DIE PERIODISCHE ÜBERPRÜFUNG DER MENSCHENRECHTSLAGE DER SCHWEIZ (UPR) - EINE ZWISCHENBILANZ NACH DREI ZYKLEN - UPR Info
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DIE PERIODISCHE ÜBERPRÜFUNG DER MENSCHENRECHTSLAGE DER SCHWEIZ (UPR) EINE ZWISCHENBILANZ NACH DREI ZYKLEN
INHALT 4 Die UPR in Kürze 8 Interview mit Manon Schick, Amnesty International Schweiz 9 Das UPR-Verfahren der Schweiz – Ein Zusammenspiel von Bund, Kantonen und Zivilgesellschaft 13 Interview mit Roland Mayer, Konferenz der Kantonsregierungen 14 Zahlen und Fakten zur UPR der Schweiz 16 Interview mit Lukas Heinzer, Mission Genf 17 Interview mit Mona M'Bikay, UPR Info 18 Die Gleichstellung von Frau und Mann in der Arbeitswelt 21 Die Schweiz zögert mit dem Verbot von Gewaltanwendung in der Erziehung 24 Rassistisch motivierte Gewalt durch die Polizei 27 Was ist der Mehrwert der UPR? Impressum Herausgeberin: Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) Redaktion: Livia Willi (SKMR) Autorinnen und Autor: Andrea Egbuna-Joss, Christina Hausammann, Nicole Hitz Quenon, Reto Locher, Evelyne Sturm (alle SKMR) Gestaltung: Magma Branding, Bern (mit freundlicher Unterstützung) Bildquellen: iStock, SKMR (Interviews). Bildnachweis Front: Plenarsaal des UNO-Menschenrechtsrats in Genf. Die digitale Version der Broschüre sowie weitere Informationen finden Sie auf www.skmr.ch. Print-Ausgabe (solange Vorrat) erhältlich bei: Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) Schanzeneckstrasse 1, Postfach, 3001 Bern, Tel. +41 (0)31 631 86 51 skmr@skmr.unibe.ch Mai 2018.
Editorial Die Schweiz hat vom 9. November 2017 bis am 21. Februar 2018 bereits zum dritten Mal an der periodischen Überprüfung der Menschenrechtslage durch den UNO- Menschenrechtsrat (Universal Periodic Review, UPR) teilgenommen. Die UPR zielt darauf ab, die Menschenrechtssituation in den UNO-Mitgliedstaaten zu verbessern. Die Schweiz wird – gleich wie alle anderen Staaten – alle viereinhalb Jahre überprüft. Dabei geben die übrigen Staaten Empfehlungen ab, mit welchen sie auf Verbesserungs- potential bei der Umsetzung der menschenrechtlichen Verpflichtungen hinweisen. Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) möchte mit der vorliegenden Broschüre eine Zwischenbilanz zum UPR-Verfahren aus Sicht der Schweiz ziehen. Welchen Nutzen zieht unser Land aus der UPR und was bewirkt sie? Funktionieren die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen dem Bund, den Kantonen und den weiteren Akteurinnen und Akteuren des Verfahrens? Einführende Beiträge erklären kurz und bündig Ziele und Funktionsweise der UPR sowie das Verfahren und die Zuständigkeiten in der Schweiz. Die Broschüre erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern möchte in ihrem Hauptteil anhand von drei Beispielen auf die bisherigen UPR-Zyklen zurückblicken und Entwicklungen aufzeigen, sofern es solche gibt. In den Bereichen Gleichstellung der Geschlechter (vgl. S. 18), Verbot von Körperstrafen gegen Kinder (vgl. S. 21) und rassistisch motivierte Polizeigewalt (vgl. S. 24) erhielt die Schweiz in allen drei Zyklen Empfeh lungen, was eine nähere Betrachtung dieser Themen aufdrängt. Es handelt sich dabei aber keineswegs um die einzigen Dauerthemen, wie die Tabelle auf S. 15 aufzeigt. Die anschauliche Darstellung der Zahlen und Fakten zur UPR (vgl. S. 14/15) ist das Resultat einer statistischen Analyse der Empfehlungen. Und nicht zuletzt kommen in der Broschüre vier Menschen zu Wort, die sich in ihrem beruflichen Alltag mit dem Verfahren beschäftigen. Die Interviews gewähren persönliche Einblicke in das weite Feld der UPR. 3
DIE UPR IN KÜRZE Die UPR (Universal Periodic Review) ist tigsten Erkenntnissen verschiedener UNO-Organe ein wichtiger Mechanismus des UNO-Men- zum überprüften Staat. Und drittens eine ebenfalls schenrechtsrats. Sie zielt darauf ab, die vom Büro des UNO-Hochkommissariats für Men- Menschenrechtslage in allen UNO-Mitglied- schenrechte zusammengestellte Zusammenfassung staaten zu verbessern. Dieses Ziel soll von Berichten aus der Zivilgesellschaft (namentlich durch einen Dialog auf gleicher Augenhöhe NGOs sowie Menschenrechtsinstitutionen) zur Men- zwischen den einzelnen Staaten erreicht schenrechtslage im überprüften Staat. werden. Der Ablauf des Verfahrens Im UPR-Verfahren begutachten die Staaten einan- der gegenseitig und sie haben die Möglichkeit, Emp- Alle Staaten haben die Möglichkeit, Empfehlungen fehlungen zur Verbesserung der Menschenrechts an den fraglichen Staat zu richten. Diese werden situation abzugeben. Die Staaten können diese gesammelt und dem betreffenden Staat mitgeteilt. Empfehlungen annehmen oder ablehnen. Im dar- auffolgenden Überprüfungszyklus wird dann jeweils besonders darauf geachtet, ob und in welcher Form ein Staat die von ihm akzeptierten Empfehlungen umgesetzt hat. DIE GESCHICHTE DER UPR Die Grundlagen der UPR Die Vorgängerorganisation des UNO-Menschen- rechtsrats war die UNO-Menschenrechtskommis- Die Grundlage für die Überprüfung der einzelnen sion (1946 bis 2006). Diese hatte unter anderem Staaten sind die Charta der Vereinten Nationen, die Aufgabe, Menschenrechtsverletzungen fest- die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte so- zustellen und öffentlich zu verurteilen. Die Arbeit wie alle vom betreffenden Staat ratifizierten Men- der Kommission wurde jedoch immer stärker kri- schenrechtsverträge. Die UNO-Staaten analysieren tisiert. Vorgeworfen wurden ihr namentlich eine die Menschenrechtssituation im jeweiligen Land auf selektive Verurteilung von Menschenrechtsver- der Basis dieser Normen sowie folgender drei Doku- letzungen bestimmter, politisch wenig einflussrei- mente: Erstens ein vom überprüften Staat erstellter, cher Staaten, das häufige Einbringen von Anträ- 20 Seiten umfassender Bericht über die Menschen- gen aus politischem Kalkül statt aus sachlichen rechtssituation im eigenen Land. Zweitens eine vom Gründen sowie eine mangelnde Reaktionsfähig- Büro des UNO-Hochkommissariats für Menschen- keit auf akute, massive Menschenrechtsverlet- rechte verfasste Zusammenstellung mit den wich- zungen. Vor diesem Hintergrund stimmte eine grosse Mehrheit der UNO-Generalversammlung 2006 für die Gründung des UNO-Menschenrechtsrats. Eine der wichtigsten Neuerungen dieser Institu- tion ist die UPR. Dieses so genannte Peer-Re- view-Verfahren sieht vor, dass alle Staaten gleich behandelt werden und einander wechselseitig beurteilen können. Dadurch wird zum einen der Kritik vorgebeugt, dass lediglich die Staaten des globalen Südens für ihre Menschenrechtsverlet- zungen angeprangert werden. Zum anderen soll dadurch ein Dialog auf gleicher Augenhöhe über die Menschenrechte und deren Bedeutung ent- stehen, was die Umsetzungschancen auf lokaler Ebene erhöhen soll. 4
