Kinder- und Jugendförderplan für die Stadt Minden 2015-2020 - Dieser Kinder- und Jugendförderplan wurde am 21.09.2016 vom Jugendhilfeausschuss ...
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Kinder- und Jugendförderplan für die Stadt Minden 2015-2020 Foto: © Paul Olfermann Dieser Kinder- und Jugendförderplan wurde am 21.09.2016 vom Jugendhilfeausschuss bestätigt und am 06.10.2016 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. 1
Der Kinder- und Jugendförderplan gilt bis zur Verabschiedung einer Fortschrei- bung. Jugendamt Jugendhilfeplanung - Uta Betzhold Koordinatorin Jugendarbeit / Jugendschutz - Daniela Thoring 2
Gliederung I. Konzeptioneller Teil 5 1. Gesetzlicher Rahmen 5 2. Kinder- und Jugendförderpläne - eine Erfolgsgeschichte 5 3. Beteiligungsorientierte Vorgehensweise 5 4. Einbindung in die integrierte Stadtentwicklungsplanung - Strategische 6 Zielbereiche und Wirkungsbeiträge der Jugendförderung 5. Bedeutung sozialraumbezogener Daten - Sozialatlas Kinder und Ju- 7 gendliche in Minden • Kinderarmut 8 • Entmischung / Segregation in den Stadtbezirken 11 • Zuwanderung, besonders mit Blick auf geflohene Kinder und Ju- 11 gendliche 6. „Vielfalt akzeptieren und leben“ - Teilhabemöglichkeiten für alle in der 14 Jugendförderung • Stärkung der Jugendphase in ihrem Eigenwert 15 7. Einbindung in die Bildungsplanung 15 8. Zugänge zu Bildung fördern - Bestandsaufnahme ausgewählter Hand- 16 lungsfelder der integrierten Bildungsplanung • Handlungsfeld „Partizipation“ 17 • Handlungsfeld „(Frei)Räume“ 17 9. Bildung und Partizipation - Beiträge der Kinder- und Jugendförderung 18 zur Mindener Bildungslandschaft • Bildung in der Jugendarbeit: Lernort für nichtformelle und informel- 18 le Bildung • Gemeinschaft erleben und gestalten und sich für eigene und ge- 18 meinsame Interessen engagieren - Freiwilligkeit der Teilnahme • Bildung durch Beziehungsarbeit und sinnvolle Freizeitgestaltung 19 • Demokratiebildung als Alleinstellungsmerkmal 20 • Partizipation 20 • Verschiebung von Entscheidungsmacht zugunsten der Kinder und 20 Jugendlichen 10. Eine große Chance - das Praxisentwicklungsprojekt „Partizipation und 21 Selbstbildung von Kindern und Jugendlichen in der Mindener Bildungs- landschaft“ 3
II. Handlungsfelder, Ressourcen, Ziele, Bedarfe und Entwick- 23 lungsperspektiven 1. Handlungsfeld Bereich Jugendarbeit / Jugendschutz - Ressourcen, Zie- 24 le, Bedarfe und Entwicklungsperspektiven 2. Handlungsfeld Offene Kinder- und Jugendarbeit in Einrichtungen 29 • Leitprinzipien der Offenen Kinder- und Jugendarbeit 29 • Kinder- und Jugendkreativzentrum Anne Frank 32 • Jugendhaus Geschwister Scholl 35 • Kinder- und Jugendtreff Westside 38 • Jugendhaus Alte Schmiede 43 • Juxbude 47 3. Handlungsfeld Jugendverbandsarbeit - Ressourcen, Ziele, Bedarfe und 51 Entwicklungsperspektiven 4. Handlungsfeld Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz - Ressourcen, 56 Ziele, Bedarfe und Entwicklungsperspektiven 5. Handlungsfeld Jugendsozialarbeit - Ressourcen, Ziele, Bedarfe und 59 Entwicklungsperspektiven 6. Handlungsfeld Spielraumplanung - Ressourcen, Ziele, Bedarfe und 62 Entwicklungsperspektiven 7. Handlungsfeld integrierte Stadtentwicklungsplanung, Bildungsplanung, 66 Jugendhilfeplanung - Ziele, Bedarfe und Entwicklungsperspektiven 8. Finanzen 70 • Rechtliche Begründung - Pflichtigkeit, Planungssicherheit, Deckung 70 des festgestellten Bedarfs, finanzielle Leistungsfähigkeit • Ausblick - eingeschränkte Planungssicherheit vor dem Hintergrund 71 von Minden als Stärkungspaktkommune • Maßnahmen- und Finanzplanung für den Zeitraum 2015 - 2020 72 9. Gewichtung der Bedarfe 73 • Unabdingbarer Bedarf 73 • Zusätzliche Bedarfe 74 • Übergreifende Entwicklungsperspektiven 74 4
I. Konzeptioneller Teil 1. Gesetzlicher Rahmen Zum dritten Mal wird in Minden wie in den anderen nordrhein-westfälischen Kommunen ein Kinder- und Jugendförderplan erstellt, der für die Dauer einer Wahlperiode Gültigkeit hat. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) und das dazugehörige Ausfüh- rungsgesetz für NRW - Kinder- und Jugendförderungsgesetz (3. AG-KJHG - KJFöG) - beschreiben die Jugendförderung als eine Pflichtaufgabe des Jugend- amts. Planungssicherheit für die Anbieter von Leistungen in den Handlungsfel- dern der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes zu schaffen, ist ein besonderes Ziel des KJFöG und damit auch der kommunalen Kinder- und Jugendförderpläne. Das Jugendamt als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe erstellt einen Förderplan, der für jeweils eine Wahlperiode festgeschrieben wird (§ 15 Abs. 4 KJFöG). Das Land stellt einen eigenen Kinder- und Jugendförderplan für den Zeit- raum der jeweiligen Wahlperiode auf. Die Landesförderung ist an das Vorliegen eines örtlichen Kinder- und Jugendförderplans gebunden. 2. Kinder- und Jugendförderpläne - eine Erfolgsgeschichte Die ersten beiden Mindener Kinder- und Jugendförderpläne für den Zeitraum von 2007-2009 bzw. 2010-2014 bewirkten in Minden viel. Der Sozialatlas regte Dis- kussionen und Folgeprojekte weit über die Jugendarbeit hinaus an. Neben dem Jugendamt greifen besonders der Fachbereich Bildung, Kultur, Sport und Freizeit und die Stadtentwicklung auf die Sozialatlasdaten zurück. Die Kinder- und Ju- gendförderpläne brachten Planungssicherheit und Kontinuität für die offene Kin- der- und Jugendarbeit bis zum Ende der kommunalen Legislaturperiode. Diese positiven Standards sind zu halten und weiterzuentwickeln. Die im zweiten Kinder- und Jugendförderplan 2010-2014 in Kapitel 4 entwickel- ten konzeptionellen Perspektiven der Kinder- und Jugendförderung zu den The- men Kooperation mit Schule, Inklusion, Zugänglichkeit der Kinder- und Jugend- förderung für junge Menschen mit Behinderung, Teilhabe und Integration von jungen Menschen mit Migrationshintergrund und sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen, Weiterentwicklung geschlechtsspezifischer Ansätze sowie zur Schnittstelle zum Sozialen Dienst Jugendhilfe gelten weiter. Aus Gründen des Umfangs und der Lesbarkeit des jetzigen Förderplans werden sie hier nicht nochmals abgedruckt. Der Fokus der konzeptionellen Weiterentwicklung im dritten Plan liegt bei den Themenfeldern „Bildung“ und „Partizipation“ in der Kinder- und Jugendförderung. 3. Beteiligungsorientierte Vorgehensweise Die Federführung übernahmen die Jugendhilfeplanerin und die Koordinatorin Ju- gendarbeit / Jugendschutz. Sie arbeiteten dabei eng mit der Bildungsplanung 5
