Dr. Alexandra Kankeleit Archäologische Aktivitäten in Griechenland während der deutschen Besatzungszeit, 1941-1944 Vortrag 2015 / 2016 Berlin ...
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Dr. Alexandra Kankeleit Archäologische Aktivitäten in Griechenland während der deutschen Besatzungszeit, 1941-1944 Vortrag 2015 / 2016 Berlin – Frankfurt – Athen
Bei dem folgenden Text handelt es sich um einen Vortrag, der 2015 und 2016 an verschiedenen Orten in Deutschland und Griechenland gehalten wurde. Für Unterstützung und Anregungen danke ich der Archäologischen Gesellschaft in Athen und dem Deutschen Archäologischen Institut, insbesondere Herrn Prof. B. Petrakos und Frau Prof. K. Sporn. Eine tiefergehende Untersuchung zum Thema ist aktuell in Vorbereitung.
Inhalt Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 5. Zusammenarbeit mit dem Kunstschutz der Wehrmacht . . . . . . . . . . . . 36 1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland . . . . . . . . . . . . . 9 5.1. Merkblätter und sonstige Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.1. Herausragende Altertumswissenschaftler in Griechenland. . . . . . . . . . . 9 5.2. Prospektion und Luftbildaufnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.2. Das Deutsche Archäologische Institut in Athen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 5.3. Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1.3. Einfluss deutscher Politik und Wissenschaft 5.4. Ausgrabungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 auf griechische Altertumsforscher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 6. Kontroverse mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg. . . . . . . . . . . 42 2. Strukturen und Organisation während der NS-Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . 14 7. Pläne der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe der SS. . . . 45 2.1. Situation vor 1934. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 8. Funktion des Auswärtigen Amtes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.2. Situation nach 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 9. Konflikte: Diebstähle, illegale Grabungen, 2.3. Einmarsch der Wehrmacht im April 1941. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 materieller und ideeller Schaden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.4. Aufteilung Griechenlands in drei Besatzungszonen . . . . . . . . . . . . . . . . 16 9.1. Kriegsmaßnahmen: Sicherheitsvorkehrungen in 18 Museen. . . . . . . . . 46 2.5. Situation während der Besatzungszeit vom 27.04.1941 bis 12.10.1944. . 17 9.2. Raub und Zerstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 10. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.1. Leitung und Angestellte von 1930-1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Abbildungsnachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3.2. Leitung und Angestellte von 1937-1944 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.3. Die Direktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3.4. Grabungsleiter Olympia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Institutionen und Arbeitsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Publikationen im Internet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4.1. Olympiade und „Führergrabung“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2. Olympia: Ausgrabungen und Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4.3. Kerameikos: Ausgrabungen und Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.4. Kreta: Ausgrabungen und Puplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.5. Sonstige Ausgrabungen und Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4 5
Einleitung Einleitung Einleitung und populärwissenschaftlichen Abhandlungen zum grie- chisch-italienischen Krieg, zur Besatzungszeit und zum folgenden Bürgerkrieg. Dass diese Epoche aktuell beson- Im Oktober 1944 zogen sich die deutschen Truppen der ders im Brennpunkt steht, wird nicht nur an den Auslagen Wehrmacht aus Griechenland zurück. Sie hinterließen ein der Buchläden und den Headlines bekannter Webseiten Land, das durch Zerstörung, Chaos und Hungersnot ge- deutlich, sondern auch an der Ausrichtung spezieller For- kennzeichnet war. schungsprojekte und Dissertationsthemen an griechi- schen Universitäten. Im Internet gibt es zahlreiche Foren Leseempfehlung Die Bilanz ihrer dreieinhalbjährigen Besetzung ist (beispielsweise in Facebook), die sich über die historischen Leseempfehlung Fleischer 1988 verheerend: Geschehnisse austauschen. Dokumente, die aus privaten Kambas-Mitsou 2010 Fleischer 1998 ►► Verlust von 10% der Bevölkerung. Archiven stammen und zum Teil noch unpubliziert sind, Kambas-Mitsou 2015 Fleischer 2010 ►► Massenexekutionen: Ermordung von über 130.000 werden dort präsentiert. Krumme 2012 Mazower 1993 Zivilisten, darunter Frauen, Kinder und Greise. Schminck-Gustavus 2010 ►► Beschlagnahme von Lebensmitteln und Ein Bild, das sich in das kollektive Gedächtnis der Griechen Brennstoffen: über 300.000 Hunger-und Kältetote. eingebrannt hat, zeigt den Archäologen Walter Wrede, ►► Ermordung von 90% der Juden (Sepharden und wie er im April 1941 Generalfeldmarschall Walther von Romaniotes): über 60.000 Tote. Brauchitsch über die Akropolis führt. ►► Zerstörung von über 100 Ortschaften. Wrede war zugleich amtierender Direktor des Deutschen ►► Hinzu kommt die deutsche Zwangsanleihe in Höhe Archäologischen Instituts in Athen (1937-44) und Landes- von 476 Millionen Reichsmark (heute ca. 11 Milliarden gruppenleiter der Auslands-Organisation der NSDAP in Euro), die niemals zurückgezahlt worden ist. Griechenland (1935-44). Die Historiker Hagen Fleischer und Mark Mazower haben in ihren Untersuchungen eindrucksvoll dargelegt, wie das Land während der Besatzungszeit systematisch geplün- dert und terrorisiert wurde. Ziel war die totale Unterwer- fung der griechischen Bevölkerung. In Deutschland sind diese Ereignisse weitgehend unbe- kannt, was zum großen Teil an der offiziellen Außenpolitik der Bundesrepublik seit den 50er Jahren liegt. Erst in jün- gerer Zeit werden die Massaker, die in über 50 Orten Grie- chenlands verübt wurden, überhaupt thematisiert. Einen ersten Annäherungsversuch machte 2000 Johannes Rau in Kalavrita. 2014 bat Joachim Gauck als erster Repräsen- Walther Wrede (rechts) mit Walther von Brauchitsch auf der Akropolis tant Deutschlands offiziell um Verzeihung für die Besat- zungsverbrechen: Im Kontext dieser historischen Ereignisse überrascht es, „Und ich schäme mich, dass das demokratische Deutsch- dass die archäologischen Kulturgüter die Kriegszeit rela- land, selbst als es Schritt für Schritt die Vergangenheit tiv unbeschadet überlebt haben (Die Situation lässt sich aufarbeitete, so wenig über deutsche Schuld gegenüber in keiner Weise mit dem gegenwärtigen Wüten von ISIS den Griechen wusste und lernte“. im Nahen Osten vergleichen). Wie sich im Vortrag zeigen wird, hat die Besatzungszeit auch zu Raub und Beschä- In Griechenland hingegen ist der Zweite Weltkrieg noch digung von Antiken geführt. Doch reichen diese Verluste sehr präsent. Neben der seriösen Fachliteratur gibt es nicht an das Ausmaß der mit dem Krieg einhergehenden einen regelrechten Boom an Biographien, Romanen menschlichen Tragödie heran. 6 7
