Die Unterstützung der Adaptation und Reanimation des Neugeborenen

 
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Vol. 28 Nr. 5 2017                                                                                 Empfehlungen

Die Unterstützung der Adaptation und                                                                      • Bei stark mekoniumhaltigem Fruchtwasser
                                                                                                            und deprimierter Atmung soll innerhalb der
Reanimation des Neugeborenen                                                                                ersten Lebensminute der Fokus auf eine ra-
                                                                                                            sche Einleitung der üblichen Reanimations-
                                                                                                            massnahmen zur Unterstützung der Ventila-
Revidierte Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für                                                tion und Oxygenation gelegt und mit
Neonatologie (2017)                                                                                         Positivdruckbeatmung begonnen werden.
                                                                                                            Das intratracheale Absaugen soll nur dann
La version française suivra sous peu sur le site web de la SSP                                              durchgeführt werden, wenn sich unter Posi-
                                                                                                            tivdruckbeatmung keine Thoraxbewegungen
Erarbeitet von einer Arbeitsgruppe der Schweizerischen Gesellschaft für Neonatologie                        erzielen lassen und eine tracheale Obstrukti-
bestehend aus (in alphabetischer Reihenfolge): T. M. Berger, Luzern; V. Bernet, Zürich;                     on vermutet wird.
S. Schulzke, Basel; J-C. Fauchère, Zürich; M. Fontana, Luzern; L. Hegi, Winterthur; B.
Laubscher, Neuenburg; A. Malzacher, St. Gallen; P. Meyer, Aarau; V. Muehlethaler, Delémont;               Organisation
M. Nelle, Bern; R. E. Pfister, Genf; M. Roth-Kleiner, Lausanne.
                                                                                                          Allgemein
                                                                                                          Die grosse Mehrheit gesunder Neugeborener
Vernehmlassung durch (in alphabetischer Reihenfolge): D. Bachmann (Swiss Resuscitation
Council SRC); T. Girard (Schweiz. Ges. für Anästhesiologie und Reanimation SGAR und                       ohne Risiken braucht in den ersten Lebensmi-
Schweiz. Vereinigung der geburtshilflichen Anästhesie SAOA); I. Hösli (Schweiz. Ges. für                  nuten ausser Aufrechterhaltung einer norma-
Gynäkologie und Geburtshilfe); M-A. Panchard (Schweiz. Ges. für Pädiatrie); B. Stocker                    len Körpertemperatur und Sicherstellen einer
(Schweiz. Hebammenverband).                                                                               normalen Adaptation keinerlei Interventionen.
                                                                                                          Im Sinne einer Stabilisierung benötigen je-
Redaktionelle Verantwortung: J.-C. Fauchère, Zürich                                                       doch bis 10% aller Neugeborenen in den ers-
                                                                                                          ten Lebensminuten einfache respiratorische
                                                                                                          Unterstützungsmassnahmen. Weiterführende
                                                                                                          Reanimationsmassnahmen wie Thoraxkom-
Einführung                                           talzeit. Sie richten sich an alle Gebärkliniken      pressionen, Medikamente und Intubation sind
Entstehung und Anwendung dieser                      der Schweiz sowie an alle Pädiater, Neonato-         hingegen nur bei weniger als 1% der Neugebo-
Empfehlungen                                         logen, Geburtshelfer, Anästhesisten, Hebam-          renen notwendig 2), 9)-13). Weil Risikosituationen
Eine Arbeitsgruppe der Schweizerischen Ge-           men, Notfall-, Wochenbett-, Anästhesie- und          nicht immer vorausgesehen werden können,
sellschaft für Neonatologie (SGN) hat erst-          Neonatologie-Pflegefachpersonen.                     müssen bei jeder Geburt ausgebildetes Per-
mals im Jahr 2000 Empfehlungen zur Betreu-                                                                sonal und die technische Ausrüstung für eine
ung und Reanimation von Neugeborenen für             Die aktuelle Revision von 2017 beinhaltet            allfällige Reanimation vorhanden sein.
die Schweiz ausgearbeitet. Diese Empfehlun-          gegenüber der vorherigen Version von 2012
gen werden nun nach zwei Revisionen                  keine tiefgreifenden Änderungen. Folgende            Eine optimale Betreuung von Neugebo-
(2007/2012) erneut angepasst, basierend auf          Präzisierungen und Akzentuierungen wurden            renen erfordert:
den Evidenzen aus einer kritischen Evaluation        formuliert 6), 7):                                   • Kommunikation zwischen Hebammen, Ge-
der aktuell zur Verfügung stehenden wissen-                                                                  burtshelfer und Pädiater (Neonatologen).
schaftlichen Publikationen1), 2) sowie Revisio-      • Unterscheidung zwischen Massnahmen zur             • Noch vor der Geburt ausreichende Infor-
nen internationaler Empfehlungen 2) -4) . Mit          Wiederherstellung vitaler Organfunktionen             mation über das neonatologische Risiko.
berücksichtigt wurden publizierte Reflektio-           (Reanimation) und Massnahmen zur kompe-            • Antizipation der zu erwartenden Störun-
nen zu diesen revidierten internationalen              tenten und adäquaten Unterstützung der                gen.
Empfehlungen (insbesondere ERC und ILCOR)              neonatalen Adaptation.                             • Umsichtige Planung und Vorbereitung von
5)-7)
      sowie die 2016 von einer interdisziplinären    • Algorithmus: Fokus auf klinische Beurteilung          Personal und Material 8) .
Gruppe schweizerischer Fachgesellschaften              der Adaptation, auf Aufrechterhaltung von          • Klare, ruhige Führung und Assistenz in der
publizierten Empfehlungen zur Organisation             Normothermie und Vermeidung kritischer                Reanimation durch in neonataler Reanima-
der neonatalen Erstversorgung 8) .                     Verzögerungen bez. Einleiten von Massnah-             tion kompetente Fachpersonen.
Diese Leitlinien sollen als Empfehlungen ver-          men innert der ersten 60 Sekunden («Golden
standen werden, die im individuellen Fall an-          Minute»). Die 30-Sekunden-Regel wurde              Personal
gepasst werden können und sollen.                      fallen gelassen, da sie nicht sinnvoll und nicht   Im Idealfall ist mindestens eine Person aus-
                                                       evidenz-basiert ist.                               schliesslich für die Versorgung des Neugebo-
Ziel und Zielpublikum dieser Empfeh-                 • Vermeidung einer Hypothermie (starke Asso-         renen verantwortlich. Sie soll fähig sein, das
lungen                                                 ziation mit Mortalität und Morbidität) – Auf-      Neugeborene klinisch korrekt zu beurteilen,
Diese Empfehlungen beziehen sich in erster             rechterhalten einer normalen Körpertempera-        thermisch zu stabilisieren und falls notwendig
Linie auf die Betreuung von Neugeborenen               tur (Zielbereich 36.5 – 37.5°C) im Gebärsaal.      eine Reanimation einzuleiten, d. h. die Luftwe-
älter als 34 0/7 Schwangerschaftswochen              • Wichtigkeit einer verlässlichen Bestimmung         ge zu öffnen und eine Maskenbeatmung
und mit einem Geburtsgewicht über 2000 g.              der Herzfrequenz als zentraler Parameter           durchzuführen. Für weitere Massnahmen,
Sie haben Geltung für die Situation in der             bez. Eskalation/Deeskalation von Reanima-          insbesondere für eine intratracheale Intubati-
Gebärabteilung sowie für die gesamte Neona-            tionsmassnahmen.                                   on, soll Hilfe von einer in der neonatalen Re-

                                                                             7
Empfehlungen                                                                                                                            Vol. 28 Nr. 5 2017