und der verwaltungsinternen AG Bildung zusammen, in der alle mit Bildungsfra- gen beschäftigten Bereiche integriert planen und sich vernetzen. Fachplanungs- workshops mit den Fachkräften der Jugendhäuser und Mitarbeiter*innen und Vorständen aus den Jugendverbänden nahmen Praxiserfahrungen, Veränderun- gen und Bedarfe in den Arbeitsfeldern aus Sicht der Fachkräfte und Ehrenamtli- chen sowie Anregungen und Erwartungen aus den Arbeitsfeldern auf. Das Vorha- ben wurde im Verwaltungsvorstand vorgestellt. Wie in der letzten Wahlperiode veranstaltete das Jugendamt eine Klausurtagung des Jugendhilfeausschusses zur Vorbereitung des Kinder- und Jugendförderplans. Die Beteiligung junger Menschen an der Planung ist als perspektivisches Ziel für zukünftige Planungen vorgesehen. Als Einstieg in der Erstellungsphase dieses Kinder- und Jugendförderplans dient eine stadtweite Bedarfserfassung in den 8. Klassen im Rahmen des Praxisentwicklungsprojektes „Partizipation und Selbstbil- dung von Kindern und Jugendlichen in der Mindener Bildungslandschaft“, an dem Minden als Modellstandort teilnimmt. 4. Einbindung in die integrierte Stadtentwicklungsplanung – Strategische Zielbe- reiche und Wirkungsbeiträge der Jugendförderung Der Kinder- und Jugendförderplan ist Teil der Mindener integrierten Stadtent- wicklungsplanung. Er bezieht sich besonders auf folgende strategischen Zielbe- reiche der Stadtentwicklung in Minden: -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Chancengerechtigkeit durch Teilhabe -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Der Kinder- und Jugendförderplan setzt im Zielbereich „Chancengerechtigkeit durch Teilhabe“ den Auswirkungen von Armut auf die Entwicklungs- und Lebens- chancen von Kindern und Jugendlichen positive Entwicklungsangebote und Mög- lichkeiten zur Teilhabe entgegen und arbeitet damit auf das Ziel der Inklusion hin. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Familienfreundliche Stadt -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die im Kinder- und Jugendförderplan dargestellten Infrastruktureinrichtungen, Maßnahmen und Konzepte sind Beiträge zu einer Entwicklung in Richtung einer familien-, kinder- und jugendfreundlichen Stadt (Zielbereich „Familienfreundliche Stadt“). -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Aktivierte Bürgergesellschaft -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Der Kinder- und Jugendförderplan bietet im Zielbereich Aktivierte Bürgergesell- schaft förderliche Bedingungen, dass junge Menschen sich weiterhin in der Offe- nen Kinder- und Jugendarbeit und in der Jugendverbandsarbeit ehrenamtlich für Kinder und Jugendliche engagieren können. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Gutes kommunales Management -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die kommunale Jugendförderung und die Jugendeinrichtungen als stadtweite und stadtteilbezogene Infrastruktur sind an die Bedarfe und die finanziellen Ressour- cen angepasst. Kommunales Handeln im Bereich der Jugendförderplanung ist transparent und nachvollziehbar und mit den Nachbarbereichen abgestimmt. 6
Der Kinder- und Jugendförderplan 2015-2020 als Bestandteil der Jugendhilfepla- nung fließt wie die vorherigen Kinder- und Jugendförderpläne in die integrierte Stadtentwicklungsplanung ein. Themen wie die sich verschlechternden Lebensbedingungen und die Armut von Familien und ein zunehmendes soziales Auseinanderdriften der unterschiedlichen Stadtteile können nicht allein im Sozial- und Jugendhilfebereich „abgearbeitet“ werden. Die stärkere Berücksichtigung der Bedarfe von Kindern und Jugendlichen und Familien und sozialen Gesichtspunkten in der integrierten Stadtentwicklung ist eine Querschnittsaufgabe. Die Jugendhilfeplanung trägt dazu in ihrer „Einmi- schungsfunktion“ bei. 5. Bedeutung sozialraumbezogener Daten – Sozialatlas Kinder und Jugendliche in Minden Die Zahlen und Daten für den Sozialatlas1 erfasst die Stadt Minden seit dem Jahr 2006 (erster Kinder- und Jugendförderplan), seit 2012 erfolgt die Auswertung jährlich. Der Sozialatlas der Stadt Minden lenkt den Blick auf stadtteilbezogene Unterschiede in der Situation von Kindern und Jugendlichen in Minden. Der 10-Jahresrückblick zeigt, dass 2015 die Zahl der Kinder und Jugendlichen gewachsen ist. Anfang Januar 2016 gibt es 14.673 Minderjährige in Minden. 1 Als Quellen für den seit 2012 jährlich fortgeschriebenen Sozialatlas dienen für den sozialräumli- chen Vergleich in Minden die Einwohnermeldedaten des Bürgerbüros sowie Daten der Bereiche Grundsicherung SGB II und Soziales, die mit Hilfe der Mitarbeiter*innen des Bereiches Vermessung und Geoservice auf die einzelnen Stadtbezirke „heruntergebrochen“ wurden. Letztendlich wurde diese Fülle an Daten und Fakten von der Jugendhilfeplanung ausgewertet und in Diagramme ver- packt. 7
Ca. 50 % aller Minderjährigen leben in den fünf größten Stadtbezirken Roden- beck, Königstor, Bärenkämpen, Innenstadt und Nordstadt. Wenn man vom städ- tisch strukturierten Bezirk Rechtes Weserufer (6,8 % der Kinder und Jugendli- chen) absieht, lebt die andere Hälfte der Kinder und Jugendlichen überwiegend in Stadtbezirken mit dörflicheren Strukturen. Kinderarmut Jedes vierte Kind in Minden ist von Kinderarmut betroffen (SGB II- Leistungsbezug von Kindern unter 15 Jahren). Hier steht Minden in einer Reihe mit Ruhrgebietsstädten, wie eine Auswertung des „Wegweiser Kommune“ der BertelsmannStiftung2 durch die hiesige Jugendhilfeplanung für das Jahr 2014 und die Vorjahre zeigt. Mit der hohen Quote an Kindern, die von staatlichen Leistungen nach dem Sozi- algesetzbuch II (SGB II) abhängig sind, liegt Minden einsam an der Spitze im Kreis Minden-Lübbecke. In ländlichen Gemeinden wie in Hille, Rahden oder Stemwede zum Beispiel beträgt der Anteil nur zwischen 6,8 und 6,2 Prozent. Bei der Auswertung des „Wegweiser Kommune“ durch die Jugendhilfeplanung zeigte sich: Von den 57 Kommunen mit über 60.000 Einwohnern in NRW steht Minden 2014 mit 25,8 % bei der Kinderarmut an 16. Stelle. 2 Für den interkommunalen Vergleich wurden Daten und Karten der BertelsmannStiftung aus dem „Wegweiser Kommune“ (www.wegweiser-kommune.de) verwendet. 8
Die Leistungsempfänger konzentrieren sich in bestimmten Stadtbezirken mit günstigem Wohnraum, in denen insgesamt auch viele Kinder und Menschen mit Migrationshintergrund leben. 23,4 % aller Mindener Minderjährigen leben in Familien, die Leistungen nach dem SGB II beziehen. Davon sind 75,3 % deutsch und 24,7 % ausländisch. Da nur 11,8 % der Mindener Minderjährigen eine ausländische Staatsangehörigkeit haben, sieht man, dass sie überdurchschnittlich oft in ärmeren Verhältnissen aufwachsen. Von 2006 bis Anfang 2016 ist der Anteil der SGB II-Leistungsbezieher gestiegen - von 18,1 % der Kinder und Jugendlichen auf 23,4 %. Dies betrifft insgesamt 3.192 Kinder und Jugendliche. 2006 waren es noch 2.776 Kinder und Jugendli- che. 2,0 % aller Minderjährigen bezogen am 07.01.2016 Asylbewerberleistungen. 9
