Digitalisierungsschub durch die Krise - zwischen Frustration und Euphorie

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Digitalisierungsschub durch die Krise - zwischen Frustration und Euphorie
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.

    Fokus | Digitalisierung
    № 06 / November 2020

   Digitalisierungsschub durch
   die Krise – zwischen
   Frustration und Euphorie
   COVID-19 beherrscht nach wie vor unseren Alltag und stellt Unternehmen                Patrik Maeyer
                                                                                     Leiter Betriebstechnik,
   sowie Privatpersonen kontinuierlich vor Herausforderungen. Angesichts der
                                                                                     Digitalisierung und IT
   andauernden Krise gilt es, sich schnell, effektiv und situationsbedingt anzu-        030 2020-5452
   passen. Für Unternehmen bedeutet dies, neue Methoden und Technologien               p.maeyer@gdv.de
   bestmöglich einzusetzen und zeitnah in ihre Abläufe zu integrieren – idealer-
                                                                                         Dr. Michael Gold
   weise ohne Produktivitätsverlust.                                                     Geschäftsführer
                                                                                     Arbeitgeberverband der
   Im Zuge der Corona-Krise haben Digitalisierungsthemen in der Versiche-          Versicherungsunternehmen
   rungswirtschaft nicht nur an Akzeptanz gewonnen, sondern starken Auftrieb              in Deutschland
                                                                                         089 922 001-23
   erfahren: Kunden, Versicherungsvermittler und Innendienstmitarbeiter            michael.gold@agv-vers.de
   fordern gleichermaßen aktiv digitale Unterstützung ein. Es gilt nun, die
   gestiegenen Anforderungen adäquat zu adressieren. Hier sind Politik und
   Wirtschaft gefordert, folgende Handlungsfelder konsequent anzugehen:

   →R
     emote-Arbeit bei weiterhin hohem Interaktionsgrad ermöglichen:
    Einsatz moderner Methoden und Technologien sowie Bereitstellung und
    Ausbau hochverfügbarer, stabiler Kommunikationsnetze

   →H
     omeoffice als Teil des Arbeitsbereichs einbeziehen:
    Unternehmensindividueller Mix aus Büropräsenz und mobilem Arbeiten
    mit stabilen IT-Systemen

   → F lexibilisierung des Unternehmensumfelds fortführen:
      Digitalisierung als Unterstützung für die Beschäftigten und im Einklang
      mit den Betriebsvereinbarungen
02    Digitalisierungsschub durch die Krise – Zwischen Frustration und Euphorie

