DOSSIER Rio 2016 - Sportgroßereignisse und Menschenrechte - Südwind
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22 Inhalt Nosso Jogo – Unser Spiel für Menschenrechte!3 Rio de Janeiro: Die geteilte Stadt im Namen des Sports 5 Julia Bustamente und Thiago Silva Sport und Menschenrechte – die Geschichte einer problematischen Beziehung 8 Johann Skocek Die Internationale Öffentlichkeit als Chance 11 Interview mit Sylvia Schenk Zur Frage der staatlichen und unternehmerischen Verantwortung 14 Barbara Linder, Claudia Sprenger und Judith Tutzer Petition: Für bindende Menschenrechtsstandards Das umgebaute Mara- im Rahmen von Sportgroßereignissen! 18 canã-Stadion in Rio de Janeiro im Frühjahr 2014. Sport für alle! Sport als Werkzeug für soziale Inklusion © Südwind von Menschen mit Behinderung 21 Magdalena Kern Nosso Jogo – Initiative rund um die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro 24 Impressum: Herausgeber und Medieninhaber: Wiener Institut für internationalen Dialog und Zusammenarbeit (VIDC), Möllwaldplatz 5/3, 1040 Wien, Tel. 01-7133594-0, office@vidc.org | Redaktion: Martin Kainz, Kurt Wachter | Die Inhalte der Texte können von der Meinung der Redaktion/der Herausgeber_innen abweichen | Layout und Grafik: Sanja Jelic | Wien, März 2016
3 3 Nosso Jogo – Unser Spiel für Menschenrechte! Das Bündnis rund um Nosso Jogo – Initiative für globales Fair Play gibt es bereits seit 2013. Sein Ziel ist es,auf Menschenrechte im Rahmen von Sportgroßereignissen aufmerksam zu machen, mit einem Hauptaugenmerk auf Brasilien. Im Sommer 2014 fand in Brasilien die Fuß- tung von Unternehmen, Staaten, Verbänden und ball-Weltmeisterschaft statt. Neben einem bun- Athlet_innen, wenn es um die Einhaltung von ten sportlichen Spektakel bleiben vor allem die Menschenrechten geht. Magdalena Kern von Proteste im Vorfeld des globalen Mega-Events in LICHT FÜR DIE WELT unterstreicht schließlich Erinnerung. Auf den Straßen Brasiliens kam es die Bedeutung der Paralympischen Spiele und zu den größten Demonstrationen seit dem Ende deren durchaus positiven Wert für Inklusion von der Militärdiktatur in den 1980er Jahren. Die Menschen mit Behinderung. Proteste richteten sich gegen die WM-Ausrich- Austragungsländer von Sportgroßereignis- tung, gegen soziale Missstände, Preiserhöhun- sen sind oftmals nicht in der Lage, allgemein gen, Vertreibungen und Polizeigewalt. Während und weltweit gültige Menschenrechtsstandards der FIFA-WM selbst wurden die kritischen Stim- einzuhalten. Internationale Sportorganisationen men immer leiser. tragen ihrerseits dazu bei – etwa durch Druck Im Sommer 2016 geht in Brasilien das hinsichtlich des Zeitplans von Baumaßnahmen nächste Sportgroßereignis über die Bühne: die oder unrealistische Vorgaben –, dass Men- Olympischen und Paralympischen Sommer- schenrechte oftmals zu kurz kommen. spiele in Rio de Janeiro. Die kritischen Themen Es ist aber ebenso positiv hervorzustreichen, sind im Vorfeld ganz ähnliche. dass gerade Sport, in Folge auch Sportgroßer- Nach wie vor gilt es, auf Umsiedlungen von eignisse – in seiner idealen, aber nicht unrea- Armenvierteln aufmerksam zu machen; nach listischen Ausprägung – immenses Potential wie vor gilt es, die überzogene Gewalt von Seiten haben, inklusive, integrierende und nachhaltig der brasilianischen Polizei anzuprangern; nach verbindende Prozesse und Strukturen aufzu- wie vor gilt es, internationale Sportverbände auf bauen. ihre Verantwortung hinzuweisen. Mit dem vorliegenden Dossier wollen wir Im Rahmen von Nosso Jogo beschäftigen wir einen Einblick in die verschiedenen Facetten Wandmalerei an uns mit genau diesen Themen. Wir versuchen, rund um das beschriebene Thema geben und der ehemaligen vor allem auf nationaler Ebene Menschenrechte hoffen dabei, dass wir uns keines- Maracanã-Baustelle. und Sportgroßereignisse zum Thema zu machen wegs pessimistisch, sondern umso und hier mit möglichst vielen Menschen, Verei- mehr Zuversicht gebend an zukünfti- © Südwind nen sowie Institutionen zusammenzuarbeiten. ge Sportgroßereignisse annähern, die Eine unserer ersten Aktivitäten ist etwa eine Peti- die Würde der Menschen wahren und tion, die weiter hinten im Dossier vorgestellt wird. dabei Zusammenhalt sowie Anti-dis- Einen genaueren Einblick in die komplexe kriminierung sicherstellen. Thematik soll das vorliegende Dossier bieten. Während sich Julia Bustamante und Thiago Martin Kainz und Kurt Wachter Silva von unserer brasilianischen Partnerorga- nisation PACS mit der Stadtentwicklung Rio de Janeiros auseinandersetzen, wirft der Journalist Johann Skocek einen kritischen Blick auf die Pa- rallelwelt von Sport-Mega-Events. Sylvia Schenk von Transparency International Deutschland spricht über die menschenrechtlichen Heraus- forderungen für internationale Sportverbände sowie für Austragungsorte, betont aber auch die positiven Seiten von Sport(großereignissen). Claudia Sprenger, Barbara Linder und Judith Tutzer vom Ludwig Boltzmann Institut für Men- schenrechte fragen kritisch nach der Verantwor-
44 Vorwort Sport steht für Fairplay, Respekt und Team- Immer wieder wurde bewiesen, dass Sport geist. Das gesellschaftliche Potential des gesellschaftliche Verhältnisse ändern kann. Der Sports wird seit jeher auf allen Ebenen deutlich, Sport steht in der Pflicht, diese Verantwortung von der Gemeinschaft der Kinder im Sportverein auch aktiv wahrzunehmen. bis hin zum völkerverbindenden internationalen In Österreich wollen wir uns aktiv mit diesem Spitzensport. Thema auseinandersetzen und unseren Beitrag Die Sportwelt blickt in diesem Jahr vor al- leisten. Mit Projekten wie Nosso Jogo haben wir lem auf die Fußball-Europameisterschaft in bereits in den vergangenen Jahren Initiativen Frankreich und die Olympischen Spiele in Rio für globales Fair Play unterstützt. de Janeiro. Wir erwarten große Emotionen und Als Sportminister ist es mir ein Anliegen, den Hans Peter Doskozil, sportliche Höchstleistungen. Daneben darf positiven Beitrag des Sports zur Integration Sportminister aber auch die Wahrung der Menschenrechte im hervorzuheben. Das österreichische Sportmi- © Ricardo Herrgott internationalen Sport nicht außer Acht gelassen nisterium hat in den vergangenen Jahren zahl- werden. reiche Integrationsprojekte im Sport gefördert. Wir wollen Wettkämpfe, bei denen es um Viele junge Menschen, die neu in unser Land die sportliche Leistung der Athletinnen und kommen, finden im Sportverein einen direkten Athleten geht und nicht ums Geld und um das Weg in unsere Gesellschaft. Errichten teurer Stadien und Sportstätten. Sport- Der Sport baut Brücken und verbindet die großereignisse sollten nicht nur die Interessen Menschen über die Grenzen von Nationen, Kul- der Rechteinhaber und Sponsoren befriedigen, turen und Religionen hinweg. Diese positiven sondern die tatsächlichen Bedürfnisse des Werte des Sports müssen auch in Zukunft hoch- Sports und der Bevölkerung berücksichtigen. gehalten werden. Das internationale Ziel muss sein, die Men- schenrechte und die Arbeitsrechte in den Aus- Hans Peter Doskozil, Sportminister tragungsländern zu stärken.
