Digitale Transformation: Schritt für Schritt - 4 | 2020 - Edudoc CH

Die Seite wird erstellt Arthur Link
 
WEITER LESEN
Digitale Transformation: Schritt für Schritt - 4 | 2020 - Edudoc CH
4 | 2020

Digitale Transformation: Schritt für Schritt
Digitale Transformation: Schritt für Schritt - 4 | 2020 - Edudoc CH
ZÄH N I PAU S E                                                                                        Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020

                Weitläufige Schulgemeinde
                    mit grosser Vielfalt
                                             Text: Urs-Peter Zwingli | Bilder: Ana Kontoulis

Die Primarschulgemeinde Lauchetal entstand 2009 bei der Fu-           Aber auch, dass regelmässig Kinder integrativ beschult werden,
sion von vier kleineren Schulgemeinden. «Danach mussten wir           fördere das gegenseitige Verständnis. Aktuell sind fünf InS-Schü-
das Lehrpersonenzimmer am Schulstandort Affeltrangen in einen         lerinnen und Schüler im Lauchetal eingeschult. Bei Pausenbeginn
grösseren Raum zügeln», sagt Marcel Rohner, seit 2012 Lauche-         witzeln die sieben Affeltranger Lehrpersonen darüber, wer zurzeit
tal-Schulleiter. So treffen sich die Lehrper-                                                die modischste Schutzmaske trägt. Und sie
sonen im grosszügigen Dachstock. Weitläu-                                                    erzählen von Projekten: dem gemeinsamen
fig ist auch das Lauchetaler Einzugsgebiet:          2019 wurde ein Schülerinnen-            Singen etwa, mit dem die Klassen nach den
An vier Standorten der Schulgemeinde, die              und Schülerrat gegründet,             Ferien den Schulbeginn einläuten. Geplant
im Dreieck Frauenfeld-Wil-Weinfelden liegt,           der die Anliegen der Kinder            war zudem ein Musical, bei dem Schü-
besuchen insgesamt 195 Schülerinnen und                der Schulleitung und den              lerinnen  und Schüler der verschiedenen
Schüler den Unterricht bei 23 Lehrpersonen.              Lehrpersonen vorlegt.               Schulhäuser   mitmachen – wegen Corona
Der ländliche Charakter dieser Gegend                                                        wurde das auf 2021 verschoben. So oder
prägt auch die Organisation der Schule. In                                                   so bringen sich die Schülerinnen und Schü-
Wolfikon etwa gehen Kinder aus umliegenden Weilern in eine Ge-        ler aktiv ins Lauchetaler Schulleben ein. 2019 wurde ein Schüle-
samtschule. Und in Affeltrangen werden sechs altersdurchmischte       rinnen- und Schülerrat gegründet, der die Anliegen der Kinder der
Klassen unterrichtet. «Die Stimmung unter unseren Schülerinnen        Schulleitung und den Lehrpersonen vorlegt.
und Schülern ist gut, es herrscht grosse gegenseitige Akzeptanz»,
sagt eine Lehrerin. Das liege vielleicht am ländlichen Hintergrund.   schule-lauchetal.ch

                                                                   2
Digitale Transformation: Schritt für Schritt - 4 | 2020 - Edudoc CH
Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020                                                                                I N HA LT

       10            Reportage aus dem
                                         Pilot-Makerspace
                                                                                 2021 im Kunst
                                                                                               museum Th   urgau
                                                                                                                   26
          		FOKUS: DIGITALE                                          		RUND UM DIE SCHULE
          		TRANSFORMATION
                                                                     23 Arbeitsfelder Schulunterstützung

          05 Was es für die digitale Mündigkeit braucht              23 Häusliche Gewalt

          07 Neuer PHTG-Blog zu digitalem Unterricht                 24 Berufsmatura

          08 Makerspaces: Jede Idee ist wertvoll

          10 Ein Besuch im Pilot-Makerspace                          		WEITERBILDUNG
          12 iScout-Ausbildung wird erneuert                         		UND FORSCHUNG
          13 Zwei iScouts reden über ihre Erfahrungen
                                                                     25 PHTG
          14 Datenschutz für Lehrpersonen

          15 Schulen auf dem Weg in die Zukunft
                                                                     		KULTUR
          16 Thurgauer Themen digital erkunden
          18 Das Internet ist kein rechtsfreier Raum                 25 Historisches Museum

          20 Aus der Redaktion                                       26 Kunstmuseum

                                                                     27 Ittinger Museum

          		AKTUALITÄT                                               27 Kklick

          21 Wie haben Lehrpersonen den Fernunterricht erlebt?
                                                                     		SchlussVERSion

                                                                     28 Grundbedürfnis

                                 Schulblatt
                                 März 2021
                                 zum Thema
                               Laufbahnplanung

                                                                 3
Digitale Transformation: Schritt für Schritt - 4 | 2020 - Edudoc CH
E D ITO R IA L                                                                  Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020

                           Schritt für Schritt

                           Liebe Leserin, lieber Leser

                           In Diskussionen über die Digitalisierung der Schule war in
                           den vergangenen Monaten oft die Zeit des Fernunterrichts
                           Thema. Diese sechs Wochen haben Chancen und Risiken der
                           Digitalisierung aufgezeigt. Nun gilt es, die erkannten Chancen
                           für die weitere Entwicklung der Schule und des Unterrichts
                           zu nutzen. Dazu gehört auch, Digitales und Analoges sinnvoll
  «Lernen mit digitalen    und erfolgreich fürs Lehren und Lernen zu kombinieren.

    Mitteln wird umfas-    Aktuell steht die Umsetzung des Moduls Medien und Informatik
sender und vielfältiger,   in den Fachbereichen und in den Lektionen Medien und Infor-
                           matik im Vordergrund. Damit verbunden sind in vielen Schulen
 es hält Einzug in allen   die Erweiterung der ICT-Infrastruktur, der Ausbau des loka-
      Fachbereichen, in    len technischen und vor allem des pädagogischen Supports
                           sowie die Weiterbildung der Lehrpersonen aller Zyklen. Nach
vielen Lehrmitteln. Das    der Startphase rückt nun das kontinuierliche Weiterentwickeln
    fordert die Lehrper-   dieses in vielen Aspekten neuen Unterrichts in den Fokus –
                           aufbauend auf den Erfahrungen beim Lehren, Lernen und Er-
  sonen in Anwendung       leben der Lehrpersonen mit den Schülerinnen und Schülern.
  und Mediendidaktik.»
                           Lernen mit digitalen Mitteln wird umfassender und vielfältiger,
                           es hält Einzug in allen Fachbereichen, in vielen Lehrmitteln.
                           Das fordert die Lehrpersonen in Anwendung und Mediendi-
                           daktik. Diese Entwicklung zeichnet sich seit Jahren ab und
                           nimmt nun Fahrt auf. Sie wird neue Möglichkeiten eröffnen.
                           Nach wie vor aber gilt: Lernen bleibt Lernen; ein persönlicher
                           Prozess – in Kooperation mit den Peers und den Lehrper-
                           sonen, eingebettet in Beziehungen.

                           Die digitale Transformation verändert die Schule, die Sicht
                           aufs Lernen oder auch das Berufsbild der Lehrpersonen.
                           Wie mit diesen Herausforderungen umgehen? Weder über
                           die Zukunft spekulieren und in Aktivismus verfallen noch sich
                           Neuem verschliessen wird helfen. Aus meiner Sicht sinnvoll:
                           Sich regelmässig orientieren, sich konkrete, «handfeste» Ziele
                           für die Weiterentwicklung der Schule und des Unterrichts
                           setzen und diese gemeinsam in Angriff nehmen, Schritt für
                           Schritt umsetzen und die Resultate nachhaltig verankern.

