Die kommunalen Finanzen vor dem Hintergrund der Doppik-Einführung - Gemeinsam mehr erreichen
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Die kommunalen Finanzen vor dem Hintergrund der Doppik-Einführung Mittelstandsbank Gemeinsam mehr erreichen
Vorwort I 03 Liebe Leser, die Umsetzung des Beschlusses aus dem Jahre 2003 zur Umstellung von der Kameralistik zur doppischen und erweiterten kameralen Haus- haltsführung durch die ständige Konferenz der Innenminister stellt be- sondere Herausforderungen an die Kommunen. Die künftige Steuerung von Gemeinden, Städten und Kreisen erfolgt nach einem Ressourcenver- brauchskonzept und das Ende der Kameralistik ist daher wohl absehbar. Mit dem Anspruch Deutschlands „Beste Mittelstandsbank“ zu werden, sehen wir uns auch im Öffentlichen Sektor, und im Besonderen bei der Doppik-Umstellung, als kompetenten Ansprechpartner und Berater. Unsere Aufgabe ist es, Kommunen Instrumente und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre finanziellen Ziele erreichen und Martin Blessing ihre Aufgaben im Interesse der Menschen effizient erfüllen können. Ganz oben auf der Agenda steht daher die Erhöhung der Handlungs- spielräume. Dies bedeutet für uns nicht nur, bei der Analyse der einzel- nen Rechnungselemente zu unterstützen, sondern auch neue Zusam- menhänge darzustellen und zu interpretieren. Obwohl Unterschiede bei den länderspezifischen Regularien zur Doppik bestehen, lehnen sich doch viele Kriterien stark an die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs an. Es existiert somit eine recht hohe Übereinstimmung zwischen der kaufmännischen Buchführung und der kommunalen Doppik. Genau an dieser Stelle bringen wir unser spezielles Wissen zur Bilanzanalyse und zum Bilanzstrukturmanagement mit ein. Unsere Schwerpunktbetreuer Öffentlicher Sektor kennen die Anfor- derungen an die Kommunen und erarbeiten Hand in Hand mit hoch spezialisierten Kommunalkundenbetreuern effiziente Lösungen. Auf Basis dieser individuell erarbeiteten Optimierungsstrategien werden Handlungsempfehlungen entwickelt und die Auswirkungen kalkulierbar. Das ist der Ansatzpunkt der Commerzbank bei der Doppik: „Analysieren – beraten – Zukunft gestalten“. Ihr Vorsitzender des Vorstands Commerzbank AG
04 I Vorwort Vorwort Die divergierenden gesetzlichen Rahmenbedingungen vor dem Hinter- grund der Umstellung auf doppische Rechnungslegungsgrundsätze in den einzelnen Bundesländern sowie deren unterschiedlich weit fort- geschrittene Umsetzung führen zu einem äußerst heterogenen Bild, in dem die verschiedenen Mischformen aus Kameralistik und kaufmän- nischer Buchführung nebeneinander stehen. Prinzipiell unterliegt die kommunale Finanzverwaltung bereits mit der Umstellung des öffent- lichen Haushalts- und Rechnungswesens von kameralistischen auf doppische Grundsätze einer gesteigerten Transparenz. Sobald die ersten Jahresabschlüsse einer größeren Anzahl von Kommunen vorliegen, dürf- te sich darüber hinaus die Frage nach deren Vergleichbarkeit und ihrer Eignung zur Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und der Bonität er- Prof. Dr. Thomas Lenk geben. Neben externen Ratings durch die bekannten Agenturen, welche aus Kostengründen für die meisten Kommunen zunächst nicht infrage kommen dürften, ist eine Bonitätseinschätzung durch Banken in deren Rolle als Kreditgeber die wahrscheinlichere Variante. Da die meisten deutschen Banken dem „interne Rating-Ansatz“ (IRB) des Basel-II-Ab- kommens folgen, dürfte ein Vorliegen ausreichend kalibrierter interner Rating-Systeme lediglich eine Frage der Zeit sein. Ferner gewinnen bisher nicht oder nur rudimentär genutzte Finanzierungsinstrumente, wie beispielsweise Derivate, mehr und mehr an Bedeutung im kommu- nalen Kreditgeschäft. Nicht zuletzt generiert die Herstellung einer Kompatibilität mit dem kaufmännischen Rechnungswesen für Kommunen transparentere Beur- teilungsmöglichkeiten hinsichtlich Public-Private-Partnership-Projekten. Nach kameralistischen Kriterien bildet der Liquiditätszufluss nicht selten das wesentliche Beurteilungselement derartiger Projekte. Eine Beurtei- lung desselben Projekts unter den Gesichtspunkten einer erweiterten, ressourcenverbrauchsorientierten Sichtweise muss dabei nicht zwangs- läufig zum gleichen Ergebnis führen, da der reinen Liquiditätsbetrach- tung noch weitere Kriterien, wie Ertragsorientierung (Vermeidung von Dr. Oliver Rottmann Verlusten), Kapitalbindung und Auswirkungen auf die Bilanzstruktur, hinzugestellt werden.
Vorwort I 05 Da die Bedeutung der Kreditwirtschaft in den letzten Jahren angesichts der (bis einschließlich 2006) gewachsenen Verschuldung deutlich zugenommen hat, dürften Banken eine wichtige Rolle im Prozess der Neuordnung und Strukturierung der doppischen Haushalte einnehmen. Insofern könnte sich das in der Kreditwirtschaft vorhandene umfang- reiche Know-how zu Fragen der Bilanzanalyse und des Bilanzstruktur-, Anlage- und Risikomanagements als äußerst hilfreich erweisen. Die Möglichkeiten der Bonitätsermittlung durch externe und interne Ratings dürfte das Kommunalkreditgeschäft beeinflussen, wobei auch die Ein- führung neuer Kapitalmarktprodukte zu erwarten ist, z. B. im Rahmen des direkten Kapitalmarktzugangs der Kommunen. Die folgende Untersuchung soll zunächst den aktuellen Status quo im Rahmen der Umstellung auf die Doppik umreißen und ferner perspekti- visch den Umgang mit den neu geschaffenen kommunalen Bilanzen und die dafür zweckmäßigen Instrumente untersuchen. Dabei konzentriert sich das Kapitel Schuldenmanagement zunächst auf die Passivseite; der Umgang mit den erstmals wertmäßig erfassten Aktiva wird in den Kapi- teln Bilanzstrukturmanagement sowie Cash Management diskutiert. Da- rüber hinaus befassen sich die Kapitel Rating und Bilanzanalyse mit der Problematik der Bonitätsermittlung kommunaler Gebietskörperschaften. Leipzig, im August 2007 Prof. Dr. Thomas Lenk Dr. Oliver Rottmann
06 I Inhalt
Inhalt I 07 Inhalt 1. Einführung 1.1 Vorbemerkung 08 1.2 Defizite der Kameralistik 08 1.3 Die Doppik als Grundlage des neuen Rechnungswesens 09 1.4 Status quo und Perspektiven der Doppik-Einführung in Deutschland 10 1.5 Exkurs: Internationale Anwendung der IPSAS 12 2. Untersuchungsergebnisse: Das kommunale Finanzwesen vor dem Hintergrund der Doppik-Einführung 2.1 Einführung 13 2.2 Schuldenmanagement 14 2.3 Bilanzstrukturmanagement 18 2.4 Cash Management 26 2.5 Rating 27 2.6 Bilanzanalyse 29 3. Fazit 33
