot Betreuung
genutzt und ausgebaut werden können.                                    und Pflege an. Der Bedarf an medizinischen Leistun-
                                                                        gen in der Region erhöhte sich zusätzlich durch ein
In den sieben Gemeinden des Gemeindeverbandes                           geplantes Bauprojekt für Alterswohnungen in der Ge-
Brügg leben rund 15’000 Personen. Zum Gemeinde-                         meinde Brügg.
verband gehören die Gemeinden Brügg (4298 Ein-
wohnerinnen und Einwohner), Studen (3107), Orpund
(2675), Safnern (1951), Aegerten (1874), Schwadernau
(657) und Scheuren (449). Der Anteil der Bevölkerung
                                                                        6	Bundesamt für Statistik, «Regionalporträts 2017:
in der Altersgruppe 65+ Jahre ist mit einem Anteil von                     Gemeinden — Kennzahlen».

                                                                                                                                                      K ANTON
                                                                                                                                                     SOLOTHURN
                                                                        Verwaltungskreis
                                                                           Berner Jura

                                                                                                                                           Lengnau
                                                                                                                                             (BE)
                                                                                                                  Pieterlen

                                                                                                                              Meinisberg

                                                                                                                 Safnern
                                                                    Evilard
                                                                              Biel/Bienne             Orpund

                                                                                                                  Scheuren
                                                                                           Brügg
                                                                          Nidau
                                                                                                         Schwadernau

                                                                                           Aegerten
                                               Twann-                Ipsach         Port
                                                                                                   Studen (BE)
                                              Tüscherz

                                                              Sutz-      Bellmund
                                                            Lattrigen

                                     Ligerz                                                                                         K ANTON
                                              Bielersee                                                                               BERN
                                                          Mörigen

    K ANTON
   NEUENBURG

                                                                        Verwaltungskreis
                                                                            Seeland
                                                                                                                                                     0   1   2   3   4                                                  5 km

Abbildung 1: Gemeindeverband Brügg

                                                                                                                                                                         11
Eckdaten Im Fahr
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                     Stand 1.1.2020

                                                                     Ertrag:          2019 CHF 4’774’500.—
                                                                     Team:            78 Mitarbeitende
                                                                     Bewohnerinnen
                                                                     und Bewohner:    46
                                                                     Baujahr:         1989
                                                                     Trägerschaft:	Gemeindeverband Region Brügg
                                                                                      (7 Gemeinden)
                                                                     Lage: 	zentral gelegen, hat eine Bus­haltestelle,
                                                                                      auch ohne Auto gut erreichbar.

                   12
3         Projektidee

Ein neues Betriebskonzept «Integrierte Heimarzt- &       Das neuartige Betriebsmodell wurde mit jährlichen

                                                                                                                  Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
Hausarztpraxis Im Fahr» wurde entwickelt. Ein Kon-       Schwerpunktsetzungen in Angriff genommen und
zept, das eine Arztpraxis in den Betrieb des Pflege-     während der ganzen Pilotphase kontinuierlich evalu-
heims integriert und damit sowohl die heimärztliche      iert. Das Projekt startete mit einer sechsmonatigen
Versorgung wie auch die regionale Grundversorgung        Umbauphase im Heim.
stützt. Es war vorgesehen, dieses Konzept im Rahmen
einer dreijährigen Pilot- und Entwicklungsphase (2017
bis 2019) zu implementieren und — wo nötig — anzu-
                                                           Jährliche Schwerpunkte
passen.                                                    des Projekts

Es war geplant, die Arztpraxis an einen oder zwei          Im ersten Jahr soll die Nachfolge gesichert werden.
Hausärztinnen bzw. -ärzte mit Fachgebiet «Allgemei-
ne Medizin und Geriatrie» zu vermieten. Bestandteil        Im zweiten Jahr soll das integrierte Arbeitsmodell
des neuen Betriebskonzepts war die Schulung der            mit Synergien bei der Projektassistenz, bei der Re-
Mitarbeitenden, um kombinierte Einsatzmöglichkei-          gelung der Öffnungszeiten und des Notfalldiens-
ten des medizinischen und pflegerischen Fachperso-         tes (z. B. Kooperation mit dem Hausarzt-Notfall-­
nals im ambulanten Betrieb der Praxis und im stationä-     System im Seeland) umgesetzt werden.
ren Betrieb des Heims zu ermöglichen. Neue Formen
der Zusammenarbeit zwischen den Ärztinnen und den          Im dritten Jahr sollen Erfahrungen im Skill-Mix, das
Pflegefachpersonen im Heim sollten ausprobiert wer-        heisst, mit dem Einsatz von geschultem Personal
den. Die gemeinsame Versorgung von Patientinnen            in den Bereichen Demenz und Lebensbegleitung,
und Patienten durch die Hausarztpraxis, selbstständi-      Geriatrie, Gerontologie, Palliative Care bei Hausbe-
ge Hausbesuche durch eine neu einzustellende Pfle-         suchen oder bei Sprechstunden über Skype bzw.
geexpertin und eine damit verbesserte Nutzung von          Telefon gesammelt werden.
zusätzlichem Wissen und Können der Pflegefachper-
sonen sollten die Versorgungsqualität im Heim gleich-
zeitig positiv beeinflussen.

     Das neuartige Betriebsmodell
     wurde mit jährlichen Schwerpunkt-
     setzungen in Angriff genommen
     und während der ganzen Pilotphase
     kontinuierlich evaluiert.

                                                                                                                  13
4       Evaluation

                                                                     4.1     Wirkungsmodell                                    Die Sicherstellung der Versorgung auf Gemeindeebene
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                                                                               beinhaltet die Integration des Projekts in die politischen
                                                                     Integrierte Versorgungsansätze wie die geplante           Ziele der Gemeinde und die Zusammenarbeit mit den
                                                                     Heim­a rzt- & Hausarztpraxis Im Fahr bieten interes-      anderen Anbietern von Leistungen. Auch hier sollten
                                                                     sante Lösungen, um die medizinische-pflegerische          eine hohe Versorgungsqualität und der niederschwelli-
                                                                     Grundversorgung auch ausserhalb von Regionalzen-          ge Zugang zu Leistungen den Massstab bilden, um die
                                                                     tren zu gewährleisten. Zudem schaffen kombinierte         Akzeptanz für das Projekt in den politischen Gremien
                                                                     Arbeitsansätze im stationären und ambulanten Pfle-        und in der Bevölkerung zu sichern.
                                                                     gebereich für das Fachpersonal eine Anreicherung
                                                                     des Arbeitsprofils und eine attraktive und vielseitige    Um die Leistungen der Pflegefachpersonen im Heim
                                                                     Arbeitsstelle. Es galt zu untersuchen, wie und mit wel-   zu erweitern und die Zusammenarbeit zwischen den
                                                                     chen Rahmenbedingungen das Konzept «Integrierte           Hausärztinnen und den Pflegefachpersonen zu ermög-
                                                                     Heimarzt- & Hausarztpraxis Im Fahr» neue Formen ei-       lichen, mussten Rollen in der interprofessionellen Zu-
                                                                     ner integrierten Versorgung ermöglicht. Am Ende der       sammenarbeit neu definiert werden. Entsprechende
                                                                     Pilotphase sollte sich zeigen, ob das neue Modell ei-     Konzepte mussten diskutiert und Schulungsangebote
                                                                     ner integrierten Haus- und Heimarztpraxis auch Mo-        durchgeführt werden. Dies sollte zu einem unbürokra-
                                                                     dellcharakter für weitere Heime und Gemeinden ha-         tischen Informationsaustausch ohne Hürden zwischen
                                                                     ben könnte. Erwartet wurde, dass sich das Projekt         Heim und Arztpraxis beitragen, eine hohe Qualität
                                                                     positiv auf die medizinische Versorgung der Heimbe-       der pflegerisch-medizinischen Leistungen garantieren
                                                                     wohnenden auswirkt, Pflegefachpersonen im Heim            und einen effektiven Einsatz der vorhandenen
                                                                     ihre Leistungen ausweiten und verbessern können
                                                                     und die Versorgung auf Gemeindeebene sicherge-
                                                                     stellt wird (Abbildung 2: Wirkungsmodell).                   Fragen der Evaluation

