Die Jungfrau von Orleans - Theaterpädagogische Materialmappe Romantische Tragödie von Friedrich Schiller - Landestheater Schwaben

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Die Jungfrau von Orleans - Theaterpädagogische Materialmappe Romantische Tragödie von Friedrich Schiller - Landestheater Schwaben
Theaterpädagogische Materialmappe

Die Jungfrau von Orleans

   Romantische Tragödie von Friedrich Schiller

                   Copyright: Sarah Eigenseher
Die Jungfrau von Orleans - Theaterpädagogische Materialmappe Romantische Tragödie von Friedrich Schiller - Landestheater Schwaben
★ Kontakt

Junges Landestheater Schwaben
Schweizerberg 8
87700 Memmingen

Ansprechpartnerin Vermittlung für DIE JUNGFRAU VON ORLEANS:
Rebecca Zechiel
MAIL rebecca.zechiel@landestheater-schwaben.de
TEL 08331 94 59 36
FAX 08331 94 59 33

                                        ★2★
INHALTSVERZEICHNIS

★ Besetzung ............................................................................................................................................... 5

★ Termine ................................................................................................................................................... 7

★ Friedrich Schiller und die Tragödie ................................................................................................... 8

★ Jeanne d’Arc – Die Jungfrau von Orléans ....................................................................................... 9

★ Weiblichkeit..........................................................................................................................................11

★ Sex and Gender – all the same? .....................................................................................................14

★ Vor- und Nachbereitung im Unterricht ...........................................................................................15

★ Quellen ..................................................................................................................................................19

                                                                        ★3★
★★★

DIE JUNGFRAU VON ORLEANS (1801), klassisches Meisterwerk und zu Schillers Lebzeiten sein wohl beliebtestes Drama,
erzählt sprachgewaltig von einer höchst ungewöhnlichen Frauenfigur: Idealisierte Nationalheilige, Ikone weiblicher
Zurückhaltung, Kampfmaschine in Männerkleidern oder doch religiöse Fanatikerin? Schillers Johanna ist aus jedem dieser
Blickwinkel eine Frau der Tat, die – mit der weißen Fahne in der Hand – ihren ermatteten und tatenlosen Zeitgenossen
voraus geht und einer zerrütteten Gesellschaft eine große Vision schenkt. Johannas Weg scheint zumindest ihrem Vater
klar: Heiraten soll das Hirtenmädchen und im abgeschiedenen Landleben dem hundertjährigen Krieg der Franzosen gegen
die Engländer fernbleiben. Doch Johanna weigert sich und greift nach Höherem: Gott habe sie berufen im Krieg an der
Spitze der entmutigten Franzosen zu kämpfen, zu siegen und den französischen König Karl VII. auf beider Länder Thron zu
setzen. Und so geschieht es auch. Die Jungfrau führt das Männerheer in Schlacht und Sieg, ist der tapferste aller Kämpfer.
Ungeahnter Aufstieg und ungehörige Anmaßung einer jungen Frau zugleich: Johanna wird ihren Siegeszug nicht überleben
und das persönliche Glück nie kennen lernen.

DIE JUNGFRAU VON ORLEANS ist ein höchst komplexes, bildreiches Geschichtsdrama um Religiosität, Nationalismus und
Machtpolitik. Schillers faszinierende Frauenfigur lebt im Mittelalter und stellt ganz heutig brisante Fragen nach weiblichen
Identitätsentwürfen und der Vereinbarkeit von privaten Sehnsüchten und gemeinschaftlichem Handeln.

                                                        ★4★
★ Besetzung

INSZENIERUNG     Kathrin Mädler
                 Kathrin Mädler, geboren in Osnabrück, ist seit 2016 Intendantin des Landestheaters Schwaben. Sie
                 studierte Dramaturgie, Theaterwissenschaft und Komparatistik an der Ludwig-Maximilians-Universität
                 München und der Bayerischen Theaterakademie August Everding, sowie in Cincinnati, Ohio. Im
                 Anschluss an das Dramaturgie-Diplom 2002 folgten ein einjähriger Forschungsaufenthalt an der
                 University of California Irvine und die Promotion. Weiterbildung Theater- und Musikmanagement an
                 der LMU 2015. Von 2005 bis 2012 war Kathrin Mädler Schauspieldramaturgin und Regisseurin am
                 Staatstheater Nürnberg. 2012 bis 2016 war sie als leitende Schauspieldramaturgin und Regisseurin
                 am Theater Münster tätig.

BÜHNE & KOSTÜM   Mareike Delaquis Porschka
                 Wurde 1981 in Bielefeld geboren. Nach dem Abitur studierte sie in Potsdam Anglistik, Germanistik
                 und Psychologie. 2003 nahm sie ihr Kostümdesign-Studium an der Fachhochschule Hannover auf,
                 das sie 2008 mit dem Diplom abschloss. Von 2008 bis 2011 war Mareike Delaquis Porschka als
                 Ausstattungsassistentin am Staatstheater Nürnberg engagiert. Seit der Spielzeit 2011/12 arbeitet sie
                 als freie Kostümbildnerin an diversen Häusern, wie Ingolstadt, Nürnberg und Münster, zudem war sie
                 von 2012 bis 2015 in der Schweiz als Atelierleiterin bei den Thunerseespielen tätig.

DRAMATURGIE      Anne Verena Freybott
                 Geboren 1974 in Hamburg, studierte Amerikanistik und Germanistik in Hamburg und Berlin, verließ
                 die Universität ohne Abschluss und arbeitete in der freien Theaterszene in Berlin. Sie war
                 Mitbegründerin und Leitungsmitglied der Berliner Theater Theaterdiscounter und Heimathafen
                 Neukölln, in denen sie Projekte als Autorin, Dramaturgin und Regisseurin umsetzte. In den Spielzeiten
                 2012/13 bis 2015/16 war sie als Dramaturgin, Regisseurin und Theaterpädagogin am Jungen
                 Theater Münster engagiert. Seit der Spielzeit 2016/17 arbeitet Anne Verena Freybott als
                 Chefdramaturgin am Landestheater Schwaben.