08 I Einführung 1. Einführung 1.1 Vorbemerkung es sich um ein Verfahren der einfachen Das kommunale Haushalts- und Rechnungswe- Buchführung, bei dem jeder Geschäftsvorfall sen in Deutschland befindet sich im Umbruch. ausschließlich auf einem Konto verbucht wird. Die seit den 1990er-Jahren voranschreitende Es erfolgen allerdings in der Regel auf einem Verwaltungsmodernisierung unterliegt mehr Konto zwei Buchungen je Geschäftsvorfall: und mehr Transparenz- und Effizienzpostula- die Soll-Stellung bei Fälligkeit der Zahlung und ten. Die sich unter den Bezeichnungen „Neues die Ist-Buchung bei Zahlungseingang bzw. Kommunales Finanzmanagement“ (NKF), -ausgang. Besteht ein Rechnungssystem aus „Neues Steuerungsmodell“ (NSM) oder „New mehreren Hauptrechnungen, ist die Zahlung Public Management“ (NPM) vollziehende zweckmäßiger im Verbund zu führen, wofür Umgestaltung sieht u. a. die Bündelung von allerdings die doppelte Buchführung besser Fach- und Ressourcenverantwortung sowie geeignet ist.3 Kameralistisches Rechnungs- Dezentralisierung und Serviceorientierung wesen findet Eignung, um Zahlungsvorgänge bei der Erstellung von Verwaltungsleistungen aufzuzeigen. Mittelherkunft und -verwendung vor.1 Besonders das System der Rechnungs werden verdeutlicht. Seit den 1990er-Jahren legung spielt im Rahmen der Reformziele verbreitete sich allerdings die Ansicht, dass eine bedeutende Rolle. Im Zuge der Reformen eine singuläre Betrachtung von Zahlungsvor- wird intendiert, von der Methode der Kamera- gängen nicht ausreicht, da Ressourcenverbräu- listik zur doppelten Buchführung überzugehen. che nicht sichtbar werden. In der Verwaltungs- Die sogenannte Doppik (doppelte Buchführung kameralistik findet bspw. keine Abschreibung in Kontenform) stellt dabei das Kernstück des bei Wertminderung des Anlagevermögens NKF dar. Die intendierte Zielsetzung impliziert statt. Damit fehlen Informationen, die eine hierbei, Kosten und Erlöse, Aufwendungen und Beurteilung der Effizienz von Verwaltungs- Erträge separat zu verbuchen, um somit ein handeln unterstützen. Der Versuch einer aussagekräftigeres Bild über die kommunale Beseitigung dieser evidenten Schwächen Finanzsituation erhalten zu können, als es die führte zu Erweiterungen der Kameralistik, was Kameralistik ermöglicht. allerdings eine Reihe von Neben- und Ergän- zungsrechnungen notwendig machte. Daraus 1.2 Defizite der Kameralistik resultierte wiederum ein Verlust an Übersicht- Die originäre Verwaltungsbuchführung als lichkeit. Eine weitere Schwäche des Systems ursprünglich intendierte Erfolgsermittlung liegt in deren geringer Verbreitung. Die wurde im Laufe der Zeit in den meisten Kameralistik findet international als Buchungs Ländern und Gemeinden mehr und mehr system keine Anerkennung. Das Rechnungs- dem Haushaltsgedanken unterworfen. Damit wesen der privaten Wirtschaftseinheiten wich die Funktion der Buchführung, die basiert fast ausschließlich auf dem System Erfolge zu ermitteln, der Erbringung des der doppelten Buchführung. Im Öffentlichen Nachweises, inwiefern der Haushaltsplan Sektor steigt seit geraumer Zeit die Tendenz, 1 Vgl. Hufnagel/Jürgens (2003), eingehalten wurde.2 Die Verwaltungsbuchfüh- Einrichtungen auszugliedern und in diesen die S. 138 2 Vgl. Leupold (1942), S. 1 f rung erhielt den Charakter einer reinen doppelte Buchführung zu implementieren. 3 Vgl. Lüder (2001), S. 7 Kassenrechnung. Bei der Kameralistik handelt Eine Koexistenz in der Anwendung zweier
Einführung I 09 nicht kompatibler Rechensysteme konterka- der „erweiterten Kameralistik“ gesprochen. riert allerdings eine zielführende Beurteilung Das neue Element innerhalb dieses Drei- der wirtschaftlichen Lage des „Konzerns Komponenten-Systems auf kommunaler Ebene Stadt“.4 Der aufgrund der evidenten Schwä- stellt die Vermögensrechnung dar.6 Diese chen der Kameralistik entstandene Reform- kommunale Bilanz bildet das Vermögen sowie prozess versuchte, als Alternativmodell ein das Kapital und die Schulden der Kommune doppisches Buchungssystem im öffentlichen ab. Das Jahresergebnis als Abschluss der Ver- Rechnungswesen durchzusetzen. Der folgende mögensrechnung dient der Beurteilung des fi- Abschnitt analysiert den Status quo der Re- nanziellen Handelns.7 Zusammenfassend kann formbestrebungen, den Stand der Umsetzung als Vorteil angesehen werden, dass zukünftige sowie perspektivische Umsetzungsschritte in Verpflichtungen, wie bspw. Pensionszah- den einzelnen deutschen Bundesländern. lungen, in Form von Rückstellungen berück- sichtigt werden. Aber auch Abschreibungen 1.3 Die Doppik als Grundlage des neuen und Forderungen werden genauer dokumen- Rechnungswesens tiert. Diesem reformierten Rechnungswesen wird ein reformiertes Haushaltswesen zur 4 Vgl. Lüder (2001), S. 11 1.3.1 Ausgestaltung einer integrierten Seite gestellt, welches den Finanz- und den 5 Vgl. Schwarting (2001), S. 283 6 Vgl. Lüder (1999), S. 8 Verbundrechnung (Doppik) Ergebnishaushalt beinhaltet.8 Die integrierte 7 Vgl. Schwarting (2001), S. 283 Die Doppik bildet die Grundlage eines Systems Verbundrechnung wird in der folgenden Grafik 8 Vgl. Hilgers (2007), S. 189 der Mehrkomponentenrechnung. In dieser in- dargestellt. tegrierten Verbundrechnung (IVR) werden die Finanz-, Vermögens- und Ergebnisrechnung 1. Integrierte Verbundrechnung reformiertes sowie die Kosten- und Leistungsrechnung Rechnungswesen als Unterelement miteinander verbunden. Vermögens- Aktiva rechnung Passiva Die Finanzrechnung bildet Einnahmen und Ausgaben sowie am Ende des Haushaltsjahres Finanzrechnung Ergebnisrechnung die Veränderungen im Bestand liquider Mittel Einnahmen Ausgaben Aufwen- ab. Sie stellte vormals das Kernelement der dungen Erträge Kameralistik dar. Durch Einbeziehung der Investitionen in die Finanzrechnung kann dem Kosten- und Leistungsrechnung Informationsanspruch gegenüber der Öffent- Kosten Leistungen lichkeit in höherem Maße Rechnung getragen Planvermögensrechnung werden.5 Die Ergebnisrechnung als zweite Säule der integrierten Verbundrechnung ist Finanzhaushalt Ergebnishaushalt (geplante Finanz- (geplante Aufw./ mit der Gewinn- und Verlustrechnung des rechnung) Erträge) kaufmännischen Rechnungswesens vergleich- Einnahmen Ausgaben gepl. Aufw. gepl. Ertrag bar. Aufwendungen und Erträge werden in ihr (Zahlungswirksame Erträge/ Aufwendungen; weitere Zahlungen erfasst; am Ende des Haushaltsjahres weist sie – (Des-)/Investitionen; Aufnahme/ reformiertes das Jahresergebnis aus. Unter Einbeziehung Tilgung von Krediten ...) Haushaltswesen einer Kosten- und Leistungsrechnung und in Verbindung mit der Finanzrechnung wird von Quelle: in Anlehnung an Lüder (2001), hier zitiert nach Hilgers (2007), S. 189
10 I Einführung 1.3.2 Rechtliche Rahmenbedingungen Bundesland11 ist noch keine Entscheidung über Die privatwirtschaftliche Rechnungslegung die zukünftige Buchungsweise getroffen wor- hat den Anforderungen des HGB, zunehmend den. Grundsätzliche Unterschiede bestehen jedoch den International Accounting Standards darüber hinaus im Zeitpunkt des Erlasses und (IAS) sowie den International Financial Re- Inkrafttretens der Gesetzesvorlagen. Tabelle 3 porting Standards (IFRS) zu entsprechen. Auf bietet einen zeitlichen Überblick über den dieser Basis sind Regeln erarbeitet worden, die Stand der Doppik-Umsetzung in Deutschland. als Grundlage der Rechnungslegung im Öffent- Darüber hinaus sind Unterschiede im Umfang lichen Sektor dienen sollen: Die International der Berichterstattung, den Bewertungsgrund- Public Sector Accounting Standards (IPSAS). sätzen des Sach- und Beteiligungsvermögens In Verbindung mit den Grundsätzen ordnungs- sowie bei Pensionsrückstellungen festzu mäßiger Buchführung (GoB – privatwirtschaft- stellen.12 lich) und den Grundsätzen ordnungsmäßiger öffentlicher Buchführung (GoöB – Öffentlicher In Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Sektor) ergibt sich folgender Zusammenhang: dem Saarland wird neben der Eröffnungsbilanz auch Anhang und Lagebericht zur Bericht- erstattung herangezogen. In Rheinland-Pfalz 2. Zusammenhang IPSAS und GoB werden nur der