43,4 % aller Mindener Minderjährigen in Familien mit Transferleistungsbezug (SGB II- und Asylbewerberleistungen) leben in den beiden Stadtbezirken Roden- beck und Bärenkämpen. Dort und im Bezirk Rechtes Weserufer lebt ungefähr jede/r zweite Minderjährige in einer Familie, die Transferleistungen benötigt. In den dörflichen Stadtbezirken ist ihr Anteil dagegen äußerst gering. Über die Sozialatlaszahlen können Gebiete mit besonderem Unterstützungsbedarf bei Kindern und Jugendlichen identifiziert werden. 10
Entmischung / Segregation in den Stadtbezirken Segregation - damit bezeichnet man in der Soziologie den Vorgang der Entmi- schung - findet nicht nur dadurch statt, dass es in bestimmten Stadtbezirken günstigen Wohnraum gibt, sondern auch durch Einwohner-Wanderung allgemein. Familien der Mittelschicht ziehen gerne in Wohnviertel mit Ein- oder Zweifamili- enhäusern. In den eher ländlichen Stadtbezirken Mindens und am Stadtrand wohnen weniger einkommensschwache Familien mit mehreren Kindern. Segregation spiegelt sich deutlich in einzelnen Kindertagesstätten oder auch an Grundschulen wider. So haben die Mosaik-Schule (im Stadtbezirk Bärenkämpen), die Hohenstaufenschule in Minden-Rodenbeck, die Eine-Welt-Schule in der obe- ren Altstadt sowie die Cornelia-Funke-Schule / PRIMUS-Schule überdurchschnitt- lich hohe Anteile an Kindern aus Familien mit SGB II-Bezügen und mit Migrati- onshintergrund. Die Stadt Minden hat daher ihre Arbeit und die Projekte im Be- reich einer sozialräumlichen Stadtentwicklung, insbesondere in den so genannten „benachteiligten“ Stadtbezirken, intensiviert. Zuwanderung, besonders mit Blick auf geflohene Kinder und Jugendliche 88,2 % der Mindener Minderjährigen besitzen einen deutschen Pass. Ein Teil da- von hat einen Migrationshintergrund. 11,8 % haben eine nicht-deutsche Staats- angehörigkeit. Ihr Anteil ist durch den Zuzug geflüchteter Menschen vor allem 2015 angestiegen. In den Stadtbezirken Bärenkämpen, Rodenbeck und Rechtes Weserufer haben mittlerweile 25 % der Minderjährigen einen ausländischen Pass. Die überdurchschnittlich hohe Zuwanderung geflüchteter Menschen im Jahr 2015 verstärkte den Trend zur Segregation noch. 11
Die Analyse der Nationalitäten am 1.1.2016 zeigt, dass viele junge Menschen (oder deren Eltern) aus Kriegs- und Krisengebieten stammen. Mehr als ein Vier- tel waren Syrer. Die nächstgrößte Gruppe waren irakische Kinder und Jugendli- che. Weitere Nationalitäten waren Kosovo, Serbien und Afghanistan. Es folgten die EU-Länder Polen und Italien. Insgesamt leben Kinder und Jugendliche aus 55 Nationen in Minden. Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrungen konzentrieren sich in manchen Stadtbezirken. Hier eine Momentaufnahme vom 7. Januar 2016: 12
In den restlichen im Diagramm nicht genannten Stadtbezirken gab es keine aus- ländischen Minderjährigen mit Transferleistungsbezug. Bezieher von Asylbewerberleistungen erwerben unter bestimmten Bedingungen je nach Aufenthaltstitel nach 15 Monaten einen Anspruch auf SGB II-Leistungen. Unter den ausländischen Kindern und Jugendlichen mit SGB II-Bezug sind ge- flüchtete Kinder und Jugendliche, aber auch Kinder von Familien mit ausländi- schem Pass, die schon lange hier leben. Diese Zuordnung ist nicht genau zu quantifizieren. Wer über eine Verpflichtungsermächtigung nach Deutschland ge- kommen ist, wie dies z. T. bei syrischen Familien der Fall ist, bekommt (zu- nächst) keine Transferleistungen. Daher kann die genaue Zahl der in den letzten Jahren als Flüchtlinge gekommenen Minderjährigen nicht berechnet werden. Prof. Dr. Susanne Spindler (HS Darmstadt) und Prof. Dr. Erika Schulze (FH Biele- feld) stellten in ihrem Einführungsreferat zur Mindener Bildungskonferenz am 23.04.2016 fest, dass die Lebenssituation der geflohenen Kinder und Jugendli- chen geprägt ist „durch Fluchterfahrungen, beengte Wohnsituation, Leben in Ar- mutsverhältnissen, destabilisierte Familiensysteme, unsichere aufenthaltsrechtli- che Situation, Erfahrung von Diskriminierung und Rassismus“. Aber: Jeder Junge und jedes Mädchen hat eine eigene Geschichte. Lebenssituati- on und Belastungen, aber auch die Stärken von geflüchteten Kindern und Ju- gendlichen und ihren Familien müssen in den Blick genommen werden. Minderjährige Flüchtlinge - egal, ob sie unbegleitet oder mit ihren Eltern gekom- men sind – haben zwar aufgrund ihrer Flucht spezifische Bedürfnisse, aber die gleichen Ansprüche auf Hilfen und Unterstützung wie andere Minderjährige auch. Auch für sie gilt das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII). Planungsfragen, die sich dazu im Bereich Jugendarbeit / Jugendschutz ergeben: • Die Besucherstruktur verändert sich -> nach anfänglicher „Überfüllung“ Ver- drängungsprozesse, wenn es nicht genügend Raumressourcen gibt • Jugendeinrichtung als Anlaufstelle für ganze Familien kontra eigentlicher Auf- trag der Jugendarbeit -> Notwendigkeit klarer Anlaufstellen außerhalb der Ju- gendeinrichtungen und Verantwortlicher für junge Erwachsene, Eltern und eh- renamtliche Helfer, die nicht zur originären Zielgruppe der offenen Kinder- und Jugendarbeit zählen • Möglichkeiten der Teilnahme müssen für zugewanderte Kinder und Jugendli- che sichergestellt sein -> gleiche Bedingungen wie für Kinder aus finanziell benachteiligten Verhältnissen, die die Angebote der Jugendarbeit bisher schon genutzt haben • Aufbau einer Willkommensstruktur für die bisherige Zielgruppe wie für die neu Zugewanderten, z. B. für Neuzuwanderer niedrigschwellige Angebote zum Spracherwerb oder Stadtteilrallye, um die Umgebung kennenzulernen, Anpas- sung bereits bestehender Angebote, damit neue und alte Stammbesu- cher*innen gemeinsam teilnehmen können • Erhöhter Bedarf: o an regelmäßiger Fort- und Weiterbildung für Haupt- und Ehrenamt- liche o an hauptamtlicher Unterstützung der Jugendverbandsarbeit (Chance zur Integration) o an Jugendsozialarbeit o an Angeboten des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes 13