                                                                     Ob das Projekt erfolgreich sein würde, wurde durch           • Kann das Projekt die medizinische Grund­
                                                                     fünf Kontextfaktoren stark beeinflusst. Dazu gehören           versorgung auf Gemeindeebene sichern?
                                                                     die lokale demographische Entwicklung, die Schaf-            • Welches sind die Auswirkungen auf
                                                                     fung neuer Finanzierungsmodelle, die Entwicklung an-           die Versorgung der Heimbewohnerinnen
                                                                     derer Angebote im Gemeindeverband, die politischen             und -bewohner?
                                                                     Ziele der Gemeinden sowie berufspolitische Entwick-          • Wie werden Rollen in der Zusammenarbeit
                                                                     lungen auf kantonaler und schweizerischer Ebene.               zwischen Hausärztinnen und Pflegefach­
                                                                                                                                    personen verändert?
                                                                     Für das Ziel einer Verbesserung der Versorgungssi-
                                                                     cherheit auf Heimebene galt es, die Herausforderun-
                                                                     gen einer baulichen Veränderung zu meistern sowie
                                                                     die personellen und finanziellen Fragen rund um die
                                                                     Schaffung einer Hausarztpraxis zu klären. Ziel war ein
                                                                     medizinisches Angebot, das niederschwellig den Be-
                                                                     dürfnissen der Heimbewohnenden entsprach.

                   14
Kontextfaktoren

                                                                                                                                    Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
                              • Demographische Entwicklung
                              • Finanzierungsmodelle
                              • Andere Grundversorgungsangebote in der Gemeinde
                              • Politische Ziel der Gemeinde
                              • Berufspolitische Entwicklung

 Input                        Umsetzung               Output                     Outcome                   Impact
 Ziel, Ressourcen             Strukturen              Leistungen                 Reaktion bei              Gesellschaftliche
                              Prozesse                Angebote                   Zielgruppen               Wirkungen
 Medizinische                 • Räumliche             • Umfang der               • Zufriedenheit           • Kombination
                                Veränderung             Leistungen                 Bewohnerinnen             medizinischer
 Versorgunngs-
                                                                                                             und pflegerischer
                              • Anstellung HA + MPA   • Nutzung der Praxis       • Auslastung der HA
 sicherheit für                                                                                              Expertise
                                                                                 • Umgang mit
 Heimbewohne-
                                                                                   Notfällen
 rinnen
                                                                                 • Kontaktaufnahme
                                                                                   Pat — Praxis

                                                                                 • Anteil Patientinnen
                                                                                   vom Heim

                                                                                 • Betriebsmodell
                                                                                   gem. Leitbild
                                                                                   Im Fahr

 Angebotserwei-               • Zusammenarbeit        • Leistungsangebot         • Zufriedenheit           • Interprofessionelle
                                der Akteure             (shared), erweitert        Pflegepersonal            Kollaboration mit
 terung durch
                                                                                                             gutem Ressourcen-
                              • Schulung Pflege       • Schulungsangebot         • Qualität der
 Pflegefachper-                                                                                              einsatz (Betriebs­
                                (fachlich)                                         Leistungen
                                                      • Interprofessionalität                                modell Im Fahr)
 sonen
                              • Rollen / Rollen­                                 • Zufriedenheit mit
                                                      • Einsatzplanung
                                klärung                                            der Vorbereitung
                                                        geregelt
                                                                                 • Hindernde und
                                                      • Abrechenbarkeit
                                                                                   fördernde Faktoren

                                                                                 • betrieblichr und
                                                                                   fachlichr Nutzen

                                                                                 • Koordination Infor-
                                                                                   mationsfluss EDV

                                                                                 • Einfluss auf Ressour-
                                                                                   cen im Heimbetrieb

                                                                                 • Finanzierungs­
                                                                                   möglichkeiten

 Versorgung auf               • Ressourcen für        • Inter-organisationelle   • Koordination            • Gesamtkonzept der
                                die Umsetzung           Zusammenarbeit             verschiedener             Grundversorgung
 Gemeindeebene
                                                                                   Leistungserbringer        «aus einer Hand» für
                              • Zusammenarbeit /      • Integrierte
 ausweiten                                                                                                   die Region
                                Abgrenzung Pflege-      Versorgung               • Versorgungs­
                                MPA — Spitex-                                      kontinuität
                                andere HA
                                                                                 • Niederschwelliges,
                                                                                   einfacher Zugang