animation geübten Person (Neonatologe, Pä-           Ausrüstung, die aus Häufigkeits-, Erfahrungs-     rität, vor allem des Zentralnervensystems
diater, Anästhesist) angefordert werden14), 15) .    und Kostengründen nicht in jeder Geburtskli-      wichtig sind. Die Geburt und die ersten Le-
Auch bei einer vermeintlich risikofreien Ge-         nik vorhanden sein können. Ein kleiner Teil       benstage sind aber auch ein emotionales Er-
burt können beim Neugeborenen unvorher-              von Schwangeren bedarf daher rechtzeitig vor      eignis, das einen prägenden Einfluss auf die
sehbare Probleme auftreten. Daher sind ein           der geplanten oder bevorstehenden Entbin-         zukünftige Eltern-Kind-Beziehung hat. Die
funktionstüchtiger Reanimationsplatz inklusi-        dung einer Verlegung in ein perinatales Zent-     perinatale Betreuung muss diese biologischen
ve Zubehör (Liste 1) und die rasche Verfügbar-       rum mit neonatologischer Intensivstation.         und emotionalen Bedürfnisse einbeziehen
keit einer in der neonatalen Reanimation ge-                                                           und adäquat gewichten.
übten Person Voraussetzung für jede                  Indikationen für eine pränatale
Gebärabteilung. Die organisatorische Ge-             Verlegung                                         Vorbereitung für die Erstversorgung
samtverantwortung für die primäre Betreuung          Eine intrauterine Verlegung in ein geburtshilf-   1. Antizipation des Betreuungs-Teams
des Neugeborenen liegt bei der Leitung der           lich-neonatologisches Zentrum ist in all jenen    • Leiter der Erstversorgung/Reanimation
geburtshilflichen Institution 8) . Diese kann die    Situationen angezeigt, in denen das Neugebo-         definieren.
Verantwortung im Einzelfall an Kollegen einer        rene voraussichtlich eine Reanimation oder        • Bei Bedarf zusätzliches Personal aufbie-
anderen Fachrichtung, vorzugsweise der Pä-           Intensivmassnahmen brauchen wird.                    ten.
diatrie/Neonatologie, übertragen.
                                                     A) Absolute Indikationen für eine Verlegung       2. Vorbereitung der Ausrüstung
Bei einer geplanten Hausgeburt und bei einer         sind:                                             • Material überprüfen, Dokumentationsblatt
Geburt im Geburtshaus soll eine Person für           • Drohende Frühgeburt vor 35 0/7 Schwan-             (Beurteilung der Adaptation und getroffe-
die Gebärende und eine weitere in neonataler            gerschaftswochen falls keine Neonatologie-        ne Massnahmen).
Reanimation kompetente Person für das Neu-              Abteilung in der Klinik/Spital vorhanden.      • Klar definiertes Alarmierungs-Schema
geborene anwesend sein 2) .                          • Drohende Frühgeburt vor 34 0/7 SSW oder            muss vorhanden sein bei Bedarf an zusätz-
                                                        geschätztes Geburtsgewicht < 2000 g falls         lichem Personal oder Aufgebot der zustän-
Ein Konsensus zur interdisziplinären Zusammen-          Neonatologie-Abteilung Level IIA in der Kli-      digen Neonatologie.
arbeit für die Sicherheit der werdenden Mütter          nik vorhanden.                                 • Gebärzimmer warm halten (23-25 °C)18)-20).
und der Neugeborenen hat die perinatalen             • Drohende Frühgeburt vor 32 0/7 SSW falls        • Wärmelampe und Licht anschalten.
Rahmenbedingungen und die notwendige Orga-              Neonatologie-Abteilung Level IIB in der Kli-   • Unterlagen der Mutter durchlesen und
nisation definiert und detailliert festgelegt 8).       nik vorhanden17).                                 abwägen, ob Unterstützung von einer er-
Dieser interdisziplinäre Konsensus wurde von         • Voraussehbare schwere Anpassungsstörun-            fahrenen Person zur Betreuung des Kindes
folgenden Fachgesellschaften (Schweiz. Ges.             gen, die Intensivmassnahmen erfordern.            notwendig werden könnte.
für Gynäkologie und Geburtshilfe SGGG,               • Höhergradige Mehrlinge (Drillinge und           • Hände waschen, Handschuhe (nicht steril).
Schweiz. Ges. für Neonatologie SGN, Schweiz.            mehr).                                         • Stoppuhr/Apgar-Uhr nach vollständiger
Ges. für Pädiatrie SGP, Schweiz. Ges. für Anäs-      • Pränatal diagnostizierte, versorgungsbe-           Entwicklung des Kindes starten 21) .
thesiologie und Reanimation SGAR, Schweiz.              dürftige Fehlbildungen.
Hebammenverband SHV und Schweiz. Vereini-                                                              Abnabeln
gung der geburtshilflichen Anästhesie SAOA)          B) Relative Indikationen (in Zweifelsfällen und   Bei Früh- und Termingeborenen nach vagina-
ratifiziert und ist Bestandteil dieser Empfehlung.   je nach lokalen Verhältnissen soll mit dem ge-    ler Geburt ohne Reanimationsbedarf und
                                                     burtshilflich-neonatologischen Zentrum Rück-      ohne mütterliche Indikation zur raschen Ab-
Ärzte, Hebammen und Pflegepersonal, welche           sprache genommen werden) sind:                    nabelung (z. B. Blutung, hämodynamische
Neugeborene bei der Geburt betreuen, sollen          • Intrauterine Infektion.                         Instabilität) 22) soll durch Abnabelung in der
alle 2-3 Jahre strukturierte Kurse bezüglich         • Hämolytische Erkrankung des Feten.              zweiten Lebensminute nach der vollständigen
Standards und Fertigkeiten in der neonatalen         • Fetale Rhythmusstörungen.                       Entwicklung des Kindes eine plazento-neona-
Reanimation besuchen16). Basierend auf dieser        • Intrauterine Mangelentwicklung (geschätz-       tale Transfusion erreicht werdena) 14), 15), 23)-25) .
Empfehlung werden in der Schweiz im Namen                tes fetales Gewicht < 5. Perzentile).         Der Bluttransfer aus der Plazenta zum Neuge-
der SGN «start4neo Kurse» von der jeweilig           • Chronische oder instabile Erkrankung der        borenen findet auch bei Positionierung des
verantwortlichen Regionalleitung durchgeführt.           Mutter (Hypertonie, Präeklampsie, HELLP-      Kindes auf dem Bauch/Brust der Mutter
                                                         Syndrom, Diabetes mellitus, Zustand nach      statt 26) . Die Abnabelung beeinträchtigt nicht
Ausrüstung                                               Transplantation, Autoimmunopathien etc.).     die frühe Betreuung des Neugeborenen (Ab-
Eine Checkliste der erforderlichen Ausrüstung        • Mütterlicher Suchtmittelkonsum.                 trocknen, Stimulation zum ersten Atemzug
für Spital- und Hausgeburt findet sich im An-        • Fetus mit letalen Fehlbildungen, bei denen      und sofortiger Haut-zu-Haut-Kontakt mit der
hang (Liste 1 und 2).                                    Intensivmassnahmen als nicht sinnvoll         Mutter). Bei Termingeborenen ist sie mit hö-
                                                         erachtet werden.                              heren Hämoglobinwerten bei Geburt und mit
Pränatale Verlegung von                                                                                besserem Eisenspeicher über die ersten Le-
Risiko-Schwangeren                                   Neonatale Adaptation
Die Entbindung von bestimmten Risiko-                Einleitung                                        a) Bei der Spätabnabelung sollen auch kulturell gepräg-
Schwangeren benötigt im Hinblick auf die             Die Umstellung vom intra- zum extrauterinen          te, individuelle Wünsche der Gebärenden bezüglich
                                                                                                          Abnabelungszeitpunkt berücksichtigt werden. Auch
optimale Betreuung der Mutter und des Kin-           Leben erfordert eine Reihe von biologischen          soll der Zeitpunkt der Abnabelung auf dem Dokumen-
des spezialisierte Kenntnisse, Fähigkeiten und       Anpassungsvorgängen, welche für die Integ-           tationsblatt protokolliert werden 38).

                                                                           8
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bensmonate assoziiert, was sich günstig auf                                     0                           1                         2
die Entwicklung auswirken kann 22), 27), 28) . Bei    Kolorit                   Stamm blau                  Stamm rosig               Stamm und
Frühgeborenen ist sie mit einer besseren                                        oder blass                  Extremitäten blau         Extremitäten rosig
Adaptation (insbesondere bei Einsetzen der            Atmung*                   keine                       oberflächlich             kräftig schreiend
Spontanatmung vor Abnabelung), mit einem              Tonus                     schlaff                     mittel                    kräftig
höheren mittleren Blutdruck und höherem               Reaktivität**             keine                       träge                     lebhaft
Hämatokrit sowie mit einer reduzierten Hirn-          Herzfrequenz              0                           < 100/Min.                > 100/Min.
blutungshäufigkeit assoziiert 29) -33) . Zurzeit     Apgar-Score     * Bei beatmeten Kindern Atmung mit einem Strich (-) beurteilen
kann keine Empfehlung bez. Abnabelungszeit                           ** Reaktivität = Spontanmotorik, Schreien, Niesen, Husten

