Durchblick Diakonische Stiftung Wittekindshof
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Tierisch Editorial Liebe Leserinnen und Leser, drei Themen beschäftigen uns im Wittekindshof nach wie vor sehr. Das Erste sind die Neuerungen, die durch das Bundesteilhabegesetz anstehen. Sie beinhalten die Chance, unsere Angebote noch besser auf die Bedarfe der einzelnen Menschen aus- zurichten, die wir unterstützen. Damit das gelingen kann, werden wir aber die Ab läufe und auch die Strukturen des Wittekindshofes verändern müssen. Das ist eine große Aufgabe. Das zweite Thema sind die strafrechtlichen Ermittlungen gegen zahlreiche unserer Mitarbeitenden und andere betroffene Personen, auf deren Ergebnisse wir immer noch warten müssen. Wenn hier auch nur ein bestimmter Geschäftsbereich im Fokus steht, so belastet das Thema doch die ganze Stiftung sehr. Wir hoffen, dass es zu den bedrückenden Fragen bald eine Klärung durch die zuständigen Behörden gibt. Das Dritte ist die Coronapandemie. Darin haben die Mitarbeitenden in den letzten eineinhalb Jahren Enormes geleistet, um die Unterstützung der Menschen, für die wir arbeiten, gut aufrecht erhalten zu können. Man spürt zugleich, dass diese lange Zeit der Anstrengung bei ihnen tiefe Spuren hinterlassen hat. Neben diesen besonderen Herausforderungen gibt es aber noch die alltägliche Arbeit, die von vielen Menschen für viele Menschen zuverlässig geleistet wird. Wir haben uns deshalb bewusst entschlossen, ein Kleinod aus diesem Alltag in den Mittelpunkt dieses DURCHBLICK zu stellen – weit abseits der schwierigen Groß themen: die Arbeit mit Tieren. Lassen Sie sich begeistern von den vielfältigen Beiträgen dieses Heftes, in denen bemerkenswerte Begegnungen zwischen Mensch und Tier dargestellt werden. Ihr Pfarrer Prof. Dr. Dierk Starnitzke, Vorstandssprecher 2 D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1
Diakonische Stiftung Wittekindshof 2 Editorial 4 Angezählt Thema: Tierisch 6 Schweinemassage in der Sulkshege 9 Bunter Hund 10 Interview: „Vertrauen ist das A und O“ 13 Wer ist hier der Boss? 14 Teamwork 16 Interview: „Große Qualitätsunterschiede in der Ausbildung von Assistenzhunden“ 18 Job mit viel Verantwortung 20 Experten in Sachen Huhn 21 Mentale Stütze 23 Alles andere als langweilig Wittekindshofer Themen 24 Spielregeln ohne Barrieren 26 Platz für Lob und Kritik 27 Achtsam mit Körper und Geist umgehen 28 Aus den Orten 30 Personalia 31 Zwei neue Kitas in Ahaus 32 Das Gruppenfoto 33 Impressum 34 Blick zurück Erste Ausflüge und Urlaubsfahrten 36 Was macht eigentlich … … Sabine Lohrke im Familienunterstützenden Dienst? 39 Auf ein Wort Schlau wie ein Esel D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1 3
Angezählt 40… 222… wilkimedia.org, Sigurður Òlafsson/norden.org Archiv Wittekindshof … Jahre ist das älteste Gebäude der … verschiedene Pflanzenarten zieht iakonischen Stiftung Wittekindshof alt. D die Wittekindshofer Gärtnerei in ihren Es ist das so genannte „Alte Haus“ auf Gewächshäusern in der Frühjahrs- dem Gründungsgelände - die Keimzelle und Sommersaison heran. der Stiftung. 4 D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1
Angezählt 8877… wikimedia.org, Fotomontage:Wilfried Gandras … Kilomenter haben Mitarbeitende sowie Klientinnen und Klienten in Gronau während der Stadtradeln-Aktion im Mai zurückgelegt: Das entspricht ungefähr einer Fahrradroute von Gronau nach Kampala. Damit belegte das Wittekinds hofer Team den dritten Platz im Stadt-Ranking. Ziel des Wettbewerbs ist es, möglichst viele Alltagswege klimafreundlich mit dem Fahrrad zurückzulegen. D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1 5
Tierisch Schweinemassage in der Sulkshege Gruppenraum des Kinder- und Jugendhauses verwandelt sich in Tiergehege F ritz rollt sich auf die Seite und schließt die Augen. Mit einer Kaninchen lassen sich davon nicht aus der Ruhe „Wir sind sehr froh, Klobürste kniet Samuel vor dem bringen. Und Alois Ter- dass wir dank zahlreicher Minischwein und streicht ihm hürne auch nicht. „Es ist über Bauch und Hinterläufe. genug für alle da“, sagt Spenden die Besuche Der Eber streckt alle Viere von sich, und wer genau hinhört, kann ein lei- er und holt Futternach- schub aus einer der mit- ermöglichen können.“ ses, genüssliches Schmatzen hören. „Das ist gar keine Klobürste, sondern eine Schwei- gebrachten Boxen. Die Hühner haben sich nun Kristina Jässing nebürste!“, wirft Alois Terhürne ein und fügt trotzdem eine Pause vom mit einem Augenzwinkern hinzu: „Eigent- Trubel verdient und dürfen Umgang lich ist sie zur Schweinemassage gedacht. zurück in ihren Käfig. mit den Aber wir Menschen haben sie zweckent- Tieren fällt fremdet.“ Samuel lacht. Alois Terhürne und Auf Tuchfühlung mit Turbo ihnen die Kontakt Fritz gehören zum menschlichen und tieri- Ablöse naht: „Wer möchte mal eine Schnecke aufnahme oft leichter. schen Team der Eseltherapie Terhürne. Sie auf die Hand nehmen?“, fragt Terhürne in die Ängste und Hemmungen werden abgebaut. sind gern gesehen Gäste im Wittekindshofer Runde. Selina streckt zögernd die Hand aus. Das stärkt das Selbstvertrauen und die Sozi- Kinder- und Jugendhaus an der Sulkshege „Ich weiß nicht, die fühlen sich doch ganz alkompetenz“, sagt Kristina Jässing. Sie ist als in Hamm. Einmal im Monat verwandelt sich glitschig an“, hadert sie erst, traut sich dann stellvertretende Bereichsleitung für das Wohn- der Gruppenraum im Obergeschoss oder der aber: „Die sind ganz weich.“ Doch noch ziert haus mitverantwortlich. Seit Jahren bestehe Garten des Wohnhauses in ein kleines Tier- sich Achatschnecke Turbo etwas davor, aus ein guter Kontakt zur Eseltherapie. „Einmal gehege. ihrem Haus zu kriechen. „Hab Geduld, sie im Jahr besuchen wir zudem den Hof der Einige der Gäste kennen die Kinder bereits ist nicht die schnellste.“ Terhürne setzt sich Eseltherapie und feiern ein Sommerfest.“ sehr gut. „Lisa!“, ruft Sophia erfreut aus, als zu dem Mädchen. „Fressen Schnecken auch Pandemiebedingt musste das Fest in diesem sie den Raum betritt. Wenige Sekunden spä- Salat?“, möchte Selina wissen. Terhürne hält Jahr bereits zum zweiten Mal ausfallen. Jäs- ter sitzt die 16-Jährige mit der Königspudel- der Schnecke ein Blatt vor die Haustür. Und sing: „Umso wichtiger sind deshalb die re- dame auf dem Sofa und krault ihr das Fell. siehe da, Turbo regt sich und streckt die Füh- gelmäßigen Besuche an der Sulkshege, die Auch Zwergpudel Lumpi bekommt sofort ler aus. „Damit kann die Schnecke sehen, mittlerweile wieder möglich sind.“ einige Streicheleinheiten ab. Auf der langen dort sitzen ihre Augen“, erklärt Terhürne. Tischreihe einige Meter weiter sind Hand- „Und der Schneckenschleim macht eure Haut Zeit der Katzen tücher ausgebreitet. Darauf haben es sich ganz weich.