• Chance: Kompetenzen der jugendlichen Stammbesucher*innen (wie z. B. Sprachkenntnisse oder Zugänge zu Communities) nutzen und wertschätzend in die Angebotsplanungen einbeziehen 6. „Vielfalt akzeptieren und leben“ - Teilhabemöglichkeiten für alle in der Ju- gendförderung Die Sozialdaten sind immer wieder Anlass, um Belastungen von Kindern und Ju- gendlichen in den Blick zu nehmen und Möglichkeiten zu finden, diese zu unter- stützen. Auf der Basis der ersten beiden Kinder- und Jugendförderpläne hat die Stadt Minden die Jugendhäuser erhalten und personell sogar ausgebaut. Die stadtteilbezogen arbeitenden Jugendhäuser erreichen mit ihrer niedrig- schwelligen Offene-Tür-Arbeit einen hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus der Unterschicht, aber auch benachteiligte deut- sche Jungen und Mädchen aus eher bildungsfernen Schichten. Jugendarbeit bie- tet ihnen Möglichkeiten, Teilhabe zu erfahren, angenommen zu werden. Jugendarbeit wendet sich gleichzeitig aber auch an alle Kinder und Jugendlichen. Das Kinder- und Jugendförderungsgesetz beschreibt als Zielgruppen der Jugend- arbeit vor allem alle jungen Menschen im Alter vom 6. bis zum 21. Lebensjahr (§ 3 Abs. 1). Es verpflichtet dazu, die Belange von Kindern und Jugendlichen in be- nachteiligten Lebenswelten besonders zu berücksichtigen (vgl. § 3). Wie bereits im zweiten Kinder- und Jugendförderplan ausführlicher beschrieben bedeutet diese Verpflichtung für die Jugend- und Jugendverbandsarbeit einen „Spagat“: Es geht gleichzeitig darum, einerseits die Belange von Mädchen und Jungen in benachteiligten Lebenswelten besonders zu berücksichtigen und ande- rerseits „Angebote für alle“ anzubieten. Dieses Spannungsfeld zieht sich durch die verschiedenen Arbeitsfelder. Die Jugendeinrichtungen werben - neben der Sorge um die Bedarfe benachteilig- ter Zielgruppen - um Akzeptanz in der jungen Gesamtbevölkerung. Der Aspekt „alle zu erreichen“, muss überall da umgesetzt werden, wo dies in der stadtteil- bezogenen Arbeit möglich ist. Für die oft eher vorrangig von Mittelschichtsangehörigen genutzten Jugendver- bandsangebote stellen sich ebenfalls Anforderungen, die Arbeit zu öffnen. Auch die Stadtbereiche, die nicht als Brennpunkt erscheinen, sollten bei der Be- darfsdiskussion mit in den Blick genommen werden. Die Inklusionsdebatte stellt für die Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit auch in dieser Hinsicht eine verstärkte Anforderung dar, an deren Umsetzung in den nächsten Jahren weiter zu arbeiten sein wird. Inklusion geht davon aus, dass die Menschen generell in vielfacher Hinsicht ver- schieden sind und trotzdem dazugehören. Dabei hat Vielfalt viele Dimensionen (Fähigkeiten, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Erstsprache, Schichtzugehörigkeit, Religion, sexuelle Orientierung, körperliche Verfassung,...). Bezogen auf die Kinder- und Jugendarbeit geht es lt. Prof. Dr. Clemens Dannen- 14
berg3 darum, „die Herausforderung im Umgang mit Vielfalt und mit der Herstel- lung von Differenzen in der praktischen Kinder- und Jugendarbeit zu sehen. Und darüber eine Auseinandersetzung anzustoßen.“ Dr. Thomas Schalla, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Ju- gend in Deutschland (aej)4 bezieht sich auf die Prinzipien der Kinder- und Ju- gendarbeit: Freiwilligkeit, Offenheit, Partizipation, und meint: „Kinder- und Ju- gendarbeit, wie wir sie verstehen, funktioniert nur dann, wenn wir Kindern und Jugendlichen die Gelegenheit zur Mit- und Selbstbestimmung, also zur umfas- senden Partizipation geben. Wenn Kinder- und Jugendarbeit dieses eigene Prinzip ernst nimmt, ist sie konzeptionell für den Weg in eine inklusive Gesellschaft gut aufgestellt. Andere Arbeitsfelder können von unseren methodischen Ideen profi- tieren. Wir müssen aber mit unseren eigenen Prinzipien bei uns selbst ernst ma- chen! Wenn wir junge Menschen, die an anderen Orten ausgegrenzt sind, selbst zu Wort kommen lassen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Dann können wir Maßstäbe setzen, für uns und für andere.“ Stärkung der Jugendphase in ihrem Eigenwert Handlungsleitend muss dabei die Stärkung der Jugendphase in ihrem Eigenwert sein. Jugendliche werden in der aktuellen Diskussion häufig auf ihre ökonomische Funktion als zukünftige produktive Arbeitskräfte reduziert. Dies geht zu Lasten jugendspezifischer Bedürfnisse nach unreglementierten Experimentierräumen, lebensbiografischen Reflexionsphasen und Spielräumen für das Ausleben jugend- spezifischer Selbstinitiierungen. Das Bundesjugendkuratorium plädiert daher für eine gesellschaftliche Verantwor- tung der Jugendpolitik bezüglich der Sicherung von Teilhabechancen für alle Ju- gendlichen durch die Bereitstellung erforderlicher Räume, Ressourcen und Unter- stützungsleistungen. Jugendpolitik muss Möglichkeiten zur Realisierung jugend- spezifischer Interessen sicherstellen und die Jugendphase in ihrem Eigenwert stärken. Jugendpolitik muss Freiräume zum Experimentieren für vielfältige Le- bensentwürfe schaffen. Eine umfassende Jugendpolitik muss die Bedingungen verbessern helfen, eine „gute“ Jugend zu leben. 7. Einbindung in die Bildungsplanung Die Stadt Minden sieht das Thema „Bildung“ als zentralen Faktor für eine nach- haltige und zukunftsorientierte Kommunalentwicklung. Ziel ist, alle vorschuli- schen, schulischen und außerschulischen Akteur*innen zu vernetzen und in ei- nem partizipativen Prozess eine Bildungsplanung zu erarbeiten, die kurz-, mittel- und langfristige Perspektiven und Maßnahmen aufzeigt und politisch verabschie- det wird. Ziel der Bildungsplanung ist es, junge Menschen und ihre Familien in allen Bildungsfragen wirksam zu unterstützen. 3 Fachtagung „Auftrag Inklusion“ am 14. und 15.11.2013 in Berlin, dokumentiert in: Diakonie Deutschland / AEJ / Aktion Mensch: Auftrag Inklusion – Perspektiven für eine neue Offenheit in der Kinder- und Jugendarbeit – Inhaltliche Grundlagen, Handlungsempfehlungen und Anregungen für die Praxis, Februar 2015, 1. Auflage, S. 18 ff. Link: https://www.aktion- mensch.de/ds/inklusion/unterricht/download.php?id=166 4 ebenda, S. 44 15
Der Kinder- und Jugendförderplan ist ein Baustein zu einem breiten, nied- rigschwelligen Angebot, das Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene beim Aufwachsen begleitet und in ihrer Entwicklung unterstützt. Ein solches vernetztes Vorgehen ist besonders in Städten wie Minden wichtig, in denen viele Kinder und Jugendliche in benachteiligten Lebenssituationen aufwachsen müssen. Der vorige Kinder- und Jugendförderplan brachte die Vision eines ganzheitlichen Biografie begleitenden Netzwerkes für Kinder und Jugendliche in Minden in die Fachbereich und Institutionen übergreifende Diskussion, das Eltern, Kinder und Jugendliche darin unterstützt, dass das Aufwachsen gelingt. Im Mittelpunkt stehen die Kinder und Jugendlichen und ihre sich in den unterschiedlichen Altersphasen verändern- den Bedürfnisse und Entwicklungsaufgaben. Neben den hier überplanten Bereichen der Kinder- und Jugendförderung passiert in der Stadt Minden viel zur Förderung von Kindern und Jugendlichen. Für ein erfolgreiches Handeln und Reagieren gibt es viele positive Beispiele von den Frü- hen Hilfen über den Ausbau der Kindertagesbetreuung und der Ganztagsschulen bis zur Ausweitung der Schulsozialarbeit. Es gibt Projekte der Sportförderung und der kulturellen Bildung, wie beispielsweise der „Kulturrucksack“ oder Community Dance-Projekte sowie weitere Projekte in Kooperation vieler Bildungseinrichtun- gen wie Stadttheater, Kommunalarchiv und Stadtbibliothek. Aber auch externe Einrichtungen, Arbeitskreise und Stiftungen tragen dazu bei, dass Kinder und Jugendliche in Minden gefördert werden und Chancengleichheit erfahren. So unterstützen z. B. die Rudloff-Stiftung (Minden), die Mindener Stif- tung für Kinder sowie die „Bildungspartner“ - eine Initiative der Mindener Wirt- schaft - Projekte an Schulen und in Kitas, geben Zuschüsse für Mittagessen im offenen Ganztag, für Lernmittel und Sprachförderung. 