Dortmund macht Schule - Die Ruhrgebietsstadt wird Referenzkommune
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JUGEND UND BERUF Dortmund macht Schule Die Ruhrgebietsstadt wird Referenzkommune Dortmund ist nicht nur im Fußball spitze, Dortmund spielt auch bei der Gestal- Birgit Klein, Projektleiterin der Zeitge- tung des Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt in der ersten Liga. Schon winn-Agentur und Koordinatorin des Ar- beitsbereichs Schule – Arbeitswelt im Re- seit 2003 kümmert sich in der größten Stadt im Ruhrgebiet ein Regionales Bil- gionalen Bildungsbüro Dortmund, datiert dungsbüro um die Koordinierung der Aktivitäten der unterschiedlichen Prota- die Anfänge der Entwicklung auf das Jahr gonisten auf diesem Arbeitsfeld. „Zeitgewinn“ heißt in Dortmund die konzer- 1999 zurück. „Der ehemalige Oberbürger- meister Dr. Gerhard Langemeyer hat das tierte Aktion, in deren Rahmen die Akteure wie Schulen, Kammern und Agentur Thema Bildung zur Chefsache gemacht.“ für Arbeit gemeinsam Verantwortung für das Übergangssystem übernehmen. Seit dem gleichen Jahr arbeiten im Fach- Nun wird Dortmund als Referenzkommune neben sechs weiteren Kommunen bereich Schule die kommunale Schulver- waltung und die staatliche Schulaufsicht das vom Ausbildungskonsens NRW verabschiedete Konzept für ein neues Über- als Verantwortungsgemeinschaft eng zu- gangssystem Schule – Beruf umsetzen. sammen. Im Jahr 2000 berief der Ober- bürgermeister eine Bildungskommission, die auf dem Grundgedanken der bürger- schaftlichen Beteiligung fußte und auf brei- 4 G.I.B.INFO 4 11
JUGEND UND BERUF ter Basis das Thema Bildung in Dortmund novativer Schulentwicklung“ (schulinndo diejenigen vertreten sind, die für die Wei- diskutieren und voranbringen sollte. Am e. V.) die Aktivitäten und Projekte. Rund terentwicklung und Optimierung der Anfang ging es um die Weiterentwicklung 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ar- Übergangsgestaltung notwendig sind. Um der Schulqualität, um die Verbesserung der beiten im Bildungsbüro derzeit, Landes- diesem Vorhaben eine Struktur zu geben, Bildungschancen und Themen wie selbst- bedienstete/abgeordnete Lehrerinnen definierte man zunächst fünf Handlungs- ständige Schule, Ganztagsschule, Schul- und Lehrer, städtische Mitarbeiter/-in- felder: „Schulische Voraussetzungen ver- sozialarbeit. nen und Angestellte des Vereins. Neben bessern“, „Ausbildungsabbrüche reduzie- Projekten im Bereich Übergang Schule ren“, „Zugänge zur Arbeitswelt eröffnen“, Nach dieser Anfangsphase holte die zwei- – Beruf, Projekten zu Schulentwicklung „Zweite Chancen sichern“ und „Migra- te Bildungskommission 2005 dann das und Schulnetzwerken und dem Aufbau tionspotenziale nutzen“. Dazu kam spä- Thema Übergang Schule – Beruf auf die von unterschiedlichen Bildungspartner- ter noch das Handlungsfeld „Übergang Agenda. „Es war klar: Es gab zu wenige schaften sind hier auch das Medienzen- Schule – Hochschule optimieren“ hin- Ausbildungsplätze, zu viele Jugendliche trum und die schulpsychologische Bera- zu. Für jedes dieser Felder hat sich ein ohne Schul- und Ausbildungsabschluss, tungsstelle angesiedelt. Netzwerk zusammengefunden, das ver- ohne Chance auf Ausbildung, und auch sucht, Lösungen zu entwickeln und um- zu viele