VERMITTLUNG      Rebecca Zechiel
                 1997 in Karlsruhe geboren. Absolvierte den Bachelor of Arts in Theater- und Medienwissenschaft und
                 Pädagogik an der FAU Erlangen-Nürnberg und beendete ihr Studium mit dem Master of Arts in
                 Inszenierung der Künste und der Medien mit Schwerpunkt Theater in Hildesheim. Neben dem Studium
                 arbeitete sie freiberuflich als Theaterpädagogin. Seit der Spielzeit 2021/22 ist sie als
                 Theaterpädagogin und Dramaturgin am Jungen Landestheater Schwaben engagiert.

                                              ★5★
PHILIPP DER GUTE            David Lau
HERZOG VON BURGUND          Ist 1990 in Dresden geboren. Er studierte 2013 bis 2017 Schauspiel an der Hochschule für Musik,
                            Theater und Medien Hannover. Während des Studiums erfolgten Arbeiten am Studiotheater
                            Hannover und ein Gastengagement am Deutschen Theater Göttingen. Weitere Arbeiten folgten am
                            Nationaltheater Mannheim, am Theater und Orchester Heidelberg und auf Kampnagel Hamburg. Seit
                            der Spielzeit 2018/2019 ist er festes Ensemblemitglied am Landestheater Schwaben.

CLAUDE-MARIE                Tobias Loth
DUNOIS              Ist 1986 in Berlin geboren und aufgewachsen. Von 2013 bis 2017 studiert er Schauspiel an der
BASTARD VON ORLEANS Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg. Im Laufe dieses Studiums wirkte er an
EIN LANDMANN        mehreren Inszenierungen am Schauspiel Stuttgart mit, realisiert aber auch freie Projekte. Er ist seit
                            der Spielzeit 2017/18 festes Ensemblemitglied des Landestheaters Schwaben.

THIBAUT D‘ARC               Klaus Philipp
LA HIRE                     Wurde 1972 in Marktoberdorf im Ostallgäu geboren. Nach seinem Schauspielstudium am Salzburger
TALBOT                      Mozarteum arbeitete er vor allem als freiberuflicher Schauspieler für so unterschiedliche Bühnen. Von
FELDHERR                    2009 bis 2018 spielte er regelmäßig am Theater Koblenz. Klaus Philipp ist seit der Spielzeit 2018/19
REICHER LANDMANN            Ensemblemitglied am Landestheater Schwaben.

JOHANNA                     Franziska Roth
                            Wurde 1992 in München geboren. Erste Bühnenerfahrungen sammelte sie mit der Geige und später
                            im Jugendclub des Münchner Volkstheaters. Ihr Schauspielstudium absolvierte sie an der Folkwang
                            Universität der Künste in Essen/Bochum. Während des Studiums gastierte sie am Schauspielhaus
                            Bochum. Franziska Roth ist seit der Spielzeit 2019/2020 festes Ensemblemitglied am
                            Landestheater Schwaben.

RAIMOND                     Tim Weckenbrock
LIONEL                      Ist 1996 in Heidelberg geboren. Schon zu seiner Schulzeit spielte er am Jungen Nationaltheater
MONTGOMERY                  Mannheim. 2015 begann er sein Schauspielstudium an der Anton Bruckner Universität in Linz,
ENGLISCHER ANFÜHRER         welches er 2019 abschloss. Während seines Studiums spielte er in mehreren Produktionen des
EIN LANDMANN                Linzer Landestheaters mit. Seit der Spielzeit 2019/2020 ist er Ensemblemitglied des
                            Landestheaters Schwaben.

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★ Termine

Spieldauer: ca. 1 Stunde 45 Minuten ohne Pause

Abendvorstellungen

FR 15.10.2021          20:00 Uhr       Premiere
SA 16.10.2021          20:00 Uhr
SO 17.10.2021          19:00 Uhr
MI 20.10.2021          20:00 Uhr
DO 21.10.2021          20:00 Uhr
FR 22.10.2021          20:00 Uhr
SO 24.10.2021          19:00 Uhr
DI 26.10.2021          20:00 Uhr
SO 07.11.2021          19:00 Uhr
DI 09.11.2021          20:00 Uhr
MI 10.11.2021          20:00 Uhr
DO 11.11.2021          20:00 Uhr
SA 13.11.2021          20:00 Uhr
SO 14.11.2021          19:00 Uhr

Kartenreservierung:
08331 – 94 59 16                                              Mo – Fr   11 - 18 Uhr
vorverkauf@landestheater-schwaben.de                          Sa        10 - 14 Uhr

Gastspiele

FR   29.10.2021        20:00 Uhr       Landsberg am Lech
FR   19.11.2021        20:00 Uhr       Sonthofen
DI   14.12.2021        19:30 Uhr       Ottobrunn
SA   18.12.2021        19:30 Uhr       Langentahl (Schweiz)

                                             ★7★
★ Friedrich Schiller und die Tragödie
* Geboren am 10.11.1759 in Marbach
Sein wohl beliebtestes Werk zu Lebzeiten, DIE JUNGFRAU VON ORLEANS, wurde 1801 in Leipzig uraufgeführt.
Als Weltbürger, der sich keinem Fürsten angedient hat, kann Schiller als Klassiker der Moderne gelten. Schiller wird häufig als
weltfremder Idealist gesehen, er war aber durchaus ein großer Menschenkenner, scharfsinniger Psychologe und auch sehr politischer
Autor. Gerade mit der JUNGFRAU VON ORLEANS ist ein zu seiner Zeit politisch hochaktuelles Stück erschienen, das die Rolle der
Frau auf der Bühne neu verhandelte. Er war der Ansicht, dass man durch Kunst der Welt zur Verbesserung verhelfen könne. Seine
Themen und Figuren fand er häufig in der Geschichte anderer europäischer Länder, wie hier die historische Jeanne d’Arc in
Frankreich. Das in den „Briefen zur ästhetischen Erziehung“ entworfene Konzept einer ganzheitlichen Humanität und Schillers
kompromissloser Glaube an die Entwicklungsfähigkeit und die Erziehbarkeit des Menschen sind ganz den Leitgedanken der
europäischen Aufklärung verpflichtet. Das unwahrscheinliche Heldentum des Bauernmädchens Johanna (Jeanne d’Arc) zeigte für
Schiller wohl exemplarisch, wie unzerstörbar der freie Wille des Menschen ist.

        Zum freien Willen sagt Schiller: „Wie sollte er nicht frei sein dieser Wille, da jeder Augenblick einen Horizont von
       ergreifbaren Möglichkeiten eröffnet“. (Aus: Rüdiger Safranski: Schiller oder die Erfindung des deutschen Idealismus, 2014.)

