Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind

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Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind
Die „Tränen des Baumes“
als Wirtschaftsgut
        Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor

                 Irene Knoke, Helena Inkermann, Leonie Stapelfeldt
Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind
> Inhalt

Impressum                                      Inhalt
Bonn, Mai 2015
                                               1 Einleitung                                                                               3
Herausgeber:
SÜDWIND – Institut für
Ökonomie und Ökumene                           2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen                                                     4
Kaiserstraße 201                               2.1 Kautschuk einst und heute                                                              4
53113 Bonn
                                               2.2 Deutschlands Rolle auf dem Weltmarkt                                                   7
Tel.: +49 (0)228-763698-0
info@suedwind-institut.de                      2.3 Soziale und ökologische Probleme in den Anbauländern                                   8
www.suedwind-institut.de
Bankverbindung:                                3 Ein Blick in einzelne Regionen                                                          12
KD-Bank                                        3.1 Fallbeispiel Indonesien                                                               12
IBAN: DE45 3506 0190 0000 9988 77              3.2 Fallbeispiel Kambodscha                                                               17
BIC: GENODED1DKD
                                               3.3 Fallbeispiel Afrika                                                                   21
AutorInnen:
Irene Knoke, Helena Inkermann,
Leonie Stapelfeldt                             4 Weiterverarbeitung in Deutschland                                                       24
                                               4.1 Die Reifen- und Gummiindustrie                                                        24
Redaktion und Korrektur:
Sandra Grigentin-Krämer                        4.2 Nachhaltigkeitsansätze in der Kautschukbranche                                        25

V.i.S.d.P.: Martina Schaub
                                               5 Handlungsansätze für die Kautschukindustrie                                             29
Gestaltung und Satz:
www.pinger-eden.de
                                               6 Literaturverzeichnis                                                                    32
Druck und Verarbeitung:
Brandt GmbH, Bonn,
gedruckt auf Recycling-Papier
Titelfoto:
Plantagenarbeiterin, Indonesien,
Foto: Tri Saputro for Center for                 Abkürzungsverzeichnis
International Forestry Research
(CIFOR)/Flickr.com
                                                 ELC           Economic Land Consession / Ökonomische Landkonzessionen
                                                 ETRMA         European Tyre and Rubber Manufactures Association / Europäischer
                                                               Reifen- und Gummiverband
Gefördert aus Mitteln des Kirchlichen            ILO           International Labour Organisation / Internationalen
Entwicklungsdienstes, durch Brot für die                       Arbeitsorganisation
Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst,         IRSG          International Rubber Study Group / Internationale Kautschuk-
durch den Evangelischen Kirchenverband
                                                               studiengruppe
Köln und Region sowie die Evangelische
Kirche im Rheinland.                             NRO           Nichtregierungsorganisation
                                                 OECD          Organisation for economic Cooperation and Development /
Für den Inhalt dieser Publikation ist allein                   Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
SÜDWIND e.V. verantwortlich.Die hier             TEE           Technische Elastomer-Erzeugnisse
dargestellten Positionen geben nicht
                                                 UNPH          Union National des Planteurs d’Hévéa / Nationaler Verband der
den Standpunkt von Engagement Global
gGmbH und dem Bundesministerium für                            Kautschukanbauer
wirtschaftliche Zusammenarbeit und               VN            Vereinte Nationen
Entwicklung wieder.                              wdk           Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie

Gefördert von ENGAGEMENT GLOBAL                Gefördert durch:
im Auftrag des

2
                                                                                                    Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind
> 1 Einführung

1 Einführung

Gummi ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer In-     Kambodscha und Afrika) sollen einzelne Problemlagen
dustrieproduktion geworden. Ein Teil davon basiert        beim Kautschukanbau und regionale Unterschiede ge-
dabei auf Naturkautschuk, der aus dem Baumsaft des        nauer beleuchtet werden. Hierzu gehören sowohl die
Kautschukbaums produziert wird. Der größte Teil wird      ökologischen Probleme des Plantagenbaus, als auch die
heute jedoch synthetisch hergestellt. Naturkautschuk      Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kleinbäuerinnen
hat entscheidende Vorteile in puncto Elastizität und      und Kleinbauern sowie der PlantagenarbeiterInnen. In
Belastbarkeit, die für bestimmte Anwendungsgebiete        einem weiteren Kapitel wird die Rolle der kautschuk-
bis heute nicht von synthetischen Elastomeren erreicht    verarbeitenden Unternehmen in Deutschland genauer
werden konnten. Insbesondere im Automobil- und            betrachtet. Auch hier haben sich erste Nachhaltigkeits-
Flugverkehr ist Naturkautschuk durch synthetischen        ansätze herausgebildet, die Branche steht jedoch noch
Kautschuk nicht zu ersetzten. So bestehen beispielswei-   eher am Anfang einer Entwicklung, in der der Begriff
se PKW-Reifen zu 50 %, LKW-Reifen zu 80 % und Flug-       Nachhaltigkeit mit seinen verschiedenen Aspekten das
zeugreifen sogar zu 100 % aus Naturkautschuk (vgl.        Handeln bestimmt. Abschließend werden einige Hand-
Bethge et al. 2014: 31).                                  lungsansätze aufgezeigt, mit denen diese Entwicklung
                                                          weiter betrieben werden kann.
Der Anbau von Kautschukbäumen findet heute vieler-
orts überwiegend in kleinbäuerlicher Produktion statt.
Hauptanbaugebiet ist mit großem Abstand Asien. Der
weltweit steigende Bedarf, maßgeblich beeinflusst
auch von dem wachsenden Mobilitätsmarkt in den
Schwellenländern, hat aber vor allem auch dort große
Investoren auf den Plan gerufen, die teilweise mit ver-
heerenden Auswirkungen auf Mensch und Natur rie-
sige Plantagen anlegen. Die Auswirkungen sind hier
ähnlich wie beispielsweise im Palmölsektor. Doch wäh-
rend die Palmölproduktion schon häufig Kritik aus-
gesetzt war, steht die Gewinnung von Kautschuk und
dessen Auswirkungen nur selten im Fokus kritischer
Untersuchungen.

Der groß-industrielle Plantagenbau hat im Kautschuk-
bereich vor allem in den vergangenen Jahren stark an
Bedeutung gewonnen. Gravierende Menschenrechts-
verletzungen gab es bereits bei der Anlage solcher
Plantagen. Mit zunehmender Inbetriebnahme müssen
auch Fragen nach den Arbeitsbedingungen stärker in
den Fokus rücken. Hier lohnt ein Blick auf die Erfah-
rungen, die es in bestehenden Plantagen bereits gibt.     Die „Tränen des Baumes“ – Naturkautschuk,
Angesichts ihrer großen Bedeutung müssen aber auch        Foto: RarePlanet/Flickr.com
die kleinbäuerliche Produktion und die Lebensbedin-
gungen der kleinen ProduzentInnen im Fokus bleiben.

Die vorliegende Studie gibt zunächst einen Überblick
über die Produktion und den Verbrauch von Natur-
kautschuk. Anhand von drei Fallbeispielen (Indonesien,

                                                                                                                                3
Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen

               2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen

               > 2.1 Kautschuk einst und heute

               Kautschuk – eine kurze Geschichte                            Der Kautschukbaum - Hevea brasiliensis