formuliert werden bei Neugeborenen, die ei-
ner Reanimation bedürfen14),15) . Ebenso be-            Basis der Nabelschnur erfolgen. Ist die              erstoffverabreichung oder CPAP-Unterstüt-
steht noch Forschungsbedarf, ob das Aus-                Herzfrequenz über 60/Min. bzw. über                  zung den Apgar-Score nicht. Dies bedeutet
streichen der Nabelschnur bei Neugeborenen              100/Min.? Die Palpation des peripheren               z. B., dass ein zentral und peripher rosiges
mit Reanimationsbedarf eine Alternative dar-            Pulses ist zur Bestimmung der Herzfre-               Kind unter zusätzlicher O2 -Gabe betreffend
stellt 34) .                                            quenz nicht geeignet 39) .                           Kolorit 2 Punkte erhält.
Obwohl die Langzeitvorteile noch nicht erwie-
sen sind, kann bei früh- und termingeborenen         • Tonus: Ein sehr hypotones Neugeborenes                Massnahmen
Kindern bei Kaiserschnitt die Nabelschnur vor          wird mit grosser Wahrscheinlichkeit eine              bei normaler Adaptation
Abnabelung drei- bis fünfmal in Richtung zum           Atemunterstützung brauchen15) .                       Bei einer normalen Adaptation atmet das
Kind ausmassiert werden 35), 36) . Muss das                                                                  Neugeborene ab Geburt spontan; es hat eine
Neugeborene rasch abgenabelt werden, ist             • Kolorit: Wird das Kind zentral rosig (Farbe           Herzfrequenz über 100/Min., einen guten
zumindest für Frühgeborene die Evidenz vor-            der Zunge beurteilen)? Die meisten Neuge-             Tonus und wird im Verlauf der ersten 5-10
handen, dass ein viermaliges Ausstreichen              borenen sind initial blass-zyanotisch, da             Lebensminuten rosig 41), 42). Die Aufrechterhal-
der Nabelschnur vor dem Abnabeln zu einem              die fetale O2-Sättigung nur 40–60% be-                tung einer normalen Körpertemperatur sowie
höheren Blutvolumen führt 37) .                        trägt und die Hautdurchblutung noch ver-              Aufnahme einer normalen Atmung stehen im
Die bei Kaiserschnitt beobachteten Vorteile            mindert ist. Nach einigen Minuten breitet             Vordergrund.
des Nabelschnurausstreichens konnten bei               sich ein rosiges Kolorit über den ganzen              • Dieses Kind wird mit vorgewärmten Tü-
vaginaler Geburt nicht nachgewiesen werden;            Körper aus. Die Beurteilung der Oxygenie-                chern sofort abgetrocknet und der Mutter
hier bringt ein zusätzliches Ausstreichen der          rung anhand des Hautkolorits kann schwie-                auf den Bauch gegeben.
Nabelschnur zur Spätabnabelung keinen zu-              rig sein 40) . Insbesondere bei Vorliegen ei-         • Das Öffnen der Atemwege wird durch
sätzlichen Nutzen 37). Bezüglich Verabreichung         ner Anämie wird eine zentrale Zyanose erst               korrekte Lagerung gesichert.
von Oxytocin vor Abnabelung bei Kaiser-                bei tiefen Sauerstoffsättigungswerten kli-            • Absaugen ist nicht bei jedem Kind erfor-
schnitteinbindung sind die Daten bezüglich             nisch fassbar. Falls ein Neugeborenes kli-               derlich. Wenn gesunde Termingeborene
optimalen Zeitpunkt, Dosierung und Effektivi-          nisch zyanotisch bleibt, sollte die Oxygena-             innerhalb der ersten 60 Sekunden nach
tät dieser Massnahme unklar.                           tion spätestens nach 5 Lebensminuten                     der Geburt regelmässig atmen, eine Herz-
                                                       mittels Pulsoximetrie gemessen werden 15).               frequenz > 100/Min. haben und einen
Klinische Beurteilung der Adaptation                   Ein sehr blasses Hautkolorit andererseits                guten Muskeltonus entwickeln, und wenn
Folgende 4 Kriterien sind für den Einsatz all-         kann ein guter Indikator für eine behand-                das Fruchtwasser klar ist, soll auf das Ab-
fälliger Massnahmen in der Unterstützung der           lungsbedürftige Situation bei Anämie oder                saugen von Mund, Rachen und Nase ver-
Adaptation resp. Reanimation wegleitend.               Azidose sein15) .                                        zichtet werden. Unnötiges Absaugen ist für
Atmung und Herzfrequenz sind hierbei die                                                                        das Kind unangenehm, kann zu Schleim-
zentralen Kriterien bezüglich Einleitung von         Apgar-Score                                                hautläsionen und zu reflektorisch Brady-
Massnahmen; Tonus und Kolorit sind Zusatz-           Der Apgar-Score ist eine standardisierte Be-               kardien und Apnoen führen.
kriterien zur Optimierung dieser Betreuung           wertung der postnatalen Adaptation und des              • Der Apgar-Score wird im Alter von 1, 5 und
(Algorithmus):                                       Erfolges allfälliger Reanimationsmassnahmen.               10 Minuten erhoben.
                                                     Der Apgar-Score ist jedoch ungeeignet für die           • Kurz nach der Geburt wird das Neugebore-
• Atmung: Vorhanden, nicht vorhanden?                unmittelbare Entscheidung über den Einsatz                 ne bei guter Adaptation erstmalig an die
  Schnappatmung? In der Regel beginnt ein            therapeutischer Massnahmen.                                Brust der Mutter angelegt.
  gesundes Neugeborenes innerhalb der                1, 5 und 10 Minuten nach der vollständigen
  ersten 30-60 Sekunden nach Entwicklung             Entwicklung des Kindes wird jeder einzelne              Idealerweise sollen Mutter und Kind ein kon-
  spontan oder auf Stimulation hin zu atmen          Apgar-Parameter mit einer Punktzahl beurteilt           tinuierlicher Haut-zu-Haut-Kontakt von 2
  oder zu schreien10) .                              und protokolliert. Bei Zustandsänderungen               Stunden nach der Geburt ermöglicht werden,
                                                     und nach therapeutischen Massnahmen kön-                mindestens jedoch bis nach dem ersten An-
• Herzfrequenz: Soll vorzugsweise mit dem            nen Zwischenbestimmungen innerhalb aber                 setzen. In dieser Zeit muss von der zuständi-
  Stethoskop über Herzspitze ermittelt wer-          auch über die ersten 10 Lebensminuten hin-              gen Hebamme/Pflegefachfrau regelmässig
  den. In den ersten Lebensminuten und in-           aus durchgeführt werden15) .                            das Wohlergehen des Neugeborenen über-
  sofern eine Pulsation palpierbar ist, kann         Mit Ausnahme der Beatmung (siehe *) beein-              prüft werden 43) . Insbesondere ist darauf zu
  dies behelfsmässig durch Palpation an der          flussen therapeutische Massnahmen wie Sau-              achten, dass, wenn das Kind bei der Mutter

                                                                            9
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auf der Brust liegt, Mund und Nase des Neu-          Herzfrequenz < 100/Min. bleibt, kommen zu          renen Wärme; sie soll deshalb mit warmen
geborenen frei sind. Routinemassnahmen und           den Massnahmen, die bei einer normalen             Tüchern abgedeckt werden.
die weitere Versorgung des Neugeborenen              Adaptation durchgeführt werden, nämlich            Weitere Möglichkeiten: Kopfbedeckung (Kap-
erfolgen erstmals 2 Stunden nach der Geburt,         Thermoregulation (T), Öffnen der Atemwege          pe, Mütze), Einschalten der beheizbaren Un-
respektive frühestens nach dem ersten An-            (A, airways), je nach Zustand des Kindes           terfläche, Matratze.
setzen des Kindes 44) . Diese Massnahmen             weitere hinzu. Das Öffnen, respektive das
umfassen eine erstmalige Untersuchung des            Offenhalten der Atemwege (A) und die Belüf-        A - Öffnen der Atemwege
Neugeborenen durch Hebamme, Geburtshel-              tung der Lungen (B, breathing) sind dabei die      1. Korrekte Lagerung (Abbildung 1)
fer, Pädiater oder Neonatologen; sie sind un-        beiden wichtigsten Massnahmen in der neo-          • Eine korrekte horizontale Lagerung auf dem
ter einem Wärmestrahler bei guten Lichtver-          natalen Reanimation. In den meisten Fällen             Rücken mit dem Kopf in Mittelstellung mit
hältnissen durchzuführen.                            genügen diese auch, um ein Kind zu stabilisie-         leichter Deflexion ist wichtig für optimal
                                                     ren. Weitere komplexere Interventionen sind            durchgängige Atemwege. Hyperextension
Bei der ersten Kontrolle werden die weitere          hingegen nutzlos bis diese ersten Massnah-             oder eine Flexion des Kopfes sollten vermie-
Adaptation anhand der Vitalparameter und die         men korrekt durchgeführt worden sind 15) . Die         den werden, da dadurch die Atemwege ein-
Körpermasse beurteilt sowie allfällige Fehlbil-      möglichen Schritte und ihre Indikationen sind          geengt werden.
dungen ausgeschlossen:                               im Algorithmus zusammengefasst.                    • Durch eine kleine Windelrolle unter den
• Körpermasse: Gewicht, Länge und Kopfum-                                                                   Schultern (nicht unter Hinterkopf/Nacken)
   fang (auf Perzentilen-Kurven eintragen) 45).      Kommentar zu den einzelnen Schritten                   können die Atemwege besser offengehalten
• Atmung: Atemfrequenz (normal 30–60/                T - Thermoregulation                                   werden.
   Min.), Zeichen eines Atemnotsyndroms (Ein-        Unabhängig vom Gestationsalter besteht eine        • Die traditionelle Kopftieflage hat keine bewie-
   ziehungen, Stöhnen, Nasenflügeln, Zyanose,        eindeutige Assoziation zwischen Hypothermie            senen Vorteile für die Lungenfunktion und
   Tachypnoe)?                                       und Mortalität sowie Morbidität 4), 19) .              soll nicht mehr durchgeführt werden 48).
• Kreislauf: Herzfrequenz (normal 100­-160/          Die Reanimation wird in einem warmen Raum
   Min.), Peripherie warm und gut durchblutet?       durchgeführt (möglichst 23-25°C) 18)-20) . Luft-   Absaugen
• Wärmehaushalt: Zielbereich der Körper-             zug wird vermieden; Fenster und Türen sind         • Absaugen ist nur dann notwendig, wenn
   temperatur für Neugeborene ohne Bedarf an         geschlossen.                                          Fruchtwasser, Schleim oder Blut die Atmung
   therapeutischer Hypothermie: 36.5–37.5°C.         Der Wärmestrahler ist bereits 10 bis 15 Minu-         erschweren oder eine Beatmung notwendig
   Durch Messung der Rektaltemperatur lässt          ten vor Geburt eingeschaltet.                         wird.
   sich eine Analatresie frühzeitig diagnostizie-    Das Kind wird rasch abgetrocknet und dann          • Katheter Ch (Charrière) 10 ohne Seitenlöcher
   ren.                                              in warmen Tüchern auf den Reanimationstisch           verwenden. Mundsaugkolben oder mechani-
• Fehlbildungen: Extremitäten, Genitale, Rü-         unter den Wärmestrahler gebracht; feucht              sche Vorrichtung mit Falle verwenden (Sog
   cken, Gaumen. Eine Magensondierung zum            gewordene Tücher werden durch trockene,               ca. –2 m Wassersäule, entsprechend -200
   Ausschluss einer Ösophagusatresie oder            vorgewärmte Tücher ersetzt. Eine nicht auf-           mbar = –150 mmHg = –20 kPa = –0.2 atm).
   einer oberen intestinalen Obstruktion ist nur     wärmbare Unterlage entzieht dem Neugebo-           • Mund und, wenn notwendig, beide Nasenöff-
   indiziert, wenn ein Polyhydramnion, ein
   schaumiger Speichelfluss oder eine Atem-
   störung bestehen. Auf eine systematische
   Sondierung der Nasengänge zum Ausschluss
   einer Choanalatresie ist zu verzichten. Die
   Beobachtungen und Massnahmen werden
   auf dem Überwachungsblatt für Neugebore-
   ne protokolliert.
• Die Haut wird von Blut- und Mekoniumresten
   gereinigt, ohne dass die Vernix caseosa
   vollständig beseitigt wird.
• Die Vitamin-K-Prophylaxe und bei Indikation
   eine aktive und passive Impfung gegen He-
   patitis-B werden gemäss geltenden Richtlini-
   en durchgeführt 46), 47). Eine Gono­blenorrhoe-
   Prophylaxe mit Silbernitrat oder anderen
   desinfizierenden Augentropfen wird in der
   Schweiz nicht mehr empfohlen.