                           Jürg Widmer
                           Projektleiter Medien und Informatik
                           Amt für Volksschule

                                           4
Digitale Transformation: Schritt für Schritt - 4 | 2020 - Edudoc CH
Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020                                                                                         FOKUS

Gedanken
zur digitalen
Entwicklung
der Schule
Die Schulen der Schweiz haben eine Art                               Wissenssuche im Internet braucht klassische Bildung
Not-Digitalisierung hinter sich. Computer-Skeptiker                  Das Internet wird immer wieder als Medium zur Bildung verklärt.
                                                                     Dabei wird ausgeblendet, dass es viel Bildung voraussetzt, das
müssen zugeben, dass Schule per Internet                             Internet auf diese Weise nutzen zu können. Wer die Wörter nicht
besser funktioniert als gedacht. Apologeten des                      versteht, kann mit einem Text nichts anfangen. Das gilt für jedes
Digitalen sehen sich bestätigt: geht ja. Diese                       Buch, aber eben auch fürs Internet. Im Netz ist es vielleicht ein-
                                                                     facher, Begriffe nachzuschlagen und einzelne Lücken zu füllen.
Not-Digitalisierung war erstaunlich erfolgreich –                    Wer aber nur Lücken im Kopf hat, dem kann auch das Netz
und paradoxerweise birgt genau dieser Erfolg das                     nicht weiterhelfen.
Risiko, dass wir zu wenig darüber nachdenken,
                                                                    Dazu kommt: Das Internet hat keinen Kurator. Wertvolles liegt
wie sich die Schule künftig digital entwickeln soll.                unsortiert neben Müll. Es braucht Erfahrung, die Preziosen aus
                                                                    dem Netzgetümmel herauszufischen. Erfahrung – oder grund-
Text: Mathias Zehnder, freier Publizist                             legende Kenntnisse im Umgang mit Quellen. Auch dies ist eine
                                                                    Fertigkeit, die mit der digitalen Welt allenfalls an Komplexität
                                                                    zugenommen hat, die aber zum klassischen Bildungskanon

G      ehen wir deshalb einige Schritte zurück und fragen wir
       uns ganz grundsätzlich: Was muss das Unterrichtsziel der
Schule im Hinblick auf die Digitalisierung sein? Mir scheint, der
                                                                    gehört. Schliesslich braucht, wer in den oft kaum geregelten
                                                                    Weiten des digitalen Raums unterwegs und aktiv ist, ein mora-
                                                                    lisches Bewusstsein, einen ethischen Rahmen. Gerade junge
Unterricht muss digitale Mündigkeit zum Ziel haben, also die        Menschen brauchen nicht nur Klarheit darüber, was erlaubt ist
Fähigkeit, sich selbst ohne die Anleitung                                                  und was nicht, sondern auch darüber, wo
eines anderen in der digitalen Welt zu-                                                    die ethisch-moralischen Grenzen ihres
rechtzufinden. Was heisst das?                                                             Tuns in der digitalen Welt liegen.
                                                    «Das Internet wird immer
Eine digitale Mündigkeit beinhaltet na-               wieder als Medium zur                Wir könnten die digitale Schule auch in
türlich digitale Fertigkeiten. Etwa Fer-          Bildung verklärt. Dabei wird             anderer Beziehung präziser zu fassen
tigkeiten im Umgang mit Tastatur und               ausgeblendet, dass es viel              versuchen. Ich würde unterscheiden
Maus, im Umgang mit Computern und                   Bildung voraussetzt, das               zwischen dem Digitalen als Vektor, als
vor allem mit dem Internet. Selbst so                Internet auf diese Weise              Werkzeug und als Thema. Das Digitale
grundlegende Fertigkeiten sind keine                    nutzen zu können.»                 als Vektor meint recht banal die digitale
Selbstverständlichkeit. Ich denke da                                                       Verbreitung von Unterricht. Das ist das,
etwa an den Umgang mit der Tastatur:                                                       was derzeit in der Videokonferenz statt-
Obwohl wir heute sehr viel Zeit an von                                                     findet. Anders sieht es mit dem Compu-
der Schreibmaschine stammenden Tastaturen verbringen, ist           ter als Werkzeug aus: Er wird oft eher unterschätzt. Schreiben
das Zehnfingersystem aus der Mode geraten. Vor allem aber           am Computer zum Beispiel ist etwas völlig Anderes als Schrei-
sind solche praktischen Fertigkeiten nur sehr oberflächlicher       ben auf Papier. Digitale Tools ermöglichen (und erfordern)
Natur. Basis einer digitalen Mündigkeit sind ganz klassische        eine ganz andere Arbeitsweise. Es wäre deshalb wichtig, diese
Kompetenzen. Emojis und Gifs täuschen manchmal darüber              Arbeitsweise mindestens in der Oberstufe stärker zu thema-
hinweg, dass Computer und Internet weitgehend literale Medien       tisieren. Der dritte Bereich, das Digitale als Thema, kommt in
sind: Sie sind an Buchstaben gebunden. Wer sie beherrschen          der Schweiz auf vielen Ebenen zu kurz. Ich denke dabei nicht
und kreativ mit ihnen umgehen will, braucht klassische Kompe-       nur an die Grundbegriffe der Computerei, etwa Kenntnisse
tenzen im Bereich Lesen und Schreiben.                              darüber, was ein Algorithmus ist, wie ein Computer oder das
                                                                    Internet funktionieren und wo die Grenzen der Maschinen
                                                                    liegen. Ich denke auch an handfeste Aspekte der digitalen
                                                                    Welt, etwa die Geschichte des Internets oder digitale Kultur. In
                                                                    Bezug auf Fertigkeiten im Umgang mit Computer und Internet
                                                                    ist immer wieder der Einwand zu hören, dass junge Menschen
                                                                    diese Fertigkeiten von selber lernen. Das stimmt sicher zum

                                                                 5
Digitale Transformation: Schritt für Schritt - 4 | 2020 - Edudoc CH
FOKUS                                                                                                    Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020

                                                                                                  Zur Person
                                                                                                  Matthias Zehnder hat in Zürich Germa-
                                                                                                  nistik, Philosophie und Didaktik studiert
                                                                                                  und in Basel in Medienwissenschaften
                                                                                                  promoviert. Er arbeitet heute als freier
                                                                                                  Publizist und digital creative in Basel.

                                                                                                  matthiaszehnder.ch

Teil. Den Umgang mit Emojis oder die Kommunikationskultur              Der zweite Aspekt: Die Schule kann den Kindern und Jugend-
auf WhatsApp hat den Jugendlichen niemand beigebracht.                 lichen eine Chance auf digitale Selbstentwicklung ohne kom-
Man könnte deshalb vor diesem Hintergrund fragen: Braucht              merziellen Druck bieten. Denn das ist die Kehrseite der digitalen
es überhaupt digitale Bildungsziele in der Schule? Anders ge-          Welt, wie sie sich heute präsentiert: Sie ist in weiten Zügen
fragt: Was unterscheidet die Schule von der Trial-and-Error-           kommerzialisiert. Als das Internet in Form des World Wide Web
Session zu Hause oder beim Kumpel?                                     Anfang der 1990er Jahre breit verfügbar wurde, träumten viele
                                                                       Vordenker von einer freien, digitalen Welt mit schrankenlosem
Auch digitale Skills brauchen Chancengleichheit                        Zugang zu Informationen und digitalen Ressourcen. Die Realität
Ich sehe da zwei wesentliche Aspekte. Als erstes ist die Chan-         sieht heute ganz anders aus. Zuweilen muss man schon von
cengleichheit bei unterschiedlichen Voraussetzungen im Eltern-         digitaler Ausbeutung der Jugendlichen reden. Schulen und Uni-
haus zu nennen. Selbst in der reichen Schweiz ist der Zugang           versitäten können, ja: müssen dagegenhalten und einen Teil die-
zu guter Computerhardware und einer schnellen Internetleitung          ser Vision der digitalen Welt als unendlicher Bildungsressource
keine Selbstverständlichkeit. Ebenso wenig kann darauf gebaut          realisieren. Nur so können wir unsere Kinder langfristig zu einer
werden, dass im Umfeld eines Kindes schon genügend digi-               digitalen Mündigkeit erziehen und darauf bauen, dass sie sich
tale Skills vorhanden sind, damit das Kind eine gewisse digitale       selbst, ohne die Anleitung eines anderen, in der digitalen Welt
Mündigkeit entwickeln kann.                                            zurechtzufinden werden.  ¡

                                                                   6
Digitale Transformation: Schritt für Schritt - 4 | 2020 - Edudoc CH
Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020                                                                                         FOKUS

MIA
in der Praxis
Das MDZ der PHTG bloggt neu zum fächer-
übergreifenden Einsatz von digitalen Werkzeugen
und Lernumgebungen im Unterricht. Konkrete Ideen
sollen den Appetit für Neues anregen. Hier sind
sechs Gründe für einen pragmatischen Umgang mit
dem Digitalen im Unterricht.