Anhang und die Übersichten zur Eröffnungsbilanz (neben dieser selbst) aus- gewertet. Die übrigen Bundesländer, welche IAS/IFRS bereits mit dem Umstellungsprozess begonnen Koordinierung/Abgleich Koordinierung/Abgleich unternehmerisch – öffentlich haben (Hessen und Niedersachsen), weisen national – international diesbezüglich keine Angaben aus. IPSAS GoB Das Sachanlagevermögen unterliegt landes- Koordinierung/Abgleich Koordinierung/Abgleich spezifischen Bewertungsansätzen, vor allem national – international unternehmerisch – öffentlich in Bezug auf die Hilfswerte. Grundsätzlich GoöB gilt nach Beschluss der Innenministerkonfe- renz vom 21. November 2003: Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bölsenkötter (2007), S. 15 „Bei der Eröffnungsbilanz ist neben der Bewertung nach Anschaffungs- und Herstel- lungsaufwand auch eine Bewertung nach 9 NW, NI, RP, ST, SL, HH, BW, 1.4 Status quo und Perspektiven der vorsichtig geschätzten Zeitwerten möglich, BB, HB, MV und SN Doppik-Einführung in Deutschland wobei bei beiden Modellen Sonderregelungen 10 HE, BY, TH und SH 11 BE Der Status quo der Reformbestrebungen auf für Bewertungserleichterungen vorgesehen 12 Die Angaben beziehen sich Länderebene verläuft in Deutschland sehr he- werden. Die Festlegung des maßgebenden auf einen Unternehmens- vortrag der Pricewater- terogen. Elf der 16 deutschen Bundesländer Bewertungsverfahrens für die Eröffnungsbilanz houseCoopers AG auf dem streben einen Übergang zur Doppik an9 , in erfolgt durch die Länder, wobei diese die zu NKF-Bundeskongress am 7. November 2006. vier Bundesländern besteht ein Wahlrecht zwi- erwartende Stellungnahme des IDW 13 in ihre 13 Institut der Wirtschaftsprüfer schen Kameralistik und Doppik10 und in einem Entscheidungsfindung einbeziehen.“
Einführung I 11 3. Stand der Doppik-Umsetzung in Deutschland (2007) Kommunalebene Landesebene Umstellungsbeginn ab ... Vollendung der Umstellung ... Baden-Württemberg 2009 2013 Erweiterte Kameralistik Brandenburg Modellprojekte bis 2011 Kameralistik 30.09.2007 Bremen Doppik; Vollendung 2008 Hamburg Doppik seit 2006 eingeführt; Doppisches Haushaltswesen ab 2008 Mecklenburg- 2008 2012 Kameralistik Doppik Vorpommern Nordrhein-Westfalen 2005 2008 Einführung der IVR14 Niedersachsen 2006 2011 Kameralistik Rheinland-Pfalz Mitte 2006 2008 Kameralistik Saarland Mitte 2007 2008 Kameralistik Sachsen 2008 2013 Optimierte Kameralistik Sachsen-Anhalt 2006 2010 Kameralistik Bayern Kameralistik/Doppikoption 2007 Kameralistik Wahlrecht Hessen Erweiterte Kameralistik/Doppik bis 2011 Ab 2008 Doppisches Rechnungs- und Haushaltswesen Schleswig-Holstein Erweiterte Kameralistik/Doppik ab 2009 Optimierte Kameralistik Thüringen Traditionelle Kameralistik/Doppik ab 2009 Kameralistik Berlin Erweiterte Kameralistik Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Hilgers (2007), S. 191 Eine weitere Grundlage bildet die Stellungnah- gensgegenstände zu Zeitwerten anzusetzen. me des IDW zur Rechnungslegung der öffent- Damit wird die Anschaffung bzw. Herstellung lichen Verwaltung nach den Grundsätzen der des Vermögensgegenstandes zu dem Zeitpunkt doppelten Buchführung. Darin ist Folgendes fingiert, zu dem erstmals die Grundsätze der festgeschrieben (Tz 19): doppelten Buchführung angewendet werden. Die häufig problematische Ermittlung der „Für die Eröffnungsbilanz der öffentlichen Ver- (fortgeführten) Anschaffungs- bzw. Herstel- waltung gelten die Grundsätze für die Gliede- lungskosten für weit vor dem Stichtag der rung der Bilanz (Tz. 68 ff.) entsprechend. Bei Eröffnungsbilanz erworbene oder hergestellte der erstmaligen Bewertung sind die Vermö- Vermögensgegenstände wird dadurch ver- 14 Integrierte Verbundrechnung
12 I Einführung mieden. Erhaltene Investitionszuschüsse u. Ä. teils heterogene Vorgehen bei der Einführung sind nicht von dem geförderten Aktivposten der Doppik in den Bundesländern. Anpas- abzusetzen (vgl. Tz. 39).“ sungs- und Veränderungsnotwendigkeiten werden sich im Praxiseinsatz herausstellen. Lediglich Nordrhein-Westfalen und Hamburg nutzen Zeitwerte für die Bestimmung der 1.5 Exkurs: Internationale Anwendung der Werte von Sachanlagevermögen. Die übrigen IPSAS analysierten Bundesländer15 setzen die An- Die Anwendung der IPSAS im internationalen schaffungs- bzw. Herstellungskosten abzüglich Vergleich ist sehr unterschiedlich. OECD und der Abschreibungen als Werte an. Hilfswerte NATO wenden bereits derartige Vorschriften stellen aktuelle Wiederbeschaffungszeitwerte, an, die Europäische Kommission plant deren Ertrags- und Vergleichswerte sowie rückindi- Einführung. Die Einführung der IPSAS- zierte Werte16 dar. Regelungen wurde 2006 von den Vereinten Nationen beschlossen und soll zum 1. Januar Ähnlich ist die Wertbestimmung des Beteili- 2010 angewandt werden.21 gungsvermögens. Nordrhein-Westfalen und Hamburg benutzen die aktuellen Zeitwerte, Neben diesen Institutionen wenden bereits wohingegen die o. g. Bundesländer das zahlreiche Staaten die IPSAS an. In Europa anteilige Eigenkapital zur Wertbestimmung waren es im März 2006 die Länder Albanien, heranziehen. Auch hier werden unter Um- Frankreich, Ungarn, die Niederlande, Norwe- ständen Hilfswerte genutzt. Dies sind bspw. gen, die Slowakei und die Schweiz. Daraus Anschaffungs- und Herstellungskosten oder wird ersichtlich, dass ein Großteil Europas kei- Börsen- bzw. Marktpreise. ne oder nur geringe Erfahrungen mit diesem Bereich des öffentlichen Rechnungswesens Der Ansatz der Pensionsrückstellungen ist besitzt. Noch deutlicher wird der Anspruch ebenso unterschiedlich. Werden sie in einigen an eine Einführung der IPSAS, wenn man die Bundesländern mit 5 %17 oder 6 %18 bewertet, internationale Entwicklung betrachtet. Neben HE, NI, RP, ST, SL, BW, BB, 15 HB, MV und SN ist in anderen das EStG maßgebend19. China, Südafrika, Indien oder Israel haben 16 Kann der Anschaffungs- oder auch kleine Nationen wie beispielsweise Ost Herstellungswert eines Vermögensgegenstandes bei Auf Bundesebene ist das kameralistische Sys timor, Laos oder die Malediven die Anwendung der Aufstellung der ersten tem der Geldverbrauch-Erfassung weiter vor- zumindest beschlossen oder gar umgesetzt. Eröffnungsbilanz nicht mit vertretbarem Aufwand herrschend. Der Bundesrechnungshof empfahl Eigene, mit den IPSAS jedoch weitestgehend ermittelt werden, so gilt der 2006 dem Bund, an den positiven Erfahrungen übereinstimmende Standards wenden Australi- auf den Anschaffungs- oder Herstellungszeitpunkt rückin- der Doppik auf Landesebene anzuknüpfen en, Kanada, Neuseeland, Großbritannien sowie dizierte Zeitwert am Stichtag bzw. die Reformen auf Bundesebene voran die Vereinigten Staaten an. der ersten Eröffnungsbilanz als Anschaffungs- oder zubringen. Wird dem nicht nachgegangen, Herstellungswert. können sich unterschiedliche Systeme ent Es wird evident, dass der internationale Kon- 17 NW und BB 18 HE und HH wickeln, die die Vergleichbarkeit zwischen den vergenzprozess der kommunalen Rechnungs- 19 NI, RP, ST und BW föderalen Ebenen erschweren.20 legungsstandards bereits weit fortgeschritten 20 Vgl. Hilgers (2007), S. 191. 21 Bundesrechnungshof (2006), und Europa diesbezüglich eher die Rolle eines S. 12 Diese kurzen Erläuterungen verdeutlichen das Nachzüglers beschieden ist.