Ausbildungsabbrüche“, so Birgit Am wichtigsten für die Entwicklung im zusetzen. Klein. Das Motto „Keiner darf verloren Handlungsfeld „Schule – Arbeitswelt“ gehen“, das später die damalige CDU- war aber der Start des Projekts „Zeit- Dabei wird das Handlungsfeld „Migrati- Landesregierung für sich reklamierte, ent- gewinn“ im Jahr 2005. Gemeinsam mit onspotenziale nutzen“ als Querschnitts- stand zu dieser Zeit in Dortmund. den wichtigen Partnern aus Schule, Wirt- aufgabe verstanden, als Fokus. Dahin- schaft, Arbeitsagentur/Jobcenter, Wohl- ter steht die Erkenntnis, dass Dortmund Teilnahme an zahlreichen fahrtsverbänden hat die Stadt Dortmund eine Einwanderungsstadt ist, die gut da- Modellprogrammen dieses Vorhaben ins Leben gerufen und ran tut, die besonderen Potenziale und mit kommunalem Geld ausgestattet. Ver- Ressourcen, die Menschen mit Zuwan- Angelegt war die spezielle Koordinie- hindern, dass Lebenszeit unproduktiv ver- derungsgeschichte bieten, nicht brach lie- rungsstruktur in Dortmund über das von loren geht, das war und ist das Anliegen gen zu lassen und für die Zukunftsgestal- 2002 bis 2008 laufende Bundesmodellpro- von „Zeitgewinn“. Allen Jugendlichen, tung zu nutzen. Das auffälligste Produkt gramm „Lernende Regionen – Förderung egal welcher Herkunft oder in welcher in diesem Handlungsfeld ist eine seit dem von Netzwerken“, an dem Dortmund be- sozialen Lage, soll der Übergang von der Jahr 2009 laufende, mit Mitteln des Pro- teiligt war. Mit dessen Hilfe konnten die Schule in Ausbildung und Arbeitswelt er- jekts „IKUDO!“1 geförderte Imagekam- ersten Personalstellen eingerichtet und möglicht werden. pagne, die zum Ziel hat, das Wissen um das Bildungsbüro ausgebaut werden. Im interkulturelle Potenziale und die Ausbil- Jahr 2008 schlossen die Stadt Dortmund Handlungsfelder als dungsplatzchancen von Jugendlichen mit und das Land NRW dann eine Koopera- Arbeitsgerüst Migrationshintergrund zu erhöhen sowie tionsvereinbarung zum Aufbau einer Bil- die Wertschätzung von Menschen mit Zu- dungsregion. Wesentliches Beratungs- und Abstim- wanderungsgeschichte zu vergrößern. Auf mungsgremium ist der 2006 gegründete großen Plakaten wird im gesamten Stadt- Heute ist das Regionale Bildungsbüro Beirat „Regionales Übergangsmanage- gebiet für diese Ziele geworben. eine eigene Abteilung im Schulverwal- ment Schule – Arbeitswelt“, in dem all tungsamt der Stadt Dortmund, das zum Verantwortlich für den Fokus Migration Dezernat Jugend, Schule und Familie ge- 1 IKUDO! Interkulturelle Öffnung Dortmunder ist die Regionale Arbeitsstelle zur Förde- hört. Schulaufsicht und Schulverwaltung Ausbildungsbetriebe – Interkulturelle Potenziale rung von Kindern und Jugendlichen aus koordinieren hier gemeinsam mit dem ge- junger Migrantinnen und Migranten wertschät- Zuwandererfamilien (RAA). Kooperati- meinnützigen „Verein zur Förderung in- zen und nutzen onspartner sind vor allem auch Migran- G.I.B.INFO 4 11 5