Vorgehen bei gestörter Adaptation
Reanimationsplan
Falls die klinische Beurteilung zeigt, dass ein
Neugeborenes keine regelmässige oder suffi-
ziente Atmung aufweist, oder dass seine              Algorithmus: Unterstützung der Adaptation und Reanimation des Neugeborenen

                                                                           10
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                                                                                                      (NeoTech® Meconiumaspirator) zum intratra-
Abbildung 1: Korrekte Lagerung zum Offenhalten der Atemwege                                           chealen Absaugen von Mekonium 66)

  nungen absaugen.                                    klarem Fruchtwasser. Diese Situation erfor-     Ermitteln der Herzfrequenz
• Katheter nicht in die Nase einführen: Verlet-       dert jedoch, dass eine in neonataler Reani-     • Die zuverlässige Ermittlung der Herzfre-
  zungsgefahr und Anschwellen der Nasen-              mation und Intubation kompetente Person           quenz (HF) ist in der neonatalen Reanima-
  schleimhaut. Neugeborene sind präferenti-           informiert wird und zur Verfügung steht.          tion von zentraler Bedeutung, da einerseits
  elle Nasenatmer.                                    Lebhafte Neugeborene mit guter Atemtätig-         die HF über Änderungen resp. Eskalation
• Wiederholtes langes Absaugen erschwert              keit und gutem Tonus können bei ihrer Mut-        von Reanimationsmassnahmen bestimmt,
  das Einsetzen einer Spontanatmung. Die              ter bleiben. Bei stark mekoniumhaltigem           andererseits ist ein Anstieg oder ein Ver-
  Berührung der Rachenhinterwand kann ei-             Fruchtwasser und deprimierter Atmung soll         bleiben der Herzfrequenz > 100/Min. der
  nen vagalen Reflex mit Bradykardie verursa-         nicht routinemässig intratracheal abgesaugt       wichtigste Parameter einer erfolgreichen
  chen.                                               werden, da damit ein Mekoniumaspirations-         Reanimation.
• Ein Absaugmanöver sollte nicht länger als 5         Syndrom nicht verhindert wird 53), 54). Viel-   • Die HF ist initial am einfachsten durch
  Sekunden dauern. Der Magen wird nur bei             mehr soll der Fokus auf eine rasche Einlei-       Auskultation mittels Stethoskop über der
  adäquater Oxygenierung und stabilisierter           tung der üblichen Reanimationsmassnahmen          Herzspitze zu bestimmen
  Atmung und unter folgenden Bedingungen              zur Unterstützung der Atmung gelegt wer-        • Die Palpation an der Basis der Nabelschnur
  abgesaugt:                                          den.                                              soll nur behelfsmässig erfolgen. Sie ist
  > bei Polyhydramnion oder bei schaumigem          • Vorausgesetzt, die betreuende Person be-          rasch durchführbar, ist aber weniger zuver-
  Speichel.                                           sitzt die dazu notwendige Fähigkeit und das       lässig.
  > nach oder unter längerer Beutelbeatmung           entsprechende Material ist vorhanden, soll      • Beide obgenannten Methoden können zu
  und vor einem Transport.                            das intratracheale Absaugen nur dann durch-       einer Unterschätzung der Herzfrequenz
• Gelingt es nicht, den Katheter bis in den           geführt werden, wenn: 1) einfache Massnah-        um zirka 20 Herzschläge/Min.55), 56) und
  Magen vorzuschieben, besteht der Verdacht           men zur Befreiung der oberen Atemwege             damit möglicherweise zu unnötigen Mass-
  auf eine Ösophagusatresie. Das Kind sollte          nicht erfolgreich sind, oder 2) wenn sich         nahmen führen.
  wegen Aspirationsgefahr auf den Bauch ge-           unter Positivdruckbeatmung keine Thoraxbe-      • Die Bestimmung der HF mittels Pulsoxime-
  legt werden. Mund sowie Rachen werden               wegungen erzielen lassen und eine trachea-        ter ist genauer, braucht jedoch 1-2 Minu-
  über eine offene Magensonde wiederholt              le Obstruktion vermutet wird. Dazu wird das       ten für eine akkurate Messung 57). In diesen
  schonend abgesaugt.                                 Kind intratracheal intubiert. Dabei wird der      ersten Lebensminuten unterschätzt die
• Das Absaugen von mehr als 20 ml Magen-              Endotrachealtubus mit einem Mekoniu-              Pulsoximetrie nicht selten die HF 58) .
  flüssigkeit ist verdächtig für eine obere gas-      maspirations-Adapter an das Vakuum ange-        • Die Ermittlung der HF mittels EKG ist ge-
  trointestinale Obstruktion. Bei einem sol-          schlossen und der Tubus wird unter Sog            nau und bereits innert den ersten Minuten
  chen Verdacht muss eine Magensonde                  wieder zurückgezogen (Abbildung 2). Als Al-       zuverlässig 57)-59). Das Installieren des EKG-
  gelegt und offengelassen werden sowie alle          ternative kann das Kurtis Absaugsystem            Monitorings soll weder die klinische Beur-
  10 Minuten abgesaugt werden.                        eingesetzt werden (Kurtis Meconium Suction        teilung, noch die Reanimationsmassnah-
• Mekoniumhaltiges Fruchtwasser: Das intra-           System®). Das Absaugen mit einem Katheter         men verzögern.
  partale oro-pharyngeale Absaugen bei me-            durch den Tubus ist bei dickem Mekonium
  koniumhaltigem Fruchtwasser hat keinen              meist unzureichend. Dieser Absaugvorgang        B - Beatmung (Abbildung 3 und 4)
  Einfluss auf das Outcome des Neugebore-             mit Einführen und Entfernen des ganzen Tu-      Beatmung mit Beutel/Maske: Bei ungenügen-
  nen 49)-51); deshalb wird diese Intervention        bus kann eventuell wiederholt werden, so-       der oder fehlender, respektive ungenügender
  nicht mehr als Routinemassnahme empfoh-             fern die Herzfrequenz normal bleibt. Ansons-    Spontanatmung oder Schnappatmung, resp.
  len 52).                                            ten soll eine effiziente Beatmung mit Beutel/   bei Herzfrequenz < 100/Min., soll das Neuge-
• Die Betreuung von Neugeborenen mit meko-            Maske begonnen werden, insbesondere bei         borene mittels Beutel und Maske beatmet
  niumhaltigem Fruchtwasser folgt denselben           anhaltender Bradykardie14), 15).                werden. Der Kopf wird dazu in Mittelstellung
  Grundsätzen wie bei Neugeborenen mit