8. Zugänge zu Bildung fördern - Bestandsaufnahme ausgewählter Handlungsfel- der der integrierten Bildungsplanung Kinder- und Jugendarbeit ist Teil eines ganzheitlichen, Biografie begleitenden Netzwerkes für Kinder und Jugendliche. Sie bietet Kindern und Jugendlichen par- tizipativ einen Raum zur selbstgestalteten Eigenentwicklung. Die Lebensphase Kindheit und Jugend hat als Experimentierraum grundlegende Bedeutung für die Wandlungs- und Entwicklungsfähigkeit jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen. Kinder und Jugendliche brauchen die für ihre gelingende Entwicklung notwendi- gen Gestaltungsräume. Im Rahmen der Bildungsplanung wurden Handlungsfelder und Ziele entwickelt. Für den Kinder- und Jugendförderplan sind von den neun dort behandelten Hand- lungsfeldern insbesondere die Handlungsfelder „Partizipation“ und „(Frei)Räume“ interessant. Die hier aufgeführten, aktuell bereits laufenden bzw. fest geplanten Maßnahmen beziehen sich nur auf die Bereiche der Jugendförderung – in ande- ren Bereichen gibt es weitere Maßnahmen. 16
Handlungsfeld „Partizipation“: Z1 Kinder und Jugendliche werden an kommunalen Planungsprozessen beteiligt und gestalten mit. Z2 Partizipationsmöglichkeiten sind strukturell verankert. Z3 Alle Akteur*innen sind zum Thema „Partizipation“ geschult und es besteht eine partizipative Grundhaltung. Z4 Partizipationsprojekte und -maßnahmen werden umgesetzt. Z5 Wünsche und Meinungen von jungen Menschen sind bekannt. Z6 Kinder und Jugendliche sind „sprachfähig“ und können ihre Anliegen formulieren. Bestandsaufnahme: Laufende oder bereits fest geplante Maßnahmen: • LWL Projekt: Partizipation und Selbstbildung von Kindern und Jugendlichen in der Mindener Bildungslandschaft • Sozialpädagogische Fachkraft im Bereich Jugendarbeit / Jugendschutz, deren Arbeitsbereich den individuellen Einsatz in den fünf städtischen Jugendhäu- sern unter dem Schwerpunkt der Kinder- und Jugendbeteiligung beinhaltet • Fachtagung „Partizipation“ im Februar 2015 im Rahmen der Bildungsplanung • Spielplatzplanungen mit Kinderbeteiligung • Partizipative Angebotsentwicklung „Kulturrucksack“ in Kooperation mit den Jugendhäusern und dem Kulturbüro • Förderung und Etablierung des SC Rodenbeck (Sportbüro / Kinder- und Ju- gendtreff Westside) • Netzwerk rechte Weserseite zur Förderung des jungen Ehrenamtes (Sportbü- ro) • Jugendgremienarbeit in Sportvereinen (Sportbüro) Handlungsfeld „(Frei)Räume“: Z 1 Es gibt in jedem Ortsteil attraktive, vielfältige und lebensweltorientierte Orte im öffentlich zugän- lichen Raum, die Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stehen. Z2 Das Raumangebot ist Kindern und Jugendlichen sowie Fachkräften bekannt. Z3 Bei Planungen im öffentlichen Raum werden Kinder und Jugendliche berücksichtigt. Z4 Kinder und Jugendliche im öffentlichen Raum sind akzeptiert. Z5 Kinder und Jugendliche sind mobil und eigenen sich Räume an. Z6 Kinder und Jugendliche verfügen über Freiräume und zeitliche Ressourcen zur freien Entfaltung. Bestandsaufnahme: Laufende oder bereits fest geplante Maßnahmen: • Projekt „Bewegte Rechte Weserseite“ (Kooperation JH Alte Schmiede, Sport- büro und Verein zur Förderung der Kulturellen Bildung in Minden e.V.) • Spielraumplanung (Jugendamt und Städtische Betriebe Minden) • fünf städtische Jugendhäuser und Förderung der Jugendverbandsarbeit • Spielmobile • Mobile Jugendarbeit • Tanzprojekte (Kooperation Kulturbüro, JH Alte Schmiede, Verein zur Förde- rung der Kulturellen Bildung in Minden e.V., Cornelia-Funke-Schule / PRIMUS- Schule) • Stadtgestalterprojekt => Buswartehäuschen, Stromkästen (Kulturbüro, FB 5) • Sozialraumerkundung: z. B. Rodenbeckexpert*innen (Kulturbüro, Jugendhäu- ser) • Öffentliche Sportflächen wie Skatepark, Disc-Golf, Entwicklung Street Work- out-Parcours (Sportbüro / Jugendamt) 17
• Förderung und Etablierung des SC Rodenbeck (Sportbüro / Kinder- und Ju- gendtreff Westside) Der neue Kinder- und Jugendförderplan beginnt hier also nicht bei null. Er kann auf einige in den letzten Jahren bereits kooperativ entwickelte Ansätze zurück- greifen. 9. Bildung und Partizipation - Beiträge der Kinder- und Jugendförderung zur Mindener Bildungslandschaft Wegen der besonderen Bedeutung der Themenfelder „Bildung“ und „Partizipati- on“ setzt dieser Kinder- und Jugendförderplan hier seinen besonderen Schwer- punkt. Bildung in der Jugendarbeit: Lernort für nichtformelle und informelle Bildung Bildung wurde in der Vergangenheit oft vornehmlich unter dem Aspekt der Neu- ausrichtungen von Kindertageseinrichtungen und der offenen und gebundenen Ganztagsbetreuung in unseren Schulen gesehen. Mit der Schwerpunktlegung des 3. Kinder- und Jugendförderplanes der Stadt Minden auf das Thema Bildung und Partizipation wollen wir deutlich machen, dass darüber hinaus an vielen weiteren Stellen Bildung für Kinder und Jugendliche in der Stadt Minden stattfindet. Kin- der- und Jugendarbeit ist eine eigenständige Bildungsinstanz5 und ein bedeutsa- mes kulturelles und demokratisches Lern- und Erfahrungsfeld, welches möglichst vielen Kindern und Jugendlichen in deren Freizeit zur Verfügung stehen soll. In seinem Vortrag in Minden „Bildung in Bildungslandschaften partizipativ gestal- ten“ am 26.02.2015 ging Prof. Dr. Benedikt Sturzenhecker zusammenfassend auf die Ausführungen des Bundesjugendkuratoriums 20026 ein: „Bildung heißt: ‚Sich bilden’. Bildung ist stets ein Prozess des sich bildenden Subjekts, zielt im- mer auf Selbstbildung ab. [....] Bildung kann nicht erzeugt oder gar erzwungen, sondern nur angeregt und ermöglicht werden.“ Der Bildungsbegriff in der Jugendarbeit basiert auf der Annahme, dass jeder jun- ge Mensch befähigt ist zur Bildung und zur Teilnahme an Bildungsprozessen. Ju- gendarbeit versteht sich dabei als Lernort für nichtformelle und informelle Bil- dung. Das heißt: Die hier stattfindenden Lernprozesse gehen aus von den alltäg- lichen Lebenszusammenhängen und Alltagserfahrungen der Kinder und Jugendli- chen. Gemeinschaft erleben und gestalten und sich für eigene und gemeinsame Inte- ressen engagieren - Freiwilligkeit der Teilnahme Außerschulische Kinder- und Jugendarbeit gliedert sich in der Stadt Minden in zwei Angebotssäulen, die wünschenswerterweise gleichberechtigt neben- und miteinander existieren – die Offene Kinder- und Jugendarbeit sowie die Jugend- verbandsarbeit. In der Offenen Kinder- und Jugendarbeit öffnen Haupt- und Ehrenamtliche Räu- me für Kinder und Jugendliche. Sie schaffen mit ihren vielfältigen Angeboten so 5 Die Arbeitsgemeinschaft der Jugendhilfe (AGJ) beschreibt die Jugendhilfe „als eine eigenständige Bildungsinstanz.“ (Leitpapier Deutscher Kinder- und Jugendhilfetag 2008). 6 Bundesjugendkuratorium 2002, S. 164 18
