Die kommunalen Finanzen vor dem Hintergrund der Doppik-Einführung - Gemeinsam mehr erreichen

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Die kommunalen Finanzen vor dem Hintergrund der Doppik-Einführung - Gemeinsam mehr erreichen
Die kommunalen Finanzen
vor dem Hintergrund
der Doppik-Einführung
Mittelstandsbank

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02 I Vorwort
Die kommunalen Finanzen vor dem Hintergrund der Doppik-Einführung - Gemeinsam mehr erreichen
Vorwort I 03

Liebe Leser,

die Umsetzung des Beschlusses aus dem Jahre 2003 zur Umstellung
von der Kameralistik zur doppischen und erweiterten kameralen Haus-
haltsführung durch die ständige Konferenz der Innenminister stellt be-
sondere Herausforderungen an die Kommunen. Die künftige Steuerung
von Gemeinden, Städten und Kreisen erfolgt nach einem Ressourcenver-
brauchskonzept und das Ende der Kameralistik ist daher wohl absehbar.

Mit dem Anspruch Deutschlands „Beste Mittelstandsbank“ zu werden,
sehen wir uns auch im Öffentlichen Sektor, und im Besonderen bei
der Doppik-Umstellung, als kompetenten Ansprechpartner und Berater.
Unsere Aufgabe ist es, Kommunen Instrumente und Dienstleistungen
zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre finanziellen Ziele erreichen und   Martin Blessing
ihre Aufgaben im Interesse der Menschen effizient erfüllen können.
Ganz oben auf der Agenda steht daher die Erhöhung der Handlungs-
spielräume. Dies bedeutet für uns nicht nur, bei der Analyse der einzel-
nen Rechnungselemente zu unterstützen, sondern auch neue Zusam-
menhänge darzustellen und zu interpretieren. Obwohl Unterschiede bei
den länderspezifischen Regularien zur Doppik bestehen, lehnen sich
doch viele Kriterien stark an die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs
an. Es existiert somit eine recht hohe Übereinstimmung zwischen der
kaufmännischen Buchführung und der kommunalen Doppik. Genau an
dieser Stelle bringen wir unser spezielles Wissen zur Bilanzanalyse und
zum Bilanzstrukturmanagement mit ein.

Unsere Schwerpunktbetreuer Öffentlicher Sektor kennen die Anfor-
derungen an die Kommunen und erarbeiten Hand in Hand mit hoch
spezialisierten Kommunalkundenbetreuern effiziente Lösungen. Auf
Basis dieser individuell erarbeiteten Optimierungsstrategien werden
Handlungsempfehlungen entwickelt und die Auswirkungen kalkulierbar.
Das ist der Ansatzpunkt der Commerzbank bei der Doppik:
„Analysieren – beraten – Zukunft gestalten“.

Ihr

Vorsitzender des Vorstands
Commerzbank AG
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04 I Vorwort

                                       Vorwort

                                       Die divergierenden gesetzlichen Rahmenbedingungen vor dem Hinter-
                                       grund der Umstellung auf doppische Rechnungslegungsgrundsätze in
                                       den einzelnen Bundesländern sowie deren unterschiedlich weit fort-
                                       geschrittene Umsetzung führen zu einem äußerst heterogenen Bild, in
                                       dem die verschiedenen Mischformen aus Kameralistik und kaufmän-
                                       nischer Buchführung nebeneinander stehen. Prinzipiell unterliegt die
                                       kommunale Finanzverwaltung bereits mit der Umstellung des öffent-
                                       lichen Haushalts- und Rechnungswesens von kameralistischen auf
                                       doppische Grundsätze einer gesteigerten Transparenz. Sobald die ersten
                                       Jahresabschlüsse einer größeren Anzahl von Kommunen vorliegen, dürf-
                                       te sich darüber hinaus die Frage nach deren Vergleichbarkeit und ihrer
                                       Eignung zur Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und der Bonität er-
               Prof. Dr. Thomas Lenk
                                       geben. Neben externen Ratings durch die bekannten Agenturen, welche
                                       aus Kostengründen für die meisten Kommunen zunächst nicht infrage
                                       kommen dürften, ist eine Bonitätseinschätzung durch Banken in deren
                                       Rolle als Kreditgeber die wahrscheinlichere Variante. Da die meisten
                                       deutschen Banken dem „interne Rating-Ansatz“ (IRB) des Basel-II-Ab-
                                       kommens folgen, dürfte ein Vorliegen ausreichend kalibrierter interner
                                       Rating-Systeme lediglich eine Frage der Zeit sein. Ferner gewinnen
                                       bisher nicht oder nur rudimentär genutzte Finanzierungsinstrumente,
                                       wie beispielsweise Derivate, mehr und mehr an Bedeutung im kommu-
                                       nalen Kreditgeschäft.

                                       Nicht zuletzt generiert die Herstellung einer Kompatibilität mit dem
                                       kaufmännischen Rechnungswesen für Kommunen transparentere Beur-
                                       teilungsmöglichkeiten hinsichtlich Public-Private-Partnership-Projekten.
                                       Nach kameralistischen Kriterien bildet der Liquiditätszufluss nicht selten
                                       das wesentliche Beurteilungselement derartiger Projekte. Eine Beurtei-
                                       lung desselben Projekts unter den Gesichtspunkten einer erweiterten,
                                       ressourcenverbrauchsorientierten Sichtweise muss dabei nicht zwangs-
                                       läufig zum gleichen Ergebnis führen, da der reinen Liquiditätsbetrach-
                                       tung noch weitere Kriterien, wie Ertragsorientierung (Vermeidung von
               Dr. Oliver Rottmann
                                       Verlusten), Kapitalbindung und Auswirkungen auf die Bilanzstruktur,
                                       hinzugestellt werden.
Vorwort I 05

Da die Bedeutung der Kreditwirtschaft in den letzten Jahren angesichts
der (bis einschließlich 2006) gewachsenen Verschuldung deutlich
zugenommen hat, dürften Banken eine wichtige Rolle im Prozess der
Neuordnung und Strukturierung der doppischen Haushalte einnehmen.
Insofern könnte sich das in der Kreditwirtschaft vorhandene umfang-
reiche Know-how zu Fragen der Bilanzanalyse und des Bilanzstruktur-,
Anlage- und Risikomanagements als äußerst hilfreich erweisen. Die
Möglichkeiten der Bonitätsermittlung durch externe und interne Ratings
dürfte das Kommunalkreditgeschäft beeinflussen, wobei auch die Ein-
führung neuer Kapitalmarktprodukte zu erwarten ist, z. B. im Rahmen
des direkten Kapitalmarktzugangs der Kommunen.

Die folgende Untersuchung soll zunächst den aktuellen Status quo im
Rahmen der Umstellung auf die Doppik umreißen und ferner perspekti-
visch den Umgang mit den neu geschaffenen kommunalen Bilanzen und
die dafür zweckmäßigen Instrumente untersuchen. Dabei konzentriert
sich das Kapitel Schuldenmanagement zunächst auf die Passivseite; der
Umgang mit den erstmals wertmäßig erfassten Aktiva wird in den Kapi-
teln Bilanzstrukturmanagement sowie Cash Management diskutiert. Da-
rüber hinaus befassen sich die Kapitel Rating und Bilanzanalyse mit der
Problematik der Bonitätsermittlung kommunaler Gebietskörperschaften.