               Der Kautschukbaum stammt ursprünglich aus Süd-               Der Kautschukbaum benötigt sehr spezifische Vor-
               amerika. Schon früh wurde dort das vielseitige Potenzi-      aussetzungen bezüglich Niederschlag und Tempe-
               al der Kautschukpflanze erkannt. Die Indigenen nann-         ratur, die sich nur im tropischen Tiefland nahe dem
               ten den Milchsaft der Bäume „caucho“, die „Tränen des        Äquator finden, dem sogenannten Kautschukgür-
               Baumes“, und nutzten ihn zur Herstellung wasserdich-         tel. Fünf bis sieben Jahre nach der Pflanzung kann
               ter Behälter. Der empfindliche Naturkautschuk wurde          einem Kautschukbaum der Milchsaft durch einen
               jedoch bei hohen Temperaturen schnell klebrig und            Anschnitt der Latexgefäße entnommen und in ei-
               stank. Im Jahr 1839 gelang dem US-Amerikaner Charles         nem Gefäß gesammelt werden. Im Schnitt sind dies
               Goodyear nach langjährigen Versuchen eher durch              etwa 100 ml pro Zapfung, ein Drittel davon ist der
               Zufall die Vulkanisierung des Kautschuks, die dies ver-      begehrte Kautschuk. Den höchsten Ertrag erreicht
               hindert. Bei der Vulkanisierung werden durch die Zu-         ein Baum nach 12 bis 15 Jahren, danach lässt die
               gabe von Schwefel sowie unter Wärmeeinwirkung die            Produktion sukzessive nach. Im Schnitt werden zwei
               langen Molekülketten durch Schwefelbrücken verbun-           bis drei Zapfungen pro Woche durchgeführt und es
               den und aus dem empfindlichen Naturkautschuk wird            gibt eine „wintering season“ von ca. 4 bis 8 Wochen,
               Gummi – ein hochelastisches temperaturresistentes            in der nicht gezapft wird. Während seiner wirt-
               Material. Erst mit der Zeit verliert Gummi seine Elastizi-   schaftlich nutzbaren Lebenszeit kommt ein Kau-
               tät und wird porös, da die Schwefelbrücken durch Sau-        tschukbaum so auf ungefähr 150 Liter Latex, dies
               erstoffbrücken ersetzt werden.                               entspricht ca. 50 Kilogramm Festkautschuk. Spätes-
                                                                            tens wenn der Baum nach etwa 25 Jahren seine Pro-
               Naturkautschuk wurde zu einem weltweit begehrten             duktion einstellt, lässt sich aber auch das beliebte
               Rohstoff und die im brasilianischen Urwald gelegene          und qualitativ hochwertige Holz gut verwerten und
               Stadt Manaus zum Herzen des Kautschukhandels. Da             wird zum Beispiel in der Möbel- und Spielzeugin-
               Brasilien unter Todesstrafe einen Ausfuhrstopp auf die       dustrie eingesetzt.
               Samen verhängt hatte, besaß das Land das absolute Mo-
               nopol. Während in Manaus der neu gewonnene Reich-            Der Kautschukbaum ist anfällig für Blatt- und Wur-
               tum genossen wurde, arbeiteten im tiefsten Urwald die        zelkrankheiten. Vor allem die Blattkrankheit SALB
               sogenannten „serengueiros“, die Latexsammler, die in         (Microcyclus ulei), ein sich schnell ausbreitender
               der „grünen Hölle“ oft unfreiwillig Kautschuk zapften        Pilz, stellt eine Gefahr für Kautschukplantagen dar.
               und ihn anschließend transportfähig machten. Viele           Die dichte Bepflanzung der Plantagen unterstützt
               „seringueiros“ wurden von Krankheiten geplagt, litten        zusätzlich das Ausbreiten des Pilzes. Daher ist eine
               unter Hunger und starben unter den grausamen Ar-             regelmäßige Kontrolle wichtig, um einen kranken
               beitsbedingungen (DGB Bildungswerk 2001: 5).                 Baum so schnell wie möglich entfernen zu können
                                                                            und eine Ausbreitung rechtzeitig zu verhindern.
               Der Wohlstand Manaus‘ sollte jedoch nicht ewig hal-
               ten. Ende des 19. Jahrhunderts gelang es dem Englän-         Plantagen werden in der Regel mit 500 bis 600 Bäu-
               der Henry Wickham, 70.000 Kautschuksamen außer               men pro Hektar bepflanzt. Dadurch kommt es zu
               Landes zu schmuggeln. Einige Tausend in England ge-          einem frühzeitigen Kronenschluss, der die Bäume
               zogene Sämlinge konnten schließlich nach Ceylon ge-          zwar vor Wind und Wettereinflüssen schützt, in
               bracht werden, von wo aus sie sich rasch im asiatischen      dem schattigen Unterholz aber auch keine Zwi-
               Raum weiter verbreiteten und schließlich zu einem be-        schenkulturen zulässt. Geübte KautschukzapferIn-
               deutenden Rohstoff für die Landwirtschaft und Indust-        nen können in solchen Plantagen an einem Tag die
               rie wurden (DGB Bildungswerk 2001: 5).                       Bäume auf einem Hektar zapfen und im Schnitt je-
                                                                            weils 55 Liter Latex einsammeln.
                                                                            Quellen: Wessel 1989: 584ff.; wdk o.J.

4
                                                                                                    Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen

Heutige Anbaugebiete und Produktion

Kautschuk wird zu einem überwiegenden Teil in klein-       Schon seit vielen Jahrzehnten befinden sich die mit Ab-
bäuerlichen Betrieben angebaut (vgl. Kap. 2.3). Auf-       stand größten Kautschukproduzenten in Südostasien,
grund dieser Produktionsstruktur mit ausgedehnten          wo die Kautschukproduktion einen wichtigen Wirt-
Anbauflächen in breit gefächertem Besitz ist es schwie-    schaftsbeitrag leistet. Seit den 1950er Jahren, als China
rig, exakte Produktionsdaten zu erheben. Die wich-         mit Forschungen zur Verbesserung der Klimatoleranz
tigste Quelle für Daten zu Produktion und Verbrauch        des Kautschukbaumes begann, hat sich die Anbauflä-
von Kautschuk ist die Internationale Kautschukstu-         che auch in nicht-traditionellen Anbaugebieten ausge-
diengruppe (International Rubber Study Group - IRSG).      weitet. Nach wie vor findet die Produktion in den drei
Auch wenn dies die besten Daten zu sein scheinen, be-      Hauptanbauländern Thailand, Indonesien und Malay-
steht von Seiten der Abnehmer von Naturkautschuk           sia überwiegend im traditionellen Kautschukgürtel
der Verdacht, dass Produktionsdaten hier unterbewer-       statt, aber auch hier hat sich der Anbau in nicht-tra-
tet werden, um Preise zu stützen (LMC International        ditionellen Gebieten intensiviert. In einigen Ländern
2011: 49ff., 58f.).                                        wurde diese Verbreitung politisch unterstützt, u.a.
                                                           auch um Platz für die noch klimasensiblere Ölpalme zu
                                                           schaffen. Auch sind neue Produzentenländer, neben
                                                           China auch Laos, Kambodscha oder Myanmar, in den
                                                           Fokus gerückt (Fox / Castella 2010: 3, 7). 2013 wurde so
                                                           auch die langjährige Nummer drei der Kautschukpro-
                                                           duktion, Malaysia, in seinen Produktionszahlen von
                                                           Vietnam, Indien und China überholt. In Asien werden
                                                           heute 90 % des global verfügbaren Kautschuks produ-
                                                           ziert (FAOstat 2015).

                                                           Eine Kautschukplantage in Südostasien,
                                                           Foto: Willie Stark/Flickr.com

Graphik 1: Produktion von Naturkautschuk in 1.000 Tonnen (1990-2012)

 5.000.000                                                                                      12.000.000

 4.500.000
                                                                                                10.000.000
 4.000.000

 3.500.000
                                                                                                8.000.000
 3.000.000

 2.500.000                                                                                      6.000.000

 2.000.000
                                                                                                4.000.000
 1.500.000

 1.000.000
                                                                                                2.000.000
   500.000

          0                                                                                     0
                2001
                1991

                2004
                2005

                2008
                2009
                2002
                2003

                2011
                2010
                2006
                2007
                1993

                2000
                1990

                1992

                1994
                1995
                1996

                1999
                1997

                2012
                2013
                1998

              Thailand                        Indonesien                   Malaysia                 Quelle: FAOstat 2015
              Rest Asien                      Afrika                       Lateinamerika
              Gesamt (rechte Skala)

                                                                                                                                   5
Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen

                                                                           In Brasilien, dem Ursprungsland des Kautschuks, wird
                                                                           ebenfalls nur noch ein geringer Anteil produziert,
          Tabelle 1: Anbaufläche (in Hektar) und Produktion                186.000 Tonnen im Jahr 2013. In Guatemala waren es
          (in Tonnen) von Kautschuk in Asien                               circa 105.000 Tonnen, in Mexiko 51.400 und in Ecuador
                                                                           20.500 im gleichen Jahr (FAOstat 2015). Im Vergleich
          Land                     Anbaufläche       Produktion            mit den anderen Weltregionen liegt der amerikani-
                                          2013             2013            sche Kontinent somit sogar noch hinter Afrika zurück
                                                                           und trägt nur noch geringfügig zur Weltproduktion
          Thailand                    2,42 Mio.        3,86 Mio.           bei (IRSG 2014a).
          Indonesien                  3,56 Mio.        3,11 Mio.
          Malaysia                    1,06 Mio.         826.000
          Vietnam                      548.098           949.100           Naturkautschuk – bis heute unverzichtbar
          Indien                       442.000          900.000
          China                        685.900          864.806            Kautschuk wird heute überwiegend synthetisch her-
          Kambodscha                     36.000           43.000           gestellt. Aufgrund seiner besonderen Eigenschaften
                                                                           ist Naturkautschuk aber bis heute in vielen Bereichen
          Quelle: FAOstat 2015
                                                                           unverzichtbar. Im Jahr 2013 stammten etwa 42 % des
                                                                           weltweiten Kautschukbedarfs vom Kautschukbaum
                                                                           (vgl. IRSG 2014a: o.S.). Der mit Abstand größte Abneh-
                                                                           mer von Naturkautschuk in Deutschland ist die Auto-
                 Auch in Afrika wurde zu Anfang des 20. Jahrhunderts       mobilindustrie. Etwa drei Viertel des Naturkautschuks
                 mit dem Anbau von Kautschukbäumen begonnen.               werden für die Autoreifenproduktion verwendet. Der
                 Aufgrund der hohen Klima- und Niederschlagsansprü-        Rest fließt in die Herstellung von anderen Latexpro-
                 che der Pflanze waren die neuen Kautschukplantagen        dukten, wie beispielsweise medizinische Handschuhe,
                 jedoch nur in wenigen afrikanischen Ländern erfolg-       Kondome oder Schnuller, sowie in andere technische
                 reich. Hierzu gehören vor allem die Elfenbeinküste, die   Produkte, von denen wiederum ein großer Teil in der
                 mit einer Produktion von knapp 290.000 Tonnen im          Automobilindustrie Verwendung findet. Hier werden
                 Jahr 2013 der größte Kautschukproduzent auf afrikani-     allerdings insgesamt mehr synthetische Elastomere
                 schem Boden ist, mit einigem Abstand gefolgt von Ni-      eingesetzt als Naturkautschuk (wdk 2014a: 9f.; NIW
                 geria und Kamerun (FAOstat 2015). In diesen Ländern       2013: 23).
                 gewann Kautschuk zwar zunehmend an wirtschaftli-
                 chem Einfluss, jedoch nicht vergleichbar mit der Be-
                 deutung, die der Kautschukbaum für den asiatischen
                 Raum darstellt (vgl. Kap. 3.3).