Einleitung 1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland Es ist vor allem den Schutzmaßnahmen griechischer Ar- tinischen Kirchen und Klöster unter der Besatzungszeit chäologen zu verdanken, dass bedeutende Objekte we- zu leiden. Bei Vergeltungsaktionen wurden sie niederge- der gestohlen, noch beschädigt wurden. brannt und zerstört. Attacken waren die Meteora Klöster Auch hatte die deutsche Besatzung kein Interesse daran, in Thessalien, das Kloster Hosios Loukas in Stiri, das Klo- die archäologischen Stätten zu zerstören. Als Sieger und ster Hosios Meletios auf Berg Kithairon und Agia Lavra in Vertreter der führenden Kulturnation sah sie sich als wah- der Nähe von Kalavrita ausgesetzt. rer Nachfolger der antiken Griechen an und trieb die In- szenierung in antiker Kulisse zur Perfektion. In Bezug auf die Archäologie spielt der „menschliche Leseempfehlung Faktor“ eine zentrale Rolle. Deutsche Archäologen, die Leseempfehlung Kulturschutzbericht GB 1946 Bereits 1946 wurde in zwei Kulturschutzberichten eine in den 30er Jahren Partner, Freund und Vorbild gewesen Petrakos 1994 Kulturschutzbericht GR 1946 Bestandsaufnahme der Schäden und Verluste aus der Be- waren, traten während der Besatzungszeit plötzlich als Petrakos 2013 satzungszeit vorgelegt. Sie stützten sich auf die Meldun- Herrenmenschen auf, gaben ihren griechischen Kollegen Tiverios 2013 gen griechischer Archäologen. Herausgeber waren zum Direktiven und nutzten die privilegierte Situation für eige- einen das Griechische Ministerium für Religion und Natio- ne Zwecke aus. Das Leid des griechischen Volkes wurde nale Erziehung (das spätere Kultusministerium) und zum komplett ausgeblendet. Ein häufig wiederholter Vorwurf anderen die Britische Kommission für Kulturgüterschutz. von griechischer Seite ist deshalb die „Arroganz“ und „Selbstbezogenheit“ der deutschen Archäologen, die Grundlage des griechischen und des britischen Kultur- fast schon als „wissenschaftlicher Autismus“ bezeichnet schutzberichtes sind die Aussagen und Aufzeichnungen werden kann. Dieser psychologische Aspekt wird in den griechischer Archäologen. Nur am Rande wird der anhal- neueren Publikationen griechischer Wissenschaftler häu- tende Bürgerkrieg in Griechenland erwähnt. fig angesprochen. In der britischen Bestandsaufnahme werden die Folge- schäden der Kämpfe zwischen der royalistischen Armee 1. Bedeutung der deutschen Archäologie der konservativen griechischen Regierung (unterstützt in Griechenland durch Großbritannien und später die USA) und der sog. „Demokratischen Armee Griechenlands“ (DSE) der Kom- 1.1. Herausragende Altertumswissenschaftler munistischen Partei des Landes (unterstützt durch die in Griechenland ehemaligen Ostblockländer wie Albanien, Bulgarien, Ju- goslawien und die Sowjetunion) generell als gering ein- Seit der Entstehung des modernen griechischen Staates gestuft. Die kriegerischen Auseinandersetzungen sollten im Jahre 1830 haben deutsche Gelehrte einen großen Ein- allerdings noch bis 1949 anhalten. Eine abschließende Be- fluss auf die archäologische Forschung und das kulturelle trachtung aller Schäden wurde nie in Angriff genommen. Leben in Griechenland ausgeübt. Ein Grund ist, dass 30 Jahre lang, von 1832-1862, der Wittelsbacher König Otto I. Beide Kulturschutzberichte sind im Internet abrufbar und über Griechenland regierte. Ihm folgte Georg I. aus dem dienen griechischen Journalisten, Schriftstellern und Hi- dänischen Haus Glücksburg. Bis 1973, dem Ende der grie- storikern heute noch als Primärquelle. Eine wissenschaft- chischen Monarchie, stellten seine Nachfahren die Köni- liche Aufarbeitung der Verlustlisten von 1946, auch in Zu- ge. sammenarbeit mit den ehemaligen Besatzungsmächten (Deutschland, Italien und Bulgarien), erscheint zuneh- Für einen engen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen mend schwierig und ist offensichtlich politisch nicht ge- Austausch mit Deutschland wurde im 19. Jahrhundert das wollt. Fundament gelegt. Die Kulturschutzberichte zeigen, dass hauptsächlich klei- Im Bereich der Altertumswissenschaften machte sich der nere Museen und Sammlungen von Raub und Zerstörung Klassische Archäologe und Philologe Ludwig Ross (1806- betroffen waren. Am meisten hatten jedoch die byzan- 1859) einen Namen. Als Beauftragter des Königs war er für 8 9
1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland 1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland die Aufsicht der antiken Denkmäler zuständig. Seit 1837 lehrte er als erster Professor für Archäologie an der neu gegründeten Universität Athen. Bei seinen Ausgrabun- gen auf der Akropolis entwickelte er neue, wegweisende Methoden, beispielsweise Beobachtung, Dokumentation und Analyse von Befund und Stratigraphie. Für das 20. Jahrhundert hat der Bauforscher Wilhelm Leseempfehlung Dörpfeld (1853-1940) maßgeblich das Bild vom deutschen Leseempfehlung Goette-Palagia 2005 Archäologen auf griechischem Boden geprägt. Seit dem Mackroth 1930 Herrmann 1988 a 19. Jahrhunderts arbeitete er in Olympia und wirkte an Kalpaxis 1993 Ausgrabungen von Heinrich Schliemann in Troja und Ty- Mallouchou-Tufano 1998 rins mit. Seine Arbeit zeichnete sich durch präzise Doku- Minner 2006 mentation, analytische Untersuchung und valide Ergeb- Petrakos 2013 nisse aus. Er gilt als Begründer des wissenschaftlichen Trigger 2006 Grabungswesens in der Archäologie. 1896 gründete er die Deutsche Schule in Athen, die noch heute nach ihm benannt ist. Internationale Konferenzen und Publikationen würdi- gen das Lebenswerk der beiden Männer. Ihre Bedeu- tung für die griechische Archäologie lässt sich erahnen, wenn man einen Blick in die 2013 erschienene Studie von Bassilis Petrakos zur Geschichte der Archäologie in Grie- chenland („Πρόχειρον Αρχαιολογικών 1828-2012“) wirft. Kaum Erwähnung findet hingegen Johann Joachim Winckelmann (1717-1768). Bei den Forschungen griechi- scher Archäologen hat er, wenn überhaupt, nur eine mar- Das Deutsche Archäologische Institut in Athen, ginale Rolle gespielt. Straßenszene in den 20er Jahren 1.2. Das Deutsche Archäologische Institut 1930 stellte der Chronist Siegfried Mackroth fest, dass in in Athen Athen durch „wertvolle Beziehungen zu den vorüberge- hend anwesenden Archäologen und anderen Gelehrten Die Abteilung Athen des Deutschen Archäologischen stets die Verbindung mit dem Vaterlande aufrecht er- Instituts wurde 1874 auf Beschluss des Deutschen halten“ werden kann. In seiner Untersuchung über „Das Reichstages gegründet. Seit 1888 befindet sich das In- Deutschtum in Griechenland“ konnte er nachweisen, stitut im Zentrum von Athen, in der Phidias-Straße 1. dass in ganz Griechenland ca. 560 Deutsche lebten, die Heinrich Schliemann ließ es nach Plänen von Wilhelm Dör- sich vorwiegend in den Bereichen Handel, Industrie und pfeld und Ernst Ziller errichten. Aufgrund seiner heraus- Erziehung betätigten. Eine besondere Rolle nahmen da- ragenden Bibliothek und der umfangreichen Photothek bei die Altertumswissenschaftler ein. Sie waren bestens war das DAI Athen schon früh eine zentrale Anlaufstelle vernetzt und verfügten über ausgezeichnete Landes- und für deutsche und griechische Wissenschaftler. Sprachkenntnisse. Einige von ihnen hatten in griechische Familien eingeheiratet. 10 11