JUGEND UND BERUF tenselbstorganisationen und die Migra- abbrüche reduzieren“. Hilfe wird in dieser tischen Dortmunder Berufskollegs. Jähr- tions- und Integrationsagentur Dortmund Phase sowohl den Jugendlichen als auch lich wechselt knapp ein Drittel der Schulab- (MIA-Do). den ausbildenden Betrieben angeboten, gänger in vollzeitschulische Bildungsgänge. denn „Ausbildungsabbrüche sind proble- Dazu gehören auch Jugendliche in Berufs- Im Handlungsfeld „Schulische Vorausset- matisch und ärgerlich für Auszubildende vorbereitungsklassen oder in Klassen für zungen verbessern“ stehen allgemeinbil- und Betriebe gleichermaßen“, sagt Klaus Schülerinnen und Schüler ohne Berufs- dende Schulen im Fokus. Es geht um eine Engelhardt, Ausbildungsberater bei der ausbildungsverhältnis (KSoB). Für diese Systematisierung der Berufsorientierung Handwerkskammer Dortmund, die das Schülerinnen und Schüler ist die Berufs- und darum, Berufsorientierung als dau- Handlungsfeld als einer der wichtigen orientierung oft noch nicht abgeschlos- erhafte Querschnittsaufgabe der gesam- Netzwerkpartner moderiert. sen. Um sie kümmern sich dort u. a. auch ten Schule zu verankern. Als Grundlage Schulsozialarbeiter/-innen. Sie helfen der und Instrument der Qualitätssicherung Wichtig auch hier, dass durch Abbrüche Zielgruppe nicht nur bei der Berufswahl, dient der Dortmunder Berufsorientie- kein Zeitverlust entsteht. Dafür hat das sondern auch bei der allgemeinen Lebens- rungsrahmen, der gemeinsam von Schu- Bildungsbüro nicht nur den „Dortmunder planung sowie bei Konflikten und dabei, le, Schulverwaltung, Schulaufsicht sowie Beratungsführer“ herausgegeben, der In- Schule und Ausbildung durchzuhalten. wichtigen außerschulischen Partnern ent- formationen rund um die Unterstützung wickelt wurde. und Beratung bei Konflikten in der Ausbil- Durch die neuen Strukturen in Dortmund dung bietet, es wurde auch ein Frühwarn- hat sich nicht nur das Wissen über Berufs- Mit der flächendeckenden Einführung system mit den Beteiligten vereinbart, das kollegs und deren Image positiv verändert. des Dortmunder Berufswahlpasses zum in einem Netzwerk der Ausbildungsbera- Sie haben nun im Bildungsbüro auch ver- Schuljahr 2009/2010 in allen allgemein-, ter der Kammern, der Schulsozialarbei- lässliche Ansprechpartnerinnen und sind berufs- und weiterbildenden Schulen sowie ter und der Jugendberufshilfe verankert in allen Gremien und Arbeitsfeldern des in den Angeboten der Jugendberufshilfe ist. Die Fachleute helfen bei der Lösung Bildungsbüros vertreten. Es gibt rechtzei- ist es gelungen, ein für alle Beteiligten ver- von Konflikten, bei der Verbesserung der tig nach der Ausschreibung von BvB-Maß- bindliches Instrument zur Dokumentation Kommunikation und auch bei der Neuori- nahmen oder dem Werkstattjahr Treffen des individuellen Weges der beruflichen entierung, wenn sich eine Berufswahl als der Träger, die den Zuschlag bekommen Orientierung und Einmündung zu platzie- schlecht vorbereitet herausstellt. haben, und der Kollegs, bei denen verabre- ren, das Betriebe, weiterführende Schulen, det wird, wie viele Plätze bei welchem Kol- aber auch die Berufsberatung der Agen- Berufskollegs haben hohen leg für die Teilnehmer/-innen eingerich- tur über Wünsche, Potenziale und Kom- Stellenwert tet werden müssen. Als großen Schritt für petenzen der Jugendlichen informiert. Bei die Berufskollegs bezeichnet Birgit Klein der Entwicklung und Einführung des Be- Die Grundphilosophie des Handlungsfel auch die engere Kooperation mit den all- rufswahlpasses wurden die Schulen vom des „Zugänge zur Arbeitswelt eröffnen“ gemeinbildenden Schulen. Regionalen