“ Selina reibt die Hände anein- Hündin Lisa hat sich derweil zum Schlafen Kaninchen und Meerschweinchen gemüt- ander. „Fühlt sich wie Hautcreme an“, stellt zurückgezogen. „Wir achten darauf, dass lich gemacht und mümmeln an Salatblät- sie erstaunt fest. die Tiere genug Pausen haben, jede Einheit tern, die ihnen Selina entgegenhält. „Hey „Tierpädagogische Angebote werden in der nur 30 Minuten dauert und jedes Tier nur Maja, nicht!“, tönt es von der anderen Seite Regel nicht von anderen Kostenträgern finan- ein bis zwei Einsätze pro Tag hat. Das ist so des Tisches. Gemeinsam mit dem schwar- ziert. Wir sind sehr froh, dass wir den Mädchen vom Veterinäramt vorgeschrieben“, betont zen Seidenhuhn Hanni hat sich das Padua- und Jungen dank zahlreicher Spenden diese Alois Terhürne. Während die Hunde pausie- ner-Huhn die Salatblätter geschnappt. Die monatlichen Besuche ermöglichen können. Im ren, schlägt die Stunde von Feeli und Fussel. 6 D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1
Tierisch Die beiden Katzen springen aus ihren Boxen und schnuppern kurz an den Schnecken- häusern. „Keine Sorge, die kennen sich alle und vertragen sich untereinander“, beruhigt Terhürne die Jungen und Mädchen. Samuel legt indes die Schweinebürste beiseite. Vor- sichtig streicht der 13-Jährige Fritz mit der Hand noch einmal über den Bauch. „Das ist eine besonders empfindliche Stelle“, erklärt Iris Mebus-Melnik. Sie ist Fachkraft für Tier- gestützte Intervention bei der Eseltherapie. „Wisst ihr, warum sich Schweine suhlen?“, fragt sie in die Runde. Die Jungen und Mäd- chen schütteln die Köpfe. „Damit der Bauch nicht verbrennt, wenn die Sonne so stark scheint.“ Fritz steht auf. Langsam trottet das Minischwein auf seine fahrbare Box zu. Der tierische Besuch hat nun Feierabend. Fritz grunzt noch einmal zum Abschied. Nächsten Monat gibt es für ihn wieder eine ordentliche Massageeinheit im Kinder- und Jugendhaus an der Sulkshege. DDuurc rchhbblliicckk 22-2 -2002211 7
Tierisch Die Eseltherapie Terhürne bietet seit 2005 tiergestützte Interventionen an: Das Team besucht Schulen, Kindergärten, Kinderklinken, Psychiatrien, Wohnhäuser für Menschen mit Behinderung, Senioreneinrich- tungen und vieles mehr. „Unsere Tiere sind alle ausgebildet und haben ein jahrelanges Training hinter sich. Die Tiere wer- den regelmäßig durch den Tierarzt untersucht und unterlie- gen den Kontrollen des Veterinäramtes“, sagt Geschäftsfüh rerin Bianca Terhürne. Neben Eseln, Schweinen und Schafen gehören auch Kleintiere zum tierischen Team, darunter Hunde, Katzen, aber auch Gänse und Schnecken. Weitere Informationen unter www.eseltherapieterhuerne.de 8 D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1
Tierisch Bunter Hund Atila ist auf dem „A tila kann sowohl laut, als auch tig, frühzeitig motorische leise“, sagt Britta Turner über Stresssignale Gründungsgelände Fähigkeiten ihren fuchsroten Mischlings- rüden. Laut sein, im Sinne und Ermüdungs- erscheinungen zu im Einsatz immer wieder trainieren“, von Menschen aktivieren und motivieren; erkennen.“ Nur ge- sagt Turner. leise sein, im Sinne von anderen die Angst sunde Tiere sollten in Während Atila nehmen, präsent sein. „Denn das Aufgaben- der Tiergestützten In- draußen richtig feld eines Therapiehundes ist breit gefächert“, tervention eingesetzt wer- aufdreht und jedem weiß Turner. Die examinierte Erzieherin ist in den. „Gleichzeitig hilft es einem geworfenen Ball hinterher- den Tagesstrukturierenden Angeboten (TSA) Junghund, wenn er sich an einem wetzt, schaltet er drinnen einen im Haus Morgenstern auf dem Gründungs- älteren orientieren kann“, sagt Turner. „Atila Gang herunter. „Ruhezeiten sind wichtig und gelände in Volmerdingsen tätig. 2009 hat sie kennt das Gründungsgelände von klein auf. die Einheiten auf 30 Minuten begrenzt“, betont ihre Zusatzausbildung zur Fachkraft für tier- Er hat Elia und mich seit seiner 18. Lebens- Turner. Nach dem Essen zieht Atila sich auf sei- gestützte Therapie und Pädagogik absolviert. woche zur Arbeit begleitet. So konnte er sich nen Schlafplatz zurück. Während die TSA-Teil- Seit fast zehn Jahren ist Atila in der Dia- eingewöhnen, die Menschen kennenlernen, nehmenden handwerklichen Arbeiten nach- konischen Stiftung Wittekindshof im Dienst. aber auch die Hilfsmittel, wie Rollstühle oder gehen, hat er nun Feierabend. „In Hundejahren umgerechnet sind es sogar Rollatoren.“ 70“, setzt sein Frauchen schmunzelnd hinzu. Was ist Tiergestützte Intervention? Zehn Jahre, in denen Atila seine Vielseitigkeit Atila ist geduldig Unter Tiergestützten Interventionen versteht immer wieder unter Beweis gestellt hat. Sei es Mittlerweile ist Atila bekannt wie ein sprich- man alle pädagogischen, therapeutischen bei Parcours-Läufen im Kinder- und Jugendbe- wörtlicher bunter Hund. Wo immer der knie- oder sonstigen Maßnahmen, in denen Tiere reich, bei Gruppenangeboten in der TSA oder hohe Mischlingsrüde auftaucht, sind ihm Strei- in unterschiedlicher Art und Weise einbezogen als Begleiter auf dem letzten Lebensweg. „Die cheleinheiten gewiss – auch bei Alfred Zoch, werden. Sterbebegleitung war eine intensive Erfah- der die TSA im Haus Morgenstern besucht. Darunter fällt die Tiergestützte Therapie, rung. Sie gehört aber nicht unbedingt zum Freudig lacht der 84-Jährige, als Atila an ihm die ausschließlich von ausgebildeten The- Standard von Therapiehund-Einsätzen, son- vorbeisaust, um den von ihm geworfenen Ten- rapeuten und Therapeutinnen (Ergo-, Phy- dern ist nur sinnvoll, wenn Mensch und Tier nisball wieder einzusammeln. Anschließend sio- und Psychotherapeutinnen und -thera- schon vorher eine Beziehung hatten. Atila hat geht es in den TSA-Raum. Atila wartet ge peuten sowie Logopäden und Logopädinnen) sich mit ins Bett gelegt und einfach Körperkon- duldig, ehe der Senior ihm nach und nach sein ausgeführt wird. Ziel ist es dabei, die Lebens takt gesucht. Man hat sofort gespürt, wie sich Futter auf den Teller legt. „Alfred und Atila haltungskompetenzen zu stärken und zu för- die Stimmung im Raum entspannte, der Blut- sind schon ein eingespieltes Team. Routinen dern und dabei eine positive Auswirkung zu druck des Menschen sank, die Atmung wurde sind wichtig in unserer Arbeit. Sie geben zum erzielen. ruhiger“, erinnert sich Turner. einen Struktur, und zum In der Tiergestützte Pädagogik sind nur Angefangen hat es mit dem Berner anderen lassen ausgebildete pädagogische Fachkräfte (Erzie- Sennenhund Ernie. Er war Turners sich so bei- her und Erzieherinnen sowie Sozial-, Behin- erster Therapiehund. „Ich hatte spiels- derten- und Heilpädagogen und -pädagogin- eigentlich immer Hunde in weise nen) im Einsatz. Im Fokus stehen das Lernen, meinem Leben und wollte die Steigerung von Verantwortungsgefühl und das mit meiner Arbeit sozialen Kompetenzen sowie die körperliche beim Wittekindshof ver- und emotionale Entwicklung. binden.