                                                                                 • Akzeptanz

Abbildung 2: Wirkungsmodell

                                                                                                                                    15
4.2 Methode                                            Bewohnende des Heimes, Patientinnen und Patienten
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                                                                            der Arztpraxis sowie Pflegefachpersonen äusserten
                                                                     Die finanzielle Unterstützung durch die Age-Stiftung   sich zur Zufriedenheit mit den Veränderungsprozes-
                                                                     ermöglichte die Evaluation des Betriebskonzepts        sen. Dazu wurden die Hausärztinnen und die Pflege-
                                                                     durch die Firma Nursing Science & Care GmbH, Win-      fachpersonen in offenen Interviews befragt. Vertre-
                                                                     terthur. Die Firma wird von promovierten Pflegewis-    terinnen und Vertreter des Gemeindeverbandes und
                                                                     senschaftlerinnen mit langjähriger Forschungserfah-    des Vorstandes gaben Auskunft zu ihrer politischen
                                                                     rung geleitet und hat sich auf die Evaluation neuer    Bilanz des Projektverlaufs.
                                                                     Modelle der medizinisch-pflegerischen Grundversor-
                                                                     gung auf Gemeindeebene spezialisiert.                  Die quantitativen Daten wurden durch «Vitodata»,
                                                                                                                            dem Erfassungssystem der Hausarztpraxis, erho-
                                                                     Für die Beantwortung der Fragen aus dem Wirkungs-      ben. Da für die Arbeit an der Schnittstelle zwischen
                                                                     modell wurden qualitative und quantitative Daten er-   Hausarztpraxis und Heim eine spezialisierte Pflege-
                                                                     hoben. Für die Erhebung von qualitativen Daten wur-    fachperson angestellt wurde, erfasste diese ihre Ar-
                                                                     den Telefoninterviews mit Patientinnen und Patienten   beitseinsätze im Heim und in der Arztpraxis selbst.
                                                                     der Hausarztpraxis, den Hausärztinnen, Mitgliedern     Sie dokumentierte über einen Zeitraum von mehre-
                                                                     des Vorstandes und Gemeindevertreterinnen und -ver­    ren Monaten ihre Einsätze und Tätigkeiten bei den Be-
                                                                     tretern sowie mit Mitgliedern externer Organisatio-    wohnenden. Die ungeplante, spontane Nutzung der
                                                                     nen geführt. Diese wurden ergänzt durch Interviews     Hausarztpraxis durch Heimbewohnende wurde zwei-
                                                                     vor Ort mit den Bewohnenden des Heimes und ihren       mal über eine Periode von jeweils drei Wochen durch
                                                                     Angehörigen, Pflegefachpersonen aus dem Heim,          die Medizinischen Praxisassistentinnen erfasst.
                                                                     den Mitarbeitenden der Hausarztpraxis und der neu
                                                                     eingestellten Pflegeexpertin.

                                                                     Vor dem Start der Umbauten wurden sowohl die Be-
                                                                     wohnenden und ihre Angehörigen wie auch das Per-
                                                                     sonal über die Pläne informiert und um ihre Meinung
                                                                     gebeten. Dabei wurden Befürchtungen laut, dass dies
                                                                     in einem laufenden Heimbetrieb negative Auswirkun-
                                                                     gen auf die Bewohnenden haben könnte. Deshalb
                                                                     wurden im Rahmen des Projektes sowohl Bewohnen-
                                                                     de des Heimes wie auch Angehörige interviewt (No-
                                                                     vember 2017 bis Februar 2018). Von ihnen wurden ihre
                                                                     Meinungen zur Umbauphase, zur neuen Lokalität des
                                                                     Aktivierungsraumes und zur Hausarztpraxis im Heim
                                                                     erfragt.

                   16
5        Chronologische Entwicklung
          des Projektes im Überblick

Projektablauf

                                                                                             Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
 Med. Versorgung          August:
    auf Gemeinde­      Praxiseröffnung                                      Pensionierung
    ebene in Frage      1 Hausärztin                                         Hausärztin
        gestellt         und 1 MPA

    Entwicklung der                         Nachfolge
    Idee einer Haus-                        geregelt
 arztpraxis im Fahr                      3 Hausärztinnen
                                         3 MPA und 1 MPA
                                          in Ausbildung
       Vorstand:
    Betriebskonzept                                          Einsatz
                                                           in der Praxis

       Konzept
                                                   Anstellung                 Konzept
          Ja
                                                 Pflegeexpertin                Visite

        Gesuch
                                                             Einsatz          Konzept
     Age-Stiftung       Umbau
                                                             im Heim       Schmerztherapie
      für Umbau

         2016             2017                          2018                 2019

                                                                                             17
6           Überzeugungsarbeit leisten
                                                                                  und Infrastruktur erstellen

                                                                     6.1         Politische Prozesse
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                                                                                  «Jede Gemeinde muss sicherstellen, dass die
                                                                     Dem Start des Projekts standen negative Erfahrungen          medizinische Grundversorgung gewährleis-
                                                                     in den Gemeinden im Weg. In der Vergangenheit hat-           tet ist. Heute gibt es einige Gemeinden, die
                                                                     ten sich Investitionsrisiken, wie hohe Mieten, die Kos-      die Infrastruktur für eine Hausarztpraxis stel-
                                                                     ten für die Einrichtung einer Praxis sowie die Arbeits-      len müssen, damit sie überhaupt die Chance
                                                                     bedingungen für Ärztinnen und Ärzte als Hindernis            haben, einen Hausarzt ins Dorf zu bekommen.
                                                                     für den Erhalt und den Aufbau von Hausarztpraxen im          Dies ist sehr teuer und zudem ist ungewiss, ob
                                                                     Gemeindeverband erwiesen. Die hohen Kosten führ-             es dann gute Bewerber gibt. Ich war von der
                                                                     ten z. B. in der Gemeinde Studen zum Wegzug eines            Idee der Hausarztpraxis Im Fahr sofort ange-
                                                                     Arztes . Vor allem das Investitionsrisiko durch die Kos-
                                                                             7
                                                                                                                                  tan, da die langjährige Heimärztin mitmachte,
                                                                     ten der baulichen Massnahmen erzeugte politische             das Pflegeheim Im Fahr einen guten Ruf hat
                                                                     Diskussionen. Eine erste Projektidee wurde von der           sowohl in der Versorgung der Bewohnenden
                                                                     Heimleitung des Im Fahr entwickelt und den Entschei-         als auch in der Führung des Personals.»
                                                                     dungsgremium «Vorstand» vorgelegt.
                                                                                                                                  Gemeindevertreter Aegerten

                                                                     Die Projektidee wurde durch die langjährige Heim­
                                                                     ärztin, die zu diesem Zeitpunkt eine baldige Pensio-
                                                                     nierung angekündigt hatte, unterstützt. Bereits bei
                                                                     der ersten Diskussion lag ein Plan für den notwendi-       6.2 U
                                                                                                                                     mbauarbeiten / Infra-
                                                                     gen Umbau vor. Um das Projekt besser politisch abzu-           struktur (Pläne, Kosten)
                                                                     stützen, wurde bei den Umbauplänen vor allem auch
                                                                     das lokale Baugewerbe für eine Offerte eingeladen.         Für den baulichen Aufbau der Hausarztpraxis im Pfle-
                                                                     Mit der erfolgreichen Eingabe eines Gesuchs bei der        geheim war es notwendig, vorhandene Räume um-
                                                                     Age-Stiftung konnten die notwendigen Umbauarbei-           zunutzen. Zwei Behandlungsräume, eine Laborein-
                                                                     ten finanziell abgedeckt werden. Dies verringerte die      richtung sowie ein Warteraum mit Empfang waren
                                                                     finanziellen Aufwendungen durch die Trägerschaft           vorgesehen. Die Praxisräume wurden in den ehema-
                                                                     und erhöhte die Chance einer politischen Unterstüt-        ligen Aktivierungstherapieraum im Gartengeschoss
                                                                     zung. Das Projekt wurde bewilligt und die Bauarbeiten      eingebaut. Viel Wert wurde darauf gelegt, dass die
                                                                     in Angriff genommen.                                       geplante Praxis über einen separaten Eingang mit ei-
                                                                                                                                gener Zufahrt und zugehörigen Parkplätzen verfügt.
                                                                     Fazit: eine Hausarztpraxis in einem von einem Ge-
                                                                     meindeverband getragenen Heim vermindert das In-           Der Raum für die heiminterne Aktivierungstherapie
                                                                     vestitionsrisiko einzelner Gemeinden.                      brauchte damit einen neuen Ort. Da sich viele Bewoh-
                                                                                                                                nende tagsüber im Eingangsbereich des Heimes mit Ca-
                                                                                                                                feteria aufhalten, wurde der Aktivierungstherapieraum