                   Tabelle 2: Kautschukproduktion – Weltregionen im Vergleich 2003-2013 (in Tonnen)

                                                         2003                        2008                           2013

                   Asien                            7.537.684                    9.452.447                   10.949.739
                   Afrika                             452.861                      517.556                      625.653
                   Lateinamerika                      303.000                      320.000                      390.454
                   Total                            8.186.228                   10.228.741                   11.965.846

                   Quelle: FAOstat 2015

6
                                                                                               Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen

> 2.2 Deutschlands Rolle auf dem Weltmarkt

Weltweite Kautschuknachfrage

Seit der Entdeckung des Naturkautschuks und seines         auch die drei wichtigsten Produzentenländer Indone-
vielseitigen Potentials steigt der weltweite Bedarf kon-   sien, Thailand und Malaysia sowie Südkorea mit seiner
tinuierlich und wird auch in Zukunft weiter steigen.       Autoproduktion eine wichtige Rolle. In Thailand und
Dies liegt zu einem Großteil an dem stark wachsenden       Malaysia hat sich zum Beispiel auch eine Gummiwaren-
Mobilitätssektor in Asien und vor allem in China, denn     industrie herausgebildet, die nicht nur den heimischen
der Verbrauch von Naturkautschuk wird mit 70 % des         Automobilsektor beliefert. In Lateinamerika ist das Ur-
Gesamtbedarfs deutlich von der Reifenindustrie ange-       sprungsland des Kautschukbaums Brasilien der größte
führt (LMC 2011: 24).                                      Importeur von Naturkautschuk (FAOstat 2015).

China ist schon heute mit großem Abstand vor Indien        Der Internationale Währungsfonds und die IRSG ge-
und den USA der größte Abnehmer von Naturkaut-             hen auch zukünftig von einem Anstieg des Kautschuk-
schuk (s. Graphik 2). Allein China bezog im Jahr 2013      bedarfs in Asien, insbesondere in China aus. In Europa
37 % des weltweiten Naturkautschuks, abgeschlagen          und Amerika ist zukünftig eher von einer Stagnierung
folgten die EU und Indien mit jeweils 9 % der weltwei-     oder Reduzierung der Kautschuknachfrage auszuge-
ten Produktion, die USA (8 %) und Japan (6 %). Zusam-      hen. Weltweit wird der Verbrauch an Naturkautschuk
men verbrauchen diese Länder somit 69 % des weltwei-       bis 2022 auf 16,1 Mio. Tonnen weiter ansteigen. Auch
ten Angebots. Auch die große Exportindustrie in China      hier wird diese Entwicklung von der stetig steigenden
hat zu dieser Entwicklung beigetragen. Daher bleibt zu     Produktion von Autos und Reifen vor allem in China
berücksichtigen, dass China in großem Umfang auch          getrieben. Bis 2022 soll allein China Naturkautschuk
verarbeitete Gummiwaren exportiert, somit also über        in Höhe von 7,2 Mio. Tonnen beanspruchen, das ent-
eine Weiterverarbeitungsindustrie verfügt, die für den     spräche dann knapp 45 % des erwarteten weltweiten
weltweiten Kautschukkonsum produziert (DanWatch            Bedarfs (IRSG 2014a: o.S.).
2013: 5f.). Neben China, Indien und Japan spielen aber

Graphik 2: Verbrauch von Naturkautschuk 2013               Graphik 3: Globaler Konsum von Naturkautschuk
nach Ländern (in Prozent)                                  (in 1.000 Tonnen) 1990-2022

                                                            18.000
                          Indien
                          9%            EU 28               16.000
              USA                       9%
              8%                                            14.000
      Japan                                                 12.000
      6%                                                    10.000
                                                             8.000
                                                China        6.000
                                                37%
              Rest der Welt                                  4.000
              31%                                            2.000
                                                                  0
                                                                      1990
                                                                             1995
                                                                                    2000
                                                                                           2005
                                                                                                  2006
                                                                                                         2007
                                                                                                                2008
                                                                                                                       2009
                                                                                                                              2010
                                                                                                                                     2011
                                                                                                                                            2012
                                                                                                                                                   2013
                                                                                                                                                          2014*
                                                                                                                                                                  2015*
                                                                                                                                                                          2016*
                                                                                                                                                                                  2018*
                                                                                                                                                                                          2020*
                                                                                                                                                                                          2022*

                                                                             weltweit                                  davon China

Quelle: ETRMA 2014a: 47                                    * Schätzung
                                                           Quelle: IRSG 2014a (eigene Darstellung)

                                                                                                                                                                                             7
Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen

 Graphik 4: Kautschukverbrauch in Deutschland 2009-2013                     dustrie verwendet (ETRMA 2014b: 23). Der Kautschuk,
 (in 1.000 Tonnen)                                                          der im Jahr 2013 in die EU importiert wurde, kam zu ei-
                                                                            nem Drittel aus Indonesien (33 %); weitere 18 % stamm-
                                                                            ten aus Malaysia, und 16 % aus Thailand. In Afrika ist
    800
                                                                            die Elfenbeinküste der wichtigste Lieferant. Von dort
    700                                                                     stammten immerhin 14 % der europäischen Importe
    600                                                                     (ETRMA 2014a: 47).
    500
                                                                            In der EU gehört Deutschland gefolgt von Spanien, Ita-
    400                                                                     lien und Frankreich zu den größten europäischen Kau-
    300                                                                     tschukverarbeitern. Hier befinden sich auch die Haupt-
    200                                                                     sitze einiger weltweit marktführender Reifenhersteller
                                                                            bzw. eine große Autoindustrie. Auch bei den weiteren
    100
                                                                            Gummiwaren, den sogenannten Technischen Elasto-
     0                                                                      mer-Erzeugnissen (TEE) sind deutsche Unternehmen
               2010             2011              2012		            2013
                                                                            führend. Die entsprechende Sparte der Continental AG
                                                                            ist der weltweit größte und die Freudenberg Gruppe
                 Naturkautschuk                Synthetikkautschuk           der drittgrößte Kautschukverarbeiter im Nicht-Reifen-
                                                                            segment. Die Continental AG ist gleichzeitig der viert-
     Quelle: wdk 2014a: 34 (sowie ältere Branchenberichte des wdk für die   größte Reifenhersteller weltweit (ETRMA 2014a: 18, 23).
     Aufschlüsselung von Naturkautschuk und Synthetikkautschuk)
                                                                            Die Rückgänge in den vergangenen beiden Jahren sind
                                                                            vor allem der geringeren Produktion in der Reifenher-
                                                                            stellung geschuldet, wo Naturkautschuk überwiegend
                  Kautschuknachfrage der EU und Deutschland                 eingesetzt wird (wdk 2014a: 11). Deutschland ist al-
                                                                            lerdings selber auch Exporteur von Kautschukwaren.
                  Die Daten über Verbrauch und Import von Naturkaut-        In den Jahren von 2002 bis 2011 war Deutschland aus
                  schuk können auch als Hinweis dafür dienen, wie eng       Ländersicht mit einem Anteil von 10,4 % nach China so-
                  dieser mit der Automobilbranche verbunden ist. In den     gar der zweitgrößte Kautschukwarenexporteur (NIW
                  großen Importländern, respektive den Ländern mit          2013: 18). Ein wichtiger Anteil ist dabei der Export von
                  dem größten Verbrauch, gibt es eine stattliche Auto-      Kraftwagen und Kraftwagenteilen, der im Jahr 2013
                  mobilindustrie. Dies überrascht nicht, wenn man be-       mit einem Anteil von 17,4 % am deutschen Gesamtex-
                  denkt, dass 75 % des europäischen Kautschukimports        port das wichtigste Exportgut Deutschlands darstellte
                  allein für die Reifenindustrie verwendet werden. Wei-     (Statistisches Bundesamt 2014).
                  tere 10 % werden für andere Teile in der Automobilin-

                  > 2.3 Soziale und ökologische Probleme in den Anbauländern

                  Anbau in kleinbäuerlichen Betrieben

                  Naturkautschuk wird überwiegend von kleinbäuerli-
                  chen Betrieben produziert. Schätzungen zufolge be-
                  finden sich 85 % der Produktion in den Händen von Be-
                  trieben, die weniger als drei Hektar, nicht selten auch
                  in Mischkultur, bewirtschaften (ETRMA 2014b: 23). In
                  den vergangenen Jahren sind jedoch verstärkt auch in
                  großem Stil Plantagen angelegt worden (s. Fallbeispiel
                  Kambodscha). Die Anlage solcher Plantagen ist teilwei-
                  se mit massiven Menschenrechtsverletzungen verbun-
                  den, aber auch mit ökologischen Risiken.