                                                                          11
Empfehlungen                                                                                                                                 Vol. 28 Nr. 5 2017

leicht deflektiert und der Mund etwas geöff-         bislang keine klinischen Studien an Neugebo-           Rolle des Sauerstoffes in der neonata-
net gehalten. Bei termingeborenen Kindern            renen spezifisch den Einsatz eines zusätzli-           len Reanimation
soll die Beatmung mit Raumluft begonnen              chen positiv-endexpiratorischen Druckes                Der Einsatz von reinem Sauerstoff (100% O2 )
werden14), 15) . Die ersten 5 Inflationen sollten    (PEEP) bei positiver Druckbeatmung zum                 in der Neugeborenen-Reanimation ist durch
über 2-3 Sekunden (maximal 5 Sek.) angehal-          Aufbau einer funktionellen Residualkapazität           neuere Untersuchungen in Frage gestellt
ten werden um die Expansion der Lungen zu            unmittelbar nach der Geburt untersucht ha-             worden, da tiefere Sauerstoffkonzentrationen
unterstützen 2), 7), 60) . Dies kann mit einem so-   ben, ist davon auszugehen, dass die Anwen-             oder Raumluft (21% O2 ) bei den meisten Neu-
genannten «flow inflating bag» oder mittels          dung von PEEP vorteilhaft ist und somit be-            geborenen nach der Geburt ebenso effizient
T-Stück-System erreicht werden, nicht jedoch         nützt werden soll, insofern das notwendige             sind wie Sauerstoff in hoher Konzentration
mit einem selbstexpandierenden Beutel. Da-           Material vorhanden ist. In der Regel wird mit          70)-73)
                                                                                                                    . Besorgnis besteht bezüglich den mögli-
bei wird der Inspirationsdruck anhand der            einem PEEP von 5 cm H2O begonnen. Bei                  chen Auswirkungen der Anwendung von 100%
Thoraxexkursionen adaptiert und mittels Ma-          Anwendung eines selbstexpandierenden Be-               Sauerstoff auf die Atmung, auf die zerebrale
nometer am Beutel gemessen; oft genügt ein           atmungsbeutels muss zusätzlich ein PEEP-               Durchblutung sowie bezüglich der potenziel-
Inspirationsdruck zwischen 20–30 cm H2O.             Ventil aufgesetzt werden14) .                          len Zellschädigung durch toxische Sauer-
Gelegentlich muss dieser jedoch bei Termin-                                                                 stoffradikale. Dies ist insbesondere von Be-
geborenen bis auf 30–40 cm H2O erhöht                Beatmung mit T-Stück-System 61)-63): Im Ge-            deutung, wenn nach einem hypoxischen
werden. Falls kein Druckmonitoring möglich           gensatz zum Beutel/Maske-System 64), 65) er-           Zell- und Gewebeschaden hohe Sauerstoff-
ist, soll so viel Inspirationsdruck verabreicht      laubt die Anwendung eines T-Stück-Systems              konzentrationen appliziert werden. Generell
werden, um sichtbare Thoraxexkursionen und           einen PEEP-Druck zuverlässig und stabil zu             formuliert soll Sauerstoff als Medikament
einen Anstieg der Herzfrequenz zu erreichen          verabreichen; ebenso können Inspirations-              betrachtet und damit streng indiziert und
14), 15)
         . Danach wird die Beatmung mit einem        druck und -zeit besser gesteuert werden. Im            dosiert werden. Die überwiegende Mehrheit
den Bedürfnissen des Kindes angepassten              Gegensatz zum selbstexpandierenden Beat-               der Neugeborenen braucht unmittelbar nach
Druck (sichtbare Thoraxbewegung, Anstieg             mungsbeutel kann mit dem T-Stück-System                der Geburt keinen zusätzlichen Sauerstoff.
der Herzfrequenz) und mit einer Frequenz             eine prolongierte Inspiration oder eine CPAP-          Eine isolierte periphere Zyanose bei einem
zwischen 40–60/Min. durchgeführt. Obwohl             Behandlung durchgeführt werden. Bei Einset-            reaktiven Neugeborenen mit normaler Herz-
                                                     zen eines T-Stück-Systems muss immer ein               frequenz stellt keine Indikation für eine Sau-
                                                     Beutel mit Maske als Backup vorhanden sein.            erstoffapplikation dar.

                                                     Der Erfolg der Beatmung wird aufgrund fol-             Neuere Daten zeigen, dass bei gesunden
                                                     gender Kriterien beurteilt:                            Termingeborenen und bei normaler Adaptati-
                                                     • Thoraxexkursionen sind sichtbar.                     on die präduktale transkutane Sauerstoffsät-
                                                     • Als wichtigstes Erfolgszeichen steigt die            tigung während der ersten 10 Lebensminuten
                                                        Herzfrequenz > 100/Min. an oder bleibt >            von 40-60% pränatal auf Werte > 90% ansteigt
                                                        100/Min.                                            (Algorithmus) 74)-79). Wenn Sauerstoff appliziert
                                                     • Hautkolorit wird rosig.                              wird, muss dies immer mittels transkutaner
                                                                                                            präduktaler Sauerstoffsättigung (tcSaO2, am
                                                     Die Beatmung wird solange fortgesetzt bis              rechten Handgelenk/Hand) kontrolliert und
                                                     das Neugeborene eine regelmässige und                  dosiert werden. Die angestrebte präduktale
                                                     suffiziente Atmung aufgenommen hat.                    tcSaO2 unter Sauerstoffapplikation soll nach
                                                     Unter längerdauernder Maskenbeatmung soll              der 10. Lebensminute zwischen 90-95% lie-
Abbildung 3: Korrektes Platzieren der Maske          eine Magensonde eingelegt werden, um in                gen (O2 -Konzentration ↑ wenn tcSaO2 < 90%,
                                                     den Magen abgewichene Luft abzuleiten 66) .            ↓ O2 -Konzentration wenn tcSaO2 > 95%).
                                                     Die Larynxmaske hat ihre Wirksamkeit bei
                                                     Termingeborenen sowie bei Kindern ≥ 34 SSW             Neugeborene ohne Reanimationsbedarf
                                                     und > 2000 g Geburtsgewicht gezeigt 67), 68) .         Bei zentraler Zyanose nach der 5. Lebensmi-
                                                     Somit kann die Larynxmaske als Alternative             nute mit regelmässiger Atmung und normaler
                                                     für geschultes Personal zur Beatmung von               Herzfrequenz wird eine präduktale Sättigung
                                                     Termingeborenen betrachtet werden, dies vor            gemessen. Bei ungenügender Sauerstoffsät-
                                                     allem in Situationen, in denen eine Masken-            tigung (siehe Algorithmus, präduktale SaO2 -
                                                     beatmung oder Intubation nicht erfolgreich             Zielwerte), wird dem Neugeborenen Sauer-
                                                     durchgeführt werden kann e) 14), 15), 39), 69) . Die   stoff über eine Gesichtsmaske angeboten
                                                     korrekt durchgeführte Beatmung mit Beutel              (Flow 4–5 l/Min., initial 30–40% O2 ). Diese
Abbildung 4: Beatmung mit Beutel und Mas-            und Maske führt jedoch in den meisten Situ-            Sauerstoffmaske sollte dicht und gleichmäs­
ke. Achtung: Daumen und Zeigefinger bilden           ationen zum Erfolg. Zudem kann sie einfacher           sig über Mund und Nase gehalten werden. Die
den sog. C-Griff, der Mittelfinger wird auf den      erlernt werden. Je nach Pathologie (z. B. Pi-          O2 -Konzentration wird in 10% -Schritten ange-
Unterkiefer platziert; es soll kein Druck auf        erre-Robin Sequenz, Choanalatresie) kann ein
den Mundboden appliziert werden. Der Mund            Güdeltubus oral oder ein Wendel-Tubus nasal            e) Larynxmaske nicht indiziert: Frühgeborene < 34 SSW,
ist leicht geöffnet                                  eingesetzt werden.                                        GG < 2000 g, während Thoraxkompressionen.