                                                                     7   Lippuner, «Pensionskasse bremst Ärzte aus».

                   18
«Jetzt sieht man, wenn man in den Eingangsbe-
     reich kommt, dass in der Aktivierung etwas läuft.
     Das macht es einfacher, da mitzumachen.»
      Bewohnerin des Heimes

mehr ins Zentrum des Heimes verlegt. Der neue Aktivie-

                                                                                                                         Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
rungsraum befindet sich heute in unmittelbarer Nähe des
Eingangsbereiches und ist durch Fenster vom Eingangs-
bereich aus einsehbar. Der Umbau verursachte teilweise
eine erhebliche Lärmbelastung. Die Bewohnenden wie
auch die Angehörigen zeigten viel Verständnis für eine
vorübergehende Belastung durch den Umbau. Das Re-
sultat wurde als gut befunden, da die Aktivierung mehr
ins Zentrum des Heimes gerückt worden sei.                  Quelle: Fotos Im Fahr — Eingangsbereich der Hausarztpraxis

Kosten Infrastruktur

           Umbaukosten                             Infrastruktur                               Grösse Praxis

      CHF 235’500.–                            CHF 96’500.–                                        90 m2

                                                                                                                         19
7         ie Idee umsetzen und ein
                                                                              D
                                                                              Betriebsmodell entwickeln

                                                                     Der Vorstand, eingesetzt von der Trägergemeinschaft       an Mitinitiantin des Projektes. Sie sah dieses Engage-
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                     Brügg und der Heimleitung vorgesetzt, stimmte dem         ment aber als eine Übergangsphase zu ihrer bevorste-
                                                                     Projekt zu. Ein Betriebskonzept, welches das Alters-      henden Pensionierung. Sie hatte deshalb ihre vorheri-
                                                                     und Pflegeheim Im Fahr und die Hausarztpraxis als         ge Hausarztpraxis aufgegeben und die Räumlichkeiten
                                                                     zwei Entitäten führen würde, wurde bewilligt. So sollte   im Im Fahr übernommen. Aus diesem Grunde suchte
                                                                     das finanzielle Risiko für die Gemeinde so gering wie     die Heimleitung frühzeitig weitere Mitarbeitende für
                                                                     möglich gehalten werden.                                  die Praxis. Auf Stellenausschreibungen in der Ärzte-
                                                                                                                               zeitschrift meldeten sich Interessierte für die Stelle als
                                                                                                                               Hausärztin und für die Stelle als Medizinische Praxis­
                                                                       «Es gab auch kritische Stimmen, die befürch-            assistentin (MPA).
                                                                       teten, dass der Gemeindeverband als Träger-
                                                                       schaft mit der Hausarztpraxis ein finanzielles          Mit der Neuanstellung weiterer Ärztinnen ab Frühjahr
                                                                       Risiko eingeht. Sie müssten ja bei einem Miss-          2018 wurde deutlich, dass sich diese ein anderes Be-
                                                                       erfolg für das Defizit aufkommen.»                      triebsmodell wünschten. In der Praxis Im Fahr wünsch-
                                                                                                                               ten sich die neuen Ärztinnen einen Teilzeit-Anstellungs-
                                                                       Mitglied des Vorstandes                                 vertrag mit einer Umsatzbeteiligung. Sie wollten die
                                                                                                                               Praxis nicht als selbstständige Mieterinnen führen. Da
                                                                                                                               die Sicherung der Nachfolge ohne diese Anpassungen
                                                                                                                               zu scheitern drohte, wurde das Betriebskonzept über-

                                                                     7.1      Die Organisation                                dacht und verändert. Zwei Ärztinnen und ein Arzt für

                                                                               festlegen                                       Ultraschalluntersuchungen sowie eine zweite MPA nah-
                                                                                                                               men ihre Tätigkeit als Angestellte des Heims im Früh-
                                                                     Einem künftigen Ärzteteam sollten die Räumlichkeiten      jahr 2018 (Februar und April) auf. Im Herbst 2018 wurde
                                                                     zu attraktiven Bedingungen in Bezug auf das Betriebs-     eine dritte MPA (40 %) eingestellt.
                                                                     modell (Gewinnbeteiligung, Synergienutzung Infrastruk-
                                                                     tur und Personal) und auf das Zusammenarbeitsmodell       Fazit: Ein Betriebsmodell, das Ärztinnen Teilzeitarbeit
                                                                     (Teamaustausch, Kompetenzbündelung, Skill-Mix etc.)       erlaubt und das Investitionsrisiko einer Einzelpraxis mi-
                                                                     vermietet werden.                                         nimiert, trägt wesentlich zum Erfolg bei.

                                                                     Die Rechnungsstellungen der Hausarztpraxis für ihre
                                                                     Leistungen und die Buchhaltung der Praxis sollten ex-
                                                                     tern durchgeführt werden, um die beiden Geschäfts-        7.2      Patienten versorgen
                                                                     bereiche Pflegeheim und Hausarztpraxis klar zu tren-
                                                                     nen und zu führen.                                        Die Entwicklung der Praxis entsprach der Planung. Die
                                                                                                                               durch das praxisinterne Dokumentationssystem er-
                                                                     Im August 2017 konnte die Hausarztpraxis mit einer        fassten Patientenzahlen zeigten einen deutlichen An-
                                                                     Ärztin und einer MPA eröffnet werden. Beim Start wur-     stieg zwischen der Praxiseröffnung im April 2018 und
                                                                     den die Praxisräumlichkeiten entsprechend diesem          dem Ende der Beobachtungsphase im Oktober 2019.
                                                                     Betriebskonzept gemietet. Die Ärztin war von Anfang       Der 18-Monate-Vergleich zeigt, dass die Zahl der ver-

                   20
O
                                                                                                                                                                                rg
                                                                                                                                                                                  an
                                                                                                                                                                                      ig
                                                                                                                                                                                        ra
                                                                                                                                                                                         m
                                                                                                                                                                                              m
                                                                                                                                                                                                al
                                                                                                                                                                                                t
       Version vom
                                                                                                    Verbandsgemeinden
                                                                                        Aegerten, Brügg, Orpund, Safnern, Schwadernau,
       5. Juli 2016                                                                                   Scheuren, Studen

                                                                                                 Delegiertenversammlung

                                                                                                                                                                                                     Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
                                                                                                              Vorstand