                  Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bewirtschaften ihr        Die Anlage von Kautschukplantagen geht oft mit Landraub,
                  Land selbst oder beschäftigen je nach Größe des Landes    Vertreibung oder Brandrodung von Regenwald einher, Foto: Ryan
                  eine kleine Anzahl zusätzlicher Arbeiter (DanWatch        Woo, CIFOR/Flickr.com

8
                                                                                                  Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen

 Liefer- und Wertschöpfungskette Kautschuk

 Aufgrund der stark ausgeprägten kleinbetrieblichen         Thailand und Indonesien, wo sie nach eigenen Anga-
 Produktionsstruktur kann die Lieferkette insbesonde-       ben die Produktivität der Bauern durch Schulungen
 re zu Beginn der Produktion lang sein. Zwischen dem        deutlich erhöhen konnte.
 Kleinbetrieb und der Kautschukfabrik im Land kön-
 nen ein örtlicher Aufkäufer und mehrere Mittelsmän-        In den Fabriken wird der Kautschuk zu verschiede-
 ner zwischengeschaltet sein. Viele kleinbäuerliche         nen Formen und Qualitätsstufen weiter verarbeitet,
 Betriebe verkaufen das Latex aber auch direkt an eine      die der Herstellung verschiedener Produkte dienen
 nahe gelegene Plantage. Eine Untersuchung für In-          und den unterschiedlichen – oft komplizierten –
 donesien ergab, dass solche Betriebe oft eine höhere       Transportwegen angepasst sind. Viele große Planta-
 Produktivität aufweisen als kleinbäuerliche Betriebe       gen haben ihre eigenen Verarbeitungsanlagen und
 fernab einer Plantage, was damit zusammenhängt,            kaufen auch zusätzlich Latex von örtlichen Farmer-
 dass das Management der Plantage oft auch Beratung         gruppen auf. Reifenhersteller haben ihre Verträge in
 für die Kleinbauern anbietet.                              der Regel mit solchen Aufbereitungsanlagen, die den
                                                            Kautschuk in einem ersten Schritt zu der vereinbar-
 Auch von größeren Plantagen geht der Naturkaut-            ten Qualität weiterverarbeitet. Einen Großteil ihres
 schuk teilweise zunächst an freie Zwischenhändler,         Bedarfs sichern die Reifenhersteller so über eine Ver-
 die sowohl auf lokaler Ebene oder auch in den Konsu-       tragsbasis von sechs bis zwölf Monaten ab. Ein Teil
 mentenländern agieren. Einige große Plantagenge-           des Bedarfs wird aber auch – je nach Preislage – an der
 biete haben auch direkte Verbindungen zu der ver-          Warenbörse gedeckt. Die Reifenhersteller bauen dabei
 arbeitenden Industrie und verkaufen direkt an diese.       in der Regel keine größeren Lagerbestände auf, son-
 Wieder andere Plantagen befinden sich gar im Besitz        dern kaufen vergleichsweise kurzfristig nach Bedarf.
 großer Gummiwarenhersteller, wie beispielsweise
 Bridgestone. Die Firma betreibt Anlagen in Liberia,        Quellen: USAID 2007: 4, LMC International 2011: 43ff.,
                                                            DanWatch 2013: 10.

2013: 7). Auch wenn der Anbau in Plantagen die Lauf-        Kleinbäuerliche Betriebe leiden unter Preis-
wege der ZapferInnen erheblich verkürzt, bleibt die Be-     schwankungen
wirtschaftung einer Kautschukplantage sehr arbeitsin-
tensiv. Sobald die Bäume regelmäßig gezapft werden,         Die Preise für Naturkautschuk unterliegen starken
beginnt der Arbeitstag lange vor Sonnenaufgang, denn        Schwankungen (s. Graphik). Einen massiven Einbruch
dann ist der Latexfluss am stärksten und liefert die bes-   der Kautschukpreise gab es beispielsweise im Zuge der
te Qualität.                                                Asienkrise nach 1997. Der Preissturz dauerte bis Ende
                                                            2001 an, als der Preis für Naturkautschuk mit weniger
Anders als zum Beispiel die Frucht der Ölpalme kann         als 0,5 US$ pro Kilogramm auf seinem tiefsten Stand
Naturkautschuk sowohl in seiner gezapften Form als          seit über 30 Jahren fiel (Weber & Schaer 3/2006 vom
auch als Klumpen über einen längeren Zeitraum la-           07.06.2006). In dieser Zeit, so resümierte das DGB Bil-
gerfähig gemacht werden. Das erlaubt es theoretisch,        dungswerk im Jahr 2001, nutzten die Reifenhersteller
Lagerbestände zu bilden und sich so von Preisentwick-       die wirtschaftliche Misere der Kleinbäuerinnen und
lungen unabhängiger zu machen. Es liegt im Wesentli-        Kleinbauern schamlos aus. Lieferverträge seien ver-
chen bei den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern selbst,        stärkt beim Erzeuger und den Genossenschaften der
ob sie das gezapfte Latex direkt an Mittelsmänner oder      Kleinpflanzer abgeschlossen worden, wobei dies vor
die Fabrik zur Weiterverarbeitung verkaufen, oder ob        allem dann geschehe, wenn die „Börsennotierungen
sie es einige Tage trocknen lassen und die getrockneten     niedrig sind, oder – was die Regel ist – bei Produzenten,
Felle verkaufen (LMC International 2011: 44). Diese Op-     die aus irgendeinem Grunde unter dem Börsenpreis
tion steht allerdings nur dann zur Verfügung, wenn die      verkaufen müssen. Da kann ein regionales Überange-
Familie genügend andere Einkünfte oder Ersparnisse          bot vorliegen oder eine Finanzklemme – Möglichkei-
hat, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und wenn          ten gibt es viele“ (DGB Bildungswerk 2001: 12).
die Handelsstrukturen in der jeweiligen Region dies
zulassen.                                                   Der Report des Wirtschaftsverbandes der deutschen
                                                            Kautschukindustrie (wdk), der hier vom Bildungswerk

                                                                                                                                          9
Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
Die "Tränen des Baumes" als Wirtschaftsgut - Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor - Südwind
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen

                               Graphik 5: Entwicklung der Preise für verschiedene Qualitäten von Naturkautschuk
                               (in Euro pro Kilogramm)
                                                     Price Development Chart for Natural Rubber
                                              5,00

                                              4,50

                                              4,00
              in € per kg cif European Base Port

                                              3,50

                                              3,00

                                              2,50

                                              2,00

                                              1,50

                                              1,00

                                              0,50
                                                   2000   2001   2002   2003   2004   2005      2006   2007      2008     2009    2010     2011   2012    2013    2014    2015

                                                                                       SMR CV      SMR L      RSS 1      SMR 10   SIR 20

                                   Quelle: Zusammenstellung von
                                   Weber & Schaer 2015

                                                                                                                        können auch im Zuge der Wiederbepflanzung ande-
                                                                                                                        re Produkte den Vorzug erhalten. In Malaysia und In-
                                                                                                                        donesien wurde z.B. vielfach von Naturkautschuk auf
                                                                                                                        Palmöl umgestellt, das nicht nur weniger arbeitsinten-
                                                                                                                        siv, sondern angesichts der Preislage auch lukrativer
                                                                                                                        ist. Da die Wachstumsphase bis zur Ernte im Falle einer
                                                                                                                        Wiederbepflanzung bis zu sieben Jahre dauert, kann es
                                                                                                                        über einen längeren Zeitraum zu Produktionsengpäs-
                                                                                                                        sen kommen (Weber & Schaer 3/2006 vom 07.06.2006,
                                                                                                                        DGB Bildungswerk 2001: 9).