Darüber hinaus prägten die Französische Revolution und die Koalitionskriege gegen Frankreich seine Zeit. Gerade als europäisch
denkender Dichter lässt die politische und territoriale Neuordnung seiner Zeit auf sein Interesse am Stoff von Jeanne d’Arc schließen,
da auch während des Hundertjährigen Krieges Neuordnungen auf europäischer Ebene stattfanden.
Nachdem er einige Zeit beim Militär war, juristische und medizinische Studien anstellte, rebellierte er dagegen und widmete sich
nach der Uraufführung von DIE RÄUBER ganz dem Schreiben, wobei er sich anfangs beinahe mittellos durchschlug. Insbesondere
seine Freundschaft zu Goethe halfen ihm bei seiner weiteren Laufbahn. 1791 erkrankte er an einer Lungenentzündung, unter deren
Rückfällen er bis zu seinem Tod litt und schließlich auch an deren Folgen verstarb.
† Gestorben am 09.05.1805 in Weimar
Mit Johanna findet Schiller eine herausragende Heldin für seine Tragödie. Als einfaches Hirtenmädchen ragt sie aus ihrer Umgebung
heraus. Sie ist körperlich mit Schönheit geschmückt, geistig mit hohen Wundergaben gesegnet und von tiefem, ungewöhnlichem
Sinn. Die Not Frankreichs, von der sie viel und oft hört, regt ihr Innerstes gewaltig auf. Schillers Figur ist aber weit mehr als eine, die
in hoher göttlicher Begeisterung zur Heldin und Prophetin wird, in die Schlacht zieht, ihr Vaterland befreit und ihren König krönt. Die
Auseinandersetzung der Jungfrau mit göttlichem Auftrag mit ihrer eigenen Natur als Frau stellt den zentralen Konflikt der Tragödie
dar. Der göttliche Auftrag Johannas ist durch die Forderung strenger Jungfräulichkeit bedingt. Ihre Berufung zur Befreiung ihres
Landes und die Entsagung von irdischer Liebe gehören untrennbar zusammen. Die Szene, in der Johanna der weltlichen Liebe zu
Lionel unterliegt, bildet den Höhepunkt Schillers Stückes. Sie fühlt sich schuldig und wird schwach. Sie setzt sich selbst den größten
Vorwürfen aus und schweigt zu den Vorwürfen ihres Vaters.

                                                               ★8★
★ Jeanne d’Arc – Die Jungfrau von Orleans
Die Zeit von Jeanne d’Arc war die Zeit des Hundertjährigen Krieges.
Als 1328 mit Karl IV. der letzte Karpetinger starb, war die Nachfolgeregelung nicht eindeutig geklärt. Da verschiedene französische
Familien Anspruch auf den Thron erhoben, kam es zu immensen innerfranzösischen Streitigkeiten. In dieses Machtvakuum stieß
das englisch-französische Königshaus Plantagenet und stellte Ansprüche auf Titel und Lehen in Frankreich. 1337 lösten erste
erfolgreiche Kämpfe des englischen Volksheeres gegen französische Ritteraufgebote den sogenannten Hundertjährigen Krieg aus.
Was mit einzelnen regionalen Auseinandersetzungen begann, entwickelte sich nach und nach durch die Bildung größerer Allianzen
zu einem Streit um die Herausbildung und Festigung von Nationalstaaten und um ihre Stellung und ihren Einfluss in ganz Europa.
* Geboren etwa 1412 in Domrémy-la-Pucelle (Lothringen) als Kind reicher Bauern
1425 hört sie erstmals eine Stimme, die ihr sagte, sie solle im Namen Gottes Frankreich von den Engländern befreien.
1429 reiste sie zum französischen Dauphin Karl nach Chinon, berichtet von ihren Visionen und prophezeit ihm, dass er in Reims
zum König von Frankreich gekrönt werden würde. Er gab ihr daraufhin Truppen, mit denen sie unbemerkt in das belagerte Orléans
einzog. Sie wurde zum Ansporn für die Schlacht. Am 08.05.1429 war Orléans wieder frei. Am 17.06.1429 wurde Karl zum König
von Frankreich gekrönt. Jeanne d’Arc wurde in einem folgenden Gefecht in Compiègne festgenommen und als Ketzerin und Zauberin
zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie sollte Reue zeigen, was sie tat und widerrief und erhielt deshalb die Todesstrafe. Es gibt eine sehr
genaue Dokumentation der Prozessakten. Sie hat zuerst versprochen, das „Mannskleid“ abzulegen, hat Dinge zugegeben, die sie in
Wahrheit nicht getan hatte und ihre Visionen geleugnet. Doch dann widerruft sie die Aussagen:
„Ich habe nicht verstanden, meine Erscheinungen, das heißt, der Heiligen Katharina und der Heiligen Margareta abzuschwören. Alles,
was ich getan habe, war aus Angst vor dem Feuer. Was ich widerrufen habe, war wider die Wahrheit. Ich will lieber meine Buße auf
einmal tun und sterben, als noch länger die Leiden des Gefängnisses zu ertragen. Ich habe nie etwas gegen Gott oder den Glauben
getan, obwohl ihr mich gezwungen habt, zu widerrufen.“ (Schirmer-Imhoff, Ruth (Hrsg.): Der Prozess der Jeanne d’Arc. Akten und Protokolle 1431-1456.)
    In der Inszenierung am Landestheater Schwaben schweigt Johanna beim Verhör und wird daraufhin für schuldig befunden.

† Am 30.05.1431 wird Jeanne d‘Arc bei lebendigem Leib verbrannt.
1453 gaben die Engländer die französischen Gebiete auf. Der Hundertjährige Krieg endet. 1455 eröffnete Karl VII. einen Rehabilita-
tionsprozess, weil viel Kritik an ihrem Todesurteil geübt wird. Am 07.07.1456 wurde Jeanne vollständig rehabilitiert (allerdings
niemand für ihren Tod beschuldigt). 1894 wurde sie als „ehrwürdig“ befunden, 1909 wurde sie selig- und 1920 heiliggesprochen.

