VonWegen - Gottesbilder - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.

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VonWegen - Gottesbilder - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.
4 |19 | E 9313

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        Wegen                  Evangelische
                               Stadtmission
                               Freiburg e.V.

Gottesbilder
www.stadtmission-freiburg.de
VonWegen - Gottesbilder - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.
Editorial

   Gott ist ganz anders
   Der alte Pastor kommt nach einem treuen Leben im Dienst der         Das Neue Testament will aufzeigen, dass
   Kirche an die Himmelstür. Doch als Petrus öffnet, kann der mit      wir nur in Jesus Christus erkennen kön-
   dem frommen Mann nichts anfangen, zumal er auf keiner Liste         nen, wer Gott ist. „Wer mich sieht, sieht
   der Neuankömmlinge verzeichnet ist. Der Pastor kann es kaum         den Vater“, sagt Jesus im Johannes-
   glauben, bittet und bettelt sogar in perfektem Latein, doch Pe-     evangelium.
   trus bleibt stur: „Du kommst hier nicht rein.“ – „Dann sag mir      Und mit der Geschichte Jesu wird ein
   wenigstens“, fleht der Geistliche, „wie sieht Gott aus?“ Petrus     völlig neues, einmaliges Gottesbild deut-
   zögert einen Moment, dann flüstert er: „She is black!“              lich: Gott begibt sich herab zu den Men-
   Das ist natürlich nur ein Witz. Aber einer, der uns provozieren     schen – deshalb feiern wir Weihnachten!
   will: Gott ist weiblich, dunkelhäutig, die himmlische Sprache       Er liefert sich ihnen aus – was für eine
   ist Englisch, und selbst ein Priester scheitert, hineinzukommen.    radikale Selbstbeschränkung Gottes.
   Vielleicht haben Sie zufällig den Kinofilm „Die Hütte“ gesehen?     Es bleibt eine lebenslange Aufgabe, die
   Auch dort findet sich eine ungewöhnliche „Dreieinigkeit Got-        eigenen Gottesbilder zu überprüfen und
   tes“, wie wir Christen Gott verstehen. Auch hier ist „Gottvater“    die unterschiedlichen Bilder von Gott
   eine Schwarze und die Darstellung der Dreieinigkeit Gottes ist      wahrzunehmen, uns an ihnen zu reiben
   bemerkenswert positiv. Ein lohnender Film.                          und damit auch im Glauben zu wach-
   Die Botschaften sind jeweils klar: Gott ist ganz anders, als wir    sen. Gott lässt sich nicht vereinnahmen
   ihn uns vorstellen. Unsere Gottesbilder sind so unterschiedlich     oder in einem Bild erfassen, er will im-
   wie es Menschen gibt, die Fragen nach Gott sind unendlich           mer neu von uns gesucht und erkannt
   vielfältig.                                                         werden.
   In der Bibel nach Gottes Wesen zu forschen, ist fast uner-
   schöpflich und man findet auch hier ganz unterschiedliche
   Aspekte seiner Darstellung: Da finden wir den Schöpfergott,
   den gewaltigen, mächtigen Gott, den zornigen Gott, den Gott,
   der rettet, den, der heilt, Schutz und Geborgenheit gibt, den
   Gott, der sich mit dem Namen „ich bin für dich da“ offenbart,
   den treuen Gott.
                                                                       Ewald Dengler
   Gott liefert sich den Menschen aus                                  Vorstand der Evangelischen Stadtmission
   In ganz besonderer Weise hat Jesus Christus selbst seinen Jün-      Freiburg e.V.
   gern Gottes Wesen und Reich bildhaft durch Gleichnisse und
   Metaphern vor Augen gemalt. In den Begegnungen mit Jesus
   erleben die Menschen seine Vollmacht, sie spüren, dass in sei-
   ner Zuwendung eine besondere Radikalität liegt, die herausfor-
   dert und verändern kann.

   vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder                           Seite 2
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„Wenn ihr erkannt habt, wer ich bin, werdet ihr auch meinen
                                                        Vater erkennen. Ja, ihr kennt ihn bereits; ihr habt ihn
                                                   bereits gesehen. Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“
                                                                         Johannes 14, 7/ 9b

                        „Wenn ihr erkannt habt, wer ich bin, werdet ihr auch meinen
                        Vater erkennen. Ja, ihr kennt ihn bereits; ihr habt ihn bereits
                          gesehen. Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“
                                             Johannes 14, 7/ 9b

„Wenn ihr erkannt habt, wer ich bin, werdet ihr auch meinen
Vater erkennen. Ja, ihr kennt ihn bereits; ihr habt ihn bereits
  gesehen. Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“
                                                                                                                    Grafissimo / istockphoto.com

                     Johannes 14, 7/ 9b
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#thema

                                Der

                            Gott der Bibel
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                              Seite 4        vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder
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An wen wir Christen glauben
Wer oder wie ist Gott? Auf diese Frage      er dazu wurde: Er, Gott, hat sie ange-
gibt es keine Antwort. Warum? Weil          sprochen. Hat den Abraham auf die Rei-
das Wort „Gott“ von unterschiedlichen       se ins gelobte Land geschickt. Hat ihm
Menschen ganz unterschiedlich gefüllt       auf wundersame Weise einen Sohn ge-
wird. Menschen haben unterschied-           schenkt. Isaak tut in allem, was Gott ihm
liche Götter und Religionen. Das war        befiehlt. Auch sein Sohn Jakob steht mit
bereits zu biblischen Zeiten so. Dort       diesem geheimnisvollen Gott in Kontakt,
wird uns von verschiedenen Gottheiten       wie wir aus dem Bericht vom Traum mit
und Kulten berichtet. Über 30 Gotthei-      der Himmelsleiter erfahren.
ten finden in der Bibel Erwähnung. Im
Alten Testament spielen die Licht- und      Unfassbar und verborgen
Glücksgöttin Aschera und der Gott           Wer oder wie also ist dieser Gott Ab-
Baal, „der Herrscher“, dem man auch         rahams, Isaaks und Jakobs? Er ist ein
Kinder opferte, eine große Rolle. Diese     verborgener Gott. Keiner der Stammvä-
Götter der Phönizier und Kanaaniter         ter hat ihn zu Gesicht bekommen. Und
hatten große Anziehungskraft auch auf       auch all den Nachfahren bleibt Gott
das jüdische Volk. Im Neuen Testament       verborgen. Sich von ihm kein Bild zu
werden die griechischen Götter Zeus,        machen, wird später das erste der Zehn
Hermes und Artemis sowie die römi-          Gebote. Und als die Juden unter Kö-
sche Göttin Diana erwähnt.                  nig Salomo ihren Tempel bauen, bleibt
Wenn wir also heute in einer multireli-     auch der leer. Keine Statue. Nur ein lee-
giösen Gesellschaft leben, in der unter-    res dunkles Allerheiligstes, in dem die
schiedliche Gottheiten verehrt werden,      Bundeslade mit den 10 Geboten steht.
dann ist das nichts Neues. Der Gott der     Warum? Wohl, weil man Gott nicht
Bibel war einer von vielen. So wie ande-    fassen, nicht in die Hände nehmen,
re Stämme und Völker ihre Götter ver-       nicht festlegen kann. Gott bleibt ein
ehrten, so hatten die Stammväter Israels    Geheimnis, das wir nicht in den Griff
ihren Gott. Der war aber ein komischer      bekommen. Auch all die Bilder, die

                               ““
                           Ist der ‚liebe Gott‘ ein Gott zum
                      Knuddeln, der uns alles durchgehen lässt?“