Text: Evelyne Fankhauser, Thomas Hermann, Lars Nessensohn, Sabrina
Strässle; Mitarbeitende MDZ-PHTG, Fachbereich Medien und Informatik

D      er Fokus des Weiterbildungsprojekts MIA21 liegt auf
       dem exemplarischen Erwerb von Kompetenzen aus dem
Modullehrplan Medien und Informatik sowie von Anwendungs-
                                                                          1. Entschleunigen
                                                                          Digitalisierung macht die Welt komplexer, was uns
kompetenzen. «MIA Praxis» erweitert diese fachbezogene Per-               ständig überfordert. In blinden Aktivismus zu verfallen
spektive auf eine fächerübergreifende Unterrichtsentwicklung,             hilft ebenso wenig wie die Verweigerung dem Neuen
die im Zuge fortschreitender Digitalisierung eine ständige Aus-           gegenüber. Schrittweises Vorgehen verschafft Sicher-
einandersetzung mit Neuem verlangt. Dabei sollen bewährte                 heit auf neuem Terrain.
analoge Methoden nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden,
Neues aber ausprobiert, evaluiert und – wenn es passt – inte-             2. Probieren geht über Studieren
griert werden. Für Erkundungen ins Digitale schlagen wir eine             Digitale Werkzeuge bereiten oft rasche Erfolgserleb-
pragmatische Haltung vor, die zu eigenständigem Handeln und               nisse nach dem Motto «aller Anfang ist leicht». Dran-
Denken anregen will. Nebenstehend sind sechs Gründe dafür.  1             bleiben und kritische Reflexion des eigenen Tuns ver-
                                                                          tiefen die Kompetenz und erweitern das methodische
Die neue Rubrik «MIA Praxis» auf dem Blog mia.phtg.ch dient               Repertoire.
als Schaufenster für die Umsetzung des Modullehrplans Me-
dien und Informatik im Unterricht und soll Lehrpersonen inspi-            3. Ich scheitere, also bin ich
rieren und ermutigen. Die Beiträge stellen Unterrichtssettings,           Wenn wir auf die Nase fliegen, schaltet sich das Hirn zu
zeigen konkrete Ideen für die Integration von digitalen Werk-             und findet Gründe für den Fall. So lernen wir. Nur wer
zeugen auf, geben einen Einblick in die Unterrichtspraxis an              nichts wagt, scheitert nicht, ausser am Leben selbst.
Thurgauer Schulen und beschreiben z.B. auch pädagogische                  Guter Unterricht basiert auf Erfahrung, der Summe von
Konzepte mit Verbindung zu verschiedenen Lerntheorien vor.                Gelingen und Misslingen.
Diese offene und pragmatische Haltung bei der Gestaltung
                                                                          4. Verlernen lernen
eines zeitgemässen Unterrichts schätzen die Schülerinnen und
                                                                          Wer Neuland betritt sollte offen sein für Unerwartetes
Schüler sicher und bringen gerne ihre eigenen Erfahrungen aus
                                                                          und Zufälliges. Dazu muss sich der Blick über das Ge-
ihrem Alltag im Umgang mit digitalen Medien ein.
                                                                          lernte und Unhinterfragte hinaus weiten. Wer bereit ist
                                                                          andere Wege zu gehen, öffnet dem Lernen neue Türen.

                                                                          5. Nachdenken statt nachreden
                                                                          Flotte Sprüche von Digitalisierungskritikern oder -eupho-
                                                                          rikerinnen werden nicht unhinterfragt übernommen.
                                                                          Nur was wir selber kennen, durchdacht und in der Praxis
                                                                          erprobt haben, können wir kompetent beurteilen.

                                                                          6. Gemeinsam statt einsam
                                                                          Ich, du, er, sie – wir sind als soziale Wesen miteinander
     Hinweis                                                              verbunden. Wenn wir uns über Erfahrungen kollegial
                                                                          austauschen und uns gegenseitig ermutigen, ge-
     1 A
        llen, die mehr über einen pragmatischen Umgang mit dem
       Neuen erfahren wollen, empfehlen wir Dirk von Gehlens Buch
                                                                          schieht Unterrichtsentwicklung über das eigene Klas-
       «Das Pragmatismus-Prinzip» (München: Piper 2018)                   senzimmer hinaus. Gemeinsam sind wir stärker.

                                                                      7
Digitale Transformation: Schritt für Schritt - 4 | 2020 - Edudoc CH
FOKUS                                                                                                   Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020

Thurgauer
Schulen setzen
auf Making
In Makerspaces sollen Schülerinnen und Schüler                        det. Während zwei Schuljahren wurde dann der Betrieb im Maker-
                                                                      space laufend beobachtet und Interviews mit Lehrpersonen sowie
Kompetenzen für eine digitalisierte Welt entwickeln.
                                                                      Schülerinnen und Schülern durchgeführt (siehe dazu auch die
Vier Thurgauer Pilotschulen bauen nun in Zusam-                       Reportage aus dem Makerspace Thayngen auf Seite 10). «In der
menarbeit mit der PHTG eigene Makerspaces auf.                        Schweiz liegen wenige Forschungsdaten zum Thema schulisches
                                                                      Making vor, diese Lücke möchten wir ein Stück weit schliessen»,
                                                                      sagt Projektleiter und PHTG-Dozent Björn Maurer. «Ein weiteres
Text: Urs-Peter Zwingli
                                                                      Ziel unserer Forschung ist es, mit den gewonnenen Erkenntnissen

«
                                                                      einen Leitfaden für Schulbehörden und Schulleitungen zu entwi-
      Aus unserer Sicht hat schulisches Making grosses Po-            ckeln, wie ein Makerspace umgesetzt werden kann.» Zu einem
      tential. Beim Ausprobieren, Scheitern und Zusammenar-           späteren Zeitpunkt will die PHTG dann quasi einen «Full-Service»
beiten in Makerspaces lernen Schülerinnen und Schüler, ohne           für Schulen bieten, die einen Makerspace einrichten möchten: Sie
vorgegebene Lösungswege und fächerübergreifend Projekte               begleitet das Schulpersonal bei der Ideenfindung, der Einrichtung,
zu entwickeln», sagt Thomas Hermann, Leiter des Medien- und           der Einbindung in die Schulorganisation sowie der Weiterbildung
Didaktikzentrums (MDZ) an der Päda-                                                           von Lehrpersonen.
gogischen Hochschule Thurgau (PHTG).
Making fördere die sogenannten «4 K»-           «Die Arbeit im Makerspace                    AV lanciert Making-Erprobung
Kommunikation, Kollaboration, Kreativi-          bereitet die Schülerinnen                   Um in diese Beraterrolle hineinzuwachsen,
tät und kritisches Denken – die in einer                                                     ist die PHTG derzeit in Zusammenarbeit
                                                und Schüler auf die Arbeits-
digitalisierten Welt immer gefragter sind,                                                   mit der Ostschweizer Fachhochschule
                                               welt von heute vor, die bereits
sagt Hermann.                                                                                (OST) in «Making Erprobung TG» enga-
                                                   stark digitalisiert ist.»                 giert. Diese Erprobung ist diesen Herbst
Wie die Arbeit in Makerspaces – eine Art                                                     gestartet und wurde vom Amt für Volks-
Werkräume, in denen analoges und digi-                                                       schule in Auftrag gegeben. In diesem
tales Tüfteln kombiniert wird – die «4 K» fördert und was Lehr-       Rahmen werden im laufenden Schuljahr die Schulgemeinden
personen dazu beitragen können, untersuchen MDZ-Forschende            Weinfelden, Erlen, Sirnach und Wigoltingen beim Aufbau eines
derzeit: Ein mehrjähriges Forschungsprojekt, in dem der Aufbau        Makerspaces unterstützt. Das Ziel ist, dabei Praxiserfahrungen zu
und die Entwicklung eines Makerspaces in der Primarschule             gewinnen, um den Making-Ansatz in den Thurgauer Schulen brei-
Thayngen (SH) dokumentiert wurde, steht kurz vor dem Ab-              ter zu lancieren. Zum anderen werden in der Erprobung konkrete
schluss. Zum Auftakt hat die PHTG die Thaynger Schulleitung und       Umsetzungshilfen erarbeitet, die interessierte Schulen für die
die Lehrpersonen während eines Jahres beraten und weitergebil-        Entwicklung und den Betrieb eines Makerspaces nutzen können.