Bildungsbüro begleitet, zum ist es, ein abgestimmtes, kohärentes Über- Beispiel durch ein Fortbildungsangebot gangssystem zu schaffen. „Man muss vom Das Programm „Perspektive Berufsab- für Lehrerinnen und Lehrer. Jugendlichen aus denken und Rechtskreis- schluss – Regionales Übergangsmanage- grenzen so aufeinander beziehen, dass ment“, das mit Mitteln des Bundesmini- Aber auch nach der Phase der Berufsori- der/die Einzelne möglichst wenig Scha- steriums für Bildung und Forschung und entierung und nach dem Übergang in eine den nimmt“, sagt Birgit Klein. des ESF gefördert wird, bietet durch die Berufsausbildung sieht sich das Zeitge- Finanzierung von Personalstellen die Mög- winn-Team in der Verantwortung. „Die Den Berufskollegs kommt in diesem Hand- lichkeit, die Aktivitäten systematisch zu Übergangsproblematik endet nicht beim lungsfeld eine gewichtige Rolle zu. Schon begleiten. Eine Steuergruppe, an der alle Eintritt in eine Ausbildung“, so die Leitli- die Zahlen machen das deutlich: Über Schulleitungen der Dortmunder Berufs- nie für das Handlungsfeld „Ausbildungs- 20.000 Jugendliche besuchen die acht städ- kollegs, die Agentur für Arbeit und das 6 G.I.B.INFO 4 11
JUGEND UND BERUF Regionale Bildungsbüro beteiligt sind, stitutionen. Angeboten werden Beratung den im Februar 2011 statt und übertra- trifft sich regelmäßig alle sechs Wochen zu und Bildung für Wiedereinsteiger/-innen, fen alle Erwartungen. Es gab 5.000 An- Gesprächen und einmal im Jahr zu einem nachträgliche Schulabschlüsse sowie be- meldungen, zahlreiche Veranstaltungen zweitägigen Planungsworkshop. Im Mo- rufliche Qualifizierungen und Fortbil- waren ausgebucht. ment laufen die Vorbereitungen für die dungen für alle, die sich neu orientieren Weiterentwicklung der Berufskollegs zu wollen. Die Zusammenarbeit wird vom Von „Zeitgewinn“ zum Regionalen Berufsbildungszentren. Regionalen Bildungsbüro begleitet, dazu neuen Übergangssystem wurde 2008 eine Koordinierungsstelle für „Zugang zur Arbeitswelt“ muss aber nicht die „Zweite Chance“ eingerichtet. Mittlerweile ist „Zeitgewinn“ kein Pro- zwangsläufig duale Ausbildung bedeuten. jekt mehr, sondern eine Strategie für Dort- Dazu können aus Sicht des Dortmunder „Die Übergangsfrage ist mund. Die Zeitgewinn-Idee ist „lebendige Bildungsbüros durchaus auch zielgrup- keine Benachteiligtenfrage“ städtische Realität“ geworden, heißt es in penangemessene, zielgerichtete qualitäts- einer Broschüre des Regionalen Bildungs- volle Maßnahmen gehören. „Wir glau- Relativ neu ist im Bildungsbüro das 2008 büros. Und „es ist gelungen, für Maßnah- ben nicht, dass das alles Warteschleifen eingerichtete Handlungsfeld „Schule – men im Rahmen der Übergangsaktivitäten sind, wie man heute häufig hört“, so Bir- Hochschule optimieren“, denn auch der kommunales Geld in den Haushalt einzu- git Klein. Solche Maßnahmen seien für Übergang in eine universitäre Ausbildung stellen“, berichtet Birgit Klein, die auch als Jugendliche oft zielführender, als einfach ist eine Option in der Bildungskette. Der Projektleiterin der Zeitgewinn-Agentur fun- weiter zur Schule zu gehen, wenn man ei- Schritt vom Gymnasium, von der Sekun- giert. Dortmund wird als Referenzkom- gentlich keine Neigung dazu hat. darstufe II der Gesamtschulen und von mune neben sechs weiteren