Gott: Er hatte keinen Tempel. Es gab        in der Bibel benutzt werden, um Gott
kein Bild von ihm. Noch nicht mal ei-       zu beschreiben – Sonne, Licht, König,
nen richtigen Namen. Er war einfach der     Hirte, Henne, Burg, Schild usw. sind
Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Der       letztlich zu klein, um Gott umfassend
Gott der Väter. Interessant ist aber, wie   beschreiben zu können.                      >>
vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder                          Seite 5
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#thema         Der Gott der Bibel
         >>
               Zu der Verborgenheit Gottes gehört auch, dass er auf Ab-
               stand bleibt. Das hat einen guten Grund: Gott ist heilig. Und
               alles Unheilige wird in seiner Gegenwart vernichtet. Deshalb
               gibt es im ganzen Alten Testament einen Sicherheitsabstand
               gegenüber Gott.
               Aber – und das ist der Bibel sehr wichtig – der heilige und
               verborgene Gott ist ein sprechender Gott. Einer, der Men-
               schen anspricht, sogar einer, der mit sich reden und rechten
               lässt. Mose hört ihn zum ersten Mal aus einem brennenden
               Dornbusch heraus. Und erfährt seinen Namen: Jahwe. Bei
               Wikipedia findet sich eine endlose Diskussion über die Be-
               deutung dieses Gottesnamens. Vieles spricht dafür, dass da-
               rin eine Zusage steckt: „Ich bin (für euch) da!“ Dieser Name
               passt zu anderen Beschreibungen Gottes: Immer wieder wird
               er als der Barmherzige, der Gnädige, der Gütige angebetet.
               Dass Gott tatsächlich für sein Volk da ist, erfährt es bei sei-
               ner wunderhaften Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten.
               Immer wieder wird sich das Volk später daran erinnern: Un-
               ser Gott befreit die Sklaven. Unser Gott sorgt für Gerech-
               tigkeit.
               Die Nachkommen der hebräischen Sklaven entwickelten
               sich zum Volk Israel und gewannen ein Territorium, in dem
               sie ihren Glauben leben konnten. Umgeben waren sie von
               Völkern mit anderen Göttern. Deshalb war es immer wie-
               der Thema, in welchem Verhältnis Jahwe zu den anderen
               Gottheiten steht. Formulierungen wie „der Gott aller Götter“
               machen seine Überlegenheit deutlich. Auch Spott über die
               Götterstatuen der Nachbarvölker findet sich: Sie sind „nich-
               tige Götzen, die nichts nützen und nicht retten können“ und
               deshalb auch keinesfalls verehrt werden sollen. Israel setzt
               ganz und ausschließlich auf einen Gott: auf Jahwe! Auch
               die später entstandenen Schöpfungsberichte machen deut-
               lich: Jahwe ist nicht irgendein Gott. Jahwe ist der Schöpfer
               unserer Welt. Und deshalb hat er auch Bedeutung für die
               ganze Welt, für alle Menschen – völlig unabhängig von ih-
               rer Hautfarbe oder ihrer Religion. Schon zu Abraham hat
               Gott gesagt: „In dir sollen gesegnet werden alle Völker auf
               Erden.“ Doch noch im ganzen Alten Testament handelt Gott
               als parteiischer Gott, der vor allem für sein erwähltes Volk
               einsteht.