                                                                             12
Vol. 28 Nr. 5 2017                                                                                              Empfehlungen

passt bis zur Normalisierung der Sauer-                  nicht zusammenfallen14), 15) . Sie sollen für die
stoffsättigung.                                          Neonatalzeit (bis 4 Wochen nach errechnetem
                                                         Termin) in einem Kompressions-/Ventilations-
Neugeborene mit Reanimationsbedarf                       Verhältnis von 3 : 1 durchgeführt werden, also
Termingeborene Kinder sollen primär mit                  mit 90 Kompressionen und 30 Atemstössen
Raumluft beatmet werden. Bei normokardem,                pro Minute. Da in dieser Altersgruppe in der
jedoch insuffizient atmenden Kind richtet sich           Regel ein kompromittierter Gasaustausch mit
die Indikation nach zusätzlichem Sauerstoff              Hypoxämie die primäre Ursache eines kardio-
nach den transkutanen Sauerstoffsättigungs-              vaskulären Kollapses ist, können über dieses
werten (mittels präduktaler Pulsoximetrie                Verhältnis mehr Beatmungshübe verabreicht
gemessen). Bei normaler Herzfrequenz und                 werden, um die Hypoxie zu behandeln 2), 7) .
persistierender Zyanose soll die Sauerstoff-             Dieses Verhältnis soll ebenfalls nach erfolgter             Abbildung 5a: Thoraxkompression (Daumen
zufuhr so titriert werden, dass die Sättigungs-          Intubation so koordiniert weitergeführt wer-                nebeneinander). Achtung: Die Daumen sollen
werte normal ansteigen (siehe Algorithmus)               den. Die Beatmung soll dabei mit 100% Sauer-                im distalen Fingergelenk flektiert sein, damit
c),d) 14), 15)
               . Andererseits, falls bei Bradykardie     stoff durchgeführt werden. Die Herzfrequenz                 ein vertikaler Druck appliziert werden kann,
( 60/Min. beträgt 15) .

C – Circulation und Thoraxkompressio-                    Schrittweises Vorgehen und Zeitlinie bei
nen (Abbildung 5a–c)                                     Bradykardie (Algorithmus)
Die Beatmung stellt die wichtigste Massnahme             1. Herzfrequenz ist
Empfehlungen                                                                                                                                     Vol. 28 Nr. 5 2017

durch eine geübte Person ausgeführt werden.                Therapeutische Hypothermie                        gelegt werden. In dringenden Situationen und
Die orale Intubation ist einfacher und rascher;            Neugeborene Kinder ≥ 35 0/7 SSW und ≤ 6           bei Schock wird am besten ein Nabelvenen-
sie ist deswegen zur Behebung einer akuten                 Stunden alt mit schwerer neonataler Azidose       katheter eingelegt (Liste 1). Nach der Stabili-
Hypoxämie und/oder Bradykardie der naso-                   (pH ≤ 7.0 innert den ersten 60 Lebensminu-        sierung des Kreislaufs wird die Infusion mit-
trachealen Intubation vorzuziehen. Die nasale              ten), BE ≥ –16 mmol/l und/oder Laktat ≥ 12        tels einer 10% -igen Glukoselösung mit 3 ml/
Intubation erlaubt eine bessere Fixation für               mmol/l und klinischen Zeichen einer modera-       kg/Std. fortgesetzt, entsprechend einer Glu-
einen allfälligen Transport; sie ist jedoch tech-          ten bis schweren hypoxisch-ischämischen           kosezufuhr von 5 mg/kg/Min.
nisch etwas anspruchsvoller als die orale Intu-            Enzephalopathie sollen mittels therapeuti-
bation und sollte nicht im Zustand einer aku-              scher Hypothermie behandelt werden 87), 88) .     Volumen-Therapie
ten Hypoxie durchgeführt werden. Bei                       Dadurch können Mortalität und neurologi-          Bei Vorliegen von Zeichen einer Hypovolämie
Nichtbeherrschen der Intubation soll das                   sches Outcome signifikant verbessert werden       oder Kreislaufinsuffizienz, wie verminderte
Neugeborene bis zum Eintreffen einer trainier-             89)
                                                               . Diese Behandlung soll indes nur unter       periphere Durchblutung, schwach palpable
ten Person mittels Beutel/Maske weiterbeat-                strengen Kriterien und nach striktem Proto-       Pulse, tiefer Blutdruck, Blässe und Tachykar-
met werden. Während der Intubation soll die                koll in neonatalen Intensivabteilungen durch-     die, muss ein Volumenersatz (über 5–10 Mi-
Herzfrequenz überwacht werden. Ein Intuba-                 geführt werden15) . Eine Hyperthermie soll        nuten) erfolgen. Dazu kommen folgende Lö-
tionsversuch wird bei Auftreten einer Brady-               immer vermieden werden. Da das therapeuti-        sungen in Frage:
kardie oder nach einem erfolglosen Versuch                 sche Fenster 6 Stunden beträgt, soll nur in       • NaCI 0.9% (initial 10 ml/kg, Wiederholung
nach spätestens 30 Sekunden abgebrochen.                   Absprache mit dem Neonatologie-Referenz-             je nach Blutdruck und Klinik).
Die korrekte intratracheale Lage des Endotra-              zentrum bis zum Eintreffen der Transport-         • Erythrozytenkonzentrat (z. B. bei akuter
chealtubus muss nach jeder Intubation bestä-               Equipe bereits vor Ort jegliche äussere Wär-         Anämie, Blutungsanamnese) ungetestetes
tigt werden. In den meisten Fällen kann dies               mequelle ausgeschaltet werden und das                0 Rh-negatives Blut verwenden). Dosie-
problemlos klinisch durchgeführt werden (vi-               Neugeborene soll abgedeckt bleiben 90). Diese        rung: 10 ml/kg, evtl. wiederholen. Bis in-
suell während der Intubation, schneller An-                Massnahme soll die initiale Reanimation und          fundierbare Erythrozyten vorliegen, soll
stieg der Herzfrequenz und der Sauerstoffsät-              Stabilisierung nicht beeinträchtigen; sie ist        bei akuter Hypovolämie überbrückend
tigung, Feuchtigkeitsbeschlag des Tubus,                   jedoch für die weitere Betreuung wichtig15). Es      NaCl 0.9% verabreicht werden.
Thoraxbewegung, auskultatorisch symmetri-                  soll jedoch keine aktive Kühlung z. B. mittels    Albumin 5% ist als Volumenersatz in der neo-
sche Atemgeräusche). Die Messung des ex-                   Eispackungen u. a. m. durchgeführt werden,        natalen Reanimation kontraindiziert 92) .
spiratorischen CO2 (z. B. kolorimetrisch) ist              weil solche Eispackungen schnell zu Unter-
einfach und schnell; sie stellt den Goldstan-              kühlung führen können. Die rektale Tempera-       Puffer-Therapie
dard zur Bestätigung der intratrachealen Intu-             tur soll bis Eintreffen der Transport-Equipe      Bei einer metabolischen Azidose soll die Be-
bation dar, schliesst aber eine einseitige Intu-           viertelstündlich kontrolliert werden; der Ziel-   handlung der primären Ursache angestrebt
bation nicht aus f) 14), 15), 86) .                        bereich liegt zwischen 34–35°C. Falls die         werden. Die Gabe von Natrium-Bikarbonat
Bei liegendem Endotracheal-Tubus soll die                  rektale Temperatur unterhalb dieses Zielbe-       kann schwere Nebenwirkungen verursachen
Atmung des Kindes immer mittels positivem                  reiches fällt, soll durch Zudecken oder mittels   (paradoxe intrazelluläre Azidose, osmotisch
Druck unterstützt und ein PEEP von 5 cm H2O                einer alternativen Wärmezufuhr ein weiterer       bedingte Myokard-Dysfunktion, Verminderung
appliziert werden. Eine Spontanatmung über                 Temperaturabfall vermieden und die Tempe-         des zerebralen Blutflusses und Hirnblutung v.
den intratracheal liegenden Tubus kann ohne                ratur nach einer Viertelstunde wieder geprüft     a. bei Frühgeborenen). Es gibt keine Evidenz
PEEP zu Atelektasen führen und soll zwingend               werden. Die Kühlung während des Transpor-         für eine Wirksamkeit von Natrium-Bikarbonat
vermieden werden.                                          tes ins Zentrum erfolgt gemäss Transportpro-      in der initialen Reanimation des Neugebore-
In der Gebärabteilung intubierte Frühgebore-               tokoll 91) .                                      nen; deswegen ist diese Behandlung in dieser
ne bleiben für den Transport auf die Neonato-                                                                Phase kontraindiziert 39), 93)-96) .
logie-Abteilung intubiert. Ausnahmsweise                   Volumen-/Puffer-Therapie
kann bei Termingeborenen die Extubation                    Venöser Zugang                                    D – Drugs (Medikamente, Tabelle)
durch die Transport-Equipe erwogen werden,                 Bei intubierten oder kardiopulmonal instabi-      In der neonatalen Reanimation sind Medika-
dies wenn die kardiopulmonale Situation sich               len Neugeborenen muss ein venöser Zugang          mente selten notwendig, und wenn, dann am
normalisiert hat, das Kind in Raumluft eine
normale Sauerstoffsättigung hat und die
                                                                                                             f) Es existieren wenige Daten zum Einsatz der exspira-
Blutgasanalyse normal ist.                                                                                      torischen CO2 -Messung in der neonatalen Reanima-
                                                                                                                tion. Dennoch ist der positive Nachweis von CO2 in
                                                                                                                der Ausatmungsluft zusätzlich zur klinischen Beurtei-
                                                                                                                lung eine wertvolle Methode zur Bestätigung der in-
g) Der Einsatz eines Pulsoximeters oder eines EKG-Ge-                                                           tratrachealen Lage des Tubus 4), 14), 15); ein negatives
   rätes ist unter Thoraxkompressionen sinnvoll und                                                             Resultat weist auf eine ösophageale Intubation hin.
   hilfreich. Falls das EKG sehr schnell angelegt werden                                                        Bei schlechter Lungenperfusion kann das Resultat
   kann, ist diese Methode der pulsoximetrisch ermit-                                                           der Messung jedoch falsch negativ sein. Beim Einsatz
   telten Herzfrequenz überlegen. Letztere braucht et-                                                          einer kolorimetrischen Methode kann bei Kontamina-
   was länger bis ein verlässliches Pulssignal abgelesen                                                        tion des Materials mit Surfactant, Adrenalin oder
   werden kann, zudem kann sie die HF auch unterschät-                                                          Atropin eine falsch positive Angabe entstehen 39). In
   zen 58). Die Messung der Herzfrequenz mittels Palpa-                                                         diesem Fall kommt es allerdings, im Gegensatz zur
   tion der Nabelschnur genügt bei Durchführung einer                                                           erfolgreichen Intubation zu einem dauerhaften, nicht
   Thoraxkompression nicht.                                Abbildung 6: Oro-tracheale Intubation                atemsynchronen Farbsignalwechsel.