Kommunen den Berufskollegs oder auch nach einem das vom Ausbildungskonsens NRW ver- Egal welchen Weg Jugendliche in die Ar- Berufsabschluss in ein Studium an einer abschiedete Konzept für ein neues Über- beitswelt einschlagen, ein eventuelles Fachhochschule oder Universität ist bei- gangssystem Schule – Beruf umsetzen. Da- Scheitern darf nicht endgültig sein. Heute leibe kein Selbstläufer. Zum einen fällt mit bestätigt das Land NRW die bisherige sind grade Lebenswege selten. Bildungsbio heute vielen durch die große Zahl der Stu- gute Entwicklungsarbeit in Dortmund und grafien mit Brüchen wie Ausstiegen, Un- diengänge die Entscheidung für ein Studi- unterstützt deren Weiterentwicklung. Ziel terbrechungen, Umorientierungen nehmen um schwer, zum anderen führen falsche des Vorhabens ist es, ein systematisches und zu. Mehrfache Wiedereinstiege in Bildung Entscheidungen nicht selten zu Studien- nachhaltiges System zu etablieren, das Ju- und Arbeitswelt müssen deshalb möglich abbrüchen. „Die Übergangsfrage ist kei- gendliche zielgerichtet in eine Ausbildung sein. Darum gibt es im Dortmunder Bil- ne Benachteiligtenfrage“, macht Birgit oder Studium führt. dungsbüro das Handlungsfeld „Zweite Klein deutlich und weist in dem Zusam- Chancen sichern“, eine Bezeichnung, die menhang darauf hin, dass die Abbruch- Ganz wichtig: Daten eigentlich nicht ganz korrekt ist, denn ge- quoten in bestimmten Studiengängen hö- meint ist, dass es immer wieder die Chan- her liegen als in jeder dualen Ausbildung. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es noch ce auf einen Wiedereinstieg in Bildung „Optionsreichtum für alle“ lautet deshalb genug zu tun. Als besonders wichtig be- und Ausbildung geben muss. die Dortmunder Philosophie. trachtet Birgit Klein eine weitere Optimie- rung der in Dortmund schon vergleichs- Akteure in diesem Handlungsfeld sind vor Eine besonders erfolgreiche Idee sind in weise guten Datenlage. Die Dortmunder allem schulische Einrichtungen, wie die diesem Handlungsfeld die „Dortmunder Schuldatenbank wurde zu einem Monito- Berufs- und Weiterbildungskollegs, die Hochschultage“, die die Informations- ringsystem ausgebaut. „Wir wissen jetzt, Volkshochschule sowie freie Bildungsträ- angebote der Dortmunder Hochschulen in welche (Aus-)Bildungsgänge die Jugend- ger, aber auch allgemeinbildende Schulen zeitlich bündeln, sodass sie fest in die Jah- lichen nach Verlassen der 10. Klasse der sind beteiligt. Insgesamt besteht das Koo- resplanung der Schulen integriert werden allgemeinbildenden Schulen einmünden.“ perationsnetzwerk aus 58 Dortmunder In- können. Die ersten Hochschultage fan- Das Übergangsverhalten kann nach Her- G.I.B.INFO 4 11 7
JUGEND UND BERUF Birgit Klein, Regionales Bildungsbüro Stadt Dortmund kunftsschule (Sozialraum), Schulform, er- dass diese in Maßnahmen, in Bildungsgän- aber Verlaufsdaten, die die Nachzeich- reichtem Abschluss, Alter und Geschlecht ge oder in weiterführende Beratung vermit- nung der Einstiegswege der einzelnen Ju- differenziert beschrieben werden. telt werden, und informiert Jugendliche, die gendlichen erlauben würden. einen Bildungsgang abbrechen, über An- Wie wichtig korrekte Daten für die Pla- schlussmöglichkeiten. Seit Oktober 2010 Denn datenschutzgerecht ist nur eine an- nung