Untersuchungsergebnisse I 13 2. Untersuchungsergebnisse Das kommunale Finanzwesen vor dem Hintergrund der Doppik-Einführung 2.1 Einführung ante. Da die meisten deutschen Banken dem Die divergierenden gesetzlichen Rahmenbe- „interne Rating-Ansatz“ (IRB) des Basel-II- dingungen in den einzelnen Bundesländern Abkommens folgen, dürfte ein Vorliegen aus- sowie deren unterschiedlich weit fortgeschrit- reichend kalibrierter interner Ratingsysteme tene Umsetzung führen in der Gesamtper- lediglich eine Frage der Zeit sein. Hierauf wird spektive zu einem äußerst heterogenen Bild, vertiefend im Abschnitt 2.5 eingegangen. 22 Vgl. Bräunig (2007), S. 83 in dem die verschiedenen Mischformen aus 23 Vgl. Bolsenkötter (2007), S. 23 Kameralistik und kaufmännischer Buchfüh- Die Herstellung einer Kompatibilität mit dem 24 Als sogenanntes „schwe- rung nebeneinander stehen. Eine weitere kaufmännischen Rechnungswesen eröffnet bendes Geschäft“ wird im deutschen Handelsrecht ein Problematik zeigt sich in der Frage, ob sich den Kommunen darüber hinaus transparentere Schuldverhältnis (Vertrag) die öffentlichen Haushalte an den teilweise Beurteilungsmöglichkeiten hinsichtlich Public- bezeichnet, dessen Erfolg noch nicht realisiert wurde. als reformbedürftig geltenden Regelungen Private-Partnership-Projekten25. Nach kamera- Infolgedessen finden in der des HGB orientieren oder eine Einführung listischen Kriterien bildet der Liquiditätszufluss dem Realisationsprinzip verpflichteten deutschen der internationalen, auf den IFRS basierenden das wesentliche Beurteilungselement derar- Handelsbilanz mit Ausnahme IPSAS erwägen sollten.22 Letztere sind deutlich tiger Projekte. Eine Beurteilung desselben etwaiger Drohverlustrückstel- lungen derartige Geschäfte komplexer in der Handhabung, hätten jedoch Projekts unter den Gesichtspunkten einer keinen Niederschlag. Die gegenüber den HGB-Regelungen einige nicht erweiterten, ressourcenverbrauchsorientierten IFRS enthalten dagegen mit IAS 39 einen sehr umfang- unbedeutende Vorteile 23, so etwa die realitäts- Sichtweise muss dabei nicht zwangsläufig reichen Standard, welcher nahe Bewertung von Gegenständen des Anla- zum gleichen Ergebnis führen, da der reinen sich ausschließlich mit der Bewertung, Erfolgswirksam- gevermögens (keine stillen Reserven) und die Liquiditätsbetrachtung noch weitere Kriterien, keit und Bilanzierung deri- in der HGB-Praxis als schwebende Geschäfte 24 wie Ertragsorientierung (Vermeidung von vativer Finanzinstrumente beschäftigt. generell nicht enthaltene bilanzielle Abbildung Verlusten), Kapitalbindung und Auswirkungen 25 Public Private Partnership von Derivaten, welche sich besonders im kom- auf die Bilanzstruktur ( vgl. Abschnitt 2.6), (PPP) stellt eine Kooperation bzw. einen Leistungsaus- munalen Schuldenmanagement wachsender hinzugestellt werden. tausch zwischen der Öffent- Beliebtheit erfreuen. Auch hier haben sich be- lichen Hand und privaten Unternehmen dar. An einer reits Mischformen herausgebildet, die interna- Eine in ihren künftigen Auswirkungen noch PPP sind mindestens ein tionale Regelungen teilweise berücksichtigen nicht hinreichend beurteilbare Funktion eines öffentlicher und ein privater Partner beteiligt. Die Ziele (z. B. Eröffnungsbilanz per 01.01.2006 der Jahresabschlusses bzw. Geschäftsberichtes beider Partner müssen dabei Stadt Hamburg). besteht des Weiteren in der zu erwartenden kompatibel sein, sie weisen häufig einen komplemen- höheren Öffentlichkeitswirksamkeit aufgrund tären Charakter auf (Budäus Darüber hinaus dürfte sich, sobald die ersten seiner im Vergleich zu kameralistischen 2004, S. 12). Nicht selten stellt die private Seite im Jahresabschlüsse einer größeren Anzahl von Rechenwerken einfacheren Zugänglichkeit ge- Zuge einer Teilprivatisie- Kommunen vorliegen, zweifellos die Frage genüber einem breiteren Publikum; ein Effekt, rung auch den Betreiber oder ist an den Einnahmen nach deren Vergleichbarkeit und ihrer Eignung der insbesondere bei den vergleichsweise beteiligt. Als bedeutendes zur Einschätzung der wirtschaftlichen Lage bürgernahen kommunalen Haushalten, deren Beispiel ist das deutsche Lkw-Autobahnmautsystem und der Bonität ergeben. Neben externen Ra- „Shareholder“ ihre Einwohner darstellen, eine aufzuführen, dessen Ent- tings durch die bekannten Agenturen, welche gewisse Sensibilität besitzen dürfte. Die durch wicklung, Umsetzung und Betrieb im Wesentlichen von aus Kostengründen für die meisten Kommunen die Publikation von Jahresabschlussberichten einem privaten Konsortium nicht infrage kommen dürften, ist eine Boni- steigende Transparenz und Verständlichkeit getragen wurde, welches für den Bund die Autobahnmaut tätseinschätzung durch Banken in deren Rolle könnte in vielen Fällen einen nicht unerheb- einzieht, an der es im Gegen- als Kreditgeber die wahrscheinlichere Vari- lichen Druck der Öffentlichkeit über Medien, zug beteiligt ist.