Leipzig, im August 2007

Prof. Dr. Thomas Lenk
Dr. Oliver Rottmann
06 I Inhalt
Inhalt I 07

Inhalt

1. Einführung

  1.1 Vorbemerkung                                 08

  1.2 Defizite der Kameralistik                    08

  1.3 Die Doppik als Grundlage
  des neuen Rechnungswesens                        09

  1.4 Status quo und Perspektiven
  der Doppik-Einführung in Deutschland             10

  1.5 Exkurs: Internationale Anwendung der IPSAS   12

2. Untersuchungsergebnisse:
     Das kommunale Finanzwesen vor dem
     Hintergrund der Doppik-Einführung

  2.1 Einführung                                   13

  2.2 Schuldenmanagement                           14

  2.3 Bilanzstrukturmanagement                     18

  2.4 Cash Management                              26

  2.5 Rating                                       27

  2.6 Bilanzanalyse                                29

3. Fazit                                           33
08 I Einführung

                                  1. Einführung

                                  1.1 Vorbemerkung                                  es sich um ein Verfahren der einfachen
                                  Das kommunale Haushalts- und Rechnungswe-         Buchführung, bei dem jeder Geschäftsvorfall
                                  sen in Deutschland befindet sich im Umbruch.      ausschließlich auf einem Konto verbucht wird.
                                  Die seit den 1990er-Jahren voranschreitende       Es erfolgen allerdings in der Regel auf einem
                                  Verwaltungsmodernisierung unterliegt mehr         Konto zwei Buchungen je Geschäftsvorfall:
                                  und mehr Transparenz- und Effizienzpostula-       die Soll-Stellung bei Fälligkeit der Zahlung und
                                  ten. Die sich unter den Bezeichnungen „Neues      die Ist-Buchung bei Zahlungseingang bzw.
                                  Kommunales Finanzmanagement“ (NKF),               -ausgang. Besteht ein Rechnungssystem aus
                                  „Neues Steuerungsmodell“ (NSM) oder „New          mehreren Hauptrechnungen, ist die Zahlung
                                  Public Management“ (NPM) vollziehende             zweckmäßiger im Verbund zu führen, wofür
                                  Umgestaltung sieht u. a. die Bündelung von        allerdings die doppelte Buchführung besser
                                  Fach- und Ressourcenverantwortung sowie           geeignet ist.3 Kameralistisches Rechnungs-
                                  Dezentralisierung und Serviceorientierung         wesen findet Eignung, um Zahlungsvorgänge
                                  bei der Erstellung von Verwaltungsleistungen      aufzuzeigen. Mittelherkunft und -verwendung
                                  vor.1 Besonders das System der Rechnungs­         werden verdeutlicht. Seit den 1990er-Jahren
                                  legung spielt im Rahmen der Reformziele           verbreitete sich allerdings die Ansicht, dass
                                  eine bedeutende Rolle. Im Zuge der Reformen       eine singuläre Betrachtung von Zahlungsvor-
                                  wird intendiert, von der Methode der Kamera-      gängen nicht ausreicht, da Ressourcenverbräu-
                                  listik zur doppelten Buchführung überzugehen.     che nicht sichtbar werden. In der Verwaltungs-
                                  Die sogenannte Doppik (doppelte Buchführung       kameralistik findet bspw. keine Abschreibung
                                  in Kontenform) stellt dabei das Kernstück des     bei Wertminderung des Anlagevermögens
                                  NKF dar. Die intendierte Zielsetzung impliziert   statt. Damit fehlen Informationen, die eine
                                  hierbei, Kosten und Erlöse, Aufwendungen und      Beurteilung der Effizienz von Verwaltungs-
                                  Erträge separat zu verbuchen, um somit ein        handeln unterstützen. Der Versuch einer
                                  aussagekräftigeres Bild über die kommunale        Beseitigung dieser evidenten Schwächen
                                  Finanzsituation erhalten zu können, als es die    führte zu Erweiterungen der Kameralistik, was
                                  Kameralistik ermöglicht.                          allerdings eine Reihe von Neben- und Ergän-
                                                                                    zungsrechnungen notwendig machte. Daraus
                                  1.2 Defizite der Kameralistik                     resultierte wiederum ein Verlust an Übersicht-
                                  Die originäre Verwaltungsbuchführung als          lichkeit. Eine weitere Schwäche des Systems
                                  ursprünglich intendierte Erfolgsermittlung        liegt in deren geringer Verbreitung. Die
                                  wurde im Laufe der Zeit in den meisten            Kameralistik findet international als Buchungs­
                                  Ländern und Gemeinden mehr und mehr               system keine Anerkennung. Das Rechnungs-
                                  dem Haushaltsgedanken unterworfen. Damit          wesen der privaten Wirtschaftseinheiten
                                  wich die Funktion der Buchführung, die            basiert fast ausschließlich auf dem System
                                  Erfolge zu ermitteln, der Erbringung des          der doppelten Buchführung. Im Öffentlichen
                                  Nach­weises, inwiefern der Haushaltsplan          Sektor steigt seit geraumer Zeit die Tendenz,
1
  Vgl. Hufnagel/Jürgens (2003),   eingehalten wurde.2 Die Verwaltungsbuchfüh-       Einrichtungen auszugliedern und in diesen die
  S. 138
2
  Vgl. Leupold (1942), S. 1 f
                                  rung erhielt den Charakter einer reinen           doppelte Buchführung zu implementieren.
3
  Vgl. Lüder (2001), S. 7         Kassen­rechnung. Bei der Kameralistik handelt     Eine Koexistenz in der Anwendung zweier
Einführung I 09

nicht kompatibler Rechensysteme konterka-        der „erweiterten Kameralistik“ gesprochen.
riert allerdings eine zielführende Beurteilung   Das neue Element innerhalb dieses Drei-
der wirtschaftlichen Lage des „Konzerns          Komponenten-Systems auf kommunaler Ebene
Stadt“.4 Der aufgrund der evidenten Schwä-       stellt die Vermögensrechnung dar.6 Diese
chen der Kameralistik entstandene Reform-        kommunale Bilanz bildet das Vermögen sowie
prozess versuchte, als Alternativmodell ein      das Kapital und die Schulden der Kommune
doppisches Buchungssystem im öffentlichen        ab. Das Jahresergebnis als Abschluss der Ver-
Rechnungswesen durchzusetzen. Der folgende       mögensrechnung dient der Beurteilung des fi-
Abschnitt analysiert den Status quo der Re-      nanziellen Handelns.7 Zusammenfassend kann
formbestrebungen, den Stand der Umsetzung        als Vorteil angesehen werden, dass zukünftige
sowie perspektivische Umsetzungsschritte in      Verpflichtungen, wie bspw. Pensionszah-
den einzelnen deutschen Bundesländern.           lungen, in Form von Rückstellungen berück-
                                                 sichtigt werden. Aber auch Abschreibungen
1.3   Die Doppik als Grundlage des neuen         und Forderungen werden genauer dokumen-
      Rechnungswesens                            tiert. Diesem reformierten Rechnungswesen
                                                 wird ein reformiertes Haushaltswesen zur                                 4
                                                                                                                            Vgl. Lüder (2001), S. 11
1.3.1 Ausgestaltung einer integrierten           Seite gestellt, welches den Finanz- und den                              5
                                                                                                                            Vgl. Schwarting (2001), S. 283
                                                                                                                          6
                                                                                                                            Vgl. Lüder (1999), S. 8
      Verbundrechnung (Doppik)                   Ergebnishaushalt beinhaltet.8 Die integrierte                            7
                                                                                                                            Vgl. Schwarting (2001), S. 283
Die Doppik bildet die Grundlage eines Systems    Verbundrechnung wird in der folgenden Grafik                             8
                                                                                                                            Vgl. Hilgers (2007), S. 189

der Mehrkomponentenrechnung. In dieser in-       dargestellt.
tegrierten Verbundrechnung (IVR) werden die
Finanz-, Vermögens- und Ergebnisrechnung         1. Integrierte Verbundrechnung
                                                                                                                              reformiertes
sowie die Kosten- und Leistungsrechnung                                                                                       Rechnungswesen
als Unterelement miteinander verbunden.                                                     Vermögens-
                                                                      Aktiva                rechnung                          Passiva
Die Finanzrechnung bildet Einnahmen und
Ausgaben sowie am Ende des Haushaltsjahres         Finanzrechnung                                                                 Ergebnisrechnung
die Veränderungen im Bestand liquider Mittel       Einnahmen        Ausgaben                                                  Aufwen-
ab. Sie stellte vormals das Kernelement der                                                                                   dungen         Erträge

Kameralistik dar. Durch Einbeziehung der
Investitionen in die Finanzrechnung kann dem                                                                                    Kosten- und
                                                                                                                                Leistungsrechnung
Informationsanspruch gegenüber der Öffent-                                                                                    Kosten       Leistungen
lichkeit in höherem Maße Rechnung getragen
                                                                                      Planvermögensrechnung
werden.5 Die Ergebnisrechnung als zweite
Säule der integrierten Verbundrechnung ist         Finanzhaushalt                                                                 Ergebnishaushalt
                                                   (geplante Finanz-                                                              (geplante Aufw./
mit der Gewinn- und Verlustrechnung des            rechnung)                                                                      Erträge)
kaufmännischen Rechnungswesens vergleich-         Einnahmen Ausgaben                                                          gepl. Aufw.    gepl. Ertrag
bar. Aufwendungen und Erträge werden in ihr       (Zahlungswirksame Erträge/
                                                  Aufwendungen; weitere Zahlungen
erfasst; am Ende des Haushaltsjahres weist sie    – (Des-)/Inves­titionen; Aufnahme/                                          reformiertes
das Jahresergebnis aus. Unter Einbeziehung        Tilgung von Krediten ...)                                                   Haushaltswesen

einer Kosten- und Leistungsrechnung und in
Verbindung mit der Finanzrechnung wird von       Quelle: in Anlehnung an Lüder (2001), hier zitiert nach Hilgers (2007), S. 189
10 I Einführung