                                     Partner
                                 Haus-/ Heimärzte
                                                                                           Heimleitung
                                Apotheke: Schudel
                                Hygiene: Cosanum                                         Barbara Burkhalter
                                externe Therapien

                                                                         Personalwesen                  Rechnungswesen                        SIBE
                                                                          Trudi Rosenast                    Susanne Gerber               Max Hofstetter

                 Pflege, Betreuung                                                                          Gastronomie                                               Hotellerie
                    Sonja Zysset/                                                                          Olivier Ribiere                                          Max Hofstetter
                  Brigitte Steinmann

                                                                                                                       Teamleitung              Teamleitung
                                                                                                                         Service                 Hausdienst
                                                                                                                       Daniel Häusler            Naomi Bigler

                                                   Ausbildung
            Pflege-und                                                   RAI / RUG                                                                                               Technischer
                                Aktivierung           Sabina                                  Küchenteam           Serviceteam           Reinigung          Wäscherei
          Betreuungsteam                                               Stefanie Rossi                                                                                             Dienst
                                                   Eichenberger

                                                                                                                                                                            O
                                                                                                                                                                             rg
                                                                                                                                                                                an
                                                                                                  Verbandsgemeinden                                                                  ig
                                                                                    Aegerten, Brügg, Orpund, Safnern, Schwadernau,                                                      ra
                                                                                                  Scheuren, Studen                                                                      m
                                                                                                                                                                                           m
                                                                                                                                                                                                ne
                                                                                               Delegiertenversammlung                                                                           u
        Version vom
        15. August 2019

                                                                                                                                                      ●
                                                                                                                                         SIBE
                                                                                                           Vorstand               Max Hofstetter

                               ●                                                          ●                                                                                 ●
         Externe Dienste                                        Fachstelle                            Heimleitung                                Fachstelle
         • Hausärzte                               Leitung Ausbildung: Barbara Rauber               Barbara Burkhalter                   Pflegeexpertin: Cornelia Jordi
         • Apotheken
         • Therapien
         • Hygiene
         • Fusspflege
         • Zahnarzt                     Pflege, Betreuung
                                                                                            ●                                                               ●
                                                                                                      Gastronomie                        Sekretariat                     Hotellerie
         • Coiffeur                          Sonja Zysset /              Praxis Im Fahr               Daniel Häusler                Annemarie Rüfenacht                Max Hofstetter
         usw.                              Brigitte Steinmann

                                                                                                                                        Personalwesen
                       Gruppenleitung
                                               ●                                                                                    Annemarie Rüfenacht

                          Team OG
                          Brigitte Steinmann                                                                                        Rechnungswesen
                                                                                                                                        Susanne Gerber
                       Gruppenleitung
                          Team EG
                            Sonja Zysset

                       Gruppenleitung                                                                       ●       Teamleitung                   Teamleitung
                          Team GG                                                       Stv. Küchenchef
                                                                                         Michael Nyfeler              Service                      Hausdienst
                            Angela Wepf                                                                             Anna Kocurova                    Naomi Bigler

                                                        RAI / RUG                                                                                                                 Technischer
                                    Aktivierung                                            Küchenteam           Serviceteam                Reinigung            Wäscherei
                                                      Stefanie Rossi                                                                                                                Dienst

●   geänderte Positionen

                                                                                                                                                                                                     21
Abbildung 3: Patientinnen und Patienten
                                                                                                                                 nach Alter und Geschlecht

                                                                                                                                 50 %

                                                                                                                                 40 %

                                                                     sorgten Patientinnen und Patienten nach sieben Mo-
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                                                                                 30 %
                                                                     naten (Oktober 2018) bei 840 Personen lag und in den
                                                                     folgenden 12 Monaten bis Oktober 2019 auf 1201 Pa­
                                                                     tientinnen bzw. Patienten (+43 %) anstieg. Die Mehr-
                                                                     heit von ihnen (61 %) waren Frauen (Abbildung 3).           20 %

                                                                     Dieser Anteil hat sich im Verlauf der Beobachtungs-
                                                                     spanne nicht verändert.
                                                                                                                                 10 %

                                                                     Befürchtet wurde, dass die Anbindung an ein Pflege-
                                                                     heim für jüngere Patientengruppen wenig attraktiv
                                                                     sein könnte. Dies ist nicht der Fall. Die Aufteilung nach    0%
Bereits im Herbst 2018 wurden 35 von 46 Bewohnen-          Bewohnende aus dem Heim. Dabei wurden zwei Ter-

                                                                                                                    Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
den des Alters- und Pflegeheims (66 %) durch die           minvereinbarungen direkt am Schalter der Praxis ge-
Hausarztpraxis versorgt. Die anderen elf wurden auch       troffen. Zwei Bewohnende kamen zu einem Besuch für
weiterhin durch fünf externe Hausärzte oder -ärztin-       einen «Schwatz» in die Praxis, ohne eine Terminanfra-
nen betreut. Je drei der Externen hatten nur eine Per-     ge machen zu wollen. Viermal wurde von Pflegefach-
son, zwei weitere jeweils fünf respektive drei Bewoh-      personen eine Konsultation im Zimmer einer Bewoh-
nende medizinisch zu betreuen. Der Anteil der              nerin bzw. eines Bewohners nachgefragt. Die Anzahl
Bewohnenden mit Versorgung durch die integrierte           der ungeplanten Kontakte durch Heimbewohnen-
Hauarztpraxis hat sich im Projektverlauf auf 40 von 46     de blieb in der zweiten Erhebungsperiode vergleich-
Bewohnenden (86 %) im Oktober 2019 erhöht.                 bar. In den drei Oktoberwochen registrierten die MPA
                                                           zwei ungeplante Terminanfragen am Schalter und fünf
                                                           Anfragen durch das Pflegepersonal. Die Nähe der
   «Die Integration einer Arztpraxis ins Pflege-           Arztpraxis zum Heim hat zu keiner zusätzlichen Kon-
   heim ist super. Ich habe zur Ärztin hier ge-            taktaufnahme durch Heimbewohnerinnen oder -be-
   wechselt. Der Kontakt ist besser, die Wege              wohner geführt.
   sind kürzer. Die Ärztin und das Pflegeperso-
   nal zusammen geben mir das Gefühl der Si-               Auch das Personal des Heimes ersuchte um Konsul-
   cherheit. Ich bin sicher, dass ich trotz meiner         tationen der Hausärztinnen. Die reguläre Betreuung
   Krankheit bis zuletzt hier im Heim bleiben              des Personals des Heimes wurde durch die Ärztinnen
   kann. Komme da, was wolle.»                             jedoch als schwierig erachtet. Sie schlossen eine re-
                                                           guläre hausärztliche Versorgung für das Personal aus
   Frau Käser
                                                           Gründen von möglichen Rollenkonflikten und der Ver-
   (Bewohnerin)
   und ihre Tochter                                        traulichkeit aus. Eine Notfallversorgung von Personal
   Bild: NS&C
                                                           erachteten sie aber auch weiterhin als notwendig und
                                                           möglich.

