Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind
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Die „Tränen des Baumes“ als Wirtschaftsgut Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor Irene Knoke, Helena Inkermann, Leonie Stapelfeldt
> Inhalt Impressum Inhalt Bonn, Mai 2015 1 Einleitung 3 Herausgeber: SÜDWIND – Institut für Ökonomie und Ökumene 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen 4 Kaiserstraße 201 2.1 Kautschuk einst und heute 4 53113 Bonn 2.2 Deutschlands Rolle auf dem Weltmarkt 7 Tel.: +49 (0)228-763698-0 info@suedwind-institut.de 2.3 Soziale und ökologische Probleme in den Anbauländern 8 www.suedwind-institut.de Bankverbindung: 3 Ein Blick in einzelne Regionen 12 KD-Bank 3.1 Fallbeispiel Indonesien 12 IBAN: DE45 3506 0190 0000 9988 77 3.2 Fallbeispiel Kambodscha 17 BIC: GENODED1DKD 3.3 Fallbeispiel Afrika 21 AutorInnen: Irene Knoke, Helena Inkermann, Leonie Stapelfeldt 4 Weiterverarbeitung in Deutschland 24 4.1 Die Reifen- und Gummiindustrie 24 Redaktion und Korrektur: Sandra Grigentin-Krämer 4.2 Nachhaltigkeitsansätze in der Kautschukbranche 25 V.i.S.d.P.: Martina Schaub 5 Handlungsansätze für die Kautschukindustrie 29 Gestaltung und Satz: www.pinger-eden.de 6 Literaturverzeichnis 32 Druck und Verarbeitung: Brandt GmbH, Bonn, gedruckt auf Recycling-Papier Titelfoto: Plantagenarbeiterin, Indonesien, Foto: Tri Saputro for Center for Abkürzungsverzeichnis International Forestry Research (CIFOR)/Flickr.com ELC Economic Land Consession / Ökonomische Landkonzessionen ETRMA European Tyre and Rubber Manufactures Association / Europäischer Reifen- und Gummiverband Gefördert aus Mitteln des Kirchlichen ILO International Labour Organisation / Internationalen Entwicklungsdienstes, durch Brot für die Arbeitsorganisation Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst, IRSG International Rubber Study Group / Internationale Kautschuk- durch den Evangelischen Kirchenverband studiengruppe Köln und Region sowie die Evangelische Kirche im Rheinland. NRO Nichtregierungsorganisation OECD Organisation for economic Cooperation and Development / Für den Inhalt dieser Publikation ist allein Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung SÜDWIND e.V. verantwortlich.Die hier TEE Technische Elastomer-Erzeugnisse dargestellten Positionen geben nicht UNPH Union National des Planteurs d’Hévéa / Nationaler Verband der den Standpunkt von Engagement Global gGmbH und dem Bundesministerium für Kautschukanbauer wirtschaftliche Zusammenarbeit und VN Vereinte Nationen Entwicklung wieder. wdk Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie Gefördert von ENGAGEMENT GLOBAL Gefördert durch: im Auftrag des 2 Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
> 1 Einführung 1 Einführung Gummi ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer In- Kambodscha und Afrika) sollen einzelne Problemlagen dustrieproduktion geworden. Ein Teil davon basiert beim Kautschukanbau und regionale Unterschiede ge- dabei auf Naturkautschuk, der aus dem Baumsaft des nauer beleuchtet werden. Hierzu gehören sowohl die Kautschukbaums produziert wird. Der größte Teil wird ökologischen Probleme des Plantagenbaus, als auch die heute jedoch synthetisch hergestellt. Naturkautschuk Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kleinbäuerinnen hat entscheidende Vorteile in puncto Elastizität und und Kleinbauern sowie der PlantagenarbeiterInnen. In Belastbarkeit, die für bestimmte Anwendungsgebiete einem weiteren Kapitel wird die Rolle der kautschuk- bis heute nicht von synthetischen Elastomeren erreicht verarbeitenden Unternehmen in Deutschland genauer werden konnten. Insbesondere im Automobil- und betrachtet. Auch hier haben sich erste Nachhaltigkeits- Flugverkehr ist Naturkautschuk durch synthetischen ansätze herausgebildet, die Branche steht jedoch noch Kautschuk nicht zu ersetzten. So bestehen beispielswei- eher am Anfang einer Entwicklung, in der der Begriff se PKW-Reifen zu 50 %, LKW-Reifen zu 80 % und Flug- Nachhaltigkeit mit seinen verschiedenen Aspekten das zeugreifen sogar zu 100 % aus Naturkautschuk (vgl. Handeln bestimmt. Abschließend werden einige Hand- Bethge et al. 2014: 31). lungsansätze aufgezeigt, mit denen diese Entwicklung weiter betrieben werden kann. Der Anbau von Kautschukbäumen findet heute vieler- orts überwiegend in kleinbäuerlicher Produktion statt. Hauptanbaugebiet ist mit großem Abstand Asien. Der weltweit steigende Bedarf, maßgeblich beeinflusst auch von dem wachsenden Mobilitätsmarkt in den Schwellenländern, hat aber vor allem auch dort große Investoren auf den Plan gerufen, die teilweise mit ver- heerenden Auswirkungen auf Mensch und Natur rie- sige Plantagen anlegen. Die Auswirkungen sind hier ähnlich wie beispielsweise im Palmölsektor. Doch wäh- rend die Palmölproduktion schon häufig Kritik aus- gesetzt war, steht die Gewinnung von Kautschuk und dessen Auswirkungen nur selten im Fokus kritischer Untersuchungen. Der groß-industrielle Plantagenbau hat im Kautschuk- bereich vor allem in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Gravierende Menschenrechts- verletzungen gab es bereits bei der Anlage solcher Plantagen. Mit zunehmender Inbetriebnahme müssen auch Fragen nach den Arbeitsbedingungen stärker in den Fokus rücken. Hier lohnt ein Blick auf die Erfah- rungen, die es in bestehenden Plantagen bereits gibt. Die „Tränen des Baumes“ – Naturkautschuk, Angesichts ihrer großen Bedeutung müssen aber auch Foto: RarePlanet/Flickr.com die kleinbäuerliche Produktion und die Lebensbedin- gungen der kleinen ProduzentInnen im Fokus bleiben. Die vorliegende Studie gibt zunächst einen Überblick über die Produktion und den Verbrauch von Natur- kautschuk. Anhand von drei Fallbeispielen (Indonesien, 3 Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen > 2.1 Kautschuk einst und heute Kautschuk – eine kurze Geschichte Der Kautschukbaum - Hevea brasiliensis Der Kautschukbaum stammt ursprünglich aus Süd- Der Kautschukbaum benötigt sehr spezifische Vor- amerika. Schon früh wurde dort das vielseitige Potenzi- aussetzungen bezüglich Niederschlag und Tempe- al der Kautschukpflanze erkannt. Die Indigenen nann- ratur, die sich nur im tropischen Tiefland nahe dem ten den Milchsaft der Bäume „caucho“, die „Tränen des Äquator finden, dem sogenannten Kautschukgür- Baumes“, und nutzten ihn zur Herstellung wasserdich- tel. Fünf bis sieben Jahre nach der Pflanzung kann ter Behälter. Der empfindliche Naturkautschuk wurde einem Kautschukbaum der Milchsaft durch einen jedoch bei hohen Temperaturen schnell klebrig und Anschnitt der Latexgefäße entnommen und in ei- stank. Im Jahr 1839 gelang dem US-Amerikaner Charles nem Gefäß gesammelt werden. Im Schnitt sind dies Goodyear nach langjährigen Versuchen eher durch etwa 100 ml pro Zapfung, ein Drittel davon ist der Zufall die Vulkanisierung des Kautschuks, die dies ver- begehrte Kautschuk. Den höchsten