                                                                                                                        Nach der Krise 2001 haben die Kautschukpreise zwi-
                                                                                                                        schenzeitlich wieder angezogen. Mit einem kleinen
                                                                                                                        Einbruch im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2008/2009
                        Verarbeitung von Kautschuk auf einer Plantage in Indonesien,                                    erreichten sie einen vorläufigen Höhepunkt im Früh-
                        Foto: Marcus/Flickr.com                                                                         jahr 2011. Zu der Zeit beliefen sie sich auf Werte von
                                                                                                                        4,50 bis 5,00 Euro pro Kilogramm. Steigende Preise ha-
                              des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zitiert                                           ben tatsächlich auch Neupflanzungen von Kautschuk
                              wird, ist vom Netz genommen. Auch in der Kautschuk-                                       angeregt, mit der Gefahr, dass bei Zapfbeginn dieser
                              industrie hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein                                  Neupflanzungen das Angebot die Nachfrage übersteigt.
                              Preisverfall schon im Sinne einer nachhaltigen Versor-
                              gung nicht von Nutzen ist: Eine solch negative Preisent-                                  Niedrige Einkommen
                              wicklung hat Folgen für die weiteren Entscheidungen
                              der ProduzentInnen: Vor allem kleinbäuerliche Be-                                         Seit 2011 fallen die Preise für Naturkautschuk wieder
                              triebe können bestimmte Maßnahmen zur Erhöhung                                            kontinuierlich. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern
                              der Produktion (z.B. regelmäßiges Düngen) nicht mehr                                      leiden unter dem Preisverfall ganz besonders, schon
                              vornehmen oder sie „überzapfen“ den Baum, wodurch                                         bei einem Preis von 1,50 Euro pro Kilogramm können
                              der langfristige Ertrag gemindert wird. Vor allem aber                                    viele von ihnen nicht mehr kostendeckend arbeiten.

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                                                                                                                                                  Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
> 2 Vom Kautschukgürtel zum Gürtelreifen

Ausgaben für Bildung gehören dann oft zu den ers-            nen im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Sek-
ten Einsparungsmaßnahmen (DanWatch 2013: 18).                toren die höchste Armutsrate aufwiesen. Das niedrigs-
Gerade bei Dauerkulturen, wie es sowohl Kautschuk            te Lohnniveau hatten dabei die ArbeiterInnen auf den
als auch Kakao oder Palmöl sind, haben die Menschen          Kautschukplantagen, ihr Lohn lag hier sogar weit unter
keine Möglichkeit kurzfristig auf Preisentwicklungen         dem regionalen Mindestlohn, der wiederum der nied-
zu reagieren. Sie sind in höchstem Maße abhängig von         rigste in ganz Indonesien war (ILO 2010: 11f.). Während
einmal getroffenen Investitionsentscheidungen. Eine          im Untersuchungszeitraum dieser Studie (Ende 2009)
stärkere Diversifizierung von Produkten könnte hier          die Weltmarktpreise sehr niedrig waren, gilt dies nicht
Abhilfe schaffen.                                            für die Studie von DanWatch (Untersuchungszeitraum
                                                             Ende 2012).
Die Regierungen in den Produzentenländern haben
das Problem schon länger erkannt, nicht zuletzt auch         Landzugang und Landnutzungskonflikte
deshalb, weil der niedrige Kautschukpreis schon mehr-
fach Proteste in den Hauptstädten ausgelöst hat. In-         Ein wichtiger Teil der sozialen Probleme entsteht aber
donesien, Malaysia und Thailand haben sich seit 2001         schon lange vor der Bewirtschaftung von Plantagen,
in einem internationalen Konsortium zusammenge-              nämlich bei deren Anlage. Immer wieder gibt es Be-
schlossen. Gemeinsam kontrollieren die drei Länder           richte aus einzelnen Gemeinden, in denen Menschen
mehr als zwei Drittel der weltweiten Produktion. Er-         mehr oder weniger freiwillig ihr Land an die Investo-
klärtes Ziel ist es, über die Kontrolle der Produktion die   ren verkaufen. Ein wichtiger Faktor ist, dass die Ge-
Preise auf einem angemessenen Niveau zu stabilisie-          meinden viel zu wenig Unterstützung bekommen, um
ren. Bis Anfang 2015 konnten sich die Preise allerdings      beim Eindringen von Investoren die Kontrolle über
kaum erholen und lagen bei rund 1,50 Euro.                   ihr Land und seine Nutzung behalten zu können, ihre
                                                             Verhandlungsposition zu stärken und die Folgen ihrer
Darüber hinaus gibt es seitens einiger Regierungen           Entscheidung voll abschätzen zu können. Wenn über-
auch weitere politische Unterstützung für kleinbäu-          haupt, gibt es solche Unterstützung in der Regel nur
erliche Betriebe (spezielle Programme inkl. Bera-            von Nichtregierungsorganisationen (NRO) (Fox / Cas-
tungsprogrammen, Subventionen und Krediten). So              tella 2010: 13f.). Auch die gemeinschaftliche Nutzung
konnten zum Beispiel in China oder Thailand kleinere         von Wäldern, die in vielen Gemeinden praktiziert wird,
Betriebe vor allem auch durch politische Unterstüt-          sei es durch Jagen und Fischen, die Nutzung einzelner
zung finanziell vom Kautschukanbau profitieren. In           Waldprodukte für Nahrung, Futtermittel oder für me-
anderen Ländern hingegen, wie in Laos, Kambodscha            dizinische Zwecke sowie der Ackerbau durch Brandro-
und Myanmar werden bestehende Gesetze zugunsten              dung, ist bedroht durch die Vergabe großflächiger Nut-
der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern oft von anderen          zungskonzessionen an Unternehmen. Viele Menschen
Interessen konterkariert (Fox / Castella 2010: 16).          verlieren ihre gesamte Lebensgrundlage, wenn diese
                                                             Waldstücke gerodet werden oder ihnen der Zugang
Auch für die PlantagenarbeiterInnen (ob als dauerhaf-        genommen wird. Dies wird besonders in Kambodscha
te Arbeitskräfte oder als TagelöhnerInnen) gilt, dass        deutlich, wo die Konzessionsvergabe in den vergange-
der Lohn für die harte Arbeit oft kaum zum Überleben         nen Jahren dramatisch zugenommen hat (s. Kap. 3.2).
reicht. Zwar lag er einer Untersuchung in Malaysia und
Indonesien zufolge bei oder knapp über dem gesetzlich        Ökologische Probleme
vorgeschriebenen Mindestlohn, doch wird auch dieser
zum Beispiel von der Internationalen Arbeitsorganisa-        Die großflächige Entwaldung, zum Beispiel für die
tion (International Labour Organisation – ILO) als deut-     Anlage großer Plantagen von Ölpalmen oder Kaut-
lich zu niedrig eingestuft, um eine zwei- bis vierköpfi-     schukbäumen auf ehemaligen Regenwaldflächen, ist
ge Familie zu ernähren. TagelöhnerInnen verdienten           eine der wichtigsten Treiber des Klimawandels. Das
zudem häufig weniger. Von denen in der DanWatch-             Beispiel Kambodscha zeigt, dass hier gerade die gro-
Studie untersuchten Plantagen zahlte allein Bridge-          ßen industriellen Kautschukplantagen vorrangig auf
stone einen Lohn, der diesen Anforderungen gerecht           ehemals staatlichem Waldgebiet angelegt werden. Die
wurde. Viele ZapferInnen beklagten zudem, dass zum           Auswertung von Satellitenbildern deutet darauf hin,
Beispiel in der Regenzeit, wenn an manchen Tagen gar         dass es beispielsweise in Kambodscha großflächige Ro-
nicht gearbeitet werden kann, der Lohn teilweise über        dungen gegeben hat, nachdem hier Landkonzessionen
mehrere Monate deutlich unter dem Mindestlohn lag            für Kautschukunternehmen vergeben worden waren.
(DanWatch 2013: 12, 14).                                     Diese betreffen auch Gebiete, die an die Konzessionen
                                                             angrenzen, aber nicht Bestandteil sind, was auf illega-
Eine Untersuchung der ILO fand für Indonesien heraus,        len Holzeinschlag hindeutet. Die Waldflächen sind al-
dass aufgrund des Lohnniveaus PlantagenarbeiterIn-

                                                                                                                                  11
Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
> 3 Ein Blick in einzelne Regionen

                                                                              Kautschukplantagen im Tiefland durch Plantagen der
                                                                              klimasensibleren aber profitablen Ölpalme ersetzt
                                                                              werden und neue Anbaugebiete benötigen. Bis 2012
                                                                              wurden so Kautschukplantagen auf insgesamt mehr
                                                                              als einer Millionen Hektar nicht traditioneller Anbau-
                                                                              gebiete (respektive der Bergregionen) auf dem Fest-
                                                                              land Südostasiens eingerichtet. Bis zum Jahr 2050 soll
                                                                              sich diese Größe noch vervierfachen. Dadurch werden
                                                                              Sekundärwald und traditionelle Landnutzungssysteme
                                                                              mit Wanderfeldbau ersetzt (Fox et al. 2014: 2).