14 I Untersuchungsergebnisse Verbände u. Ä. auf die Administration der systemen innerhalb des Konzerns Kommune, Kommunen ausüben, deren Leistungen künftig attestieren Banken ebenfalls eine bedeutende auch am Umgang mit dem kommunalen Ver- Rolle als Abwickler des Zahlungsverkehrs der mögen gemessen werden. Es ist nicht Kommunen und ihrer Tochtergesellschaften. auszuschließen, dass insofern ein politisch Die Interaktionen zwischen Kommunen und motivierter Gestaltungswille die Bilanzierungs- Banken in diesen einzelnen Bereichen sollen praxis beeinflussen könnte. Bilanzpolitik26 im Folgenden näher betrachtet werden. ist auch in der Privatwirtschaft ein mitunter ge- nutztes Mittel zur Herstellung einer positiveren 2.2 Schuldenmanagement Außenwirkung. 2.2.1 Vorbemerkung Da die Bedeutung der Kreditwirtschaft als Eine Bewertung der Vermögensseite findet Stakeholder der Kommunen in den letzten im kommunalen Rechnungswesen im Rahmen Jahren angesichts der (bis einschließlich 2006) kameralistischer Grundsätze nicht statt, der gewachsenen Verschuldung deutlich zuge- Umgang mit der Verschuldung und deren nommen hat, dürften die Banken eine wichtige Kosten wird bisher überwiegend passiv vollzo- Rolle im Prozess der Neuordnung und Struktu- gen. Angesichts wachsender Verschuldung rierung der doppischen Haushalte einnehmen. (bis 2006) und allmählich steigender Zins- Insofern könnte sich das in der Kreditwirt- sätze für das steigende Kassenkreditvolumen schaft vorhandene umfangreiche Know-how (Abbildung 4; 12,5 Mrd. davon allein in NRW) zu Fragen der Bilanzanalyse und des Bilanz- wird der bestehende Handlungsbedarf jedoch struktur-, Anlage- und Risikomanagements als von einer zunehmenden Zahl von Kommunen äußerst hilfreich erweisen. wahrgenommen. Dabei wird sich im Wesent- lichen auf das Schuldenmanagement konzen- Hier insbesondere als soge- 26 Die Möglichkeiten der Bonitätsermittlung triert. nannte progressive Bilanz- durch externe und interne Ratings dürfte das politik zu verstehen, welche den Einsatz von Bewertungs- Kommunalkreditgeschäft beeinflussen, wobei Eine Studie der Universität Potsdam auf der spielräumen, sachverhalts- auch die Einführung neuer Kapitalmarktpro- Basis des Jahres 2003 zeigte, dass Kommunen gestaltenden Maßnahmen und Ermessensspielräumen dukte neben dem klassischen Pfandbrief zu mit höherer Verschuldung Vorreiter bei zugunsten einer positiveren erwarten ist, etwa ein direkter Kapitalmarkt der Implementierung von Strukturen zum Darstellung der eigenen bilanziellen Verhältnisse zugang der Kommunen. aktiven Umgang mit Schulden und zu den beinhaltet. Einem „Schlech- daraus resultierenden Lasten sind. Das Hand- terrechnen“ durch den jeweiligen politischen Gegner Von der Modernisierung der Verwaltung lungstempo in der Praxis ist insofern davon dürfte mangels erforderlicher erwartete Effizienzsteigerungen, etwa durch abhängig, wie prekär die Haushaltslage bereits Zusatzinformationen aus der Verwaltung ggf. Grenzen die Etablierung von Cash Management- oder ausfällt. gesetzt sein. Ressourcen- und Beschaffungsmanagement-
Untersuchungsergebnisse I 15 4. Verschuldung der Gemeinden Lang- und kurzfristige Verschuldung der Gemeinden in Mrd. Euro 89,3 88,75 88,13 90 88,3 87,5 88,9 87,1 87,1 88 86 27,6 28 23,95 25 20,2 20 16,3 15 10,7 9,0 10 6,9 6,0 5 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006* langfristige Schulden * Stand: 3. Quartal 2006 (ohne Stadtstaaten); langfristige Schulden: Kreditmarktschulden kurzfristige Schulden „Kassenkredite“ i. w. S. sowie Schulden der öffentlichen Haushalte Grafik: Deutscher Städte- und Gemeindebund, www.dstgb.de Quelle: Darstellung des DStGB nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2.2.2 Kreditmanagement wesentlich günstigeren Angebote erwarten las- Eine aktive Marktbearbeitung sowie ein Ver- sen dürfte. Die isolierte Betrachtung einzelner gleich von Finanzierungsalternativen finden Investitionsprojekte und deren Finanzierung in vielen Kommunen noch nicht in ausrei- wird erst allmählich durch eine Sichtweise der chendem Maße statt. So stellt z.B. Birkholz Gesamtverschuldung als Portfolio abgelöst. (2006) fest, dass knapp die Hälfte (46,2%) der Dadurch werden hohe Zinsbindungsquoten befragten Kommunen nicht mehr als sieben und inflexible Verschuldungsstrukturen in Darlehensangebote am Markt einholt.27 In der den Darlehensportfolios der Kernhaushalte Regel wird dazu ein standardisiertes Verfahren sichtbar. In den (meist privatwirtschaftlich (auf Basis eines Vordrucks) genutzt. Ausschrei- organisierten) Eigengesellschaften ist der bungen auf der Grundlage der europäischen Anteil kurz- und mittelfristiger Verschuldung Dienstleistungsrichtlinie werden nur in Aus- dagegen höher.28 Angesichts der Anstrengung nahmefällen vorgenommen – was jedoch ange- zur Reduzierung der Zinsbelastung rückt die sichts des im europäischen Vergleich zuneh- Problematik des steigenden Kassenkreditvo- 27 Vgl. Birkholz (2006), S. 15 mend konvergierenden Zinsniveaus auch keine lumens (vgl. Abbildung 4) zunehmend in den 28 Vgl. Birkholz (2006), S. 17
16 I Untersuchungsergebnisse Fokus. Ein nicht geringer Teil dieser inzwi- deutlich positiv bemerkbar machte, dass das schen dauerhaft beanspruchten Kredite wird Niveau des Bundeslandes erreicht wurde.31 als Überziehungskredit geführt und variabel verzinst. Dies wirkt sich gerade auf die kurz 2.2.3 Risikomanagement und fristige Zinslast negativ aus,29 insbesondere Derivateeinsatz seit der durch die EZB eingeleiteten Zinswen- Neben den aufgeführten Maßnahmen zur de. Die entstandenen quasi-permanenten, Verminderung von Lasten aus der hohen Ver- variablen verzinsten Sockelbestände an Kas- schuldung besteht die Möglichkeit der Iden- senkrediten sind insofern aus einem langfristig tifikation von Zins- und Prolongationsrisiken orientierten Blickwinkel zu betrachten, der in den Schuldenportfolios der Gemeinden. Im auch das resultierende Zinsänderungsrisiko in Vordergrund steht dabei das die Kommunen Betracht zieht. betreffende Zinsänderungsrisiko bei den oft abgeschlossenen langfristigen Festzinsverein- Die Möglichkeiten des direkten Kapitalmarkt- barungen. Die daraus resultierende hohe Zins- zugangs oder günstigerer Kreditkonditionen, bindungsquote birgt das Risiko, bei fallendem die sich aus kommunalen Kooperationen zur Marktzins zu hohe Zinsen zu zahlen. Das Bündelung des gemeinsamen Kreditbedarfs Prolongationsrisiko besteht in zeitlich nicht ergeben, werden trotz einiger erfolgreicher hinreichend diversifizierten Festzinsvereinba- Beispiele von den weitaus meisten Kommunen rungen. Laufen