Ertrag erreicht hindert. Bei der Vulkanisierung werden durch die Zu- ein Baum nach 12 bis 15 Jahren, danach lässt die gabe von Schwefel sowie unter Wärmeeinwirkung die Produktion sukzessive nach. Im Schnitt werden zwei langen Molekülketten durch Schwefelbrücken verbun- bis drei Zapfungen pro Woche durchgeführt und es den und aus dem empfindlichen Naturkautschuk wird gibt eine „wintering season“ von ca. 4 bis 8 Wochen, Gummi – ein hochelastisches temperaturresistentes in der nicht gezapft wird. Während seiner wirt- Material. Erst mit der Zeit verliert Gummi seine Elastizi- schaftlich nutzbaren Lebenszeit kommt ein Kau- tät und wird porös, da die Schwefelbrücken durch Sau- tschukbaum so auf ungefähr 150 Liter Latex, dies erstoffbrücken ersetzt werden. entspricht ca. 50 Kilogramm Festkautschuk. Spätes- tens wenn der Baum nach etwa 25 Jahren seine Pro- Naturkautschuk wurde zu einem weltweit begehrten duktion einstellt, lässt sich aber auch das beliebte Rohstoff und die im brasilianischen Urwald gelegene und qualitativ hochwertige Holz gut verwerten und Stadt Manaus zum Herzen des Kautschukhandels. Da wird zum Beispiel in der Möbel- und Spielzeugin- Brasilien unter Todesstrafe einen Ausfuhrstopp auf die dustrie eingesetzt. Samen verhängt hatte, besaß das Land das absolute Mo- nopol. Während in Manaus der neu gewonnene Reich- Der Kautschukbaum ist anfällig für Blatt- und Wur- tum genossen wurde, arbeiteten im tiefsten Urwald die zelkrankheiten. Vor allem die Blattkrankheit SALB sogenannten „serengueiros“, die Latexsammler, die in (Microcyclus ulei), ein sich schnell ausbreitender der „grünen Hölle“ oft unfreiwillig Kautschuk zapften Pilz, stellt eine Gefahr für Kautschukplantagen dar. und ihn anschließend transportfähig machten. Viele Die dichte Bepflanzung der Plantagen unterstützt „seringueiros“ wurden von Krankheiten geplagt, litten zusätzlich das Ausbreiten des Pilzes. Daher ist eine unter Hunger und starben unter den grausamen Ar- regelmäßige Kontrolle wichtig, um einen kranken beitsbedingungen (DGB Bildungswerk 2001: 5). Baum so schnell wie möglich entfernen zu können und eine Ausbreitung rechtzeitig zu verhindern. Der Wohlstand Manaus‘ sollte jedoch nicht ewig hal- ten. Ende des 19. Jahrhunderts gelang es dem Englän- Plantagen werden in der Regel mit 500 bis 600 Bäu- der Henry Wickham, 70.000 Kautschuksamen außer men pro Hektar bepflanzt. Dadurch kommt es zu Landes zu schmuggeln. Einige Tausend in England ge- einem frühzeitigen Kronenschluss, der die Bäume zogene Sämlinge konnten schließlich nach Ceylon ge- zwar vor Wind und Wettereinflüssen schützt, in bracht werden, von wo aus sie sich rasch im asiatischen dem schattigen Unterholz aber auch keine Zwi- Raum weiter verbreiteten und schließlich zu einem be- schenkulturen zulässt. Geübte KautschukzapferIn- deutenden Rohstoff für die Landwirtschaft und Indust- nen können in solchen Plantagen an einem Tag die rie wurden (DGB Bildungswerk 2001: 5). Bäume auf einem Hektar zapfen und im Schnitt je- weils 55 Liter Latex einsammeln. Quellen: Wessel 1989: 584ff.; wdk o.J. 4 Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen Heutige Anbaugebiete und Produktion Kautschuk wird zu einem überwiegenden Teil in klein- Schon seit vielen Jahrzehnten befinden sich die mit Ab- bäuerlichen Betrieben angebaut (vgl. Kap. 2.3). Auf- stand größten Kautschukproduzenten in Südostasien, grund dieser Produktionsstruktur mit ausgedehnten wo die Kautschukproduktion einen wichtigen Wirt- Anbauflächen in breit gefächertem Besitz ist es schwie- schaftsbeitrag leistet. Seit den 1950er Jahren, als China rig, exakte Produktionsdaten zu erheben. Die wich- mit Forschungen zur Verbesserung der Klimatoleranz tigste Quelle für Daten zu Produktion und Verbrauch des Kautschukbaumes begann, hat sich die Anbauflä- von Kautschuk ist die Internationale Kautschukstu- che auch in nicht-traditionellen Anbaugebieten ausge- diengruppe (International Rubber Study Group - IRSG). weitet. Nach wie vor findet die Produktion in den drei Auch wenn dies die besten Daten zu sein scheinen, be- Hauptanbauländern Thailand, Indonesien und Malay- steht von Seiten der Abnehmer von Naturkautschuk sia überwiegend im traditionellen Kautschukgürtel der Verdacht, dass Produktionsdaten hier unterbewer- statt, aber auch hier hat sich der Anbau in nicht-tra- tet werden, um Preise zu stützen (LMC International ditionellen Gebieten intensiviert. In einigen Ländern 2011: 49ff., 58f.). wurde diese Verbreitung politisch unterstützt, u.a. auch um Platz für die noch klimasensiblere Ölpalme zu schaffen. Auch sind neue Produzentenländer, neben China auch Laos, Kambodscha oder Myanmar, in den Fokus gerückt (Fox / Castella 2010: 3, 7). 2013 wurde so auch die langjährige Nummer drei der Kautschukpro- duktion, Malaysia, in seinen Produktionszahlen von Vietnam, Indien und China überholt. In Asien werden heute 90 % des global verfügbaren Kautschuks produ- ziert (FAOstat 2015). Eine Kautschukplantage in Südostasien, Foto: Willie Stark/Flickr.com Graphik 1: Produktion von Naturkautschuk in 1.000 Tonnen (1990-2012) 5.000.000 12.000.000 4.500.000 10.000.000 4.000.000 3.500.000 8.000.000 3.000.000 2.500.000 6.000.000 2.000.000 4.000.000 1.500.000 1.000.000 2.000.000 500.000 0 0 2001 1991 2004 2005 2008 2009 2002 2003 2011 2010 2006 2007 1993 2000 1990 1992 1994 1995 1996 1999 1997 2012 2013 1998 Thailand Indonesien Malaysia Quelle: FAOstat 2015 Rest Asien Afrika Lateinamerika Gesamt (rechte Skala) 5 Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen In Brasilien, dem Ursprungsland des Kautschuks, wird ebenfalls nur noch ein geringer Anteil produziert, Tabelle 1: Anbaufläche (in Hektar) und Produktion 186.000 Tonnen im Jahr 2013. In Guatemala waren es (in Tonnen) von Kautschuk in Asien circa 105.000 Tonnen, in Mexiko 51.400 und in Ecuador 20.500 im gleichen Jahr (FAOstat 2015). Im Vergleich Land Anbaufläche Produktion mit den anderen Weltregionen liegt der amerikani- 2013 2013 sche Kontinent somit sogar noch hinter Afrika zurück und trägt nur noch geringfügig zur Weltproduktion Thailand 2,42 Mio. 3,86 Mio. bei (IRSG 2014a). Indonesien 3,56 Mio. 3,11 Mio. Malaysia 1,06 Mio. 826.000 Vietnam 548.098 949.100 Naturkautschuk – bis heute unverzichtbar Indien 442.000 900.000 China 685.900 864.806 Kautschuk wird heute überwiegend synthetisch her- Kambodscha 36.000 43.000 gestellt. Aufgrund seiner besonderen Eigenschaften ist Naturkautschuk aber bis heute in vielen Bereichen Quelle: FAOstat 2015 unverzichtbar. Im Jahr 2013 stammten etwa 42 % des weltweiten Kautschukbedarfs vom Kautschukbaum (vgl. IRSG 2014a: o.S.). Der mit Abstand größte Abneh- mer von Naturkautschuk in Deutschland ist die Auto- Auch in Afrika wurde zu Anfang des 20. Jahrhunderts mobilindustrie. Etwa drei Viertel des Naturkautschuks mit dem Anbau von Kautschukbäumen begonnen. werden für die Autoreifenproduktion verwendet. Der Aufgrund der hohen