1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland 1. Bedeutung der deutschen Archäologie in Griechenland In den 30er Jahren organisierten sich viele Mitarbeiter des 1.3. Einfluss deutscher Politik und DAI Athen in der NSDAP. 1934 konstatierte DAI-Präsident Wissenschaft auf griechische Theodor Wiegand: „Unser Institut nimmt von allen deut- Altertumsforscher schen Athener Behörden die bei weitem einflussreichste Stelle ein“. Mehrere griechische Archäologen hatten in den 20er und 30er Jahren in Deutschland studiert. Sehr beliebt waren Zu den wichtigsten Projekten des DAI Athen gehörten die die Universitäten in München, Heidelberg und Berlin. Ausgrabungen im Zeusheiligtum von Olympia (seit 1875), Auch an der Universität von Athen lehrten deutsche Pro- Leseempfehlung im Athener Kerameikos (seit 1913/1914) und im Heraion fessoren (z.B. Dörpfeld, Karo und Buschor). Deutsche Leseempfehlung DAI 2014 von Samos (seit 1925). Kultur und Wissenschaft erfreuten sich allgemein großer Doxiadis 1937 Fittschen 1996 b Wertschätzung in Griechenland. Fahrner 2008 Korka 2005 Neben dem DAI Athen befinden sich heute noch 16 weite- Die vom Deutschen Archäologischen Institut initiierten Gehrke 2010 Krumme 2012 re ausländische archäologische Institute in Griechenland. Ausgrabungen, Publikationen und Kongresse genossen Kambas-Mitsou 2010 Petrakos 2013 In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg prägten hauptsäch- in der griechischen Fachwelt ein hohes Ansehen. Griechi- lich die Zweigstellen Deutschlands, Frankreichs, Großbri- sche und deutsche Archäologen pflegten freundschaftli- tanniens und der Vereinigten Staaten die archäologische che Beziehungen. Ihr Verhältnis zeichnete sich durch Ver- Forschung in Griechenland. trauen und Respekt aus. Sie wurden zum großen Teil im 19. Jahrhundert gegründet: die École française d’Athènes (1846), die American School Im Vorwort seiner 1937 gedruckten Doktorarbeit „Raum- of Classical Studies at Athens (1881), die British School at ordnung im griechischen Städtebau“ bedankt sich der Athens (1886), das Österreichische Archäologische Insti- Bauforscher Konstantinos Doxiadis ausdrücklich bei sei- tut, Zweigstelle Athen (1898) und die Scuola Archeologica nen Berliner Förderern und Kollegen: Theodor Wiegand, Italiana di Atene (1909). Daniel Krencker und Hans Schleif. Auf griechischer Seite gibt es die Archäologische Gesell- Ein Studium oder ein Stipendium in Deutschland waren schaft in Athen (Η Εν Αθήναις Αρχαιολογική Εταιρεία). ein wichtiger Karriereschritt, allerdings nicht unbedingt Sie wurde 1837, nur 16 Jahre nach der „Griechischen Revo- die Voraussetzung für eine Professur in Griechenland. Die lution“ gegründet. meisten griechischen Intellektuellen waren ohnehin Kos- mopoliten und beherrschten mindesten vier Sprachen Vielfalt und Kooperationen zeichnen heute die archäolo- fließend. Der gebildete Mittelstand war vor dem Krieg gische Forschung in Griechenland aus. Dieses wertvolle kulturell eher an Frankreich orientiert. Gut ist über viele Jahre gewachsen. Betrachtet man die Biographien einiger herausragender Während der beiden Weltkriege des vergangenen Jahr- Wissenschaftler wird deutlich, wie international und po- hunderts wurden die Beziehungen zwischen den Wissen- lyglott die archäologische Forschung in Griechenland aus- schaftlern allerdings auf eine harte Bewährungsprobe gerichtet war. Ein spielerischer Umgang mit verschiede- gestellt. nen Kulturkreisen und ihren Sprachen kennzeichnet diese Epoche: Das Verhältnis der in- und ausländischen Institutionen in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts untereinander – Allianzen, Ko- ►► Anastasios Orlandos (1887-1979) operationen, Rivalitäten und Konflikte – ist bisher nur zum ►► Christos Karouzos (1900-1967) Teil wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Eine gezielte ►► Spyridon Marinatos (1901-1974) und systematische Recherche in den Athener Archiven wür- ►► Ioannis Travlos (1908-1985) de hier möglicherweise neue Erkenntnisse liefern. ►► Konstantinos Doxiadis (1913-1975) ►► Manolis Andronikos (1919-1992) 12 13
2. Strukturen und Organisation während der NS-Zeit 2. Strukturen und Organisation während der NS-Zeit Greifen wir uns als Beispiel den Bauforscher Ioannis Trav- Deutscher los heraus. Bekannt geworden ist er vor allem durch sein Reichstag „Bildlexikon zur Topographie des antiken Athen“, das in griechischer, englischer und deutscher Sprache vorliegt. Kompetenz streitigkeiten Preußisches Auswärtiges Kultusministerium Travlos hatte an der Technischen Universität von Athen Amt studiert und arbeitete seit 1935 für die amerikanische Schule auf der Agora von Athen. Er war ein Schüler von Anastasios Orlandos, der wiederum bei Dörpfeld an der Haushaltsausschuss Kulturabteilung Leseempfehlung Universität Athen studiert hatte. des AA Leseempfehlung Reichsfinanz- Vigeener 2012 ministerium Conze 2010 Marchand 2014 2. Strukturen und Organisation huss Koerfer 2013 Zusc während der NS-Zeit Deutsches Archäologisches In ihrer 2012 erschienenen Dissertation zeigt Marie Vige- Institut ner die Abhängigkeit des DAI von den generellen politi- schen Strömungen in Deutschland und Europa auf. Situation vor 1934 Es wird deutlich, dass die Angestellten des DAI neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit auch eine repräsenta- tive und vermittelnde Funktion hatten. Insbesondere im 2.2. Situation nach 1934 Ausland galten sie als offizielle Vertreter des Deutschen Reiches und waren für Öffentlichkeitsarbeit, Pflege inter- Während der NS-Zeit wurden die Machtstrukturen in nationaler Kontakte und Netzwerke zuständig. Deutschland zunehmend unübersichtlich. Auch im kulturellen Bereich nahm die Zahl der Funktions- In Fachbüchern und Romanen wird gelegentlich eine Spio- träger und der dazugehörigen Organisationen dramatisch nage-Tätigkeit ausländischer Archäologen in Griechenland zu. Die daraus resultierenden Konkurrenzkämpfe sollten angedeutet. Auch dieses Thema harrt noch einer wissen- zu besseren Leistungen anspornen und in herausragende schaftlichen Aufarbeitung. Ergebnisse münden. 