                                      1.3.2 Rechtliche Rahmenbedingungen                      Bundesland11 ist noch keine Entscheidung über
                                      Die privatwirtschaftliche Rechnungslegung               die zukünftige Buchungsweise getroffen wor-
                                      hat den Anforderungen des HGB, zunehmend                den. Grundsätzliche Unterschiede bestehen
                                      jedoch den International Accounting Standards           darüber hinaus im Zeitpunkt des Erlasses und
                                      (IAS) sowie den International Financial Re-             Inkrafttretens der Gesetzesvorlagen. Tabelle 3
                                      porting Standards (IFRS) zu entsprechen. Auf            bietet einen zeitlichen Überblick über den
                                      dieser Basis sind Regeln erarbeitet worden, die         Stand der Doppik-Umsetzung in Deutschland.
                                      als Grundlage der Rechnungslegung im Öffent-            Darüber hinaus sind Unterschiede im Umfang
                                      lichen Sektor dienen sollen: Die International          der Berichterstattung, den Bewertungsgrund-
                                      Public Sector Accounting Standards (IPSAS).             sätzen des Sach- und Beteiligungsvermögens
                                      In Verbindung mit den Grundsätzen ordnungs-             sowie bei Pensionsrückstellungen festzu­
                                      mäßiger Buchführung (GoB – privatwirtschaft-            stellen.12
                                      lich) und den Grundsätzen ordnungsmäßiger
                                      öffentlicher Buchführung (GoöB – Öffentlicher           In Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und
                                      Sektor) ergibt sich folgender Zusammenhang:             dem Saarland wird neben der Eröffnungsbilanz
                                                                                              auch Anhang und Lagebericht zur Bericht-
                                                                                              erstattung herangezogen. In Rheinland-Pfalz
    2. Zusammenhang IPSAS und GoB                                                             werden nur der Anhang und die Übersichten
                                                                                              zur Eröffnungsbilanz (neben dieser selbst) aus-
                                                                                              gewertet. Die übrigen Bundesländer, welche
                                              IAS/IFRS
                                                                                              bereits mit dem Umstellungsprozess begonnen
          Koordinierung/Abgleich                               Koordinierung/Abgleich
          unternehmerisch – öffentlich                                                        haben (Hessen und Niedersachsen), weisen
                                                               national – international
                                                                                              diesbezüglich keine Angaben aus.
          IPSAS                                                                    GoB
                                                                                              Das Sachanlagevermögen unterliegt landes-
          Koordinierung/Abgleich                               Koordinierung/Abgleich         spezifischen Bewertungsansätzen, vor allem
          national – international                             unternehmerisch – öffentlich   in Bezug auf die Hilfswerte. Grundsätzlich
                                                GoöB                                          gilt nach Beschluss der Innenministerkonfe-
                                                                                              renz vom 21. November 2003:

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bölsenkötter (2007), S. 15
                                                                                              „Bei der Eröffnungsbilanz ist neben der
                                                                                              Bewertung nach Anschaffungs- und Herstel-
                                                                                              lungsaufwand auch eine Bewertung nach
9
  NW, NI, RP, ST, SL, HH, BW,
                                      1.4 Status quo und Perspektiven der                    vorsichtig geschätzten Zeitwerten möglich,
     BB, HB, MV und SN                     ­Doppik-Einführung in Deutschland                  wobei bei beiden Modellen Sonderregelungen
10
     HE, BY, TH und SH
11
     BE
                                      Der Status quo der Reformbestrebungen auf               für Bewertungserleichterungen vorgesehen
12
     Die Angaben beziehen sich      Länderebene verläuft in Deutschland sehr he-            werden. Die Festlegung des maßgebenden
     auf einen Unternehmens-
     vortrag der Pricewater-
                                      terogen. Elf der 16 deutschen Bundesländer              Bewertungsverfahrens für die Eröffnungsbilanz
     houseCoopers AG auf dem          streben einen Übergang zur Doppik an9 , in              erfolgt durch die Länder, wobei diese die zu
     NKF-Bundeskongress am ­
    7. November 2006.
                                      vier Bundesländern besteht ein Wahlrecht zwi-           erwartende Stellungnahme des IDW 13 in ihre
13
     Institut der Wirtschaftsprüfer   schen Kameralistik und Doppik10 und in einem            Entscheidungsfindung einbeziehen.“
Einführung I 11

3. Stand der Doppik-Umsetzung in Deutschland (2007)

                                     Kommunalebene                                                  Landesebene

                                     Umstellungsbeginn ab ...       Vollendung der Umstellung ...
              Baden-Württemberg      2009                           2013                            Erweiterte Kameralistik
              Brandenburg            Modellprojekte bis             2011                            Kameralistik
                                     30.09.2007
              Bremen                                                  Doppik; Vollendung 2008
              Hamburg                            Doppik seit 2006 eingeführt; Doppisches Haushaltswesen ab 2008
              Mecklenburg-           2008                           2012                            Kameralistik
  Doppik

              Vorpommern
              Nordrhein-Westfalen    2005                           2008                            Einführung der IVR14
              Niedersachsen          2006                           2011                            Kameralistik
              Rheinland-Pfalz        Mitte 2006                     2008                            Kameralistik
              Saarland               Mitte 2007                     2008                            Kameralistik
              Sachsen                2008                           2013                            Optimierte Kameralistik
              Sachsen-Anhalt         2006                           2010                            Kameralistik

              Bayern                 Kameralistik/Doppikoption 2007                                 Kameralistik
  Wahlrecht

              Hessen                 Erweiterte Kameralistik/Doppik bis 2011                        Ab 2008
                                                                                                    Doppisches Rechnungs-
                                                                                                    und Haushaltswesen
              Schleswig-Holstein     Erweiterte Kameralistik/Doppik ab 2009                         Optimierte Kameralistik
              Thüringen              Traditionelle Kameralistik/Doppik ab 2009                      Kameralistik

              Berlin                                                   Erweiterte Kameralistik

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Hilgers (2007), S. 191

Eine weitere Grundlage bildet die Stellungnah-                       gensgegenstände zu Zeitwerten anzusetzen.
me des IDW zur Rechnungslegung der öffent-                           Damit wird die Anschaffung bzw. Herstellung
lichen Verwaltung nach den Grundsätzen der                           des Vermögensgegenstandes zu dem Zeitpunkt
doppelten Buchführung. Darin ist Folgendes                           fingiert, zu dem erstmals die Grundsätze der
festgeschrieben (Tz 19):                                             doppelten Buchführung angewendet werden.
                                                                     Die häufig problematische Ermittlung der
„Für die Eröffnungsbilanz der öffentlichen Ver-                      (fortgeführten) Anschaffungs- bzw. Herstel-
waltung gelten die Grundsätze für die Gliede-                        lungskosten für weit vor dem Stichtag der
rung der Bilanz (Tz. 68 ff.) entsprechend. Bei                       Eröffnungsbilanz erworbene oder hergestellte
der erstmaligen Bewertung sind die Vermö-                            Vermögensgegenstände wird dadurch ver-                   14
                                                                                                                                   Integrierte Verbundrechnung
12 I Einführung

                                    mieden. Erhaltene Investitionszuschüsse u. Ä.    teils heterogene Vorgehen bei der Einführung
                                    sind nicht von dem geförderten Aktivposten       der Doppik in den Bundesländern. Anpas-
                                    abzusetzen (vgl. Tz. 39).“                       sungs- und Veränderungsnotwendigkeiten
                                                                                     werden sich im Praxiseinsatz herausstellen.
                                    Lediglich Nordrhein-Westfalen und Hamburg
                                    nutzen Zeitwerte für die Bestimmung der          1.5 Exkurs: Internationale Anwendung der
                                    Werte von Sachanlagevermögen. Die übrigen             IPSAS
                                    analysierten Bundesländer15 setzen die An-       Die Anwendung der IPSAS im internationalen
                                    schaffungs- bzw. Herstellungskosten abzüglich    Vergleich ist sehr unterschiedlich. OECD und
                                    der Abschreibungen als Werte an. Hilfswerte      NATO wenden bereits derartige Vorschriften
                                    stellen aktuelle Wiederbeschaffungszeitwerte,    an, die Europäische Kommission plant deren
                                    Ertrags- und Vergleichswerte sowie rückindi-     Einführung. Die Einführung der IPSAS-
                                    zierte Werte16 dar.                              Regelungen wurde 2006 vo­n den Vereinten
                                                                                     Nationen beschlossen und soll zum 1. Januar
                                    Ähnlich ist die Wertbestimmung des Beteili-      2010 angewandt werden.21
                                    gungsvermögens. Nordrhein-Westfalen und
                                    Hamburg benutzen die aktuellen Zeitwerte,        Neben diesen Institutionen wenden bereits
                                    wohingegen die o. g. Bundesländer das            zahlreiche Staaten die IPSAS an. In Europa
                                    anteilige Eigenkapital zur Wertbestimmung        waren es im März 2006 die Länder Albanien,
                                    heranziehen. Auch hier werden unter Um-          Frankreich, Ungarn, die Niederlande, Norwe-
                                    ständen Hilfswerte genutzt. Dies sind bspw.      gen, die Slowakei und die Schweiz. Dar­aus
                                    Anschaffungs- und Herstellungskosten oder        wird ersichtlich, dass ein Großteil Europas kei-
                                    Börsen- bzw. Marktpreise.                        ne oder nur geringe Erfahrungen mit diesem
                                                                                     Bereich des öffentlichen Rechnungswesens
                                    Der Ansatz der Pensionsrückstellungen ist        besitzt. Noch deutlicher wird der Anspruch
                                    ebenso unterschiedlich. Werden sie in einigen    an eine Einführung der IPSAS, wenn man die
                                    Bundesländern mit 5 %17 oder 6 %18 bewertet,     internationale Entwicklung betrachtet. Neben
   HE, NI, RP, ST, SL, BW, BB,
15 