5 5 Rio de Janeiro: Die geteilte Stadt im Namen des Sports Hineingepfercht zwischen hohen Bergen und dem Meer beheimatet Rio eine vielfältige Bevölke- rung in Bezug auf Kultur, ethnische Herkunft und ökonomische Aspekte. Die „Cariocas“ sind als lebensfrohe und liebevolle Menschen bekannt, die gerne feiern und die man auf der Straße oder am Strand trifft. Dieses Bild lässt den Eindruck entstehen, dass auch die Olympischen und Para- lympischen Spiele ein großes demokratisches Fest werden. In Wirklichkeit aber wird es eines der exklusivsten Feste überhaupt, zu dem unerwünschten Gruppen der Zutritt verweigert wird und Grundrechte verletzt werden. Julia Bustamente und Thiago Mendes, PACS – Institut für alternative Politik, Rio de Janeiro Übersetzung: Thomas Zobernig, Dreikönigsaktion Seit Rio zur Bühne für Mega-Events aufgestie- Von Vertreibung, Gewalt und gen ist, setzen die dominanten Gruppen ihre Diskriminierung Interessen bezüglich des Stadtbildes noch Der Drang der Eliten, die ungewünschten stärker durch. Dieser Prozess verstärkt die For- Gruppen – also Arme, Schwarze, Obdachlose, mierung eines urbanen Raumes der Exklusion, Straßenverkäufer_innen, marginalisierte Kinder der speziell ärmere und verletzlichere Teile der und Jugendliche – zu vertreiben und ihnen Bevölkerung unterdrückt. Einerseits rückte Rio den Zutritt zum „urbanen Spektakel“ zu ver- in die Mitte der Weltöffentlichkeit durch Veran- wehren, ist keinesfalls neu. Schon die Formie- staltungen wie Rio+20, Weltjugendtag 2013, rung der Favelas Ende des 19. Jahrhunderts Fußball-WM 2014 oder Olympia 2016. Gleich- geht auf so eine Vertreibung der Ärmsten auf zeitig bleibt Rio eine Metropole an der Peripherie die Hügel rund um das Stadtzentrum zurück. des Kapitalismus, gekennzeichnet durch die In den vergangenen zehn Jahren weckte Schaffung von exklusiven und überwachten die Ankündigung großer Investments in die Räumen zur Trennung von Reichen und Armen, Stadt bei den Bewohner_innen Rios den Traum, Weißen und Schwarzen, Eingeladenen und dass die großen Probleme wie etwa urbane Nicht-Eingeladenen. Mobilität, öffentliche Sicherheit, prekäres Rio de Janeiro Wohnen oder die Verschmutzung der Guana- bara-Bucht endlich gelöst werden. © DKA, Ute Mayrhofer
66 Favela Vila Autodromo in Nur ein Jahr vor Olympia sehen wir eine den ersten Monatslohn des jüngsten von ihnen: Rio De Janeiro. In vielen ganz andere Realität: Die Bucht wird nicht Robério de Souza Penha, der nur 16 Jahre alt von Zwangsumsiedlung betroffenen Gebieten sauber werden, die neue U-Bahn-Linie ist nur wurde. Nicht selten werden die Tatorte von der werden Mauerreste stehen eine Verlängerung der bereits vorhandenen Polizei manipuliert, um zu behaupten, sie hätten gelassen, um so auf die Linie 1 und wird nicht bis zu den Olympischen auf einen Angriff reagiert, auch wenn dem nicht verbliebenen Familien den und Paralympischen Spielen fertig werden, so war. Am 3. Dezember gingen dann tausende Druck zu erhöhen. die Linien des BRT (Bus Rapid Transport) sind Menschen auf die Straßen, um ihre Empörung © PACS, Julia Bustamante jetzt schon überfüllt, ein neuerlicher Ausbau darüber zu zeigen, dass die Polizei dermaßen und Thiago Silva wäre also schon nach nur drei Jahren Betrieb viele Morde an schwarzen Jugendlichen be- notwendig. geht.1 Hinzu kommt das gewaltsame Vorgehen und Rio de Janeiro ist zurzeit auch kein guter Ort die fehlende Transparenz der Stadtregierung für Frauen. So kam es zu vielen Demonstratio- rund um die Zwangsumsiedlungen der Bewoh- nen gegen gesetzliche Verschlechterungen was ner_innen der „Vila Autódromo“, einer Siedlung Frauenrechte betrifft sowie gegen männliche am Rande des Olympia-Parks. Die Nähe von Politiker, die weiterhin im Amt sind, obwohl Armensiedlungen zu den Sportstätten stört die sie nachweislich körperliche Gewalt gegen Immobilien-Spekulant_innen, die die Kampag- Kolleginnen angewandt haben. Das aktuelle nen der Stadtregierung mitfinanzieren und nach Stadtentwicklungsmodell stärkt weiterhin die neuen Grundstücken in einer wertvollen Region Ungleichheiten, Standards und Werte einer der Stadt eifern. Der Druck dieser Gruppe hat patriarchalen und rassistischen Gesellschaft schon den Großteil der Bewohner_innen vertrie- und damit die Privilegien für eine weiße, männli- ben, aber der Widerstand der wenigen Verblie- che, junge Minderheit. Durch diese Rückschritte benen geht weiter. entstehen zunehmend Widerstand und Zusam- Die Militarisierung der Favelas und die menstöße bzw. alternative Vorschläge. Speziell Übergriffe der Militärpolizei erschrecken eben- im Westen der Stadt, der am massivsten von falls sehr. In vielen bekannten Fällen kam es den Veränderungen betroffen ist, formiert sich zu Ermordungen von Bewohner_innen dieser der Widerstand der Frauen, um für ihre Rechte Stadtteile, wobei vor allem Jugendliche und zu kämpfen. die schwarze Bevölkerung betroffen waren. In Anbetracht all dieser Probleme – über- Am 28.11.2015 ermordete die Polizei fünf füllter öffentlicher Verkehr, verschmutzte Seen schwarze Jugendliche mit 111 Schüssen. Sie und Buchten voller toter Fische, zwangsumge- waren mit dem Auto unterwegs und feierten siedelte Familien, ermordete Söhne von arbei- 1. Video dazu: https://www.facebook.com/PACSInstituto/videos
7 7 tenden Frauen – hat die Bevölkerung Rios nun hätten die Fußball-WM und Olympia auch zu ei- Luxusappartements im verstanden: Die großen Projekte rund um die Me- ner Zunahme der Partizipation der Bevölkerung Zuge der Sportgroßereig- nisse. Stadterneuerungen ga-Events sind nicht im Interesse der Mehrheit, bei demokratischen Entscheidungen führen in Rio de Janeiro. sondern hinterlassen ein Erbe der Ausgrenzung, können. Militarisierung und Ökonomisierung der Stadt, Die Stadt vergibt eine große Chance, ihre © DKA, Ute Mayrhofer die immer mehr den Reichen und Mächtigen Bürger_innen anzuhören und konkrete Prozesse zugutekommt. So stieg in den letzten drei Jah- für den sozialen Wandel in die Tat umzusetzen. ren, während der Amtsperiode von Eduardo Das Projekt einer Stadt für die Bevölkerung, mit Paes als Bürgermeister von Rio, etwa der Preis sozialer Gerechtigkeit und einer realen Demokra- für U-Bahn-Tickets um 29,4% und bei anderen tie ist eingetauscht worden gegen ein anderes öffentlichen Verkehrsmitteln um 54,4%. Projekt, das den Gewinn Einzelner und private In- teressen über ethische Werte wie „Freundschaft und Respekt“ stellt. Diese Werte, die eigentlich Eine verpasste Chance? in der „Olympischen Charta“ niedergeschrieben Unsere Herausforderungen in diesem Kontext sind, wurden wohl überlesen. sind vielfältig und müssen über das Ende von Olympia im August 2016 hinausgehen. Groß Julia Bustamente und Thiago Silva arbeiten ereignisse wie die Fußball-WM oder die Olym- für PACS – Instituto Políticas Alternativas pischen Spiele hätten die Möglichkeit geboten, para o Cone Sul. Im Rahmen von Nosso Jogo eine gerechtere Stadt zu erschaffen. Viele der kooperiert die Organisation eng mit der Drei lange versprochenen Projekte hätten realisiert königsaktion der Katholischen Jungschar. werden können, wie etwa die Reinigung der Gu- PACS betreibt sozioökonomische Forschung anabara-Bucht. Auch der Sport in Schulen hätte und setzt sich für die Rechte der Bevölkerung, gefördert oder ein öffentliches Transportwesen die von Großprojekten bedroht ist, ein. Neben aufgebaut werden können, um den Bedürfnis- Forschung, Analysen und Publikationen arbei- sen der fast 13 Millionen Bewohner_innen der tet PACS mit lokalen Gruppen und Frauenorga- Metropolregion Rio gerecht zu werden. nisationen zu ihren politischen und ökonomi- Anstatt die Kriminalisierung der Bevölkerung schen Rechten. PACS war Gründungsmitglied voranzutreiben, anstatt Anti-Terrorismus-Geset- des Comitê Popular da Copa e Olympiadas und ze vorzuschlagen, die einen totalen Rückschritt spielt darin nach wie vor eine zentrale Rolle. in Bezug auf Rechte von sozialen Bewegungen und Kundgebungen bedeuten und mit einer Zunahme polizeilicher Gewalt, institutionellem Rassismus und Militarisierung einhergehen,