  Theatervokabular
  Stück: Textvorlage, z.B. Theaterstück (bspw. DIE JUNGFRAU VON ORLEANS) oder Bühnenfassung eines Romans/Films.
  Inszenierung: Umsetzung eines Stücks auf der Bühne, die im Probenprozess durch die Regie erarbeitet wird.
  Aufführung: Vorstellung der Inszenierung, bei der das Publikum anwesend ist. Diese ist jedes Mal ein bisschen anders.
  Die Schauspieler*innen sind schließlich keine Maschinen, sondern reagieren auch auf die Laune des Publikums.

                                                                    ★9★
Was erzählt die Inszenierung? – Im Gespräch mit der Dramaturgin Anne Verena Freybott
Die Dramaturgin ist gut vorbereitet. Fast immer, wenn man sie sieht, hat sie einen Stapel Papier in der Hand. Und wenn nicht, hat
sie ihn im Kopf. In der Vorbereitungsphase von DIE JUNGFRAU VON ORLEANS, also bevor die ersten Proben (welche etwa sechs
Wochen vor der Premiere) beginnen, bespricht sich Anne Verena Freybott mit der Regisseurin und Intendantin Kathrin Mädler. Wie
soll das Stück werden? Was will man erzählen und was nicht? Sind die Motive noch zeitgemäß? Inwiefern lässt sich das historische
Stück auf heute übertragen? Was möchte man vielleicht anders erzählen als Schiller? Diese und viele weitere Fragen werden im
Vorfeld diskutiert. Die Regisseurin hat dabei ein klares Konzept vor Augen, das sich im Dialog mit der Dramaturgin festigt. Dann wird
eine „Strichfassung“ erstellt. Es soll also einiges anders erzählt werden, als das in Schillers DIE JUNGFRAU VON ORLEANS der Fall
ist. Schiller hat die historischen Tatsachen für sein Stück schon etwas abgewandelt. Er hat beispielsweise den Tod von Johanna
glorifiziert und sie in der Schlacht sterben lassen, anstatt angeklagt auf dem Scheiterhaufen. Mädler und Freybott entscheiden sich
in dem Fall für mehr Nähe zur Historiographie und lassen Johanna durch die Verhängung der Todesstrafe umkommen. Die beiden
haben auch sämtliche Frauenfiguren abseits der Johanna aus der Fassung gestrichen. Es soll eine reine Männerwelt werden, in der
sich Johanna behaupten muss. Eine Frau zu sein sei dabei nur eins von drei Hauptproblemen, mit denen sie konfrontiert werde.
Auch dass sie so jung ist, macht es ihr nicht leichter. Zudem ist sie klerikale Laiin. Abgesehen von ihren Visionen hat sie keinerlei
geistliche Ausbildung genossen, da sie als einfaches Schäfermädchen lebt. Welche Legitimation hat sie also für ihr Handeln?
Die Inszenierung ist für Mädler und Freybott eine Ermächtigungsphantasie. Die ganze Zeit über wird unterschwellig die Frage gestellt:
Was wäre, wenn? Ob es alles Phantasien und Träume sind oder ob Johanna die Orte wirklich bereist und die auf sie treffenden
Menschen nur so alptraumhaft verzerrt, fiebrig überhöht wirken, sei dahingestellt. Die spannende Frage hingegen ist, ob der Ausbruch
ein erfolgreicher ist, ob die Ermächtigungsphantasie nachhaltige Wirkung zeigt. Sie ist Teil einer männlich dominierten Welt. Mit
welchen Mitteln kann sie aus diesem System ausbrechen? Was bleibt? Was wäre, wenn alles anders wäre?

                          Infobox: Was macht ein*e Dramaturg*in?
                                 Die Dramaturgie ist einer der wichtigsten Berufe am Theater.
  Ursprünglich und hauptsächlich beschäftigt sich die Dramaturgie mit der Bearbeitung dramatischer Texte. Für das Theater
  bedeutet das meistens, eine sogenannte „Strichfassung“ zu erstellen, da vor allem historische Stücke nicht mehr in voller Länge
  gezeigt und auch inhaltlich angepasst werden. Als Dramaturg*in ist man aber auch Schnittstelle und Beratung. Er oder sie berät
  z.B. die Regie bei der Inszenierung, also der Umsetzung eines Stücks auf der Bühne und bei der Auswahl der Schauspieler*innen.
  Das Theater an sich ist durch die Dramaturgie ebenfalls gut beraten. So sorgt sie etwa für eine ausgewogene Spielplangestaltung,
  indem sie die Intendanz (die Leitung des Theaters) hinsichtlich der Auswahl der Stücke, die in einer Spielzeit am jeweiligen
  Theater gezeigt werden sollen, berät. Dazu muss der oder die Dramaturg*in das Publikum gut kennen. Schnittstelle ist die
  Dramaturgie also auch nach außen hin, sie erstellt Programmhefte und Leporellos oder gibt für das Publikum beispielsweise
  inhaltliche Einführungen in das Stück und die Inszenierung vor dem Aufführungsbesuch.

                                                            ★ 10 ★
★ Weiblichkeit
La Hire ALLE:   Dem Mann zur liebenden Gefährtin ist
                Das Weib geboren – wenn sie der Natur

                Gehorcht, dient sie am würdigsten dem Himmel!
                Und hast du dem Befehle deines Gottes,
                Der in das Feld dich rief, genuggetan,
                So wirst du deine Waffen von dir legen,
                Und wiederkehren zu dem sanfteren
                Geschlecht, das du verleugnet hast, das nicht
                Berufen ist zum blutgen Werk der Waffen.
                …
Johanna         Bist du der göttlichen Jeanne d`Arc
                Schon müde, daß du ihr Gefäß zerstören,
                Die reine Jungfrau, die dir Gott gesendet,
                Herab willst ziehn in den gemeinen Staub,
                Ihr blinden Herzen! Ihr Kleingläubigen!
                Des Himmels Herrlichkeit umleuchtet euch,
                Vor eurem Aug enthüllt er seine Wunder,
                Und ihr erblickt in mir nichts als ein Weib.
                Darf sich ein Weib mit kriegerischem Erz
                Umgeben, in die Männerschlacht sich mischen?
                Weh mir, wenn ich das Rachschwert meines Gottes
                In Händen führte, und im eiteln Herzen
                Die Neigung trüge zu dem irdschen Mann!
                Mir wäre besser, ich wär nie geboren!
                Kein solches Wort mehr, sag ich euch, wenn ihr
                Den Geist in mir nicht zürnend wollt entrüsten!
                Der Männer Auge schon, das mich begehrt,
                Ist mir ein Grauen und Entheiligung.