   HB, MV und SN
                                    ist in anderen das EStG maßgebend19.             China, Südafrika, Indien oder Israel haben
16
   Kann der Anschaffungs- oder                                                      auch kleine Nationen wie beispielsweise Ost­
    Herstellungswert eines
    Vermögensgegenstandes bei
                                    Auf Bundesebene ist das kameralistische Sys­     timor, Laos oder die Malediven die Anwendung
    der Aufstellung der ersten      tem der Geldverbrauch-Erfassung weiter vor-      zumindest beschlossen oder gar umgesetzt.
    Eröffnungsbilanz nicht
    mit vertretbarem Aufwand
                                    herrschend. Der Bundesrechnungshof empfahl       Eigene, mit den IPSAS jedoch weitestgehend
    ermittelt werden, so gilt der   2006 dem Bund, an den positiven Erfahrungen      übereinstimmende Standards wenden Australi-
    auf den Anschaffungs- oder
    Herstellungszeitpunkt rückin-
                                    der Doppik auf Landesebene anzuknüpfen           en, Kanada, Neuseeland, Großbritannien sowie
   dizierte Zeitwert am Stichtag    bzw. die Reformen auf Bundes­ebene voran­        die Vereinigten Staaten an.
   der ersten Eröffnungsbilanz
   als Anschaffungs- oder
                                    zubringen. Wird dem nicht nachgegangen,
   Herstellungswert.                können sich unterschiedliche Systeme ent­        Es wird evident, dass der internationale Kon-
17
    NW und BB
18
    HE und HH
                                    wickeln, die die Vergleichbarkeit zwischen den   vergenzprozess der kommunalen Rechnungs-
19
    NI, RP, ST und BW               föderalen Ebenen erschweren.20                   legungsstandards bereits weit fortgeschritten
20
    Vgl. Hilgers (2007), S. 191.
21
    Bundesrechnungshof (2006),
                                                                                     und Europa diesbezüglich eher die Rolle eines
     S. 12                          Diese kurzen Erläuterungen verdeutlichen das     Nachzüglers beschieden ist.
Untersuchungsergebnisse I 13

2. Untersuchungsergebnisse
Das kommunale Finanzwesen vor dem Hintergrund
der Doppik-Einführung

2.1 Einführung                                     ante. Da die meisten deutschen Banken dem
Die divergierenden gesetzlichen Rahmenbe-          „interne Rating-Ansatz“ (IRB) des Basel-II-
dingungen in den einzelnen Bundesländern           Abkommens folgen, dürfte ein Vorliegen aus-
sowie deren unterschiedlich weit fortgeschrit-     reichend kalibrierter interner Ratingsysteme
tene Umsetzung führen in der Gesamtper-            lediglich eine Frage der Zeit sein. Hierauf wird
spektive zu einem äußerst heterogenen Bild,        vertiefend im Abschnitt 2.5 eingegangen.             22
                                                                                                           Vgl. Bräunig (2007), S. 83
in dem die verschiedenen Mischformen aus                                                                23
                                                                                                           Vgl. Bolsenkötter (2007),
                                                                                                        S. 23
Kameralistik und kaufmännischer Buchfüh-           Die Herstellung einer Kompatibilität mit dem         24
                                                                                                           Als sogenanntes „schwe-
rung nebeneinander stehen. Eine weitere            kaufmännischen Rechnungswesen eröffnet                   bendes Geschäft“ wird im
                                                                                                            deutschen Handelsrecht ein
Problematik zeigt sich in der Frage, ob sich       den Kommunen darüber hinaus transparentere               Schuldverhältnis (Vertrag)
die öffentlichen Haushalte an den teilweise        Beurteilungsmöglichkeiten hinsichtlich Public-           bezeichnet, dessen Erfolg
                                                                                                            noch nicht realisiert wurde.
als reformbedürftig geltenden Regelungen           Private-Partnership-Projekten25. Nach kamera-            Infolgedessen finden in der
des HGB orientieren oder eine Einführung          listischen Kriterien bildet der Liquiditätszufluss       dem Realisationsprinzip
                                                                                                            verpflichteten deutschen
der internationalen, auf den IFRS basierenden      das wesentliche Beurteilungselement derar-               Handelsbilanz mit Ausnahme
IPSAS erwägen sollten.22 Letztere sind deutlich    tiger Projekte. Eine Beurteilung desselben               etwaiger Drohverlustrückstel-
                                                                                                            lungen derartige Geschäfte
komplexer in der Handhabung, hätten jedoch         Projekts unter den Gesichtspunkten einer                 keinen Niederschlag. Die
gegenüber den HGB-Regelungen einige nicht          erweiterten, ressourcenverbrauchsorientierten            IFRS enthalten dagegen mit
                                                                                                            IAS 39 einen sehr umfang-
unbedeutende Vorteile 23, so etwa die realitäts-   Sichtweise muss dabei nicht zwangsläufig                 reichen Standard, welcher
nahe Bewertung von Gegenständen des Anla-          zum gleichen Ergebnis führen, da der reinen              sich ausschließlich mit der
                                                                                                            Bewertung, Erfolgswirksam-
gevermögens (keine stillen Reserven) und die       Liquiditätsbetrachtung noch weitere Kriterien,           keit und Bilanzierung deri-
in der HGB-Praxis als schwebende Geschäfte 24      wie Ertragsorientierung (Vermeidung von                  vativer Finanzinstrumente
                                                                                                            beschäftigt.
generell nicht enthaltene bilanzielle Abbildung    Verlusten), Kapitalbindung und Auswirkungen          25
                                                                                                            Public Private Partnership
von Derivaten, welche sich besonders im kom-       auf die Bilanzstruktur ( vgl. Abschnitt 2.6),             (PPP) stellt eine Kooperation
                                                                                                             bzw. einen Leistungsaus-
munalen Schuldenmanagement wachsender              hinzugestellt werden.                                     tausch zwischen der Öffent-
Beliebtheit erfreuen. Auch hier haben sich be-                                                               lichen Hand und privaten
                                                                                                             Unternehmen dar. An einer
reits Mischformen herausgebildet, die interna-     Eine in ihren künftigen Auswirkungen noch                 PPP sind mindestens ein
tionale Regelungen teilweise berücksichtigen       nicht hinreichend beurteilbare Funktion eines             öffentlicher und ein privater
                                                                                                             Partner beteiligt. Die Ziele
(z. B. Eröffnungsbilanz per 01.01.2006 der         Jahresabschlusses bzw. Geschäftsberichtes                 beider Partner müssen dabei
Stadt Hamburg).                                    besteht des Weiteren in der zu erwartenden                kompatibel sein, sie weisen
                                                                                                             häufig einen komplemen-
                                                   höheren Öffentlichkeitswirksamkeit aufgrund               tären Charakter auf (Budäus
Darüber hinaus dürfte sich, sobald die ersten      seiner im Vergleich zu kameralistischen                   2004, S. 12). Nicht selten
                                                                                                             stellt die private Seite im
Jahresabschlüsse einer größeren Anzahl von         Rechenwerken einfacheren Zugänglichkeit ge-               Zuge einer Teilprivatisie-
Kommunen vorliegen, zweifellos die Frage           genüber einem breiteren Publikum; ein Effekt,             rung auch den Betreiber
                                                                                                             oder ist an den Einnahmen
nach deren Vergleichbarkeit und ihrer Eignung      der insbesondere bei den vergleichsweise                  beteiligt. Als bedeutendes
zur Einschätzung der wirtschaftlichen Lage         bürgernahen kommunalen Haushalten, deren                  Beispiel ist das deutsche
                                                                                                             Lkw-Autobahnmautsystem
und der Bonität ergeben. Neben externen Ra-        „Shareholder“ ihre Einwohner darstellen, eine             aufzuführen, dessen Ent-
tings durch die bekannten Agenturen, welche        gewisse Sensibilität besitzen dürfte. Die durch           wicklung, Umsetzung und
                                                                                                             Betrieb im Wesentlichen von
aus Kostengründen für die meisten Kommunen         die Publikation von Jahresabschlussberichten              einem privaten Konsortium
nicht infrage kommen dürften, ist eine Boni-       steigende Transparenz und Verständlichkeit                getragen wurde, welches für
                                                                                                             den Bund die Autobahnmaut
tätseinschätzung durch Banken in deren Rolle       könnte in vielen Fällen einen nicht unerheb-              einzieht, an der es im Gegen-
als Kreditgeber die wahrscheinlichere Vari-        lichen Druck der Öffentlichkeit über Medien,              zug beteiligt ist.
14 I Untersuchungsergebnisse