sind, zeigt eine Erfahrung aus dem hat die Anlaufstelle die direkte Verteilung onymisierte Datenweiterverarbeitung. Jahr 2008: Laut der Dortmunder Schul- von nicht versorgten berufsschulpflichtigen Birgit Klein wünscht sich „eine Daten- datenbank gab es zum Verbleib von je- Jugendlichen auf die Dortmunder Berufs- schutzregelung, die der Zielsetzung ei- weils 800 bis 1.000 der jährlich 5.400 kollegs übernommen. Von Oktober 2010 ner individuellen Gesamtprozessbeglei- Schulabgänger/-innen aus den 10. Klas- bis Juni 2011 konnten so über 90 nicht ver- tung Rechnung trägt.“ Das Bildungsbüro sen keine Informationen. Die Recherche sorgte Schülerinnen und Schüler an die Be- kann bisher nur über Umwege „schul- ergab, dass die meisten Jugendlichen ei- rufskollegs vermittelt werden. scharfe“ und sozialraumbezogene Er- nen Anschluss gefunden hatten, nur 48 kenntnisse gewinnen. Jugendliche der über 88 Prozent, die sich Seit dem Schuljahr 2011/2012 läuft die zurückmeldeten, waren weder in Ausbil- Anmeldung für Berufskollegs, Berufsschu- Handlungsfähigkeit der dung noch in der Schule. Die hohen Zah- len oder die Sekundarstufe II, auch an Ge- Kommune verbessern len kamen also nicht zustande, weil es samtschulen oder Gymnasien in Dortmund so viele nicht versorgte Jugendliche gab, zentral über das Online-Anmeldeverfah- Optimierungsbedarf sieht die Dortmun- vielmehr waren die Daten nicht in ausrei- ren „schüler online“. Mit diesem Anmel- der Erziehungswissenschaftlerin auch in chender Qualität erfasst worden. desystem konnte die Zugangssteuerung anderen Bereichen: „Die Kommune ist nur an die weiterführenden Schulen optimiert ein Akteur beim Übergang Schule – Be- Um hier Abhilfe zu schaffen, wurde in werden und die von allen Schulen hinter- ruf. Kommunales Handeln hängt aber von Absprache mit den abgebenden Schulen legten Beschreibungen der Bildungsgänge Rahmenbedingungen ab, die nicht kom- ein neues Verfahren entwickelt. Mit dem bieten einen vollständigen Überblick über munal zu steuern sind. „Wenn wir für be- Halbjahreszeugnis erhalten die Zehnt- das Bildungsangebot in Dortmund. Die Se- stimmte Bereiche gute Ideen haben, sind klässler ein Schreiben, das über die Be- kretariate der Berufskollegs und 240 Lehre- wir ohne Weiteres oft nicht handlungsfä- rufsschulpflicht, über die verschiedenen rinnen und Lehrer aller Dortmunder Schu- hig.“ Es sei sehr wichtig, dass das Land Bildungsmöglichkeiten und die Bera- len wurden vom Bildungsbüro auf dieses NRW als einer der wichtigen Rahmenset- tungsangebote informiert. Ein Fragebo- System geschult, sodass ein reibungsloser zer einen aktiven Part bei der Gestaltung gen, den die Schüler nach den Osterferi- Ablauf gesichert ist. übernimmt, indem z. B. die hinderliche en gemeinsam mit den Klassenlehrerinnen Trennung in äußere und innere Schulan- und -lehrern ausfüllen, dokumentiert ihre Die eigenen Daten in Verbindung mit den gelegenheiten aufgehoben würde. Bisher Anschlussoptionen. Bei Bedarf bieten die veröffentlichten Daten der Agenturen und ist es Sache jeder einzelnen Schule, ob sie Agentur für Arbeit, die Beratungslehrer/ Jobcentern sowie den Daten der Kam- sich der kommunalen Koordinierung zu- -innen und die Jugendberufshilfe dann mern zu den eingetragenen Ausbildungs- ordnet oder eben nicht. Hier