                                                          Aus: DIE JUNGFRAU VON ORLÉANS (BÜHNENFASSUNG AM LANDESTHEATER SCHWABEN)

                                                          ★ 11 ★
Das erwidert Johanna den Männern, die ihr den Hof machen wollen. Sie wollen nicht einsehen und verstehen, dass Johanna sich für
den jungfräulichen Weg entschieden hat. Im Mittelalter war es ganz selbstverständlich, dass die Frau nur zur Fortpflanzung lebt und
dem Mann zu dienen hat. Dieses Bild hat sich sehr lange gehalten im Laufe der Menschheits-entwicklung. Glücklicherweise hat sich
dieses frauenfeindliche Weltbild in den letzten Jahrhunderten, insbesondere aber in den letzten Jahrzehnten stark verändert in
Richtung einer Gleichberechtigung. Der Status und das Ansehen von Frauen in der Gesellschaft haben eine Emanzipation
durchlaufen, also eine Befreiung aus dieser Unmündigkeit und Abhängigkeit hin zu einer Selbstbestimmung, wie sie in der
Demokratie grundsätzlich für jede*n vorgesehen ist. Aber was bedeutet es in einer in manchen Bereichen immer noch männlich
dominierten Welt, eine Frau zu sein?

                                                 Bild: https://www.charta-der-vielfalt.de/

         Was macht eine Frau aus? Was denkt die Gesellschaft, was eine Frau ist und ausmacht?
                             Was wird mir beigebracht und was denke ich selbst dazu?
                Hast du schon einmal über solche Fragen nachgedacht? Was macht dich aus?
          Deine Persönlichkeit hat 7 Kerndimensionen und die Genderidentität ist „nur“ eine davon.

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                                              Erziehung,
     faßt im allgemeinen Verständnis alle Vorgänge zusammen, durch die der nachfolgenden Generation
           die Wertvorstellungen und Verhaltensnormen einer Gesellschaft vermittelt werden. Aus
       wissenschaftlicher Sicht gibt es jedoch keinen einheitlichen Erziehungsbegriff, sondern je nach
               theoretischer Position bestehen dazu sehr unterschiedliche Vorstellungen (…).
                                   (https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/erziehung/4415)

Durch Erziehung und Sozialisation lernen wir Rollenkonzepte kennen und somit auch, was als und wie die Rolle einer Frau gesehen
wird. Nach dem kanadischen Soziologen Erving Goffman (1922-1982) sind soziale Rollen Bündel von Erwartungen. Wenn ich also
alle (oder sagen wir einen Großteil der) Erwartungen der Gesellschaft an das, was gemeinhin als „weiblich“ gesehen wird, erfülle,
werde ich von anderen Menschen als Frau gelesen. Das können biologische Faktoren sein, wie zum Beispiel Brüste zu haben, oder
erlernte Faktoren, wie das Auftragen von Schminke. Diese Bündel von Erwartungen an eine Rolle sind jedoch nicht in jeder Kultur
gleich. Die Rolle als Person, der es z.B. im Restaurant gut geschmeckt hat, wird je nach Kultur unterschiedlich ausgelebt. Mancherorts
wird erwartet, den Teller komplett aufzuessen und andernorts wäre das für den oder die Gastgeberin eine große Schande.
Was wir als „weiblich“ definieren, ist also abhängig davon, was wir als Erwartungen an das weibliche Geschlecht gelernt haben. Das
Erlernen hängt damit zusammen, was als „normal“ angesehen wird. Nehmen wir ein Beispiel: Wenn die meisten „Frauen“ in einer
Gesellschaft Schminke tragen, ist das normal und wird als weibliches Attribut gelesen. Wenn ich mich als „Frau“ nicht schminke,
wird das als nicht normal gelesen und hat soziale Konsequenzen, die bis zum Ausschluss aus einer gesellschaftlichen Gruppe gehen
können. Aber ich merke nicht nur durch Reaktionen von außen, dass das als „nicht normal“ gesehen wird, sondern habe das mein
ganzes Leben lang gelernt und habe dieses Wissen dadurch bereits so tief in mir verankert, sodass ich gar nicht darüber nachdenken
muss. Es erscheint als ganz selbstverständlich, was als „normal“ und „nicht normal“ gesehen wird.
Wenn wir eine Rolle hinterfragen wollen, müssen wir also zuerst reflektieren, was wir als selbstverständlich hinnehmen und ob und
wie wir das ändern können und wollen. Das kann uns allen helfen, die Vielfalt unserer Persönlichkeiten anzuerkennen, zu respektieren
und uns so, wie wir sind wohlzufühlen und verstanden zu werden.

                                            Sozialisation,
         das Hineinwachsen in soziale Beziehungsnetze. (…) Dieser Prozeß beinhaltet also sowohl
        passive Momente im Sinne einer Anpassung an Normen und/oder Rollen (Vergesellschaftung)
       als auch eine aktive Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Erwartungen und Forderungen
     (Individuierung). (…) Die Orientierung an Wertvorstellungen, Normen oder Rollenerwartungen kann
    zum einen durch externe soziale Kontrolle geschehen. D.h., Gebote und Verbote werden eingehalten,
      weil externe soziale Instanzen das Verhalten sanktionieren (können). (…). Zum anderen wird die
     Einhaltung von Geboten und Verboten durch interne soziale Kontrolle bewirkt. Dieses bedeutet, daß
            Werte und Normen internalisiert wurden und somit zu einem Persönlichkeitsbestandteil
                     geworden sind. (https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/sozialisation/14555)

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★ Sex and Gender – all the same?
Rollen als gesellschaftliches Konstrukt zu hinterfragen ist ein wertvolles Tool, um etwa eine Gleichberechtigungsbewegung
voranzutreiben. Je mehr Menschen erkennen, dass die Erwartungen, die sie an eine „Frau“ haben nur gesellschaftlich konstruiert
und nicht biologisch festgeschrieben sind, desto mehr kann diese neue Norm sich in der Gesellschaft etablieren und als
selbstverständlich hingenommen werden.
Im Englischen gibt es eine gute Begriffstrennung dafür: sex und gender. Sex beschreibt dabei das biologische Faktum, also die
Geschlechtsmerkmale und Gender die gesellschaftliche Konstruktion der Geschlechterrolle.
Nur weil ich aus biologischer Sicht mit den Geschlechtsmerkmalen einer Frau geboren bin, heißt das nicht zwangsläufig, dass ich
mich auch mit der Rolle „Frau“ identifiziere. Wenn ich mich nicht dem „sex“ identifizieren kann, mit dem ich geboren wurde, gibt es
mehrere Optionen, die Genderidentität auszuleben, die auf den ersten Blick etwas überfordernd wirken können. Zum Beispiel gibt es
nicht-binäre Personen, die sich weder dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht (gender) zuordnen möchten.
Wichtig ist dabei von der sexuellen Orientierung zu trennen, die mit dem Geschlechterzugehörigkeitsgefühl erst einmal nichts zu tun
hat. Es ist völlig irrelevant für meine ausgelebte Geschlechterrolle, zu welchem Geschlecht ich mich sexuell hingezogen fühle.