                                   Verbände u. Ä. auf die Administration der           systemen innerhalb des Konzerns Kommune,
                                   Kommunen ausüben, deren Leistungen künftig          attestieren Banken ebenfalls eine bedeutende
                                   auch am Umgang mit dem kommunalen Ver-              Rolle als Abwickler des Zahlungsverkehrs der
                                   mögen gemessen werden. Es ist nicht                 Kommunen und ihrer Tochtergesellschaften.
                                   auszuschließen, dass insofern ein politisch         Die Interaktionen zwischen Kommunen und
                                   motivierter Gestaltungswille die Bilanzierungs-     Banken in diesen einzelnen Bereichen sollen
                                   praxis beeinflussen könnte. Bilanzpolitik26         im Folgenden näher betrachtet werden.
                                   ist auch in der Privatwirtschaft ein mitunter ge-
                                   nutztes Mittel zur Herstellung einer positiveren    2.2   Schuldenmanagement
                                   Außenwirkung.
                                                                                       2.2.1 Vorbemerkung
                                   Da die Bedeutung der Kreditwirtschaft als           Eine Bewertung der Vermögensseite findet
                                   Stakeholder der Kommunen in den letzten             im kommunalen Rechnungswesen im Rahmen
                                   Jahren angesichts der (bis einschließlich 2006)     kameralistischer Grundsätze nicht statt, der
                                   gewachsenen Verschuldung deutlich zuge-             Umgang mit der Verschuldung und deren
                                   nommen hat, dürften die Banken eine wichtige        Kosten wird bisher überwiegend passiv vollzo-
                                   Rolle im Prozess der Neuordnung und Struktu-        gen. Angesichts wachsender Verschuldung
                                   rierung der doppischen Haushalte einnehmen.         (bis 2006) und allmählich steigender Zins-
                                   Insofern könnte sich das in der Kreditwirt-         sätze für das steigende Kassenkreditvolumen
                                   schaft vorhandene umfangreiche Know-how             (Abbildung 4; 12,5 Mrd. davon allein in NRW)
                                   zu Fragen der Bilanzanalyse und des Bilanz-         wird der bestehende Handlungsbedarf jedoch
                                   struktur-, Anlage- und Risikomanagements als        von einer zunehmenden Zahl von Kommunen
                                   äußerst hilfreich erweisen.                         wahrgenommen. Dabei wird sich im Wesent-
                                                                                       lichen auf das Schuldenmanagement konzen-
   Hier insbesondere als soge-
26 
                                   Die Möglichkeiten der Bonitätsermittlung            triert.
   nannte progressive Bilanz-      durch externe und interne Ratings dürfte das
   politik zu verstehen, welche
   den Einsatz von Bewertungs-
                                   Kommunalkreditgeschäft beeinflussen, wobei          Eine Studie der Universität Potsdam auf der
   spielräumen, sachverhalts-      auch die Einführung neuer Kapitalmarktpro-          Basis des Jahres 2003 zeigte, dass Kommunen
   gestaltenden Maßnahmen
   und Ermessensspielräumen
                                   dukte neben dem klassischen Pfandbrief zu           mit höherer Verschuldung Vorreiter bei
   zugunsten einer positiveren     erwarten ist, etwa ein direkter Kapitalmarkt­       der Implementierung von Strukturen zum
   Darstellung der eigenen
   bilanziellen Verhältnisse
                                   zugang der Kommunen.                                aktiven Umgang mit Schulden und zu den
   beinhaltet. Einem „Schlech-                                                         daraus resultierenden Lasten sind. Das Hand-
   terrechnen“ durch den
   jeweiligen politischen Gegner
                                   Von der Modernisierung der Verwaltung               lungstempo in der Praxis ist insofern davon
   dürfte mangels erforderlicher   erwartete Effizienzsteigerungen, etwa durch         abhängig, wie prekär die Haushaltslage bereits
   Zusatzinformationen aus der
   Verwaltung ggf. Grenzen
                                   die Etablierung von Cash Management- oder           ausfällt.
   gesetzt sein.                   Ressourcen- und Beschaffungsmanagement-
Untersuchungsergebnisse I 15

4. Verschuldung der Gemeinden
Lang- und kurzfristige Verschuldung der Gemeinden

in Mrd. Euro
                                                                             89,3      88,75          88,13
   90
           88,3          87,5                               88,9
                                   87,1          87,1
   88
   86

                                                                                                       27,6
   28

                                                                                      23,95
   25
                                                                           20,2
   20

                                                           16,3
   15

                                                10,7
                                   9,0
   10
                      6,9
           6,0

    5
        1999        2000          2001          2002      2003          2004          2005         2006*

        langfristige Schulden                            * Stand: 3. Quartal 2006 (ohne Stadtstaaten);
                                                         langfristige Schulden: Kreditmarktschulden
        kurzfristige Schulden „Kassenkredite“
                                                         i. w. S. sowie Schulden der öffentlichen Haushalte

Grafik: Deutscher Städte- und Gemeindebund, www.dstgb.de
Quelle: Darstellung des DStGB nach Angaben des Statistischen Bundesamtes

2.2.2 Kreditmanagement                                               wesentlich günstigeren Angebote erwarten las-
Eine aktive Marktbearbeitung sowie ein Ver-                          sen dürfte. Die isolierte Betrachtung einzelner
gleich von Finanzierungsalternativen finden                          Investitionsprojekte und deren Finanzierung
in vielen Kommunen noch nicht in ausrei-                             wird erst allmählich durch eine Sichtweise der
chendem Maße statt. So stellt z.B. Birkholz                          Gesamtverschuldung als Portfolio abgelöst.
(2006) fest, dass knapp die Hälfte (46,2%) der                       Dadurch werden hohe Zinsbindungsquoten
befragten Kommunen nicht mehr als sieben                             und inflexible Verschuldungsstrukturen in
Darlehensangebote am Markt einholt.27 In der                         den Darlehensportfolios der Kernhaushalte
Regel wird dazu ein standardisiertes Verfahren                       sichtbar. In den (meist privatwirtschaftlich
(auf Basis eines Vordrucks) genutzt. Ausschrei-                      organisierten) Eigengesellschaften ist der
bungen auf der Grundlage der europäischen                            Anteil kurz- und mittelfristiger Verschuldung
Dienstleistungsrichtlinie werden nur in Aus-                         dagegen höher.28 Angesichts der Anstrengung
nahmefällen vorgenommen – was jedoch ange-                           zur Reduzierung der Zinsbelastung rückt die
sichts des im europäischen Vergleich zuneh-                          Problematik des steigenden Kassenkreditvo-        27
                                                                                                                            Vgl. Birkholz (2006), S. 15
mend konvergierenden Zinsniveaus auch keine                          lumens (vgl. Abbildung 4) zunehmend in den        28
                                                                                                                            Vgl. Birkholz (2006), S. 17
16 I Untersuchungsergebnisse