88 Sport und Menschenrechte – die Geschichte einer problematischen Beziehung Das IOC und die Olympische Spiele fördern entgegen ihrem Selbstlob keineswegs die Menschen- rechte. Die positive Wirkung der Bewegung wird in der UNESCO-Charta über Körperliche Erzie- hung und Sport festgehalten, die Mega-Events haben diesbezüglich noch Aufholbedarf. Johann Skocek Elizabeth Martin ist eine ältere Dame aus den rund drei Menschen pro eine Million Einwohner. USA, wie man sie kennt. Freundlich, kontakt- In Brasilien lag die Vergleichszahl bei zwölf freudig, leicht übergewichtig. Wer sie und ihre Toten. Das Problem: die Menschenrechtsver- Geschichte nicht kennt, könnte sie leicht un- letzungen und Gesetzesüberschreitungen terschätzen. Sie sitzt am Podium der internati- der brasilianischen Exekutive werden nicht onalen Konferenz über Gesellschaft und Sport, öffentlich kritisiert. Wer die Sommerspiele „Play The Game“, es ist Oktober 2015 in Aarhus, 2016 besucht, reist also in eine vom Zika-Virus im Meer vor dem Hotel surfen kälteresistente bedrohte Stadt mit vom Unrat verseuchten Dän_innen und Elizabeth Martin erzählt eine Badestränden und einer schießwütigen, irren Geschichte von eiskalter Brutalität. Ihr Neffe Polizeibrigade. Joseph war 2007 nach Rio gekommen, um dort mit ein paar Freunden seinen 30. Geburtstag zu feiern. Ein einheimischer Jugendlicher hatte Menschenrechte als flüchtiges Gut einem von Josephs Freunden das Geldbörsel Rio ist freilich nur ein besonders krasser Son- gestohlen, war jedoch von einem Polizisten derfall in einer langen, von menschenrechtli- geschnappt worden. Joseph und die Polizisten chem Ausnahmezustand geprägten Parallelwelt gerieten irgendwie in Streit miteinander und der Sport-Mega-Events. Die offizielle Litanei plötzlich fiel ein Schuss. Joseph Martin war tot, lautet zwar, dass Olympische Spiele, Fuß- Opfer der beinahe schon legendären Brutalität ball-Welt- und Europameisterschaften und wie der Polizei in Rio. die Ereignisse heißen mögen, zur Verbrüderung Seither ist seine Tante auf einer Mission. Sie der Menschen und überhaupt zu einer besseren warnt ahnungslose Olympia-Tourist_innen, im Welt beitragen. In der wirklichen Wirklichkeit Sommer 2016 vor der Polizei auf der Hut zu aber sorgen die Vorschriften des Internationa- sein. Ein Vergleich, der unsicher machen soll- len Olympischen Comittees (IOC), der FIFA und te: Die aufgrund vieler tödlicher Schüsse oft UEFA dafür, dass Gesetze außer Kraft gesetzt kritisierten Polizisten in den USA töteten 2013 werden, die das Geschäft der Organisator_innen und ihrer Finanziers (Sponsor_innen) beein- trächtigen könnten. Das begann bei Adolf Hitlers Ghettoisierung Olympismus der Juden und Jüdinnen im Rahmen der Som- Die Olympischen Spiele der Neuzeit wurden von dem französi- merspiele 1936 in Berlin. Ihnen wurde von den schen Pädagogen und Sportfunktionär Pierre de Coubertin ein- Nazi-Diktatoren die „moralische Qualität“ abge- geläutet. In der Olympischen Charta, dem Regel- und Ethik-Werk sprochen, Deutschland als Sportler_innen zu des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sind sieben vertreten. Und es endet bei der Vertreibung der Grundprinzipien des Olympismus festgeschrieben, oft auch als Armen aus den Favelas von Rio, weil ihnen das „Olympischer Gedanke“ zusammengefasst. Dies ist eine auf Cou- Recht abgesprochen wurde, mit ihrem armse- bertin zurückgehende Ideologie, die u. a. die Achtung fundamenta- ligen Leben den Sportstätten der Fußball-Welt- ler moralischer Prinzipien hervorhebt, den Wert des Sports für die meisterschaft 2014 und den Sommerspielen Völkerverständigung betont, oder etwa den Sport in den Dienst der 2016 im Weg zu stehen oder die Interessen von harmonischen Entwicklung der Menschheit, fern von Diskriminie- Immobilienhaien zu behindern. rung und Ausgrenzung stellt. Die offizielle Geschichte des Olympismus Siehe: http://www.olympic.org/Documents/olympic_charter_en.pdf. handelt vom friedlichen Wettstreit der Sport- ler_inn aus aller Welt in einer Atmosphäre der Offenheit, von der Pflege der kulturellen und
9 9 sportlichen Beziehungen der Völker der Erde. Aber was sagten die Menschen in Argentinien dazu, als die FIFA 1978 ihre WM den Diktatoren, die tausende Menschen hingeschlachtet hat- ten, zu Füßen legte? Was sagen heute die Fremdarbeiter_innen auf den Baustellen in Katar dazu, dass sie zur höheren Ehre der Scheichs und der Fuß- ball-WM 2022 unter deplorablen Umständen hackeln müssen und dafür auch noch funda- mentale Rechte wie die freie Wahl des Arbeits- platzes und der Ein- und Ausreise aufgeben müssen? Was sagen die Menschen in China dazu, wo 2008 die Sommerspiele stattfanden und 2022 die Winterspiele steigen, dass die Pressefreiheit unterdrückt wird? Entgegen den Voraussagen vieler Optimist_innen hat sich die Lage seit 2008 nicht verbessert, eher im Gegenteil. Ein positiver olympischer Impuls ist also ausgeb- lieben und er ist auch in Zukunft nicht zu erwar- ten. Alle diesbezüglichen Versicherungen sind Schutzbehauptungen, um das Geschäft nicht zu schmälern. Was sagten die Fans in den jeweiligen Ver- anstalterländern dazu, klärte man sie über das Kleingedruckte in den Verträgen mit den Sportverbänden auf? Dort werden Olympischer Friede und Fußball-Turnier als eine Art Ausnah- mezustand beschrieben, in dem grundlegende Rechte wie Erwerbs- oder Reisefreiheit außer Kraft gesetzt werden. Von den Steuerprivilegien der Sport-Konzerne ganz zu schweigen, die aber selbstverständlich dazu führen, dass die Steuerzahler_innen der Veranstalterländer in vielen Fällen noch viele Jahre an den für den Sport-Rausch eingegangenen Schulden zahlen und außerdem Einschränkungen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen in Kauf neh- men müssen. … dafür Russland, Aserbaidschan und Die Olympia-Fackel in China Peking, 2008. Kein Wunder also, dass sich die Events immer © Sanja Jelic Nicht Norwegen und Deutschland… öfter in Ländern wie Aserbaidschan, China oder In Europa reagiert die Zivilbevölkerung längst Russland abspielen, wo der Terminus Men- auf die Großmannssucht, Geldverschwendung schenrechte den Machthabern bestenfalls ein und Verweigerung zentraler Information im Lächeln entlockt. Wo die demokratische Kon- Zusammenhang mit den Mega-Events, indem trolle und damit der Hebel zur Durchsetzung sie in Oslo, München, Garmisch-Partenkirchen der bürgerlichen Gleichheit und fundamentaler und anderen Städten die Bewerbung um Olym- Menschenrechte fehlt. Wo die Korruption nicht pische Spiele abgelehnt hat. Es scheint, als wie in Österreich oder Deutschland ein Verstoß passen die Olympischen Spiele mit der von gegen die politisch-ökonomischen Regeln dar- ihnen gelebten Praxis der Menschenrechte stellt. Wo die Kooperation von privaten Inter- nicht mehr in eine offene Gesellschaft. Human essen, zum Beispiel der Bau von Sportanlagen Rights Watch und andere global agierende oder Straßen, und politischen Zielen wie ein Hüter der Freiheit werden nicht müde, die mit Image-Boost auf dem internationalen Markt, Sport-Events einhergehende Verschärfung der eine Selbstverständlichkeit ist und der Schutz sozialen Konflikte, steigender Immobilien- und der Umwelt kein Geschäft beeinträchtigen Konsumgüterpreise und Einschränkungen der wird, dort tut man sich mit der Organisation Bewegungsfreiheit anzuprangern. und Finanzierung von Mega-Events ungleich leichter.