“ Aus diesem Tiergestützte Fördermaßnahmen und Akti Grund entschied sie vitäten sind ein weiterer Teil der Intervention. sich dazu, die Zusatz- Sie können unabhängig von einem therapeu- qualifikation in Tier- tischen oder pädagogischen Beruf ausge- gestützter Intervention führt werden. Im Vordergrund steht hier eine zu erlangen. Nachdem gemeinsam mit dem Tier ausgeführte Aktivi- Ernie in den Ruhestand tät, die jedoch keine konkreten und ausfor- ging, folgten der Berner mulierten Förderziele verfolgt. „Die Freude Sennenhund Elijah und am Umgang mit Tieren und deren Wohlerge- nun Atila. „Für Thera- hen sind grundlegende Inhalte“, sagt Britta piehunde gibt es kein offi Turner. „In der Praxis lassen sich diese drei zielles Renteneintrittsalter, je- Formen schwer voneinander trennen, denn der Hund ist anders und reagiert in der Regel beeinflussen sich diese Berei- unterschiedlich. Daher ist es wich- che gegenseitig.“ DDuurc rchhbblliicckk 22-2 -2002211 9
Tierisch G enüsslich wälzt sich Hilarus im Sand der Reithalle. „Ein gutes Zeichen“, sagt Sylvia Niemeier. Es zeige, dass sich der Wallach wohlfühle. Hilarus ist eines von neun Therapiepferden der Diakonischen Stiftung Wittekindshof. Seit 2001 bieten Niemeier und Michael Rahmöl- ler Therapeutisches Reiten für Menschen mit Behinderung an. Im Interview sprechen die beiden Reitpädagogen darüber, was die Tiere leisten und was sie brauchen, um diese Arbeit zuverlässig durchzuführen. Kann eigentlich jedes Pferd ein Therapiepferd werden? Sylvia Niemeier: Grundsätzlich ja. Pferde sind von Natur aus soziale Wesen, die den Kon- takt suchen und daher für die therapeutische Arbeit sehr gut geeignet sind – wenn sie angstfrei und gesund sind. Wir unterziehen die Tiere natürlich einem Gesundheitscheck bevor wir sie kaufen. Unabhängig davon haben wir bisher in der Regel immer junge Pferde ausgebildet, weil wir dadurch früh eine Bindung zu den Tieren aufbauen. Die ist in der therapeutischen Arbeit sehr wichtig – für Tier und Mensch. Ein bereits ausgebildetes Therapiepferd zu kaufen, wäre also nicht unbedingt sinnvoll? S. Niemeier: Genau, da die Ausbildung ganz an die Bedürfnisse der Therapie angepasst ist. Und das leitet sich auch von den Gege- benheiten vor Ort ab. Beispielsweise steigen die Reiterinnen und Reiter bei uns von einer Rampe aus in den Sattel. Das lässt sich nur vor Ort üben. Wir müssen die Pferde zwar selbst 10 D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1
Tierisch „Vertrauen ist das A und O“ Wittekindshofer Reitpädagogen im Interview einreiten und an Trense, Sattel und Reiter gewicht gewöhnen – so können wir sie wäh- Die Pferde lernen Spielen die Artgenos renddessen aber auch an unser ganz eigenes Setting heranführen. ein großes Spektrum sen eine Rolle bei der Eingewöhnung? unterschiedlicher S. Niemeier: Oh ja! Was ist das für ein Setting, und welche Unsere neun Pferde Anforderungen müssen die Tiere erfüllen? Menschen kennen. leben in einer Herde, in Michael Rahmöller: Das Angebot steht jedem gang der jedes Tier seinen Platz und jeder offen. Das bedeutet auch: Die mit in der Rangordnung hat. Pferde lernen ein ganz großes und vielsei- den Das gibt zusätzliche Sicher- tiges Spektrum unterschiedlicher Menschen Pferden, heit. Während der Ausbildung vom Kindes- bis ins Seniorenalter kennen. lernen, wor- ist es daher hilfreich, wenn ein Darunter sind Menschen mit schwerstmehr- auf sie achten soll- älteres Pferd dabei ist, das als Leittier facher Behinderung genauso wie Männer ten. Die Tiere wiederum Orientierung bietet. und Frauen mit psychischen Erkrankungen, wissen, was sie erwartet. Das trägt zu ihrem die körperlich vielleicht total fit sind. Unsere Sicherheitsgefühl bei. Brauchen die Pferde auch Urlaub, Pferde sind keine Dressurpferde, die eine M. Rahmöller: Jede Reiteinheit ist aber anders. damit sie sich nicht „überarbeiten“? ganz klare Aufgabe haben und möglicher- Manche möchten richtig Action und wollen S. Niemeier: Jedes Tier beteiligt sich grund- weise nur einen oder wenige Reiter. am liebsten sofort drauflosreiten, anderen sätzlich nur an einer Einheit pro Tag. Die S. Niemeier: Insgesamt sind es etwa 80 Men- reicht das Gefühl, auf dem Pferd zu sitzen und Pferde haben klare Arbeitszeiten, wenn man schen, die unser therapeutisches Reitangebot die Bewegungen zu spüren. Und auch jedes so will, also auch Feierabend. Außerdem nutzen. Darunter sind viele Erwachsene. Das Pferd ist anders. Wir kennen unsere Tiere und bietet unser Stallkonzept einen großen und heißt, die Tiere müssen nicht nur psychisch wissen, was jedes einzelne leisten kann und wichtigen Ausgleichspunkt. Die Pferde leben stark sein, um sich auf die unterschiedlichen wann Pausen gebraucht werden. in einem sogenannten Aktivstall, in dem sie Reiterinnen und Reiter einzustellen, sondern sich frei an der frischen Luft bewegen und auch muskulär mehr leisten. Dazu kommt Wie bilden Sie die Pferde aus, als Herde agieren können. Hier müssen sie der Umgang mit unseren Materialen: Ringe damit die Tiere sowohl physisch sich bewegen, um ans Futter zu kommen und und Musiktrommeln für die motorische und als auch psychisch belastbar sind? zu trinken. Reibereien werden innerhalb der kognitive Arbeit oder besondere Gurte oder S. Niemeier: Pferde sind Fluchttiere. Bei einem Gruppe geklärt. Die Pferde können einfach Vorrichtungen, die manche Teilnehmenden Anzeichen von Gefahr ergreifen sie die Flucht. nur Pferd sein, ohne dass sie von Menschen benötigen, um sich auf dem Pferd zu halten. Also müssen wir dafür sorgen, dass sie sich gestört werden. sicher fühlen. Das A und O ist deshalb, dass sie M. Rahmöller: Durch das Stallkonzept haben Wie läuft eine therapeutische Reiteinheit ab? uns vertrauen. Die Tiere müssen wissen: Unser die Tiere Abwechslung im Alltag. Wir wollen S. Niemeier: Die Abläufe sind generell sehr Wort gilt, und ihnen kann während der Einhei- nicht, dass sie möglicherweise stoisch wer- strukturiert. Bevor die Teilnehmenden reiten, ten nichts passieren. Auch wenn es mal lauter den. Sie sollen wach und aufmerksam sein, begrüßen und putzen sie erst einmal die Tiere. wird oder viel Trubel herrscht. Und wir kennen und sie sollen ihr eigenes Wesen behalten. Das baut Nähe auf und bietet Struktur. Außer- die Pferde gut genug, um zu wissen, bei wel- Das macht sich auch in der Therapie bezahlt. dem steigert es das Verantwortungsgefühl. Die chen Stressauslösern welches Tier anschlägt, Verschiedene Menschen brauchen schließlich Teilnehmenden verinnerlichen Regeln im Um- und können darauf sofort reagieren. verschiedene Pferde. D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1 11