                                                           Fazit: Eine Hausarztpraxis im Heim kann unter den be-
                                                           schriebenen Bedingungen in kurzer Zeit kostende-
Die MPA waren die Ansprechpersonen, die sowohl             ckend geführt werden. Die Unterstützung durch eine
durch Bewohnende in den allgemein zugänglichen             erfahrene, gut vernetzte Hausärztin mit einem grossen
Räumen der Praxis besucht wurden wie auch per              vorbestehenden Patientenstamm trug wesentlich zum
Telefon um einen Termin ersucht wurden. Über den           Erfolg bei. Sowohl die Zahl der betreuten Patientinnen
Zeitraum von jeweils drei Wochen im Februar / März         und Patienten als auch die Zahl der Konsultationen pro
(12.2. — 2.3.18) und im Oktober (8.10. — 26.10.2018) er-   Monat nahmen im Projektverlauf deutlich zu und führ-
hoben die MPA deshalb alle Kontakte von Bewohnen-          te zu einer guten Auslastung der Praxis. Die räumliche
den oder vom Personal des Heimes zur Hausarztpraxis.       Nähe der Hausarztpraxis führte nicht zu einer hohen
                                                           Anzahl ungeplanter Konsultationen durch Alters- und
Im Zeitraum der ersten dreiwöchigen Erhebung im            Pflegeheimbewohnende.
März kam es zu acht ungeplanten Kontakten durch

                                                                                                                    23
8          Neue Prozesse einleiten

                                                                     Das Projekt initiiert eine Veränderung der Rollen der
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                     in der medizinisch-pflegerischen Grundversorgung
                                                                     involvierten Fachpersonen. Der Erfolg des Projekts
                                                                     hing deshalb wesentlich davon ab, ob es gelingt, die
                                                                     beteiligten Personen für eine neue Art der Zusammen-
                                                                     arbeit zu gewinnen.

                                                                     8.1        Ein Team entwickeln

                                                                     Die Teamentwicklung im Praxisteam wurde durch die
                                                                     Heimleitung nach Eröffnung mit den Mitarbeitenden
                                                                     gemeinsam initiiert. Ihre Meinung war gefragt in Bezug
                                                                     auf die Einrichtung der Praxis, Arbeitsabläufe, Arbeits-                        haben ein konsekutives Masterstudium absolviert und
                                                                     kleidung und die Anstellung von weiteren Mitarbei-                              ihr pflegerisches Wissen und Können erweitert. Sie
                                                                     tenden. Um dem Mangel an Fachpersonen Rechnung                                  sind in der Lage, komplexe medizinisch-pflegerische
                                                                     zu tragen, reichte die Heimleitung bereits im Oktober                           Betreuung anzubieten. Das Profil der Pflegeexpertin
                                                                     2018 das Gesuch für eine Bildungsbewilligung beim                               APN entsprach dem Betriebskonzept. Die Projektlei-
                                                                     Mittelschul- und Berufsbildungsamt ein, um zukünftig                            tung entschied sich deshalb für die Ausschreibung ei-
                                                                     Medizinische Praxisassistentinnen (MPA) ausbilden zu                            ner Stelle mit dem APN-Entwicklungspotential.
                                                                     können. Der dafür benötigte Lehrmeisterkurs wurde
                                                                     deshalb von der MPA im Jahr 2018 absolviert.                                    Ihre Aufgaben sollten sowohl die direkt Pflege von
                                                                                                                                                     Bewohnerinnen und Bewohnern wie auch die fachli-
                                                                     An der Schnittstelle Hausarztpraxis — Pflegeheimbe-                             che Beratung des Pflegeteams und die Unterstützung
                                                                     reich war die Schaffung einer neuen Rolle «Pflegeex-                            des Ausbildungskonzepts im Heim beinhalten. Zudem
                                                                     pertin APN» vorgesehen. APN steht für «Advanced                                 wurde erwartet, dass sie in der hausärztlichen Versor-
                                                                     Practice Nurse». Die Pflegeexpertin mit vertieftem und                          gung mitarbeitet. Da die Rolle der Pflegeexpertin APN
                                                                     erweitertem pflegerischen Wissen sollte in der Beglei-                          erst seit einigen Jahren im Feld der Heim- und Haus-
                                                                     tung von Menschen mit Demenz, in geriatrischen Fra-                             arztversorgung besteht, war sie aufgefordert, ihre
                                                                     gestellungen oder in der Palliativpflege zum Einsatz                            Rolle aktiv mitzugestalten und sich aktiv in die Zusam-
                                                                     kommen. Geplant war, dieses Können und Wissen so-                               menarbeit einzubringen.
                                                                     wohl bei Hausbesuchen als auch in der Hausarztpra-
                                                                     xis einzusetzen. Modelle mit ähnlichen Zielen wurde                             Auch bei dieser Personalsuche involvierte die Heim-
                                                                     in einigen Praxen der Region bereits umgesetzt. Pfle-                           leitung sowohl die Pflegedienstleitenden des Heimes
                                                                     geexpertinnen APN waren im Einsatz und erste Erfah-                             als auch die Hausärztinnen. Der Rücklauf an Bewer-
                                                                     rungen waren zugänglic              . Pflegeexpertinnen APN
                                                                                                       8/9
                                                                                                                                                     bungen war spärlich. Unter den Bewerbenden war nie-

                                                                     8    B lunier, «Projekt APN (Advanced Practioner Nurse) im SeelandNet».
                                                                     9    S ailer Schramm u. a., «Tandembetreuung mit Vorteilen für alle Beteiligten».

                   24
mand, der dem Profil «Pflegeexpertin APN» entsprach       8.2 A
                                                               ls Pflegeexpertin

                                                                                                                     Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
und als Person zu Team und Heim passte.                       tätig werden

Letztlich konnte ab Juli 2018 eine Pflegeexpertin ge-     Die Pflegeexpertin brachte Kompetenzen und Erfah-
funden werden, die über eine Weiterbildung in Pallia­     rung im Spezialgebiet der Palliation mit. Dies zeigte
tivpflege, nicht jedoch über einen Studienabschluss       sich als wertvolle Möglichkeit der Zusammenarbeit
mit Mastertitel APN verfügte. Sie wurde deshalb in        mit einer der Ärztinnen, die ebenfalls eine Spezialisie-
der Funktion als Pflegeexpertin, wenn auch nicht APN,     rung in Palliativ Care hat. In der Folge ergab sich eine
vom Heim angestellt. Ihre Einsätze in der Arztpraxis      gemeinsame Betreuung von zwei Personen am Le-
wurden auf ihre Spezialisierung in Palliativpflege be-    bensende, die durch die Hausarztpraxis bei externen
schränkt. Im Rahmen des betrieblichen Engagements         Patientinnen zu Hause stattfand.
für die Ausbildung von qualifizierten Fachpersonen
entwickelte die Heimleitung einen Ausbildungsplan
mit der Mitarbeiterin. Geplant war das Studium an der        «Es ist eine grosse Bereicherung, mit der Pfle-
Fachhochschule, um ihre Fähigkeiten im Bereich der           gefachperson zusammenzuarbeiten. Sie ist
klinischen Aufgaben, auch in der Hausarztpraxis zu er-       fachlich sehr kompetent und auch als Person
weitern. Da dafür körperliche Untersuchung und prak-         ist sie mehr als ‹gmögig›. Ich freue mich, wenn
tische Fähigkeit geübt werden müssen, erklärten sich         wir noch mehr Patienten zusammen begleiten
die Ärztinnen der Hausarztpraxis bereit, bei der prak-       können»
tischen Anleitung dieser klinischen Aufgaben eine för-
dernde Rolle zu übernehmen. Neben dem Studium ar-            Ärztin Hausarztpraxis