                                                                              Aufgrund der Anlage als weitläufige Monokultur
                                                                              gehen die Landnutzungsänderungen mit einem im-
                                                                              mensen Verlust von Biodiversität und anderen Um-
                 Regenwald in Kalimantan/Indonesien, Foto: CIFOR/Flickr.com   weltdienstleistungen einher (Dararath et al. 2011: 14,
                                                                              30; Fox et al. 2014: 5). Als weitere ökologische Folgen
                 lein hier von 73 % der Landmasse in den 1990er Jahren        wurden vor allem für die Bergregionen eine lokale
                 auf 57 % im Jahr 2010 zurückgegangen (Global Witness         Zunahme von Trockenperioden und ein Verlust an
                 2013: 9, 18, 28).                                            Bodenqualität ausgemacht. Das hat damit zu tun, dass
                                                                              der Kautschukbaum in seinem Wachstumsrhythmus
                 Da das Potential für die leicht zugänglichen Flachland-      nicht an die klimatischen Bedingungen in der Region
                 regenwälder aber weitgehend ausgeschöpft ist, und            angepasst ist. Seine wichtigste Wachstumsphase, in der
                 die Züchtung kältetoleranterer Sorten Erfolge zeitigte,      er viel Wasser benötigt, fällt in diesen Regionen in die
                 werden mehr und mehr auch höhere Bergregionen                Hochphase der Trockenzeit. Darüber hinaus führten
                 erschlossen, die ökologisch sehr sensibel sind (Bethge       die Anlage von Terrassen und der intensive Einsatz von
                 et al. 2014: 32). Ein weiterer Grund für die Ausweitung      Düngemitteln zu einem Verlust an Bodenqualität (Fox
                 der Anbaugebiete von Kautschuk ist, dass ehemalige           et al. 2014: 4f.).

                 3 Ein Blick in einzelne Regionen

                 > 3.1 Fallbeispiel Indonesien

                 Anbau und Produktion

                 Die Anbaubedingungen für Kautschuk in Indonesien             zu tun haben, dass Indonesien einen höheren Anteil
                 sind günstig und das Land verfügt über die weltweit          an Kautschukproduktion in Agroforstkultur hat, die
                 größten Anbauflächen von Naturkautschuk. Aufgrund            eine geringere Flächenproduktion aufweist, dafür aber
                 der geringeren Erträge pro Hektar liegt das Land aber        auch andere Produkte generiert.
                 knapp hinter Thailand nur auf Platz zwei in der Rang-
                 liste der Naturkautschuk produzierenden Länder, pro-         Zudem wird der Großteil des indonesischen Kaut-
                 duziert damit aber mehr als ein Viertel des globalen         schuks in kleinbäuerlicher Landwirtschaft gewon-
                 Kautschuks (FAOstat 2015). Die Kautschukproduktion           nen – Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sind in Besitz
                 Indonesiens stieg von knapp 700.000 Tonnen in den            von 85 % der indonesischen Kautschukanbauflächen.
                 1960er Jahren auf über 3 Mio. Tonnen im Jahr 2013.           Staatliche und privat-industrielle Plantagen sind zwar
                 Dabei hat die Kautschukproduktion besonders ab der           ertragreicher, nehmen aber aufgrund ihres geringen
                 Jahrtausendwende stark zugenommen (s. Graphik 6).            Anteils am Kautschukanbau nur eine untergeordnete
                 Der Ertrag konnte in den vergangenen Jahren zwar et-         Rolle ein (s. Graphik 7). Der größte Teil des produzierten
                 was gesteigert werden, noch immer liegt die Flächen-         Kautschuks wird exportiert. Schwankungen des Welt-
                 produktion aber rund ein Drittel unter der des Markt-        marktpreises wirken sich demnach besonders negativ
                 führers Thailand. Dies könnte unter anderem damit            aus. Gemeinsam mit Thailand und Malaysia versucht

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                                                                                                    Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
> 3 Ein Blick in einzelne Regionen

das Land daher immer wieder bei Preisverfall über Ver-                                               Hauptabsatzmarkt für den indonesischen Kautschuk
einbarungen zu Exportbeschränkungen die Preise zu                                                    ist Asien gefolgt von Nordamerika und Europa. Als
stützen, wie zuletzt in den Jahren 2013 und 2014. Auf-                                               Hauptimporteur von Kautschuk in Europa, importierte
grund der gesunkenen Preise und der beschlossenen                                                    Deutschland 2013 über 72.000 Tonnen Kautschuk di-
Ausfuhreinschränkungen ging der Export 2012 in Dol-                                                  rekt aus Indonesien (GAPKINDO 2015b: o.S.).
larpreisen um fast ein Drittel gegenüber dem Vorjahr
zurück (GTAI 2014: o.S.).

Graphik 6: Erntefläche, Produktion und Ertrag von Kautschuk in Indonesien, 1980-2013

                                                                                                                                                                                     in kg/ha
  4,00                                                                                                                                                                               4000

  3,50                                                                                                                                                                               3500

  3,00                                                                                                                                                                               3000

  2,50                                                                                                                                                                               2500

  2,00                                                                                                                                                                               2000

   1,50                                                                                                                                                                              1500

   1,00                                                                                                                                                                              1000

  0,50                                                                                                                                                                               500

  0,00                                                                                                                                                                               0
                                                                                       2001

                                                                                                                                                             2011
                                                                                                            2004
                                                                                                                   2005

                                                                                                                                        2008
                                                                                                                                               2009
                                                                                2000

                                                                                              2002
                                                                                                     2003

                                                                                                                          2006
                                                                                                                                 2007

                                                                                                                                                                    2012
                                                                         1998

                                                                                                                                                                           2013
          1980

                        1984
                               1986
                                      1988
                                             1990
                                                    1992
                                                           1994
                                                                  1996
                 1982

                                                                                                                                                      2010

                         Fläche                                             Produktion                                             Ertrag                                     Quelle: FAOstat 2015
                         (in Mio. Hektar)                                   (in Mio. Tonnen)                                       (rechte Skala)

Graphik 7: Produktion der verschiedenen Betriebsformen in Indonesien, 2008-2014 (in 1.000 Tonnen)

 3.000

 2.500

 2.000

 1.500

 1.000

   500

     0
                 2008                   2009                      2010                 2011                  2012                   2013                     2014

   Kleinbäuerliche Betriebe                                       Staatliche Unternehmen                                          Private Unternehmen                             Quelle: GAPKINDO 2015a: o.S.

                                                                                                                                                                                                                 13
Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
> 3 Ein Blick in einzelne Regionen