1010 IOC-Hauptquartier in Im Good Governance Report des Dänischen ziehung und Sport“ (2015) hält Artikel 1 fest, Lausanne, Schweiz. Instituts für Sportstudien, der Sporthochschule Sporterziehung, körperliche Aktivität und Sport © Wikimedia Commons/ Köln und des Europäischen Zentrums für Jour- seien fundamentales Recht für alle. Das hat Nizar Kerkeni nalismus wird die beginnende und in der Ver- auf den ersten Blick zwar nur am Rande mit weigerung der Zivilbevölkerung sichtbare Legiti- Mega-Events und deren problematischen Sei- mationskrise des Sport-Business nach diversen ten zu tun, doch in weiteren Artikeln heißt es, Parametern und eben auch nach der Beachtung Sport müsse zur Gleichheit in der jeweiligen der Menschenrechte in den internationalen Gesellschaft beitragen und alle damit befass- Sportverbänden untersucht. Der Report enthält ten Parteien und Interessengruppen müssten auch Vorschläge, wie der Respekt der jeweiligen dafür sorgen, dass er ökonomisch, ökologisch Veranstalter_innen und Verbände vor Menschen- und sozial nachhaltig betrieben und organisiert rechten zu überwachen wäre. Unter anderem werde. Das ist ein mehr als deutlicher Hinweis wäre damit sicherzustellen, dass weder Kinder- darauf, dass Events wie die Olympischen Spiele arbeit, noch Diskriminierung irgendeiner, sei es in Sotschi (2014) und China (2008, 2022) oder geschlechtlicher, religiöser, sexueller oder na- die geplante Fußball-WM 2022 in Katar den tionaler Art, vorliegt, Freiheit von Zwangsarbeit Kriterien der UNESCO zuwiderlaufen. und Freiheit des Handels herrsche. Bisher hat freilich weder die UNO noch ein an- deres politisches Gremium eine Handhabe, IOC, FIFA oder UEFA zu einer Änderung ihrer Verträge oder Vergabepraxis zu zwingen. Doch die anhal- Menschenrechtsverletzungen tenden Korruptionsskandale und der Abschied Menschenrechtsverletzungen bei Sportgroßereignissen sind in der großer Sponsoren (Nestle, adidas) von ihren Geschichte keine Ausnahme. Zwei im negativsten Sinne heraus- Verbandspartner_innen birgt immerhin die Hoff- ragende Beispiele stellen München 1972 und Argentinien 1978 nung, dass eine Änderung der beklagenswerten dar. Während die Olympischen Sommerspiele in München 1972 Zustände bevorstehen könnte. Wenn auch nur von der Geiselnahme israelischer Sportler_innen durch eine palästi- aus naheliegenden wirtschaftlichen Überlegun- nensische Terrorgruppe mit 17 Todesopfern überschattet wurden, gen. Das wäre zwar noch nicht ethisch sauber, war Argentinien während der Fußball-WM 1978 regiert von einer aber ein Anfang, der das Sportbusiness zu mehr Militärdiktatur, die von Entführungen, Folterungen und Ermordungen Respekt vor den Menschenrechten zwingen geprägt war. Heute geht man von bis zu 30.000 Todesopfern aus. könnte. Johann Skocek ist freier Journalist und Es gibt Hoffnung schreibt unter anderem für die Tageszeitung Die Beziehung von Sport und Menschenrecht Die Presse, die Wochenzeitung FALTER oder kann auch in einer anderen Weise gedacht das Monatsmagazin datum. werden, und damit beschäftigt sich die UNESCO. In der „Internationalen Charta über Körperer-
11 11 Die Internationale Öffentlichkeit als Chance Ein Gespräch mit der ehemaligen Olympiateilnehmerin Sylvia Schenk von Transparency Interna- tional Deutschland zu den Einflussmöglichkeiten von IOC und FIFA und der besonderen Rolle der Weltöffentlichkeit in Menschenrechtsfragen und der Bekämpfung von Korruption bei Sportgroß ereignissen. Interview: Martin Kainz, Text: Bernadette Schönangerer In der Olympischen Charta steht, dass es Ziel ganzen Land bekämpfen, aber man kann sagen, des Olympismus ist, den Sport in den Dienst wir erwarten für die Organisation der Veranstal- der harmonischen Entwicklung der Mensch- tung Transparenz hinsichtlich der Verwendung Sylvia Schenk heit zu stellen, um eine friedliche Gesellschaft von Geldern, ein gutes Compliance-System für zu fördern, die der Wahrung der Menschenwür- das ganze Organisationskomitee und für die de verpflichtet ist. Sehen Sie diesen Grund- Infrastrukturprojekte, die für die Olympischen satz im Rahmen von Rio 2016 erfüllt? Spiele gebaut werden, wir möchten ein Moni- Wie bei allen Olympischen Spielen bisher wird toring von außen und unabhängige Kontrollen. es so sein, dass dieser Grundsatz teilweise Das kann man alles in einem Host-City-Vertrag umgesetzt wird und es in anderen Bereichen festlegen. Dann müssen sich die Bewerber_in- Defizite gibt. In Rio gab es nach meiner Erkennt- nen eben überlegen, ob sie sich für die Organi- nis sowohl Zwangsumsiedlungen mit zum Teil sation der Olympischen Spiele solchen Vorga- problematischen Folgen für die Betroffenen ben unterwerfen. Diese Diskussion kommt für als auch große Korruption. Gleichzeitig gibt Brasilien aber zu spät, weil der Vertrag bereits es durch den öffentlichen Fokus auf Brasilien 2009 unterschrieben wurde. Bis zu dem Zeit- auch die Möglichkeit, auf diese Probleme hin- punkt, an dem der Vertrag unterschrieben wird, zuweisen. Im Hinblick auf Transparenz gab es haben die Sportverbände einen großen Hebel, einige Maßnahmen, was dann allerdings durch denn alles wird zugesagt, um die Bewerbung die vielen Korruptionsfälle wieder konterkariert durchzubekommen. Das heißt, die Verbände wurde. Brasilien arbeitet jedoch an der Transpa- sollten im Vertrag möglichst klare und praktika- renz und hat zum Teil weitreichendere Gesetze ble Vorgaben festlegen. Mittlerweile gibt es ein als Deutschland, was zum Beispiel die Veröf- wunderbares Handbuch vom UNODC (UN Office fentlichung von Sponsoringsummen betrifft. on Drugs and Crime) zu Antikorruptionsmaß- Meine Einschätzung ist, man hätte diese Dinge nahmen bei Großveranstaltungen, das zum Bei- schon vor der Vergabe, bei der Verhandlung des spiel zum Pflichtdokument für die Umsetzung Host-City-Vertrages stärker berücksichtigen Olympischer Spiele gemacht werden könnte. müssen, um in Brasilien wirklich eine positiv Genauso könnten in Menschenrechtsfragen die Entwicklung zu fördern. UN Guiding Principles on Business and Human Rights auf die Durchführung Olympischer Spiele oder einer Fußballweltmeisterschaft übertragen Stichwort Zwangsumsiedlungen und Korrupti- werden. Probleme gibt es noch mit der Frage, on in Brasilien: Wo sehen Sie die Verantwor- was man macht, wenn die Verträge nicht einge- tung für die Aufhebung dieser Defizite? Die halten werden. Derzeit gibt es dafür keine wirk- Argumentation der Verbände ist, dass sie für lich gute Lösung. die professionelle und gute Durchführung des Events verantwortlich sind. Alles was rundher- um passiert, dafür seien Gastgeberländer und Sind die Verträge für Russland 2018 und Katar Städte verantwortlich. 2022 bereits unterzeichnet oder kann man Das stimmt zum Teil, allerdings können Orga- hier noch etwas tun? nisationen wie das IOC oder die FIFA durch den Die Verträge werden immer sofort mit der Verga- Host-City-Vertrag durchaus Einfluss nehmen. be unterzeichnet. Das ist ja das Spannende. Wir Natürlich können sie nicht die Korruption im haben sowohl im Fußball als auch bei den Olym-