                                   Fokus. Ein nicht geringer Teil dieser inzwi-       deutlich positiv bemerkbar machte, dass das
                                   schen dauerhaft beanspruchten Kredite wird         Niveau des Bundeslandes erreicht wurde.31
                                   als Überziehungskredit geführt und variabel
                                   verzinst. Dies wirkt sich gerade auf die kurz­     2.2.3 Risikomanagement und
                                   fristige Zinslast negativ aus,29 insbesondere             ­Derivateeinsatz
                                   seit der durch die EZB eingeleiteten Zinswen-      Neben den aufgeführten Maßnahmen zur
                                   de. Die entstandenen quasi-permanenten,            Verminderung von Lasten aus der hohen Ver-
                                   variablen verzinsten Sockelbestände an Kas-        schuldung besteht die Möglichkeit der Iden-
                                   senkrediten sind insofern aus einem langfristig    tifikation von Zins- und Prolongationsrisiken
                                   orientierten Blickwinkel zu betrachten, der        in den Schuldenportfolios der Gemeinden. Im
                                   auch das resultierende Zinsänderungsrisiko in      Vordergrund steht dabei das die Kommunen
                                   Betracht zieht.                                    betreffende Zinsänderungsrisiko bei den oft
                                                                                      abgeschlossenen langfristigen Festzinsverein-
                                   Die Möglichkeiten des direkten Kapitalmarkt-       barungen. Die daraus resultierende hohe Zins-
                                   zugangs oder günstigerer Kreditkonditionen,        bindungsquote birgt das Risiko, bei fallendem
                                   die sich aus kommunalen Kooperationen zur          Marktzins zu hohe Zinsen zu zahlen. Das
                                   Bündelung des gemeinsamen Kreditbedarfs            Prolongationsrisiko besteht in zeitlich nicht
                                   ergeben, werden trotz einiger erfolgreicher        hinreichend diversifizierten Festzinsvereinba-
                                   Beispiele von den weitaus meisten Kommunen         rungen. Laufen zahlreiche Vereinbarungen an
                                   als nicht praktikabel abgelehnt.30                 eng beieinander liegenden Terminen ab, so
                                                                                      besteht im Falle zwischenzeitlich gestiegener
                                   Als Hauptgrund wird ein hoher Koordinations-       Zinsen das Risiko einer sprunghaften Verteu-
                                   aufwand genannt; die zu erwartenden                erung des Schuldenportfolios. Während sich
                                   Vorteile werden als gering eingeschätzt. Auch      dem Prolongationsrisiko recht einfach durch
                                   hier dürfte den Kommunen ein zu stark ein-         eine stärkere Streuung der Auslauftermine für
                                   zelprojektorientiertes Planungswesen im Weg        Festzinsvereinbarungen oder mit sogenannten
                                   stehen. Als sinnvoll könnte sich hier die Schaf-   „forward rate agreements“ (FRA), bei denen
                                   fung einer Plattform erweisen, auf welcher         bereits zu einem gegenwärtigen Zeitpunkt ein
                                   Kommunen ohne größeren Aufwand andere              Festzins für ein zukünftiges Darlehen verein-
                                   Gebietskörperschaften finden können, welche        bart wird, begegnen lässt, erfreut sich im Um-
                                   ähnliche Finanzierungsbedarfe aufweisen.           gang mit dem Zinsänderungsrisiko der Einsatz
                                   Dieser Weg interkommunaler Kooperation wird        von Swaps und Zinsderivaten zunehmender
                                   in der Schweiz bereits beschritten; es existiert   Beliebtheit. „Forward rate agreements“ wer-
                                   mit der Emissionszentrale der Schweizer Ge-        den bislang (noch) eher selten genutzt, da sie
                                   meinden (ESG) eine zentrale Institution.           in vielen Fällen gegen die Gemeindehaushalts-
                                                                                      ordnungen verstoßen, welche den Kauf eines
29
   Vgl. Lenk (2007)                In Deutschland nutzen bisher nur einige Land-      derivativen Instruments ohne zugehöriges
30
   Vgl. Birkholz (2006), S. 19
31
   Vgl. Landkreistag Rheinland-
                                   kreise in Rheinland-Pfalz seit 2005 die Mög-       Grundgeschäft untersagen (sog. Konnexitäts-
    Pfalz (2006)                   lichkeit einer Darlehensgemeinschaft, wobei        prinzip)32. Das zugehörige Grundgeschäft
32
    Vgl. Birkholz (2006), S. 23
33
    Zu Swapgeschäften vgl. u.a.
                                   sich die durch die Bündelung erzielte Verhand-     liegt beim FRA in der Zukunft. Bei einem Zins-
     Hull (2006), S. 194f.         lungsmacht in den Kreditkonditionen insofern       swapgeschäft33 handelt es sich im Allgemei-
Untersuchungsergebnisse I 17

nen um einen Austausch der Fälligkeiten von
Zinssatzvereinbarungen. So kann die Kommu-         5. Swapgeschäft
ne beispielsweise das Zinsänderungsrisiko für
eine variable Zinsposition begrenzen, indem                              Variabler Zins (z. B.
                                                      Kommune                                    Swappartner
sie selbige mithilfe eines Swaps für einen                               3-Monats-Euribor)
gewissen Zeitraum in eine Quasi-Festzinsposi-                                  Festzins
tion umwandelt. Denkbar ist jedoch auch der                   Variabler Zins,
umgekehrte Fall, in dem – in Erwartung eines                  zzgl. Kreditmarge

fallenden Zins­niveaus – eine eher hochverzins-
liche Festzinsvereinbarung gegen eine variable      Kreditpartner
Position getauscht wird.

Die Gestaltungsfreiheit der Finanzmarkt­           Quelle: Schwarting (2007), S. 108

akteure hinsichtlich der Ausgestaltung
derivativer Finanzinstrumente lässt jedoch
zahlreiche weitere Konstruktionen zu, von
denen die Sicherung einer Zinsober- oder           in der Regel so konstruiert sind, dass sie auf
-untergrenze (cap/floor/collar) nur beispielhaft   gegensätzlichen Zukunftserwartungen der
genannt seien. Insbesondere für den Umgang         Geschäftspartner beruhen, könnte angenom-
mit Derivaten ist es unerlässlich, für den         men werden, dass die Beziehung der Kommu-
Ausbau hinreichender eigener Kompetenzen           ne zum Anbieter des Derivats im Prinzip dem
zu sorgen. Während ein reines Sicherungsge-        partnerschaftlichen Status widerspricht. Dies
schäft zur Absicherung eines variablen Zinses      ist jedoch nicht der Fall, da weder der Finanz-
unproblematisch ist, öffnen eher spekulative       dienstleister noch der Zinsmarkt sich gegen
Kontrakte,34 die zur Senkung der Zinslast          die Kommune stellt. Vielmehr wird das Interes-
abgeschlossen werden, oft erhebliche Risiko-       se von Marktteilnehmern nach der Umsetzung
positionen.35 Die Versuchung, zugunsten der        der eigenen Portfoliostrategie zusammenge-
Reduzierung laufender Zinsausgaben erheb-          führt. Der Finanzdienstleister übernimmt hier-
liche Risiken in der Zukunft aufzubauen, mag       bei die Funktion eines Vermittlers und sichert
dabei unter anderem auch der aus kameralis­        seinerseits Überhänge der nicht vermittelbaren
tischer Erfahrung entstammenden mangel­n­­-        Transaktion am Zinsmarkt ab.
                                                                                                                34
                                                                                                                    er spekulative Aspekt
                                                                                                                   D
den Zukunftsbetrachtung und Unterschei-            Die bisherige Vorgehensweise der Gebiets­                       besteht hierbei in der
dungsfähigkeit zwischen Ausgaben und               körperschaften orientiert sich offenbar im                      Zinserwartung zum Zeitpunkt
                                                                                                                   des Abschlusses. Die Auf-
Aufwendungen zuzuschreiben sein. Als ex-           Wesentlichen am Ziel einer kurz- bis mittel-                    gabe einer Festzinsposition
emplarisch gelten mögen die bekannt gewor-         fristigen Ausgabenvermeidung; ein Ansatz,                       zugunsten einer variablen
                                                                                                                   Konstruktion impliziert aus
denen Fälle der Städte Hagen, Neuss, Solin-        der bereits in einigen Fällen zu erheblichen                    Schuldnersicht eine „Wette“
gen, Würzburg oder Pforzheim, die offenbar         Problemen geführt hat. Für ein erfolgreiches                    auf einen fallenden bzw.
                                                                                                                   zumindest gleichbleibend
beim Kauf von hochkomplexen Derivaten (sog.        Schulden- und Risikomanagement ist zunächst                     niedrigen Marktzins während
CMS-Spread-Ladder-Swaps) ohne hinrei-              der Aufbau geeigneter Strukturen, Prozesse                      der Laufzeit des Kontraktes.
                                                                                                                35
                                                                                                                   Vgl. Lenk (2007)
chende eigene Chance/Risiko-Abwägungen             und Kompetenzen nötig.36 Ohne eine                           36
                                                                                                                   Vgl. Lenk (2007)
oder Zinsmeinungen agierten. Da Derivate           vorherige Identifikation von Risiken und
18 I Untersuchungsergebnisse