Die eigentliche Überprüfung findet dann während Die Rolle der Zivilgesellschaft eines dreieinhalbstündigen interaktiven Dialogs zwi- schen einer Delegation des überprüften Staates und Die Zivilgesellschaft hat verschiedene Möglichkei- der UPR-Arbeitsgruppe in Genf statt. Die Federfüh- ten, ihre Anliegen und Forderungen in den UPR-Pro- rung bei der Überprüfung hat die sogenannte Troika zess einzubringen: So können Akteure wie nament- von drei ausgewählten Delegierten der Mitgliedstaa- lich Nationale Menschenrechtsorganisationen und ten des UNO-Menschenrechtsrats inne. Diese hält NGOs ihre Beurteilung der jeweiligen Menschen- die Ergebnisse und ihre Empfehlungen des Dialoges rechtslage bei der Erarbeitung des Staatenberichts in einem Bericht fest. Der überprüfte Staat kann einfliessen lassen, indem sie zu dessen Entwurf während des interak tiven Dialogs Empfehlungen Stellung nehmen und sich kritisch dazu äussern. umgehend annehmen oder ablehnen oder die Beant- Weitere Einflussmöglichkeiten der Zivilgesellschaft wortung vorläufig noch offen lassen. Bei der nächs- sind die Übermittlung von Informationen über die ten Plenarsitzung des UNO-Menschenrechtsrats Menschenrechtssituation des jeweiligen Landes an wird der Bericht der Troika nochmals diskutiert und das Büro des UNO-Hochkommissariats für Men- anschliessend in einem Schlussdokument verab- schenrechte, das Lobbyieren bei anderen Staaten schiedet. Der überprüfte Staat muss sich bis dahin im Vorfeld der Überprüfung sowie die Stellungnahme entscheiden, ob er die noch offenen Empfehlungen vor der Verabschiedung des Schlussdokuments an annimmt oder ablehnt. der Plenarsitzung des UNO-Menschenrechtsrats. Und schliesslich kann die Zivilgesellschaft die ange- Die Umsetzung der Empfehlungen nommenen Empfehlungen und Zusicherungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen, diese the- Jeder Staat entscheidet selbst über die Umsetzung matisieren und ihre Umsetzung überwachen. Ò der im Schlussdokument festgehaltenen Empfehlun- gen. Dabei wird besonders darauf geachtet, wie ein überprüfter Staat die im vorangegangenen Zyklus angenommen Empfehlungen umgesetzt hat. Im so genannten Follow-up-Prozess erhält der überprüfte Staat die Möglichkeit, in einem Zwischenbericht den aktuellen Stand der Umsetzung der angenommen Empfehlungen festzuhalten. Im Rahmen des Staa- tenberichts für den nächsten UPR-Zyklus muss der überprüfte Staat dann Rechenschaft darüber able- gen, in welcher Form er die im vorangegangenen Zy- klus angenommenen Empfehlungen umgesetzt hat. DER DRITTE UPR-ZYKLUS (2017‒2021) Seit Frühling 2017 läuft die dritte UPR, welche voraussichtlich bis 2021 dauert. Die Überprüfung aller 193 UNO-Mitgliedstaaten nimmt insgesamt rund viereinhalb Jahre in Anspruch, wobei wäh- rend dem ersten (2008‒2011) und zweiten Zyk- lus (2012‒2016) rund 57 000 Empfehlungen an die überprüften Staaten ausgesprochen wurden. 5
Die UPR und der internationale Menschen- lich geprägt (z. B. zur Überprüfung von Verpflichtun- rechtsschutz gen aus der Frauenrechts-, der Kinderrechts- oder der Antirassismuskonvention). In diesen Verfahren Der UNO-Menschenrechtsrat ist ein politisches Or überprüfen Fachexperten, inwiefern die Staaten gan, weshalb auch die UPR als politisches Verfahren ihren Verpflichtungen aus den jeweiligen Menschen- zu charakterisieren ist. Dies führt unter anderem rechtsübereinkommen nachkommen. Während die dazu, dass die an einen Staat abgegebenen Empfeh- Staatenberichtsverfahren jedoch thematisch be- lungen meist ein Abbild der Aussenpolitik des emp- grenzt sind, können in der UPR sämtliche Men fehlenden Landes sind. Kein Land wird etwa empfeh- schenrechtsbereiche behandelt werden. len, dass ein Staat eine Nationale Menschen - rechtsinstitution schaffen soll, wenn eine solche im eigenen Land nicht existiert. Im Gegensatz dazu sind die verschiedenen Staatenberichtsverfahren recht- Die Akteure des UPR-Verfahrens Akteur Funktion UPR-Arbeitsgruppe •Nimmt am interaktiven Dialog mit dem zu überprüfenden 47 Delegierte der Mitgliedstaaten des Staat teil. UNO-Menschenrechtsrats •Verabschiedet ein Schlussdokument zum überprüften Staat mit allen Empfehlungen. Troika •Federführung im Überprüfungsverfahren Drei zufällig ausgewählte Mitglieder der •Hält Ergebnisse des Dialogs in einem Bericht fest. UPR-Arbeitsgruppe Zivilgesellschaft Kann sich vor, während und nach dem UPR-Verfahren ein- Nationale Menschenrechtsorganisationen bringen und Einfluss auf die Überprüfung und das Follow-up und NGOs nehmen. Büro des UNO-Hochkommissariats Stellt die wichtigsten Erkenntnisse verschiedener UNO-Organe für Menschenrechte zum überprüften Staat sowie Berichte der Zivilgesellschaft als Grundlage der Überprüfung zusammen. Überprüfte Staaten •Erstellen im Vorfeld der Überprüfung einen Bericht über die Die Menschenrechtslage sämtlicher Menschenrechtssituation im eigenen Land. 193 UNO-Mitgliedstaaten wird alle viereinhalb •Beantworten im Rahmen des interaktiven Dialogs Fragen der Jahre durch die UPR-Arbeitsgruppe überprüft. anderen Staaten und nehmen zu den Empfehlungen Stellung. •Setzen die angenommen Empfehlungen bis zum nächsten UPR-Zyklus um. 6
DIE UPR IN KÜRZE Die Etappen im UPR-Zyklus 1. Vorbereitung der Dokumente für die Über- prüfungsphase 7. Umsetzung 2. Überprüfung und Berichterstattung durch die UPR- Arbeitsgruppe 6. Zwischenbericht s es Üb oz erp atlicher Pr rüfungspha UPR sta r se ne In 3. Stellungnahme des überprüften Staates 5. Nachbereitung 4. Annahme und Berichterstattung durch den UNO- Menschenrechtsrat 7