1212 pischen Spielen einen Bewerbungsprozess, in teilgenommen haben, für Bahrain und Sau- Agenda 2020 dem parallel die Bewerbung als solches über- di-Arabien jedoch beispielsweise nur zwei oder Die Agenda 2020 prüft wird und bereits die Pläne in den Vertrag drei. Man kann natürlich sagen, das sei viel zu wurde 2014 vom gegossen werden. Das IOC hat im September wenig, allerdings ist auch die Frage, was es im IOC vorgestellt und letzten Jahres den Host-City-Vertrag für 2024 islamischen Kulturkreis und für diese Länder, ist ein Reformpaket veröffentlicht und sich Änderungen aufgrund in denen Frauen bis vor kurzem zum Beispiel mit zukünftigen der in Rio gemachten Erfahrungen vorbehalten. nicht Autofahren durften, bedeutet, wenn eine Zielrichtungen Der Vertrag wird in einem offenen Bewerbungs- Frau im Olympiastadion mit einmarschiert. Auf in Form von 40 prozess damit angefüllt, was die Bewerber- der Signalebene können Olympische Spiele Empfehlungen, städte anbieten. Das wird im Detail verhandelt Unglaubliches bewirken und in einzelnen Län- um die Austragung und liegt für alle Städte unterschriftsreif am Tag dern damit etwas anstoßen. Das ist ein erster von Olympischen der Entscheidung im September 2017 in Lima Schritt, danach muss man dafür sorgen, dass Spielen grundsätz- bereit. Die Stadt, die gewählt wird, unterschreibt auch der Mädchensport in Schulen gefördert lich billiger, sowie den Vertrag direkt im Anschluss. wird. Das könnte zum Beispiel in einem Host-Ci- zugrunde liegende ty-Vertrag ganz konkret drinstehen und wäre ein Prozesse zukünftig wichtiger Punkt für ein islamisches Land, um transparent(er) zu Oft wird die Frage gestellt, was kleine Länder eine Basis zu schaffen. In einzelnen Bereichen machen. Besonders wie zum Beispiel Österreich gegen Menschen- wirkt die Agenda 2020 bereits, zum Beispiel erwähnenswert ist rechtsverletzungen im Rahmen von Sportgro- in Bezug auf „Gigantismus“ und Einsparungen dabei Empfehlung ßereignissen tun können. Was kann ein Land bei den Sportstätten. Es hilft natürlich den je- 4, die besagt, dass tun? Welche Verantwortung haben die Länder, weiligen Ländern, wenn weniger Geld für teure soziale und wirt- deren Sportler_innen und deren Verbände? Sportstätten aufgewendet wird und dafür mehr schaftliche Nach- In der globalen Welt tragen wir immer ein Stück für den sozialen Bereich zur Verfügung steht. In haltigkeit als Teil weit Verantwortung, zum Beispiel darüber, Bezug auf Menschenrechte wurde in die Charta der Olympischen welches T-Shirt wir kaufen, auch für die Arbeits- aufgenommen, dass sexuelle Orientierung kein Bewegung in allen bedingungen in Bangladesch. Das Bewusstsein Diskriminierungsgrund mehr sein darf. Die Wir- Aspekten bedacht darüber, dass das eigene Konsumverhalten Aus- kung ist in diesen Bereichen allerdings schwer werden soll. Oder wirkungen in anderen Ländern hat, beginnt sich zu messen. Bei der FIFA wird es wichtig sein, wie etwa Empfehlung gerade erst durchzusetzen. Zu der Frage, was ein der Vertrag und die Bewerbungsbedingungen 14, die festhält, Land tun kann, muss ich zwischen dem Land, für 2026 gestaltet werden. Hier arbeitet die FIFA dass Diskriminie- dem einzelnen Sportverband und dem Nationa- bereits mit John Ruggie zusammen, der die rung aufgrund se- len Olympischen Komitee (NOK) unterscheiden. UN Guiding Principles on Business and Human xueller Orientierung Das NOK hat keine Stimme im IOC. Stimmberech- Rights verfasst hat. verboten ist. tigt sind dort nur die persönlichen Mitglieder. Siehe: http://www. Diese gelten als Repräsentant_innen des IOC in olympic.org/olym- ihrem Land, nicht als Repräsentant_innen des Sie sind für Transparency International pic-agenda-2020 Entsendelandes im IOC. Das heißt, Österreich Deutschland in mehreren auch internationalen kann nicht direkt im IOC abstimmen, aber Posi- Expert_innengruppen vertreten. Geht es auf tionen vertreten. Außerdem ist es wichtig, dass der internationalen Ebene in erster Linie um man im eigenen Land entsprechend arbeitet das Erarbeiten von Empfehlungen in Bezug auf und zum Beispiel das eigene Olympia-Team Menschenrechte im Rahmen von Sportgroß informiert, damit sowohl die Sportlerinnen und ereignissen oder auch tatsächlich um Gesetz- Sportler als auch die österreichischen Fans nicht gebungen? Geht es um internationalen Druck völlig unkritisch hinfahren und eine Ahnung ha- oder kann man auch rechtlich etwas tun? ben, was an Positivem und Negativem mit dem Fast alle Länder haben bereits die internationale Ausrichterland verbunden ist. Menschenrechtskonvention und die ILO2-Nor- men anerkannt. Mehr als eine Konvention und internationale Standards durchzusetzen kann Ab wann werden aus Ihrer Sicht bedeutende man im Normalfall auf der rein rechtlichen Ebe- Verbesserungen aus menschenrechtlicher ne global nicht machen. Die Frage ist, ob diese Perspektive durch die Agenda 2020 zu bemer- auch umgesetzt werden. Die UN Guiding Prin- ken sein? ciples on Business and Human Rights setzen Das ist ein schwieriger Prozess, manches geht dann in der Praxis an, bei den Unternehmen, die schnell, manche grundlegenden Änderungen ja nicht für die Umsetzung der Menschenrechte brauchen länger. Gerade habe ich einen Text verantwortlich sind, aber dafür, sie zu respektie- über die Teilnahme von Frauen an Olympischen ren. Ähnliches brauchen wir für den Sport. Auch Spielen gelesen. Darin wurde kritisiert, dass in die EU macht öffentlichen Druck. Das zeigt, dass London zwar erstmals in allen Teams Frauen diese Themen politisch wichtig geworden sind 2. ILO = International Labour Organisation (Internationale Arbeitsorganisation) der Vereinten Nationen.