     Schockwelle Pandemie                                    sich Ansätze ergeben, wie sich so-                 war hier, dass mobiles Arbeiten, flan-
                                                             wohl mittel- als auch lang­fristig für             kiert durch den entsprechenden Ta-
     Ende Dezember 2019 wurde erst-                          die Menschen – ob Verbraucher oder                 rifvertrag, in der Versicherungswirt-
     mals über den Ausbruch einer neu-                       Beschäftigte – mit Hilfe der zur Ver-              schaft bereits vor der Krise verankert
     artigen Atemwegserkrankung mit                          fügung stehenden modernen Me-                      war.2 Die hohe Flexibilität und Of-
     noch unbekannter Ursache in der                         thoden und neuen Technologien                      fenheit von Belegschaften, Personal-
     chinesischen Stadt Wuhan berich-                        die negativen Aspekte der Krise in                 abteilungen und Betriebsräten wirk-
     tet. Was zunächst noch in weiter Fer-                   möglichst positive Impulse überset-                te sich ebenfalls sehr positiv auf den
     ne schien, entwickelte sich rasant zu                   zen lassen.                                        unmittelbaren Erfolg des plötzlichen
     einer weltweiten Pandemie. Inner-                                                                          Umstiegs ins Homeoffice aus.
     halb weniger Monate hat Corona                                                                                   Für das Innendienstpersonal ist
     auch in Deutschland zu drastischen                      Sozialgefüge und                                   die Anwesenheit im Büro auch in An-
     Veränderungen in den gewohnten                          Arbeitsplatz –                                     betracht der hohen Volatilität der In-
     Lebens- und Arbeitswelten geführt:                                                                         fektionszahlen weiterhin überwie-
     Homeoffice und Videokonferen-                           Homeoffice & Co. alles                             gend freiwillig. Sind Mitarbeiter und
     zen gehören zum Alltag, Dienstrei-                      in Remote?                                         Mitarbeiterinnen vor Ort im Unter-
     sen und Kondensstreifen am Him-                                                                            nehmen, dann meist in festgeleg-
     mel sind zu Ausnahmen avanciert,                        Ende März stellte die Versicherungs-               ten Teams mit strengen Abstands-
     Desk-Sharing-Konzepte liegen auf                        wirtschaft infolge des Lockdowns                   und Hygieneregeln. Ausnahmen gel-
     dem Tisch, und Entmietungen von                         nahezu alle Arbeitsplätze auf Remo-                ten für Mitarbeiter in Risikogrup-
     Büroflächen zeichnen sich ab.                           te-Fähigkeit um. Durch diese techni-               pen oder mit betreuungsbedürftigen
          Zwar bewegte sich der Digitali-                    sche und organisatorische Leistung                 Kindern oder Angehörigen; die-
     sierungsgrad in der Versicherungs-                      konnte innerhalb kürzester Zeit im                 se verbleiben vorrangig bzw. aus-
     wirtschaft bereits vor Corona in ei-                    Schnitt etwa 80 %, im Maximum bis                  schließlich im Homeoffice. Je nach
     nigen Bereichen auf sehr hohem Ni-                      nahezu 100 % der Belegschaft im In-                Unternehmensgröße lassen sich
     veau – die Krise wirkte jedoch wie                      nen- und Außendienst von zu Hause                  Unterschiede erkennen: Tendenzi-
     ein Katalysator und beschleunigte                       arbeiten (Abb. 1). Die massive Verlage-            ell liegen im Zeitraum April bis No-
     die digitale Transformation.                            rung von zeitweise bis zu 190.000                  vember 2020 die Homeoffice-Quo-
          Ein dreiviertel Jahr nach dem                      Arbeitsplätzen1 ins Homeoffice ver-                ten großer Unternehmen aktuell bei
     ersten Lockdown in Deutschland                          lief reibungslos und ohne Produkti-                etwa 70 bis 90 %; mittlerer und klei-
     lässt sich auf Basis der Erfahrungen                    vitätseinbußen (Abb. 2). Von Vorteil               nerer Unternehmen bei 40 bis 60 %
     ein praxisnahes Zwischenfazit für                                                                          (Abb. 1). Im Wesentlichen begründet
     die Versicherungswirtschaft ziehen.                     1 Entspricht etwa 95 % von rund 200.000
     Aus diesen Erkenntnissen können                         Mitarbeitern (Innen-/Außendienst und Aus-          2 TV zum mobilen Arbeiten vom
                                                             zubildende) der Versicherungsunternehmen           27. Mai 2019 - https://www.agv-vers.de/tv

     Homeoffice-Quote
     Abbildung 1
         Minimum         Maximum          Durchschnitt (ungewichtet)

     100      %
              Prä                                                                                                                                    Post
      80      COVID-19                                                                                                                           COVID-19

      60                                                                                                                                                60
                                                                                                                                                        48
      40
                                                                                                                                                        35
              35
      20      20

              2                   Lockdown                                                                        Lockdown
        0
                  FEB      MÄR          APR         MAI         JUN         JUL         AUG         SEP   OKT        NOV       DEZ     H1 2021 H2 2021
     Quelle: GDV/BDIT-Ad-hoc-Umfrage zu den „Covid19-bedingten Veränderungen“, September/Oktober 2020