Fragen wenden können. Konkret ginge es um nicht mehr als INTERVIEW MIT 100 Stellenprozente. Dieser Vorschlag ist jedoch leider geschei- tert, anscheinend gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen MANON SCHICK, AMNESTY den zuständigen Departementen. Diese Aufgabe wurde deshalb der Kerngruppe internationale Menschenrechtspolitik (KIM; vgl. INTERNATIONAL SCHWEIZ Kasten S. 11) übertragen. Diese hat jedoch kein schriftliches Mandat und ist intransparent. Führt die UPR zu einer Verbesserung der Menschen- Als Geschäftsleiterin von Amnesty International rechtslage? Schweiz erfährt Manon Schick das UPR-Verfahren aus In anderen Ländern ist die Wirkung der UPR sicher positiv zu be- NGO-Perspektive. Sie lobt zwar den bestehenden werten, in der Schweiz bin ich eher skeptisch. Sicherlich muss Dialog zwischen den NGOs und der Schweiz. Die man sehen, dass die UPR kein Instrument ist für Länder im Schweiz mache aber bei der Umsetzung der Menschen- Krieg oder Diktaturen. In stabilen und funktionierenden Staaten rechte zu wenig Fortschritte, sagt Schick. kann die UPR jedoch durchaus etwas bewegen, indem sie etwa die Ratifikation von Verträgen anstösst. Die Zivilgesellschaft hat SKMR: Was ist Ihr Bezug zum UPR-Verfahren? gemerkt, dass es mehr Wirkung hat, wenn ein Staat eine Emp- Manon Schick: Amnesty International Schweiz ist in den ge- fehlung an die Schweiz richtet, als wenn sich eine NGO zu Wort samten UPR-Prozess involviert. Ich war ausserdem bei der meldet. Deshalb ist es enttäuschend, dass es in der Schweiz Überprüfung der Schweiz im Rahmen des dritten Zyklus in Genf nur wenige Beispiele gibt, in denen die UPR etwas bewirkt hat. anwesend. Es ist allerdings zu beachten, dass die UPR nur einer von vie- len Faktoren ist, die gemeinsam zu einer positiven Veränderung Was halten Sie von der UPR? beitragen. Deshalb ist der Einfluss der UPR nur schwer einzu- Ich finde den Prozess, der vor der Überprüfung stattfindet, sehr schätzen. gut. Die Schweiz geht vorbildlich damit um, denn es besteht ein Dialog zwischen den Behörden und den NGOs. Der letzte Wie schätzen Sie die Quantität und die Qualität NGO-Bericht zum 3. UPR-Verfahren ist sehr breit abgestützt. der gemachten Empfehlungen ein? Im dritten Zyklus hat die Schweiz mehr als 250 Empfehlungen Was ist Ihre Bilanz zur UPR? erhalten. Das sind sehr viele, aber oft kann man diese thema- In Bezug auf die Schweiz ist mein Eindruck zwiespältig. Positiv tisch bündeln, zudem gibt es viele Wiederholungen. Die Zu- sind die guten Beziehungen der Schweiz zur Zivilgesellschaft vor nahme der Empfehlungen zeigt jedoch, dass sich die Staaten der Überprüfung. Problematisch ist die Umsetzung der Empfeh- besser auf die UPR vorbereiten. Ich habe ausserdem den Ein- lungen und die Koordination mit den Kantonen, weil hier die druck, dass sich die Qualität der Empfehlungen im Vergleich Schweiz wenig Fortschritte gemacht hat. Für die Schaffung zum zweiten Zyklus verbessert hat. Einige Länder hatten damals einer Nationalen Menschenrechtsinstitution gibt es beispiels- offenbar nicht verstanden, wie die Schweiz organisiert ist. Im weise schon lange sehr viele Empfehlungen. Hier dauert die dritten Zyklus waren die Empfehlungen fokussierter und besser Umsetzung extrem lange, und durch Fragen wie jene, ob die formuliert. Es ist eine Herausforderung, drei Empfehlungen in Institution nun den Pariser Prinzipien entsprechen soll oder 1 Minute und 10 Sekunden zu formulieren. Die Zeit ist wirk- nicht, wird viel Energie verpufft. Andererseits ist es klar, dass lich sehr knapp bemessen. Wenn die Zahl der Empfehlungen in unser föderalistisches System sicher ein weiterer wichtiger den kommenden Jahren weiterhin so stark anwächst, sollte der Grund für die zögerliche Umsetzung ist, weil die Schweiz sehr UPR-Prozess revidiert werden. konsensorientiert ist. Dieses System hat aber auch positive Sei- ten: Wenn einmal etwas besteht, dann bleibt es auch. Findet in der UPR ein Dialog auf gleicher Augenhöhe zwischen den Staaten statt? Ja, ich glaube, dass dies tatsächlich der Fall ist. Es ist wichtig, dass alle Länder sich der Überprüfung unterziehen müssen, sonst würde mit zweierlei Ellen gemessen. Nur so ist die UPR 3 Stichworte zum UPR: wirklich universell. «Unbekannt beim breiten Gefährdet die direkte Demokratie der Schweiz die Publikum, wichtig, seriös», Menschenrechte? sagt Manon Schick. Die direkte Demokratie kann die Menschenrechte bedrohen. Einige Staaten kritisieren in der UPR unsere Volksinitiativen, weil diese im totalen Gegensatz zu ratifizierten Menschen- rechtsübereinkommen stehen können. Dies wurde auch schon im Parlament kritisiert, aber eine Lösung zu diesem Problem Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen dem ist momentan leider nicht absehbar. Es müsste sicher eine for- Bund und den Kantonen? melle und inhaltliche Prüfung der Initiativen geben, bevor die Die NGOs haben empfohlen, dass es eine Koordinationsstel- Unterschriftensammlung beginnt. le zur Erleichterung dieser Zusammenarbeit geben sollte. In einem Land wie der Schweiz, wo die Kantone viel Verantwor- tung haben in Bereichen wie etwa der Polizei und der Bildung, muss es eine Stelle geben, an die sich die Kantone mit ihren 8
DAS UPR-VERFAHREN DER SCHWEIZ – EIN ZUSAMMENSPIEL VON BUND, KANTONEN UND ZIVILGESELLSCHAFT Auf internationaler Ebene müssen die Sta aten im UPR-Verfahren genaue Vorgaben RATIFIZIERTE UNO-MENSCHENRECHTS befolgen. Demgegenüber haben sie bei der ABKOMMEN Erstellung des Staatenberichts und bei der Umsetzung der Empfehlungen grundsätz- Die Schweiz hat acht der neun universellen lich freie Hand. Da in der föderalistischen UNO-Menschenrechtsabkommen und teilweise Schweiz die Kantone und Gemeinden für die dazugehörigen Zusatzprotokolle ratifiziert, viele menschenrechtsrelevante Fragen zu- namentlich: ständig sind, ist eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Kantonen im •den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, UPR-Verfahren besonders wichtig. soziale und kulturelle Rechte von 1966 (UNO-Pakt I) Bei der Umsetzung der internationalen Menschen- •den Internationalen Pakt über bürgerliche und rechte und folglich auch bei der Berichterstattung politische Rechte von 1966 (UNO-Pakt II) an internationale Kontrollgremien ist die Kompetenz inkl. 2. Fakultativprotokoll zur Abschaffung der ordnung der Bundesverfassung von entscheidender Todesstrafe von 1989 Bedeutung. Für die auswärtigen Angelegenheiten •das Übereinkommen gegen Folter und andere und den Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen grausame, unmenschliche und erniedrigende verfügt der Bund über eine umfassende Kompetenz. Behandlung und Strafe von 1984 inkl. Die Kantone haben aber gewisse Mitwirkungs- und Fakultativprotokoll von 2002 Informationsrechte, wenn ihre Kompetenzen durch •das Übereinkommen über die Beseitigung aussenpolitische Entscheide direkt betroffen sind. jeder Form von Diskriminierung der Frau von Auf internationaler Ebene bleibt aber auch nach der 1979 inkl. Fakultativprotokoll von 1999 Ratifikation eines Vertrages der Bund für die korrekte •das Internationale Übereinkommen über die Erfüllung der Verpflichtungen rechenschaftspflichtig. Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminie- Im Landesinneren liegen hingegen viele menschen- rung von 1965 rechtsrelevante Gebiete im Kompetenzbereich der •das Übereinkommen über die Rechte des Kantone und Gemeinden, so etwa das Gesund- Kindes von 1989 inkl. beide Fakultativ heitswesen, die Polizei und der Strafvollzug oder die protokolle von 2000 betreffend die Beteiligung Ausgestaltung der Sozialhilfe. Diese Bereiche sollen von Kindern an bewaffneten Konflikten und die Kantone ihren Bedürfnissen und Eigenheiten betreffend Kinderhandel, Kinderprostitution entsprechend gestalten dürfen. Bundes- und Völ- und Kinderpornographie kerrecht – namentlich die internationalen Überein- •das Übereinkommen über die Rechte von kommen zum Schutz der Menschenrechte – geben Menschen mit Behinderungen von 2006 gewisse Mindeststandards vor, welche die Kantone •das Übereinkommen zum Schutz aller Perso- nicht verletzen dürfen. Solange die erwähnten Vor- nen vor dem Verschwindenlassen von 2006 gaben respektiert werden, ist es aber zulässig und durchaus auch gewollt, dass kantonale Unterschie- de bestehen. Im Ergebnis führt diese Aufteilung zu einem gewissen Spannungsverhältnis zwischen der Rechenschaftspflicht des Bundes gegen aussen – namentlich gegenüber dem UNO-Menschenrechts- rat und weiteren Überwachungsorganen – und den Umsetzungspflichten der Kantone im Innern. Ò 9