Klima- und Niederschlagsansprü- Rest fließt in die Herstellung von anderen Latexpro- che der Pflanze waren die neuen Kautschukplantagen dukten, wie beispielsweise medizinische Handschuhe, jedoch nur in wenigen afrikanischen Ländern erfolg- Kondome oder Schnuller, sowie in andere technische reich. Hierzu gehören vor allem die Elfenbeinküste, die Produkte, von denen wiederum ein großer Teil in der mit einer Produktion von knapp 290.000 Tonnen im Automobilindustrie Verwendung findet. Hier werden Jahr 2013 der größte Kautschukproduzent auf afrikani- allerdings insgesamt mehr synthetische Elastomere schem Boden ist, mit einigem Abstand gefolgt von Ni- eingesetzt als Naturkautschuk (wdk 2014a: 9f.; NIW geria und Kamerun (FAOstat 2015). In diesen Ländern 2013: 23). gewann Kautschuk zwar zunehmend an wirtschaftli- chem Einfluss, jedoch nicht vergleichbar mit der Be- deutung, die der Kautschukbaum für den asiatischen Raum darstellt (vgl. Kap. 3.3). Tabelle 2: Kautschukproduktion – Weltregionen im Vergleich 2003-2013 (in Tonnen) 2003 2008 2013 Asien 7.537.684 9.452.447 10.949.739 Afrika 452.861 517.556 625.653 Lateinamerika 303.000 320.000 390.454 Total 8.186.228 10.228.741 11.965.846 Quelle: FAOstat 2015 6 Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen > 2.2 Deutschlands Rolle auf dem Weltmarkt Weltweite Kautschuknachfrage Seit der Entdeckung des Naturkautschuks und seines auch die drei wichtigsten Produzentenländer Indone- vielseitigen Potentials steigt der weltweite Bedarf kon- sien, Thailand und Malaysia sowie Südkorea mit seiner tinuierlich und wird auch in Zukunft weiter steigen. Autoproduktion eine wichtige Rolle. In Thailand und Dies liegt zu einem Großteil an dem stark wachsenden Malaysia hat sich zum Beispiel auch eine Gummiwaren- Mobilitätssektor in Asien und vor allem in China, denn industrie herausgebildet, die nicht nur den heimischen der Verbrauch von Naturkautschuk wird mit 70 % des Automobilsektor beliefert. In Lateinamerika ist das Ur- Gesamtbedarfs deutlich von der Reifenindustrie ange- sprungsland des Kautschukbaums Brasilien der größte führt (LMC 2011: 24). Importeur von Naturkautschuk (FAOstat 2015). China ist schon heute mit großem Abstand vor Indien Der Internationale Währungsfonds und die IRSG ge- und den USA der größte Abnehmer von Naturkaut- hen auch zukünftig von einem Anstieg des Kautschuk- schuk (s. Graphik 2). Allein China bezog im Jahr 2013 bedarfs in Asien, insbesondere in China aus. In Europa 37 % des weltweiten Naturkautschuks, abgeschlagen und Amerika ist zukünftig eher von einer Stagnierung folgten die EU und Indien mit jeweils 9 % der weltwei- oder Reduzierung der Kautschuknachfrage auszuge- ten Produktion, die USA (8 %) und Japan (6 %). Zusam- hen. Weltweit wird der Verbrauch an Naturkautschuk men verbrauchen diese Länder somit 69 % des weltwei- bis 2022 auf 16,1 Mio. Tonnen weiter ansteigen. Auch ten Angebots. Auch die große Exportindustrie in China hier wird diese Entwicklung von der stetig steigenden hat zu dieser Entwicklung beigetragen. Daher bleibt zu Produktion von Autos und Reifen vor allem in China berücksichtigen, dass China in großem Umfang auch getrieben. Bis 2022 soll allein China Naturkautschuk verarbeitete Gummiwaren exportiert, somit also über in Höhe von 7,2 Mio. Tonnen beanspruchen, das ent- eine Weiterverarbeitungsindustrie verfügt, die für den spräche dann knapp 45 % des erwarteten weltweiten weltweiten Kautschukkonsum produziert (DanWatch Bedarfs (IRSG 2014a: o.S.). 2013: 5f.). Neben China, Indien und Japan spielen aber Graphik 2: Verbrauch von Naturkautschuk 2013 Graphik 3: Globaler Konsum von Naturkautschuk nach Ländern (in Prozent) (in 1.000 Tonnen) 1990-2022 18.000 Indien 9% EU 28 16.000 USA 9% 8% 14.000 Japan 12.000 6% 10.000 8.000 China 6.000 37% Rest der Welt 4.000 31% 2.000 0 1990 1995 2000 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014* 2015* 2016* 2018* 2020* 2022* weltweit davon China Quelle: ETRMA 2014a: 47 * Schätzung Quelle: IRSG 2014a (eigene Darstellung) 7 Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen Graphik 4: Kautschukverbrauch in Deutschland 2009-2013 dustrie verwendet (ETRMA 2014b: 23). Der Kautschuk, (in 1.000 Tonnen) der im Jahr 2013 in die EU importiert wurde, kam zu ei- nem Drittel aus Indonesien (33 %); weitere 18 % stamm- ten aus Malaysia, und 16 % aus Thailand. In Afrika ist 800 die Elfenbeinküste der wichtigste Lieferant. Von dort 700 stammten immerhin 14 % der europäischen Importe 600 (ETRMA 2014a: 47). 500 In der EU gehört Deutschland gefolgt von Spanien, Ita- 400 lien und Frankreich zu den größten europäischen Kau- 300 tschukverarbeitern. Hier befinden sich auch die Haupt- 200 sitze einiger weltweit marktführender Reifenhersteller bzw. eine große Autoindustrie. Auch bei den weiteren 100 Gummiwaren, den sogenannten Technischen Elasto- 0 mer-Erzeugnissen (TEE) sind deutsche Unternehmen 2010 2011 2012 2013 führend. Die entsprechende Sparte der Continental AG ist der weltweit größte und die Freudenberg Gruppe Naturkautschuk Synthetikkautschuk der drittgrößte Kautschukverarbeiter im Nicht-Reifen- segment. Die Continental AG ist gleichzeitig der viert- Quelle: wdk 2014a: 34 (sowie ältere Branchenberichte des wdk für die größte Reifenhersteller weltweit (ETRMA 2014a: 18, 23). Aufschlüsselung von Naturkautschuk und Synthetikkautschuk) Die Rückgänge in den vergangenen beiden Jahren sind vor allem der geringeren Produktion in der Reifenher- stellung geschuldet, wo Naturkautschuk überwiegend Kautschuknachfrage der EU und Deutschland eingesetzt wird (wdk 2014a: 11). Deutschland ist al- lerdings selber auch Exporteur von Kautschukwaren. Die Daten über Verbrauch und Import von Naturkaut- In den Jahren von 2002 bis 2011 war Deutschland aus schuk können auch als Hinweis dafür dienen, wie eng Ländersicht mit einem Anteil von 10,4 % nach China so- dieser mit der Automobilbranche verbunden ist. In den gar der zweitgrößte Kautschukwarenexporteur (NIW großen Importländern, respektive den Ländern mit 2013: 18). Ein wichtiger Anteil ist dabei der Export von dem größten Verbrauch, gibt es eine stattliche Auto- Kraftwagen und Kraftwagenteilen, der im Jahr 2013 mobilindustrie. Dies überrascht nicht, wenn man be- mit einem Anteil von 17,4 % am deutschen Gesamtex- denkt, dass 75 % des europäischen Kautschukimports port das wichtigste Exportgut Deutschlands darstellte allein für die Reifenindustrie verwendet werden. Wei- (Statistisches Bundesamt 2014). tere 10 % werden für andere Teile in der Automobilin- > 2.3 Soziale und ökologische Probleme in den Anbauländern Anbau in kleinbäuerlichen Betrieben Naturkautschuk wird überwiegend von kleinbäuerli- chen Betrieben produziert. Schätzungen zufolge be- finden sich 85 % der Produktion in den Händen von Be- trieben, die weniger als drei Hektar, nicht selten auch in Mischkultur, bewirtschaften (ETRMA 2014b: 23). In den vergangenen Jahren sind jedoch verstärkt auch in großem Stil Plantagen angelegt worden (s. Fallbeispiel Kambodscha). Die Anlage solcher Plantagen ist teilwei- se mit massiven Menschenrechtsverletzungen verbun- den, aber auch mit ökologischen Risiken. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bewirtschaften ihr Die Anlage von Kautschukplantagen geht oft mit Landraub, Land selbst oder beschäftigen je nach Größe des Landes Vertreibung oder Brandrodung von Regenwald einher, Foto: Ryan eine kleine Anzahl zusätzlicher Arbeiter (DanWatch Woo, CIFOR/Flickr.com 8 Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen Liefer- und Wertschöpfungskette Kautschuk Aufgrund der stark ausgeprägten kleinbetrieblichen Thailand und Indonesien, wo sie nach eigenen Anga- Produktionsstruktur kann die Lieferkette insbesonde- ben die Produktivität der Bauern durch Schulungen re zu Beginn der Produktion lang sein. Zwischen dem deutlich erhöhen konnte. Kleinbetrieb und der Kautschukfabrik im Land kön- nen ein örtlicher Aufkäufer und mehrere Mittelsmän- In den Fabriken wird der Kautschuk zu verschiede- ner zwischengeschaltet sein. Viele kleinbäuerliche nen Formen und Qualitätsstufen weiter verarbeitet, Betriebe verkaufen das Latex aber auch direkt an eine die der Herstellung verschiedener Produkte dienen nahe gelegene Plantage. Eine Untersuchung für In- und den unterschiedlichen – oft komplizierten – donesien ergab, dass solche Betriebe oft eine höhere Transportwegen angepasst sind. Viele große Planta- Produktivität aufweisen als kleinbäuerliche Betriebe gen haben ihre eigenen Verarbeitungsanlagen und fernab einer Plantage, was damit zusammenhängt, kaufen auch zusätzlich Latex von örtlichen Farmer- dass das Management der Plantage oft auch Beratung gruppen auf. Reifenhersteller haben ihre Verträge in für die Kleinbauern anbietet. der Regel mit solchen Aufbereitungsanlagen, die den Kautschuk in einem ersten Schritt zu der vereinbar- Auch von größeren Plantagen geht der Naturkaut- ten Qualität weiterverarbeitet. Einen Großteil ihres schuk teilweise zunächst an freie Zwischenhändler, Bedarfs sichern die Reifenhersteller so über eine Ver- die sowohl auf lokaler Ebene oder auch in den Konsu- tragsbasis von sechs bis zwölf Monaten ab. Ein Teil mentenländern agieren. Einige große Plantagenge- des Bedarfs wird aber auch – je nach Preislage – an der biete haben auch direkte Verbindungen zu der ver- Warenbörse gedeckt. Die Reifenhersteller bauen dabei arbeitenden Industrie und verkaufen direkt an diese. in der Regel keine größeren Lagerbestände auf, son- Wieder andere Plantagen befinden sich gar im Besitz dern kaufen vergleichsweise kurzfristig nach Bedarf. großer Gummiwarenhersteller, wie beispielsweise Bridgestone. Die Firma betreibt Anlagen in Liberia, Quellen: USAID 2007: 4, LMC International 2011: 43ff., DanWatch 2013: 10. 2013: 7). Auch wenn der Anbau in Plantagen die Lauf- Kleinbäuerliche Betriebe leiden unter Preis- wege der ZapferInnen erheblich verkürzt, bleibt die Be- schwankungen wirtschaftung einer Kautschukplantage sehr arbeitsin- tensiv. Sobald die Bäume regelmäßig gezapft werden, Die Preise für Naturkautschuk unterliegen starken beginnt der Arbeitstag lange vor Sonnenaufgang, denn Schwankungen (s. Graphik). Einen massiven Einbruch dann ist der Latexfluss am stärksten und liefert die bes- der Kautschukpreise gab es beispielsweise im Zuge der te Qualität. Asienkrise nach 1997. Der Preissturz dauerte bis Ende 2001 an, als der Preis für Naturkautschuk mit weniger Anders als zum Beispiel die Frucht der Ölpalme kann als 0,5 US$ pro Kilogramm auf seinem tiefsten Stand Naturkautschuk sowohl in seiner gezapften Form als seit über 30 Jahren fiel (Weber & Schaer 3/2006 vom auch als Klumpen über einen längeren Zeitraum la- 07.06.2006). In dieser Zeit, so resümierte das DGB Bil- gerfähig gemacht werden. Das erlaubt es theoretisch, dungswerk im Jahr 2001, nutzten die Reifenhersteller Lagerbestände zu bilden und sich so von Preisentwick- die wirtschaftliche Misere der Kleinbäuerinnen und lungen unabhängiger zu machen. Es liegt im Wesentli- Kleinbauern schamlos aus. Lieferverträge seien ver- chen bei den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern selbst, stärkt beim Erzeuger und den Genossenschaften der ob sie das gezapfte Latex direkt an Mittelsmänner oder Kleinpflanzer abgeschlossen worden, wobei dies vor die Fabrik zur Weiterverarbeitung verkaufen, oder ob allem dann geschehe, wenn die „Börsennotierungen sie es einige Tage trocknen lassen und die getrockneten niedrig sind, oder – was die Regel ist – bei Produzenten, Felle verkaufen (LMC International 2011: 44). Diese Op- die aus irgendeinem Grunde unter dem Börsenpreis tion steht allerdings nur dann zur Verfügung, wenn die verkaufen müssen. Da kann ein regionales Überange- Familie genügend andere Einkünfte oder Ersparnisse bot vorliegen oder eine Finanzklemme – Möglichkei- hat, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und wenn ten gibt es viele“ (DGB Bildungswerk 2001: 12). die Handelsstrukturen in der jeweiligen Region dies zulassen. Der Report des Wirtschaftsverbandes der deutschen Kautschukindustrie (wdk), der hier vom Bildungswerk 9 Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen Graphik 5: Entwicklung der Preise für verschiedene Qualitäten von Naturkautschuk (in Euro pro Kilogramm) Price Development Chart for Natural Rubber 5,00 4,50 4,00 in € per kg cif European Base Port 3,50 3,00 2,50 2,00 1,50 1,00 0,50 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 SMR CV SMR L RSS 1 SMR 10 SIR 20 Quelle: Zusammenstellung von Weber & Schaer 2015 können auch im Zuge der Wiederbepflanzung ande- re Produkte den Vorzug erhalten. In Malaysia und In- donesien wurde z.B. vielfach von Naturkautschuk auf Palmöl umgestellt, das nicht nur weniger arbeitsinten- siv, sondern angesichts der Preislage auch lukrativer ist. Da die Wachstumsphase bis zur Ernte im Falle einer Wiederbepflanzung bis zu sieben Jahre dauert, kann es über einen längeren Zeitraum zu Produktionsengpäs- sen kommen (Weber & Schaer 3/2006 vom 07.06.2006, DGB Bildungswerk 2001: 9). Nach der Krise 2001 haben die Kautschukpreise zwi- schenzeitlich wieder angezogen. Mit einem kleinen Einbruch im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 Verarbeitung von Kautschuk auf einer Plantage in Indonesien, erreichten sie einen vorläufigen Höhepunkt im Früh- Foto: Marcus/Flickr.com jahr 2011. Zu der Zeit beliefen sie sich auf Werte von 4,50 bis 5,00 Euro pro Kilogramm. Steigende Preise ha- des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zitiert ben tatsächlich auch Neupflanzungen von Kautschuk wird, ist vom Netz genommen. Auch in der Kautschuk- angeregt, mit der Gefahr, dass bei Zapfbeginn dieser industrie hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Neupflanzungen das Angebot die Nachfrage übersteigt. Preisverfall schon im Sinne einer nachhaltigen Versor- gung nicht von Nutzen ist: Eine solch negative Preisent- Niedrige Einkommen wicklung hat Folgen für die weiteren Entscheidungen der ProduzentInnen: Vor allem kleinbäuerliche Be- Seit 2011 fallen die Preise für Naturkautschuk wieder triebe können bestimmte Maßnahmen zur Erhöhung kontinuierlich. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern der Produktion (z.B. regelmäßiges Düngen) nicht mehr leiden unter dem Preisverfall ganz besonders, schon vornehmen oder sie „überzapfen“ den Baum, wodurch bei einem Preis von 1,50 Euro pro Kilogramm können der langfristige Ertrag gemindert wird. Vor allem aber viele von ihnen nicht mehr kostendeckend arbeiten. 10 Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen Ausgaben für Bildung gehören dann oft zu den ers- nen im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Sek- ten Einsparungsmaßnahmen (DanWatch 2013: 18). toren die höchste Armutsrate aufwiesen. Das niedrigs- Gerade bei Dauerkulturen, wie es sowohl Kautschuk te Lohnniveau hatten dabei die ArbeiterInnen auf den als auch Kakao oder Palmöl sind, haben die Menschen Kautschukplantagen, ihr Lohn lag hier sogar weit unter keine Möglichkeit kurzfristig auf Preisentwicklungen dem regionalen Mindestlohn, der wiederum der nied- zu reagieren. Sie sind in höchstem Maße abhängig von rigste in ganz Indonesien war (ILO 2010: 11f.). Während einmal getroffenen Investitionsentscheidungen. Eine im Untersuchungszeitraum dieser Studie (Ende 2009) stärkere Diversifizierung von Produkten könnte hier die Weltmarktpreise sehr niedrig waren, gilt dies nicht Abhilfe schaffen. für die Studie von DanWatch (Untersuchungszeitraum Ende 2012). Die Regierungen in den Produzentenländern haben das Problem schon länger erkannt, nicht zuletzt auch Landzugang und Landnutzungskonflikte deshalb, weil der niedrige Kautschukpreis schon mehr- fach Proteste in den Hauptstädten ausgelöst hat. In- Ein wichtiger Teil der sozialen Probleme entsteht aber donesien, Malaysia und Thailand haben sich seit 2001 schon lange vor der Bewirtschaftung von Plantagen, in einem internationalen Konsortium zusammenge- nämlich bei deren Anlage. Immer wieder gibt es Be- schlossen. Gemeinsam kontrollieren die drei Länder richte aus einzelnen Gemeinden, in denen Menschen mehr als zwei Drittel der weltweiten Produktion. Er- mehr oder weniger freiwillig ihr Land an die Investo- klärtes Ziel ist es, über die Kontrolle der Produktion die ren verkaufen. Ein wichtiger Faktor ist, dass die Ge- Preise auf einem angemessenen Niveau zu stabilisie- meinden viel zu wenig Unterstützung bekommen, um ren. Bis Anfang 2015 konnten sich die Preise allerdings beim Eindringen von Investoren die Kontrolle über kaum erholen und lagen bei rund 1,50 Euro. ihr Land und seine Nutzung behalten zu können, ihre Verhandlungsposition zu stärken und die Folgen ihrer Darüber hinaus gibt es seitens einiger Regierungen Entscheidung voll abschätzen zu können. Wenn über- auch weitere politische Unterstützung für kleinbäu- haupt, gibt es solche Unterstützung in der Regel nur erliche Betriebe (spezielle Programme inkl. Bera- von Nichtregierungsorganisationen (NRO) (Fox / Cas- tungsprogrammen, Subventionen und Krediten). So tella 2010: 13f.). Auch die gemeinschaftliche Nutzung konnten zum Beispiel in China oder Thailand kleinere von Wäldern, die in vielen Gemeinden praktiziert wird, Betriebe vor allem auch durch politische Unterstüt- sei es durch Jagen und Fischen, die Nutzung einzelner zung finanziell vom Kautschukanbau profitieren. In Waldprodukte für Nahrung, Futtermittel oder für me- anderen Ländern hingegen, wie in Laos, Kambodscha dizinische Zwecke sowie der Ackerbau durch Brandro- und Myanmar werden bestehende Gesetze zugunsten dung, ist bedroht durch die Vergabe großflächiger Nut- der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern oft von anderen zungskonzessionen an Unternehmen. Viele Menschen Interessen konterkariert (Fox / Castella 2010: 16). verlieren ihre gesamte Lebensgrundlage, wenn diese Waldstücke gerodet werden oder ihnen der Zugang Auch für die PlantagenarbeiterInnen (ob als dauerhaf- genommen wird. Dies wird besonders in Kambodscha te Arbeitskräfte oder als TagelöhnerInnen) gilt, dass deutlich, wo die Konzessionsvergabe in den vergange- der Lohn für die harte Arbeit oft kaum zum Überleben nen Jahren dramatisch zugenommen hat (s. Kap. 3.2). reicht. Zwar lag er einer Untersuchung in Malaysia und Indonesien zufolge bei oder knapp über dem gesetzlich Ökologische Probleme vorgeschriebenen Mindestlohn, doch wird auch dieser zum Beispiel von der Internationalen Arbeitsorganisa- Die großflächige Entwaldung, zum Beispiel für die tion (International Labour Organisation – ILO) als deut- Anlage großer Plantagen von Ölpalmen oder Kaut- lich zu niedrig eingestuft, um eine zwei- bis vierköpfi- schukbäumen auf ehemaligen Regenwaldflächen, ist ge Familie zu ernähren. TagelöhnerInnen verdienten eine der wichtigsten Treiber des Klimawandels. Das zudem häufig weniger. Von denen in der DanWatch- Beispiel Kambodscha zeigt, dass hier gerade die gro- Studie untersuchten Plantagen zahlte allein Bridge- ßen industriellen Kautschukplantagen vorrangig auf stone einen Lohn, der diesen Anforderungen gerecht ehemals staatlichem Waldgebiet angelegt werden. Die wurde. Viele ZapferInnen beklagten zudem, dass zum Auswertung von Satellitenbildern deutet darauf hin, Beispiel in der Regenzeit, wenn an manchen Tagen gar dass es beispielsweise in Kambodscha großflächige Ro- nicht gearbeitet werden kann, der Lohn teilweise über dungen gegeben hat, nachdem hier Landkonzessionen mehrere Monate deutlich unter dem Mindestlohn lag für Kautschukunternehmen vergeben worden waren. (DanWatch 2013: 12, 14). Diese betreffen auch Gebiete, die an die Konzessionen angrenzen, aber nicht Bestandteil sind, was auf illega- Eine Untersuchung der ILO fand für Indonesien heraus, len Holzeinschlag hindeutet. Die Waldflächen sind al- dass aufgrund des Lohnniveaus PlantagenarbeiterIn- 11 Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