     Fokus | Digitalisierung · № 06 · November 2020
Digitalisierungsschub durch die Krise – Zwischen Frustration und Euphorie                          03

sich dies in den unterschiedlichen         der Europäischen Union empfoh-               Infrastruktur – Erfolgs­
Belegschaftszahlen und – insbeson-         len3. Solch eine Regelung erleich-           faktoren IT und
dere bei größeren Unternehmen –            tert es Arbeitgebern, kurzfristig auf
der Bündelung vieler Personen an           Schwankungen der Arbeitsauslas-              Betriebsorganisation
großen Unternehmensstandorten.             tung zu reagieren.
     Im Sommer 2020 mit seinen                  Die Beschäftigten in der Versi-         Die Ergebnisse der aktuellen GDV-­IT-
ver­hältnismäßig geringen Infek-           cherungsbranche zeigen sich grund-           Erhebung sowie einer Ad-hoc-Um-
tionszahlen erfolgte teilweise eine        sätzlich offen für diesen Wandel. Be-        frage unter den Versicherungsun-
behutsame Aufhebung bestimmter             reits in den letzten drei Jahren ist die     ternehmen im September 2020 wei-
Sicherheitsmaßnahmen (z. B. Be-            Angst vor der Digitalisierung merk-          sen insgesamt auf eine leistungsfähi-
tretungsverbote für Externe, Qua-          lich gesunken – vielmehr erhoffen            ge IT und Betriebsorganisation hin.
rantäne für Urlaubsrückkehrer, Aus-        sich die Mitarbeiter durch digitale          Engpässe durch die Bandbreite der
setzung des Betriebssports). Insge-        Ansätze Verbesserungen im Tages-             Gateways zur Anbindung der Remo-
samt fahren die Unternehmen wei-           ablauf und eine höhere Vereinbar-            te-Arbeitsplätze entstanden allenfalls
terhin maximal flexibel „auf Sicht“        keit von Familie und Beruf 4.                in der Anfangszeit des Lockdowns im
und folgen einigen Grundsätzen:                 Für das Management gilt es, in-         Frühjahr 2020. Die technischen Pro-
kein gesundheitliches Risiko einge-        novative Lösungskonzepte zu erar-            bleme konnten im weiteren Fortgang
hen, zweigleisig planen, Produktivi-       beiten, die einer möglichen Entsozi-         schnell behoben werden. Darüber hi-
tät und Mitarbeiterzufriedenheit im        alisierung bzw. einer Vereinsamung           naus erfolgte teilweise eine Auswei-
Blick behalten.                            der Menschen im modernen, trans-             tung der Online-Zeiten für den In-
                                           formierten Unternehmensumfeld                nendienst (z.B. von 8 bis 20 Uhr auf
                                           entgegenwirken. Auch dem Aspekt              6:30 bis 22 Uhr, z. T. auch samstags).
Herausforderung                            des Führens aus der Ferne gilt es            Im Rahmen der im Unternehmens-
Unternehmenskultur                         besonders Rechnung zu tragen: Die            management fest verankerten und
und Arbeitsumfeld                          Entwicklung neuer oder die adäqua-           in der Krise aktivierten Notfallpläne
Offensichtlich hat sich das Arbeiten       te Anpassung vorhandener Leis-               trafen die Versicherungsunterneh-
im Homeoffice situationsbedingt –          tungskennzahlensysteme könnte                men alle notwendigen Maßnahmen,