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#thema
                          Gott der ganzen Welt?                      ten und Lieben? Ich denke, es ist Loya-
                          Später, im Neuen Testament, sagt Je-       lität gemeint. Gott bleibt Gott und wir
                          sus, dass er zuerst zu Gottes Volk ge-     bleiben Menschen. Er hat uns etwas zu
                          sandt ist. Aber dann hilft er doch: Der    sagen. Doch was er sagt, ist durchdrun-
                          kanaanäischen Frau. Dem römischen          gen von seiner Menschenliebe. Keine
                          Hauptmann mit dem kranken Kind.            unnötigen, nervtötenden Vorschriften,
                          Und anderen. In Jesus Christus wen-        sondern Gebrauchsanweisungen fürs
                          det sich der Gott, dessen Name „Ich bin    Leben und Zusammenleben! In seiner
                          (für euch) da“ ist, allen Menschen zu.     Nähe bekommt unser Leben die richti-
                          Seine Jünger schickt er in die ganze       ge Richtung. In seinen Fußstapfen sind
                          Welt, um das Evangelium bekannt zu         wir gut für unsere Welt und finden zu-
                          machen und zum Glauben einzuladen.         rück zu dem Gott, der uns geschaffen
                          Und bald werden Griechen und Römer,        hat. //
                          aus jüdischer Sicht Heiden, von Gottes
                          Geist berührt, lassen sich taufen und
                          werden Christen. Paulus schreibt an
                          seinen Schüler Timotheus: Gott will,
                          „dass alle Menschen gerettet werden
                          und zur Erkenntnis der Wahrheit ge-
                          langen.“
                          Mit Jesus bricht also eine neue Ära an.
                          Der Gott, der einst Abraham auf den
                          Weg geschickt hat, wird selbst Mensch.
                          Stirbt selbst. Um die Menschen zu
                          retten aus den Verhängnissen ihrer
                          Schuld und Fehler. Und, um sie alle in
                          seine Nähe einzuladen. So offenbart
                          er sein ganzes Wesen und seine gan-
                          ze Haltung gegenüber den Menschen.
                          Gott ist Liebe. Und befreit von seiner     Norbert Aufrecht
                          Schuld darf der Mensch Gott vertrau-       Geschäftsbereichsleiter
                          ensvoll als Vater ansprechen.              Missionarische Dienste
                          Ist der „liebe Gott“ am Ende viel harm-    der Evang. Stadtmission
                          loser, als das Menschen jahrhunder-        Freiburg
                          telang geglaubt haben? Ein Gott zum
                          Knuddeln, der uns alles durchgehen
                          lässt? „Wir sollen Gott fürchten und
                          lieben…“, so beginnt Martin Luther sei-
                          ne Auslegungen zu den Zehn Geboten.
                          Wie soll das zusammengehen? Fürch-

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Thema
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                          ArminStautBerlin / istockphoto.com

                                                                  Du sollst dir

                                                               kein Bildnis machen
                          4 / istockphoto.com

                                                                   Wie können wir das Bilderverbot heute verstehen?

                                                                 Seite 8                                              vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder
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Ein Foto zu machen, ist heute so ein-      nen Götzendienst, der - wie damals
fach. Jedes Handy bietet uns diese         beim Goldenen Kalb - Gott gegen ein
Möglichkeit an. Und auch wenn wir          Bildnis austauscht. Befürworter argu-
nicht zu denen gehören, die mit einem      mentierten, dass nicht das Bildnis ver-
Selfiestick durchs Leben gehen und         ehrt würde, sondern das, wofür dieses
andauernd fotografieren müssen - Bil-      Bildnis steht.
der sind etwas völlig Selbstverständli-