                            Habt ihr das Thema schon im Unterricht besprochen?
                        Sprecht eure Lehrer*innen doch auch einmal aktiv darauf an.
                        Wenn ihr mehr zu dem Thema forschen wollt, könnt ihr euch
                  z.B. auf der Seite vom Quixkollektiv umschauen (www.quixkollektiv.org/).
            Insbesondere das Glossar kann hilfreich sein, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Die deutsche Sprache arbeitet mit dem generischen Maskulinum, das heißt, dass z.B. Berufe mit maskulin beschrieben werden
(bspw. DER Regisseur). Damit sich auch Frauen und nicht-binäre Personen in der Sprache repräsentiert, das heißt angesprochen
und gemeint fühlen, gibt es verschiedene Schreibweisen. Wir am Landestheater Schwaben arbeiten mit dem Gendersternchen. Wir
scheiben also bspw. der oder die REGISSEUR*IN und meinen damit alle Personen, egal welcher Geschlechtszugehörigkeit. Das
Sternchen symbolisiert dabei alle Personen, die sonst mit dem Wort Regisseur oder Regisseurin nicht angesprochen sind.
Diese Vielfalt von Geschlechteridentitäten anzuerkennen, fällt einigen Personen schwerer und anderen leichter. Es ist völlig in
Ordnung, wenn man etwas nicht auf Anhieb versteht. Missverständnissen könnt ihr ausweichen, indem ihr die Person ganz neutral
fragt, wie sie gerne angesprochen werden würde und euch dann daran orientiert.
Im Internet gibt es einige Foren, die sich genau mit dieser Schwierigkeit in der Vielfalt beschäftigen. Oft wird die Gender-Theorie
dabei als angebliche Ideologie entlarvt. Dabei gilt zu beachten, wie sich diese Personen damit auseinandersetzen. Der Debatte um
Gender fehlende Wissenschaftlichkeit zu unterstellen, während die eigenen Aussagen selbst jeder Wissenschaftlichkeit entbehren,
ist nicht konsequent oder selbstreflektiert. Auf die Verlinkung solcher Seiten zur Anschauung verzichten wir hier ausdrücklich, um
die Popularität und Verbreitung dadurch nicht zu unterstützen. Habt einen sensiblen Blick dafür, was wie von wem gefordert wird!

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★ Vor- und Nachbereitung im Unterricht

Literatur und Realität ★ Analyse und Abgleich
Habt ihr DIE JUNGFRAU VON ORLEANS von Schiller gelesen? Wenn nicht, könnt ihr euch eine sehr unterhaltsame Zusammenfassung
auf dem YouTube-Kanal „Sommers Weltliteratur to go“ anschauen (URL: https://www.youtube.com/watch?v=1wzVOv4V15w).
Findet Begriffe dafür, wie Jeanne d’Arc von Schiller beschrieben wird und wie die Figuren im Stück auf sie reagieren. Vielleicht könnt
ihr manche Begriffsgruppen Clustern und ein Schaubild daraus machen?
Schaut euch nun die historische Überlieferung zu Jeanne d’Arc an, zum Beispiel auf dem YouTube-Kanal „MrWissen2Go Geschichte“
(URL: https://www.youtube.com/watch?v=KVuNeTSC8kM). Findet auch hier wieder Begriffe dafür, wie sie dargestellt wurde und
sammelt die Ergebnisse.
Nun könnt ihr vergleichen, ob es Abweichungen oder Überschneidungen vom literarischen zum historischen Material gibt. Diskutiert
auch darüber, warum es diese geben könnte. Bewahrt die Ergebnisse auf, damit ihr nach dem Vorstellungsbesuch am Landestheater
Schwaben daran weiterarbeiten könnt.

Ästhetische Erfahrung ★ Vorbereitung auf den Theaterbesuch
Im Unterricht geht es oft um das Warum, um ein Verstehen. Versuche in den nächsten Minuten, diese Haltung loszulassen.
Natürlich wollen wir alle verstehen, was in der Aufführung passiert. Aber wir müssen nicht alles verstehen. Es geht vielmehr darum,
was DU damit anfangen kannst und was du damit machst. Theater ermöglicht eine Erfahrung, die nur in diesem Augenblick, im Hier
und Jetzt stattfindet und danach nicht mehr exakt gleich reproduziert werden kann. Dabei geht es vor allem darum, was DU in der
Aufführung spürst: Was DU mit DEINEN Sinnen wahrnehmen kannst und wie DU DICH damit fühlst. Versuche während der Zeit im
Theater einfach mal nur wahrzunehmen. Du kannst dir dazu zum Beispiel Fragen stellen, wie: Was sehe ich? Was höre ich? Blendet
mich das Licht? Finde ich die Sitze unbequem? Irritieret mich die Farbe der Requisiten, also der Gegenstände auf der Bühne? Was
hat das Bühnenbild für eine Wirkung auf mich? An was erinnert mich die angedeutete Graslandschaft?
Wir wollen nun in den nächsten 10 Minuten üben, den gegenwärtigen Moment bewusst wahrzunehmen. Setzt euch dazu in einer
bequemen Sitzposition auf dem Boden hin. Niemand sitzt auf den Stühlen! Ihr könnt auch ruhige, instrumentale Musik anmachen.
Nehmt eure Hand vor Augen. Es ist völlig egal, ob rechts oder links. Wir ordnen nun jedem Finger einem Sinneskanal zu. Der Daumen
steht für das Hören, der Zeigefinger für das Sehen, der Mittelfinger für das Tasten/Fühlen, der Ringfinger für das Schmecken und
der kleine Finger für das Riechen. Versucht gleich, euch nacheinander auf die jeweiligen Sinne zu konzentrieren. Lasst euch dazu
viel Zeit, sodass ihr alles aufnehmen könnt, was eure Sinne hergeben. Eure Lehrkraft kann das auch auditiv anleiten. Die
Handinnenfläche soll euch jederzeit daran erinnern, wieder zurück in den Moment zu kommen, wenn ihr mal mit den Gedanken
abdriftet. Das ist völlig in Ordnung.