                                  Chancen und der fundierten Bildung einer            wird nahezu allen betrachteten Kommunen
                                  Marktmeinung bleibt der Einsatz von Instru-         diesbezüglich erheblicher Nachholbedarf
                                  menten zur Portfoliosteuerung nur Stückwerk.        attestiert. Vor allem die notwendigen per-
                                  Als Orientierung für den Aufbau adäquater           sonellen Kapazitäten werden offenbar nicht
                                  Strukturen in den Kommunen könnten hierbei          oder unzureichend bereitgestellt.38 Es wird
                                  die 2005 in Kraft getretenen Mindestanforde-        ersichtlich, dass insbesondere eine intendierte
                                  rungen an das Risikomanagement (MaRisk)             Orientierung des kommunalen Schulden- und
                                  der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-        Risikomanagements an den MaRisk für den
                                  aufsicht (BaFin) dienen, deren Regelungen           Finanzsektor eine Zusammenarbeit zwischen
                                  auch vom Deutschen Städtetag in einer               Banken und Kommunen nahe legt, welche
                                  Musterdienstanweisung für die Aufnahme von          über die reine Geschäftsbeziehung (Kreditver-
                                  Krediten37 aufgegriffen werden. Als wesent-         hältnis, Derivategeschäft) hinausgeht.
                                  liche Bestandteile einer adäquaten Organisa-
                                  tionsstruktur nach den MaRisk sind folgende         2.3   Bilanzstrukturmanagement
                                  Punkte aufzuführen:
                                  •  aufbauorganisatorische Strukturen (funk-        2.3.1 Vorbemerkung
                                      tionale und organisatorische Trennung,          Die tief greifendste Umstellung innerhalb
                                      „4-Augen-Prinzip“),                             der Neuordnung der kommunalen Finanzpla-
                                  •   ablauforganisatorische Maßnahmen (Richt-       nung und -berichterstattung dürfte in der
                                       linien zum Derivateeinsatz, Modellierung       Identifikation und Bewertung kommunalen
                                       von Prozessen),                                Vermögens liegen. Die Schaffung einer bilan-
                                  •    Sicherstellung einer hinreichenden Qualifi-   ziellen Aktivseite stellt einen Prozess dar,
                                        kation der Mitarbeiter sowie                  der den weitaus größten Teil der bundesdeut-
                                  •     Schaffung einer geeigneten IT-Umgebung      schen Gebietskörperschaften noch beschäftigt.
                                        (Darlehensbuchhaltungssoftware, Risiko­       Bis zum jetzigen Zeitpunkt (August 2007)
                                        managementtools).                             haben fast alle Gebietskörperschaften in den
                                                                                      umgestellten Bundesländern, darunter die
                                  Es ist darüber hinaus festzuhalten, dass eine       Stadt Salzgitter und der Stadtstaat Hamburg,
                                  vollständige Geschäftsbesorgung des Risi-           eine Eröffnungsbilanz vorgelegt; der erste voll-
                                  komanagements durch externe Dritte nicht            ständige Jahresabschluss für Hamburg wurde
                                  zielführend ist, da zu einer konsequenten           am 14.08.2007 der Öffentlichkeit im Rahmen
                                  Risikostrategie ebenfalls die Identifikation        einer Bilanzpressekonferenz vorgelegt. Es
                                  und das Handling einer daraus resultierenden        ist insofern noch verfrüht, die Auswirkungen
                                  Prinzipal-Agent-Konstellation mit entspre-          dieser Vervollständigung der kommunalen
                                  chend vorhandenen Informationsasymmetrien           Vermögensrechnung konkret antizipieren
                                  gehören, sodass der o. g. Aufbau eigener            zu können, nichtsdestotrotz lassen sich einige
37
    gl. Frischmuth (2006), ­
   V
   S. 122ff.
                                  Kompetenzen unerlässlich ist. In der oben           Grundtendenzen darlegen. Die Aktivierung und
38
   Vgl. Birkholz (2006), S. 25f   angeführten Studie der Universität Potsdam          Bewertung öffentlichen Vermögens ist mit den
Untersuchungsergebnisse I 19

Instrumenten der kaufmännischen Rechnungs-
legung nicht vollständig darstellbar. Selbst die   6. Regelungsbereiche der IFRS und der IPSAS
über die Richtlinien des HGB weit hinausge-
henden und zum Teil sehr detaillierten Rege-                                          Δ3    Δ1                  Δ2
lungen der IFRS sind beispielsweise für die
                                                                 Gegenstandsbereich

Bewertung von Infrastruktureinheiten wie Stra-
                                                                 der Empfehlungen

                                                                                                                      IAS/IFRS
ßen oder Abwasserleitungen sowie öffentlicher
Güter wie Denkmäler, Wasser- oder Grünflä-
chen ungeeignet. Adäquate Konzepte (auf
HGB-Basis) werden zurzeit z. B. an den
Landesrechnungshöfen erarbeitet. Auch die

                                                                                                                      Δ4
internationalen, für die öffentliche Verwaltung
entwickelten, auf den IFRS basierenden IPSAS
enthalten bereits entsprechende Regelungen                                                 IPSAS

(IPSAS 17 Property, Plant and Equipment,
                                                   Δ1 = IAS/IFRS-Vorgaben, die inhaltlich in die IPSAS zu übernehmen sind
IPSAS 21 Impairment of Noncash-generating          Δ2 = Sachverhalte, die im Grunde in den IAS/IFRS geregelt sind, aber für den öffentlichen
                                                         Bereich einer abweichenden Regelung bedürfen
Assets). Die bereits angedeutete heterogene        Δ3 = Für den öffentlichen Sektor irrelevante Sachverhalte
Gesetzgebung in den Bundesländern lässt hier       Δ4 = Sachverhalte, die nicht in den IAS/IFRS geregelt sind, aber für den öffentlichen
                                                         Bereich einer Regelung bedürfen
zunächst wenig Hoffnung auf eine einheitliche
Handhabung in den Kommunen. Abbildung 6            Quelle: Bolsenkötter (2007), S. 16
veranschaulicht den überschneidenden bzw.
offenen Regelungsbedarf der verschiedenen
Bilanzierungsstandards. Es ist allerdings
davon auszugehen, dass sich die kommunalen
Bilanzstrukturen in absehbarer Zeit von ihrer      der Bilanzaktiva und -passiva an Bedeutung.
„Urform“, der Eröffnungsbilanz, entfernen          Künftig wird sich folglich den Städten und
werden. Die Gründe dafür liegen zum einen in       Gemeinden die Frage nach der Privatisierung,
dem Anpassungsdruck, der von dem Bemühen           der Veräußerung von Randaktivitäten, aber
um ein gutes Rating erzeugt wird. Zum ande-        auch der Investition in zukunftsträchtige kom-
ren legt das Ziel von Effizienzsteigerungen        munale Handlungsfelder weitaus stärker                            39
                                                                                                                         runwald spricht hier vom
                                                                                                                        G
                                                                                                                        Übergang von der Dienst-
oder Kosten-Nutzen-Erwägungen die Verände-         als bisher stellen, wobei anhand der Informati-                      leistungs- zur Gewährleis­
rung von Vermögens- und Beteiligungsverhält-       onen der neuen doppischen Rechnungslegung                            tungsverwaltung: „Hierzu
                                                                                                                        gehört auch die Abkehr vom
nissen nahe.39 Ebenso sind hier ordnungspoli-      eine objektivere Entscheidungsfindung mög-                           Prinzip ‚Wenn es gut sein
tische Richtungserwägungen (Effizienzpostulat      lich sein wird. Neben den klassischen Finan-                         soll, muss es die Stadt in
                                                                                                                        städtischem Eigentum bzw.
versus Daseinsvorsorge)40 von Relevanz.            zierungs- und Beratungsaktivitäten dürften                           mit eigener Infrastruktur
Darüber hinaus gewinnt im Bemühen um die           Makler- und Vermittlergeschäfte bei der                              selber machen’!“, Grunwald
                                                                                                                        u. a. (2006), S. 6
Erreichung einer höheren Generationenge-           Optimierung kommunaler Immobilienportfolios                       40
                                                                                                                        Vgl. hierzu u. a. Lenk/Rott-
rechtigkeit auch das Ziel der Fristenkongruenz     den Finanzsektor ebenfalls beschäftigen.                              mann (2007), S. 2
20 I Untersuchungsergebnisse

                                     2.3.2 Leasing                                                          der Privatwirtschaft seit langem angewendete,
                                     Es ist zu erwarten, dass die Kommunen                                  IFRS-sichere Leasingmodelle bedürfen keiner
                                     unter dem Eindruck der aktuellen Schuldenlast                          großen Anpassungen, um den Bedürfnissen
                                     und im Interesse einer hohen Bonitätseinstu-                           kommunaler Nachfrager gerecht zu werden.
                                     fung eine möglichst hohe Eigenkapitalquote                             Grundsätzlich existieren zwei Ausprägungen
                                     und eine weitgehend fristenkongruente                                  des Leasing, welche über die Art der Bilan-
                                     Bilanzstruktur anstreben. Die Stellschrau-                             zierung des Leasinggegenstands entscheiden
                                     ben hierzu finden sich im Wesentlichen im                              können. So weist das Operate-Leasing eher
                                     kommunalen Anlagevermögen. Abgesehen von                               den Charakter eines Mietverhältnisses auf, in
41
      ls „off-balance“ werden
     A                               Bewertungsspielräumen, deren Ausnutzung                                dem z. B. das Investitionsrisiko beim Leasing­
     Investitionsprojekte (z.B.
     Immobilien) bezeichnet, die
                                     vom jeweils gegebenen Regelwerk abhängt,                               geber liegt, sodass eine Bilanzierung des
     aufgrund ihrer rechtlichen      sind es klassische Off-Balance-Instrumente41                           Investitionsgegenstands beim Leasinggeber
     Konstruktion nicht in der
     Bilanz auftauchen. Sie
                                     der Investitionsfinanzierung, die die Bilanzen                         vorzunehmen ist und die Leasingrate in voller
     werden zur Optimierung der      der Kommunen in den nächsten Jahren struk-                             Höhe als Miet- bzw. Leasingaufwand erfolgs-
     Bilanzstruktur angewandt
     und stellen insofern auch ein
                                     turell stark verändern dürften und die Entwick-                        wirksam wird.
     Mittel der Bilanzpolitik dar.   lung aus Bankensicht interessant gestalten. In