Anzeige

   Thurgauer Köpfe – einzigartig vielfältig

   verlängert bis 7. Februar 2021
   Naturmuseum Thurgau / Frauenfeld
   Di–Fr 14–17 Uhr / Sa–So 13–17 Uhr
   naturmuseum.tg.ch

                                                                  8
Digitale Transformation: Schritt für Schritt - 4 | 2020 - Edudoc CH
Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020                                                                       FOKUS

«Die Arbeit im Makerspace bereitet die
Schülerinnen und Schüler auf die Arbeits-
welt von heute vor, die bereits stark digitali-
siert ist», sagt Christoph Huber, Co-Schulleiter
der Volksschulgemeinde Erlen, die eine der
Pilotschulen ist. Er hat in den vergangenen Jah-
ren Makerspaces in Schulen in mehreren euro-
päischen Städten besucht, um sich ein genaueres
Bild des Konzeptes zu machen. «Ich bin überzeugt,
das Schülerinnen und Schüler einen Arbeitsprozess
besser verinnerlichen, wenn sie diesen von Anfang
an selber erprobt und durchgeführt haben», sagt Hu-
ber. In Erlen ist vorgesehen, den Makerspace in Zukunft
in einem Neubau namens «Kreativhaus» unterzubringen.
Der Makerspace eröffnet der Schule zudem Möglichkeiten,
mit der Bevölkerung in Kontakt zu kommen. «Ziel ist es, den
Raum auch für Privatpersonen aus der Schulgemeinde Erlen
zu öffnen, etwa Vereine oder Berufsverbände. So würde die
Vernetzung gefördert», sagt Huber.

Making soll Eigenverantwortung stärken
Einen Schulhausneubau mit Makerspace plant auch die Pri-
marschule Weinfelden. «Der Neubau ist eine Chance, einen
                                                                      Lesen Sie mehr zum Thema auf Seite 10 ›
Makerspace als Kreativzone einzurichten», sagt Jean-Philippe          «Im Makerspace fangen alle bei null an»
Gerber, Schulleiter im Martin-Haffter-Schulzentrum. «Der Ma-
kerkosmos eröffnet Perspektiven, Lernen in einem co-kreativen
Prozess völlig neu zu erfinden.» Er hoffe darum auf «Inputs zur
Ausgestaltung von innovativen Lernumgebungen». Zudem sei              Links zum Thema
der technisch ausgerichtete Unterricht im Makerspace eine
Chance, wie die Primarschule wieder vermehrt Buben an-                makerstars.org
sprechen könne. Das neue Schulhaus wird ab dem Schuljahr              Plattform mit Making-Challenges für
2021/22 bezogen.                                                      den 2. Zyklus, entwickelt von der PHTG

Die Arbeit im Makerspace, so betont PHTG-Forscher Björn               makerspace-schule.ch
Maurer, brauche auch ein Stück weit eine neue Einstellung aller       Webseite der PHTG und der OST
Beteiligten der Schule. «Wir sprechen vom einem eigentlichen          mit Anregungen für Schulen zum
‹Making-Mindset›.» Wie für die Schülerinnen und Schüler gelte         Thema Makerspace
auch für die Lehrpersonen: Ausprobieren ist das Wichtigste.
«Viele Lehrpersonen haben bei den Making-Weiterbildungen              Mehr zu «Making Erprobung TG»
kreative Aha-Erlebnisse», sagt Maurer. Um Making möglichst
vielen Schulen zugänglich zu machen, hat die PHTG in Zu-
sammenarbeit mit dem Verband Thurgauer Schulgemeinden
(VTGS) die Plattform makerstars.org entwickelt. Dort sind
Anregungen (sogenannte Challenges) für Schülerinnen und
Schüler des 2. Zyklus aufgeschaltet. Die Kinder sollen diese
Challenges weitgehend selber bearbeiten können. «Dahinter
steht der Gedanke, dass es fürs Making keine teure Infrastruk-
tur braucht. Challenges können im Schulzimmer, im Werkraum,
in der Bibliothek oder auch zuhause bearbeitet werden», sagt
MDZ-Leiter Thomas Hermann.  ¡

                                                                  9
Digitale Transformation: Schritt für Schritt - 4 | 2020 - Edudoc CH
FOKUS                                                                                                      Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020

                                                            Ž

                                                                                                                               Œ

                                                                                              Œ   B lick in den Hauptraum des Makerspaces,
                                                                                                  
                                                                                                  in dem eher analog gearbeitet wird.
                                                                                               
                                                                                                B lick ins «Labor» mit 3D-Drucker und Lötstation.
                                                                                              Ž Einstieg ins Making: Kinder lassen programmier-
                                                                                                   bare Mäuse über einen Parcours laufen.

«Im Makerspace                                                           ckern und CNC-Fräsen ausweist. Bei einigen Werkzeugen ist zu-
                                                                         dem ein QR-Code platziert, der zu einem Erklärvideo führt. «Die

fangen alle bei
                                                                         Schülerinnen und Schüler dürfen grundsätzlich jedes Werkzeug
                                                                         selbständig nehmen und ausprobieren», sagt Rebecca Meyer,
                                                                         Leadlehrperson im Thaynger Makerspace. Natürlich gebe es

null an»                                                                 Werkzeuge und Maschinen, bei denen aus Sicherheitsgründen
                                                                         eine vorherige Einarbeitung zwingend sei. «Ausprobieren, ohne
                                                                         zu fragen – daran mussten sich viele Schülerinnen und Schüler
                                                                         am Anfang zuerst gewöhnen», sagt Meyer. Sie leitet die Unter-
Im Schaffhauser Dorf Thayngen haben die PHTG
                                                                         richtseinheiten im Makerspace seit September 2018. Damals
und die OST gemeinsam mit der dortigen Primar-                           wurde der Raum nach einer einjährigen Entwicklungsphase in
schule einen Makerspace entwickelt. Ein Besuch                           Betrieb genommen. «In diesen zwei Schuljahren konnten auch
                                                                         wir Lehrpersonen viel dazu lernen.» Der neuartige Unterricht
in einem Raum, in dem vieles möglich ist.
                                                                         weiche das klassische Verhältnis zwischen Lehrpersonen und
                                                                         Schülern auf. «Viele Fragen kann auch ich nicht beantworten.
Text und Bilder: Urs-Peter Zwingli                                       Oft suche ich gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern
                                                                         nach Lösungen.» Auch nach zwei Jahren sei der Unterricht im

W       ir wählen unsere Ideen selbst», «Jede Idee ist wertvoll»,
        «Fehler helfen uns, Neues zu lernen», diese und ähnliche
Sätze stehen im Makerspace der Primarschule Silberberg in
                                                                         Makerspace ein Prozess, bei dem sie viel dazulerne.

                                                                         PHTG begleitet Aufbau
Thayngen (SH) gross an der Wand. Gleich neben der Eingangs-              Die Pädagogische Hochschule Thurgau (PHTG) und die Ost-
türe empfangen sie alle, die den Raum betreten. Unter diesem             schweizer Fachhochschule (OST) begleiteten diesen Prozess
eigentlichen Makerspace-Manifest steht eine Lochwand, die mit            von Anfang an: PHTG-Forschende haben die Primarschule Sil-
«Werkzeuge & Tools» betitelt ist – eine Art Bibliothek, die die          berberg in einem Pilotprojekt beim Aufbau des Makerspaces
Standorte von Schraubenziehern und Feilen aber auch 3D-Dru-              beraten. Seit 2018 haben die Forschenden immer wieder den

                                                                    10
Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020                                                                                             FOKUS