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Hören: Was höre ich genau jetzt? Welche Geräusche, Klänge und Töne in unmittelbarer Nähe, welche in der Ferne? Sind es viele
Geräusche oder eher wenige? Welches ist das lauteste, das präsenteste, welches das leiseste?
Sehen: Was sehe ich, wenn ich nach unten/oben, seitlich, geradeaus blicke? Was ist neu, was ist mir noch nie aufgefallen? Welche
Farbe überwiegt in meinem Blickfeld? Was bewegt sich?
Tasten/Fühlen: Was spüre ich wo in/an meinem Körper? Wie nehme ich die Umgebungstemperatur wahr? Wie ist mein Atem?
Wie/was fühle ich gerade?
Schmecken: Was schmecke ich mit meiner Zunge? Habe ich einen eher süßen, salzigen, bitteren oder sauren Geschmack im Mund?
(Wenn Du nichts schmecken, weil Du kürzlich nichts zu sich genommen haben, ist das natürlich auch in Ordnung. Nichts muss,
alles kann!)
Riechen: Welcher Geruch steigt in deine Nase? Woher kommt er? (Während wir durch Schmecken nur sehr wenige
Geschmacksrichtungen erfassen, gibt es unzählige Gerüche, die wir riechen können.)
Schließt die Übung langsam ab, endet auf keinen Fall abrupt! Bewegt langsam eure Finger, eure Arme, eure Zehen und Beine. Kommt
in Zeitlupe ins Stehen. Schüttelt sanft euren ganzen Körper aus.

Nach der Vorstellung im Unterricht ★ Aufwärmen
Schiebt alle Stühle und Tische an die Seite, sodass ihr eine große freie Fläche habt. Stellt euch nun gleichmäßig verteilt im Raum
auf, aber keine*r zu nah am Rand. In dieser Übung seid ihr die Ritter*innen im Hundertjährigen Krieg. Eure Arme sind die Schwerter.
Wenn eure Arme, also eure Schwerter, aufeinandertreffen, gebt ihr beide ein lautes „Kling“ von euch. Wenn ihr eine andere Person
an einem anderen Körperteil als den Armen oder dem Kopf mit eurem Arm trefft, sinkt die getroffene Person zu Boden und bleibt
dort, bis nur noch ein*e Kämpfer*in übrig ist. Aber so einfach ist es nicht: Bewegungen sind nur in Zeitlupe erlaubt!
Macht mindestens drei Durchgänge, bei dem sich alle an jeweils anderen Startpositionen aufstellen, um ein Gefühl und einen
Rhythmus für die Bewegung zu bekommen.

Erwartung und Rolle ★ Statusübung
Eine Person setzt sich auf einen Stuhl vor der ganzen Gruppe und entscheidet sich für eine gesellschaftliche Rolle.
Z.B.: Elternteil, Schüler*in, Autofahrer*in, Arbeitnehmer*in, Marathonläufer*in, Flötist*in, Influencer*in, Verkäufer*in, etc.
Der Rest von euch ist nacheinander dran, eine Erwartung an die Person bzw. ihre gesellschaftliche Rolle zu richten. Wenn der Person
die Erwartung gefällt, dürft ihr an ihre linke Seite kommen, wenn sie ihr nicht gefällt, an ihre rechte. Wenn alle dran waren,
Erwartungen zu stellen, schaut euch an, welche Seite überwiegt. Analysiert, ob es Ähnlichkeiten zwischen den Erwartungen auf jeder
Seite gibt. Diskutiert nun, warum welche Erwartungen der Person gefallen oder nicht gefallen haben.
Nun darf eine andere Person eine andere gesellschaftliche Rolle auf dem Stuhl einnehmen. Macht so viele Durchgänge, wie ihr Lust
habt, mindestens jedoch drei.

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Puppenspieler und Marionette ★ Empowernde Körperübung
Findet euch in Paaren zu zwei Personen zusammen. Eine*r von euch ist im ersten Durchgang der oder die Puppenspieler*in, der
oder die andere die Marionette. Ihr seid durch straffe Fäden gespiegelt zwischen euren Körperteilen verbunden. Also der kleine Finger
der rechten Hand des oder der Puppenspieler*in ist mit dem kleinen Finger der linken Hand der Marionette verbunden. Das rechte
Knie mit dem linken Knie der Marionette usw. Bewegt euch nun durch den Raum. Der oder die Puppenspieler*in gibt die Bewegungen
vor. Wenn er oder sie den rechten Arm hebt, muss der Faden zur Marionette gespannt bleiben, also muss sie den linken Arm in
genau derselben Weise heben. Nach einer Weile (die Dauer könnte eure Lehrperson festlegen) wird die Marionette störrisch und
zieht ihrerseits an den Fäden, sodass der oder die Puppenspieler*in folgen muss, der oder die wiederum immer versucht, die Kontrolle
zurückzugewinnen. Achtet darauf, dass eure Bewegungen nicht zu schnell werden, sodass ihr immer gut aufeinander reagieren
könnt. Im zweiten Durchgang tauscht ihr die Rollen. Ihr könnt theoretisch auch den oder die Partnerin tauschen. Wichtig ist nur,
dass jede*r ein Mal Marionette und ein Mal Puppenspieler*in war.

Inhaltlicher Einstieg ★ Kurze Reflexion
Beschreibt schriftlich einen Moment aus der Aufführung, der euch berührt, irritiert, geschockt oder fasziniert hat. Nehmt euch dafür
5 Minuten Zeit, in denen ihr auch ruhige instrumentale Musik anmachen könnt.
Wenn ihr möchtet, teilt eure Erlebnisse im Plenum. Gibt es Wiederholungen? Wie haben die Anderen den Moment erlebt?
Es gibt kein Richtig und kein Falsch, sondern nur Beobachtungen. Wir alle sind verschieden und nehmen Dinge anders wahr. Es
kann sogar total spannend sein, wenn einige etwas komplett anders erlebt haben, als andere.