zahlreiche Vereinbarungen an als nicht praktikabel abgelehnt.30 eng beieinander liegenden Terminen ab, so besteht im Falle zwischenzeitlich gestiegener Als Hauptgrund wird ein hoher Koordinations- Zinsen das Risiko einer sprunghaften Verteu- aufwand genannt; die zu erwartenden erung des Schuldenportfolios. Während sich Vorteile werden als gering eingeschätzt. Auch dem Prolongationsrisiko recht einfach durch hier dürfte den Kommunen ein zu stark ein- eine stärkere Streuung der Auslauftermine für zelprojektorientiertes Planungswesen im Weg Festzinsvereinbarungen oder mit sogenannten stehen. Als sinnvoll könnte sich hier die Schaf- „forward rate agreements“ (FRA), bei denen fung einer Plattform erweisen, auf welcher bereits zu einem gegenwärtigen Zeitpunkt ein Kommunen ohne größeren Aufwand andere Festzins für ein zukünftiges Darlehen verein- Gebietskörperschaften finden können, welche bart wird, begegnen lässt, erfreut sich im Um- ähnliche Finanzierungsbedarfe aufweisen. gang mit dem Zinsänderungsrisiko der Einsatz Dieser Weg interkommunaler Kooperation wird von Swaps und Zinsderivaten zunehmender in der Schweiz bereits beschritten; es existiert Beliebtheit. „Forward rate agreements“ wer- mit der Emissionszentrale der Schweizer Ge- den bislang (noch) eher selten genutzt, da sie meinden (ESG) eine zentrale Institution. in vielen Fällen gegen die Gemeindehaushalts- ordnungen verstoßen, welche den Kauf eines 29 Vgl. Lenk (2007) In Deutschland nutzen bisher nur einige Land- derivativen Instruments ohne zugehöriges 30 Vgl. Birkholz (2006), S. 19 31 Vgl. Landkreistag Rheinland- kreise in Rheinland-Pfalz seit 2005 die Mög- Grundgeschäft untersagen (sog. Konnexitäts- Pfalz (2006) lichkeit einer Darlehensgemeinschaft, wobei prinzip)32. Das zugehörige Grundgeschäft 32 Vgl. Birkholz (2006), S. 23 33 Zu Swapgeschäften vgl. u.a. sich die durch die Bündelung erzielte Verhand- liegt beim FRA in der Zukunft. Bei einem Zins- Hull (2006), S. 194f. lungsmacht in den Kreditkonditionen insofern swapgeschäft33 handelt es sich im Allgemei-
Untersuchungsergebnisse I 17 nen um einen Austausch der Fälligkeiten von Zinssatzvereinbarungen. So kann die Kommu- 5. Swapgeschäft ne beispielsweise das Zinsänderungsrisiko für eine variable Zinsposition begrenzen, indem Variabler Zins (z. B. Kommune Swappartner sie selbige mithilfe eines Swaps für einen 3-Monats-Euribor) gewissen Zeitraum in eine Quasi-Festzinsposi- Festzins tion umwandelt. Denkbar ist jedoch auch der Variabler Zins, umgekehrte Fall, in dem – in Erwartung eines zzgl. Kreditmarge fallenden Zinsniveaus – eine eher hochverzins- liche Festzinsvereinbarung gegen eine variable Kreditpartner Position getauscht wird. Die Gestaltungsfreiheit der Finanzmarkt Quelle: Schwarting (2007), S. 108 akteure hinsichtlich der Ausgestaltung derivativer Finanzinstrumente lässt jedoch zahlreiche weitere Konstruktionen zu, von denen die Sicherung einer Zinsober- oder in der Regel so konstruiert sind, dass sie auf -untergrenze (cap/floor/collar) nur beispielhaft gegensätzlichen Zukunftserwartungen der genannt seien. Insbesondere für den Umgang Geschäftspartner beruhen, könnte angenom- mit Derivaten ist es unerlässlich, für den men werden, dass die Beziehung der Kommu- Ausbau hinreichender eigener Kompetenzen ne zum Anbieter des Derivats im Prinzip dem zu sorgen. Während ein reines Sicherungsge- partnerschaftlichen Status widerspricht. Dies schäft zur Absicherung eines variablen Zinses ist jedoch nicht der Fall, da weder der Finanz- unproblematisch ist, öffnen eher spekulative dienstleister noch der Zinsmarkt sich gegen Kontrakte,34 die zur Senkung der Zinslast die Kommune stellt. Vielmehr wird das Interes- abgeschlossen werden, oft erhebliche Risiko- se von Marktteilnehmern nach der Umsetzung positionen.35 Die Versuchung, zugunsten der der eigenen Portfoliostrategie zusammenge- Reduzierung laufender Zinsausgaben erheb- führt. Der Finanzdienstleister übernimmt hier- liche Risiken in der Zukunft aufzubauen, mag bei die Funktion eines Vermittlers und sichert dabei unter anderem auch der aus kameralis seinerseits Überhänge der nicht vermittelbaren tischer Erfahrung entstammenden mangeln- Transaktion am Zinsmarkt ab. 34 er spekulative Aspekt D den Zukunftsbetrachtung und Unterschei- Die bisherige Vorgehensweise der Gebiets besteht hierbei in der dungsfähigkeit zwischen Ausgaben und körperschaften orientiert sich offenbar im Zinserwartung zum Zeitpunkt des Abschlusses. Die Auf- Aufwendungen zuzuschreiben sein. Als ex- Wesentlichen am Ziel einer kurz- bis mittel- gabe einer Festzinsposition emplarisch gelten mögen die bekannt gewor- fristigen Ausgabenvermeidung; ein Ansatz, zugunsten einer variablen Konstruktion impliziert aus denen Fälle der Städte Hagen, Neuss, Solin- der bereits in einigen Fällen zu erheblichen Schuldnersicht eine „Wette“ gen, Würzburg oder Pforzheim, die offenbar Problemen geführt hat. Für ein erfolgreiches auf einen fallenden bzw. zumindest gleichbleibend beim Kauf von hochkomplexen Derivaten (sog. Schulden- und Risikomanagement ist zunächst niedrigen Marktzins während CMS-Spread-Ladder-Swaps) ohne hinrei- der Aufbau geeigneter Strukturen, Prozesse der Laufzeit des Kontraktes. 35 Vgl. Lenk (2007) chende eigene Chance/Risiko-Abwägungen und Kompetenzen nötig.36 Ohne eine 36 Vgl. Lenk (2007) oder Zinsmeinungen agierten. Da Derivate vorherige Identifikation von Risiken und
18 I Untersuchungsergebnisse Chancen und der fundierten Bildung einer wird nahezu allen betrachteten Kommunen Marktmeinung bleibt der Einsatz von Instru- diesbezüglich erheblicher Nachholbedarf menten zur Portfoliosteuerung nur Stückwerk. attestiert. Vor allem die notwendigen per- Als Orientierung für den Aufbau adäquater sonellen Kapazitäten werden offenbar nicht Strukturen in den Kommunen könnten hierbei oder unzureichend bereitgestellt.38 Es wird die 2005 in Kraft getretenen Mindestanforde- ersichtlich, dass insbesondere eine intendierte rungen an das Risikomanagement (MaRisk) Orientierung des kommunalen Schulden- und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs- Risikomanagements an den MaRisk für den aufsicht (BaFin) dienen, deren Regelungen Finanzsektor eine Zusammenarbeit zwischen auch vom Deutschen Städtetag in einer Banken und Kommunen nahe legt, welche Musterdienstanweisung für die Aufnahme von über die reine Geschäftsbeziehung (Kreditver- Krediten37 aufgegriffen werden. Als wesent- hältnis, Derivategeschäft) hinausgeht. liche Bestandteile einer adäquaten Organisa- tionsstruktur nach den MaRisk sind folgende 2.3 Bilanzstrukturmanagement