                 Ökologische Folgen                                         Die Umstellung auf Monokulturen istmit hohen Investi-
                                                                            tionskosten verbunden. Neben Ausgaben für Setzlinge
                 Das Hauptanbaugebiet für Kautschuk ist Sumatra,            und Dünger ist auch mit Einnahmeverlusten zu rech-
                 auch West Kalimantan ist für den Kautschukanbau in         nen, da in der Wachstumsphase keine Erträge erwirt-
                 Indonesien bedeutsam. Der Verlust von Primärwald ist       schaftet werden und nur für einen kurzen Zeitraum
                 in diesen beiden Regionen mit Abstand am größten in-       Zwischenkulturen angebaut werden können. Oft fehlt
                 nerhalb Indonesiens, dem Land mit einer der höchsten       es den Menschen schlichtweg an finanziellen Mitteln
                 Entwaldungsraten weltweit. Zwischen 2000 und 2012          und Zugang zu Kleinkrediten, um solche Investitionen
                 gingen in Indonesien insgesamt über 6 Mio. Hektar Pri-     tätigen zu können.
                 märwald verloren, 2,8 Mio. Hektar davon auf Sumatra
                 und 2,4 Mio. Hektar auf Kalimantan (Margono et al.         Kleinbäuerlicher Kautschukanbau
                 2014: 4). Ohne Frage ist der Anbau von Ölpalmen der
                 sehr viel stärkere Faktor für den Waldverlust in Indone-   Schwankende Preise für Naturkautschuk sind für viele
                 sien. Seine Fläche hat sich seit 1990 verzehnfacht, wo-    kleinbäuerliche Betriebe eine große Herausforderung.
                 hingegen die Anbaufläche von Kautschuk sich im glei-       Zur Zeit einer Untersuchung der dänischen NRO Dan-
                 chen Zeitraum (allerdings von höherem Niveau aus)          Watch (2013) wurden rund zwei Hektar Land als Mi-
                 „nur“ verdoppelt hat (FAOstat 2015). Trotzdem beläuft      nimum angegeben, um von dem Ertrag eine Familie
                 sich die Erntefläche von Kautschuk heute etwa auf die      ernähren zu können. Zu dieser Zeit (Oktober 2012) lag
                 Hälfte der Fläche von Ölpalmen und sollte daher stär-      der Kautschukpreis allerdings noch deutlich über dem
                 ker ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken.                 Niveau von heute, gleichwohl schon deutlich niedri-
                                                                            ger als im Spitzenjahr 2011. Einige der LandwirtInnen,
                 Über lange Zeit wurde Kautschuk auf Sumatra weitläu-       die im Schnitt zwei Hektar bewirtschafteten, gaben an,
                 fig als Agroforstwirtschaft betrieben. Auch heute noch     dass sie keine Ersparnisse für die Ausbildung der Kin-
                 betreiben viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern den        der mehr zurücklegen konnten. KautschukfarmerIn-
                 Kautschukanbau in Mischkulturen, was für die Umwelt        nen mit mehr als einem Hektar Land, beschäftigen oft
                 sehr viel schonender ist als die Monokultur, denn Bio-     TagelöhnerInnen auf den Feldern, die sie am Erlös des
                 diversität bleibt erhalten, die Böden können mehr Koh-     Verkaufs mit 30-60 % beteiligen (DanWatch 2013: 18).
                 lenstoffdioxid (CO2) speichern und haben eine bessere      Ein großes Problem bei den kleinbäuerlichen Betrie-
                 Qualität.                                                  ben ist die mangelnde Schutzkleidung beim Ausbrin-
                                                                            gen hochgiftiger Pestizide. Dies war zwar in geringem
                 Mitte des vergangenen Jahrhunderts begannen aber           Maße auch in den Plantagen festgestellt worden, war
                 die sehr viel profitableren Monokulturplantagen, an        aber bei den kleinen Betrieben sehr viel häufiger (Dan-
                 Bedeutung zu gewinnen. Damit gerieten auch die             Watch 2013: 19).
                 Systeme der Agroforstwirtschaft unter Druck und seit
                 Beginn des Jahrtausends hat der Verlust dieser Wald-       Kleinbäuerliche Betriebe, die sich in der Nähe von gro-
                 systeme gegenüber dem Verlust von Primärwald an            ßen Plantagen befinden, haben oft eine höhere Pro-
                 Bedeutung gewonnen (Villamor et al. 2014: 151). Denn       duktivität, weil sie von hier sowohl formell durch Schu-
                 immer mehr Kleinbäuerinnen und Kleinbauern stel-           lungen als auch informell Know-how erlangen (USAID
                 len heute ihre Anbauweise von Agroforstwirtschaft          2007: 26). Auch die Dachorganisation der Kautschuk-
                 auf Monokultur um. Das ist wenig verwunderlich an-         unternehmen in Indonesien (GAPKINDO) führt Schu-
                 gesichts der Tatsache, dass – je nach Preislage – viele    lungen für KautschukfarmerInnen durch und stellt
                 Haushalte bei der Agroforstwirtschaft den größten Teil     Pflanzmaterial zur Verfügung. Nach Aussagen von
                 ihres Einkommens mit Kautschuk erzielten (Feintrenie       Bridgestone, die auf ihren Plantagen mit Kleinbäue-
                 / Levang 2009: 2, 4). Eine Spezialisierung auf Kautschuk   rinnen und Kleinbauern zusammenarbeiten und Schu-
                 (oder die Umstellung der Ländereien auf das weniger        lungen anbieten, konnten die Erträge hierdurch um bis
                 arbeitsintensive und lukrativere Palmöl) stellt eine       zu 400 % gesteigert werden (DanWatch 2013: 18).
                 lohnenswerte Alternative dar. Die Zunahme der Mono-
                 kulturplantagen auch von Kautschuk geht aber einher        Auch der indonesische Staat unterstützt kleinbäu-
                 mit einem hohen Verlust von Biodiversität und zuneh-       erliche Betriebe, um die Produktion von Kautschuk
                 mender Bodendegradation. Angesichts des hohen Ver-         zu steigern. Die Umwandlung von Sekundärwald in
                 lustes an Primärwald, den die Region bereits durchlebt     großflächige Plantagen über entsprechende Konzessi-
                 hat, wäre der Erhalt dieser Agroforstsysteme für die       onsvergaben, aber auch die Unterstützung von Klein-
                 Biodiversität jedoch von großer Bedeutung (Villamor        bäuerinnen und -bauern durch Kleinkredite und Sied-
                 et al. 2014: 151).                                         lungsprogramme, bei denen zusätzliche Arbeitskräfte
                                                                            aus anderen Provinzen angelockt werden, all das ist Teil
                                                                            staatlicher Programme (Villamor et al. 2014: 152). Dem

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                                                                                                 Die Tränen des Baumes als Wirtschaftsgut
> 3 Ein Blick in einzelne Regionen

Arbeit auf der Kautschukplantage, Foto: Ryan Woo/Flickr.com

stehen jedoch auch Programme internationaler Orga-            Die Studie von DanWatch (2013) aus den drei Provin-
nisationen in einigen Regionen gegenüber, die über            zen Nord-Sumatra, Süd-Sumatra und Lampung (plus
bestimmte Anreize versuchen, die Agroforstsysteme             zwei Provinzen in Malaysia) ergab, dass zahlreiche Ver-
zum Schutz von Biodiversität und weiteren Öko-Dienst-         letzungen der ILO Arbeitsnormen auf den Kautschuk-
leistungen aufrecht zu erhalten. Solche Programme             plantagen zu verzeichnen waren, die insbesondere
könnten ein erster Schritt hin zu einer Zertifizierung        TagelöhnerInnen betrafen. Das Reifenunternehmen
von nachhaltigem Kautschuk darstellen. Und tatsäch-           Bridgestone unterhält hier große Plantagen und kauft
lich scheinen entsprechende Anreize zu bewirken, dass         auch Kautschuk von angrenzenden Kleinbäuerinnen
auch die Menschen vor Ort den Umwelt-Dienstleistun-           und Kleinbauern auf. Bridgestone war das einzige Un-
gen, insbesondere die Biodiversität, einen höheren            ternehmen, das freien Zugang zu allen Plantagen ge-
Wert zusprechen. Untersuchungen in Jambi auf Su-              währte. DanWatch hat darüber hinaus Interviews mit
matra ergaben, dass nach Anlaufen dieser Programme            KautschukzapferInnen von insgesamt elf Plantagen so-
deutlich mehr indonesische Kautschuk-Kleinbetriebe            wie mit weiteren Sachverständigen geführt (die folgen-
dazu bereit waren, weiterhin Agroforstwirtschaft zu           den Ausführungen beruhen auf DanWatch 2013: 11ff.).
betreiben (Villamor / van Noordwijk 2011: 8ff.).

Plantagenwirtschaft

Der Anbau von Kautschuk auf privaten und staatlichen
Plantagen spielt in Indonesien eine sehr viel geringe-
re Rolle. Nur etwas über 20 % der Gesamtproduktion
Indonesiens stammen zu etwa gleichen Teilen von
großen staatlichen oder privaten Plantagen. Auf den
Kautschukplantagen wird ausschließlich Kautschuk
in Monokulturen angebaut. Die wesentlichen Aufga-
ben der ArbeiterInnen auf den Plantagen bestehen im
Anzapfen der Kautschukbäume, dem Einsammeln des
Kautschuks sowie der Beseitigung von Unkraut, der
Versorgung von Jungpflanzen und mehrmals jährlich
dem Ausbringen von Pestiziden.                                Foto: Ursula/Flickr.com

                                                                                                                                    15
Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
> 3 Ein Blick in einzelne Regionen