13 13 und die Sportverbände nicht mehr wie früher sagen können, dass sie allein für die organisato- FIFA und John Ruggie rische Durchführung des Events verantwortlich Um Menschenrechte zunehmend in der Arbeit der FIFA zu sind, sondern auch an den damit verbundenen verankern, hat sich diese John Ruggie an Bord geholt. Er Risiken arbeiten müssen. ist Politikwissenschaftler an der Universität Harvard und wurde 2005 zum Sonderbeauftragten für Menschenrechte der Vereinten Nationen bestellt. Ruggie ist seines Zeichens Sie haben 1972 als Athletin an den Olympi- federführend für die so oft als bahnbrechend beschriebenen schen Spielen in München teilgenommen. Wie UN Guiding Principles on Business and Human Rights (UN hat sich allgemein Ihr Blick auf die Olympi- Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte) ver- schen Spiele, wiederum in menschenrechtli- antwortlich. Mehr dazu siehe weiter hinten im Heft und unter: cher Perspektive, verändert? http://www.ohchr.org/Documents/Publications/GuidingPrinci- Die Spiele in München waren ja im eigenen plesBusinessHR_EN.pdf. Land. Zu diesem Zeitpunkt hat man über Men- schenrechte gar nicht nachgedacht. Anderer- seits gab es 1972 praktisch vor unseren Augen das Attentat auf das israelische Team. Wir haben gesehen, wie verletzlich die olympische Idee des friedlichen Zusammenkommens ist und dass die Probleme der Welt auch direkt in die Olympischen Spiele hinein wirken. Als sehr jun- ge Athletin hat mich die Black-Power-Bewegung und die Demonstration von Tommie Smith und John Carlos bei der Siegerehrung zum 200-Me- ter-Lauf 1968 stark beeindruckt. Hier wurde deutlich, welche Symbolwirkung die Olympi- schen Spiele für den Kampf gegen Rassismus haben können. Einerseits werden Schwarze in den USA nach wie vor erheblich benachteiligt, aber wenn sie Gold feiern, dann ist ganz Ame- rika stolz. Diese Widersprüchlichkeit hat sich mir damals sehr deutlich gezeigt. Heute fragt man generell nach den Widersprüchen bei den Olympischen Spielen, zwischen dem, was man © ShipFan/commonswiki in der Olympischen Charta formuliert hat, wäh- Black Power rend man sich andererseits nicht ausreichend Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko erhoben die um Zwangsräumungen und andere Probleme US-amerikanischen Sprinter Tommie Smith (Goldmedaille) und kümmert, die mit der Durchführung verbunden John Carlos (Bronze), während bei der Siegerehrung die Natio- sind. Das heißt, man wirft einen breiteren Blick nalhymne ertönte, jeweils eine Faust (siehe Bild). Während Smith auf Olympische Spiele und das ist auf jeden Fall damit seinen Stolz, Schwarzer zu sein symbolisierte, zeigte Carlos positiv und die Chance, dass sich etwas zum seine Solidarität mit den Arbeitnehmer_innen. Die Aktion hatte Guten verändert. große Aussagekraft und zählt nach wie vor zu den bekanntesten Protestaktionen im Sport. Sind Sie optimistisch, dass sich durch die öffentliche Diskussion von Menschenrechten im Sport an. Ich bin durchaus optimistisch, dass im Rahmen von Sportgroßereignissen und sich das fortsetzen wird. Generell ist bei den Reformprozesse bei IOC und FIFA etwas zum Sportgroßveranstaltungen inzwischen einiges Positiven ändert? in Bewegung gekommen. Die Diskussion um unsere Verantwortung bei der Umsetzung der Menschenrechte kommt Sylvia Schenk nahm für die Bundesrepublik erst jetzt auch in der Wirtschaft richtig an. Seit Deutschland im 800-m-Lauf an den Olympi- etwa Mitte der 90er Jahre geht man gegen das schen Sommerspielen 1972 in München teil. Problem der Kinderarbeit vor, davor war das Von 2001 bis 2004 war sie Präsidentin des nicht wirklich ein Thema. Das Bewusstsein über deutschen Radsportverbandes. Von 2006 bis den Zusammenhang zwischen dem Zusam- 2013 war die gelernte Juristin im Vorstand menbruch eines Fabrikgebäudes in Banglade- von Transparency International Deutschland, sch und der Firma, die die T-Shirts herstellt, die von 2007 bis 2010 Vorsitzende desselben. man gerade gekauft hat, hat sich erst in den Zurzeit leitet sie die „Arbeitsgruppe Sport“ der letzten Jahren entwickelt und kommt jetzt auch Organisation.
1414 Zur Frage der staatlichen und unternehmerischen Verantwortung Sport-Mega-Events und Menshenrechte stehen in einem ambivalenten Verhältnis. Welche Ver- antwortung haben dabei Staaten und Sponsor_innen einerseits und internationale Sportverbän- de sowie Athleth_innen anderseits? Und welche guten Beispiele existieren bereits? Barbara Linder, Claudia Sprenger und Judith Tutzer, Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) as Wichtige an den Olympischen Spielen ist nicht zu siegen, D 67.000 Menschen umgesiedelt.3 In den letzten sondern daran teilzunehmen; ebenso wie es im Leben unerlässlich drei Jahren gingen die Räumungen mit unge- ist, nicht zu besiegen, sondern sein Bestes zu geben.“ hinderter bzw. sogar gesteigerter Vehemenz Pierre de Coubertin, 1908 weiter.4 Militarisierung, Rassismus, willkürliche Verhaftungen und gewaltsames Vorgehen ge- Bei Sportgroßereignissen, wie zuletzt der gen Demonstrant_innen nehmen zu.5 FIFA-WM in Brasilien oder den Olympischen Internationale Investoren und vor allem die Spielen in Sotschi, scheint es immer weniger Regierung steuern Milliarden bei, um das sport- um den sportlichen Wettkampf zu gehen als um liche Großereignis im besten Licht erstrahlen zu die Ereignisse rund um die Vorbereitung und lassen. Leider geht dies nur allzu oft auf Kosten Durchführung dieser globalen Events. jener, die hinter den Kulissen die Umsetzung Angesichts von FIFA-Skandalen, dem ermöglichen. Der Bedarf an vorübergehenden Bei den olympi- Massensterben auf den WM-Baustellen in Katar Arbeitskräften ist groß und die schnellen Ver- schen Spielen in oder den Vertreibungen und Umsiedlungen zur dienstmöglichkeiten auf den Großbaustellen Sydney 2000 hat Vorbereitung der Olympiade in Rio de Janeiro, sind für Arbeitssuchende, darunter auch viele die „Sydney Olympic kommen immer mehr auch Menschenrechts- Migrant_innen, verlockend. Park Authority“ ein verletzungen und damit zusammenhängend In der Praxis führt dies jedoch zu zahlreichen Protokoll ausgear- die Verantwortung von Staaten, veranstaltenden Verletzungen von Arbeitsrechtsstandards und beitet, das Richtli- Organisationen, Sponsor_innen, beteiligten Un- im schlimmsten Fall sogar zu Zwangsarbeit und nien für öffentliche ternehmen und Sportler_innen zur Sprache und sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen. Arbeiter_ Beamte über die lösen Diskussionen und Proteste aus. innen erhalten teilweise keinen Lohn und leben Umgangsweise mit Das nächste Großereignis findet im Sommer in menschenunwürdigen Unterkünften.6 Obdachlosen ent- in Brasilien statt. Seit Rio de Janeiro 2009 zum hält.