2.1. Situation vor 1934 Dienststelle Ribbentrop Propagandaministerium Joachim von Ribbentrop, Joseph Goebbels Rudolf Heß Das DAI war eine „Reichsanstalt“ mit Mitarbeitern im Be- amtenstatus. Während der Weimarer Republik gehörte Deutsche Kulturpolitik im Ausland das Institut zum Auswärtigen Amt. Struktur und Aufga- Außenpolitisches Amt Auslandsorganisation benverteilung waren klar definiert. Kompetenzstreitig- der NSDAP der NSDAP (AO) keiten gab es nur gelegentlich zwischen dem Auswärti- Alfred Rosenberg Ernst Wilhelm Bohle Reichserziehungs- gen Amt und dem Kultusministerium. Die Tätigkeit des ministerium (REM) DAI wurde dadurch nicht belastet. Bernhard Rust Die Politik Gustav Stresemanns (1923-1929) kam dem DAI sehr entgegen. Vigener hebt in ihrer Arbeit hervor, dass Deutsches das DAI besonders gefördert wurde und trotz Wirt- Archäologisches schaftskrise großzügige finanzielle Unterstützung erhielt. Institut (DAI) Theodor Wiegand (bis 1936) Dennoch waren die meisten Archäologen in den 20er Martin Schede (1937-1945) Jahren eher kritisch gegenüber der jungen Republik ein- gestellt und hielten an ihrer nationalkonservativen, meist Situation nach 1934 königstreuen Gesinnung fest. 14 15
2. Strukturen und Organisation während der NS-Zeit 2. Strukturen und Organisation während der NS-Zeit 1934 wurde das DAI dem Reichserziehungsministerium östliche Makedonien und das nördliche Thrakien. Italien unter Bernhard Rust zugeordnet. Es handelte sich dabei war hauptsächlich für Zentralgriechenland, die Ionischen um den Nachfolger des Kultusministeriums. Inseln und die Peloponnes zuständig. In deutscher Hand Für die Arbeit der Abteilung in Athen hatte diese Neustruk- befanden sich die beiden größten Städte, Athen und Thes- turierung keine Konsequenzen. saloniki, mehrere Ägäische Inseln und über die Hälfte Kre- Einen wirklichen Einschnitt bedeuteten hingegen der Aus- tas. bruch des griechisch-italienischen Krieges und der folgen- de Einmarsch der Wehrmacht in Griechenland. Leseempfehlung Leseempfehlung Ciano 1946 2.3. Einmarsch der Wehrmacht im April 1941 Charalambidis 2012 Richter 1973 Fleischer 1988 Richter 1997 Im Jahr 1940 hatte Italien mehrfach durch verbale Pro- vokationen und punktuelle Angriffe seine territorialen Ansprüche gegenüber Griechenland zum Ausdruck ge- bracht. Am 28. Oktober forderte Mussolini schließlich frei- en Durchmarsch sowie militärische Stützpunkte für seine Truppen in Griechenland. Diktator Metaxas reagierte dar- aufhin mit seinem berühmten „ΟΧΙ“ (Nein). Es folgte der Krieg zwischen den italienischen und griechischen Streit- kräften. Die Kämpfe fanden im Winter, unter schlimmsten Bedingungen in den Bergen von Epirus statt. Die Italiener Aufteilung Griechenlands in drei Besatzungszonen waren schlecht vorbereitet, trafen falsche Entscheidun- gen und konnten vom griechischen Militär vernichtend Die Kerameikos-Ausgrabung in Athen gehörte zur deut- geschlagen werden. Im April 1941 wurden sie komplett schen Besatzungszone. auf ihre albanische Ausgangsbasis zurückgedrängt. Die beiden anderen Großgrabungen, Olympia und Samos, befanden sich hingegen in der italienischen Besatzungs- Die Niederlage der italienischen Streitkräfte hatte zur Fol- zone. ge, dass Deutschland seinem Achsenpartner zur Hilfe ei- len musste. Am 1. März 1941 war Bulgarien dem Dreimäch- Am 8. September 1943 änderten sich nochmals die Macht- tepakt beigetreten und hatte dem Deutschen Reich die verhältnisse in Griechenland. Im „Waffenstillstand von Stationierung von Truppen auf seinem Gebiet gestattet. Cassibile“ besiegelte Italien seine Kapitulation vor den Al- Am 6. April 1941 begann der Balkanfeldzug („Unterneh- liierten und löste sich offiziell aus dem Bündnis mit dem men Marita“). Bereits am 9. April 1941 durchbrachen deut- Deutschen Reich. Dies führte zu einer Auflösung der ita- sche Truppen die sog. Metaxas-Linie. Gegen die Wehr- lienischen Besatzungszone, die nun der deutschen zuge- macht konnte das geschwächte griechische Militär nichts schlagen wurde. ausrichten. Am 27. April wurde Athen eingenommen und auf der Akropolis die Hakenkreuzfahne gehisst. Ende Mai 2.5. Situation während der Besatzungszeit fiel nach verlustreichen Kämpfen schließlich auch Kreta vom 27.04.1941 bis 12.10.1944 („Luftlandeoperation Merkur“). Bisher hatte ausschließlich das DAI als offizieller Vertreter 2.4. Aufteilung Griechenlands in drei des Deutschen Reiches die Oberhoheit über die archäolo- Besatzungszonen gischen Aktivitäten in Griechenland gehabt. Nun kamen weitere Akteure hinzu, von denen einige ebenfalls ausge- Griechenland wurde in drei Besatzungszonen aufgeteilt: bildete Altertumswissenschaftler waren, somit Kollegen Bulgarien beherrschte den Nordosten Griechenlands: das und mögliche ehemalige Weggefährten. 16 17
3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 Sie vertraten unterschiedliche Organisationen: den Kunst- schutz der Wehrmacht, die Kulturabteilung des Auswär- Erster Direktor tigen Amtes in Athen und den Einsatzstab Reichsleiter Karo, Georg 1930-1936 Rosenberg. Auch das Deutsche Ahnenerbe war für kurze Zweiter Direktor Zeit in Griechenland archäologisch aktiv. Einzelne Wehr- Wrede, Walther bis 1937 machtsangehörige wollten sich durch eigene Ausgrabun- gen und/oder Raub bereichern bzw. ein Denkmal setzen. Assistenten und Hilfskräfte Es blieb nicht aus, dass die undurchsichtigen Strukturen Kraiker, Wilhelm bis 1931 Leseempfehlung und komplizierten Beziehungsgeflechte zu Spannungen Kunze, Emil bis 1933 Leseempfehlung Hiller 1995 und zum Teil erbitterten Machtkämpfen führten. Johannes, Heinz 1931-1937 Jantzen 1986 Jantzen 1995 Schefold, Karl 1933-1935 Kyrieleis 1979. Junker 1997 Deutsches Eilmann, Richard 1933-1934 Archäologisches Petrakos 1995 Selbständige Institut Athen Auswärtiges Amt Crome, Friedrich 1934-1936 Archäologen Kulturabteilung Hampe, Roland 1935-1937 Homann-Wedeking, Ernst seit 1936 Kunstschutz Archäologische Angestellte der Gebauer, Kurt 1936 der Wehrmacht Aktivitäten in “Führergrabung” Grundmann, Kimon seit 1930 Griechenland 3.2. Leitung und Angestellte von 1937-1944 Einzelne Vertreter Deutsches der Wehrmacht Ahnenerbe Einsatzstab 1937 übernahm Walther Wrede das Amt des Ersten Di- Reichsleiter Rosenberg rektors. Sein Vertreter wurde Karl Kübler, der für die Ke- rameikos-Grabung zuständig war. 1939 kam Otto Walter, Archäologisch aktive Organisationen in Griechenland der ursprüngliche Direktor des Österreichischen Archäo- während der NS-Zeit logischen Instituts in Athen (ÖAI), hinzu. Die byzantini- sche Abteilung von Edmund Weigand existierte „nur auf Bevor ich ausführlicher auf diese Situation in Griechen- dem Papier“, ist somit irrelevant. Ein Neuzugang bei den land eingehe, soll erstmal kurz die eigentliche Abteilung Assistenten war 1937 Ulf Jantzen. Er übernahm den Po- des DAI in Athen vorstellt werden. sten von Roland Hampe. 