Auffallende Momente ★ Standbilder
Nehmt noch einmal eure Momente her und geht in Kleingruppen zu 4 Personen. Wählt einen eurer beschriebenen Momente
gemeinsam aus und findet ein Standbild dafür. Das heißt, dass jede*r sich in einer eingefrorenen Pose positioniert, die alle
zusammenhängend ein größeres Bild ergeben. Ihr könnt dazu auch Requisiten nutzen, was ihr gerade so findet. Ein Stift kann z.B.
ein Schwert darstellen. Zeigt euch die Standbilder gegenseitig in der Klasse. Erkennt ihr darin die Szenen in der Aufführung wieder?
Diskutiert, was in dem Standbild gut erkennbar ist, was nicht und warum.

Aufführung, Literatur und Realität ★ Analyse und Abgleich
Nehmt eure Schaubilder, Begriffsammlungen oder Cluster, für was auch immer ihr euch bei der Vorbereitung entschieden hattet,
wieder her. Ergänzt Begriffe, wie Johanna in der Aufführung beschrieben wurde und wie die anderen Figuren auf sie reagierten.
Die Unterschiede zwischen Literatur und historischer Realität habt ihr bereits in der Vorbereitung herausgearbeitet. Nehmt nun die
Aufzeichnungen zur Aufführung dazu und diskutiert darüber, warum es welche Unterschiede geben könnte.

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Rollen und Erwartungen ★ Analyse
Erinnert euch an die Standbilder von eben und habt die Schaubilder/Begriffsammlungen/Cluster in Sichtweite.
Was sind die gesellschaftlichen Rollen, der an der Szene (im Standbild) beteiligten Figuren? Was für Erwartungen werden an sie
gerichtet? Welche Erwartungen richtet ihr an diese Rollen? Übertragt die historischen Rollen auf die heutige Zeit. Was ist anders,
was ist vielleicht gleichgeblieben, was hat sich wieso verändert?
Mit welchen Erwartungen haben die Figuren Probleme? Mit welchen hätten sie heute Probleme? Wie müssten sich die Erwartungen
verändern, damit diese Probleme nicht mehr existieren würden? Bezieht dabei vor allem die Dimensionen von Gender mit ein.
Beantwortet diese Fragen entweder als Diskussion in der Kleingruppe, haltet die wichtigsten Erkenntnisse schriftlich fest und
besprecht euch anschließend im Plenum. Oder ihr entscheidet euch für eine intensivere spielerische Erfahrung, dann geht in die
folgende Übung über.

Veränderung ausprobieren ★ Forumtheater nach Augusto Boal
Augusto Boal (1931-2009) war ein brasilianischer Theatermacher, der sich vor allem auf das Theater als Mittel zur (Selbst-)
Ermächtigung aus einer Unterdrückung heraus fokussierte und verschiedene Methoden dazu entwickelte. Das „Theater der
Unterdrückten“ ist seine wohl bekannteste Schrift, in der er den Ansatz sowie konkrete Umsetzungen darlegt.

                 Informatives und weitere Übungen dazu finden sich gepaart in diesem Online-Dokument:
          https://www.oekolog.at/static/fileadmin/oekolog/dokumente/SOAK2012/WS_7__Theater_nach_Augusto_Boal.pdf

Nehmt die Fragen aus der vorigen Übung zur Hand und fokussiert euch vor allem auf die Figur der Johanna. Mit welcher Erwartung
an ihre Frauenrolle hätte sie heute am meisten zu kämpfen? Entwickelt dazu in 10 Minuten eine kurze Szene, in der die beteiligten
Personen (mindestens Johanna und eine weitere Person, die das Problem hervorruft), der Ort und das Problem (die Erwartung)
deutlich werden. Das Problem wird dabei nicht aufgelöst, sondern nur gezeigt, wie es entsteht.
Die Szene wird im Anschluss im Plenum gezeigt und analysiert. Was habt ihr gesehen? Was ist passiert? Welche Vorgeschichte
könnte die Situation haben? Welche Rollen haben die Personen verkörpert? Was war der Auslöser für das Problem? Mit welcher
gezeigten Erwartung kann Johanna nur schwer umgehen? Wie kann die Szene verändert werden, damit Johanna weniger
Probleme damit hat? Diskutiert zu dieser Frage verschiedene Lösungsansätze und haltet sie schriftlich fest.
Im nächsten Durchgang wird die Szene noch einmal gespielt. Sie wird bis zum Auftauchen des Problems genauso wiedergegeben,
dann klatscht eine Person aus dem Publikum und die Spielenden frieren in ihrer Position ein. Die Person aus dem Publikum
übernimmt nun die Rolle einer der Spielenden und setzt den Lösungsansatz im Fortgang der Szene um. Analysiert auch hier wieder
die Szene. Was hat gut funktioniert, was nicht? Schafft es das Problem aus der Welt? Ist die Lösung realistisch?
Probiert mehrere Durchgänge mit unterschiedlichen Lösungsansätzen aus. Vergleicht auch gerne die Lösungsansätze darauf,
welcher eurer Meinung nach am besten mit dem Problem umgeht und fragt vor allem die Spielenden, wie sie sich in der Situation
fühlen

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★ Quellen

https://www.wissen.de/dramaturgin
https://www.bpb.de/apuz/29192/schiller
https://www.friedrich-schiller-archiv.de/
Leben im Hundertjährigen Krieg. Ein Tagebuch, Frankfurt, 1992.
http://www.irwish.de/PDF/_Soziologie/Goffman_Erving/Goffman_Erving-Wir_alle_spielen_Theater-
Die_Selbstdarstellung_im_Alltag.pdf
https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17396/emanzipation
https://www.charta-der-vielfalt.de/
https://www.uni-bielefeld.de/verwaltung/refkom/gendern/richtlinien/
https://www.quixkollektiv.org/
https://genderdings.de/gender/geschlechtsidentitaet/
file:///Users/theaterpaedagogik/Downloads/MB_MW_II_3.pdf
Boal, Augusto: Theater der Unterdrückten. Suhrkamp, 8. Auflage, 2021.

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