Unterricht besucht, um beispielsweise zu ergründen, inwiefern     Enthusiasmus beim Ausprobieren
schulisches Making Kreativität fördert. Die PHTG will dank        Ergänzt werden die insgesamt acht Mittwochmorgen Making-
diesen Forschungsergebnissen Wissen aufbauen, um weitere          Unterricht in jedem Schuljahr mit einer Projektwoche pro Klasse
Schulen beim Aufbau eines Makerspaces (inkl. Aus- und Wei-        – dies auch für die Unterstufe, die sonst keine Making-Lek-
terbildung) zu beraten (mehr dazu siehe Haupttext auf Seite 8).   tionen besucht. Beim Besuch der Schulblatt-Redaktion Mitte
Die Primarschule Silberberg mit sieben Klassen und rund 120       September macht gerade eine zweite Klasse erste Schritte im
Schülerinnen und Schülern zeichnete sich laut einem wissen-       Makerspace. Die Kinder lassen Plastikmäuse, denen per Knopf-
schaftlichen Artikel zum Forschungsvorhaben unter anderem         druck ein Weg mit Abbiegern einprogrammiert werden kann,
durch eine «grosse Bereitschaft des gesamten Kollegiums zur       über einen Parcours laufen. Nach einer kurzen Einführung lässt
Teilnahme am Projekt» als Pilotschule aus.                        Meyer die Schülerinnen und Schüler die Mäuse selber bedienen.
                                                                  «Solche Aufgaben sind niederschwellige Einstiege ins Making.
Die PHTG hat die Lehrpersonen von Anfang an eng in die            Die Arbeit mit den Mäusen fördert das logische und räumliche
Raumgestaltung eingebunden. Lehrpersonen, aber auch Schü-         Denken und animiert die Kinder zu Experimenten», sagt Meyer.
lerinnen und Schüler konnten Vorschläge dazu machen, wie der      Sie wechselt zwischen den Werkbänken hin und her, auf de-
Makerspace eingerichtet werden soll. Er                                                     nen die Kinder die Mäuse bedienen. «Ihr
besteht heute aus einem gut 60 Qua-                                                         müsst mal einen neuen Weg legen, das
dratmeter grossen Hauptbereich, in dem              «Viele Fragen kann auch                 wird sonst doch zu langweilig», sagt sie
eher analog gewerkelt wird: Hier stehen                                                     nach einer Viertelstunde zu zwei Schü-
                                                   ich nicht beantworten. Oft
verschiedene Holzbearbeitungsgeräte,                                                        lern. Diese tun es und prompt biegt die
                                                 suche ich gemeinsam mit den
Werkbänke, ein Schneideplotter und eine                                                     Maus in der ersten Kurve falsch ab und
CNC-Fräse. Ausgerichtet ist der Raum               Schülerinnen und Schülern                fährt in eine Plastikwand.
auf eine grosse Visualisierungswand, auf                 nach Lösungen.»
der Projekte vorgestellt werden können.                                                     Im Rückblick auf die vergangenen zwei
«Dieser Austausch ist wichtig. Jeder Ma-                                                    Schuljahre sagt Rebecca Meyer: «Was
kingunterricht beginnt grundsätzlich mit einem Kreis, in dem die  mich immer wieder erstaunt und freut, ist, wie enthusiastisch
Schülerinnen und Schüler aktuelle Probleme vorstellen und ge-     die Schülerinnen und Schüler sich ins Ausprobieren stürzen.
meinsam diskutieren», sagt Meyer. In den acht Mittwochmorgen,     Es gibt schon auch Kinder, die mit offenen Aufgabenstellungen
die jede Mittelstufenklasse pro Schuljahr im Makerspace ver-      Mühe haben, das sind aber wenige.» Und noch etwas habe sie
bringt, entstehen so auch kollaborative Projekte, bei denen sich  erkannt: «Im Makerspace fangen alle wieder bei null an. Hier
Schülerinnen und Schüler gegenseitig unterstützen. Vom Haupt-     können schwache Schülerinnen und Schüler stark sein und
raum aus führt eine Tür ins rund 25 Quadratmeter grosse «La-      umgekehrt.»  ¡
bor»: Im staubgeschützten Raum stehen zwei 3D-Drucker, zwei
Lötstationen sowie ein mobiler Bildschirm. An diesem schneiden         Lesen Sie mehr zum Thema auf Seite 8 ›
die Schülerinnen und Schüler Videos, die sie mit iPads selber          Thurgauer Schulen setzen auf Making
filmen. «So entstanden beispielsweise die Erklärvideos für die
Werkzeugwand», sagt Meyer. Es gehe bei der Videoproduktion
aber auch darum, Arbeitsprozesse zu dokumentieren.

                                                                   

                  

                                                                                       Einige Geräte der Holzwerkstatt.
                                                                                       chülerinnen und Schüler können diese Platine
                                                                                        S
                                                                                        einfach und immer wieder neu programmieren:
                                                                                        Der Ventilator im Bild beginnt sich ab einer
                                                                                        gewissen Raumtemperatur zu drehen.

                                                                  11
FOKUS                                                                                                     Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020

Ein Update für die
iScout-Ausbildung
iScouts sind seit Jahren Begleiter für den digitalen                      Mehr Infos
Wandel in Thurgauer Schulen. Nun wird die iScout-                         zur Ausbildung

Ausbildung an der PHTG aufgefrischt.

Text: Evelyne Fankhauser, Leitung iScout-Ausbildung, PHTG-Dozentin
Medien und Informatik

«    Unsere iScout hat uns phänomenal unterstützt.» Diese
     Aussage aus der Umfrage zum Fernunterricht während
des Lockdowns steht stellvertretend für viele Schulen im Kan-
                                                                          Entschädigung. Tendenziell zeigt sich ein Fokus in den Aufga-
                                                                          benfeldern des pädagogischen Supports. Für eine gelingende
                                                                          Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen und iScouts sind Ver-
ton Thurgau. iScouts übernehmen eine Schlüsselrolle im pä-                trauen und das Begegnen auf Augenhöhe ausschlaggebend.
dagogisch-didaktischen sowie technischen Support und unter-               Je besser iScouts ins Schulteam integriert sind, desto mehr
stützen Lehrpersonen und Schulleitungen bei Fragen rund um                fliesst ihr Know-how über neue Methoden und Werkzeuge in
Digitales an der Schule und im Unterricht.                                den Unterricht des Kollegiums ein.

Aufgabenprofil iScout                                                     iScout-Ausbildung an der PHTG:
Die Funktion «iScout» wurde spätestens 2008 – mit dem Start               Anpassungen ab 20/21, Neukonzeption ab 22/23
des Projekts «ICT an Primarschulen» – ein fester Begriff in der           Die iScouts vor Ort tragen somit einen wichtigen Teil zur In-
Thurgauer Schullandschaft. Das aus der Evaluation des ICT-                tegration digitaler Medien in den Unterricht bei. Aktuell holen
Projekts entstandene «Aufgabenprofil iScout» (2015) hat auch              sich iScouts das Rüstzeug für ihre anspruchsvolle Aufgabe
heute noch seine Gültigkeit. Dies in einer Zeit, in der die Schu-         in einer 13-tägigen Weiterbildung. Anhand von praxisnahen
len anlässlich der Umsetzung des Modullehrplans Medien und                Aufgabenstellungen wenden sie die Kursinhalte an ihrer
Informatik viel Geld in den Ausbau digitaler Infrastruktur inve-          Schule an. Dieser Ansatz wird mit der Neukonzeptionierung
stieren. Die Aufgaben der iScouts betreffen folgende Gebiete:             ab dem Ausbildungsgang 2022/2023 noch verstärkt. Erste
                                                                          Adaptionen auf dem Weg dazu werden bereits in der aktu-
• O
   rganisation und Schule: iScouts sind mitverantwortlich, dass          ellen Durchführung umgesetzt. So entfallen z.B. die einzelnen
  der Bereich Medien und Informatik thematisiert wird. Sie un-            Leistungsnachweise zu Gunsten eines grösseren individuellen
  terstützen Lehrpersonen und Schulleitung in pädagogischen               Praxisprojekts. Das gibt den Teilnehmenden die Möglichkeit,
  methodisch-didaktischen Fragen, engagieren sich für team-               sich mit einer Herausforderung an ihrer Schule intensiv aus-
  interne Weiterbildungen und sind für einen Austausch von                einandersetzen.
  Unterrichtserfahrungen und -ideen besorgt.
                                                                          Im Zentrum stehen zudem gegenseitige Schulbesuche und der
•	
  Bindeglied zur Technik: In ihrer Rolle können iScouts die Ko-           Aufbau einer (digitalen) Community zum Austausch von Unter-
  ordination mit dem externen Support übernehmen und als                  stützungsangeboten. Dies mit dem Ziel ein persönliches (Lern-)
  Bindeglied zwischen ICT-Anwendern und Betreibern der ICT-               Netzwerk zu gestalten, welches über die Weiterbildung hinaus
  Services wirken. Zudem formulieren sie mit der Schulleitung             die Arbeit als iScout unterstützen kann. Um den Ansprüchen
  und dem Schulteam die Anforderungen an die Infrastruktur                eines zeitgemässen Weiterbildungssettings gerecht zu werden,
  und begründen die unterrichtsspezifischen Erfordernisse.                finden Präsenzveranstaltungen vermehrt online statt. Hierzu
                                                                          werden im aktuellen Fernunterricht wichtige Erfahrungen ge-
•	
  Weiterentwicklung und Vernetzung: Damit die Aufgaben                    sammelt.
  fachgerecht wahrgenommen werden können, ist die persön-
  liche Weiterbildung sowie die Vernetzung und der Austausch              Mit dem geplanten modularen Aufbau der Weiterbildung wird
  mit anderen iScouts (oder Fachpersonen mit ähnlichen Auf-               der Heterogenität der Rollenprofile von iScouts an den Schulen
  gaben) ein zentrales Element.                                           mehr Rechnung getragen. Nach einem Grundlagenmodul kön-
                                                                          nen einzelne Module ausgewählt werden. Aktuell wird geprüft,
Bedingt durch die Teilautonomie der Thurgauer Schulgemein-                ob die gewählten Module zukünftig zu einem CAS zusammen-
den wird diese Empfehlung sehr unterschiedlich umgesetzt.                 setzbar sein sollen. Diese Form würde es bereits amtierenden
Entsprechend unterscheiden sich sowohl Pflichtenheft als auch             iScouts ermöglichen, sich spezifisch weiterzubilden.  ¡