3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 In der hier gezeigten Liste von Ulf Jantzen fehlen Emil Kunze, Hans Schleif, Roland Hampe, Friedrich Matz und 3.1. Leitung und Angestellte von 1930-1936 Gabriel Welter. Sie waren ebenfalls in Griechenland ar- chäologisch aktiv – in welcher Funktion bzw. welchem Eine Übersicht der für das DAI Athen tätigen Archäologen Anstellungsverhältnis ist noch zu klären. hat 1986 Ulf Jantzen zusammengestellt. Als Erster Direk- tor des DAI Athen von 1967 bis 1974 publizierte er sie in Während des „Mesopolemos“ (Zeit zwischen den beiden der Jubiläumsschrift „Einhundert Jahre Athener Institut Weltkriegen, auch „Interbellum“ genannt) fanden alle 1874-1974“. deutschen Unternehmungen in Griechenland in Abspra- che und mit der Unterstützung des DAI statt. Von 1930 bis 1936 leitete Georg Karo das DAI in Athen. Trotz seiner jüdischen Herkunft konnte er sich lange Zeit Erster Direktor auf dem Posten halten. Sein Vertreter war Walther Wre- Wrede, Walther 1937-1944 de. Von den Assistenten seien hier Wilhelm Kraiker, Emil Zweiter Direktor Kunze und Roland Hampe erwähnt. Kübler, Karl 1937-1944 18 19
3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 Zweiter Direktor DAI-Projekt in den Fokus der Politik rückte und im Rah- Walter, Otto 1939-1944 men der Berliner Olympiade große mediale Aufmerksam- Direktor der byzantinischen Abteilung keit und finanzielle Unterstützung erhielt. Weigand, Edmund 1942 Karo war international sehr gut vernetzt. Zum griechi- Assistenten und Hilfskräfte schen Diktator Ioannis Metaxas pflegte er freundschaftli- Jantzen, Ulf 1937-1939 che Beziehungen. Noch im Sommer 1939 nahm er an einer Homann-Wedeking, Ernst bis 1938 Geburtstagsfeier des britischen Archäologen Alan Wace Leseempfehlung Brommer, Frank 1938-1940 (1879-1957) in Mykene teil. Leseempfehlung Brands-Maischberger 2012 Gebauer, Kurt 1939-1942 Krumme 2012 Davis 2009 Riemann, Hans 1937 Er war kein praktizierender Jude. Schon seine Eltern hat- Petrakos 1994 Lindenlauf 2015 Peek, Werner 1940-1941 ten ihn protestantisch getauft. Er sah sich als voll inte- Vigener 2012 Lindenlauf 2016 Buttlar, Herbert von 1940 griertes Mitglied der deutschen Gesellschaft an und war- Pfeiff, Karl Arno 1942-1943 tete auf die Verleihung des Reichsbürgerrechtes. Dass Grundmann, Kimon 1941-1944 diese Hoffnung nicht ganz unberechtigt war, macht der Ausspruch Görings „Wer Jude ist, bestimme ich!“ deut- 3.3. Die Direktoren lich. Zu einigen, besonders markanten Vertretern des DAI Trotz wichtiger Fürsprecher in deutschen Kreisen musste Athen sind biographische Studien vorgelegt worden. Die er im Herbst 1939 in die USA emigrieren. In Amerika wur- von Gunnar Brands und Martin Maischberger herausge- de seine politische Gesinnung allerdings als so radikal ein- gebenen „Lebensbilder“ liefern hier neue Ansätze und in- gestuft, dass das FBI über ihn eine Akte anlegte. Es stand teressante Hintergrundinformationen. Gut recherchierte der Vorwurf im Raum, dass Karo als Spion des Deutschen Untersuchungen zu einzelnen Mitarbeitern hat auch Klaus Reiches in Griechenland tätig gewesen sei. Er wurde als Fittschen, langjähriger Erster Direktor des DAI Athen, bei- „Schläfer“ verdächtigt. gesteuert. Nach dem Krieg ließ er sich in Freiburg nieder und wurde dort zum Honorarprofessor ernannt. Zu Georg Karo hat zuletzt Astrid Lindenlauf geforscht. Karo entstammte einer wohlhabenden jüdischen Familie. Zu Walther Wrede hat Michael Krumme einen Beitrag in Er wuchs in Italien auf und kam in den 80er Jahren zum den „Lebensbildern“ geschrieben. Wrede war der Sohn Studium nach Deutschland. Seit 1905 war er für das DAI eines namhaften Germanistikprofessors. In den 20er Jah- in Athen tätig. Er bekleidete das Amt des Ersten Direktors ren kam er nach Griechenland und war von 1921 bis 1926 von 1911 bis 1916 und dann wieder von 1930 bis 1936. als Lehrer und dann als Leiter an den Deutschen Schulen in Athen und Thessaloniki tätig. 1927 wurde er Zweiter Karo war sehr konservativ und deutsch-national einge- Direktor am DAI Athen. Zu seinen Vorgesetzten, Buschor stellt. In Bezug auf den Ersten Weltkrieg führte er einen und Karo, hatte er ein gutes Verhältnis. 1933 erschien sei- publizistischen Kampf gegen die „Kriegsschuldlüge“ und ne Arbeit über die Mauern von Attika. brach eine Zeit lang alle Kontakte zu seinen französischen 1934 wurde er Mitglied der NSDAP und engagierte sich in Kollegen in Griechenland ab. Zu den englischsprachigen der neu gegründeten Landesgruppe Griechenland. 1935 Kollegen pflegte er hingegen freundschaftliche Beziehun- stieg er zum Landesgruppenleiter auf und bekleidete so- gen. mit das höchste Amt der NSDAP in Griechenland. 1934 führte er Herrmann Göring durch Griechenland. Er nutzte die Gelegenheit, um Werbung für Olympia zu ma- Die Posten der Ortsgruppenleiter in Rom und Kairo wurden chen und auf die Notwendigkeit weiterer Grabungen hin- ebenfalls von Archäologen bekleidet. zuweisen. Sein Engagement trug mit dazu bei, dass das 20 21
3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 1937 wurde Wrede zum Ersten Direktor des DAI Athen er- Kübler ist nach dem Krieg nicht mehr nach Griechenland nannt. Die Zentraldirektion in Berlin hatte ursprünglich zurück gekehrt. den Bauforscher Armin von Gerkan für diesen Posten vor- gesehen. Eine Intervention von Hess und Goebbels führ- Der Österreicher Otto Walter wurde in einer Publikation te jedoch kurzfristig zu einer erzwungenen Umdisponie- des ÖAI von Mitsopoulos-Leon gewürdigt. Er kam schon rung. Goebbels hatte Wrede 1936 auf seiner Reise durch 1908 nach Griechenland. Er war mit der Griechin Olga Sak- Griechenland persönlich kennen und offensichtlich schät- kopoulou verheiratet. Wie schon erwähnt, bot er nach zen gelernt. Hitler entschied sich gegen den ausdrückli- 1933 Emigranten Schutz im ÖAI. Leseempfehlung chen Wunsch des DAI-Präsidiums (Wiegand und Schede) Leseempfehlung Jantzen 1986 für Wrede. Es war das erste Mal, dass sich das NS-Regime Jantzen weist in seinen Memoiren darauf hin, dass im ÖAI Mitsopoulos-Leon 1998 Kyrieleis 1979 direkt in die Personalpolitik des DAI eingemischt hatte. „Schwule und Juden“ anzutreffen waren. Wlach 1998 Schiering 1991 Wrede war ein überzeugter Nazi, der dies demonstrativ Der Anschluss Österreichs führte 1938 zur Eingliederung zur Schau stellte. Seine Tagebücher, die er 1942 in Auszü- des ÖAI in das DAI. Walter wurde neben Kübler 2. Direktor gen veröffentlichte, bringen ganz unverhohlen seine Be- des DAI Athen. Während er seinen Arbeitsplatz im Gebäu- geisterung über die Besetzung Griechenlands zum Aus- de des ÖAI behielt, stellte er die ausführlichen Berichte druck. „Archäologische Funde in Griechenland“ für den Archäo- logischen Anzeiger zusammen. Nach dem Krieg war er als Mitarbeiter des DAI nicht mehr In griechischen Archäologenkreisen war Walter sehr be- tragbar. Er ließ sich vorzeitig pensionieren und wurde eh- liebt. Er galt als einer der wenigen Archäologen, die wäh- renamtlicher Mitarbeiter in der Bodendenkmalpflege. In rend der Besatzungszeit „korrekt“ und „unbescholten„ seiner Entnazifizierungsakte findet sich erstaunlicherwei- waren. Als einziger deutschsprachiger Archäologe unter- se auch eine positive Stellungnahme seines jüdischen Leh- stützte er 1940 die griechischen Kollegen bei ihren Schutz- rers Paul Jacobsthal. maßnahmen in den Museen. Im Archiv des DAI Athen befinden sich Briefe, die Walter Zu Karl Kübler hat Wolfgang Schiering einen Nachruf ver- unmittelbar nach dem Krieg an das Archäologenehepaar fasst. 