                                           ““
ches. Doch Bilder zu
machen, war nicht
                                            „Es hat keinen Sinn,
immer so einfach.
Nicht nur, weil die
                                      irgendetwas, das wir in dieser
Möglichkeiten       in                Welt vorfinden, zu vergöttern.“
anderen Zeiten viel
mühseliger waren.
Sondern auch, weil
sich für viele die Frage stellte: Darf     Alle Bilder vom Handy verbannen?
man das überhaupt? Von irgendetwas         Heute macht sich in christlichen Krei-
ein Abbild machen?                         sen wohl kaum noch jemand darüber
Denn in den 10 Geboten steht:              Gedanken. Bilder, Abbildungen oder
„Du sollst dir kein Bildnis noch irgend-   Nachbildungen von irgendetwas, was
ein Abbild machen, weder von dem,          im Himmel, auf der Erde oder im Was-
was oben im Himmel, noch von dem,          ser ist, sind allgegenwärtig. Was kann
was unten auf Erden, noch von dem,         uns dieses Gebot also heute sagen?
was im Wasser unter der Erde ist.“         Sollten wir alle Bilder von unserem
In allen drei großen abrahamitischen       Handy verbannen?
Weltreligionen findet dieses Gebot sei-    Das Verbot von Bildnissen im Alten
nen Widerhall in einem eingeschränk-       Testament bezieht sich auf die religiö-
ten Umgang mit Bildern. Im deutsch-        se Praxis, Dinge dieser Welt als Götter
sprachigen Raum wurde dieses Gebot         zu verehren und ihnen zu Ehren Sta-
durch die so genannten Bilderstürmer       tuen oder Bildnisse zu errichten. Als
auf viele Bilder, Kruzifixe und Figu-      Vorbild konnte alles dienen, darum
ren angewandt. Dabei wurde manches         die Formulierung: im Himmel (Son-
einfach nur gewinnbringend verkauft,       ne, Mond, Sterne), auf der Erde und im
anderes übermalt oder zerstört.            Wasser (Berge, Seen, Tiere). Ein ganz
Unumstritten war die Darstellung von       wichtiger Grundgedanke des Alten
Heiligen oder von Jesus selbst nie.        Testamentes ist, dass Gott als Schöp-
Durch alle Jahrhunderte hindurch zog       fer außerhalb der Schöpfung steht. So
sich die Diskussion, ob die Verehrung      wie ein Maler und sein Bild eine Be-
von Bildern und Figuren das Glaubens-      ziehung zueinander haben, aber der
leben bereichert oder eher ein Verstoß     Maler und das Bild klar voneinander
gegen das Bilderverbot ist. Die Gegner     zu unterscheiden sind. Niemand würde
solcher Darstellungen sahen darin ei-      die beiden verwechseln. Deswegen hat      >>

vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder                        Seite 9
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#thema                Du sollst dir kein Bildnis machen
               >>
                          es keinen Sinn, irgendetwas, das wir in   Bilder sind immer nur Mo-
                          dieser Welt vorfinden, zu vergöttern.     mentaufnahmen
                          Im Schöpfungsbericht findet das sei-      Damals konnte man den Bau einer Sta-
                          nen Niederschlag, wenn betont wird,       tue verbieten und verhindern. Aber
                          dass Gott Sonne, Mond und Sterne als      unsere Flut von Bildern ist in keiner
                          Lampen an das Himmelszelt heftet. Das     Weise mehr zu stoppen. Deswegen ist
                          steht im deutlichen Gegensatz zu vie-     es wichtig, sich bei all den Bildern, die
                          len damaligen Kulturen, wo die Gestir-    wir heute sehen, deutlich zu machen,
                          ne als Götter verehrt wurden.             dass Bilder nicht die Realität sind und
                          Bilder haben einen großen Einfluss        auch gar nicht die Realität darstellen
                          auf unsere Wahrnehmung, besonders,        können. Denn sie können immer nur
                          wenn wir gewisse Darstellungen im-        einen bestimmten Moment darstellen,
                          mer wieder sehen. Werbung funktio-        und auch das nur aus einer bestimm-
                          niert so, manche Regierungssysteme        ten Perspektive. Ähnlich wie unsere
                          versuchen mit allgegenwärtigen Dar-       Vorstellungen von Gott: Wir verändern
                          stellungen ihrer Führungspersonen         uns stetig und ebenso unsere Sichtwei-
                              ihre Untertanen zu beeinflussen.      se von Gott. Denn unser Blickwinkel
                              Man denke an die großen Bildnisse     verändert sich. Ein Bildnis von Gott zu
                              autoritärer Staaten. Bilder können    machen, würde heißen, unseren Glau-
                              sehr stark unsere Vorstellungen       ben einzufrieren und diesen Moment
                              prägen. Sie können uns vorgeben,      als normativ zu sehen. Das aber wird
                              wie ein Mann oder eine Frau aus-      uns nicht gerecht, denn wir entwickeln
                              zusehen hat, was ein erfolgreiches    uns. Und das wird Gott nicht gerecht.
                              Leben ist, was wir uns wünschen.      Gott können wir nicht umfassend be-
                               Unbewusst werden wir von den         schreiben. Unsere wenigen Blickwin-
Ralf Berger                    allgegenwärtigen schlanken, mus-     kel, die wir auf ihn haben, sind viel zu
Pfarrer der evangelischen      kulösen, makellosen Körperdar-       klein, als dass sie dauerhaft aussage-
Gemeinde dreisam3              stellungen beeinflusst.              kräftig sein könnten. Unsere Sichtwei-
                                                                    se ist zu beschränkt, als dass es sich
                                                                    lohnen würde, sie in einem Bildnis
                                                                    festzuhalten.
                                                                    Für mich bedeutet das Verbot der Bild-
                                                                    nisse, die Dinge, die ich sehe, nicht für
                                                                    zu wichtig zu halten und immer bereit
                                                                    zu sein, einen neuen Blick auf mich, die
                                                                    Welt und Gott zu werfen. //