Tierisch Wer ist hier der Boss? Martin Lübke versorgt die „Wittekindshofer Stars“ S ie sind wohl die heimlichen Stars des Wittekindshofs: Horst sieht ein, dass er nur der Ranghöchste der Herde „Ich arbeite schon so lange und Knut. Die beiden Lamas ist, wenn Martin Lübke mit Horst und Knut. sind schon an (fast) jedem nicht da ist. Etwas ein- Standort der Stiftung gewesen genordet und geerdet Wir verstehen uns.“ und gern gesehene Partygäste. trabt er von dannen – Und sie haben ihren ganz persönlichen Koch, auf die Wiese, die Lübke Martin Lübke Friseur und Gärtner. Martin Lübke versorgt ihm zugewiesen hat. seit 14 Jahren die Paarhufer, fast solange Der Volmerdingsener wie sie die Stiftung bereichern. Die bei- kennt seine Lamas und Alpa- den bewohnen auf dem Gründungsgelände kas und weiß, wie er mit ihnen direkt unterhalb des Wiehengebirges ihr pri- umzugehen hat. „Ich arbeite schon beispielsweise vates Anwesen. so lange mit Horst und Knut. Wir verste- etwas und ihm hen uns“, sagt er. Er hat einen ausgelager- muss Schmerzmittel ver- Horst und Knut warten schon ten Werkstattarbeitsplatz und arbeitet recht abreicht sowie Creme aufgetragen werden. Montagmorgen, 8.30 Uhr: Horst und Knut selbstständig. Neben der Versorgung, zu der „Da helfen mir dann Mitarbeitende“, sagt er. erwarten Martin Lübke bereits, der das Fut- auch die Fellpflege gehört, begleitet er die So gerne er seine flauschigen Arbeitskol- ter bringt – spezielles Kameliden-Müsli, sanften, vierbeinigen Therapeuten zu Kin- legen auch hat, denkt er dennoch über eine damit die Tiere gesund und kräftig bleiben. dergeburtstagen, Besuchen in Alten- und berufliche Veränderung nach. Dabei wird er Auch ihre beiden Mitbewohner, die Alpa- Pflegeheimen oder Festen jeglicher Art. vom Wittekindshofer Team für Arbeit und kas Jimmi und Till, die die Lamas auf ihrem Diese sind in Zeiten der Corona-Pandemie Integration begleitet. „Ich mache das jetzt Grund tolerieren, erhalten ihr Frühstück. natürlich ausgefallen. „Aber ansonsten kön- schon so lange hier. Was anderes wäre auch Danach geht es für Lübke ran ans abäppeln. nen die Kinder bei ihren Geburtstagspartys mal toll. Ich werde ja auch nicht jünger und Über das Wochenende haben die Vierbei- den Lama-Führerschein machen. Wir kom- die Arbeit nicht leichter“, sagt der Volmer- ner doch ganz schön Dreck gemacht. Und men dann mit Horst und Knut, stellen die dingsener und zwinkert mit einem Auge. während er den Unterstand säubert, betritt Tiere vor und erklären, worauf man achten Sollte der Jobwechsel funktionieren, wer- Horst stolz den gepflasterten Vorgarten sei- muss, was sie essen und wie man sie führt. den Horst und Knut ihren „persönlichen nes zweiten Domizils, den Stall, und blickt Wenn die Kinder aufgepasst haben, bekom- Assistenten“ sicherlich vermissen. Aber stolz in die Ferne. Dabei gibt er klackernde men sie eine Medaille. Das kommt immer Martin Lübke ist ja nicht aus der Welt. „Ich Schmatzgeräusche von sich. „Damit will er gut an.“ werde bestimmt immer mal bei ihnen vor- sagen, dass er der Chef ist“, erklärt Lübke. beischauen.“ „Doch da täuscht er sich. Noch bin ich hier der Berufliche Veränderung Boss, und hier wird gemacht, was ich sage. Wenn es bei Horst, Knut, Jimmi und Till Aus dem Weg, Horst, hoch mit dir, Knut. Ich aber mal über die Grundversorgung hin- muss den Stall noch sauber machen“, sagt ausgeht, erhält Martin Lübke Unterstützung der 46-Jährige mit einem Grinsen im Gesicht von erfahrenen Mitarbeitenden des zustän- und schiebt die Tiere sanft zur Seite. Horst digen Geschäftsbereichs. Aktuell lahmt Horst 12 D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1
Tierisch Lamas buchen Seit Mitte September können Veranstal- tungen mit den Lamas und Alpakas unter den geltenden Corona-Schutzmaßnahmen wieder auf dem Gründungsgelände stattfinden, beispielsweise Kindergeburtstage mit Lama-Führerschein. Derzeit sind die Angebote nur im Freien möglich, maximal zehn Perso- nen können teilnehmen. Es gelten die 3G-Regel sowie die Kontaktnachverfolgung und ein gesundheitliches Kurzscreening für Ungeimpfte. Ansprechpartnerinnen für Fragen und Buchungen sind Sabine Neumann und Kerstin Busse. Sie sind erreichbar unter: Telefon (05734) 61-17 46 oder per E-Mail an alpakas@wittekindshof.de DDuurc rchhbblliicckk 22-2 -2002211 13
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Tierisch Teamwork Assistenzhündin Nele unterstützt Merle Naue im Alltag „N ele hat Lust, die Welt zu entdecken und mich damit einfach ange- steckt“, sagt Merle Naue und blickt ihrer Golden-Retriever-Hündin dankbar in die VITA, damit Mensch und Hund sich aneinander gewöhnen, lernen, mit- einander zu arbeiten und zu einem harmonischen Team zusammenwach- „Nele gibt mir Sicherheit. Sie passt auf mich auf.“ Augen. Dass sie einmal eine so selbstbewusste und aufgeschlossene junge Frau wird, hätte die sen. Wobei muss Nele unterstützen? Wie gibt Merle Naue die Kommandos? Merle Naue 25-jährige Mindenerin vor einigen Jahren nicht Und vieles mehr. Auch gedacht. Seit Sommer 2013 ist Nele ihre treue zum Begleiterin, die ihr nicht nur zu mehr Selbst- Neue Freunde gefunden Shopping sicherheit verholfen hat, sondern ihr auch die Auch Jahre später fährt Familie Naue zweimal kommt Nele Socken auszieht, die Leine anreicht oder das im Jahr zur Nachbetreuung ins Ausbildungs- mit, sogar in eine Kneipe, in der Hunde an Handy aufhebt. zentrum. „Die Trainer schauen, ob Nele etwas sich nicht erlaubt sind. Noch nie habe es große „Apport!“, sagt Naue zu der zehnjährigen Neues lernen kann, wie sich unser Alltag ver- Probleme wegen der Hündin gegeben. Außer Hundedame und deutet mit der Hand in Rich- ändert hat, oder wo sich vielleicht Fehler ein- einmal im Urlaub, als sich eine Frau lauthals tung ihres Handys. Der Retriever blickt zu sei- geschlichen haben“, berichtet die 25-Jäh- darüber aufgeregt habe, dass die Retriever- nem Frauchen und dann zum Handy, steht auf rige. Doch nicht nur die Arbeit im Team steht hündin am Strand war. „Ansonsten erhalten und hebt sachte das Gerät auf, geht zurück zu dann auf dem Programm. Naue trifft dort wir nur positive Rückmeldungen. Die Leute Naue, setzt sich an ihre linke Seite des Roll- auch Freunde: „Meine VITA-Freundschaften freuen sich eigentlich immer Nele zu sehen“, stuhls, streckt ihr die Schnauze entgegen und zu anderen Teams gehören zu meinen engs- resümiert Merle Naue. hält still, so dass Merle Naue es greifen kann: ten – uns verbindet der Hund. Behinderung ist „Fein gemacht“, sagt die junge Frau und zückt da total egal. Einen Ort zu erleben, wo es so Nicht im Regen stehen lassen einen Hundekeks aus dem Leckerchen-Beutel. egal ist, dass und warum man behindert ist, ist Nele helfe ihr viel im Alltag, „doch noch mehr einfach schön.