Punkte aufzuführen: • aufbauorganisatorische Strukturen (funk- 2.3.1 Vorbemerkung tionale und organisatorische Trennung, Die tief greifendste Umstellung innerhalb „4-Augen-Prinzip“), der Neuordnung der kommunalen Finanzpla- • ablauforganisatorische Maßnahmen (Richt- nung und -berichterstattung dürfte in der linien zum Derivateeinsatz, Modellierung Identifikation und Bewertung kommunalen von Prozessen), Vermögens liegen. Die Schaffung einer bilan- • Sicherstellung einer hinreichenden Qualifi- ziellen Aktivseite stellt einen Prozess dar, kation der Mitarbeiter sowie der den weitaus größten Teil der bundesdeut- • Schaffung einer geeigneten IT-Umgebung schen Gebietskörperschaften noch beschäftigt. (Darlehensbuchhaltungssoftware, Risiko Bis zum jetzigen Zeitpunkt (August 2007) managementtools). haben fast alle Gebietskörperschaften in den umgestellten Bundesländern, darunter die Es ist darüber hinaus festzuhalten, dass eine Stadt Salzgitter und der Stadtstaat Hamburg, vollständige Geschäftsbesorgung des Risi- eine Eröffnungsbilanz vorgelegt; der erste voll- komanagements durch externe Dritte nicht ständige Jahresabschluss für Hamburg wurde zielführend ist, da zu einer konsequenten am 14.08.2007 der Öffentlichkeit im Rahmen Risikostrategie ebenfalls die Identifikation einer Bilanzpressekonferenz vorgelegt. Es und das Handling einer daraus resultierenden ist insofern noch verfrüht, die Auswirkungen Prinzipal-Agent-Konstellation mit entspre- dieser Vervollständigung der kommunalen chend vorhandenen Informationsasymmetrien Vermögensrechnung konkret antizipieren gehören, sodass der o. g. Aufbau eigener zu können, nichtsdestotrotz lassen sich einige 37 gl. Frischmuth (2006), V S. 122ff. Kompetenzen unerlässlich ist. In der oben Grundtendenzen darlegen. Die Aktivierung und 38 Vgl. Birkholz (2006), S. 25f angeführten Studie der Universität Potsdam Bewertung öffentlichen Vermögens ist mit den
Untersuchungsergebnisse I 19 Instrumenten der kaufmännischen Rechnungs- legung nicht vollständig darstellbar. Selbst die 6. Regelungsbereiche der IFRS und der IPSAS über die Richtlinien des HGB weit hinausge- henden und zum Teil sehr detaillierten Rege- Δ3 Δ1 Δ2 lungen der IFRS sind beispielsweise für die Gegenstandsbereich Bewertung von Infrastruktureinheiten wie Stra- der Empfehlungen IAS/IFRS ßen oder Abwasserleitungen sowie öffentlicher Güter wie Denkmäler, Wasser- oder Grünflä- chen ungeeignet. Adäquate Konzepte (auf HGB-Basis) werden zurzeit z. B. an den Landesrechnungshöfen erarbeitet. Auch die Δ4 internationalen, für die öffentliche Verwaltung entwickelten, auf den IFRS basierenden IPSAS enthalten bereits entsprechende Regelungen IPSAS (IPSAS 17 Property, Plant and Equipment, Δ1 = IAS/IFRS-Vorgaben, die inhaltlich in die IPSAS zu übernehmen sind IPSAS 21 Impairment of Noncash-generating Δ2 = Sachverhalte, die im Grunde in den IAS/IFRS geregelt sind, aber für den öffentlichen Bereich einer abweichenden Regelung bedürfen Assets). Die bereits angedeutete heterogene Δ3 = Für den öffentlichen Sektor irrelevante Sachverhalte Gesetzgebung in den Bundesländern lässt hier Δ4 = Sachverhalte, die nicht in den IAS/IFRS geregelt sind, aber für den öffentlichen Bereich einer Regelung bedürfen zunächst wenig Hoffnung auf eine einheitliche Handhabung in den Kommunen. Abbildung 6 Quelle: Bolsenkötter (2007), S. 16 veranschaulicht den überschneidenden bzw. offenen Regelungsbedarf der verschiedenen Bilanzierungsstandards. Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich die kommunalen Bilanzstrukturen in absehbarer Zeit von ihrer der Bilanzaktiva und -passiva an Bedeutung. „Urform“, der Eröffnungsbilanz, entfernen Künftig wird sich folglich den Städten und werden. Die Gründe dafür liegen zum einen in Gemeinden die Frage nach der Privatisierung, dem Anpassungsdruck, der von dem Bemühen der Veräußerung von Randaktivitäten, aber um ein gutes Rating erzeugt wird. Zum ande- auch der Investition in zukunftsträchtige kom- ren legt das Ziel von Effizienzsteigerungen munale Handlungsfelder weitaus stärker 39 runwald spricht hier vom G Übergang von der Dienst- oder Kosten-Nutzen-Erwägungen die Verände- als bisher stellen, wobei anhand der Informati- leistungs- zur Gewährleis rung von Vermögens- und Beteiligungsverhält- onen der neuen doppischen Rechnungslegung tungsverwaltung: „Hierzu gehört auch die Abkehr vom nissen nahe.39 Ebenso sind hier ordnungspoli- eine objektivere Entscheidungsfindung mög- Prinzip ‚Wenn es gut sein tische Richtungserwägungen (Effizienzpostulat lich sein wird. Neben den klassischen Finan- soll, muss es die Stadt in städtischem Eigentum bzw. versus Daseinsvorsorge)40 von Relevanz. zierungs- und Beratungsaktivitäten dürften mit eigener Infrastruktur Darüber hinaus gewinnt im Bemühen um die Makler- und Vermittlergeschäfte bei der selber machen’!“, Grunwald u. a. (2006), S. 6 Erreichung einer höheren Generationenge- Optimierung kommunaler Immobilienportfolios 40 Vgl. hierzu u. a. Lenk/Rott- rechtigkeit auch das Ziel der Fristenkongruenz den Finanzsektor ebenfalls beschäftigen. mann (2007), S. 2
20 I Untersuchungsergebnisse 2.3.2 Leasing der Privatwirtschaft seit langem angewendete, Es ist zu erwarten, dass die Kommunen IFRS-sichere Leasingmodelle bedürfen keiner unter dem Eindruck der aktuellen Schuldenlast großen Anpassungen, um den Bedürfnissen und im Interesse einer hohen Bonitätseinstu- kommunaler Nachfrager gerecht zu werden. fung eine möglichst hohe Eigenkapitalquote Grundsätzlich existieren zwei Ausprägungen und eine weitgehend fristenkongruente des Leasing, welche über die Art der Bilan- Bilanzstruktur anstreben. Die Stellschrau- zierung des Leasinggegenstands entscheiden ben hierzu finden sich im Wesentlichen im können. So weist das Operate-Leasing eher kommunalen Anlagevermögen. Abgesehen von den Charakter eines Mietverhältnisses auf, in 41 ls „off-balance“ werden A Bewertungsspielräumen, deren Ausnutzung dem z. B. das Investitionsrisiko beim Leasing Investitionsprojekte (z.B. Immobilien) bezeichnet, die vom jeweils gegebenen Regelwerk abhängt, geber liegt, sodass eine Bilanzierung des aufgrund ihrer rechtlichen sind es klassische Off-Balance-Instrumente41 Investitionsgegenstands beim Leasinggeber Konstruktion nicht in der Bilanz auftauchen. Sie der Investitionsfinanzierung, die die Bilanzen vorzunehmen ist und die Leasingrate in voller werden zur Optimierung der der Kommunen in den nächsten Jahren struk- Höhe als Miet- bzw. Leasingaufwand erfolgs- Bilanzstruktur angewandt und stellen insofern auch ein turell stark verändern dürften und die Entwick- wirksam wird. Mittel der Bilanzpolitik dar. lung aus Bankensicht interessant gestalten. In 7. Leasing inkl. PPP-Model ggf. Bürgschaft Kommune nutzt Leistungen Leasingobjekt plant u. erstellt Hersteller Kreditinstitut gibt Kaufpreis Leasinggeber Kredit/Forderungskauf ggf. Abtretung der Leasingraten z z z Fondzeichner = Antragseigener Quelle: Schwarting (2007), S. 172