1926 kam er zum ersten Mal nach Griechenland. Von Karouzo geschrieben hat. Sie sind sehr berührend, zeu- 1927 bis 1943 arbeitete er auf dem Kerameikos in Athen. Zu gen von Empathie und einer durchaus kritischen Selbst- seinen Mitarbeitern gehörten u.a. Willy Schwabacher und wahrnehmung. Ihn bedrückte auch sehr, dass er 1944 sei- Peter Kahane, beide jüdischen Glaubens. 1935 wurden sie ne kranke Frau alleine in Athen zurücklassen musste. Er von der Grabung und aus dem DAI Athen ausgeschlossen. sollte sie nie wieder sehen. Sie fanden vorübergehend Aufnahme im ÖAI Athen unter 1948 übernahm Walter einen Lehrstuhl an der Universität der Leitung von Otto Walter. in Salzburg, anschließend in Wien. Er wurde 1953 emeri- Wilhelm Kraiker und Kurt Gebauer waren ebenfalls als As- tiert. sistenten für Kübler tätig. 1937 wurde Kübler zum Zweiten Direktor am DAI Athen ernannt. Nachdem er 1943 Grie- 3.4. Grabungsleiter Olympia chenland verlassen musste, meldete er sich freiwillig zum Wehrdienst. Zu dem wichtigsten Projekt des DAI gehörte zweifelsoh- Über seine Rolle während der Besatzungszeit ist wenig ne die Grabung im Heiligtum von Olympia. bekannt. Vermutlich gibt es Dokumente im Kerameikos, die hier noch Auskunft geben könnten. Nach dem Krieg Die erste offizielle Grabungskampagne während der NS- ließ Kübler sich in Tübingen nieder und bearbeitete von Zeit fand im Frühjahr 1937 unter der Leitung von Roland dort aus das Material, das er in Athen angesammelt hatte. Hampe und Ulf Jantzen statt. Zu beiden Archäologen Dort pflegte er den Kontakt zu Wrede, der ebenfalls in liegen noch keine tiefer gehenden biographischen Un- Baden-Württemberg (Nagold) wohnhaft geworden war. tersuchungen vor. Was man über ihren Werdegang, ihre 22 23
3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 Lebensanschauung und ihre Aktivitäten während der Offensichtlich pendelte Hampe während der Besatzungs- Besatzungszeit weiß, stammt zum großen Teil von ihnen zeit zwischen Deutschland und Griechenland hin und her. selbst, ist also eigenen Erzählungen oder Publikationen Er verfügte über beste Beziehungen zur Wehrmacht und entnommen. zum Kunstschutz in Griechenland. Als Dolmetscher von General Felmy war er schließlich 1944 an der Organisation Ulf Jantzen war der Sohn eines berühmten Kunsthistori- des Abzuges der deutschen Wehrmacht aus Griechenland kers und arbeitete schon als 20jähriger für das DAI in Rom. beteiligt. 1936/37 kam er als Reisestipendiat nach Griechenland und Leseempfehlung wurde im Oktober 1937 Referent am DAI Athen. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Hampe Profes- Leseempfehlung Jantzen 1986 In seinem Nachruf weist Fittschen darauf hin, dass Jant- sor in Kiel. Es folgte ein Ruf nach Mainz und schließlich Hampe 1937 Jantzen 1995 zen schon 1936 auf Betreiben seiner Frau die Mitglied- nach Heidelberg, wo er bis zu seiner Emeritierung blieb. Hampe 1955 Krumme 2012 schaft in NSDAP und SA aufkündigte. Hampe 1994 Fittschen 2000a Auf der Homepage der Universität Heidelberg findet sich ein Hölscher 1988 Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass Kurt Ge- Hinweis, dass Hampe während der NS-Zeit Schwierigkeiten Reichert 2009 bauer, der eigentlich von Walther Wrede favorisiert wurde, hatte, in Deutschland zum Dozenten ernannt zu werden. Es für die Olympiagrabung nicht in Frage kam, da Ulf Jantzen folgt keine Erklärung. Die Hintergründe (Alter, kriegswichti- aus „Parteigesichtspunkten“ besser passte. ge Funktion, politische Gesinnung?) bleiben im Dunklen. 1940 wurde Jantzen zum Militärdienst eingezogen. Wäh- 1950 publizierte Hampe in der Zeitschrift Gnomon eine Re- rend der Besatzungszeit war er für den Kunstschutz in zension zu den oben genannten Kulturschutzberichten. Griechenland tätig. Seine Bewertung der von Griechen und Briten erstellten Beim Abzug der deutschen Truppen aus Griechenland Kulturschutzberichte liest sich in weiten Teilen wie eine schloss er am 12. Oktober 1944 gemeinsam mit Roland Apologie des deutschen Kunstschutzes. Das DAI Athen Hampe das DAI in Athen ab („Oberfähnrich R. Hampe und wird nur am Rande erwähnt. sein Untergebener Wachtmeister U. Jantzen“). Viele vermeintliche Diebstähle stuft er als „Verschlep- pungen“ ein, d.h. die entwendeten Objekte gingen nach Nach dem Krieg habilitierte er bei Friedrich Matz und wur- Kriegsende wieder zurück nach Griechenland. de 1960 Professor in Hamburg. Bei kleineren Objekten handelte es sich seiner Meinung nach um die gängige „Mitnahme von Souvenirs“. Von 1967 bis 1974, also während der griechischen Militär- Hampe listet Schäden auf, die durch griechische, italieni- diktatur, bekleidete er das Amt des Ersten Direktors im sche oder britische Truppen verursacht wurden und be- DAI Athen. Laut Fittschen soll er sich in dieser Zeit mit ge- tont, dass der deutsche Kunstschutz seine originäre Be- fährdeten griechischen Kollegen solidarisiert haben. stimmung, „Kunst zu schützen“, nachweislich erfüllt hat. Das einzige Defizit des Kunstschutzes sieht er in der man- Roland Hampe war der Sohn eines angesehenen Ge- gelnden Ausstattung mit Personal und Ressourcen. schichtsprofessors. Er erhielt 1934/35 das Reisestipen- Offen bleibt, von wem er seine Detailinformationen hat. dium und wurde 1936 Referent am DAI Athen. 1937 hei- So weiß er über den Verlauf bestimmter archäologischer ratete er die Athenerin Eleni Dragoumi. Seit 1938 war er Kampagnen und den Verbleib einiger Kunstschätze er- Assistent an der Universität Würzburg und schloss dort staunlich gut Bescheid. Auch kennt er alle Details der seine Habilitation über den Wagenlenker von Delphi ab. deutschen Dokumente und wirft den griechischen Kolle- Über Hampes politische Einstellung sowie seine militäri- gen vor, diese „bruchstückhaft und sinnentleerend“ wie- schen Aktivitäten während der Besatzungszeit ist bisher derzugeben. nur wenig bekannt. Durch die mehrfache Erwähnung des Bürgerkrieges In der Biographie seines Vaters wird erwähnt, dass Ro- („griechisch-britische Kampfhandlungen“, „Partisanen- land Hampe seit 1933 Mitglied der Reiter-SS war. kämpfe“) wirkt die deutsche Besatzungszeit eher wie 24 25