in den Sozialräumen Treffpunkte und Lernmöglichkeiten zum Mitmachen, Selbst- verwalten und Mitbestimmen. In der Jugendverbandsarbeit bieten hauptsächlich Ehrenamtliche Maßnahmen für Kinder und Jugendliche an. Sie organisieren Kinder- und Jugendgruppen, Projek- te und Aktionen. Die Jugendverbände vertreten die Interessen von Kindern und Jugendlichen. Ehrenamtliche übernehmen Verantwortung - lernen kritisch und mit offenen Augen - sich zu orientieren und einzumischen. Beiden Angebotsformen ist gemein, dass sie jungen Menschen die Möglichkeit bieten, sich in Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen oder Hauptamtlichen selber zu entfalten und sich für ihre eigenen Interessen einzusetzen. Alle Angebote und Maßnahmen orientieren sich dabei an den demokratischen Grundwerten unserer Gesellschaft. Sie sind prinzipiell offen für alle Kinder und Jugendlichen und unterliegen dem Grundsatz der Freiwilligkeit. Das heißt: Die jungen Menschen entscheiden selbst, ob sie Angebote der Jugendarbeit annehmen oder nicht. Für die Kinder und Ju- gendlichen ist die Teilnahme freiwillig, im Gegensatz zur Schulpflicht. Hier gibt es kein Curriculum, sondern Kinder und Jugendliche entscheiden sich für Aktivitäten und Projekte, die sie mitgestalten und in denen sie ihre Erfahrungen machen können. Bildung durch Beziehungsarbeit und sinnvolle Freizeitgestaltung Jugendarbeit versteht sich dabei als wichtiges Sozialisationsfeld junger Menschen neben Familie, Schule und beruflicher Bildung. Es werden dementsprechende Angebote gestaltet, sich bietende Gelegenheiten wahrgenommen und Räume bereitgestellt, in denen sich junge Menschen untereinander und in Auseinander- setzung mit haupt- und ehrenamtlich Verantwortlichen als Akteur*innen ihres Handelns erfahren. Kinder- und Jugendarbeit ist immer Beziehungsarbeit. In ei- ner Zeit, in der Kinder und Jugendliche die Begegnung untereinander über das eigene Wohnumfeld nicht mehr unbedingt haben, werden Orte, in denen sie sich begegnen und miteinander und voneinander lernen, sehr wichtig. In der Begeg- nung und Auseinandersetzung mit haupt- und ehrenamtlichen Verantwortlichen erfahren sie ein hohes Maß an Kontinuität und Authentizität. Begegnung, Kom- munikation und Lernerfahrungen finden hier statt. Bildungsprozesse werden für und mit Kindern und Jugendlichen initiiert, so dass es dabei prinzipiell immer um Werte-, Wissens- und Kompetenzvermittlung im gemeinsamen Miteinander geht. Mit hohem Engagement und hoher Professionali- tät setzen sich hauptamtliche und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit sowie der Jugendverbandsarbeit für eine sinnvolle Frei- zeitgestaltung der jungen Menschen ein. Dabei wird Bildung „spielerisch“, aber ernst gemeint vermittelt. Kinder und Jugendliche lernen und leben in den Einrichtungen der Offenen Tür, den wöchentlichen Gruppenstunden und den vielen sportlichen, kulturellen und medienbezogenen Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit soziales Miteinander. Durch Projektarbeit erlernen sie unterschiedliche handwerkliche Techniken. Sie setzen sich – angeregt von vielen haupt- und ehrenamtlich Tätigen – mit Fragen der Natur und Umwelt, des Glaubens, der eigenen Gesundheit und vielen weite- ren Themen auseinander. 19
Demokratiebildung als Alleinstellungsmerkmal In den städtischen Jugendeinrichtungen, bei den vielen Ferienspielen und Freizei- ten - durchgeführt sowohl vom Träger der öffentlichen wie auch der freien Ju- gendhilfe - lernen Kinder, aber vor allem die zahlreichen jungen Ehrenamtlichen, was es heißt, in unserer Gesellschaft Verantwortung für sich und andere zu über- nehmen. Sie bringen ihre Interessen ein, lernen Rücksicht auf andere zu nehmen und erfahren so im täglichen Umgang wie Demokratie funktioniert und wachsen zu mündigen Bürgern heran. „Demokratiebildung ist das Alleinstellungsmerkmal der Kinder- und Jugendarbeit (Schule hat das Ziel Ausbildung!). Ausgangspunkt der Aktivitäten sind immer die Kinder und Jugendlichen selbst.“7 Partizipation Der Auftrag der Jugendarbeit im § 11 Jugendarbeit des SGB VIII lautet: Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Ange- bote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet wer- den, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwor- tung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen - § 11 SGB VIII be- deutet, dass Jugendarbeit ANGEBOTE zur VERFÜGUNG stellt, die an den INTE- RESSEN der jungen Menschen anknüpfen! Prof. Dr. Benedikt Sturzenhecker definiert Partizipation: „Partizipation ist: das Recht, sich als freies und gleichberechtigtes Subjekt an kollektiven und öffentlichen Diskussionsprozessen und Entscheidungen in Institu- tionen, Politik, Staat und Gesellschaft zu beteiligen und dabei eigene Interessen zu erkennen, öffentlich einzubringen, gemeinsam Lösungen zu entwickeln, sie zu begründen, zu prüfen, zu entscheiden, zu verantworten, und zu revidieren. Parti- zipation ist die Praxis von Demokratie.“8 Die Mitwirkungsmöglichkeiten können der nachwachsenden Generation deutlich machen, dass es im demokratischen System und in der eigenen Lebenswelt wichtig und notwendig ist, sich einzumischen – und dass diese Einmischung er- folgreich sein kann. Die Erfahrung der Selbstwirksamkeit im politischen (kommu- nalen) Raum wiederum schafft die Möglichkeit, sich mit dem eigenen Lebensum- feld – sei es in seinem Stadtteil oder in Institutionen – zu identifizieren. Wo Kinder und Jugendliche in das politische und institutionelle Geschehen einge- bunden sind, eröffnen sich ihnen vielfältige Handlungs- und Lernfelder. Partizipation ist ein Schlüssel für gelingende Aneignungs- und Bildungsprozesse. Verschiebung von Entscheidungsmacht zugunsten der Kinder und Jugendlichen Partizipation ist nicht als eine Methode zu verstehen, sondern als Grundhaltung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen! 7 Katja Müller: Was ist Jugendarbeit? Was ist Jugendförderung? Profil und Auftrag, 29. Januar 2013, Münster, 8 Benedikt Sturzenhecker: Begründungen und Qualitätsstandards von Partizipation – auch für Ganztagsschule 20