“ Für Nele steht bei den Treffen ist sie eine emotionale Stütze für mich. Früher Es matcht 2013 einmal im Jahr ein großer Gesundheitscheck war ich schüchtern. Da wäre es nicht denkbar Nele kam über den Verein VITA e.V. Assistenz- an. „Der Verein kümmert sich bis zum Lebens- gewesen, dass ich so offen spreche wie jetzt. hunde zu Merle Naue. Nach erster Internetre- ende der Tiere um die Teams und die Gesund- Nele gibt mir Sicherheit. Sie passt auf mich auf. cherche entschied sich Merle Naue gemein- heit der Hunde. Er ist immer ansprechbar, zu Besonders wenn wir alleine sind. Sie muntert sam mit ihren Eltern, einen Bewerbungsbrief jeder Frage und zu Tages- und Nachtzeit.“ mich auf, wenn es mir schlecht geht. Wir sind an den Verein zu senden. Ende 2011 fand das Jeden Morgen weckt die Hundedame ihre ein Team und arbeiten zusammen. Gemeinsam erste Kennenlern-Treffen mit den Hundetrai- Teampartnerin. Auf Kommando springt die Ret- meistern wir die Situation. Wir sind beide auf- nern in Hümmerich bei Neuwied statt, wo das rieverhündin ins Bett „und wir kuscheln noch merksam. Natürlich hat sie auch ihre Freiheit zu Ausbildungszentrum des Vereins ist. Damals zehn Minuten, bevor ich aufstehen muss“, sagt toben und ausgelassen zu spielen. Sie hat viel noch ohne Nele. Es folgten weitere Termine, Merle Naue mit einem breiten Grinsen. Bevor Pause. Manche Leute denken immer, dass sie bis es zum so genannten „Matching“ im Januar es für Merle Naue, die im Wittekindshofer Büro 24 Stunden ‚arbeitet‘. Das ist nicht so.“ Abends 2013 kam, dabei sucht sich der Hund den Men- für Leichte Sprache arbeitet, los geht zum Job, schließen Merle Naue und Nele den Tag mit schen fürs Leben aus. Am Ende wählte Nele bringt die Hündin ihr ihre Schuhe. „Grund- etwas Positivem ab, einer einfachen Übung, die die damals 16-Jährige als Team-Partnerin aus. sätzlich hebt Nele alles für mich auf. Abends mit Leckerchen belohnt wird: „Den Hund nicht Teams, so werden die Mensch-Hund-Gespanne zieht sie mir beispielsweise die Socken aus. im Regen stehen lassen“, heißt es bei VITA. bei VITA genannt. Die Sommerferien ver- Sie macht alles ganz behutsam und sabbert Aber das käme für das Team Merle und Nele brachte Naue mit ihren Eltern anschließend bei dabei auch nicht“, führt die junge Frau aus. nie in Frage, viel zu eng ist die Bindung. D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1 15
Tierisch „Große Qualitätsunterschiede in der Ausbildung von Assistenzhunden“ VITA-Gründerin Tatjana Kreidler ordnet die Novellierung des Teilhabestärkungsgesetzes ein W er bildet Assistenzhunde aus? Der Begriff des Assistenzhun- Die Finanzierung unserer VITA-Assis- Bislang e rkennen die des ist nicht geschützt. Wir tenzhunde erfolgt gesetzlichen und privaten als Mitglied der ADEu, dem vollständig durch Dachverband der Assistenz- Spender, Dauer- Krankenkassen Assistenz- hunde Europas mit hohen und einheitlichen Standards, beobachten mit äußerster Skep- spender, Stiftun- gen und Sponsoren, hunde nicht als Hilfsmittel für sis und Besorgnis, wie der Markt aufgrund genauso auch die Menschen mit körperlicher der Popularität dieser Hunde und der in den Ausbildung und Nach- einzelnen Ländern fehlenden Regularien mit betreuung der Teams Behinderung an. unzureichend ausgebildeten und nicht quali- (Mensch und Hund). fizierten Assistenzhunden in allen Bereichen Darüber hinaus gibt jeder Den überschwemmt wird. Teampartner, so viel er kann, E ntwurf Wenn man VITA etwas kennt, weiß man, sollte sich aber zumindest antei- des Teil dass wir mit der Ausbildung von Assistenzhun- lig an den Kosten beteiligen und bei habestärkungs den für körperlich behinderte Kinder absolute der Suche nach Spendern oder Förderern aktiv gesetzes sehen wir als Pionierarbeit geleistet haben. Für uns besteht unterstützen. Denn was viele nicht wissen: wichtiges und richtiges Signal und freuen uns unsere Arbeit nicht nur in der Ausbildung der Wir erhalten leider keine öffentlichen Förder sehr, dass unser Verein als Experte des Gremi- Hunde, sie geht weit darüber hinaus. VITA ver- mittel, und die Krankenkassen beteiligen sich ums des Bundesministeriums für Arbeit und folgt von Beginn an ein sozialtherapeutisches nicht an den Kosten für einen Assistenzhund. Soziales zu Rate gezogen wurde. Menschen Gesamtkonzept, das eine intensive Zusam- mit Behinderung sollen künftig einen Rechts- menführung über einen langen Zeitraum Kürzlich ist die Novellierung des Teil anspruch auf die Begleitung durch Assistenz- sowie die regelmäßige und ebenso intensive habestärkungsgesetzes in Kraft getreten. hunde in öffentlichen Gebäuden haben. Das Betreuung und Nachschulung unserer VITA- Welche Verbesserungen bringt es für sieht das Teilhabestärkungsgesetz vor. Teams in den Fokus stellt. Unsere Teams wer- Menschen und ihre Assistenzhunde? Um ein hohes Niveau der Assistenzhun- den von unserem Verein ein Hundeleben lang Bislang erkennen die deutschen gesetzlichen deausbildung zu sichern, legt der Gesetzent- und darüber hinaus begleitet. und privaten Krankenkassen den Assistenz- wurf fest, dass die Hunde immer ganzheitlich, hund nicht als Hilfsmittel für Menschen mit also im Zusammenwirken von Mensch und Was kostet eine Ausbildung, und wie körperlicher Behinderung an. Eine Ausnahme Tier, betrachtet werden. Das ist übrigens bei wird sie finanziert? ist die Ausbildung von Blindenführhunden, VITA seit Gründung des Vereins vor 21 Jahren Unser Verein stellt Menschen unabhängig die entsprechend dem Hilfsmittelkatalog von Standard. Die Teams müssen von einer zer- ihrer finanziellen Situation einen vierpfotigen Krankenversicherungen übernommen wird. tifizierten Ausbildungsstätte ausgebildet und Partner zur Seite. Die Kosten für die Zeit des VITA setzt sich seit Jahren dafür ein, dass von einer unabhängigen Person geprüft wer- Aufwachsens und der Ausbildung eines Assis- auch die Ausbildung von Therapie- und Assis- den. Dadurch sollen verlässliche Qualitäts- tenzhundes ohne die hundelebenslange Nach- tenzhunden von den Krankenkassen gefördert standards in der Assistenzhundeausbildung betreuung belaufen sich auf durchschnittlich wird, und informiert regelmäßig über die gesetzt werden. 35.000 Euro. kleinen Wunder, die unsere Assistenzhunde Unser Verein erhielt bereits 2007 als ers- bei ihren Menschen vollbringen können. ter Verein auf dem europäischen Festland 16 D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1