Die Schweiz und die internationalen UPR als Chance für eine bessere Zusammen- Kontrollverfahren arbeit zwischen Bund und Kantonen Die Schweiz hat nicht nur im Rahmen der UPR, Mit der Einführung der UPR war für Bund und Kan- sondern auch im Rahmen der sogenannten Staa- tone auch der Zeitpunkt gekommen, sich einigen tenberichtsverfahren (vgl. Kasten S. 11) vor den grundlegenden Herausforderungen im Hinblick auf zuständigen UNO-Ausschüssen eine Pflicht zur Be- das Zusammenspiel zwischen Bund und Kanto- richterstattung über die Umsetzung ihrer menschen- nen zu stellen, die durch die Vielzahl der von der rechtlichen Verpflichtungen. Durch die UPR und die Schweiz ratifizierten Menschenrechtsabkommen Staatenberichtsverfahren wird die Schweiz zur regel- (vgl. Kasten S. 9) und die umfangreichen Berichter- mässigen Überprüfung ihrer relevanten nationalen stattungspflichten entstanden waren. und kantonalen Gesetzgebung, ihrer Verwaltungs- Für die Erstellung des rund 20 Seiten umfassenden vorschriften und ihrer Behördenpraxis angehalten. Staatenberichts für die UPR der Schweiz sind das Beide Verfahren weisen viele Gemeinsamkeiten, Eidgenössische Departement für auswärtige Angele- aber auch wichtige Unterschiede auf (vgl. Kasten). genheiten (EDA) und das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) federführend. Die Kanto- ne, die ausserparlamentarischen eidgenössischen Kommissionen, die Zivilgesellschaft und weitere in- teressierte Kreise werden zum Bericht konsultiert. UPR und Staatenberichtsverfahren im Vergleich UPR Staatenberichtsverfahren Besonderheiten des Politisches Peer-Review-Verfahren Rechtlich geprägtes Kontrollverfahren Verfahrens Kontrollorgan UPR-Arbeitsgruppe des Vertragsspezifische Ausschüsse, be- UNO-Menschenrechtsrats, andere stehend aus unabhängigen Expertinnen UNO-Mitgliedstaaten und Experten Überprüfungsgrundlage 1. Staatenbericht 1. Detaillierter Staatenbericht 2. Zusammenstellung der Empfehlungen 2. S ogenannter Schattenbericht der der UNO-Überwachungsorgane Zivilgesellschaft 3. Bericht über die Empfehlungen der Zivilgesellschaft Kontrollmassstab Alle menschenrechtlichen Verpflichtun- Nur das in Frage stehende Menschen- gen und freiwilligen Zugeständnisse des rechtsabkommen überprüften Staates Ergebnis des Empfehlungen der UNO-Mitgliedstaa- Abschliessende Bemerkungen des Verfahrens ten, welche der überprüfte Staat anneh- zuständigen Ausschusses, welche men oder ablehnen kann Empfehlungen über die zu treffenden Massnahmen enthalten. Verbindlichkeit der Keine rechtliche Verbindlichkeit im Keine rechtliche Verbindlichkeit im Empfehlungen eigentlichen Sinn; eine gewisse Verbind- eigentlichen Sinn; den Empfehlungen lichkeit der angenommenen Empfeh- kommt aber eine beträchtliche Autorität lungen ergibt sich allerdings aus dem zu, weil sie die Umsetzungspflichten Grundsatz von Treu und Glauben. der Staaten konkretisieren und die Staaten mit der Ratifikation des Ver trages dieses Kontrollverfahren und die Zuständigkeit des betreffenden Ausschusses anerkannt haben. 10
DAS UPR-VERFAHREN DER SCHWEIZ Kantone stärker in Menschenrechtspolitik KERNGRUPPE INTERNATIONALE des Bundes involviert MENSCHENRECHTSPOLITIK Seit der Einführung des UPR-Verfahrens kann ein Die Kerngruppe internationale Menschenrechts- stärkerer Einbezug der Kantone in die Menschen- politik (KIM) ist ein Koordinationsorgan auf Bun- rechtspolitik des Bundes festgestellt werden. Als die desebene im Bereich des internationalen Men- Schweiz im Jahr 2008 zum ersten Mal eine UPR durch schenrechtsschutzes. Sie vernetzt Bundesstellen lief, war sich eine grosse Mehrheit der Kantone nicht mit thematisch interessierten interkantonalen bewusst, dass auf internationaler Ebene ein neues Konferenzen und ausserparlamentarischen Kom- menschenrechtliches Kontrollverfahren eingeführt missionen. Am 13. Dezember 2016 verabschie- worden war. Der Bund entschied weitestgehend dete die KIM ein Konzept für eine Koordination alleine über Annahme oder Ablehnung der Emp- «light» der Staatenberichtsverfahren. Nach die- fehlungen. Bei den Kantonen verursachte dieses sem Konzept behandelt die KIM die Koordination Vorgehen einen gewissen Unmut, zumal die ange- als ständiges Traktandum an ihren zweimal jähr- nommenen Empfehlungen teilweise ihre Kompetenz- lich stattfindenden Sitzungen. Das Bundesamt für bereiche betrafen, weshalb sie diese umsetzen und Justiz nimmt dabei die Aufgaben einer Kontakt- über die ergriffenen Massnahmen Bericht erstatten stelle wahr, welche die Entscheide der KIM über sollten. Fragen der Koordination umsetzt, die Übersicht Bei der zweiten und dritten Überprüfung wurde eine über die wichtigen Belange der Berichtsverfah- bessere Mitwirkung der Kantone sichergestellt. Der ren behält und gegenüber Bundesstellen, Kanto- Bund konsultierte die Kantone diesmal schon vor nen und Zivilgesellschaft die Funktion einer An- Einreichung des Staatenberichts. Und anlässlich der sprechperson wahrnimmt. Präsentation des Berichts vor der UPR-Arbeitsgruppe waren die Kantone nicht nur Teil der Schweizer Delegation, sondern sie stellten auch sicher, dass sie innert 72 Stunden nach der Überprüfung eine konsolidierte Einschätzung zu Empfehlungen abge- Koordiniert wird die Erstellung im Rahmen der Kern- ben konnten, welche die Kompetenzen der Kantone gruppe Internationale Menschenrechtspolitik (KIM, betrafen. Damit wurde ein Mechanismus gefunden, vgl. Kasten oben). der das Zusammenwirken zwischen den aussen- und Etwas anders organisiert ist die Erstellung der Be- innenpolitischen Verantwortlichen erleichtert, die richte für die Staatenberichtsverfahren. Diese sind in der Regel wesentlich länger und