           Seite 10                                                            vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder
William Paul Young
Lügen, die wir uns über
Gott erzählen
In seinem neuen Buch lädt der Autor
von „Die Hütte“ dazu ein, über Aussa-
gen nachzudenken, die wir gemeinhin
über Gott haben. Der Autor zeigt, wie wir
uns mit unseren Gedanken unsere eigene
Welt erschaffen und warum viele unserer
Ansichten mehr mit uns selbst als mit Gott
zu tun haben. Mit seinen Überlegungen zu
diesen scheinbar gültigen Wahrheiten fordert    Yo u n g                Manfred Lütz
den Leser heraus und setzt Impulse für ein neues Gottes-
verständnis.                                                            Gott
                                                                        Eine kleine Geschichte des
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                                                                        autor Manfred Lütz wird aus der Frage nach Gott ein spannen-
                                                                        des Lesevergnügen, das aufgeklärte Skeptiker wie nachdenk-
                                                                        liche Gläubige gleichermaßen bereichert und klüger macht.
                     Frère Emmanuel                                     Immer wieder unterbricht Lütz seine eigensinnige Reflexion mit
                     Gottes Liebe - größer als                          hinreißenden Geschichten über Menschen, die es mit dem lie-
                                                                        ben Gott aufnahmen. Und er nimmt Elton Johns Auftritt auf der
                     gedacht                                            Trauerfeier für Lady Di ebenso unter die Lupe wie die Argumen-
                     Warum es notwendig ist, un-
                                                                        te ‚der besten Atheisten der Welt‘ oder die Debatten um Evolu-
                     sere Vorstellungen von
                                                                        tionstheorie und Hirnforschung.
                     Gott zu hinterfragen

                  Ob gläubig, ungläubig oder zweifelnd -                € 12,99
jeder Mensch besitzt bewusst oder unbewusst Vorstellun-
gen von Gott. Immer beeinflussen sie unsere Überzeugun-
gen und unser Handeln. Frère Emmanuel deckt unbewusste
Gottesbilder auf und beschreibt, was uns daran hindert,
eine lebensbejahende und liebevolle Spiritualität zu entwi-                         Reinhold Ruthe
ckeln. Durch die fruchtbare Begegnung von Psychologie                               Sehen, was
und Theologie führt er zu einem neuen Gottesverständnis,
das wieder an die Macht der Liebe glauben lässt.                                    Gott tut
                                                                                    Wie man mit Gott
                                                                                    Erfahrungen macht
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                                                                                    Nähe spüren und
                                                                                    seine Stimme hören -
                                                                                    manche Menschen
                       Thorsten Dietz
                                                                                    erleben genau
                       Weiterglauben                                                das. Andere spüren
                       Warum man einen großen Gott                                  Gottes Nähe beim Lesen der Bibel, in der Stille und
                       nicht klein denken kann                                      Einkehr. Und wieder andere fühlen sich von Gott
                                                                                    verlassen. In diesem Buch legt Reinhold Ruthe dar,
                       Die Bibel ist die Grundlage des christli-                    wie der unsichtbare Gott konkret erfahrbar wird. Er ist
                       chen Glaubens. Doch wie kann, darf, muss                     überzeugt: Welche Erfahrungen man mit Gott macht
                       man mit dem „Buch der Bücher“ umgehen?                       und wie man darauf reagiert, hängt von verschiedenen
                       Fällt ohne klare Begrenzungen, Regeln und                    Faktoren ab: Wie sind wir aufgewachsen? Zu
                       (Denk-)Verbote nicht alles wie ein Karten-                   welchem Persönlichkeitstyp gehören wir?
                       haus zusammen? Und umgekehrt: Wenn die
   Bibel einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhält, ha-
   ben die Kritiker nicht doch recht mit ihrer Behauptung, es sei al-              € 12 ,-
   les nur ein Konstrukt? Thorsten Dietz schreibt über lebendigen,
   gelebten Glauben, der Orientierung bietet und Einsatz fordert.
                                                                                                                               >>
   €vonWegen
      15,- 4/19 – Thema: Gottesbilder                                                  www.alpha-freiburg.de
                              Seite 11                                        Seite 11vonWegen 1|16
#thema