Tierisch die Zertifizierung der Assistance Dogs Europe (ADEu). Das Gütesiegel belegt, dass VITA nach höchsten internationalen Standards arbeitet. Der ADEu und dessen internationaler Part- nerverein Assistance Dogs International (ADI) sind die Dachverbände für alle seriösen Ver- eine, die Assistenzhunde für Menschen mit Behinderungen ausbilden. Sie setzen hohe Qualitätsstandards, insbesondere was das Wohlergehen der Hunde betrifft. Die Mit- gliedsorganisationen akzeptieren festgelegte Regeln und Vorschriften, welche die Zusam- menarbeit zwischen Mensch und Hund defi- nieren. Wo besteht es aus Ihrer Sicht Nachbesserungsbedarf? Solange Assistenzhunde nicht nach internatio- nal geltenden Richtlinien ausgebildet werden, wird es große Qualitätsunterschiede geben. Das ist zweifelsohne ein großes Problem. Bis jetzt ist der Begriff des Assistenzhundes nicht geschützt und somit lässt sich der Titel schnell vergeben. Sobald ein Assistenzhund, wie unsere VITA- Hunde, nach den internationalen Standards des ADI und ADEu zertifiziert ist, gibt es auch international keine Hürden. Weitere Informationen zum Verein und Unterstützungsmöglichkeiten gibt es im Internet: www.vita-assistenzhunde.de D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1 17
Tierisch Job mit viel Verantwortung Daniel Stephan hat einen ausgelagerten Arbeitsplatz in einer Tierpension D aniel Stephan ist ein hochge- wachsener, kräftiger Mann. stützt.“ Peters hat ihm mehrere Prak- Daniel Stephan d es jun- gen Manns Beinahe stößt sein Kopf an tika organisiert. arbeitet größtenteils a llein. schleckt. das Dach der tiergerecht aus- Immer mit dem „Das ist gebauten Gartenhütte, in der Ziel, den optima- Das kommt ihm und ein so ge- derzeit drei Katzen leben. Die Samtpfoten sind „auf Urlaub“ in der Tierpen- len Job für den Löhner zu finden seinen Bedürfnissen nannter Listenhund. sion Landers in Bad Oeynhausen-Werste, in und ihm langfris- entgegen. Dafür brau- der Stephan einen ausgelagerten Werkstatt tig den Weg auf den che ich einen arbeitsplatz hat. Er ist sozialversichert, hat Allgemeinen Arbeits- Nachweis, um Urlaubsanspruch und verdient sein eigenes markt zu ermöglichen. mit ihm gehen zu Geld. In seine Zuständigkeit fällt unter ande- Seit Januar 2020 arbeitet dürfen. Der ist aber rem die Versorgung der Pensionsgäste. Strei- Daniel Stephan nun für Angelika ganz lieb“, versichert er, cheleinheiten inklusive. und Theo Landers, die an der Nordstraße hält seine Hand noch einmal „Das ist meine Lieblingskatze. Sie ist ganz ihre Tierpension betreiben. Angefangen hat zum Schnuppern an den Zaun und geht wei- zutraulich“, sagt der 33-Jährige und streichelt alles vor einigen Jahrzehnten. Landers hat- ter. Wenige Meter weiter springt die Labra die getigerte Katze, die sich sanft an seine ten eine sehr erfolgreiche Schäferhund- dordame Paula schon vor Freude auf und Hand schmiegt. Dabei ist der große Mann Zucht. Hin und wieder nahmen sie Hunde von ab. „Die weiß genau, was jetzt ansteht.“ Ste- ganz behutsam. Doch seine Arbeit besteht Bekannten kurzzeitig auf. Und Freunde hal- phan geht vorsichtig in den Zwinger, damit nicht nur daraus, Schmuseeinheiten zu ver- fen bei der Versorgung. „Dann kamen immer der schokobraune Vierbeiner nicht entwi- teilen: „Ich mache die Katzenklos sauber, mehr Anfragen, später auch für Katzen“, schen kann, und legt ihm das Halsband um. stelle frisches Wasser hin und fülle das Futter berichtet Angelika Landers. Heute beherber- „Sie ist immer so stürmisch am Anfang“, sagt auf“, erklärt der junge Mann, der in Löhne gen sie und ihr Mann auch Meerschwein- Stephan während Paula den Fast-Zwei-Me- lebt und von der Diakonischen Stiftung Wit- chen, Kaninchen und Vögel. Selbst halten ter-Mann über das Außengelände hin zum tekindshof unterstützt wird. sie zu ihren Schäferhunden noch zahlreiche Feldrand zieht. „Das legt sich gleich, nach- Hühner. „Da kommt einiges an Arbeit zusam- dem sie ihre Geschäfte erledigt hat“, weiß er. Auf dem Weg zum optimalen Job men“, sagt Angelika Landers. Dass seine Arbeit viel Verantwortung mit Einige Jahre hat Daniel Stephan im Wäsche- sich bringt, ist dem 33-Jährigen sehr bewusst. service in der Werkstatt für behinderte Men- Tiere versorgen und Gassi gehen Fehler und Unaufmerksamkeiten können schen (WfbM) auf dem Gründungsgelände So hilft Daniel Stephan nicht nur in den schwere Folgen mit sich bringen: „Wenn eine der Stiftung gearbeitet. „Das hat nicht so Katzenhäusern, sondern auch bei der Versor- der Katzen entwischt, ist sie weg. Die kön- gut geklappt“, resümiert Stephan. „Aber gung und Pflege der Kleintiere. „Und ich gehe nen wir nicht mehr einfangen“, sagt Ange- hier haben wir jetzt einen guten Arbeitsplatz mit den Hunden Gassi, zwei Mal am Tag. Aber lika Landers mahnend in Richtung Stephan. gefunden“, sagt Diakon Rüdiger Peters vom nicht mit allen. Mit ihm darf ich nicht gehen“, Beinahe wäre es nämlich schon einmal dazu Wittekindshofer Team Arbeit und Berufliche sagt Stephan und deutet auf einen American gekommen. Aber der junge Mann hat aus Integration (ABI). Daniel Stephan stimmt ihm Staffordshire Terrier, der freudig schwanzwe- seinem Fehler gelernt und achtet nun tun- zu: „Rüdiger hat mich immer sehr gut unter- delnd am Zwingerzaun steht und an der Hand lichst darauf, dass es zu keinem weiteren 18 D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1
Tierisch Ausbruchsversuch seitens der Pensionsgäste kommen kann. Es ist auch mal anstrengend Um 8 Uhr morgens beginnt sein Arbeits- tag. Alle zwei Wochen hilft er auch am Wo- chenende. Er kommt mit dem Rad zur Arbeit, wenn das Wetter es zulässt. Stephan arbeitet größtenteils allein. Das kommt ihm und sei- nen Bedürfnissen entgegen. Er bekommt vom Ehepaar Landers seine Aufgaben gestellt, die er abarbeitet. „Ein bisschen Arbeit im Gar- ten fällt auch schon einmal an“, sagt Ange- lika Landers und blickt auf das große Areal an der Nordstraße. Das Bürsten der Hunde kommt auch hinzu. „Mir gefällt es hier gut, auch wenn es mal anstrengend ist. Alles darf ich nicht machen. Manches macht die Chefin auch selbst“, sagt Stephan. Wenn es einmal zu Problemen oder Miss- verständnissen kommt, sprechen Landers dies mit Daniel Stephan direkt an. Bei Bedarf steht Rüdiger Peters allen zur Seite. „Wir wol- len, dass es für alle passt – für die Menschen, die wir unterstützen und die Arbeitgeber.“ Für Daniel Stephan passt der tierische Job bei Landers auf jeden Fall. D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1 19