unter anderem zur Gewährleistung           hier Unsicherheiten beseitigen und           um Schlüsselfunktionen wie Scan-
des notwendigen Social Distancing          für Führungskräfte und Mitarbeiter           nen/Druck, Rechenzentren und Ge-
– bewährt. Allerdings müssen sich          gleichermaßen eine Erleichterung             bäudesicherheit vor Ort bereitzu-
die Versicherungsunternehmen               darstellen. Hier gilt es, aus den im         halten und gleichzeitig Infektions-
trotz aller anfänglichen Euphorie in       Zeitraum April bis November 2020             und Quarantänesituationen – so-
Bezug auf eine weiterhin hohe Pro-         gemachten Erfahrungen sowie den              weit möglich – vorzubeugen.
duktivität bei den weiteren Planun-        gemeinsam, professionell und flexi-              Die Zahl der Remote-fähigen Ar-
gen auch mit einer Reihe von kriti-        bel ergriffenen Notfallmaßnahmen             beitsplätze hat sich flächendeckend
schen Effekten auseinandersetzen.          einen dauerhaften Change-Prozess             deutlich erhöht. Dies wurde durch
    Die Corona-Krise und der da-           abzuleiten.                                  die Bereitstellung zusätzlicher mo-
mit einhergehende umfassende                                                            biler Endgeräte erreicht. Im IT-Be-
Umstieg eines Großteils der Beleg-                                                      trieb erfolgte eine Kapazitätserwei-
schaft vom Innendienst ins Homeof-                                                      terung zur Abfederung der erhöhten
fice machen deutlich, dass eine Fle-                                                    Anzahl gleichzeitiger Netzwerkzu-
xibilisierung des deutschen Arbeits-                                                    griffe. Organisatorisch wurde die Be-
zeitgesetzes dringend notwendig ist.                                                    legschaft – ergänzend zu den bereits
Anstelle einer auf den Tag bezoge-                                                      ausgegebenen mobilen Endgeräten
nen Höchstarbeitszeit von acht bis                                                      – sukzessive mit zusätzlichen Bild-
zehn Stunden ist eine auf die Wo-                                                       schirmen und Konferenztechnolo-
che gerechnete Höchstarbeitszeit                                                        gie wie Kopfhörer, Mikrofone und
von 48 Stunden zeitgemäß – wie                                                          Kameras ausgestattet. Die Zahl der
                                           3 Richtlinie 2003/88/EG vom 4. November
bereits in der Arbeitszeitrichtlinie       2003 (Arbeitszeitrichtlinie)
                                                                                        Online-Besprechungen ist erwar-
                                                                                        tungsgemäß überproportional ge-
                                           4 Jährliche repräsentative Beschäftigten-
                                           befragung für die Versicherungswirtschaft;   stiegen. Probleme bei der Nutzung
                                           KANTAR im Auftrag des AGV                    Cloud-basierter Dienstleistungen