detaillierter als der Staatenbericht im Rahmen der UPR. Für die Berichterstattung ist abhängig vom jeweiligen Ab- kommen eine Bundesstelle federführend, welche die Erstellung des Berichts leitet. Ohne eine gute DAS STAATENBERICHTSVERFAHREN bundesinterne Koordination und eine funktionie- rende Zusammenarbeit mit den Kantonen – die Die Vertragsstaaten müssen in regelmässigen je nach Kompetenzbereich über das Fachwissen Abständen einen detaillierten Bericht über die und die notwendigen Informationen verfügen – ist Fortschritte bei der Umsetzung des jeweiligen es den federführenden Bundesstellen daher kaum UNO-Menschenrechtsabkommens erstellen und möglich, die Berichte zu verfassen. dem zuständigen Ausschuss einreichen. Neben Das SKMR untersuchte die Frage nach der Koope- den Staatenberichten berücksichtigen die Aus- ration zwischen Bund und Kantonen bei der Er- schüsse bei ihrer Evaluation auch weitere Infor- stellung der Berichte bereits im Jahr 2011. In zwei mationen zur Umsetzung des Abkommens wie Studien kam das Zentrum zum Schluss, dass die insbesondere die von den NGOs verfassten, Abläufe zur Erstellung der Berichte harmonisiert sogenannten Schattenberichte. Der Ausschuss und die Koordination und Kommunikation zwischen hört im Rahmen einer Präsentation sowohl eine den zuständigen Bundesstellen und den Kantonen Delegation der jeweiligen Regierung, als auch verbessert werden sollten. Dem Bund und den Kan- eine Delegation der NGOs an. Diese erhalten Ge- tonen wurde unter anderem die Schaffung eines legenheit, ihre Berichte zu erläutern und Fragen Koordinationsmechanismus, allenfalls auch einer zu beantworten. Im Anschluss daran verfasst der eigentlichen Koordinationsstelle, nahegelegt. Der jeweilige Vertragsausschuss sogenannte Ab- Bund hat sich allerdings gegen die Schaffung einer schliessende Bemerkungen (Concluding Obser- neuen Koordinationsstelle entschieden. Stattdes- vations), welche die Fortschritte und bestehen- sen verabschiedete die KIM im Dezember 2016 ein den Mängel zusammenfassen und Empfehlungen Konzept für eine Koordination «light» der Staaten- zu einer besseren Umsetzung formulieren. berichtsverfahren. 11
DAS UPR-VERFAHREN DER SCHWEIZ Qualität der Staatenberichte erhöht und die Umset- zung angenommener Empfehlungen potentiell ver- GEMEINSAMES VORGEHEN VON ÜBER bessert. Auch im Rahmen der Staatenberichtsver- 80 SCHWEIZER NGOS IM UPR-VERFAHREN fahren zu den einzelnen Abkommen achtet der Bund inzwischen verstärkt auf eine angemessene Vertre- Die NGO-Plattform Menschenrechte ist ein Zu- tung der Kantone bei der mündlichen Präsentation sammenschluss von mehr als 80 Schweizer der Berichte vor den Ausschüssen. NGOs. Sie erarbeitet im Vorfeld der Überprü- fungszyklen der Schweiz jeweils eine Liste von Handlungsbedarf beim Follow-up zu den Empfehlungen, die sie (bis 2013 unter dem Na- Empfehlungen men «Schweizerische NGO-Koalition zum UPR») dem UNO-Hochkommissariat für Menschen- Während die UPR somit zu einer Verbesserung der rechte einreicht. Die Empfehlungen behandeln Zusammenarbeit im Berichtsverfahren geführt hat, jene Themen, welche die Schweiz aus Sicht der besteht bei der innerstaatlichen Umsetzung der an- NGO-Plattform Menschenrechte prioritär behan- genommenen Empfehlungen bislang kein koordinier- deln sollte. tes Verfahren zwischen Bund und Kantonen. Dies Im Lauf des ersten Zyklus 2008 überreichte die hat auch der UNO-Menschenrechtsrat festgestellt damalige NGO-Koalition dem Hochkommissari- und im Rahmen der UPR bereits mehrere Empfeh- at einen Bericht mit einer Aufzählung der wich- lungen dazu an die Schweiz gerichtet – zu Recht. tigsten Problembereiche sowie eine Engfassung Es bleibt daher abzuwarten, wie die Schweiz die im der NGO-Forderungen (sechs Schlüsselthemen). November 2017 angenommenen Empfehlungen um- Für den zweiten Zyklus 2012 formulierte sie 41 zusetzen gedenkt. Empfehlungen, wovon die Hälfte in die an die Schweiz gerichteten Empfehlungen einfloss. Et- was mehr als die Hälfte dieser berücksichtigten Empfehlungen lehnte die Schweiz ab, womit sie im zweiten Zyklus insgesamt etwas mehr als 20 Prozent der Empfehlungen der NGO-Koalition an- nahm. Im Vorfeld des dritten Zyklus formulierte die NGO-Plattform Menschenrechte 42 Empfeh- lungen, wovon rund 70 Prozent in den Empfeh- lungen an die Schweiz berücksichtigt wurden. Von diesen berücksichtigten Empfehlungen ak- zeptierte die Schweiz rund 70 Prozent, womit sie insgesamt rund 45 Prozent der Empfehlungen der NGO-Plattform Menschenrechte annahm. Zuständigkeit in der Schweiz bei der Umsetzung der Empfehlungen aus dem dritten Zyklus 3.2 % Die meisten UPR-Empfehlungen des dritten Zyklus fallen in die gemeinsame Zuständigkeit von Bund und Kantonen. Dies ist etwa bei den Massnahmen zur vollständigen Umsetzung von Menschenrechts- 47.8 % verpflichtungen, bei der Etablierung eines wirksamen Rechtsschutzes für Flüchtlinge und Migranten so- wie bei der Geschlechtergleichstellung der Fall. Die Kantone sind beispielsweise für die Behebung der Überbelegungsproblematik in den Gefängnissen, die Massnahmen gegen Diskriminierung auf kantonaler 49.0 % und kommunaler Ebene und die Erweiterung der un- entgeltlichen Rechtspflege zuständig. Der Bund ist seinerseits etwa für die Ratifikation von verschiede- nen internationalen Übereinkommen, die Schaffung einer Nationalen Menschenrechtsorganisation und den Erlass einer Gesetzgebung zum Schutz von Bund Bund und Kantone LGBTI-Personen verantwortlich. Kantone 12
Verschiedentlich wird im Rahmen der UPR und der INTERVIEW MIT Staatenberichtsverfahren vor den UNO-Ausschüssen das föderalistische System der Schweiz kritisiert ROLAND MAYER, KONFERENZ mit der Begründung, dass dieses eine einheitliche Umsetzung der Menschenrechte verhindere. Finden DER KANTONSREGIERUNGEN Sie diese Kritik berechtigt? Diese Kritik kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Es reicht nicht, auf nationaler Ebene eine einheitliche Regelung zu haben, Roland Mayer, Generalsekretär der Konferenz der wie das etwa in Frankreich der Fall ist. Die Umsetzung in der Kantonsregierungen (KdK), zieht eine positive Bilanz Praxis ist genauso wichtig. Man muss dafür sorgen, dass diese nach drei UPR-Zyklen. Er kritisiert jedoch die Rolle Regelung auch auf der kommunalen Ebene gelebt wird. der NGOs und wünscht sich eine Koordinationsstelle für Staatenberichtsverfahren auf Bundesebene. Haben Sie den Eindruck, dass die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen im Bereich des internationalen SKMR: Herr Mayer, Sie sind Leiter Bereich Aussenpolitik Menschenrechtsschutzes gut funktioniert? bei der KdK. Was ist Ihr Bezug zum