Tierisch Experten in Sachen Huhn P Eigenes So auch Urs Daniel Nußbaum. Er erinnert Federvieh fördert soziales arten- G sich noch daran, wie die Männer und Frauen Miteinander häuschen Die weiße gemeinsam ein Küken aufgezogen haben, das sie Charly tauften. „Wir haben das Ei mit Henne blickt einer Wärmelampe ausgebrütet, bis das Küken atrick derweil von geschlüpft ist.“ Aus Charly wurde jedoch schon Overberg weiß genau, ihrem Schulter- bald ein stattlicher und vor allem stimmge- womit er die Hühner anlo- Ausguck auf das Gar- waltiger Hahn, der um 5 Uhr morgens die cken kann. Aufgeregt gackern tenareal des Wohnhau- Nachbarschaft weckte. „Deshalb haben wir Karen, Phoenix, Alice, Kiki und Snow ses. Hier haben die Tiere ihren ein neues Zuhause für ihn gefunden, wo er White, während der 20-Jährige eine Banane Stall – oder vielmehr ein eigenes Garten- ein artgerechtes Leben führen kann und keine schält. „Dann sind sie eigentlich immer sofort häuschen. Gemeinsam mit Mitarbeitenden Nachbarn in unmittelbarer Nähe hat, die da“, sagt Overbeck und streckt den Hennen die haben die Männer und Frauen die Holzwände durch das Krähen gestört werden.“ Frucht entgegen. Begierig picken sie drauflos. zusammengezimmert und das Dach einge- Das Gehege der fünf Hühner befindet sich deckt. „So haben die Hühner viel Platz“, sagt Kontakte knüpfen im Garten des Wittekindshofer Wohnhauses Overberg, während er Karen wieder ins Gras Nußbaum ist Teil einer Projektgruppe, die es an der Weststraße mitten in Bad Oeynhausen. setzt. Gerade in Corona-Zeiten sind die Hühner sich zum Ziel gesetzt hat, neue Kontakte zu Im Wohnhaus leben 16 Menschen mit Autis- eine willkommene Abwechslung. „Wir können anderen Einrichtungen und Vereinen zu knüp- mus-Spektrum-Störung, die von der Diakoni- das Außengehege durch einen mobilen Zaun fen. „Denn das war unser Ursprungsgedanke, schen Stiftung unterstützt werden. Seit 2018 erweitern und haben so einen guten Blick als wir die Hühner angeschafft haben. Gerade halten die Bewohnerinnen und Bewohner auf die Hühner. Besonders bei gutem Wetter für Menschen mit Autismus-Spektrum-Stö- Hühner. „Die Männer und Frauen sind mit sehr schauen immer wieder Bewohnerinnen und rung liegen die Herausforderungen im sozia- viel Herzblut bei der Sache. Da hat sich Exper- Bewohner, was die Hennen so treiben und len Umgang. Mit Hilfe der Hühner wollen wir tenwissen angesammelt. Doch die Herausfor- beobachten sie“, sagt Sabrina Strunk. aufeinander und auf Fremde zugehen“, sagt derungen liegen im sozialen Miteinander“, Sabrina Strunk. „Wir haben bereits Konzepte weiß Bereichsleiterin Sabrina Strunk. Denn überlegt, wie wir Besuchern und Gästen bei der Versorgung der Tiere sind verlässli- unsere Hühner vorstellen können, che Absprachen und Teamarbeit gefragt. ohne die Tiere dabei zu stres- „Wir haben einen genauen Plan, wer sen“, sagt der 31-Jährige. sich wann ums Füttern kümmert“, „Aber dann kam Covid- sagt Patrick Overberg. Er streicht 19.“ Deshalb ruhen die über das weiße Federkleid von Planungen vorerst. Karen. Die Henne sitzt mitt- Der Freude an lerweile auf seiner Schul- den Tieren tut das ter. Den Trick hat er ihr aber keinen Ab- beigebracht. „Futter ist bruch, sind sich ein guter Motivator“, Overberg und weiß Overberg und Nussbaum streckt dem Huhn ein einig. „Die weiteres Stück Banane Eier nutzen entgegen. Er hat in wir natürlich den vergangenen Jah- auch“, be- ren viel über die Tiere kräftigt Over- gelernt. „Am meisten berg. „Fürs erstaunt hat mich, dass Frühstück oder Hühner auch Zungen zum Kuchen- haben. Das habe ich vor- backen. Der her nicht erwartet“, erin- Teig bekommt nert Overberg sich. eine viel kräftigere Farbe und ich finde, dass die Eier frischer schmecken.“ 20 D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1
Tierisch Mentale Stütze Yorkshire Terrier Tommy begleitet Michael Grzesko durchs Leben T ommy stupst mit seiner klei- nen Pfote ans Bein von Michael Gegen Tommy kann niemand etwas sagen „Ob’s mir scheiße geht Grzesko. Der Yorkshire Terrier Vor Tommy hatte Grzesko bereits oder nicht – Tommy muss möchte auf Herrchens Schoß. „Du einen anderen Hund. Doch da bist wirklich ein echter Schoß- Hunde in seiner Wohnung eigent- raus. Er ist auf mich hund“, sagt Grzesko, lacht und krault seinen treuen Begleiter, der es sich lich nicht erlaubt sind, musste er ihn abgeben. Tommy darf er angewiesen.“ auf seinen Beinen gemütlich macht. Dass er aber in der Wohnung halten: „Der mal einen Hund im Kleinformat haben würde, zählt aufgrund seiner Größe zu den Michael Grzesko hätte sich der Gronauer auch nicht gedacht. Kleintieren. Wusste ich damals auch Bisher hatte er Schäferhunde und Rottweiler. nicht, aber jetzt. Da kann niemand was Selbst seine vor zwei Jahren verstorbene Katze gegen sagen, den kann mir niemand weg- wäh- Flip war riesig: eine Maine-Coon-Katze, die zu nehmen“, sagt der gebürtige Hamburger mit rend den größten Rassekatzen zählt. Tommy ist kör- Nachdruck. Tommy sei seine Familie. „Der Herrchen isst. perlich zwar klein, aber für Michael Grzekso kann nicht sagen, dass es ihm bei mir schlecht „Er bettelt nicht und weiß genau, wo sein Platz ein ganz Großer. ging.“ Ganz im Gegenteil: Der Yorkshire Terrier ist, wenn ich esse. Wenn ich fertig bin, hüpft „Tommy bedeutet mir alles“, sagt Grzesko. ist immer mit dabei. Der 61-Jährige nimmt sei- er wieder auf meinen Schoß. Alle freuen sich Seit acht Jahren sind die beiden unzertrenn- nen Tommy überall mit hin – selbst zum Zahn- immer, wenn Tommy da ist und streicheln ihn. lich. „Ich weiß nicht, was ich mal ohne ihn arzt und zur Therapeutin. Nur beim Einkauf im Er ist so etwas wie das KIZ-Maskottchen.“ machen soll.“ Der Yorkshire Terrier ist seine nahegelegenen Supermarkt und beim Haus- Und weil Tommy überall mit hin kommt, Stütze im Leben. „Ich habe Depressionen, psy- arzt muss er daheim bleiben. „Aber er weint, hat Michael Grzesko auch extra einen Fahrrad- chische Probleme. Dadurch habe ich Antriebs- wenn ich gehe. Er jault richtig auf. Ich sage korb für den Yorkshire gekauft. Mit dem Rad schwierigkeiten. Aber Tommy gibt mir Struk- ihm dann, dass ich nur schnell etwas für uns fahren sie nach Enschede auf den Wochen- tur. Der muss ja schließlich vor die Tür.“ Drei beide besorge. Aber das beruhigt ihn nicht. markt oder einfach raus in die Natur. „Ich mag bis fünf Mal pro Tag geht der Gronauer mit Er muss halt immer dabei sein.“ Aber vorm es hier und möchte hier gar nicht mehr weg. seinem Vierbeiner Gassi. „Ob’s mir scheiße Supermarkt anbinden, dass würde er nicht mit Enschede und Gronau sind zwar Städte, aber geht oder nicht – Tommy muss raus. Er ist auf Tommy machen. „Nachher ist der weg. Oder nicht so hektisch und stressig.“ Früher hat er in mich angewiesen. Und unterwegs komme ich ich habe zwei, wenn ich wieder raus komme“, Münster gelebt. „Aber die laufen da rum wie mit anderen Hundebesitzern ins Gespräch. Ich sagt der Gronauer mit einem Lachen. die Ameisen. Hier ist es ruhiger“, betont er. kenne hier alle Hunde und ihre Besitzer im Umkreis“, sagt Grzesko, der selbstständig in Terrier ist das KIZ-Maskottchen Kommunikation auch ohne Sprache einer Wohnung mitten in Gronau lebt. Auch Montag bis Freitag geht Michael Grzesko ins So kann es auch schon einmal vorkommen, heute lerne er immer noch neue Leute kennen Wittekindshofer Kontakt- und Informations dass Michael Grzesko und Tommy den gan- – durch Tommy. Häufig werde er von Frauen zentrum (KIZ) am Kurt-Schumacher-Platz, isst zen Tag unterwegs sind. Der kleine Vierbei- angesprochen: „Die fragen, ob sie Tommy mal zu Mittag und besucht die Tagesstrukturieren- ner mache das super mit, komme mit anderen streicheln dürfen. Natürlich nur den Hund. Ich den Angebote (TSA) der Diakonischen Stif- Hunden gut klar und auch der Rückruf funk- bekomme da nichts ab“, flachst er. „Aber das tung Wittekindshof, von der er auch ambulant tioniere. Noch nie habe er mit dem Yorkshire gönne ich ihm.“ unterstützt wird. Tommy kommt mit ins KIZ, hat Terrier meckern müssen. „Nur Regen mag sogar seinen eigenen Stuhl, auf dem er sitzt, Tommy nicht. Da will er nicht raus. Anfangs D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1 21