Fokus | Digitalisierung · № 06 · November 2020
04    Digitalisierungsschub durch die Krise – Zwischen Frustration und Euphorie

     (z. B. Skype, Microsoft, Zoom, We-         überregional und aus der Ferne in                         Teams und Organisationseinheiten.
     bex) traten nur anfangs auf. Verbin-       die Arbeitsabläufe zu integrieren.                             Es ergeben sich drei große Her-
     dungsausfälle waren auch – und             Eine physische Allokation des Fak-                        ausforderungen: eine leistungsfähi-
     sind es bis heute – durch die be-          tors Arbeit an einem Unternehmens-                        ge IT, moderne Arbeits- und Begeg-
     schränkten Kapazitäten der lokalen         standort würde so im Wesentlichen                         nungsflächen am Unternehmens-
     Telekommunikationsanbieter an              obsolet. Dadurch eröffnet sich den                        standort sowie hochverfügbare
     den Wohnorten der Beschäftigten            Unternehmen potenziell ein grö-                           Kommunikationsnetze für die Re-
     bedingt. Beispielsweise führen in ei-      ßerer Pool an Fachkräften, was die                        mote-Arbeit. Gerade vor dem Hinter-
     ner Familie das gleichzeitige Arbei-       Personalfrage in der IT entspannen                        grund einer effektiven Einbindung
     ten der Eltern im Homeoffice sowie         könnte. Allerdings benötigen Fach-                        des Homeoffice ist eine sowohl in
     paralleles Homeschooling schnell           kräfte insgesamt und bereichsüber-                        Ballungs- als auch in ländlicheren
     zu einer Überlastung des jeweili-          greifend auch im Homeoffice ein                           Räumen flächendeckend verfügba-
     gen Haushaltsanschlusses.                  stabiles und leistungsfähiges Netz.                       re leistungsstarke Telekommunika-
          Der IT-Sicherheit galt mit Blick      Dies ist allerdings nach wie vor nicht                    tionsinfrastruktur, wie beispielswei-
     auf die im Remote-Bereich massiv           immer gewährleistet und stellt vor                        se der 5G-Netzausbau, notwendig.
     gestreckte IT-Infrastruktur von Be-        allem im ländlichen Raum Mitar-                           Diese Anforderung besteht sektoren-
     ginn an hohe Aufmerksamkeit. Ent-          beiter und die Betriebsorganisation                       übergreifend und ist unabdingbar
     gegen der Berichterstattung in den         vor technische Herausforderungen.                         für die Sicherung des Industrie- und
     Medien bezüglich anderer Wirt-             Entsprechende Service Level Agree-                        Wirtschaftsstandortes Deutschland.
     schaftszweige verzeichnete die deut-       ments für Störungen und Ausfälle
     sche Versicherungswirtschaft keine         im Bereich der Netze sind jedoch rar
     besonderen Auffälligkeiten oder ver-       gesät bzw. für Privatkunden nicht                         Produktivität, Kollabo-
     mehrten Cyberangriffe. Bei Sicher-         vorhanden – hier besteht dringen-                         ration und Führung
     heitsvorfällen gewährleisteten die         der Handlungsbedarf. Politik und
     Unternehmen auch im Remote-Be-             Netzbetreiber sind angehalten, die-
     trieb ohne Verzögerung die Einlei-         sen Mangel zu beheben und für die                         Die zwischenzeitliche Verlagerung
     tung adäquater Gegenmaßnahmen.             Bereitstellung stabiler und verläss-                      der bis zu 190.000 Arbeitsplätze ins
                                                licher Netze zu sorgen.                                   Homeoffice verlief weitestgehend
                                                     Nach wie vor gibt es gute Grün-                      reibungsfrei – aus betriebswirt-
     Herausforderungen bei                      de, zusätzlich zur Remote-Arbeit re-                      schaftlicher Sicht mit weiterhin ho-
     Informationstechnologie,                   gelmäßig physisch zusammenzu-                             her Produktivität. Diese liegt teilwei-
     Kommunikationsnetzen                       kommen – sei es für das Onboarding                        se sogar über der jeweils erwartba-
     und Raumkonzepten                          neuer Mitarbeiter, für die Interakti-                     ren durchschnittlichen Regelpro-
     Die massiv intensivierte und zwi-          on im Team unter Einsatz aller Sin-                       duktivität (Abb. 2). Mögliche Gründe
     schenzeitlich weiter verbesserte di-       ne (und nicht nur des audiovisuel-                        hierfür sind beispielsweise die Rück-
     gitale Kommunikation hat sich be-          len) oder für den Aufbau und die Er-                      führung von in Projekte abgestellten
     reits jetzt als alltagstauglich erwie-     haltung eines sozialen Gefüges in                         Mitarbeitern in die Abteilungen oder
     sen und wird wohl auch in Zukunft
     so manche Dienstreise entbehrlich
     machen. Dies hat nicht zuletzt auch
                                                Produktivität-Regelniveau
     für die Nachhaltigkeit des operati-        Abbildung 2
                                                      Steigerung      Rückgang
     ven Versicherungsbetriebes positi-
     ve Effekte.                                            %
         Ein weiterer positiver Anwen-          +10
     dungsfall ergibt sich beispielhaft          +5
     für die IT mit ihrer Herausforde-
                                                      0
     rung des Fachkräftemangels: Die
     konsequente Umsetzung von Re-                -5

     mote-Arbeitsplätzen ermöglicht es          -10
     im täglichen Betrieb technisch und
     organisatorisch, IT-Fachkräfte über-                 JAN   FEB    MÄR       APR     MAI      JUN      JUL      AUG      SEP     OKT        NOV   DEZ
     regional anzuwerben und diese auch         Quelle: GDV/Symboldarstellung auf Basis von Interviews und regelmäßiger Feedbackrunden mit VU

     Fokus | Digitalisierung · № 06 · November 2020
Digitalisierungsschub durch die Krise – Zwischen Frustration und Euphorie                           05