Untersuchungsergebnisse I 21 8. Finance-Leasing Kommune nutzt Leistungen Leasingobjekt Verkäufer Kreditinstitut gibt Kaufpreis Leasinggeber Kredit/Forderungskauf ggf. Abtretung der Leasingraten Quelle: Schwarting (2007), S. 173 Demgegenüber steht das Finance-Leasing, Während sich das deutsche Recht stärker an welches sich insbesondere auf Spezialinvestiti- formalen Kriterien ausrichtet, an denen sich onen bezieht, dessen wirtschaftliche Nutzung spezielle, auf außerbilanzielle Behandlung durch Dritte nicht ohne Weiteres möglich ausgerichtete Konstruktionen orientieren ist. Das Investitionsrisiko und das wirtschaft- können, richten sich die IFRS am „Substance- liche Eigentum liegen in der Regel beim over-form“-Prinzip aus, was besagt, dass Leasingnehmer, das Leasingverhältnis trägt die praktische Handhabung des Leasingver- insofern weit stärker den Charakter einer Kre- hältnisses über die bilanzielle Zurechnung ditfinanzierung. entscheidet. Handelt es sich beispielsweise um eine Investition, die nicht durch Dritte nutzbar Die Bilanzierung von Leasingverhältnissen ist ist, so kann von einer Bilanzierung beim Leas stark abhängig von der jeweiligen Vertrags- ingnehmer ausgegangen werden. Im Rahmen gestaltung, die sich sehr flexibel auf jedem von Konzernabschlüssen werden auch eigens Punkt zwischen reinem Operate- oder reinem gegründete Zweckgesellschaften in diese Finance-Leasing befinden kann. Sowohl das Betrachtungen einbezogen. Zur Beschleuni- HGB (insbesondere ergänzt durch steuerrecht- gung der Optimierung von Bilanzstrukturen liche Vorgaben) als auch die internationalen und zur Verringerung der Kapitalbindung ist Rechnungslegungsvorschriften definieren ge- Leasing auch für Bestandsobjekte ein adä- wisse Kriterien, nach denen eine Entscheidung quater Weg im Rahmen von sogenannten über die Bilanzierung des Leasinggegenstands „Sale-and-Lease-Back“-Modellen. Dabei wird zu fällen ist. ein Bestandsobjekt an eine Zweckgesellschaft
22 I Untersuchungsergebnisse verkauft und von dieser zurückgemietet. Der dabei entstehende Liqui- ditätsgewinn kann ggf. zur Schuldentilgung eingesetzt werden, wobei zu beachten ist, dass die meist benötigte Finanzierung der Zweckgesell- schaft aus Konzernsicht zu einer Schuldenneutralität führt. 9. Sale-and-Lease-Back verkauft Objekt Kommune nutzt Leistungen Leasingobjekt gibt erhält Kaufpreis Leasinggeber z z z soweit ein Fonds eingeschaltet wird: Fondszeichner = Antragseigener Quelle: Schwarting (2007), S. 174 2.3.3 Factoring Beim Factoring handelt es sich um den Verkauf von Forderungen, beispielsweise aus Lieferungen und Leistungen an einen sogenannten Factor (Spezialbank). Der Kaufpreis errechnet sich aus dem Nennwert der Forderungen, abzüglich eines Diskonts für die Vorfinanzierung der Forderung, einer Gebühr für den Verwaltungsaufwand und, im Falle des echten Factoring, um einen Risikobeitrag. Bei letzterem geht mit der Übertragung der Forderung auch das Delkredere-Risiko, folglich das eines Ausfalls der Forderung, auf den Factor über. Die Gebühr des Factors ist dabei in der Regel niedriger als ein Kontokorrentzinssatz. Dabei entsteht ein Liquiditätsgewinn vom Zeitpunkt des Verkaufs bis zur Fälligkeit der Forderung. Insbesondere die im Kapitel 2.2.1 erwähnte an- gespannte Kassenkreditlage macht diese Finanzierungsform tendenziell
Untersuchungsergebnisse I 23 interessant. Allerdings ist ein Einsatz dieses Tritt ein Unternehmen Forderungen, die Instruments im kommunalen Bereich stark an die Kommune (aus abgeschlossenen von gesetzlichen Restriktionen abhängig. So Leistungsverträgen) bestehen, an ein Kredit ist beispielsweise der Verkauf von Steuerfor- institut ab, so dürfte das Factoringentgelt derungen per Factoring unmöglich; bezüglich aufgrund der hohen Bonität der Forderungen gewisser Gebühren und Entgelte und zahl- unterhalb der Finanzierungskosten für ge- reicher Forderungspositionen kommunaler wöhnliche Kontokorrentkredite liegen, woran Eigenbetriebe und Gesellschaften ist er jedoch dann durch verbesserte Konditionen des zumindest denkbar. Darüber hinaus ergibt sich Unternehmens auch die Kommune teilhaben eine Problematik aufgrund der Rechtsnatur kann. Für hinreichend große Forderungsport- des Forderungsschuldners. Nur Forderungen folios kommunaler Tochtergesellschaften (oder der Kommune an Unternehmen eignen sich für bei Kooperationen) ist gegebenenfalls perspek- Factoring. Bei Forderungen an Privatpersonen tivisch die Ausgabe von Asset-Backed Securi- müssten diese schriftlich zustimmen, sodass ties (ABS) möglich. Dabei wird ein Bündel von dies nur bei Verrechnungsstellen für Ärzte länger laufenden Forderungen, welche einen vorkommt. Für die Dienstleistung der Forde- stetigen Mittelzufluss (Cashflow) erzeugen, an rungsverwaltung (Debitorenmanagement) der eine Zweckgesellschaft verkauft, die den Kauf Factoringgesellschaft ist die Rechtsform jedoch mit der Ausgabe von Wertpapieren refinan- unerheblich, was eine Lösung für die Kom- ziert, welche wiederum durch die originären 42 gl. Schwarting (2007), V mune darstellt. Hier besteht unter Umständen Forderungen besichert sind. S. 122. für Kommunen die Möglichkeit, die Debito- renbuchhaltung, das Mahnwesen und Inkasso abzugeben. Eine Anwendung des (weniger gebräuchlichen) unechten Factorings, bei dem die Forderungsbestände nicht verkauft, sondern nur gegen deren Vorfinanzierung 10. Factoring inkl. PPP sicherungshalber abgetreten werden, könnte zudem mit haushaltsrechtlichen Vorschriften Einredefreiheit Abtretungsgenehmigung wie Kreditsicherungsverboten in Konflikt der Kommune geraten. Entscheidungen darüber liegen im Kommune Ermessensspielraum der Kommunalaufsichts- behörden.42 Im Falle der Erfüllung öffentlicher Leistungs- Forderungs- Aufgaben durch private Unternehmen oder vertrag Leistungs- abtretung Kreditinsitut privatrechtlich organisierte Eigengesell- entgelt schaften (Tochterunternehmen des Konzerns Kommune) kann der Verkauf von Forderungen Priv. (auch als kommunale Forfaitierung bezeichnet) Unternehmer Verkaufspreis = Barwert der Forderungen im Rahmen von PPP-Projekten als sinnvolle Finanzierungsalternative genutzt werden. Quelle: Schwarting (2007), S. 166
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