könnte der in der Zeit bis zu den Sommerferien eine verhältnissen haben die Transparenz über Beschluss des Ausbildungskonsens NRW „Feuerwehr-Beratung“ an. die Bildungswege nach der Schule also zum neuen Übergangssystem wichtige Im- verbessert, trotzdem sieht Birgit Klein pulse geben. Seit 2009 ist beim Regionalen Bildungsbü- die Datenlage in Dortmund noch als ein ro außerdem die „Anlaufstelle für berufs- Problemfeld an. Das betrifft sowohl den Auch auf einem anderen Feld sieht Birgit schulpflichtige Jugendliche“ eingerichtet. Umfang des Datenmaterials als auch da- Klein eher hinderliche Strukturen, zum Sie überwacht den Verbleib der Jugend- tenschutzrechtliche Fragen. So kann zwar Beispiel die zentrale Ausschreibungspra- lichen nach der 10. Klasse, identifiziert der Einstieg in eine Ausbildung/einen Bil- xis der Agentur für Arbeit. Es gebe, weil nicht versorgte Jugendliche, sorgt dafür, dungsgang abgebildet werden, es fehlen sie eine Ausschreibung gewonnen haben, 8 G.I.B.INFO 4 11
JUGEND UND BERUF ABSTRACT Schon seit 2003 koordiniert in Dortmund ein ANSPRECHPARTNERIN IN DER G.I.B. KONTAKT Regionales Bildungsbüro die Aktivitäten beim Heidrun Franke Birgit Klein Übergang Schule – Beruf. Aufgrund der lang- Tel.: 02041 767-114 Regionales Bildungsbüro jährigen und erfolgreichen Entwicklungsarbeit E-Mail: h.franke@gib.nrw.de Stadt Dortmund, Fachbereich Schule wird Dortmund als eine der sieben Referenz- Kleppingstr. 21 – 23 kommunen mit der praktischen Umsetzung AUTOR 44135 Dortmund des neuen Übergangssystems beginnen. Frank Stefan Krupop Tel.: 0231 5024678 Tel.: 02306 741093 Internet: www.rbb.dortmund.de E-Mail: frank_krupop@web.de immer wieder neue Träger in Dortmund, punkt zu platzieren und nicht erst dann, Dr. Wilfried Kruse von der Sozialfor- die nicht in die kommunalen Kooperati- wenn das Kind schon in den Brunnen ge- schungsstelle Dortmund, der das Zeitge- onsstrukturen eingebunden sind. Regio- fallen ist. Das Bildungsbüro organisiert winn-Vorhaben wissenschaftlich begleitet, nale Träger, die sich seit Jahren sehr in auch Nachvermittlungsaktionen für be- schreibt in der Zeitgewinn-Broschüre „Bi- Dortmund engagieren, kommen nicht zum rufsschulpflichtige Jugendliche, die noch lanz und Perspektiven“ (04/2011): „Das Zuge, weil sie die Preise nicht halten kön- keinen Platz haben. Sie werden dann di- Vorhaben Zeitgewinn hat zur Bildung nen – mit dem Ergebnis, dass sich die Schu- rekt in Klassen ohne Ausbildungsverhält- einer gut miteinander kooperierenden, len immer wieder auf neue Partner einstel- nis vermittelt. funktionsfähigen Verantwortungsgemein- len müssen und Standards der beruflichen schaft für die Gestaltung der Übergänge Orientierung oder Berufsvorbereitung nicht Was ist Erfolg? von der Schule in die Arbeitswelt geführt, gehalten werden können. die auch für die nächsten Jahre eine solide Haben die zahlreichen Anstrengungen Basis darstellt.