> 3 Ein Blick in einzelne Regionen Kautschukplantagen im Tiefland durch Plantagen der klimasensibleren aber profitablen Ölpalme ersetzt werden und neue Anbaugebiete benötigen. Bis 2012 wurden so Kautschukplantagen auf insgesamt mehr als einer Millionen Hektar nicht traditioneller Anbau- gebiete (respektive der Bergregionen) auf dem Fest- land Südostasiens eingerichtet. Bis zum Jahr 2050 soll sich diese Größe noch vervierfachen. Dadurch werden Sekundärwald und traditionelle Landnutzungssysteme mit Wanderfeldbau ersetzt (Fox et al. 2014: 2). Aufgrund der Anlage als weitläufige Monokultur gehen die Landnutzungsänderungen mit einem im- mensen Verlust von Biodiversität und anderen Um- Regenwald in Kalimantan/Indonesien, Foto: CIFOR/Flickr.com weltdienstleistungen einher (Dararath et al. 2011: 14, 30; Fox et al. 2014: 5). Als weitere ökologische Folgen lein hier von 73 % der Landmasse in den 1990er Jahren wurden vor allem für die Bergregionen eine lokale auf 57 % im Jahr 2010 zurückgegangen (Global Witness Zunahme von Trockenperioden und ein Verlust an 2013: 9, 18, 28). Bodenqualität ausgemacht. Das hat damit zu tun, dass der Kautschukbaum in seinem Wachstumsrhythmus Da das Potential für die leicht zugänglichen Flachland- nicht an die klimatischen Bedingungen in der Region regenwälder aber weitgehend ausgeschöpft ist, und angepasst ist. Seine wichtigste Wachstumsphase, in der die Züchtung kältetoleranterer Sorten Erfolge zeitigte, er viel Wasser benötigt, fällt in diesen Regionen in die werden mehr und mehr auch höhere Bergregionen Hochphase der Trockenzeit. Darüber hinaus führten erschlossen, die ökologisch sehr sensibel sind (Bethge die Anlage von Terrassen und der intensive Einsatz von et al. 2014: 32). Ein weiterer Grund für die Ausweitung Düngemitteln zu einem Verlust an Bodenqualität (Fox der Anbaugebiete von Kautschuk ist, dass ehemalige et al. 2014: 4f.). 3 Ein Blick in einzelne Regionen > 3.1 Fallbeispiel Indonesien Anbau und Produktion Die Anbaubedingungen für Kautschuk in Indonesien zu tun haben, dass Indonesien einen höheren Anteil sind günstig und das Land verfügt über die weltweit an Kautschukproduktion in Agroforstkultur hat, die größten Anbauflächen von Naturkautschuk. Aufgrund eine geringere Flächenproduktion aufweist, dafür aber der geringeren Erträge pro Hektar liegt das Land aber auch andere Produkte generiert. knapp hinter Thailand nur auf Platz zwei in der Rang- liste der Naturkautschuk produzierenden Länder, pro- Zudem wird der Großteil des indonesischen Kaut- duziert damit aber mehr als ein Viertel des globalen schuks in kleinbäuerlicher Landwirtschaft gewon- Kautschuks (FAOstat 2015). Die Kautschukproduktion nen – Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sind in Besitz Indonesiens stieg von knapp 700.000 Tonnen in den von 85 % der indonesischen Kautschukanbauflächen. 1960er Jahren auf über 3 Mio. Tonnen im Jahr 2013. Staatliche und privat-industrielle Plantagen sind zwar Dabei hat die Kautschukproduktion besonders ab der ertragreicher, nehmen aber aufgrund ihres geringen Jahrtausendwende stark zugenommen (s. Graphik 6). Anteils am Kautschukanbau nur eine untergeordnete Der Ertrag konnte in den vergangenen Jahren zwar et- Rolle ein (s. Graphik 7). Der größte Teil des produzierten was gesteigert werden, noch immer liegt die Flächen- Kautschuks wird exportiert. Schwankungen des Welt- produktion aber rund ein Drittel unter der des Markt- marktpreises wirken sich demnach besonders negativ führers Thailand. Dies könnte unter anderem damit aus. Gemeinsam mit Thailand und Malaysia versucht 12 Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
> 3 Ein Blick in einzelne Regionen das Land daher immer wieder bei Preisverfall über Ver- Hauptabsatzmarkt für den indonesischen Kautschuk einbarungen zu Exportbeschränkungen die Preise zu ist Asien gefolgt von Nordamerika und Europa. Als stützen, wie zuletzt in den Jahren 2013 und 2014. Auf- Hauptimporteur von Kautschuk in Europa, importierte grund der gesunkenen Preise und der beschlossenen Deutschland 2013 über 72.000 Tonnen Kautschuk di- Ausfuhreinschränkungen ging der Export 2012 in Dol- rekt aus Indonesien (GAPKINDO 2015b: o.S.). larpreisen um fast ein Drittel gegenüber dem Vorjahr zurück (GTAI 2014: o.S.). Graphik 6: Erntefläche, Produktion und Ertrag von Kautschuk in Indonesien, 1980-2013 in kg/ha 4,00 4000 3,50 3500 3,00 3000 2,50 2500 2,00 2000 1,50 1500 1,00 1000 0,50 500 0,00 0 2001 2011 2004 2005 2008 2009 2000 2002 2003 2006 2007 2012 1998 2013 1980 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1982 2010 Fläche Produktion Ertrag Quelle: FAOstat 2015 (in Mio. Hektar) (in Mio. Tonnen) (rechte Skala) Graphik 7: Produktion der verschiedenen Betriebsformen in Indonesien, 2008-2014 (in 1.000 Tonnen) 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Kleinbäuerliche Betriebe Staatliche Unternehmen Private Unternehmen Quelle: GAPKINDO 2015a: o.S. 13 Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
> 3 Ein Blick in einzelne Regionen Ökologische Folgen Die Umstellung auf Monokulturen istmit hohen Investi- tionskosten verbunden. Neben Ausgaben für Setzlinge Das Hauptanbaugebiet für Kautschuk ist Sumatra, und Dünger ist auch mit Einnahmeverlusten zu rech- auch West Kalimantan ist für den Kautschukanbau in nen, da in der Wachstumsphase keine Erträge erwirt- Indonesien bedeutsam. Der Verlust von Primärwald ist schaftet werden und nur für einen kurzen Zeitraum in diesen beiden Regionen mit Abstand am größten in- Zwischenkulturen angebaut werden können. Oft fehlt nerhalb Indonesiens, dem Land mit einer der höchsten es den Menschen schlichtweg an finanziellen Mitteln Entwaldungsraten weltweit. Zwischen 2000 und 2012 und Zugang zu Kleinkrediten, um solche Investitionen gingen in Indonesien insgesamt über 6 Mio. Hektar Pri- tätigen zu können. märwald verloren, 2,8 Mio. Hektar davon auf Sumatra und 2,4 Mio. Hektar auf Kalimantan (Margono et al. Kleinbäuerlicher Kautschukanbau 2014: 4). Ohne Frage ist der Anbau von Ölpalmen der sehr viel stärkere Faktor für den Waldverlust in Indone- Schwankende Preise für Naturkautschuk sind für viele sien. Seine Fläche hat sich seit 1990 verzehnfacht, wo- kleinbäuerliche Betriebe eine große Herausforderung. hingegen die Anbaufläche von Kautschuk sich im glei- Zur Zeit einer Untersuchung der dänischen NRO Dan- chen Zeitraum (allerdings von höherem Niveau aus) Watch (2013) wurden rund zwei Hektar Land als Mi- „nur“ verdoppelt hat (FAOstat 2015). Trotzdem beläuft nimum angegeben, um von dem Ertrag eine Familie sich die Erntefläche von Kautschuk heute etwa auf die ernähren zu können. Zu dieser Zeit (Oktober 2012) lag Hälfte der Fläche von Ölpalmen und sollte daher stär- der Kautschukpreis allerdings noch deutlich über dem ker ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Niveau von heute, gleichwohl schon deutlich niedri- ger als im Spitzenjahr 2011. Einige der LandwirtInnen, Über lange Zeit wurde Kautschuk auf Sumatra weitläu- die im Schnitt zwei Hektar bewirtschafteten, gaben an, fig als Agroforstwirtschaft betrieben. Auch heute noch dass sie keine Ersparnisse für die Ausbildung der Kin- betreiben viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern den der mehr zurücklegen konnten. KautschukfarmerIn- Kautschukanbau in Mischkulturen, was für die Umwelt nen mit mehr als einem Hektar Land, beschäftigen oft sehr viel schonender ist als die Monokultur, denn Bio- TagelöhnerInnen auf den Feldern, die sie am Erlös des diversität bleibt erhalten, die Böden können mehr Koh- Verkaufs mit 30-60 % beteiligen (DanWatch 2013: 18). lenstoffdioxid (CO2) speichern und haben eine bessere Ein großes Problem bei den kleinbäuerlichen Betrie- Qualität. ben ist die mangelnde Schutzkleidung beim Ausbrin- gen hochgiftiger Pestizide. Dies war zwar in