                                                                                 14
Vol. 28 Nr. 5 2017                                                                                          Empfehlungen

ehesten als Volumenersatz und Adrenalin14), 39).    Kontaktmöglichkeiten und die Interaktion zwi-              Ebenso soll noch vor Ort oder zeitnah nach der
Eine Bradykardie des Neugeborenen ist in der        schen Mutter und Kind. Diese sollte, wenn                  Reanimation die Möglichkeit eines Team-De-
Regel durch eine bedeutende Hypoxie bedingt,        immer möglich auch in schwierigen Situationen              briefings gegeben werden, gegebenenfalls zu-
welche durch eine ungenügende Lungenbelüf-          gefördert werden.                                          sammen mit der zuständigen Neonatologie.
tung entsteht15) . Voraussetzung für eine er-
folgreiche medikamentöse Behandlung ist             Für viele Eltern ist das Miterleben von Wieder-            Abbruch der Reanimationsmass-
eine adäquate Oxygenation 83) .                     belebungsmassnahmen mit Ängsten und nega-                  nahmen
                                                    tiven Eindrücken verbunden. In der akuten Si-              Sind nach 20 Minuten kontinuierlicher und
Adrenalin 1 : 1000 (1 mg/ml) k)                     tuation können Massnahmen nicht erklärt und                adäquater Reanimation mit effektiver Beat-
Falls trotz effektiver Beatmung mit 100%            besprochen werden. Zudem kann die Präsenz                  mung mit 100% O2, mit koordinierten Thorax-
Sauerstoff und Thoraxkompressionen innert           der Eltern das Team zusätzlichem Stress und                kompressionen und intravenöser Adrenalinga-
30 Sekunden die Herzfrequenz weiterhin <            Ablenkung unterstellen. Wird das Neugeborene               ben 7), 99)-101) keine Lebenszeichen vorhanden
60/Min. bleibt, ist die Verabreichung von           in einem separaten Raum ohne Beisein der                   (keine Herzaktion, keine Spontanatmung,
Adrenalin sinnvoll15) . Adrenalin soll, wenn        Eltern reanimiert, ist eine regelmässige Infor-            Apgar-Score nach 10 Minuten weiterhin 0) 6) ,
möglich intravenös verabreicht werden 9) .          mation der Eltern über den Zustand ihres Kin-              kann ein Abbruch der Reanimationsmassnah-
Dosierung intravenös: 10–30 µg/kg/dosi              des wie auch über die vorgenommenen Mass-                  men gerechtfertigt sein, da in dieser Situation
(entsprechend 0.1–0.3 ml/kg einer Adrenalin-        nahmen durch das betreuende Team wichtig15).               ein Überleben unwahrscheinlich ist, respekti-
Lösung 1 : 10000; 1 ml Adrenalin 1 : 1000 +         Idealerweise wird eine geeignete Person, wel-              ve mit schwerster neurologischer Beeinträch-
9 ml NaCI 0,9%).                                    che nicht aktiv an der Reanimation tätig ist, für          tigung assoziiert wäre14), 39), 102), 103). Die Auskul-
Dosierung intratracheal: 50 bis maximal 100         diese Aufgabe beauftragt.                                  tation der Herzfrequenz kann schwierig sein,
µg/kg/dosi14), 15) .                                Am besten werden der Ablauf der Betreuung                  hier erlauben Pulsoximetrie oder ein EKG-
                                                    nach der Geburt und mögliche Probleme noch                 Monitor eine zuverlässigere Beurteilung der
Naloxon (0.4 mg/ml)                                 vor der Geburt mit den Eltern besprochen.                  HF. Bei Unsicherheit sollen die Reanimations-
Es besteht keine Evidenz für eine Wirksamkeit       Dabei kann auch vereinbart werden, ob sie bei              massnahmen bis zum Eintreffen einer in neo-
von Naloxon bezüglich Reversion einer opiat-        einer allfälligen Reanimation dabei sein kön-              nataler Reanimation kompetenten ärztlichen
bedingten Atemdepression bei Geburt; unbe-          nen/wollen104)-107).                                       Person fortgesetzt und erst nach gemeinsa-
kannt ist auch, ob Naloxon den Bedarf an                                                                       mer Evaluation sistiert werden. Nach dem
mechanischer Beatmung in der Gebärabtei-            Nach einer schwierigen Reanimation soll genü-              Abbruch soll mit der Neonatologie-Abteilung
lung reduziert. Auch existieren Bedenken            gend Zeit für ein Gespräch mit den Eltern ein-             Kontakt aufgenommen werden, um allfällige
bezüglich langfristiger Sicherheit; somit kann      geräumt und ihnen Gelegenheit gegeben wer-                 Abklärungen abzusprechen.
Naloxon nicht als Routinemedikation bei             den, das Kind zu sehen und zu berühren. Vor
atemdeprimierten Neugeborenen in der Ge-            einer Trennung bzw. Verlegung des Neugebo-                 Betreuung des Neugeborenen nach
bärabteilung empfohlen werden 97) . Atemun-         renen sollte ein Foto für die Eltern angefertigt           Reanimation
terstützende Massnahmen und mechanische             werden. Adresse, Telefonnummer der Neona-                  Neugeborene, welche einer Reanimation be-
Beatmung sollen in erster Linie eingesetzt          tologie-Abteilung sowie Name einer Kontakt-                durften, können sich zu einem späteren Zeit-
werden. Allfällige Indikation: Bei Neugebore-       person, an welche sich die Eltern für weitere              punkt erneut verschlechtern. Deshalb muss
nen mit Atemdepression, deren Mütter ein            Informationen wenden können, sollen hinter-                ein solches Kind nach Erreichen einer adäqua-
Opiat-Präparat innerhalb von 4 Stunden vor          lassen werden. Die Mutter und die Pflegenden               ten Ventilation, Oxygenation und Kreislaufsi-
der Geburt erhalten haben. Dosierung: 0.1           sollen daran erinnert werden, dass auch in                 tuation in eine Neonatologieabteilung (Level
mg/kg intravenös oder intramuskulär (nicht          Krisensituationen die Muttermilchproduktion                IIA oder höher) verlegt werden, in welcher ein
intratracheal oder subkutan) l). Die Halbwerts-     durch Abpumpen stimuliert werden sollte.                   kontinuierliches Monitoring, eine dauerhafte
zeit von Naloxon ist meistens kürzer als dieje-     Auch soll in Absprache mit den lokalen Ge-                 Überwachung und Betreuung gewährleistet
nige des Opiat-Präparates, deswegen ist             burtshelfern die Möglichkeit einer Nachverle-              sind14), 15) .
zwingend eine Monitor-Überwachung in den            gung der Kindsmutter auf die geburtshilfliche
ersten 24 Stunden notwendig und damit eine          Abteilung im selben Spital wie die Neonatolo-              Laboruntersuchungen in der Gebär­
Verlegung auf eine Neonatologieabteilung            gie thematisiert werden.                                   abteilung
(Level IIA oder höher) erforderlich.                                                                           Die klinische Beurteilung der Adaptation kann
                                                    k) Es existieren keine Studien zur hochdosierten Adre-
Kontraindikation: Kinder von opiat-abhängi-            nalin-Verabreichung (100 µg/kg/dosi) beim Neuge-        bei Bedarf durch folgende «Labor-Trias» er-
gen Müttern (Anamnese!).                               borenen 96). Deshalb und aufgrund potentieller Neben-   gänzt werden:
                                                       wirkungen werden hohe Dosierungen nicht                 • Blutgasanalyse (insbesondere auch bei
                                                       empfohlen. Obwohl in der neonatalen Reanimation
Betreuung der Eltern                                   die Intubation meist vor dem Legen eines venösen           tiefem 5- und 10-Minuten-Apgar-Score)
Die Betreuung der Eltern während der Geburt            Zuganges (Nabelvenenkatheter) durchgeführt wird,        • Hämatokrit.
ist eine wichtige Aufgabe. Diese wird beson-           soll, wo möglich die intravenöse Applikation von Ad-    • Blutzucker.
                                                       renalin der intratrachealen vorgezogen werden. Eine
ders anspruchsvoll, wenn die Adaptation eines          ineffiziente intratracheale Verabreichung muss intra-
Neugeborenen gestört ist, oder wenn ein Kind           venös wiederholt werden. Wird Adrenalin repetitiv       Eine Blutgasanalyse ist indiziert bei einem
mit Fehlbildungen auf die Welt kommt. Dabei            intravenös gegeben, soll die normale Dosierung ge-      Nabelarterien-pH < 7.15 und bei klinischen
                                                       wählt werden14), 15).
beanspruchen Reanimationsmassnahmen oft             l) Die von der AAP empfohlene Naloxon-Dosierung von        Zeichen einer gestörten Adaptation (neonata-
einen breiten Raum und beeinträchtigen die             0.1 mg/kg ist nicht evidenzbasiert 98).                 le Warnzeichen).