Tierisch hab ich ihn fast hinter mir hergezogen. Aber dann dachte ich: Wenn er nicht will, will er nicht. Das hat er mir da deutlich gemacht. Nun warte ich den Regen ab und wir gehen Gassi“, sagt Grzesko. Tommy habe er quasi studiert. „Ich spreche auch mit ihm. Er redet zwar nicht viel mit mir“, scherzt er, „aber er kommuniziert. Wenn sein Wassernapf leer ist, kratzt er auf dem Teppich. Wenn er raus will, setzt er sich vor mich und starrt mich an.“ Doch Tommy geht es nicht nur um die eigenen Bedürfnisse. „Wenn es mir schlecht geht, ist er ganz anhänglich und weicht mir nicht von der Seite. Er spürt, dass ich ihn dann brauche.“ „Die Krankheit muss sich mit mir arrangieren“ Neben Tommy hilft Michael Grzesko auch der Kontakt zu anderen Menschen über soziale Medien wie Facebook, um mit seiner Erkran- kung besser umzugehen. Einmal in der Woche legt der gelernte Gärtner für ein Inter- net-Radio Schlager, Discofox und Co. für ein breites Publikum auf – allerdings nachts. Und nach wenigen Stunden Pause noch einmal bis in den Vormittag. „Das fand meine Therapeu- tin anfangs gar nicht gut, da ich eh Schlafstö- rungen habe. Aber ich musste mich jahrelang mit meiner Krankheit arrangieren, jetzt muss sich halt meine Krankheit mit mir arrangie- ren. Das habe ich ihr auch gesagt. Es gibt so viele andere Menschen da draußen, denen es auch schlecht geht. Mit denen komme ich ins Gespräch und mache Musik für sie“, berich- tet Grzesko. Und Tommy verhilft ihm nach den langen Nächten wieder zu einem geregelten Ablauf und Bewegung an der frischen Luft. „Tommy ist dann mein Ausgleich.“ 22 D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 1
Tierisch Alles andere als langweilig D as erste, was Edward Vandam nes Aquarium sich durch sieht, wenn er morgens auf- haben möchte, Edward Vandam ihre blau- steht, ist sein Aquarium. „Dann um das ich mich rötliche Fär- habe ich direkt gute Laune“, kümmern kann“, hält F ische in seiner bung aus. sagt der 19-Jährige. Jeder Tag beginnt für ihn mit der Füt- sagt der junge Mann, der derzeit an Wohnung „Da sie nicht so groß wer- terung der Tiere. „Dann kommen die Fische einer Berufsbildungs- den, lassen sich direkt hochgeschwommen, nachdem sie maßnahme teilnimmt, die auch einige Tiere in geschlafen haben.“ Anschließend überprüft ihn beim Start ins Arbeitsle- einem kleineren Aqua- der junge Mann aus Herne die Wasserqualität ben begleitet. Unterstützung erhielt rium halten“, sagt Rathmer mittels Teststreifen. Denn die Tiere benötigen er von Dennis Rathmer, der ihm mit viel Fach- und Vandam fügt hinzu: „Man muss darauf sauerstoffhaltiges Wasser. Auch die Tempe- wissen zur Seite stand: „Ich bin selbst Aquari- achten, dass es nicht zu viele und nicht zu ratur im Aquarium spielt dabei eine wich- aner und hatte noch ein Becken übrig, das wir wenige Fische sind.“ tige Rolle: „Sie sollte zwischen 24 und 31 Grad direkt nutzen konnten.“ „Die Fütterung, die Pflege des Aquariums liegen. An besonders heißen Sommertagen und die Wasserkontrolle – das alles im Auge wechsle ich täglich das Wasser. Das kühlt ab Ideale Lebensbedingungen zu behalten fordert täglich – aber es fördert und die Wasserqualität bleibt gut, so dass die Bevor das Aquarium befüllt werden konnte, auch“, hat Rathmer festgestellt. „Edward hat Fische genug Sauerstoff bekommen. Wenn es ging es aber erst einmal an die Recherche. ein großes Verantwortungsgefühl entwickelt. zu kalt ist, schalte ich die Heizung des Aquari- Welche Fische eignen sich für Beginner? Was Er achtet genau darauf, dass es seinen Tieren ums an, die nennt man Heizstab.“ sind ideale Lebensbedingungen für die Tiere? gut geht, und ist sehr penibel, etwa mit der „Der Wunsch nach einem Haustier ist bei Welche Pflanzen sind besonders beständig Säuberung des Beckens.“ Wichtig sei auch, vielen Frauen und Männern groß, die wir und nicht so pflegeintensiv? Die Wahl fiel auf dass der Lebensraum für Pflanzen und Tiere ambulant unterstützen. Dafür müssen aber den Neonsalmler. „Das ist ein Schwarmfisch, passe. „Ich habe vor allem darauf geachtet, erst die Rahmenbedingungen geklärt sein: der sich in vielen Aquarien finden lässt und dass alle Fische und auch die Pflanzen aus Dürfen Tiere in der Wohnung gehalten werden gut in einem 60-Liter-Becken gehalten wer- einer Region stammen – nämlich Südame- und wenn ja, welche? Wie viel Zeit habe ich den kann“, weiß Rathmer. Neonsalmler sind rika“, sagt Vandam, der großer Amerika-Fan und wie stelle ich sicher, dass es dem Tier gut in Südamerika weit verbreitet und zeichnen ist und von einer Reise dorthin träumt. geht?“, erklärt Dennis Rathmer. Er ist für das Wohnangebot an der Vinckestraße verant- Besuche in der Zoohandlung wortlich, in dem die Mieterinnen und Ein weiterer Pluspunkt des Aquariums: Die Mieter selbstständig in eigenen Fische sorgen für Gesprächsstoff und Aus- Appartements leben und von tausch – sowohl unter den Männern Wittekindshofer Mitarbei- und Frauen an der Vinckestraße als tenden im Alltag beglei- auch außerhalb des Wohnhau- tet werden. ses. „Wenn ich etwas brau- Edward Vandam che oder Fragen habe, gehe lebte vor seinem ich in die Zoohandlung“, Einzug im Jahr sagt Vandam. „Ich schaue 2020 im Witte mir auch viele Youtube- kindshofer Videos an und tausche Wohnhaus an mich in den Kommen- der Bielefel- taren aus.“ der Straße in „Aquarien sind alles Herne. „Da hat- andere als langweilig“, ten wir im Ge- bekräftigt Rathmer. meinschafts- „Wer sich richtig damit raum auch ein befasst, befasst sich Aquarium. Als auch mit biochemischen ich dann in mein Prozessen. Ein Aquarium Appartement ge- ist wie ein eigenes Biotop, zogen bin, kam mir in dem kleinste Verände- das gerade recht, und rungen große Auswirkungen er th m Ra ich habe sofort gesagt, haben können.“ is nn De dass ich gerne ein eige- DDuurcrchhbbl li icckk 22-2 -2002211 23
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