                 Die Angestellten auf den Plantagen arbeiten in der Re-   in anderen Sektoren wurden bereits eindringlich dar-
                 gel sieben Tage die Woche, nur wenige haben einen        gestellt (z.B. Amnesty International 2010: 16ff.). Ähnli-
                 oder maximal zwei Sonntage im Monat frei. Die Unter-     che Missstände fand auch DanWatch (2013: 14) für die
                 nehmen setzen Anreize, zahlen z.B. höheren Lohn an       indonesischen MigrantInnen auf den untersuchten
                 Sonntagen, um die ArbeiterInnen dazu zu bewegen          Kautschukplantagen in Malaysia: Einbehaltene Päs-
                 den ganzen Monat durchzuarbeiten. Der Grundlohn          se, Löhne deutlich unter dem Mindestlohn und damit
                 war auf allen besuchten Plantagen mehr oder we-          verbunden erzwungene Überstunden und mangeln-
                 niger gleich und entsprach in etwa dem regionalen        de Möglichkeiten, sich gewerkschaftlich zu organisie-
                 Mindestlohn. Allerdings variieren die verschiedenen      ren.
                 Prämien und Zulagen. Das mit diesen Überstunden
                 erzielte Monatseinkommen lag damit zwar in der           Eine ältere Studie der ILO aus dem Jahr 2008 hatte
                 Regel über dem regionalen Mindestlohn, dieser ist        noch verheerendere Zustände auf indonesischen Kau-
                 aber nicht ausreichend, um eine Familie mit zwei bis     tschukplantagen im Hinblick auf Kinderarbeit zutage
                 vier Kindern versorgen zu können. Zudem kam es zu        getragen1. Doch hier scheint sich die Situation etwas
                 Lohneinbußen in der Regenzeit, wenn nicht an allen       verbessert zu haben. Weder DanWatch (2013) noch
                 Tagen gezapft werden kann. Generell wird zwischen        eine neuere Untersuchung der ILO (2010) hatte im
                 TagelöhnerInnen und Angestellten unterschieden. In       Untersuchungszeitraum arbeitende Kinder unter 15
                 manchen Plantagen erhielten TagelöhnerInnen deut-        Jahren angetroffen. Beide Organisationen erhielten
                 lich weniger und erreichten damit nur Löhne, die bis     aber in Gesprächen mit weiteren Sachverständigen
                 zu 25 % unter dem Mindestlohn lagen. Allein Bridges-     glaubwürdige Informationen, dass zu bestimmten
                 tone zahlte einen angemessen Lohn und stellte darü-      Jahreszeiten Kinderarbeit noch immer ein Problem
                 ber hinaus kostenlose medizinische Versorgung im         sei. Unternehmen verfolgten teilweise auch die Stra-
                 eigenen Krankenhaus zur Verfügung.                       tegie, ganze Familien anstelle einzelner Angehöriger
                                                                          zu beschäftigen und spezielle Familientarife zu zahlen
                 Festangestellten wird oft eine Behausung zur Ver-        (ILO 2010: 28, DanWatch 2013: 16).
                 fügung gestellt und vor allem können sie sich in Ge-
                 werkschaften organisieren. Manche TagelöhnerIn-          Die Studie der ILO (2010) umfasste verschiedene Agrar-
                 nen arbeiten seit mehreren Jahren kontinuierlich auf     sektoren und kam zu dem Ergebnis, dass Plantagenar-
                 den Plantagen. Aufgrund ihres Status fehlt ihnen das     beiterInnen im Vergleich zu anderen landwirtschaft-
                 Recht, sich Gewerkschaften anschließen zu dürfen. In     lichen Sektoren die höchste Armutsrate aufwiesen.
                 einem Unternehmen in Süd-Sumatra hatte keineR der        Das hat vor allem mit dem niedrigen Lohnniveau zu
                 dort Beschäftigten einen dauerhaften Arbeitsvertrag.     tun, das hier sogar weit unter dem regionalen Min-
                 Alle ZapferInnen – mehrere Hunderte – wurden als Ta-     destlohn lag. 82 % aller ArbeiterInnen auf Plantagen
                 gelöhnerInnen beschäftigt, einige von ihnen bereits      verdienten nicht genug, um ihre Familien versorgen
                 seit mehr als 10 Jahren. Auch sonst unterschied sich     zu können. Die niedrigsten Löhne innerhalb dieser
                 ihre Anstellung nicht von der, die Festangestellte in    Gruppe wurden dabei auf den Kautschukplantagen
                 anderen Plantagen haben. Dies widerspricht nicht nur     gezahlt (ILO 2010: 11f.). KeineR der interviewten Plan-
                 der ILO-Konvention, sondern auch der indonesischen       tagenarbeiterInnen hatte derzeit einen festen Ver-
                 Gesetzgebung. In dieser Plantage waren nicht nur die     trag, bezahlt wurde nach Menge des abgelieferten
                 niedrigsten Löhne vorzufinden, die Anstellungspraxis     Latex. Abhängig von der Saison ist diese Menge aber
                 verhindert auch, dass die ArbeiterInnen sich gewerk-     keine konstante Größe und kann von den ZapferInnen
                 schaftlich organisieren können.                          nicht beeinflusst werden. Ein fairer Stücklohn müsste
                                                                          dies eigentlich berücksichtigen, was aber nicht immer
                 Indonesische ArbeiterInnen sind auch nicht selten        der Fall sei (ILO 2010: 22). Dass dieser Missstand noch
                 in malaysischen Kautschukplantagen beschäftigt.          immer nicht vollständig behoben ist, zeigt die Studie
                 Strukturelle Missstände, die teilweise sklavenartige     von DanWatch (2013).
                 Situation vieler MigrantInnen auf großen Plantagen

                                                                          1 http://ilo.org/jakarta/areasofwork/WCMS_126206/lang--en/index.htm

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> 3 Ein Blick in einzelne Regionen

> 3.2 Fallbeispiel Kambodscha

Anbau und Produktion                                      Ganz besonders aber nutzt sie verschiedene Instru-
                                                          mente, um den agroindustriellen Ausbau weiter vor-
Verglichen mit Indonesien spielt Kambodscha eine un-      anzutreiben. So vergibt sie in großem Stil wirtschaftlich
tergeordnete Rolle in der globalen Kautschukprodukti-     orientierte Landkonzessionen (sogenannte ELC - Eco-
on. Mit einer Jahresproduktion von 43.000 Tonnen im       nomic Land Consession), über die vor allem staatliche
Jahr 2013 nahm Kambodscha Platz 17 unter den welt-        Waldgebiete mittels langfristiger Verträge von maxi-
weiten Kautschukproduzenten ein und beteiligte sich       mal 99 Jahren an in- und ausländische Unternehmen
mit 0,4 % an der Gesamtproduktion. Das Land ist den-      für den Plantagenbau vergeben werden. Auch hier-
noch ein sehr interessantes Beispiel, da es erst in den   durch sollen neue Arbeitsplätze für die ländliche Bevöl-
letzten Jahren zu einem Boom des Kautschukanbaus          kerung geschaffen und der Ausbau von Infrastruktur
kam, welcher mit gravierenden Menschenrechtsverlet-       vorangetrieben werden. Der Ausbau der industriellen
zungen einherging.                                        Landwirtschaft ist somit fester Bestandteil der Ent-
                                                          wicklungsstrategie Kambodschas (ADHOC 2013: 5).
Die Kautschukproduktion in Kambodscha unterliegt          Einnahmen aus dem Kautschukanbau bzw. den ELC
seit ihren Anfängen im 20. Jahrhundert starken Schwan-    fließen zunächst an die Zentralregierung und münden
kungen. Seit der Gründung der ersten Plantagen 1914       keinesfalls automatisch in Infrastrukturprojekte in den
nahm die Kautschukproduktion Kambodschas bis 1969         betroffenen Regionen.
auf 46.000 Tonnen im Jahr stetig zu. Durch den Beginn
der Unruhen in Kambodscha, der Machtübernahme             Mangelnde Transparenz und fehlender Schutz
der Roten Khmer und dem sich hieraus entfachenden
Bürgerkrieg brach die Kautschukproduktion bis 1981        Offizielle Informationen zu den ELC sind rar, die In-
dramatisch ein. Bis 2013 erhöhte sich die Produktion      transparenz ist groß. Es gibt kein öffentlich zugängli-
jedoch wieder auf über 43.000 Tonnen, die auf rund        ches Kataster und die Regierung veröffentlicht keine
36.000 Hektar geerntet wurden (vgl. FAOstat 2015).        Listen über die Gebiete, die sie für die agroindustriel-
Regierungsquellen liefern etwas höhere Zahlen: Dem-       len Investitionen im Rahmen der ELC verpachten will.
nach lag die geerntete Fläche 2011 bei 45.000 Hektar      Es gibt zwar eine Liste über abgeschlossene Verträge,
und die Produktion bei über 51.000 Tonnen. 213.000        doch es gibt keine Informationen darüber, wann Ver-
Hektar waren demnach bereits insgesamt mit Kaut-          handlungen beginnen (Global Witness 2013: 12). Die
schukbäumen bepflanzt, von denen sich jedoch ein          Liste scheint auch wenig glaubwürdig: Eine Stichprobe
großer Teil noch in der Wachstumsphase befindet (vgl.     im Juni 2012 ergab, dass bekannte Konzessionen hier
Ministry of Commerce 2012: 5). Damit ist in den kom-
menden Jahren mit einer deutlichen Zunahme der Pro-
duktion zu rechnen. Aussagen der Regierung für das
Jahr 2013 gingen bereits von einer Fläche von 78.000
Hektar aus, auf der Kautschuk geerntet wurde2.

Die Ausweitung der Kautschukplantagen führt zur
Abholzung von Wäldern, deren Flächen in den ver-
gangenen Jahren von 12,1 Mio. Hektar (1996) auf 9,8
Mio. Hektar (2012) deutlich gesunken ist (nach FAO-
stat 2015). Schon heute existieren großflächige Kaut-
schukanbaugebiete. Bis zum Jahr 2020 soll die Fläche
300.000 Hektar umfassen, von denen dann auf 235.000
Hektar gezapft wird (vgl. Ministry of Commerce 2012:
1). Der Kautschukanbau ist für die Regierung von gro-
ßer Bedeutung, denn Kautschuk ist das wichtigste land-
wirtschaftliche Exportprodukt. Der Kautschukanbau
soll auch Arbeitsplätze für die ländliche Bevölkerung     Proteste gegen Landraub, Foto: Heimkhera Suy/Flickr.com
schaffen und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern aus
der Armut befreien. 80 % der Bevölkerung in Kambod-
scha lebt auf dem Land, wo Armut weit verbreitet ist.
                                                          2 Mit diesen Zahlen wird zum Beispiel der Agrarminister Ouk Rabun in The
Die Regierung unterstützt daher auch den kleinbäu-          Phnom Penh Post vom 1. April 2014 zitiert (http://www.phnompenhpost.com/
erlichen Anbau, in Form von Landtiteln, Kleinkrediten       business/rubber-decline-stokes-worry).
und technischer Ausbildung.

                                                                                                                                                17
Arbeitsbedingungen im Kautschuksektor
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