                                                                     12
Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020                                                                                            FOKUS

                                                                           «Als iScout kann ich
                                                                           Ängste abbauen»
                                       Zur Person
                                       Erika Treutlein (44) ist            Wieso möchten Sie iScout werden?
                                       Basisstufenlehrperson in der        Der aktuelle Leitmedienwechsel ist für die Zukunft der
                                       Schulgemeinde Stachen. Sie          Schülerinnen und Schüler sehr wichtig. Gleichzeitig
                                       hat die iScout-Ausbildung im        fehlt einigen Lehrpersonen das Fachwissen, um ihre
                                       November 2020 abgeschlossen.        Klassen bei diesem Wandel zu begleiten. Diese Weiter-
                                                                           bildung ist für mich darum sehr zukunftsgerichtet. Das
                                                                           Wissen, das ich erwerbe, kann ich danach in meiner
                                                                           Schule weitergeben. Zudem hatte ich in meinem vo-
                                                                           rigen Berufsleben schon viele Berührungspunkte mit
     «Ein gutes Netzwerk                                                   ICT. Ich bin ursprünglich ausgebildeter Immobilienkauf-
     aufgebaut»                                                            mann und habe dabei immer wieder Weiterbildungen
                                                                           zu digitalen Tools gemacht. Via zweitem Bildungsweg
                                                                           bin ich dann an die PH gegangen.
     Wie bewerten Sie die Ausbildung zum iScout
     im Rückblick?
                                                                           Was erhoffen Sie sich von der
     Inhaltlich war die Ausbildung breit aufgestellt, was mir
                                                                           iScout-Ausbildung?
     gefallen hat. Der modulare Aufbau erlaubt es zudem, sich
                                                                           Heute unterrichte ich in Kreuzlingen in einer Schule, an
     während eines Ausbildungsblocks voll auf ein Thema zu
                                                                           der jedes Kind ab dem 2. Zyklus ein Tablet zur Verfügung
     fokussieren – beispielsweise Datenschutz, Integration
                                                                           hat. Ich hoffe, dass ich als iScout beispielsweise helfen
     mobiler Geräte, Beschaffungswesen oder Onlinewelten
                                                                           kann, aus der grossen Fülle von Lernapps jene zu erken-
     im Klassenzimmer. Nicht zuletzt habe ich in diesem Jahr
                                                                           nen, die sinnvoll sind. Hin- und herwechseln zwischen zu
     auch ein gutes Netzwerk aus anderen Thurgauer iScouts
                                                                           vielen Apps überfordert die Schülerinnen und Schüler.
     und Dozierenden aufbauen können. Wenn es Fragen oder
                                                                           Zudem gebe ich bereits jetzt meine Erfahrungen, die ich
     Probleme gab, war der Austausch in diesem Netzwerk
                                                                           während der Einführung der Tablets mit meiner Klasse
     sehr wertvoll. Wir waren insgesamt 16 Lehrpersonen in
                                                                           gemacht habe, an andere Lehrpersonen weiter.
     der Weiterbildung, die alle unterschiedliche berufliche
     und fachliche Voraussetzungen hatten.
                                                                           Gibt es Ideen oder Projekte, die Sie als
                                                                           iScout umsetzen möchten?
     Woher kommt Ihr Interesse, als iScout
                                                                           Momentan noch keine konkreten, aber ich finde es
     zu arbeiten?
                                                                           wichtig, dass trotz der fortschreitenden Digitalisierung
     Ich habe mich in den vergangenen Jahren privat ver-
                                                                           der Schule das handelnde Lernen weiterhin Platz hat.
     stärkt mit Computern beschäftigt und habe dabei Soft-
                                                                           Ich habe mit meiner Klasse ein Schulgartenprojekt
     und Hardwareprobleme selber gelöst. Ich habe etwa
                                                                           gestartet, das dieses Lernen in und mit der Praxis för-
     früh begonnen, mit Clouds als Datenspeicher zu arbei-
                                                                           dert. Dabei werden aber auch digitale Hilfsmittel ein-
     ten, weil ich einmal selber von Datenverlust betroffen
                                                                           gesetzt. Etwa zur Dokumentation oder zur Recherche.
     war. Spannend finde ich zudem, dass man als iScout
                                                                           Als iScout kann ich vielleicht auch helfen, jene Ängste
     eine Schnittstelle zur Erwachsenenbildung hat. Denn
                                                                           abzubauen, gemäss denen wegen des Digitalen die
     der Fokus unserer Tätigkeit liegt klar auf dem pädago-
                                                                           analogen Elemente der Schule verschwinden werden.
     gischen und nicht auf dem technischen Support.

     Gibt es Projekte, die Sie nun als iScout an
     Ihrer Schule umsetzen möchten?
     Ich bin seit Beginn des neuen Schuljahres als iScout für              Zur Person
     die Zyklen 1 und 2 angestellt und wachse langsam in                   Marc Buchmann (30) ist Lehrer
     diese Funktion hinein. Momentan arbeite ich vor allem                 im Zyklus 2 an der Primarschule
     an der Evaluierung verschiedener Projekte und der Wei-                Kreuzlingen. Seit Oktober 2020
     terbildung meiner Kolleginnen und Kollegen im Bereich                 besucht er die Ausbildung zum
     der Nutzung von digitalen Tools. Während der Fernun-                  iScout.
     terrichtsphase sind zu diesem Thema viele Inputs, Ideen
     und Fragen zusammengekommen. Wir sind nun als kleine
     Schule daran, diese auszuwerten und zu schauen, welche
     Ansätze in den Regelunterricht integriert werden könnten,
     um zielgerichteten M&I-Unterricht zu ermöglichen.
                                                                                                              Interviews: Urs-Peter Zwingli

                                                                      13
FOKUS                                                                                                                 Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020

Im Spannungs-
feld zwischen
Praxis und
Datenschutz
Datenschutz ist ein Spannungsfeld: Einerseits
muss die Anwendung digitaler Tools in der Praxis                                   Mehr zum Thema
                                                                                   Folgende Umsetzungshilfen aus den aktuell
funktionieren, andererseits gibt es gesetzliche                                    zur Verfügung stehenden drei Modulen können für
Rahmenbedingungen, die eingehalten werden                                          Lehrpersonen speziell interessant sein:
müssen. Ein AV-Leitfaden unterstützt Lehrpersonen
dabei, diese Herausforderung durch geeignete
Massnahmen und einen steten Entwicklungsprozess
immer besser in den Griff zu bekommen.
                                                                                   Empfehlungen für den                Vorlage für eine Ein-
Text: Jürg Widmer, Projektleiter Medien und Informatik, Amt für Volksschule        Umgang mit Foto-, Film-             willigungserklärung Foto-,
                                                                                   und Tonaufnahmen                    Film- und Tonaufnahmen

F    ür die Schulen und die Lehrpersonen ist der Datenschutz
     im Bereich Digitalisierung eine Herausforderung. Sie be-
wegen sich dabei in einem Spannungsfeld zwischen Praxis und
Praktikabilität und den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Ein
Leitfaden soll sie dabei unterstützen, diese Herausforderung
durch geeignete Massnahmen und einen steten Entwicklungs-                          Empfehlungen für                    Auflistung datenschutz-
                                                                                   die Kommunikation                   konformer Messenger
prozess immer besser in den Griff zu bekommen. Dabei gilt es
                                                                                   mit Schülerinnen
auch, bestehende Risiken gegeneinander abzuwägen. Daten-                           und Schülern und Eltern
schutzrechtlich hohe Risiken müssen möglichst rasch ausge-
schaltet werden, minimale Risiken können hingegen in einem
mittel- bis langfristigen Prozess beseitigt werden.