geringem Mitte des vergangenen Jahrhunderts begannen aber Maße auch in den Plantagen festgestellt worden, war die sehr viel profitableren Monokulturplantagen, an aber bei den kleinen Betrieben sehr viel häufiger (Dan- Bedeutung zu gewinnen. Damit gerieten auch die Watch 2013: 19). Systeme der Agroforstwirtschaft unter Druck und seit Beginn des Jahrtausends hat der Verlust dieser Wald- Kleinbäuerliche Betriebe, die sich in der Nähe von gro- systeme gegenüber dem Verlust von Primärwald an ßen Plantagen befinden, haben oft eine höhere Pro- Bedeutung gewonnen (Villamor et al. 2014: 151). Denn duktivität, weil sie von hier sowohl formell durch Schu- immer mehr Kleinbäuerinnen und Kleinbauern stel- lungen als auch informell Know-how erlangen (USAID len heute ihre Anbauweise von Agroforstwirtschaft 2007: 26). Auch die Dachorganisation der Kautschuk- auf Monokultur um. Das ist wenig verwunderlich an- unternehmen in Indonesien (GAPKINDO) führt Schu- gesichts der Tatsache, dass – je nach Preislage – viele lungen für KautschukfarmerInnen durch und stellt Haushalte bei der Agroforstwirtschaft den größten Teil Pflanzmaterial zur Verfügung. Nach Aussagen von ihres Einkommens mit Kautschuk erzielten (Feintrenie Bridgestone, die auf ihren Plantagen mit Kleinbäue- / Levang 2009: 2, 4). Eine Spezialisierung auf Kautschuk rinnen und Kleinbauern zusammenarbeiten und Schu- (oder die Umstellung der Ländereien auf das weniger lungen anbieten, konnten die Erträge hierdurch um bis arbeitsintensive und lukrativere Palmöl) stellt eine zu 400 % gesteigert werden (DanWatch 2013: 18). lohnenswerte Alternative dar. Die Zunahme der Mono- kulturplantagen auch von Kautschuk geht aber einher Auch der indonesische Staat unterstützt kleinbäu- mit einem hohen Verlust von Biodiversität und zuneh- erliche Betriebe, um die Produktion von Kautschuk mender Bodendegradation. Angesichts des hohen Ver- zu steigern. Die Umwandlung von Sekundärwald in lustes an Primärwald, den die Region bereits durchlebt großflächige Plantagen über entsprechende Konzessi- hat, wäre der Erhalt dieser Agroforstsysteme für die onsvergaben, aber auch die Unterstützung von Klein- Biodiversität jedoch von großer Bedeutung (Villamor bäuerinnen und -bauern durch Kleinkredite und Sied- et al. 2014: 151). lungsprogramme, bei denen zusätzliche Arbeitskräfte aus anderen Provinzen angelockt werden, all das ist Teil staatlicher Programme (Villamor et al. 2014: 152). Dem 14 Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
> 3 Ein Blick in einzelne Regionen Arbeit auf der Kautschukplantage, Foto: Ryan Woo/Flickr.com stehen jedoch auch Programme internationaler Orga- Die Studie von DanWatch (2013) aus den drei Provin- nisationen in einigen Regionen gegenüber, die über zen Nord-Sumatra, Süd-Sumatra und Lampung (plus bestimmte Anreize versuchen, die Agroforstsysteme zwei Provinzen in Malaysia) ergab, dass zahlreiche Ver- zum Schutz von Biodiversität und weiteren Öko-Dienst- letzungen der ILO Arbeitsnormen auf den Kautschuk- leistungen aufrecht zu erhalten. Solche Programme plantagen zu verzeichnen waren, die insbesondere könnten ein erster Schritt hin zu einer Zertifizierung TagelöhnerInnen betrafen. Das Reifenunternehmen von nachhaltigem Kautschuk darstellen. Und tatsäch- Bridgestone unterhält hier große Plantagen und kauft lich scheinen entsprechende Anreize zu bewirken, dass auch Kautschuk von angrenzenden Kleinbäuerinnen auch die Menschen vor Ort den Umwelt-Dienstleistun- und Kleinbauern auf. Bridgestone war das einzige Un- gen, insbesondere die Biodiversität, einen höheren ternehmen, das freien Zugang zu allen Plantagen ge- Wert zusprechen. Untersuchungen in Jambi auf Su- währte. DanWatch hat darüber hinaus Interviews mit matra ergaben, dass nach Anlaufen dieser Programme KautschukzapferInnen von insgesamt elf Plantagen so- deutlich mehr indonesische Kautschuk-Kleinbetriebe wie mit weiteren Sachverständigen geführt (die folgen- dazu bereit waren, weiterhin Agroforstwirtschaft zu den Ausführungen beruhen auf DanWatch 2013: 11ff.). betreiben (Villamor / van Noordwijk 2011: 8ff.). Plantagenwirtschaft Der Anbau von Kautschuk auf privaten und staatlichen Plantagen spielt in Indonesien eine sehr viel geringe- re Rolle. Nur etwas über 20 % der Gesamtproduktion Indonesiens stammen zu etwa gleichen Teilen von großen staatlichen oder privaten Plantagen. Auf den Kautschukplantagen wird ausschließlich Kautschuk in Monokulturen angebaut. Die wesentlichen Aufga- ben der ArbeiterInnen auf den Plantagen bestehen im Anzapfen der Kautschukbäume, dem Einsammeln des Kautschuks sowie der Beseitigung von Unkraut, der Versorgung von Jungpflanzen und mehrmals jährlich dem Ausbringen von Pestiziden. Foto: Ursula/Flickr.com 15 Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
> 3 Ein Blick in einzelne Regionen Die Angestellten auf den Plantagen arbeiten in der Re- in anderen Sektoren wurden bereits eindringlich dar- gel sieben Tage die Woche, nur wenige haben einen gestellt (z.B. Amnesty International 2010: 16ff.). Ähnli- oder maximal zwei Sonntage im Monat frei. Die Unter- che Missstände fand auch DanWatch (2013: 14) für die nehmen setzen Anreize, zahlen z.B. höheren Lohn an indonesischen MigrantInnen auf den untersuchten Sonntagen, um die ArbeiterInnen dazu zu bewegen Kautschukplantagen in Malaysia: Einbehaltene Päs- den ganzen Monat durchzuarbeiten. Der Grundlohn se, Löhne deutlich unter dem Mindestlohn und damit war auf allen besuchten Plantagen mehr oder we- verbunden erzwungene Überstunden und mangeln- niger gleich und entsprach in etwa dem regionalen de Möglichkeiten, sich gewerkschaftlich zu organisie- Mindestlohn. Allerdings variieren die verschiedenen ren. Prämien und Zulagen. Das mit diesen Überstunden erzielte Monatseinkommen lag damit zwar in der Eine ältere Studie der ILO aus dem Jahr 2008 hatte Regel über dem regionalen Mindestlohn, dieser ist noch verheerendere Zustände auf indonesischen Kau- aber nicht ausreichend, um eine Familie mit zwei bis tschukplantagen im Hinblick auf Kinderarbeit zutage vier Kindern versorgen zu können. Zudem kam es zu getragen1. Doch hier scheint sich die Situation etwas Lohneinbußen in der Regenzeit, wenn nicht an allen verbessert zu haben. Weder DanWatch (2013) noch Tagen gezapft werden kann. Generell wird zwischen eine neuere Untersuchung der ILO (2010) hatte im TagelöhnerInnen und Angestellten unterschieden. In Untersuchungszeitraum arbeitende Kinder unter 15 manchen Plantagen erhielten TagelöhnerInnen deut- Jahren angetroffen. Beide Organisationen erhielten lich weniger und erreichten damit nur Löhne, die bis aber in Gesprächen mit weiteren Sachverständigen zu 25 % unter dem Mindestlohn lagen. Allein Bridges- glaubwürdige Informationen, dass zu bestimmten tone zahlte einen angemessen Lohn und stellte darü- Jahreszeiten Kinderarbeit noch immer ein Problem ber hinaus kostenlose medizinische Versorgung im sei. Unternehmen