Beteiligung zielt darauf ab, Entscheidungsräume für junge Menschen zu öffnen und damit vonseiten der Erwachsenen Macht abzugeben. Eine Verschiebung von Entscheidungsmacht zugunsten der Kinder und Jugendlichen ist ein wesentlicher Bestandteil von ernst gemeinter Partizipation. Im Beteiligungsprozess müssen Kinder und Jugendliche Informationen über Partizipationsmöglichkeiten, Klarheit über ihre Rolle und die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten erhalten. Für die mit den Kindern und Jugendlichen arbeitenden Erwachsenen bedeutet das: „- Anerkennung und Zutrauen: kontrafaktisch Mündigkeit unterstellen - Sich als Bildungsassistenten verstehen, statt als Bildungsmacher - Sich als Ermöglicher und Eröffner verstehen, statt als Bestimmer - Macht abgeben - Offenheit aushalten - zuhören, hineinversetzen, verstehen, Dialog führen - Differenz und Konflikte aushalten - Fehlerfreundlichkeit als Lernfreundlichkeit verstehen - Geduld und Vertrauen auf Lernfähigkeit - Selber politisch handeln und lernen - Eigene Interessen einbringen“9 Mitsprache und Mitwirkung, Mitbestimmung und Selbstbestimmung müssen so- wohl von Haupt- und Ehrenamtlichen wie auch politisch gewollt sein. Dies sind die weitaus wichtigeren Voraussetzungen neben den natürlich auch benötigten personellen und finanziellen Ressourcen. 10. Eine große Chance - das Praxisentwicklungsprojekt „Partizipation und Selbst- bildung von Kindern und Jugendlichen in der Mindener Bildungslandschaft“ Im Rahmen der Förderinitiative "Praxisentwicklungsprojekte Kommunale Bil- dungslandschaft der kommunalen Jugendpflege" in der Kinder- und Jugendför- derplan-Position 1.2.2 des Landes NRW erhielt die Stadt Minden als eins von sie- ben geförderten Jugendämtern in NRW eine Förderzusage über 60.000 € für den Zeitraum von zwei Jahren (vom 01.08.2015 bis 31.07.2017), bei einem 20%igen Eigenanteil der Stadt Minden (12.500 € in 2015 / 30.000 € in 2016 / 17.500 € in 2017). Durch ihre Teilnahme an dem landesweiten Praxisentwicklungsprojekt kann die Stadt Minden 24 Monate lang sowohl die Bildungsakteur*innen für das Thema sensibilisieren wie auch Kindern und Jugendlichen Beteiligungsformen bieten. Das Praxisentwicklungsprojekt wird durch die Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-Lippe sowie dem Institut für Soziale Arbeit (ISA e.V.) begleitet und ausgewertet. Die abschließende Berichterstattung wird Hinweise für andere Städ- te liefern. Ziele des Projektes: • In Kooperation mit der städtischen Jugendarbeit, dem Tandempartner Ju- gendverbandsarbeit und den weiteren Netzwerkpartnern Schule/Kultur/Sport rücken Kinder und Jugendliche als „Subjekte“ in das Zentrum der Bildungs- landschaft und wirken partizipativ an deren Ausgestaltung mit. 9 ebenda 21
• Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung der Mindener Bildungslandschaft ist strukturell verankert. • Selbstlernen, Selbstgestalten – im Sozialraum sind Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche geschaffen. • Fachkräfte und Ehrenamtliche hören, was die Kinder und Jugendlichen bewegt und richten ihre Arbeit danach aus. Sie transportieren deren Interessen in die Mindener Bildungslandschaft und die städtische Politik – auch gemeinsam mit den jungen Menschen. • Tandempartner des Bereichs Jugendarbeit / Jugendschutz und der städtischen Jugendhäuser sind „juenger unterwegs“ und der Freizeitmitarbeiterclub Min- den e.V. (FMC). • Kinder- und Jugendarbeit wird von den etablierten Bildungsinstituten als gleichwertiger und wichtiger Bildungsakteur gesehen und erlebt. • Die Bildungsakteur*innen in der Stadt Minden sind besser miteinander ver- netzt und kooperieren zum Nutzen der Kinder und Jugendlichen. Projektbausteine: • beteiligungsorientierte Bedarfsermittlung mit unterschiedlichen Methoden wie: Sozialraumerkundungen mit Kindern und Jugendlichen in den besonders be- lasteten Stadtteilen (Bärenkämpen, Rodenbeck, Rechte Weserseite, Innen- stadt), stadtweite Bedarfserhebung durch Fragebögen in den 8. Schulklassen der weiterführenden Schulen, jährlich stattfindende Jugendhearings in den besonders belasteten Stadtteilen unter Einbeziehung der bereits bestehenden Netzwerke, Mobile Beteiligungsform („Sprachbar“), Mini-Minden - Kinder im Alter von 6 - 13 Jahren erhalten im Rahmen des Sommerferienprogramms die Möglichkeit, ihre eigene Stadt zu bauen. • Projekte, Angebote und Maßnahmen, die aus den verschiedenen Bedarfserhe- bungen und dem Dialog mit den Kindern und Jugendlichen entstehen können (z. B. neue Freizeitangebote, Sprachbar-Partys, Spielplatzgestaltungen, etc.). • Fortbildungen für Fachkräfte und Ehrenamtliche z. B. Fachtage zum Thema „Bildungslandschaft und Partizipation“, Fortbildungen zu Methoden der Parti- zipation für Fachkräfte aus der Kinder- und Jugendarbeit, Offenen Ganztags- schule, Schule und weiteren Institutionen der Mindener Bildungslandschaften, Einbindung des Themas „Partizipation“ in die bestehenden Ausbildungsange- bote der Jugendgruppenleiter*innen sowohl in der Offene Kinder- und Ju- gendarbeit wie auch der Jugendverbandsarbeit, Ausbildung und Einsatz von „Kindermoderatoren“, „Beteiligungskiste“ - ein Methodenkoffer „Partizipation und Demokratiebildung“, der dann allen Akteur*innen in der Bildungsland- schaft kostenlos zur Verfügung gestellt wird. • Netzwerkarbeit über die bereits bestehenden Strukturen (Bildungsplanung, „Kulturrucksack“, Stadtteilnetzwerke) aber auch Aufbau einer stetigen Kom- munikation mit dem Regionalen Bildungsbüro des Kreises Minden-Lübbecke Angestrebt ist, dass nach der Projektlaufzeit die Mindener Bildungslandschaft die Themen „Partizipation“ und „Selbstbildung“ in ihre Planungsprozesse strukturell verankert hat. Es ist dann eine Beteiligungskultur geschaffen und auch in den Sozialräumen verstetigt. Partizipation ist als Leitziel gesetzt und wird vor allem von den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen in der Kinder- und Ju- gendarbeit „mitgedacht“ und umgesetzt. Im besten Fall tragen auch Schulen und ihre Fachkräfte (Schulsozialarbeit, Lehrer*innen, Beratungslehrer*innen, OGS- Mitarbeiter*innen) dieses Leitziel stetig in ihre Arbeit und suchen den Kontakt zur Kinder- und Jugendarbeit. 22