UPR-Verfahren? Die UPR hat sicher zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit Roland Mayer: Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) zwischen Bund und Kantonen geführt. Die KdK nimmt nun re- ist die Koordinationsstelle für die Kantone im Rahmen der Be- gelmässig an den Sitzungen der KIM teil. Vor der UPR kamen richtsverfahren. Wir sorgen dafür, dass die Kantonsregierungen ständig und unkoordiniert Anfragen von diversen Stellen des zu den Empfehlungen Stellung nehmen können und wir über- Bundes. mitteln diese Informationen an die federführende Bundesstelle. Wir vertreten die Kantone zudem in der KIM (Kerngruppe internationale Menschenrechtspolitik des Bundes, vgl. Kasten S. 11), wo die KdK Einsitz hat. 3 Stichworte zum UPR: «Aufwand, Koordinations- Was ist Ihre Bilanz zur UPR? bedarf und erhöhte Der erste Zyklus war noch etwas chaotisch, da es sich damals um etwas Neues handelte. So konnten die Kantonsregierungen politische Aufmerksamkeit», etwa zum Bericht des Bundes zur Menschenrechtslage in der sagt Roland Mayer. Schweiz keine Stellung beziehen, weil sie nicht genügend Zeit zur Verfügung hatten. Sie konnten sich dann aber immerhin zu den Empfehlungen äussern. Der zweite Zyklus lief bereits viel besser, so konnten sich die Kantonsregierungen bereits zum Wie beurteilen Sie das von der KIM verabschiedete Bericht des Bundes äussern. Trotzdem bestehen bei den Kanto- Konzept einer Koordination «light» zu den Staatenbe- nen noch heute gewisse Unsicherheiten. So sind zum Beispiel richtsverfahren? die Kriterien für die Ablehnung oder Annahme von Empfehlun- Die KIM hat einige unserer Forderungen in Bezug auf eine bes- gen nicht allen klar. Der dritte Zyklus bestätigte die zuvor erziel- sere Koordination der Staatenberichtsverfahren umgesetzt. So ten Fortschritte. Der Aufwand war diesmal aber grösser, weil die gibt es inzwischen endlich eine Liste aller Menschenrechtskon- Zahl der Empfehlungen stark zugenommen hat. ventionen, einen Überblick über die Termine sowie eine Liste mit Ansprechpersonen in den jeweiligen Stellen. Ich bin jedoch Hat die UPR zu einer Verbesserung der Menschen- nach wie vor der Meinung, dass wir auf Bundesebene eigentlich rechtslage in der Schweiz geführt? eine Koordinationsstelle bräuchten. Die UPR trägt nicht zwingend zu einer Verbesserung der Men- schenrechtslage bei. Diese ist meist eine Frage des politischen Welche Aufgaben müsste eine solche Koordinations- Willens. Ein positiver Effekt der UPR ist aber, dass sie die politi- stelle wahrnehmen? sche Diskussion um die menschenrechtlichen Verpflichtungen Sie müsste die Fragebogen betreffend anstehende Überprüfun- der Schweiz verstärkt. Und sie bietet einen Überblick über das, gen und Berichterstattungen thematisch bündeln und als An- was in Bezug auf die Menschenrechte getan wird und getan sprechpartnerin des Bundes für alle Fragen im Zusammenhang werden soll. Negativ ist, dass die Empfehlungen zu 99 Prozent mit den Menschenrechten fungieren. absolut unbrauchbar sind. Ich persönlich kritisiere in diesem Zusammenhang die Rolle der NGOs, weil diese ihre Partikular Bislang gibt es kein einheitliches Vorgehen für die interessen mit Hilfe von Staaten einbringen, die ihrerseits nicht Umsetzung der Empfehlungen aus der UPR. Besteht genügend informiert sind. Im Ergebnis werden dadurch zu vie- Ihres Erachtens Handlungsbedarf? le Empfehlungen produziert, die grösstenteils nicht einmal die Das Problem ist, dass es unrealistische Erwartungen gibt, was Kernverpflichtungen – beispielsweise im Zusammenhang mit mit den Empfehlungen geschehen sollte. Eigentlich werden ja Menschenhandel oder Folter – tangieren. eh nur Empfehlungen angenommen, wo die Prozesse bereits laufen. So gesehen braucht es kein Follow-up-Verfahren zur Findet in der UPR wirklich ein Dialog auf gleicher UPR. Augenhöhe zwischen den Staaten statt? Grundsätzlich finde ich es gut, dass sich alle UNO-Staaten zur Menschenrechtssituation in der Schweiz äussern können. Das Problem ist, dass einige Staaten einfach unkritisch die Empfeh- lungen der NGOs übernehmen. 13
ZAHLEN UND FAKTEN ZUR UPR DER SCHWEIZ Anzahl Empfehlungen in den drei Überprüfungszyklen 3. Zyklus 251 3. Zyklus 251 2. Zyklus 140 2. Zyklus 140 1. Zyklus 31 0 50 100 150 200 250 300 1. Zyklus 31 0 50 100 150 200 250 300 Angenommene und abgelehnte Empfehlungen in den drei Überprüfungszyklen 25.8 % 29.3 % 36.3 % 74.2 % 70.7 % 63.7 % 25.8 % 29.3 % 36.3 % 74.2 % 70.7 % 63.7 % 1. Zyklus 2. Zyklus 3. Zyklus Angenommene Empfehlungen Abgelehnte Empfehlungen 1. Zyklus 2. Zyklus 3. Zyklus 14 Angenommene Empfehlungen Abgelehnte Empfehlungen
Thematische Dauerbrenner Thema Empfehlung Umsetzung und Ratifizierung •Koordination zwischen Bund, Kantonen und der Zivilgesellschaft von menschenrechtlichen bei der Umsetzung von UPR-Empfehlungen, Empfehlungen von Verpflichtungen Vertragsorganen und Empfehlungen aus Spezialverfahren verbessern •Fakultativprotokoll zum Individualbeschwerdeverfahren des UNO-Zivilpakts ratifizieren Institutionelle Reformen •Nationale Menschenrechtsinstitution im Einklang mit den Pariser Prinzipien schaffen •Mechanismen zur Sicherstellung der Vereinbarkeit von Volksinitiativen und internationalen Menschenrechtsverträgen einführen Rassistische Diskriminierung •Gesetz gegen rassistische Diskriminierung einführen; Rassismus, oder Diskriminierung wegen Xenophobie und rassistische sowie religiöse Diskriminierung ethnischer Zugehörigkeit bekämpfen Diskriminierung der LGBTI- •Rechtsvorschriften auf Bundesebene erlassen, welche die LGBTI- Gemeinschaft Personen vor Diskriminierung schützen Diskriminierung aufgrund •Gleichberechtigung der Geschlechter fördern des Geschlechts •Vorbehalte zur UNO-Konvention zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau zurückziehen Polizei und Justiz •Grausame, übermässige Gewaltanwendung durch Polizeibeamte unabhängig untersuchen und Täterinnen und Täter bestrafen. •Menschenhandel verhindern und bekämpfen, Kooperation mit betrof- fenen Ländern sowie Opferschutz verbessern Kinderrechte Rechtsvorschriften erlassen, welche die körperliche Bestrafung von Kindern explizit verbieten Die aufgelisteten Empfehlungen wurden in allen drei UPR-Zyklen an die Schweiz gerichtet. Die häufigsten fünf Themen Massnahmen gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts 16.9 % Zusammenarbeit mit Menschenrechts- mechanismen und Ratifizierungen 16.4 % Massnahmen gegen rassistische Diskriminierung und Diskriminierung 12.2 % aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit Polizei und Justiz 10.1 % Institutionelle Reformen 9.7 % 0 5 10 15 20 Durchschnittlicher Anteil der nach Themen geordneten Empfehlungen in den drei UPR-Zyklen. 15