Herausgeber des Leitfadens Datenschutz, der laufend erweitert
und aktualisiert wird, ist das AV gemeinsam mit Fritz Tanner, dem
Datenschutzbeauftragten des Kantons Thurgau. Bei der Erar-                         Datenschutz-Ampel                   Datenschutz-Ampel für
beitung wirken die PHTG sowie der VTGS und der VSLTG mit.  ¡                       für Lehrpersonen                    Schülerinnen und Schüler

                                                                                   Empfehlungen zum                    Überblick über
                                                                                   Einsatz von Microsoft365            Cloud-Anbieter (Kapitel 3)

                                                                                   Neben dem Leitfaden werden AV und PHTG weiterhin Veranstaltungen
                                                                                   und Weiterbildungen zur Thematik Datenschutz anbieten. Die Angebote
                                                                                   werden jeweils im Weiterbildungsfinder der PHTG ausgeschrieben. Für
                                                                                   Fragen wenden Sie sich an den Datenschutzbeauftragten des Kantons
                                                                                   Thurgau oder an den Projektleiter Medien und Informatik des AV.

                                                                              14
Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020                                                                                              FOKUS

Strategien für                                                           den technischen Problemen und fünf Lehrpersonen als pädago-
                                                                         gische iScouts den pädagogischen Inhalten, welche der neue,

den digitalen
                                                                         digitale Rahmen eröffnet. In den Anschaffungsprozess neuer
                                                                         Geräte sind die Lehrerinnen und Lehrer einbezogen. Die Digita-
                                                                         lisierung in der ländlichen Schulgemeinde ging nicht ohne Dis-

Umbau der                                                                kussionen vonstatten. Scherrer: «60 Prozent der heutigen Kinder
                                                                         im Kindergarten werden in Berufen arbeiten, die wir heute noch

Schule
                                                                         gar nicht kennen. Darauf müssen wir die Kinder vorbereiten. Das
                                                                         erklären wir auch den Eltern, die noch in einer ganz anderen Welt
                                                                         aufgewachsen sind.» Bleibt noch die Frage, wie Scherrer eine
                                                                         erfolgreiche digitale Transformation einer Schule beschreiben
Schulen brauchen bei der Umsetzung ihrer                                 würde. «Sie darf nie ein Selbstzweck sein, sondern nur ein Mittel
Digitalisierungsstrategie ein pädagogisches Kon-                         zu einem pädagogischen Konzept. Die wichtigsten menschlichen
                                                                         Medien bleiben Hände, Augen, Ohren und Nasen, die in der Na-
zept. Drei Thurgauer Schulen geben Einblick in ihre                      tur Erfahrungen machen wollen. Das vergessen wir nie.»
Überlegungen auf dem Weg zur Digitalisierung.
                                                                           Zu viel Sicherheit macht schwerfällig
Text: Martin Arnold, freier Journalist, Pressebüro Seegrund
                                                                           Auch für die VSG Eschlikon – ebenfalls engagiert im Projekt
                                                                           «Vision 2035» – ist die haptische Entwicklung zentral. Eschlikon
                                                                           hat 2019 für die Primarschule begonnen, neue Geräte und digi-

M       aike Scherrer, Präsidentin der Volksschulgemeinde Nol-
        len, ist als Professorin an der School of Engineering der
Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften von Beruf
                                                                           tale Tools zu beschaffen. Schulpräsident Linus Köppel: «Wir wa-
                                                                           ren beim durch Corona verursachen Lockdown vorbereitet. Die
                                                                           Schülerinnen und Schüler haben sich mit der Situation schnell
wegen mit der Digitalisierung beschäftigt. Die VSG Nollen hat              zurechtgefunden. Wir haben aber schon 2007 mit der Beschaf-
sich unter anderem im lokalen Schulentwicklungsprojekt «Vision             fung und Einführung erster Computer für den Unterricht begon-
2035» mit Fragen der digitalen Transformation als Treiberin für            nen, sodass die Entwicklung bis heute kontinuierlich und nicht
den zukünftigen Schulbetrieb auseinandergesetzt. Was sind Er-              sprunghaft war.» Die Grundlage für die verstärkte Digitalisierung
kenntnisse aus dieser Strategiearbeit? «Unserer Erfahrung nach             sei neben dem Lehrplan Volksschule Thurgau insbesondere das
braucht es zuerst ein pädagogisches Konzept. Eine Schulge-                 neue Leitbild der Schule gewesen. In dieser strategischen Aus-
meinde muss sich darüber im Klaren sein, wann, wo und wie oft              richtung habe man versucht, Antworten auf die Frage zu finden,
sie technische Hilfsmittel im Unterricht einsetzen will und wieviel        wie man die digitale Transformation im Rahmen des Lehrplanes
Technik sie im Hintergrund braucht. Dann                                                           in einer Gemeinde mit über 450 Schüle-
ergibt sich automatisch die Antwort da-                                                            rinnen und Schülern sowie rund 80 Lehr-
rauf, welche Geräte mit welcher Leistung                    «60 Prozent der heutigen               personen umsetzen könne.
angeschafft werden müssen», sagt Scher-                      Kinder im Kindergarten
rer. Wenn es umgekehrt sei, würde es hin-                                                          Dabei seien zuerst Fragen zur infrastruk-
                                                          werden in Berufen arbeiten,
gegen schwierig, fast unsinnig. Denn man                                                           turellen Rahmenbedingungen wie die
                                                           die wir heute noch gar nicht
könne nicht wirklich die pädagogischen                                                             nötigen Voraussetzungen zu Netzwerk,
Ideen der Technik anpassen. Scherrer                                 kennen.»                      Übertragung, Speicherung, Systeme und
leitete zudem eine Arbeitsgruppe zum                                                               ähnlichem geklärt worden. Szenarien zum
Thema Bildung innerhalb des Vereins                                                                Totalabsturz im Rahmen der aktuellen
«Smarter Thurgau». Die Gruppe bündelte die Bedürfnisse der                 Serverless-Lösung seien durchgespielt und auch schon unfrei-
Schulgemeinden und erarbeitete daraus vor zwei Jahren auf                  willig heiss getestet worden. «Zweimal haben Bagger versehent-
Basis von pädagogischen Grundlagen Empfehlungen bezüglich                  lich das Glasfaserkabel durchgetrennt. Die Lehrpersonen haben
der nötigen Infrastruktur für die Schulgemeinden. «Wir wollen in           dann mit ihrem Privathandy den Schülerinnen und Schülern einen
dieser Guideline aufzeigen, was notwendig ist, was sinnvoll ist            Hotspot erstellt.» Aufgrund seiner Erfahrungen rät Linus Köppel
und was übertrieben wäre. Dies, damit nicht in jeder der fast 100          dazu, sich frühzeitig mit dem Datenschutz auseinanderzusetzen.
Thurgauer Schulgemeinden ein eigenes technisches Konzept                   «Wir gaben der Sicherheit höchste Priorität und merkten, sie hat
erarbeitet werden muss.»                                                   ein Geschwister: die Schwerfälligkeit. Es wurde sehr umständlich
                                                                           und wir mussten einen Mittelweg suchen, denn Bequemlichkeit
Die VSG Nollen hat sich bewusst dafür entschieden, der digitalen           und Sicherheit widersprechen sich. Wir speichern alles in Clouds,
Transformation viel Gewicht zu verleihen. Präsidentin Scherrer:            aber für heikle Daten nutzen wir die Schweizer Schulsoftware
«Uns war bewusst, dass die Umsetzung des Lehrplanes 21 für                 Pupil. Die Daten werden physisch in der Schweiz gespeichert.»
die Lehrpersonen anspruchsvoll wird. Wir wollten ihnen den Rü-
cken freihalten, indem wir die Beschaffung neuer Geräte und                Herausforderung spannender Fernunterricht
die Einführung in den Umgang damit vorgezogen haben.» Die                  In der Sekundarschule Romanshorn-Salmsach hat die Digitali-
Schulgemeinde Nollen verfügt heute über eine ICT-Fachgruppe,               sierung schon vor der Jahrtausendwende eingesetzt. Während
bestehend aus Schulleitungen, Behörde und iScout-Lehrper-                  für die Schülerinnen und Schüler anfänglich das Erlernen des
sonen. Fünf Lehrpersonen widmen sich als technische iScouts                grundlegenden Umgangs mit Computern im Vordergrund stand,