rückläufige Krankenstände. Zu nen-             Ausschnittbetrachtung stehen zwar          Beschäftigten nach einem ausgewo-
nen wäre potenziell auch eine situa-           die digitalen Rahmenbedingungen            genen Mix aus Büropräsenz und mo-
tive Überproduktivität des Personals           für das neue Arbeitsumfeld und da-         bilem Arbeiten.
bedingt durch ein ungewohntes Ar-              mit potenziell für alle Mitarbeiter             Hier ergeben sich Potenziale und
beitsumfeld; aber auch die Möglich-            bereit, jedoch sind die Sozialgefüge       Herausforderungen für die Betriebs-
keit während der passiven Phasen ei-           sowie das Führen bzw. geführt wer-         und Arbeitsorganisation. Büroflä-
ner Teilnahme an virtuellen Bespre-            den „aus der Ferne“ noch nicht gänz-       chen, die noch Mitte März 2020 be-
chungen weiterzuarbeiten.                      lich an die aktuelle Situation ange-       nötigt wurden, sind zukünftig nicht
     Nach Einschätzung der befrag-             passt und eingespielt.                     mehr im bisherigen Umfang erfor-
ten Experten aus den Versicherungs-                                                       derlich. Unter Anlegung der prognos-
unternehmen pendelte sich durch                                                           tizierten Daten zeigt sich mittelfris-
den Gewohnheitseffekt sowie die                Herausforderung Betriebs-                  tig ein Minderbedarf an Büroflächen
sukzessive Einführung und Verbes-              und Arbeitsorganisation                    von etwa 25 bis 30 % im Vergleich
serung bereits vorhandener Konfe-              Wie genau sich die Arbeitswelt im          zu Anfang 2020. Verbleibende Flä-
renz- und Kollaborationsplattfor-              New Normal gestalten wird, ist noch        chen sollten bedarfsgerecht als Be-
men (z.B. vorgezogener Rollout von             nicht vollständig absehbar – das Ho-       gegnungs- und Interaktionsflächen
Microsoft Teams) die Produktivi-               meoffice bleibt aber sicher ein nicht      gestaltet werden und die Möglich-
tät im Zeitverlauf wieder auf dem              unerheblicher Teil des Ganzen. Pro-        keit für geschützte Videotelefonie
Regelniveau ein. Mit der anhalten-             gnostizieren lässt sich für eine an-       und hybride Webkonferenzforma-
den Pandemie verzeichnen die Un-               genommene Post-Corona-Zeit eine            te bieten – mit oder ohne Desk-Sha-
ternehmen allerdings auch teilwei-             Homeoffice-Quote von 35 bis 60 %           ring-Ansatz. Raumkonzepte, die
se rückläufige Produktivitätsquo-              (Abb. 1). Dies entspricht einer Stei-      noch kürzlich zielführend schienen,
ten (Abb. 2). Dieser Effekt lässt sich         gerung von etwa 30 Prozentpunk-            gilt es nun zu überarbeiten und an
nach Einschätzung der Unterneh-                ten im Vergleich zur Prä-Coro-             die neuen Anforderungen anzupas-
mensexperten im Wesentlichen                   na-Zeit 2019/2020, in der die Ho-          sen. Dies ist keine triviale Aufgabe:
mit den Schlagworten Entsoziali-               meoffice-Quote bei 2 bis 35 % lag.         Die neue Normalität tangiert viele
sierung, Ermüdung und Frustrati-               Diese Entwicklung korrespondiert           Bereiche – eine Lösung muss ganz-
on beschreiben. In einer begrenzten            mit dem Wunsch der Mehrheit der            heitlich ausgerichtet sein (Abb. 3).

New Normal-Segmentierung
Abbildung 3

                                                                                    Kultur

                                                                       Organisation

                                                                  IT

                      Infrastruktur

     TK-Netze             Hardware               Arbeitsplatz            Software         Zusammenarbeit           Führung

                               Online-Zeiten                                        Colaboration Tools

                      Remote               Flexibel Home Office                           Agile Projekte

                                                            Video/Web

Quelle: GDV

Fokus | Digitalisierung · № 06 · November 2020
06    Digitalisierungsschub durch die Krise – Zwischen Frustration und Euphorie

Impressum
Herausgeber                                                 Verantwortlich                                   Autoren
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.   Patrik Maeyer                                    Patrik Maeyer
Wilhelmstraße 43/43 G, 10117 Berlin                         Leiter Betriebstechnik, Digitalisierung und IT   Dr. Michael Gold
Postfach 08 02 64, 10002 Berlin                             Tel. 030 2020-5452                               Christine Jansen
Tel. 030 2020-5000, Fax 030 2020-6000                       E-Mail: p.maeyer@gdv.de                          Bildnachweis
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                                                            Marcus Pfab                                      Alle Ausgaben ...
                                                            Redaktionsschluss                                auf GDV.de
                                                            15.11.2020

     Fokus | Digitalisierung · № 06 · November 2020
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