II. Handlungsfelder, Ressourcen, Ziele, Bedarfe und Entwicklungsper- spektiven Foto: Kinder- und Jugendkreativzentrum Anne Frank Nachdem wir uns in den bisherigen Kapiteln mit der gesellschaftlichen Situation in Minden sowie konzeptionellen Überlegungen beschäftigt haben, kommen wir nun zur Beschreibung der einzelnen Handlungsfelder • Bereich 4.2 Jugendarbeit / Jugendschutz • Städtische Jugendeinrichtungen • Kinder- und Jugendkreativzentrum Anne Frank • Jugendhaus Geschwister Scholl • Kinder- und Jugendtreff Westside • Jugendhaus Alte Schmiede • Juxbude • Jugendverbandsarbeit • Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz • Jugendsozialarbeit • Spielraumplanung • Integrierte Stadtentwicklungsplanung, Bildungsplanung, Jugendhilfeplanung. Die einzelnen Handlungsfelder werden skizziert. Betrachtet werden die in den Handlungsfeldern zur Verfügung stehenden Ressourcen, die gesetzlichen Grund- lagen, übergeordnete Ziele und Zielkonkretisierungen, die im Rahmen der mittel- fristigen Finanzplanung und des Haushaltssanierungsplans finanzierten Maßnah- men und weitere darüber hinausgehende Perspektiven. Die Bedarfe werden hier gewichtet in unabdingbare Bedarfe (Priorität) und zu- sätzliche Bedarfe, mit denen sich in der Laufzeit des Kinder- und Jugendförder- plans weiter prüfend auseinandergesetzt werden muss. 23
1. Handlungsfeld Bereich Jugendarbeit / Jugendschutz - Ressourcen, Ziele, Be- darfe und Entwicklungsperspektiven Foto: © Paul Olfermann Der Bereich Jugendarbeit / Jugendschutz in der Verwaltung ist das „Herzstück“, vom dem aus das Arbeitsfeld „Jugendförderung“ gesteuert und vernetzt wird. Die Kommunale Jugendförderung umfasst die Leistungsbereiche der Jugendhilfe, wie sie in den §§ 11 bis 14 SGB VIII (Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und er- zieherischer Kinder- und Jugendschutz) in Verbindung mit den §§ 79 (Gesamt- verantwortung) und 80 (Planungsverantwortung) im SGB VIII verpflichtend ge- regelt sind. Diese bundesgesetzlich geregelte kommunale Pflichtaufgabe wird im Kinder- und Jugendförderungsgesetz NRW für die 186 Jugendämter in NRW kon- kretisiert. Das Ausführungsgesetz des Landes NRW beschreibt Zielgruppen, Leit- ziele und Inhalte des Leistungsbereichs. Die Verpflichtung zur Planung und Steu- erung der Jugendförderung, zur Erstellung von kommunalen Kinder- und Jugend- förderplänen, zur Mitsprache und Beteiligung junger Menschen und zur Vernet- zung mit anderen Politikbereichen ist Aufgabe jedes Jugendamtes. Unabhängig von lokalen Ausprägungen ist das Kerngeschäft der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und des Jugendschutzes wie folgt zu kennzeichnen: - Junge Menschen entscheiden selbst über die Teilnahme - nicht Eltern, Schule, Fachkräfte, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. - Die Angebote sind gemeinnützig und erfüllen keinen kommerziellen Zweck. - Zugänge für Alle werden ermöglicht und dort, wo noch Barrieren beste- hen, werden diese abgebaut. - Empowerment und Partizipation als Arbeitsprinzip ermöglichen Frei- räume und Weiterentwicklung. - Interessensvertretung der 6- bis unter 27-Jährigen in der Kommune im Mix der Generationen. - Jugendpolitische Aktivitäten sind parteipolitisch neutral. - Jugendberatung ist integraler Bestandteil. Kommunale Jugendförderung hat vor allem die Aufgabe, Jugendarbeit zu qualifi- zieren. Dies geschieht durch laufende Qualifizierungsangebote für hauptamtlich, neben- und ehrenamtlich tätige Personen in der offenen und verbandlichen Ju- gendarbeit. Grundlage sind die in der Jugendarbeit jeweils gefragten und not- wendigen Kompetenzen. 24
Kommunale Jugendförderung beinhaltet das Angebot der Fachberatung mit Blick auf die Träger, Gruppen, Teams und Beschäftigten der Jugendarbeit. Insbeson- dere dort, wo neue Träger aktiv werden, neue Angebote entstehen sollen und neue Herausforderungen anstehen, ist Fachberatung, kollegiale Beratung und Qualifizierung hilfreich. Neben der Jugendarbeit ist eine qualifizierte Jugendsozialarbeit ebenso vorzuhal- ten wie Leistungen für junge Menschen gemäß SGB II und III. Eine gelingende Übergangsgestaltung sollte der Fokus eigenständiger Jugendpolitik in der Kom- mune sein. Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz in Abgrenzung zum gesetzlichen Ju- gendschutz ist ebenfalls Bestandteil kommunaler Jugendförderung. Hier können auch Multiplikator*innen, Lehrkräfte und Eltern Adressaten von Präventionspro- jekten sein. Ausgangspunkt sind auch hier die Risiken, wie sie sich für junge Menschen darstellen. Kommunale Jugendförderung ist zudem auch jenseits der klassischen Verbands- und Trägerstrukturen Anlaufstelle für junge Menschen. Sie eröffnet aktiv Beteili- gungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten für junge Menschen in der Kommune und ermöglicht den Dialog mit Kommunalpolitik. Kommunale Jugendförderung ist Lobbyarbeit und Interessenvertretung für und mit Jugendlichen. Kommunale Ju- gendförderung ist die Drehscheibe und Servicestelle für Jugendliche, Fachkräfte der Jugendhilfe und Jugendpolitik vor Ort. Sie fördert den Informationstransfer und die Vernetzung. Im Bereich Jugendarbeit / Jugendschutz laufen all diese Aufgaben zusammen. Hier wird fachliche Beratung und Unterstützung, aber auch die finanzielle Förde- rung von Verbänden und Trägern geleistet. Hier spielt die Koordination eine wichtige Rolle. Steuerung und Weiterentwicklung des Bereichs auch in Kooperation mit Bildungsplanung und Jugendhilfeplanung, Fachberatung der Jugendeinrichtungen und der Jugendverbandsarbeit sind we- sentliche Aufgaben. Zudem wurde im Bereich Jugendarbeit / Jugendschutz 2014 eine neue Stelle ein- gerichtet, die mit allen Jugendhäusern eng kooperiert und bei längerfristigen Ausfällen mit einem Stellenanteil als Vertretung einspringen kann. Mit einem wei- teren Stellenanteil hat sie die Aufgabe, Partizipation in der Kinder- und Jugend- arbeit zu befördern und entsprechende Projekte zu entwickeln. Diese Stelle hat eine Scharnierfunktion zwischen dem Bereich Jugendarbeit / Ju- gendschutz und den städtischen Jugendeinrichtungen. Anzahl der Hauptamtlichen: 4 Vollzeitstellen ( 2 Verwaltungskräfte und 2 Stellen Sozialarbeit), 1 Anerkennungspraktikantenstelle Finanzieller Rahmen: 2015 2016 2017 Planansatz 202.447,00 € 202.447,00 € 202.447,00 € (Hier werden die Aufwendungen für das Praxisentwicklungsprojekt berücksichtigt sowie alle selbstbewirtschafteten Budgets; Produkt 006 002 005 u. 006 002 006, Mittel für Jugendver- bandsarbeit, erzieherischen Kinder- und Jugendschutz und Jugendsozialarbeit sind hierin nicht enthalten. Siehe untenstehende Handlungsfelder.) 25
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