“ Die Zusammenarbeit mit der örtlichen in Dortmund Erfolg? Wie lässt sich Er- Arbeitsagentur beschreibt Birgit Klein folg im Bildungs- und Ausbildungsbe- Jetzt soll Bilanz gezogen und die Strategie als sehr gut. Das hänge nicht nur, aber reich überhaupt definieren? Im Regionalen für die nächsten Jahre festgelegt werden. stark von den agierenden Personen ab und Bildungsbüro hat man da klare Vorstel- Ende November findet der nächste Strate- sei lange nicht überall so. Die Vertreter/ lungen: Erfolg ist, wenn weniger Schüler gieworkshop des Beirats „Regionales Über- -innen der Agentur für Arbeit sind in allen und Schülerinnen die Schule vorzeitig ver- gangsmanagement Schule – Arbeitswelt“ wichtigen Netzwerken vertreten und dort lassen, wenn möglichst viele einen Schul- statt, um gemeinsam zu beraten, wie die auch inhaltlich stark engagiert. abschluss schaffen, wenn weniger Jugend- aufgebauten Strukturen und das neue Über- liche die Ausbildung abbrechen, wenn sie, gangssystem in NRW zusammen passen. Gemeinsam, auch mit den weiteren Part- egal an welcher Station sie gerade sind, nern, konnten anspruchsvolle Aufgaben ge- einen vernünftigen nächsten Schritt tun Die Auswirkungen des neuen Landeskon- meistert werden. So hat man sich auf eine können. Noch liegen hinreichend belast- zeptes sind sicher noch gar nicht abzuse- neue Beratungskultur geeinigt. Grundle- bare Daten nicht vor – dies wird einer der hen und die Umsetzung wird auch nicht gend geht es dabei um ein Umdenken bei ganz wichtigen Arbeitsschwerpunkte der von heute auf morgen erfolgreich gestaltet der Haltung gegenüber den Jugendlichen: nächsten Jahre sein. werden können. Zum Beispiel stehen die weg von einer Defizithaltung hin zu einer beruflichen Schulen ja vor erheblichen Ver- akzeptierenden Beratung, die den Jugend- Viele sinnvolle Änderungen lassen sich änderungen sowohl struktureller als auch lichen Raum gibt. „Hier ein gemeinsames tatsächlich nicht in Zahlen ausdrücken, inhaltlicher Art. Genauso stehen die Qua- Verständnis bei Ausbilderinnen/Ausbildern, wie ein verbessertes Schulmanagement lifizierungs- und Beschäftigungsträger vor Lehrerinnen/Lehrern und Beraterinnen/Be- oder die Schaffung eines verbindlichen neuen Herausforderungen. Noch ist das ratern der Arbeitsagentur zu entwickeln ist Berufsorientierungsrahmens. Der Erfolg Ausbildungsplatzangebot in Dortmund ein wichtiger Baustein der Arbeit. des Dortmunder Modells lässt sich aber nicht ausreichend, noch trauen sich viele auch daran ablesen, dass das Regionale den Schritt in eine Ausbildung nicht zu. Die strategische Frage, wer an welcher Stel- Bildungsbüro eine Vorreiterrolle für die le eingreifen muss – wen man braucht –, Weiterbildung von Beratungslehrerinnen Die Planungen auf Landesebene machen damit Jugendliche nicht verloren gehen, hat und -lehrern gespielt hat. Das Schulminis deutlich, dass die systematische Gestaltung man bereits an einigen „Schnittstellen“ ge- terium legte 2007 verbindlich fest, dass der Übergänge eine Daueraufgabe bleibe löst. So ist inzwischen genau festgelegt, an Studien- und Berufswahlkoordinatoren/ und sich nicht über den demografischen wen berufsschulpflichtige Jugendliche, die -koordinatorinnen ernannt werden müs- Wandel und das Anziehen der Konjunk- sich beim Regionalen Bildungsbüro mel- sen. Ihre Qualifizierung erfolgt auf der tur quasi von selbst erledige. Dortmund den, weitergereicht werden. Damit hat man Basis der in Dortmund entwickelten Aus- ist gut vorbereitet auf die Koordinierung es geschafft, Beratung zum richtigen Zeit- bildungsmodule. der anstehenden Aufgaben. G.I.B.INFO 4 11 9
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