3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 3. Mitarbeiter des DAI Athen von 1933-1944 eine harmlose Episode, die nicht gravierend aus dem hi- len zu führen. Trotz der Einwände der Alliierten war der storischen Rahmen fällt: „Diese Parallelbeispiele nehmen griechische Staat bereit, das DAI-Gebäude wieder freizu- den Ereignissen während der Besatzungszeit doch den geben. Im Frühsommer 1951 konnte das DAI Athen seine Stachel der Singularität und damit viel von ihrer Schärfe“. Arbeit in Griechenland wieder aufnehmen. Im Herbst 1952 wurden die Grabungen in Olympia und Samos fortgesetzt. In einer weiteren 1955 erschienenen Monographie, Kunze war von 1951-1966 Erster Direktor des DAI Athen. streicht Hampe heraus, dass er selbst als Dolmetscher des Generals Hellmuth Felmy daran mitwirkte, dass Athen Relativ reich ist das Material zu Hans Schleif. Mit seinem Leseempfehlung beim Abzug der deutschen Soldaten im Herbst 1944 nicht Leben haben sich bisher drei Archäologen intensiver be- Leseempfehlung Fittschen 1995a zerstört wurde. schäftigt: Klaus Herrmann (1988), Veit Stürmer (2002) und Dörpfeld 1942 Herrmann 2001 Stephan Lehmann (2012). Der Schauspieler Matthias Neu- Herrmann 1988b Schiering 1995 Im Oktober 1937 übernahmen Hans Schleif und Emil kirch setzt sich in dem Theaterstück „Hans Schleif - eine Herrmann 2001 Kunze die Leitung der Olympiagrabung. Auf die Hinter- Spurensuche“ auf sehr persönliche Weise mit dem Leben Kater 2006 gründe für diesen personellen Wechsel ist in der bisheri- seines Großvaters auseinander. Er und der Regisseur Ju- Lehmann 2012 gen Literatur nicht eingegangen worden. Klaus Hermann lian Klein haben intensiv recherchiert, in privaten und Stürmer 2002 deutet in einem Artikel zur Grabungsgeschichte von staatlichen Archiven wichtige Dokumente und Informa- Olympia vorausgehende „unerfreuliche Querelen und tionen zu Tage gebracht. Pressionen“ an. 1927/28 erhielt Schleif das Reisestipendium des DAI, übri- gens gemeinsam mit Karl Kübler. Als Dörpfeld Ende der Vielleicht spielte es eine Rolle, dass das etwas ältere Team 20er Jahre erblindete, wurde Schleif seine rechte Hand. Schleif-Kunze über mehr Grabungserfahrung und bessere Dörpfeld war sein wichtigster Mentor und väterlicher Kontakte in Griechenland verfügte. Schleif war für Tech- Freund. Die Bezeichnung „Firma Dörpfeld & Sohn“ mach- nik und Baugeschichte zuständig, während Kunze den te in Archäologenkreisen die Runde. archäologischen Part betreute. Beide unterstanden dem Schleif war extrem begabt und ehrgeizig. Er war ein aus- Direktor des DAI Athen, Walther Wrede, konnten aber gezeichneter Architekt und Bauforscher und strebte eine aufgrund ihrer Expertise unabhängig von ihm agieren, Professur an der TU Berlin an. Es kam jedoch ganz anders: selbständig wissenschaftlich arbeiten und publizieren. von 1937 bis 1942 war er gemeinsam mit Kunze für die Aus- grabung in Olympia zuständig. 1938 wurde er zum Reichs- Zur Person von Emil Kunze ist bisher erstaunlich wenig ge- beamten am DAI ernannt. Parallel dazu machte er eine schrieben worden. In den Nachrufen von Klaus Fittschen rasante Karriere in der SS. Seit 1935 war er in Himmlers und Wolfgang Schiering wird hauptsächlich auf seinen Organisation „Deutsches Ahnenerbe“ eingebunden und beruflichen Werdegang eingegangen. In die „Lebensbil- gehörte zur Führungselite der SS. der“ von Brands und Maischberger wurde er trotz seiner 1939 war Schleif in Polen für die Beschlagnahme von Kul- Bedeutung für das DAI Athen nicht mit aufgenommen. turgütern sowie die SS-Grabung in Biskupin verantwort- Kunze kam schon 1926/27 als Reisestipendiat nach Grie- lich. Ob er auch in Griechenland an verbrecherischen Ak- chenland. Er nahm an verschiedenen Ausgrabungen statt, tionen beteiligt war, lässt sich zurzeit nicht nachweisen. u.a. in Tiryns und Orchomenos. 1931 heiratete er die Grie- Seit 1943 nahm Schleif im SS-Wirtschafts- und Verwal- chin Athina Drinis, die eng mit der angesehenen Archäo- tungshauptamt in Berlin eine führende Position ein. Er login Semni Karouzou befreundet war. 1937 wurde er zum war dort in Amt C für Bauwesen unter SS-Gruppenführer Beamten an der Abteilung Athen ernannt und Grabungs- Hans Kammler am Ausbau der unterirdischen Waffenpro- leiter von Olympia. 1944 mussten die Grabungen dort ein- duktion und der Konstruktion von Konzentrationslagern gestellt werden. beteiligt. Schleif wurde Kammlers rechte Hand und ver- 1950 kam er auf Einladung der British School at Athens fügte über viele interne Kenntnisse im Stab. In dieser Po- nach Griechenland zurück. Er nutzte die Gelegenheit, um sition muss er vom Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen Gespräche mit griechischen Freunden und Dienststel- und der Vernichtung von KZ-Häftlingen gewusst haben. 26 27
4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944 4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944 Über seine unmittelbare Beteiligung und Verantwortung Sougioultzoglou-Seraidari) beraten. In Griechenland er- ist noch recht wenig bekannt. hielt sie zusätzliche Unterstützung durch Walther Wrede, der damals noch Zweiter Direktor des DAI Athen war. In Am 27. April 1945 tötete Hans Schleif seine zweite Ehefrau, Olympia und anderen antiken Stätten stellte sie die Szene seine beiden Zwillingssöhne und anschließend sich selbst. des Fackellaufs mit dem russischstämmigen Anatol Dobri- ansky nach. Für die Realisierung des Olympia-Films erhielt In Olympia wurde Schleif durch die beiden Architekten Ulrich Riefenstahl insgesamt 1,5 Millionen Reichsmark (davon Schneider (1911-1945?) und Ernst Samesreuther (1908-1995) 400.000 RM Honorar). Leseempfehlung unterstützt. Die in Darmstadt lebende Tochter von Sames- Leseempfehlung Diem 1937 reuther verfügt über ein Fotokonvolut aus dieser Zeit, das Griechenland erlebte aus deutscher Sicht einen regelrech- Junker 1997 Kinkel 2002 sie dem DAI Athen zukünftig zur Verfügung stellen möchte ten Aufschwung. Deutsche Reiseliteratur zu Griechenland Koutsoukou 2010 Meid 2011 (mündliche Auskunft). Möglicherweise ergeben sich daraus wurde populär. Touristen bereisten das Land, besuchten Sünderhauf 2004 Mylona 2014 weitere Anhaltspunkte zu den Ausgrabungen in Olympia. antike Stätten wie Athen, Delphi, Delos und Olympia. Wolbert 1982 Wiskott 1936 Zacharia 2015 Der Geophysiker Artur Kolodziey hat im Rahmen einer Stu- Auch das DAI profitierte von der Griechenlandbegeiste- die zu den unterirdischen Anlagen Kammlers auch neues rung in Deutschland. Die Olympiade war der Motor für Material über Schleif zusammengetragen. Eine Publikation die großflächige Ausgrabung von Olympia. Diese wurde ist in Vorbereitung. als „Führergrabung“ bezeichnet und direkt von Hitler aus den Erlösen seines Buches „Mein Kampf“ finanziert (seit 4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944 1938: 50.000 RM jährlich). Nach der Präsentation der Hauptakteure, soll nun ihr Tä- Hitler hatte mehrere Einnahmequellen, für die er keine tigkeitsfeld vorgestellt werden. Steuern zahlen musste. Allein an dem Buch „Mein Kampf“ verdiente er bis Kriegsende fast 8 Millionen Reichsmark. 