                                                                              15
Empfehlungen                                                                                                                     Vol. 28 Nr. 5 2017

Ein Hämatokrit sollte bei Polyglobulie- (Über-      natologie-Klinik besprochen werden. Der          Beatmungsausrüstung
tragung, Dysmaturität oder peripherer Zyano-        Transport soll durch eine geschulte Transport­   • Beatmungsbeutel mit O2-Reservoir und
se) oder bei Anämieverdacht (Blässe, Kreis-         equipe mit Transportinkubator durchgeführt         PEEP-Ventil; plus 1 Beutel in Reserve j) .
laufinstabilität) bestimmt werden.                  werden.                                          • Beatmungsmasken (Grösse 00 und 01);
                                                                                                       plus 1 Set in Reserve.
Eine Blutzuckerbestimmung im Gebärzimmer            Vorbereitungen vor dem Transport:                • Evtl. T-Stück Beatmungssystem.
wird nur bei hypoglykämieverdächtigen Symp­         • Personalien und Unterlagen der Mutter,         • Laryngoskop mit je 1 Spatel 0 und 1; plus
tomen, nach Reanimation oder bei Zeichen               Reanimationsprotokoll kopieren.                 Batterien in Reserve.
einer diabetischen Fetopathie durchgeführt.         • Blut der Mutter (10 ml EDTA) und Nabel-        • Tuben: Grössen 2.5 / 3.0 / 3.5 (mm Innen-
In der frühen Anpassungsphase nach der                 schnurblut mitgeben.                            durchmesser) für orale (mit Führungs-
Geburt sind tiefe Glukosewerte häufig. Mes-         • Plazenta asservieren.                            draht) und nasale Verwendung.
sungen der Blutglukose in den ersten 2–3            • Kind der Mutter bzw. den Eltern zeigen.        • Magill-Zange.
Lebensstunden sind daher bei asymptomati-           • Den Eltern Adresse und Telefonnummer           • Heftpflaster.
schen, normalgewichtigen Termingeborenen               der Neonatologie-Abteilung hinterlassen.      • Säuglingsstethoskop.
irreführend und klinisch nicht sinnvoll108) . Bei                                                    • Guedeltubus 00/000, evtl. Wendl-Naso-
Neugeborenen mit hypoxisch-ischämischer             Liste 1                                            pharyngealtubus.
Enzephalopathie soll eine Hypoglykämie ver-         Ausrüstung für eine Spitalgeburt
mieden werden (normale Blutzuckerwerte 3.0          Einrichtung des Reanimationsplatzes              Ausrüstung zum Legen venöser
– 4.5 mmol/l) 109) .                                • Mobile Reanimationseinheit oder fest instal-   Zugänge
                                                       lierter Reanimationsplatz.                    Periphere Leitung
Postnataler Transport von Risiko-                   • Wärmelampe, möglichst warme Umge-              • Venenverweil-Kanülen (z. B. Insyte BD 24
Neugeborenen                                           bungstemperatur, nicht dem Luftzug ausge-       G, Neoflon BD 26 G) .
Ein neonataler Transport sollte, wenn möglich,         setzt.                                        • Dreiweghahn.
durch eine antepartale Verlegung der Mutter         • Anschlüsse für Strom, Sauerstoff/Druck-        • Verlängerungsstück (spezielle Kindergrösse).
in ein Perinatalzentrum vermieden werden.              luft h), Vakuum.                              • Pflaster.
                                                    • Abstell-/Arbeitsfläche.                        • Lagerungsschiene.
Verlegungsindikationen eines Neuge-                 • Stoppuhr/Apgar-Uhr.                            • Je 5 Spritzen à 10 ml, 5 ml, 2 ml und 1 ml.
borenen in eine Neonatologie-Abtei-                 • Zugang für Transportinkubator.                 • Aufziehnadeln (18 G).
lung (Level IIA oder höher) sind:                   • Nicht sterile Handschuhe (Grössen S, M, L).
• Frühgeborenes unter 35 0/7 SSW.                                                                    Nabelvenenkatheter
• Geburtsgewicht unter 2000 g.                      Beleuchtung                                      • Sterile Handschuhe, diverse Grössen.
• Schwere neonatale metabolische Azidose            • Helles Licht, wenn möglich im Wärme-           • Desinfektionsmittel (alkoholisch oder Oc-
   pH < 7.0, BE ≥ –16 mmol/l und/oder Laktat          strahler integriert.                             tenidin-Phenoxyäthanol), sterile Tupfer.
   ≥ 12 mmol/l, ungeachtet der klinischen                                                            • Steriles Nabelvenenkatheter-Einwegset (z.
   Situation (Level III).                           Wärmequellen                                       B. Vygon ® ): Nabelbändchen, steriles
• Neugeborene Kinder ≥ 35 0/7 SSW (s.               • Regulierbare Wärmelampe mit festem Ab-           Schlitztuch, 2 Péan-Klemmen, grobe und
   oben) mit Zeichen einer hypoxisch-ischä-           stand zur Unterlage (keine Rotlichtlampe).       feine anatomische Pinzette, 1 chirurgische
   mischen Enzephalopathie nach Absprache           • Genügend warme Tücher/Windeln.                   Pinzette, Schere, Nadelhalter, Skalpell,
   mit dem zuständigen neonatologischen             • Reanimationsplatz frühzeitig vorwärmen.          Faden (z. B. Mersilene Ethicon ® 2.0 oder
   Zentrum (Level III) zur therapeutischen                                                             3.0 mit atraumatischer Nadel).
   Hypothermie sobald als möglich (innert           Absaugvorrichtung                                • Nabelvenenkatheter Ch 3.5 und 5.
   ersten 6 Lebensstunden).                         • Absaugkatheter mit Auffangbehälter.
• Zustand nach Reanimation (Beutelbeat-             • Vakuumpumpe mit Druckreduktionsventil          Vorgehen Nabelvenenkatheter
   mung > 5 Min., Intubation, Volumenthera-           auf -200 mbar (–20 kPa, ca. –0.2 atm, –2       1. Hochhalten der Nabelschnur durch Hilfs-
   pie, Thoraxkompressionen, Medikamente              mH2O, –150 mmHg) eingestellt.                     person.
   etc.).                                           • Schlauch und Adapter für Absaugkatheter.       2. Desinfektion der Bauchhaut um Nabelan-
• Kardio-pulmonale Störungen, die 4 Stun-           • Mekoniumsapirations-Adapter für endotra-          satz sowie Nabelschnur
   den nach Geburt persistieren.                      cheales Absaugen.                              3. Nabelschnur ablegen.
• Persistierende oder rezidivierende Hypo-          • Absaugkatheter Ch 8 und 10 (vorne abge-        4. Steriles Schlitz-/Lochtuch über Abdomen
   glykämie (< 2.5 mmol/L Schnelltest-Be-             rundet, ohne Seitenlöcher).                       legen, Nabelschnur sichtbar (Kind muss
   stimmung) trotz Frühernährung108) .                                                                  weiter beobachtet werden können).
• Verdacht auf Infektion (keine Antibiotika         Sauerstoff- und Gaszufuhr                        5. Steriles Nabelbändchen um Hautnabel
   per os oder i. m.) 110) .                        • Sauerstoffquelle mit Flowmeter, Sauer-            binden, leicht anziehen.
• Krampfanfälle, Entzugsymptomatik.                   stoff-Druckluft - Mischgerät h), Gasschlauch   6. Durchtrennen der Nabelschnur mit Skal-
• Ikterus bei Geburt111) .                            zu Gesichtsmaske/Beatmungsbeutel.                 pell, ca. 1 cm oberhalb des Hautnabels.
                                                    • Druckluft.                                     7. Identifizieren der Nabelvene und der zwei
Diese Liste ist nicht abschliessend; unklare        • Pulsoximeter i) .                                 Nabelarterien (Abbildung 7).
Situationen sollen mit der zuständigen Neo-         • Sauerstoff-Gesichtsmaske.

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