* Austragungsort der Olympischen und Paralym- pischen Spiele 2016 auserkoren wurde, hat Verantwortung von Firmen * Institute for Human sich die Menschenrechtslage entgegen den Auch bedeutende österreichische Unter- Rights and Business, Versprechungen der Regierung in und um den nehmen7 wie etwa Doppelmayr Seilbahnen, Striving for Excellence. Austragungsort deutlich verschlechtert. Kornspitz, erima, Stiegl oder Ströck investieren Mega-Sporting Events Nach Schätzungen des brasilianischen als Partner des ÖOC in Rio und sind mit men- and Human Rights, „Comitê Popular“, eines Netzwerks zivilgesell- schenrechtlichen Problemen konfrontiert. Für S. 26. schaftlicher Organisationen, wurden aufgrund sie stellt sich die Frage, wie sie diesen Risiken der Olympischen Spiele bis 2013 bereits in ihrer Unternehmenspraxis am besten begeg- 3. https://comitepopulario.wordpress.com/category/noticias/ (Zugriff: 08.02.2016) 4. http://www.dka.at/themen/kinder-jugend/olympia-2016-rio-de-janeiro/; http://www.rioonwatch.org/?p=24009 (Zugriff: 08.02.2016) 5. World Cup and Olympics Popular Committee of Rio de Janeiro, Mega-Events and Human Rights Violations in Rio de Janeiro Dossier November 2015, Rio 2016 Olympics: The Exclusion Games, S. 101–108. 6. http://www.insidethegames.biz/articles/1029431/rio-2016-olympic-village-workers-living-in-conditions-simi- lar-to-slavery-brazilian-prosecutor-claims; http://www.reuters.com/article/2014/04/14/us-olympics-brazil-i- dUSBREA3D16B20140414 (Zugriff: 08.02.2016); World Cup and Olympics Popular Committee of Rio de Janei- ro, Mega-Events and Human Rights Violations in Rio de Janeiro Dossier November 2015, Rio 2016 Olympics: The Exclusion Games, S. 55–62. 7. ÖOC: http://www.olympia.at/ (Zugriff: 09.02.2016)
15 15 nen können, welche Verantwortung sie tragen rechtsstandards basieren sie auf drei Säulen: Eine Demonstration in Rio und wie sie konstruktiv zur Verbesserung der der staatlichen Verantwortung gegen Men- de Janeiro: „Olympische Spiele für wen?“ Menschenrechtslage in ihrem Einflussbereich schenrechtsverletzungen von Unternehmen zu beitragen können. schützen (responsibility to protect), der unter- © PACS, Comitê Popular nehmerischen Verantwortung, Menschenrechte in ihren Tätigkeiten zu achten (responsibility to Good Practice: Unternehmen respect) sowie der Verantwortung von Staaten Es kann positiv berichtet werden, dass in den und Unternehmen, Opfern von Menschen- letzten Jahren der Druck, gute Menschenrecht- rechtsverletzungen Zugang zu gerichtlichen und spraktiken aufzuweisen, dazu geführt hat, dass außergerichtlichen Verfahren zu verschaffen mehr Zulieferunternehmen diesbezügliche (access to remedy). Standards und Mechanismen zu deren Überwa- Die UN-Leitprinzipien anerkennen, dass die chung einführen.8 primäre menschenrechtliche Verantwortung Auch Sponsor_innen zeigen mehr Handlungs- weiterhin beim Staat liegt. In diesem Fall betrifft bereitschaft, aus Sorge um ihr Image. So haben dies in erster Linie Brasilien als veranstaltendes Thomson Reuters und Vodafone beschlossen, Land (host country) welches beispielsweise ihre Förderungen für den Formel 1 Grand Prix menschenrechtskonforme Gesetze betreffend Vor der Weltmeister- in Bahrain 2013 wegen der anhaltenden Men- Arbeitnehmer_innenschutz, Umsiedlungen und schaft in Deutsch- schenrechtskrise vor Ort zu kürzen.9 Eine Studie Entschädigungen oder Partizipation erlassen land 2006 haben hat gezeigt, dass sich 63% der Sponsor_innen und implementieren sowie die umfassende die Internationale der Spiele in London 2012 in ihren Strategien Einhaltung von Menschenrechtsstandards Organisation für auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und bei der Durchführung der Olympischen Spiele Migration, die Menschenrechte (UN Guiding Principles on verlangen muss. Weiters muss im Fall von Men- „MTV Europe Foun- Business and Human Rights) beziehen.10 schenrechtsverletzungen der Zugang zu effekti- dation“ und die ven Rechtsmitteln gewährleistet sein. Schwedische Ent- In zweiter Linie tragen auch diejenigen Län- wicklungsagentur Menschrechtsstandards der Verantwortung, in denen die ausländischen Maßnahmen zur Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Firmen, die in Rio tätig werden, ihren Sitz haben Sensibilisierung Menschenrechte sind die derzeit wichtigsten (host state). So ist beispielsweise Österreich zum Thema Men- international anerkannten Standards betreffend dazu verpflichtet, seine Unternehmen und Ver- schenhandel und die menschenrechtliche Verantwortung von anstalter zur Einhaltung der Menschenrechte Zwangsprostitution Unternehmen.11 anzuhalten. durchgeführt.* Aufbauend auf internationalen Menschen- * http://www.rferl. org/content/arti- 8. Institute for Human Rights and Business, Striving for Excellence. Mega-Sporting Events and Human Rights, cle/1069191.html; S. 12–13. Institute for Human 9. Ebd., S. 23. Rights and Business, 10. Ebd., S. 24–25. Striving for Excellence. 11. Guiding Principles on Business and Human Rights, Implementing the United Nations „Respect, Protect and Mega-Sporting Events Remedy“ Framework, http://www.ohchr.org/Documents/Publications/GuidingPrinciplesBusinessHR_EN.pdf and Human Rights, (Zugriff 11.02.2016); weitere relevante Standards sind die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, S. 26. http://www.oecd.org/corporate/mne/48808708.pdf (Zugriff 11.02.2016).