4.1. Olympiade und „Führergrabung“ Ihm standen der Dispositionsfonds des Staatsoberhauptes und der Etat des Reichskanzlers „zu allgemeinen Zwecken“ Die Olympiade von 1936 führte zu einer deutlichen In- zur Verfügung. Seine Ausgaben wurden weder durch den tensivierung der Beziehungen zwischen Deutschland Reichstag noch durch einen Rechnungshof kontrolliert. und Griechenland. Auf allen Ebenen – politisch, kulturell, wirtschaftlich und militärisch – fand ein reger Austausch Die deutschen Zeitungen berichteten ausführlich über statt. Griechische Politiker und Militärangehörige nutzten das Prestigeprojekt des DAI. Wie selten zuvor standen die den Besuch der Olympiade in Berlin, um Absprachen zu archäologischen Forschungen im Fokus der Medien und treffen, die wirtschaftliche und militärische Zusammenar- erfreuten sich großer Wertschätzung in der deutschen beit zu intensivieren. Öffentlichkeit. Der Sportfunktionär Carl Diem trug dazu bei, dass die Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im September Kultur Griechenlands in der deutschen Öffentlichkeit ver- 1939 bedeutete keine Einschränkung der Aktivitäten stärkt wahrgenommen wurde. Er initiierte den Olympi- des DAI in Griechenland. Erst ein Jahr später führte der schen Fackellauf, den es in dieser Form in der Antike nicht griechisch-italienische Krieg dazu, dass auf Anordnung gegeben hat. Bilder des griechischen Fackelläufers Kon- der griechischen Regierung alle Ausgrabungen stillgelegt stantin Kondylis gingen 1936 um die ganze Welt. Die Po- wurden. Die Pause hielt ca. 8 Monate an. Sofort nach dem pularität Griechenlands hatte ihren Höhepunkt erreicht. Einmarsch der Wehrmacht im April 1941 nahm das Institut wieder seine Grabungstätigkeit auf. Diese konzentrierte 1936 drehte Leni Riefenstahl ihren Film „Olympia“. Sie sich jetzt hauptsächlich auf Olympia und den Kerameikos. ließ sich dabei von der griechischen Fotografin Nelly´s (Elli 28 29
4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944 4. Aktivitäten des DAI Athen von 1936-1944 4.2. Olympia: „Dem Unternehmen waren natürlich mannigfaltige und Ausgrabungen und Publikationen wechselnde äußere Hindernisse im Wege. Sie zu überwin- den half außer dem Verständnis aller zuständigen Behör- Die Grabung in Olympia wurde am 14. Mai 1941 fortge- den zumal das tätig bezeugte Interesse führender Män- setzt. Dabei war die neue Situation durchaus von Vorteil ner des Reiches. Ihnen zu danken sei daher unsere erste für das DAI, denn im November 1941 erstellte ein Vermes- Pflicht. Im Dezember 1939 besuchte der Reichssportfüh- sungstrupp der Wehrmacht einen neuen Plan des Gelän- rer v. Tschammer und Osten die noch verwaiste Grabungs- des. stätte und unterrichtete sich über die den Wiederbeginn Leseempfehlung hemmenden Umstände. Seinem persönlichen Eingreifen Leseempfehlung Kyrieleis 1979 Eine Reihe von Publikationen dokumentiert die bruchlose ist es vor allem zu danken, dass wenige Wochen danach Richter 1997 Kyrieleis 2002 Kontinuität der archäologischen Forschung vor, während die Voraussetzungen geschaffen waren, um die erste und nach der Besatzungszeit. Der griechisch-italienische Kriegskampagne mit nur geringer Verzögerung einzulei- Krieg stellte eine kurze Zäsur dar. Es folgten die archäolo- ten und planmäßig durchzuführen. Auch danken wir ihm gischen Großgrabungen in Olympia. Die Phase nach 1944, für das kostbare Geschenk eines starken Rundfunkemp- in der das DAI Athen geschlossen war, wurde schließlich fängers, der seither das Grabungshaus, das im Verlauf des dazu genutzt, die Forschungsberichte fertig zu stellen. Krieges mehrfach von jeder Verbindung abgeschnitten war, stetig mit der Heimat verknüpft. Publikationen zu Olympia: Die Weiterführung der Grabung vom Herbst 1940 ab hat ►► E. Kunze und H. Schleif, Berichte über die der Reichsführer SS Heinrich Himmler durch persönliche Ausgrabungen in Olympia I. Herbst 1936-Frühjahr und tatkräftige Anteilnahme besonders gefördert: er 1939 (1937) stellte ihren leitenden Architekten, SS-Sturmbannführer ►► E. Kunze und H. Schleif, Berichte über die H. Schleif, nach einjährigem Einsatz im Generalgouver- Ausgrabungen in Olympia II. Winter 1937/38 (1938) nement und in den wiedergewonnenen deutschen Ost- ►► E. Kunze und H. Schleif, Berichte über die gebieten für die Arbeiten in Olympia frei. Und nach dem Ausgrabungen in Olympia III. Winter 1938/39. Einmarsch der deutschen Truppen in Griechenland be- Mit Beiträgen von R. Eilmann (1939) auftragte er bei Gelegenheit seines kurzen Aufenthaltes ►► E. Kunze und H. Schleif, Berichte über die in Athen das SD-Einsatzkommando Athen, die geplante Ausgrabungen in Olympia IV. 1940 und 1941. sofortige Wiederaufnahme der Olympia-Grabung nach Mit Beiträgen von R. Eilmann und U. Jantzen (1944) Kräften zu fördern. Ohne die Unterstützung, die uns die ►► E. Kunze und Hans Schleif, Olympische Forschungen genannte Dienststelle vielfach zu Teil werden ließ, wäre I (1944) es nicht möglich gewesen, die Grabung knapp vierzehn ►► E. Kunze, Archaische Schildbänder. Ein Beitrag Tage nach Abschluß des Balkanfeldzuges wieder in Gang zur frühgriechischen Bildgeschichte und zu bringen.“ Sagenüberlieferung, Olympische Forschungen II (1950) Der Einmarsch der deutschen Truppen in Griechenland ►► E. Kunze, Berichte über die Ausgrabungen in wird ebenfalls erwähnt: Olympia V. Winter 1941 und 1942. Herbst 1952. Mit „Am 6. April 1941 überschritten die deutschen Truppen Beiträgen von H.-V. Herrmann und H. Weber (1956) die griechische Grenze, am 27. April betraten deutsche Gebirgsjäger den Boden Athens. Am 28. April kam als Während der Besatzungszeit wurde Band IV der Berich- einziger geschlossener Truppenverband eine Abteilung te über die Ausgrabungen in Olympia fertig gestellt. der Leibstandarte SS Adolf Hitler auch nach Olympia. In der Einleitung von 1944 bedanken sich Schleif und Kun- Im olympischen Stadion versammelte ihr Kommandeur, ze ausdrücklich bei Reichsführer Heinrich Himmler, dass SS-Obergruppenführer Sepp Dietrich, seine Mannschaft er Sturmbannführer Hans Schleif für die Arbeit in Olympia und hielt an dieser ehrwürdigen Stätte vor den Soldaten freigestellt hat: des Führers eine Ansprache.“ 30 31
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