                                                                    15
FOKUS                                                                                                Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020

berücksichtigt die Digitalisierungsstrategie seit 2013 zunehmend
auch pädagogische Aspekte. Das Angewöhnen an die mobile In-             Den Thurgau
                                                                        entdecken
formatik erfolgte ab 2015 zuerst im Rahmen eines Projekts der
PH Zürich. Nach kurzer Entwicklung und Planungszeit standen ab
2017 persönliche Laptops für alle Schülerinnen und Schüler zur
Verfügung. Durch die massive Zunahme an Nutzern mussten Ser-
ver- und Übertragungsleistung angepasst werden, was weitere             und sich digitale
                                                                        Kompetenzen
Investitionen nach sich zog. «Selbst Bewerbungen für Lehrstellen
werden heute per Mail verschickt und die Jugendlichen werden
zum Vorstellungsgespräch über Video eingeladen. Wir sind froh,
haben unsere Schülerinnen und Schüler diesbezüglich die nötigen
Kompetenzen», erklärt Schulleiter Markus Villiger. Der ICT-Ver-
antwortliche Matthias Zumkehr ergänzt: «Die Herausforderung
                                                                        aneignen
                                                                        Die digitale Lernplattform «Thurgau du Heimat»
           «Die wichtigsten menschlichen                                stellt kompetenzorientierte Aufgaben zur
         Medien bleiben Hände, Augen, Ohren                             Verfügung, auf deren Basis Schülerinnen und
             und Nasen, die in der Natur                                Schüler eigene Projekte entwickeln.
            Erfahrungen machen wollen.»
                                                                        Text: Urs-Peter Zwingli

ist es nun, im Fernunterricht einen Spannungsbogen aufzubauen
und den Unterricht zu rhythmisieren, wenn ein Teil der Schüle-
rinnen und Schüler in der Klasse sitzt und andere zuhause am
Bildschirm.» Dies in Hinblick auf zukünftigen Fernunterricht, ob
                                                                        F    ür mich ist ‹Thurgau du Heimat› ein Ideenlieferant für
                                                                             meinen Unterricht», sagt der Weinfelder Sekundar-
                                                                        lehrer Urs Keller. Er hat bereits an der Entwicklung des
nun wegen Corona oder als neuartiges Unterrichtselement. Der            2018 vom Amt für Volksschule lancierten, rein digitalen
Prozess der Digitalisierung der Schule gehe permanent weiter, so        Lehrmittels «Thurgau du Heimat» (TGdH) mitgearbeitet
wie sich auch die Technik entwickle, betont der Romanshorner            und nutzt dieses bis heute regelmässig. «Es nimmt rele-
Schulpräsident Walo Bohl. Dabei stehe man in einem intensiven           vante Thurgauer Themen auf und zeigt viele Ideen auf,
Kontakt untereinander, innerhalb des Thurgaus und überregional.         in welcher Art man diese Themen digital verarbeiten und
«Wir finden diesen Austausch über Hindernisse, Tücken und Er-           darstellen kann», sagt Keller. Er und alle Thurgauer Lehr-
fahrungen wichtig», ergänzt Markus Villiger. «Denn alle Schulen         personen der Volksschule, denen das Online-Lehrmittel
stehen vor ähnlichen digitalen Herausforderungen.»  ¡                   kostenlos zur Verfügung steht, können bei TGdH auf 28
                                                                        Lerneinheiten, verteilt auf alle drei Zyklen zugreifen. Diese
                                                                        verteilen sich auf die drei Zyklen. Behandelt werden fä-
                                                                        cherübergreifend Themen aus dem Fachbereich Natur
    Edulog-Nutzung wird im Thurgau geprüft                              Mensch Gesellschaft (NMG).
    Edulog ist eine sichere und standardisierte Lösung für
    das Problem der elektronischen Identifizierung, Au-
    thentifizierung und Autorisierung im Bildungsbereich.                          «Die Stärke von Thurgau du Heimat
    Die Entwicklung erfolgte durch educa.ch im Auftrag
                                                                                 liegt in den Vorschlägen zur digitalen
    der EDK. Im Kern geht es darum, dass Schülerinnen,
                                                                                     Umsetzung und Darstellung der
    Schüler und Lehrpersonen ihr lokales oder kantonales
    Schul-Login auch zur Anmeldung bei Schulbuchverla-                                       Informationen.»
    gen und anderen Plattformen aus dem Bildungsbereich
    nutzen können. Sie haben dabei Gewähr, dass sie nicht
    mehr persönliche Daten preisgeben als vertraglich ge-               «Neben der Vermittlung von Fachwissen fördert das di-
    regelt. Erste Pilotkantone und Dienstleistungsanbieter              gitale Lehrmittel bei den Schülerinnen und Schülern die
    (darunter Klett und Balmer) sind inzwischen an das                  Anwendungskompetenz im Bereich Medien und Informa-
    System angeschlossen. Weitere werden in den näch-                   tik. Zudem sind die Aufgaben auch sehr gut für individu-
    sten Jahren folgen. Eine Spurgruppe mit Vertretungen                elle Projektarbeiten geeignet», sagt die Schulentwicklerin
    des Verbands der Schulgemeinden, des Verbands der                   Yvonne Kesseli, die im AV das Projekt TGdH geleitet hat.
    Schulleitungen und des Amts für Volksschule prüft der-              Zu den Anwendungskompetenzen gehöre zum Beispiel
    zeit, auf welcher Grundlage Edulog für die Thurgauer                das Wissen über Quellennachweise sowie Kenntnisse
    Schulen genutzt werden kann.                                        im Datenschutz. Die Grundidee des Lehrmittels sei, dass
                                                                        die Schülerinnen und Schüler die Lerneinheiten dank den
    edulog.ch                                                           hinterlegten Anleitungen relativ selbständig bearbeiten
                                                                        können.

                                                                   16
Schulblatt Thurgau 4 | Dezember 2020                                                                                   FOKUS

                                                                      Mehr zum Thema

                                                                      Infos und Tutorials für Lehrpersonen und Eltern
                                                                      thurgau-du-heimat.tg.ch

                                                                      Direkt zum Lehrmittel
                                                                      tgdh.tg.ch
Aus Informationen werden Videos oder Reportagen
Die 28 Lerneinheiten sind alle ähnlich aufgebaut. Nach einem           Die TGdH-Lerneinheiten können ohne Login genutzt
kurzen Film, der das Thema vorstellt, folgen eine Einführung           werden. Für die Verwaltung von Arbeiten von
mit Begriffserklärungen und eine Übung, in der sich die Schü-          Schülerinnen und Schülern brauchen Lehrpersonen
lerinnen und Schüler selber Gedanken machen müssen. Am                 allerdings einen Login. Dieser kann via
Ende stehen Vorschläge für Projektarbeiten. «Das können etwa           tgdh.info@tg.ch beantragt werden.
Videos, Präsentationen, ein Tonbeitrag oder eine Reportage
sein», sagt Kesseli. Auch zur Erstellung solcher multimedialen
Inhalte gibt es bei TGdH Anleitungen. Die Arbeiten geben die
Schülerinnen und Schüler digital ab, indem sie diese auf das      vor allem, wenn sie spezifische Thurgauer Themen im Unter-
Portal hochladen. Wenn die Lehrperson diese Arbeiten frei-        richt bearbeite, ansonsten «eher sporadisch». Als nützliches
schaltet, können diese von anderen Klassen angesehen wer-         Element hebt Claudia Kaeppeli den Zeitstrahl hervor: Dieser
den. Sekundalehrer Urs Keller sagt zum                                                   ist auf die TGdH-Startseite eingebettet
Arbeitsprozess: «Die Stärke von Thurgau                                                  und gibt einen groben Überblick über
du Heimat liegt in den Vorschlägen zur            «Mit dem TGdH-Zeitstrahl               die Thurgauer Geschichte – von der Ur-
digitalen Umsetzung und Darstellung der          können einzelne Kinder ver-             zeit bis zum 21. Jahrhundert. Einzelne
Informationen.» Dennoch bräuchten die                                                    Themen können dank Links auf weiter-
                                                schiedene historische Kapitel
Schülerinnen und Schüler je nach Stufe                                                   führende Informationen vertieft werden.
                                                bearbeiten – so wird individu-
und Fähigkeiten zusätzliche Anleitungen                                                  «Damit können Schülerinnen und Schü-
durch die Lehrperson.                           alisierter Unterricht möglich.»          ler auch Themen bearbeiten, die über
                                                                                         den Thurgau hinausgehen. Meine Viert-
Claudia Kaeppeli, Primarlehrerin in Bal-                                                 klässler haben damit zum Beispiel die
terswil, betont, dass TGdH für alle Stufen geeignet sei, «ins-    Geschichte des Fahrrads aufgearbeitet», sagt Kaeppeli. Zu-
besondere, weil die Anleitungen für jüngere Kinder auch als       dem erlaube der Zeitstrahl individualisierten Unterricht, indem
Tondokumente angehört werden können». Sie nutze TGdH              einzelne Kinder verschiedene historische Kapitel bearbeiten.  ¡

                                                               17
Sie können auch lesen