1616 Corporate Social Responsibility Die Leitprinzipien betonen aber, dass es unab- hängig von der staatlichen auch eine eigene unternehmerische Menschenrechtsverantwor- tung gibt, welche sich gleichsam an alle unter- nehmerischen Akteur_innen wendet. Im Rahmen der Olympischen Spiele sind dies nicht nur Unter- nehmen, die in Rio tätig sind, sondern auch Spon- sor_innen, Veranstalter_innen und Medien. Sie alle sind gemäß den Leitprinzipien dazu angehalten, eine Menschenrechtsstrategie zu entwickeln, einen menschenrechtlichen Sorgfaltsprozess durchzuführen und allenfalls einen Beschwer- demechanismus einzurichten. Bislang ist die unternehmerische Verantwortung zwar allgemein anerkannt, aber noch nicht international rechtlich durchsetzbar, man spricht in diesem Zusammen- hang von soft law. Verletzungen der corporate responsibility ziehen jedoch häufig beträchtliche, kostspielige Reputationsschäden nach sich. Für österreichische Wirtschaftstreibende in Rio bedeutet dies, dass sie potentielle nega- tive menschenrechtliche Auswirkungen ihrer Tätigkeit im Rahmen von Risikoanalysen iden- tifizieren und ihnen rechtzeitig entgegenwirken sollten. Dem Dialog mit den Betroffenen und lokalen NGOs kommt dabei besondere Bedeu- Vergabeentscheidungen einfließen. In der tung zu. Für den Fall, dass Menschenrechtsver- einstimmig beschlossenen IOC-Strategie finden Das „Vancouver Orga- letzungen vom Staat begangen werden, sollten sich auch Ansätze jener Forderungen, die die nising Committee“ hat Unternehmen jedenfalls sicherstellen, dass sie Initiative Nosso Jogo im Rahmen der Petition bei den Winterspielen sich nicht mitschuldig machen, indem sie etwa anlässlich der FIFA WM 2014 gefordert hat. In in Vancouver 2010 von Polizei und Militärgewalt zur Durchsetzung Empfehlung 4 hält das IOC fest, dass soziale die ersten Nationen in ihrer Interessen profitieren. und wirtschaftliche Nachhaltigkeit als Teil der alle Aspekte der Spiele Olympischen Bewegung in allen Aspekten be- mit einbezogen, was dacht werden soll. In Empfehlung 14 ist festge- Internationale Sportverbände halten, dass Diskriminierung aufgrund sexueller dazu geführt hat, dass das IOC die indigenen Bei den Olympischen Spielen kommt traditionell Orientierung verboten ist. Bevölkerungen als auch dem internationalen Veranstalter IOC eine Auch die FIFA zeigt erste Anzeichen für ein Partner anerkannt hat, große Rolle zu. Dieser sollte seinen Einfluss und Engagement für Menschenrechte. Das „2014 ihnen Geschäftsmög- seine Macht dazu nutzen, von Sportveranstaltern FIFA World Cup Sustainability Strategy Con- lichkeiten eröffnet sowie kommerziellen Partnern die Einhaltung von cept“12 enthält Standards, welche auf die UN wurden und ihre Menschenrechten bei den Spielen zu verlangen. Guiding Principles aufbauen und menschen- Kultur und athleti- rechtliche Sorgfaltspflicht (due diligence) der schen Erfolge sichtbar Unternehmen und Beschwerdemechanismen Good Practice: veranstaltende fordert. Sie hat sich außerdem öffentlich dazu werden konnten. Das Organisationen bekannt, den Schutz der Arbeitnehmerrechte, VANOC hat außerdem den „Licensee Code Die Forderung nach Menschenrechtsstandards einschließlich Wanderarbeitnehmer, zu unter- of Conduct“ und den bei Sportgroßveranstaltungen zeigt auch in der stützen.13 Kürzlich hat die FIFA John Ruggie, „Supplier Code of Olympischen Bewegung erste Wirkung. 2015 den in Graz geborenen UN-Sonderbeauftragten Conduct“ eingeführt, beschloss das IOC die „Agenda 2020“. Kriterien für Menschenrechte, beauftragt, Richtlinien zu um Arbeitnehmer- und wie Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Um- Menschenrechtsstandards für die WM-Austra- Menschenrechte zu weltschutz sollen in Zukunft in die olympischen gungsstätten zu formulieren.14 schützen. * 12. http://www.fifa.com/mm/document/fifaworldcup/generic/02/11/18/55/sustainabilitystrategyconcept_neutral.pdf * Vancouver 2010 13. Building a Better World Cup Protecting Migrant Workers in Qatar Ahead of FIFA 2022, ©Human Rights Watch Sustainability Report, 2012. Institute for Human Rights and Business, Striving for Excellence. Mega-Sporting Events and Human http://www.olympic.org/ Rights, S. 20. news/vanoc-releases- 14. New Delhi Times, FIFA’s Plan to adopt UN’s guiding principles on human rights could be a pioneer in global final-sustainability-re- sports, 4. Januar 2016, www.newdelhitimes.com/fifas-plan-to-adopt-uns-guiding-principles-on-human-rights- port/110042 -could-be-a-pioneer-in-global-sports123/ (Zugriff 10.02.2016).
17 17 Bei den olympischen Sommerspielen in London 2012 wurden Nachhaltigkeit und Menschenrechte das erste Mal von Anfang an adressiert. Die Londoner „Olympic Delivery Authority (ODA)“ hat Standards in den Bereichen Bar- rierefreiheit, Gleich- berechtigung und Inklusion, Gesundheit und Sicherheit entwi- ckelt, auf die alle Un- ternehmen überprüft wurden. Besonders hervorzuheben ist die Gründung der „Commission for Sustainable London 2012“, eines unab- hängigen Organs mit der Aufgabe, Men- schenrechtsfragen Fensterreiniger am WM-Stadion in Pernambuco. Cathy Freeman bei den Spielen in Sydney 2000. wie Diversität, Ge- Deutsche Olympionik_innen trugen in Peking sundheit und Sicher- © DKA, Christian Herret 2008 blau-grüne Solidaritäts-Bändchen mit heit sowie Standards dem Slogan „Sport for Human Rights“. Zuletzt in der Lieferkette zu trugen bei der Eröffnungszeremonie der Som- überprüfen.* Außer- merspiele in London 2012 Persönlichkeiten dem hat das Londoner Die Rolle von Sportler_innen aus dem Menschenrechts- und humanitären Organisationskomitee Nicht zuletzt spielen auch Sportler__innen eine Bereich die olympische Flagge. Diese Spiele der Olympischen Rolle in der Realisierung von Menschenrechten. fielen außerdem durch die erste Teilnahme von und Paralympischen Die Rolle von Athleth_innen ist medial sehr stark, weiblichen Athletinnen für Saudi Arabien, Katar Spiele (LOCOG) einen rechtlich jedoch sehr schwach. Sie unterliegen und Brunei auf. innovativen Be- meist strengen Verwertungsbedingungen und schwerde- und Kon- Weisungen der einzelnen Sportverbände. Sie Die hier angeführten Herausforderungen fliktlösungsmecha- könnten allerdings ihre Präsenz und Bekannt- und Probleme verdeutlichen das zwiespäl- nismus entwickelt, heit nutzen, um auf die Arbeitsbedingungen tige Verhältnis zwischen Durchführung von um mit Beschwerden all jener aufmerksam zu machen, die an der Sportgroßereignissen und der Einhaltung der bei Verstößen in der Ermöglichung dieser Großevents beteiligt sind Menschenrechte. Dennoch verweisen die hier Anwendung seines und für faire Arbeitsbedingungen und die Ach- aufgezählten positiven Beispiele darauf, dass „Sustainable Sourcing tung der Rechte und Würde jener eintreten, die internationale und nationale Sportverbände, Ver- Codes“ umgehen zu von Menschenrechtsverletzungen betroffen anstalter, Unternehmen und die aktiven Sport- können. Dieser wurde sind. ler_innen Handlungsmöglichkeiten besitzen, um auf Anfragen verschie- Verantwortung für die universelle Durchsetzung dener Akteure um von Menschenrechte zu übernehmen. den „Ethical Trading Good Practice: Athlet_innen Initiative’s Base Code“ In der Geschichte der Olympischen Spiele gab Barbara Linder, Claudia Sprenger und Judith erweitert, um Arbeits- es auch einige positive Meilensteine im Kampf Tutzer beschäftigen sich am Ludwig Boltz- rechte zu schützen.** für Menschenrechte. Mit symbolträchtigen mann Institut für Menschenrechte (BIM) mit Aktionen nutzten Sportler_innen immer wieder dem Thema Menschenrechte in der Entwick- *http://www.cslondon.org/ Olympische Spiele als Plattform zur Förderung lungszusammenarbeit und Wirtschaft. Das ** Institute for Human von Menschenrechten: Legendär etwa die BIM wurde 1992 gegründet und ist ein unab- Rights and Business, geballten Fäuste von Tommie Smith und John hängiges Forschungsinstitut welches sich mit Striving for Excellence. Carlos bei den Olympischen Spielen in Mexiko Menschenrechtsschutz auf nationaler, europä- Mega-Sporting Events 1968 als Symbol des Protestes gegen Rassis- ischer und internationaler Ebene beschäftigt. and Human Rights, S. 3, mus oder das Tragen der Aborigine-Flagge von 27–28.
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