verfolgten teilweise auch die Stra- eigenen Krankenhaus zur Verfügung. tegie, ganze Familien anstelle einzelner Angehöriger zu beschäftigen und spezielle Familientarife zu zahlen Festangestellten wird oft eine Behausung zur Ver- (ILO 2010: 28, DanWatch 2013: 16). fügung gestellt und vor allem können sie sich in Ge- werkschaften organisieren. Manche TagelöhnerIn- Die Studie der ILO (2010) umfasste verschiedene Agrar- nen arbeiten seit mehreren Jahren kontinuierlich auf sektoren und kam zu dem Ergebnis, dass Plantagenar- den Plantagen. Aufgrund ihres Status fehlt ihnen das beiterInnen im Vergleich zu anderen landwirtschaft- Recht, sich Gewerkschaften anschließen zu dürfen. In lichen Sektoren die höchste Armutsrate aufwiesen. einem Unternehmen in Süd-Sumatra hatte keineR der Das hat vor allem mit dem niedrigen Lohnniveau zu dort Beschäftigten einen dauerhaften Arbeitsvertrag. tun, das hier sogar weit unter dem regionalen Min- Alle ZapferInnen – mehrere Hunderte – wurden als Ta- destlohn lag. 82 % aller ArbeiterInnen auf Plantagen gelöhnerInnen beschäftigt, einige von ihnen bereits verdienten nicht genug, um ihre Familien versorgen seit mehr als 10 Jahren. Auch sonst unterschied sich zu können. Die niedrigsten Löhne innerhalb dieser ihre Anstellung nicht von der, die Festangestellte in Gruppe wurden dabei auf den Kautschukplantagen anderen Plantagen haben. Dies widerspricht nicht nur gezahlt (ILO 2010: 11f.). KeineR der interviewten Plan- der ILO-Konvention, sondern auch der indonesischen tagenarbeiterInnen hatte derzeit einen festen Ver- Gesetzgebung. In dieser Plantage waren nicht nur die trag, bezahlt wurde nach Menge des abgelieferten niedrigsten Löhne vorzufinden, die Anstellungspraxis Latex. Abhängig von der Saison ist diese Menge aber verhindert auch, dass die ArbeiterInnen sich gewerk- keine konstante Größe und kann von den ZapferInnen schaftlich organisieren können. nicht beeinflusst werden. Ein fairer Stücklohn müsste dies eigentlich berücksichtigen, was aber nicht immer Indonesische ArbeiterInnen sind auch nicht selten der Fall sei (ILO 2010: 22). Dass dieser Missstand noch in malaysischen Kautschukplantagen beschäftigt. immer nicht vollständig behoben ist, zeigt die Studie Strukturelle Missstände, die teilweise sklavenartige von DanWatch (2013). Situation vieler MigrantInnen auf großen Plantagen 1 http://ilo.org/jakarta/areasofwork/WCMS_126206/lang--en/index.htm 16 Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
> 3 Ein Blick in einzelne Regionen > 3.2 Fallbeispiel Kambodscha Anbau und Produktion Ganz besonders aber nutzt sie verschiedene Instru- mente, um den agroindustriellen Ausbau weiter vor- Verglichen mit Indonesien spielt Kambodscha eine un- anzutreiben. So vergibt sie in großem Stil wirtschaftlich tergeordnete Rolle in der globalen Kautschukprodukti- orientierte Landkonzessionen (sogenannte ELC - Eco- on. Mit einer Jahresproduktion von 43.000 Tonnen im nomic Land Consession), über die vor allem staatliche Jahr 2013 nahm Kambodscha Platz 17 unter den welt- Waldgebiete mittels langfristiger Verträge von maxi- weiten Kautschukproduzenten ein und beteiligte sich mal 99 Jahren an in- und ausländische Unternehmen mit 0,4 % an der Gesamtproduktion. Das Land ist den- für den Plantagenbau vergeben werden. Auch hier- noch ein sehr interessantes Beispiel, da es erst in den durch sollen neue Arbeitsplätze für die ländliche Bevöl- letzten Jahren zu einem Boom des Kautschukanbaus kerung geschaffen und der Ausbau von Infrastruktur kam, welcher mit gravierenden Menschenrechtsverlet- vorangetrieben werden. Der Ausbau der industriellen zungen einherging. Landwirtschaft ist somit fester Bestandteil der Ent- wicklungsstrategie Kambodschas (ADHOC 2013: 5). Die Kautschukproduktion in Kambodscha unterliegt Einnahmen aus dem Kautschukanbau bzw. den ELC seit ihren Anfängen im 20. Jahrhundert starken Schwan- fließen zunächst an die Zentralregierung und münden kungen. Seit der Gründung der ersten Plantagen 1914 keinesfalls automatisch in Infrastrukturprojekte in den nahm die Kautschukproduktion Kambodschas bis 1969 betroffenen Regionen. auf 46.000 Tonnen im Jahr stetig zu. Durch den Beginn der Unruhen in Kambodscha, der Machtübernahme Mangelnde Transparenz und fehlender Schutz der Roten Khmer und dem sich hieraus entfachenden Bürgerkrieg brach die Kautschukproduktion bis 1981 Offizielle Informationen zu den ELC sind rar, die In- dramatisch ein. Bis 2013 erhöhte sich die Produktion transparenz ist groß. Es gibt kein öffentlich zugängli- jedoch wieder auf über 43.000 Tonnen, die auf rund ches Kataster und die Regierung veröffentlicht keine 36.000 Hektar geerntet wurden (vgl. FAOstat 2015). Listen über die Gebiete, die sie für die agroindustriel- Regierungsquellen liefern etwas höhere Zahlen: Dem- len Investitionen im Rahmen der ELC verpachten will. nach lag die geerntete Fläche 2011 bei 45.000 Hektar Es gibt zwar eine Liste über abgeschlossene Verträge, und die Produktion bei über 51.000 Tonnen. 213.000 doch es gibt keine Informationen darüber, wann Ver- Hektar waren demnach bereits insgesamt mit Kaut- handlungen beginnen (Global Witness 2013: 12). Die schukbäumen bepflanzt, von denen sich jedoch ein Liste scheint auch wenig glaubwürdig: Eine Stichprobe großer Teil noch in der Wachstumsphase befindet (vgl. im Juni 2012 ergab, dass bekannte Konzessionen hier Ministry of Commerce 2012: 5). Damit ist in den kom- menden Jahren mit einer deutlichen Zunahme der Pro- duktion zu rechnen. Aussagen der Regierung für das Jahr 2013 gingen bereits von einer Fläche von 78.000 Hektar aus, auf der Kautschuk geerntet wurde2. Die Ausweitung der Kautschukplantagen führt zur Abholzung von Wäldern, deren Flächen in den ver- gangenen Jahren von 12,1 Mio. Hektar (1996) auf 9,8 Mio. Hektar (2012) deutlich gesunken ist (nach FAO- stat 2015). Schon heute existieren großflächige Kaut- schukanbaugebiete. Bis zum Jahr 2020 soll die Fläche 300.000 Hektar umfassen, von denen dann auf 235.000 Hektar gezapft wird (vgl. Ministry of Commerce 2012: 1). Der Kautschukanbau ist für die Regierung von gro- ßer Bedeutung, denn Kautschuk ist das wichtigste land- wirtschaftliche Exportprodukt. Der Kautschukanbau soll auch Arbeitsplätze für die ländliche Bevölkerung Proteste gegen Landraub, Foto: Heimkhera Suy/Flickr.com schaffen und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern aus der Armut befreien. 80 % der Bevölkerung in Kambod- scha lebt auf dem Land, wo Armut weit verbreitet ist. 2 Mit diesen Zahlen wird zum Beispiel der Agrarminister Ouk Rabun in The Die Regierung unterstützt daher auch den kleinbäu- Phnom Penh Post vom 1. April 2014 zitiert (http://www.phnompenhpost.com/ erlichen Anbau, in Form von Landtiteln, Kleinkrediten business/rubber-decline-stokes-worry). und technischer Ausbildung. 17 Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
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