Was ist der Vorteil der UPR gegenüber Staaten INTERVIEW MIT berichtsverfahren? Die Empfehlungen der UPR sind zwar rechtlich nicht bindend, LUKAS HEINZER, aber sie machen Druck auf die Politik. Diese politische Kompo- nente ist für mich eine klare Stärke der UPR im Vergleich zu den MISSION GENF Staatenberichtsverfahren. Die Empfehlungen gewinnen an poli- tischem Gewicht durch die Tatsache, dass sie von einem Staat gemacht werden. Allerdings ist zu beachten, dass die Emp- Lukas Heinzer ist als Diplomat bei der ständigen fehlungen politisch geprägt sind. So halten sich befreundete Mission der Schweiz in Genf für das UPR-Verfahren Staaten oft gegenseitig mit Kritik zurück. Bei der UPR ist zudem zuständig. Die Zivilgesellschaft spielt aus seiner die Rolle der Zivilgesellschaft wichtiger als bei den Staatenbe- Sicht eine zentrale Rolle bei der UPR. Deren Position richtsverfahren, weil es bei der UPR keine unabhängige Instanz innerhalb des Verfahrens sollte laut Heinzer aber zur Überwachung der Umsetzung gibt. Die Zivilgesellschaft ist verstärkt werden. wichtig für das Follow-up-Verfahren, aber auch für die Lieferung von Informationen im Vorfeld der Überprüfung. SKMR: Was ist Ihr Bezug zum UPR-Verfahren? Lukas Heinzer: Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist der UPR ge- Haben Sie Kontakt zur Zivilgesellschaft der einzelnen widmet. Ich nehme dreimal pro Jahr an den Sessionen der UPR Staaten? teil, welche je 2 Wochen dauern. Zudem bin ich in die Vorberei- Ich habe viel zu tun mit der Zivilgesellschaft. Diese hat zwar tung der Empfehlungen involviert, welche die Schweiz an ande- nicht direkt Zugang zur UPR, aber die NGOs können ihre Anlie- re Staaten abgibt. gen im Rahmen der Pre-Session einbringen. Für unsere Arbeit ist dies eine von mehreren wichtigen Informationsquellen, die Nach welchen Kriterien entscheidet die Schweiz, uns dabei helfen, die Berichte der Staaten zu überprüfen. Weiter an welche Staaten sie ihre Empfehlungen richtet? stützt sich die Schweiz auf die Informationen der Staaten sel- Einige Länder richten im Sinne der Universalität des Verfah- ber, der diplomatischen Vertretungen und der UNO. rens Empfehlungen an alle Staaten. Der Schweiz ist es hinge- gen wichtig, dass ein Follow-up-Verfahren möglich ist. Deshalb Die UPR bezweckt einen Dialog auf gleicher Augenhöhe beschränken wir uns meist auf jene Länder, in denen wir eine zwischen den Staaten. Trifft das aus Ihrer Sicht zu? Vertretung vor Ort haben, damit die Schweizer Botschaften und Die Universalität der UPR, also die Tatsache, dass alle Staa- auch die Büros der Direktion für Entwicklung und Zusammenar- ten einander gegenseitig überprüfen können, ist ein grosser beit (DEZA) die Umsetzung der Empfehlungen beobachten und Fortschritt in der Menschenrechtsgeschichte. Das Problem ist unterstützen können. Es ergibt wenig Sinn, Empfehlungen an jedoch das Format: Die Redezeit ist sehr beschränkt, der so einen Staat abzugeben, zu dem keine regelmässig gepflegten genannte «interaktive Dialog» ist faktisch schwierig, ja sogar ein bilateralen Beziehungen bestehen. Im zweiten Zyklus richteten Euphemismus. Dies hat zur Folge, dass der Staat, der auf die wir unsere Empfehlungen an knapp 140 Staaten. Empfehlungen reagieren muss, oft nur Textbausteine oder vor- bereitete Texte benutzt. Spontan reagiert wird nur sehr selten. Wie könnte man das Format verbessern? 3 Stichworte zum UPR: Nicht nur bei der UPR, sondern überall im UNO-Menschen- «Universalität, junger rechtssystem besteht das Problem, dass sich die Mechanismen zu einer Art Ritual entwickeln. Dies ist auch auf fehlende Res- Mechanismus und sourcen zurückzuführen. Die Überprüfung in Genf dauert nur Empfehlungen», dreieinhalb Stunden. Das hat zur Folge, dass den Delegierten der einzelnen Staaten nur eine sehr kurze Redezeit zusteht: Der sagt Lukas Heinzer. überprüfte Staat erhält 70 Minuten, wodurch den übrigen Staa- ten nur 1 bis 2 Minuten bleiben, um sich zu äussern. Zudem sollte die Position der Zivilgesellschaft im Verfahren gestärkt Führt die UPR zu einer Verbesserung der Menschen- werden. Aktive Teilnahme ist wohl nicht realistisch, aber deren rechtslage? Berichte könnten stärker berücksichtigt werden. Zur Verbesserung der Menschenrechtslage braucht es vor al- lem einen politischen Willen und eine freie Zivilgesellschaft, Gibt es bei der UPR weitere Schwachpunkte? welche die Umsetzung der Empfehlungen beobachten und aktiv Neben der zum Teil schlechten Qualität der Empfehlungen ist sein kann. Es gibt Fälle, in denen die UPR zu konkreten Verbes- deren Quantität ein weiterer Punkt, der zunehmend auf Kritik serungen führte. So gab es zum Beispiel eine Empfehlung zur stösst. Ich selbst bin aber nicht der Meinung, dass es zu viele Geburtenregistrierung, die eine Regierung in Lateinamerika auf- Empfehlungen gibt. Es ist positiv, dass die meisten Staaten mit- genommen und zusammen mit internationalen Akteuren, der machen. Viele der Empfehlungen zielen auf dasselbe Problem, UNO und Entwicklungsagenturen umgesetzt hat. Dank dieser weshalb man sie bündeln kann. durch die UPR angestossenen Kampagne erhielten viele Men- schen, gerade auch in entlegenen Gebieten, zum ersten Mal Ausweispapiere. 16
Was sind die Schwächen der UPR? INTERVIEW MIT Bei der UPR handelt es sich um ein Peer-Review-Verfahren. Zu- dem hängt die Umsetzung der Empfehlungen alleine vom Willen MONA M’BIKAY, UPR INFO der einzelnen Staaten ab. 70 Prozent der Empfehlungen wer- den von den Staaten angenommen, was erfreulich ist. Aber von diesen werden wiederum nur rund 50 Prozent tatsächlich um- Mona M›Bikay ist Geschäftsführerin von UPR Info. gesetzt, weil ja auch keinerlei Verpflichtung dazu besteht. Aus Die Organisation informiert und unterstützt alle serdem gibt es keinen offiziellen Kontrollmechanismus. Dies Beteiligten im UPR-Verfahren. M’Bikay ist von der ist sicher eine Schwierigkeit in diesem Verfahren. Gleichzeitig positiven Wirkung der UPR überzeugt: Das Verfahren kann es aber auch eine Stärke sein: Wenn Staaten sich aus leiste einen wichtigen Beitrag zum Menschenrechts- eigenem Antrieb für etwas engagieren, ist der Wille manchmal dialog. grösser, als wenn es ihnen aufgezwungen wird. SKMR: Was ist Ihr Bezug zum UPR-Verfahren? Mona M’Bikay: Unsere Organisation informiert und unterstützt diejenigen Parteien, die in das UPR-Verfahren involviert sind, 3 Stichworte zum UPR: also insbesondere die Zivilgesellschaft, die Staaten, Nationale Menschenrechtsinstitutionen, Politikerinnen und Politiker so- «Universell, Mitbestimmung, wie Medienschaffende. So organisiert