                                     7. Leasing inkl. PPP-Model

                                                                                                       ggf. Bürgschaft
                                                                 Kommune

                                                                                         nutzt
                                                                        Leistungen

                                                                                            Leasingobjekt
                                                                                                                 plant u.
                                                                                                                 erstellt

                                                                                                                    Hersteller            Kreditinstitut
                                                                                         gibt
                                                                                                     Kaufpreis
                                                              Leasinggeber                                                 Kredit/Forderungskauf
                                                                                                                 ggf. Abtretung der Leasingraten

                                                             z      z                z
                                                                                                      Fondzeichner = Antragseigener

                                     Quelle: Schwarting (2007), S. 172
Untersuchungsergebnisse I 21

8. Finance-Leasing

                         Kommune

                                            nutzt
                               Leistungen

                                               Leasingobjekt

                                                                       Verkäufer             Kreditinstitut
                                            gibt
                                                        Kaufpreis
                       Leasinggeber                                           Kredit/Forderungskauf
                                                                    ggf. Abtretung der Leasingraten

Quelle: Schwarting (2007), S. 173

Demgegenüber steht das Finance-Leasing,                        Während sich das deutsche Recht stärker an
welches sich insbesondere auf Spezialinvestiti-                formalen Kriterien ausrichtet, an denen sich
onen bezieht, dessen wirtschaftliche Nutzung                   spezielle, auf außerbilanzielle Behandlung
durch Dritte nicht ohne Weiteres möglich                       ausgerichtete Konstruktionen orientieren
ist. Das Investitionsrisiko und das wirtschaft-                können, richten sich die IFRS am „Substance-
liche Eigentum liegen in der Regel beim                        over-form“-Prinzip aus, was besagt, dass
Leasingnehmer, das Leasingverhältnis trägt                     die praktische Handhabung des Leasingver-
insofern weit stärker den Charakter einer Kre-                 hältnisses über die bilanzielle Zurechnung
ditfinanzierung.                                               entscheidet. Handelt es sich beispielsweise um
                                                               eine Investition, die nicht durch Dritte nutzbar
Die Bilanzierung von Leasingverhältnissen ist                  ist, so kann von einer Bilanzierung beim Leas­
stark abhängig von der jeweiligen Vertrags-                    ingnehmer ausgegangen werden. Im Rahmen
gestaltung, die sich sehr flexibel auf jedem                   von Konzernabschlüssen werden auch eigens
Punkt zwischen reinem Operate- oder reinem                     gegründete Zweckgesellschaften in diese
Finance-Leasing befinden kann. Sowohl das                      Betrachtungen einbezogen. Zur Beschleuni-
HGB (insbesondere ergänzt durch steuerrecht-                   gung der Optimierung von Bilanzstrukturen
liche Vorgaben) als auch die internationalen                   und zur Verringerung der Kapitalbindung ist
Rechnungslegungsvorschriften definieren ge-                    Leasing auch für Bestandsobjekte ein adä-
wisse Kriterien, nach denen eine Entscheidung                  quater Weg im Rahmen von sogenannten
über die Bilanzierung des Leasinggegenstands                   „Sale-and-Lease-Back“-Modellen. Dabei wird
zu fällen ist.                                                 ein Bestandsobjekt an eine Zweckgesellschaft
22 I Untersuchungsergebnisse

                               verkauft und von dieser zurückgemietet. Der dabei entstehende Liqui-
                               ditätsgewinn kann ggf. zur Schuldentilgung eingesetzt werden, wobei
                               zu beachten ist, dass die meist benötigte Finanzierung der Zweckgesell-
                               schaft aus Konzernsicht zu einer Schuldenneutralität führt.

                                9. Sale-and-Lease-Back
                                                                                               verkauft Objekt

                                                           Kommune

                                                                                   nutzt
                                                                  Leistungen

                                                                                      Leasingobjekt

                                                                                   gibt
                                                                                               erhält Kaufpreis
                                                         Leasinggeber

                                                       z      z                z           soweit ein Fonds eingeschaltet wird:
                                                                                           Fondszeichner = Antragseigener

                               Quelle: Schwarting (2007), S. 174

                               2.3.3 Factoring
                               Beim Factoring handelt es sich um den Verkauf von Forderungen,
                               beispielsweise aus Lieferungen und Leistungen an einen sogenannten
                               Factor (Spezialbank). Der Kaufpreis errechnet sich aus dem Nennwert
                               der Forderungen, abzüglich eines Diskonts für die Vorfinanzierung der
                               Forderung, einer Gebühr für den Verwaltungsaufwand und, im Falle
                               des echten Factoring, um einen Risikobeitrag. Bei letzterem geht mit
                               der Übertragung der Forderung auch das Delkredere-Risiko, folglich
                               das eines Ausfalls der Forderung, auf den Factor über. Die Gebühr des
                               Factors ist dabei in der Regel niedriger als ein Kontokorrentzinssatz.
                               Dabei entsteht ein Liquiditätsgewinn vom Zeitpunkt des Verkaufs bis zur
                               Fälligkeit der Forderung. Insbesondere die im Kapitel 2.2.1 erwähnte an-
                               gespannte Kassenkreditlage macht diese Finanzierungsform tenden­ziell
Untersuchungsergebnisse I 23

interessant. Allerdings ist ein Einsatz dieses    Tritt ein Unternehmen Forderungen, die
Instruments im kommunalen Bereich stark           an die Kommune (aus abgeschlossenen
von gesetzlichen Restriktionen abhängig. So       Leistungs­verträgen) bestehen, an ein Kredit­
ist beispielsweise der Verkauf von Steuerfor-     institut ab, so dürfte das Factoringentgelt
derungen per Factoring unmöglich; bezüglich       aufgrund der hohen Bonität der Forderungen
gewisser Gebühren und Entgelte und zahl-          unterhalb der Finanzierungskosten für ge-
reicher Forderungspositionen kommunaler           wöhnliche Kontokorrentkredite liegen, woran
Eigenbetriebe und Gesellschaften ist er jedoch    dann durch verbesserte Konditionen des
zumindest denkbar. Darüber hinaus ergibt sich     Unternehmens auch die Kommune teilhaben
eine Problematik aufgrund der Rechtsnatur         kann. Für hinreichend große Forderungsport-
des Forderungsschuldners. Nur Forderungen         folios kommunaler Tochtergesellschaften (oder
der Kommune an Unternehmen eignen sich für        bei Kooperationen) ist gegebenenfalls perspek-
Factoring. Bei Forderungen an Privatpersonen      tivisch die Ausgabe von Asset-Backed Securi-
müssten diese schriftlich zustimmen, sodass       ties (ABS) möglich. Dabei wird ein Bündel von
dies nur bei Verrechnungsstellen für Ärzte        länger laufenden Forderungen, welche einen
vorkommt. Für die Dienstleistung der Forde-       stetigen Mittelzufluss (Cashflow) erzeugen, an
rungsverwaltung (Debitorenmanagement) der         eine Zweckgesellschaft verkauft, die den Kauf
Factoringgesellschaft ist die Rechtsform jedoch   mit der Ausgabe von Wertpapieren refinan-
unerheblich, was eine Lösung für die Kom-         ziert, welche wiederum durch die originären                   42
                                                                                                                      gl. Schwarting (2007),
                                                                                                                     V
mune darstellt. Hier besteht unter Umständen      Forderungen besichert sind.                                        S. 122.

für Kommunen die Möglichkeit, die Debito-
renbuchhaltung, das Mahnwesen und Inkasso
abzugeben. Eine Anwendung des (weniger
gebräuchlichen) unechten Factorings, bei
dem die Forderungsbestände nicht verkauft,
sondern nur gegen deren Vorfinanzierung           10. Factoring inkl. PPP
sicherungshalber abgetreten werden, könnte
zudem mit haushaltsrechtlichen Vorschriften                                     Einredefreiheit
                                                                                Abtretungsgenehmigung
wie Kreditsicherungsverboten in Konflikt                                        der Kommune
geraten. Entscheidungen darüber liegen im            Kommune
Ermessensspielraum der Kommunalaufsichts-
behörden.42 Im Falle der Erfüllung öffentlicher
                                                    Leistungs-

                                                                                Forderungs-
Aufgaben durch private Unternehmen oder
                                                    vertrag

                                                                 Leistungs-     abtretung     Kreditinsitut
privatrechtlich organisierte Eigengesell-                        entgelt

schaften (Tochter­unternehmen des Konzerns
Kommune) kann der Verkauf von Forderungen           Priv.
(auch als kom­munale Forfaitierung bezeichnet)      Unternehmer                 Verkaufspreis =
                                                                                Barwert der Forderungen
im Rahmen von PPP-Projekten als sinnvolle
Finanzierungsalternative genutzt werden.          Quelle: Schwarting (2007), S. 166
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