beitete die Pflegeexpertin 40 % in der direkten Pflege.
In der Hausarztpraxis wurde sie von den MPA einge-
führt und wohnt mit einem Pensum von 10 % den Kon-        Der Einbezug der Pflegeexpertin in externe Tätigkeiten
sultationen der Ärztinnen bei.                            der Hausärztin steht ganz am Anfang. Erste Möglich-
                                                          keiten, diese Kollaboration extern zu nutzen, wurden
Fazit: Durch die (noch) geringe Zahl von Berufsleu-       erst seit November 2019 eingeplant und umgesetzt.
ten, die die Bildungs- und Erfahrungsvoraussetzungen      Der Einsatz mit erweiterten heimexternen Aufgaben
als Pflegeexperten bzw. Pflegeexpertinnen APN mit-        für die Arztpraxis konnte mit der 80 %-Anstellung der
bringen, sind Institutionen gefordert, in Bildungswe-     Pflegeexpertin nicht realisiert werden. Ihre Tätigkeit
ge (Studium) ihrer Mitarbeitenden zu investieren. Die     hat sich in den ersten 18 Monaten des Projekts vor al-
Nähe zu einer Hausarztpraxis bietet die Möglichkeit       lem auf heiminterne Aufgaben konzentriert.
einer klinischen Ausbildungsbegleitung durch Ärztinnen
bzw. Ärzte.                                               Innerhalb des Pflegeheims betreute sie in dieser Zeit
                                                          16 Heimbewohnende und führte bei ihnen 70 Besu-
                                                          che durch. Der durchschnittliche Zeitbedarf pro Per-
                                                          son betrug 2.5 Stunden (zwischen 15 Minuten und
                                                          6.5 Stunden).

                                                                                                                     25
Um eine Einschätzung des Inhaltes ihrer Tätigkeit ma-      und passte die Massnahmen — wo nötig — an (Follow-up).
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                     chen zu können, wurden drei Gruppen von Tätigkeiten        (Abbildung 5)
                                                                     unterschieden: Tätigkeiten, die direkt den Bewohnen-
                                                                     den zugutekamen; Tätigkeiten, die sie für die Koordi-      Sie nutzte 21 % der Tätigkeiten zu Koordination und
                                                                     nation der Versorgung einsetzte und Tätigkeiten die        Absprache mit den Ärztinnen, um eine wirksamere Be-
                                                                     dem Pflegeteam angeboten wurden.                           handlung zu finden, mit dem Pflegepersonal zum wei-
                                                                                                                                teren Vorgehen, beriet sich mit dem Apotheker über
                                                                     Der hohe Anteil an Tätigkeiten (54 %), die direkt den      die geeignete Verabreichungsform von Medikamen-
                                                                     Bewohnenden und ihren Angehörigen zugutekamen,             ten oder traf Absprachen mit Angehörigen, um sie ins
                                                                     zeigt die klinische Ausrichtung der geschaffenen Stelle.   Versorgungsnetz integrieren zu können. (Koordination)
                                                                     Dazu gehörte, dass sie die Einschätzung der gesund-
                                                                     heitlichen Situation durch körperliche Untersuchun-        Ein Viertel ihrer Tätigkeiten galten der Beratung und
                                                                     gen und das Erfassen von Beschwerden oder Sympto-          Schulung des Pflegepersonals. Sie führte Fallbespre-
                                                                     men vornahm (klinisches Assessment). Sie informierte       chungen für einzelne Bewohnende durch oder schulte
                                                                     Bewohnende und Angehörige zum Umgang mit Krank-            das Personal in neuen Techniken. Sie entwickelte zu-
                                                                     heiten, Therapien und beriet sie zu gesundheitsför-        dem Behandlungs- und Pflegepläne gemeinsam mit
                                                                     derndem Verhalten (Schulung und Beratung). Sie lei-        Fachexpertinnen im Team. (Schulung Pflegepersonal)
                                                                     tete sie an, Therapiemassnahmen selbst auszuführen,
                                                                     z. B. die Medikamente korrekt einzunehmen oder selbst      Diese Gewichtung zeigt, dass ihr Einsatz auch der Pra-
                                                                     den Blutzucker zu messen (Anleiten von Fertigkeiten).      xisentwicklung im Im Fahr diente. Sie verstand sich als
                                                                     Wo nötig, führte sie selbst therapeutische Massnah-        Impulssetzerin für das Pflegeteam. In ihrem Fachge-
                                                                     men durch, z. B. in der Wundversorgung, Applikation        biet der Palliativpflege führte sie Personen mit vorhan-
                                                                     von Medikamenten oder auch Hilfestellung beim Wa-          denem Fachwissen in einer Arbeitsgruppe zur Kon-
                                                                     schen und Ankleiden (therapeutische Massnahmen).           zeptentwicklung zusammen und überarbeitete das
                                                                     Immer wieder kontrollierte und evaluierte sie die Mass-    vorhandene Schmerzkonzept.
                                                                     nahmen, die sie durchgeführt hatte, fragte nach der
                                                                     Wirksamkeit, z. B. ob Schmerzmittel gewirkt hätten,

                                                                          «Sie hat viel Neues eingebracht. Am Anfang hatte ich etwas
                                                                            Angst, dass mein Wissen nicht mehr gefragt ist. Dies hat sich
                                                                            nicht bewahrheitet. Ich finde gut, wie sie uns einbezieht
                                                                           und wir unser Wissen einbringen können. Meine Arbeit ist
                                                                           durch die Mitarbeit in der Arbeitsgruppe zum Schmerz­
                                                                           management interessanter geworden.»