UPR Info unter anderem Zusammenarbeit», die Pre-Sessions im Rahmen der UPR. Diese Konferenz steht Menschenrechtsaktivisten zur Verfügung, damit sie sich in das sagt Mona M’Bikay UPR-Verfahren einbringen können. Sie erhalten auf diese Wei- se vor dem eigentlichen Verfahren Gelegenheit, diplomatischen Delegationen die Menschenrechtssituation in ihrem Land zu erläutern. UPR Info bietet zudem in den jeweiligen Ländern Wei- Was sagen Sie zur Quantität und zur Qualität terbildungen und Workshops an, um die Teilnahme an der UPR der Empfehlungen? und die Umsetzung der Empfehlungen zu unterstützen. Bei der Qualität der Empfehlungen bestehen grosse Unterschie- de. Manche Empfehlungen sind sehr spezifisch und zielen bei- Was ist Ihre Bilanz zur UPR? spielsweise auf die Ratifikation eines bestimmten internationa- Die Bilanz ist für mich positiv, weil alle Mitgliedstaaten teilneh- len Abkommens. Dies setzt voraus, dass man die Situation im men. Es werden enorm viele Menschenrechtsfragen behandelt jeweiligen Land sehr gut kennt. Andere Empfehlungen sind all- und es sind noch keine Ermüdungserscheinungen, weder bei gemein formuliert, was die Umsetzung erschwert. Dazu kommt, den Staaten noch bei den anderen Akteuren, erkennbar. Dies dass oft dieselben Empfehlungen mehrmals gemacht werden. zeigt sich unter anderem an den vielen Empfehlungen, die ge- 258 Empfehlungen entsprechen also nicht 258 verschiedenen macht werden und am Einsatz aller Beteiligten im Anschluss an Themen. Beim ersten UPR-Zyklus wurden für alle Staaten ins- die Empfehlungen. gesamt etwa 20 000 Empfehlungen abgegeben, beim zweiten Zyklus etwa 35 000. Die Anzahl der Empfehlungen nimmt zu. Die Schweiz hat bei der letzten UPR über 250 Empfeh- Dies ist positiv, weil es die Mitwirkungsmöglichkeit der einzel- lungen erhalten. nen Staaten aufzeigt. Alle Staaten machen bei der UPR mit. Das Ja, weil rund hundert Staaten Empfehlungen gemacht haben. ist eine ihrer grossen Stärken. Dies ist bemerkenswert ‒ besonders im Vergleich zu anderen Verfahren, wo die Beteiligung meist deutlich geringer ist. Meh- Denken Sie, dass der Föderalismus und die direkte rere Empfehlungen wiederholen sich. Daher ist es wichtig, sie Demokratie in der Schweiz die Umsetzung der nach Themen einzuordnen. Menschenrechte erschweren? Nein, ich denke nicht, dass der Föderalismus ein Problem ist. Führt die UPR zu einer Verbesserung der Menschen- Wenn man die Schweiz mit einem zentralistischen Land wie rechte? Frankreich vergleicht, erkennt man bald, dass der Vorteil des Ja, sicherlich. Denn die UPR ermöglicht einen nationalen Föderalismus darin besteht, dass die Anliegen der Kantone viel Menschenrechtsdialog, der wiederum zu Verbesserungen der stärker berücksichtigt werden. Bei einem föderalen System liegt jeweiligen Situation beitragen kann, wenn konkrete Mass- die Herausforderung darin, sicherzustellen, dass die Menschen- nahmen ergriffen werden. Sambia hat etwa ein neues Gesetz rechte und Grundfreiheiten in allen Kantonen gleich umgesetzt gegen Kinderehen erlassen, Marokko eines zur Bekämpfung werden. Beim System der direkten Demokratie in der Schweiz der Gewalt gegen Frauen, welche übrigens auf eine Empfeh- besteht die Gefahr, dass sich die Initiativen nicht immer mit den lung der Schweiz zurückgeht. Die Schweiz hat ihrerseits den internationalen Abkommen und den Menschenrechten verein- Nationalen Aktionsplan (NAP) gegen Menschenhandel verab- baren lassen. Die Menschenrechte gelten nicht nur ausserhalb, schiedet. Die UPR gibt denjenigen Menschen eine Stimme, die sondern werden auch innerhalb der Schweiz geschützt. sonst oft überhört werden. Die Staaten können die zum Teil zahlreichen Empfehlungen, welche an sie gerichtet werden, nicht einfach ignorieren. Und die Tatsache, dass sie bei der nächsten Überprüfung Rechenschaft ablegen müssen, schafft Anreize, dass sie etwas an der Menschenrechtssituation in ihrem Land ändern. Jeder Staat hat ein Interesse an einem guten Image. 17
DIE GLEICHSTELLUNG VON FRAU UND MANN IN DER ARBEITSWELT Die Situation der Frau auf dem Arbeitsmarkt Die Empfehlungen und die Reaktion ist ein zentraler Indikator für die Gleichstel- der Schweiz lung der Geschlechter. In Länderrankings zur Lohngleichheit befindet sich die wohlhaben- de Schweiz regelmässig im Mittelfeld. Geht Erster UPR-Zyklus 2008 es um den Anteil weiblicher Kader- oder Ver- waltungsratsmitglieder, landet die Schweiz Im ersten UPR-Zyklus nahm die Schweiz sieben sogar in den hintersten Rängen. Dafür erntet Empfehlungen zur Geschlechtergleichstellungspo- sie im In- und Ausland regelmässig Kritik. litik an. Eine davon betraf das Erwerbsleben: Die Schweiz wird darin aufgefordert, «die Bemühungen Die Frage nach der Gleichstellung von Frau und zu stärken, um gleiche Chancen auf dem Arbeits- Mann im Erwerbsleben wird bei der Überprüfung der markt zu garantieren, insbesondere für Frauen, Menschenrechtssituation in der Schweiz regelmäs welche Minderheiten angehören». Der Bundesrat sig aufgeworfen. Dabei geht es um gleichen Lohn für hatte in seinem Staatenbericht vom April 2008 an gleichwertige Arbeit und – direkt damit verbunden den UNO-Menschenrechtsrat festgehalten, dass – um gleiche Absicherung gegen Invalidität, Alter die tägliche Realität immer noch sehr weit von der und Erwerbslosigkeit. Daneben werden gleiche Teil- «de facto-Gleichstellung» entfernt sei, insbesonde- habe- und Teilnahmemöglichkeiten in allen Lebens- re für besonders verletzliche oder benachteiligte bereichen sowie gleichmässige Verteilung der Fami- Gruppen von Frauen wie zum Beispiel Migrantin- lienpflichten zwischen den Geschlechtern gefordert. nen. Zwar seien bezüglich Aus- und Weiterbildung In letzter Zeit haben sich der UNO-Menschenrechts- Fortschritte erzielt worden. Frauen würden in der ausschuss und der UNO-Ausschuss zur Beseitigung Privatwirtschaft aber nach wie vor fast 20 Prozent jeder Form von Diskriminierung der Frau mit den weniger verdienen und seien durch Erwerbstätigkeit anhaltenden Benachteiligungen der Frau auseinan- und Familienpflichten noch immer doppelt belastet. dergesetzt und der Schweiz nahegelegt, ihre Bemü- Massnahmen zur Vereinbarkeit von Familienleben hungen zur Verbesserung der Stellung der Frau im und Arbeit seien deshalb nötig. In seinem Zwi- Erwerbsleben zu verstärken. Auch im UPR-Verfahren schenbericht vom Mai 2011 zu den Fortschritten ist die Gleichstellung der Geschlechter in der bei der Umsetzung der Empfehlungen versicherte Schweiz ein Dauerthema. der Bundesrat, dass die Bekämpfung der Diskrimi- nierung der Frau eine Daueraufgabe darstelle und 18
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