                                                                            Diplomierte Pflegefachfrau

                   26
Abbildung 5:

                                                                          Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
Anteile der Tätigkeiten
der Pflegeexpertin

                      Handlungen
                          Anleitung von Fertigkeiten: 2 %
                          Schulung / Beratung Bewohnende: 3 %
                          Assessment: 10%
                          Therapeutische Massnahmen: 11%
                          Koordination: 21%
                          Schulung Pflegepersonal: 25%
                          Follow-up: 28%

                      Quelle: Dokumentation Nursing Science & Care GmbH

                                                                          27
8.3 K
                                                                          ollaborieren für bessere
Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim

                                                                         Wirksamkeit

                                                                     Da all diese Tätigkeiten auch an der Schnittstelle zwi-
                                                                     schen Haus- respektive Heimarzttätigkeit und dem
                                                                     Pflegeteam des Heimes erfolgte, hatte dies auch po-
                                                                     sitive Einflüsse auf die Zusammenarbeit. Entwickelt
                                                                     hat sich ein Konzept zur Abwicklung der Ärztevisite.
                                                                     Die Zuständigkeit der Ärztinnen pro Stockwerk wur-
                                                                     de geregelt. Die Fragen der Pflegefachpersonen für
                                                                     die Arztbesuche wurden durch die Pflegeexpertin ge-
                                                                     sichtet und wo möglich beantwortet. Alle offenen Fra-
                                                                     gen leitete sie zur Vorbereitung der Visite an die Ärz-
                                                                     tinnen weiter. Nach ihren Patientenbesuchen wurde         Fazit: Eine gemeinsame Vision ist für ein neues Ver-
                                                                     ein Feedbacktreffen mit den verantwortlichen Pflege-      sorgungsmodell mit interprofessioneller Zusammenar-
                                                                     fachpersonen eingeführt.                                  beit unerlässlich. Der Einsatz einer spezialisierten Pfle-
                                                                                                                               gefachperson als Expertin erwies sich als nützlich für
                                                                     Durch dieses Konzept gelang es, eine Triagefunktion       Bewohnende, Patientinnen und Patienten und für Mit-
                                                                     der Pflegeexpertin zu schaffen, die die ärztliche Ver-    arbeitende. Ihre Rolle beinhaltet es, Neuerungen zu ini-
                                                                     sorgung entlastet und die Versorgungsqualität positiv     tiieren und Entwicklungsprozesse fachlich zu begleiten.
                                                                     beeinflusst. Es ist deshalb vorgesehen, diesen Ansatz
                                                                     mit zunehmender Qualifikation und Können der Pfle-
                                                                     geexpertin weiter auszubauen.                                «Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Pfle-
                                                                                                                                  geexpertin APN neben den Heimbewohnen-
                                                                     Die Eintrittsgespräche mit Bewohnenden und Ange-             den auch sogenannte Bagatellfälle in der Pra-
                                                                     hörigen werden heute im Team geführt. Dabei wer-             xis übernehmen könnte. Z. B. die Leute, die
                                                                     den deren Wünsche zu ihrer Behandlung und Pflege             mit einer Grippe zu uns in die Hausarztpraxis
                                                                     gemeinsam erhoben. Die Präferenzen im Falle einer            kommen oder einer Erkältung.»
                                                                     Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder
                                                                     des bevorstehenden Ablebens werden offen ange-               Hausärztin

                                                                     sprochen. Das Team ist ohne Informationsverlust
                                                                     über die Präferenzen der Bewohnenden und Angehö-
                                                                     rigen im Bilde.

                   28
9       I nterview mit der Heimleitung
         Barbara Burkhalter

Wie entstand die Idee einer Hausarztpraxis Im Fahr?                 wurde abgelehnt, da ein gemeindeübergreifen-

                                                                                                                           Die Integration einer Hausarztpraxis in ein Alters- und Pflegeheim
                                                                    des Projekt einer Hausarztpraxis im Vordergrund
      Im März 2016 habe ich die Idee in den Entschei-               stand. Ich habe dann die Eingabe an die Age-Stif-
      dungsgremien vorgetragen. Als ich erfuhr, dass                tung formuliert, um die Bedenken bezüglich Kos-
      die Hausärztin im Ort in Pension gehen wollte,                ten und finanziellem Risiko zu reduzieren. Dafür
      hat mich die Frage stark beschäftigt, wer im Heim             wurden bereits erste bauliche Veränderungen
      nun an ihrer Stelle die medizinische Betreuung                vorgeschlagen, die zusammen mit dem techni-
      der Bewohnerinnen übernehmen kann. Die Situa­                 schen Dienst und einem Architekten entwickelt
      tion in den umliegenden Gemeinden war ja be-                  wurden. Wichtig dabei war, das lokale Baugewer-
      reits problematisch. Im Kontakt mit der Hausärz-              be durch Offerten in das Projekt zu integrieren.
      tin, die in Pension gehen wollte, hat sie sich bereit
      erklärt, in einer 20 % Tätigkeit die Heimversor-        Welche Bedenken gab es?
      gung zu sichern.
                                                                    Die Zusage der Age-Stiftung führte zum Durch-
Welche Vorarbeiten mussten Sie leisten, bis die Idee                bruch. Nicht alle waren jedoch begeistert und un-
soweit gediehen war, dass sie dem Vorstand                          terstützten die Idee in dieser Phase. Die Idee wi-
(Entscheidungsträgern) unterbreitet werden konnte?                  dersprach dem Organisationsreglement, welches
                                                                    als Zweck nur den Heimbetrieb, nicht aber eine
      In den ersten Schritten ging es darum, die poli-              Arztpraxis vorsah. Finanzielle Bedenken drohten
      tisch zuständigen Gemeindevertreter zu infor-                 das Projekt zu stoppen.
      mieren. Zuerst ging es darum, den Auftrag für
      die 20 %-Tätigkeit der Hausärztin zu sichern. Dies      Was waren die besten Argumente, um die Unter­
                                                              stützung zu bekommen?

    «Die Baupläne der Praxis                                       Meine Abklärungen mit dem Amt für Gemein-
      überzeugten auch die                                          de- und Raumplanung ergab, dass der Vorstand

      Hausärztin. Sie entschied                                     die Entscheidungen zum Projekt fällen kann und
                                                                    auch die finanzielle Kompetenz des Vorstands
      sich, ihr zugesagtes Teil-
                                                                    dafür ausreichen würde. Überzeugend war mein
      zeitpensum von 20 % auf                                       Budget, welches die Rahmenbedingungen erfüll-
      70 % zu erhöhen und                                           te und der kritischen Prüfung des Vorstandes in

      die Idee einer Versorgung                                     puncto Seriosität standhielt. Die von mir organi-
                                                                    sierte Information im Anschluss an eine Delegier-
      nur für Heimbewohnende
                                                                    tenversammlung unterstützte den Projektstart.
      neu, grösser, eben als                                        Die Baupläne der Praxis überzeugten auch die
      vollwertige Hausarztpraxis                                    Hausärztin. Sie entschied sich, ihr zugesagtes Teil-

      zu denken.»                                                   zeitpensum von 20 % auf 70 % zu erhöhen und die
                                                                    Idee einer Versorgung nur für Heimbewohnende
      Barbara Burkhalter, Heimleiterin                              neu, grösser, eben als vollwertige Hausarztpraxis

                                                                                                                           29
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