        Der Held in der Krippe
           Gedanken über Paul Gerhardts Lied „Fröhlich soll mein Herze springen“
kyrio

          Seite 12                                               vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder
„Das Allerbeste, das Gott dem Menschen      steuert. Weihnachten, insbesondere die
je tat, das war, dass er Mensch ward.“(1)   Freude über das Wunder der Christge-
schrieb vor 700 Jahren der Mystiker         burt, ist die mit den meisten Liedern be-
Meister Eckhart (1260–1327). Gottes         dachte Kirchenjahreszeit.
Menschwerdung – im Laufe der Kirchen-       „Fröhlich soll mein Herze springen…“
geschichte immer wieder im Zentrum          Das erste Weihnachten in der neuen Ge-
christlichen Glaubens - steht thematisch    meinde steht vor der Tür. Armut, Leid,
auch im Mittelpunkt eines der tiefgrei-     Verzweiflung - auch hier hat der zurück-
fendsten Weihnachtschoräle des Evan-        liegende Krieg deutliche Spuren hin-
gelischen Gesangbuchs: „Fröhlich soll       terlassen. Welche Worte sollen da noch
mein Herze springen“ (EG 36). Gedich-       helfen? Keine reine Nacherzählung der
tet hat ihn der evangelische Pfarrer und    Weihnachtsgeschichte, eher eine andäch-
Lieddichter Paul Gerhardt (1607-1676).      tige, ermutigende und zugleich tröstliche
Seine unzähligen Trost- und Glaubens-       Auslegung des göttlichen Wunders. Mit
lieder haben nicht nur die Jahrhunderte     dem Jubelgesang der Engel, ihrer Ver-
überdauert, sondern sind grenzübergrei-     kündigung an die Hirten auf den Feldern
fend geworden zwischen konfessionellen      vor Betlehem am Anfang, dem eigenen
und sprachlichen Schranken.                 Herz als Mitte der Person, die sich selbst
                                            ermuntert, in den Lobpreis der himmli-
Er glaubte an den lebendigen Gott           schen Heerscharen mit einzustimmen.
November 1651: Nach mehreren Stellen-       Dann die Freude über die Geburt Jesu
wechseln wird Paul Gerhardt zum Pfar-       und der Jubel des ganzen Erdkreises
rer und Propst in Mittenwalde nahe Ber-     („alle Luft“) – angelehnt an das Weih-
lin berufen. Wenige Jahre erst, dass der    nachtsevangelium des Lukas.
30-jährige Krieg mit seinem Grauen zu       Johann Crüger hat dazu eine meister-
Ende gegangen ist. Alleine in Deutsch-      hafte Melodie komponiert: Das Sprin-
land sterben mehr als sechs Millionen       gen des fröhlichen Herzens geht gleich
Menschen – ein Drittel der damaligen        ins Gehör, nimmt die Singenden mit
Gesamtbevölkerung, darunter Gerhardts       hinein in das Geheimnis der Heiligen
Eltern und ein Bruder; seine Heimat         Nacht. „Die Botschaft der Christgeburt
liegt in Schutt und Asche. Dennoch:         ergeht dann in (… ) Abwärtsschritten;
Der Geistliche pflegt auch weiterhin die    möglicherweise wollte Crüger damit die
Kunst der Lieddichtung. Bewunderns-         Geburt als Herabkunft und Erniedrigung
wert - denn „einer seiner Zeitgenossen      andeuten. Eine sehr rhetorisch gebaute
sagte: ‚Diese Nöte hätten ihn eher zum      Melodie also!“ (3). Mit ihrem Schwung
Schreien als zum Singen bringen kön-        jedenfalls bewirkt sie, dass sich die Gläu-
nen. Und doch war er immer wieder           bigen durch alle weiteren Strophen des
fröhlich und getröstet, denn er glaubte     Liedes „intuitiv (…) von seiner bewegten
an den lebendigen Gott.‘“ (2) Freund-       Freude anstecken lassen.“ (4)
schaft verbindet ihn mit dem Berliner       Sodann das Kind in der Krippe als Held,
Kantor Johann Crüger (1598-1662), zu        der aus seiner Kammer geht (Hinweis
dessen Gesangbuch er viele Lieder bei-      auf den Mutterleib Marias): Ein kleines       >>

vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder                          Seite 13
#thema                   Der Held in der Krippe
                 >>
                         Neugeborenes, schutz- und wehrlos, ge-              im „Heilandsruf“ (Matthäus 11, 25ff.)
                         boren fernab von allem Glanz und al-                tatsächlich sagen: Lass los, „was dich
                         ler Gloria, nicht wie die „Helden“ dieser           quält“, lass los, „was dir fehlt“ – alles,
                                                                                    woran du jetzt noch dein Herz

““
                                                                                    hängst, alle Bitterkeit und Schuld,
   Gott riskiert den Rollentausch,                                                  alle verkrampften Vorstellungen.
  wird klein und verletzlich, wird                                                  Dietrich Bonhoeffer, evangeli-
     Mensch wie du und ich.“                                                        scher Theologe und Märtyrer,
                                                                                    schrieb dazu am 4. Advent 1943
                                                                                    aus dem Gefängnis in Berlin-Te-
                                                                                    gel: „Es geht nichts verloren,
                                 Welt. Gott riskiert den Rollentausch,       in Christus ist alles aufgehoben, (…)
                                 wird klein und verletzlich, wird            durchsichtig, klar, befreit von der Qual
                                 Mensch wie du und ich, ein Blutsver-        selbstsüchtigen Begehrens. Christus
                                 wandter, die Liebe in Person, indem         bringt dies alles wieder, und zwar so,
                                 er sein Reich schenkt und sogar sich        wie es von Gott ursprünglich gemeint
                                 selbst – aus reiner Liebe. Nirgends         war (…). Das ist ein großartiger und
                                 sonst kommt Gott seinen Menschen            überaus tröstlicher Gedanke. (…) Und
                                 so nah, nirgends sonst zeigt er sein        niemand hat das so einfach und kind-
                                 freundliches Gesicht so rein und so         lich auszudrücken vermocht wie Paul
Pfr. Siegbert Thoma              klar wie in Jesus, seinem Sohn. So-         Gerhardt in dem Wort, das er dem
Einrichtungsleiter im Senio-     mit kann die Frage „Sollt uns Gott          Christuskind in den Mund legt: ‚Ich
renpflegeheim Wichernhaus        nun können hassen?“ nur rhetorisch          bring alles wieder.‘“ (5) //
Freiburg                         sein. Jesus wird auch als erwachsener
                                 Mann, als „unser Lamm“, der Liebe
                                 des Vaters treu bleiben, schließlich
                                 am Kreuz „für uns“ sterben – um
                                 diese Welt „aus allem Jammer“ zu
                                 erlösen.
                             Was der Dichter dem Kind in den Mund
                             legt, wird der erwachsene Jesus später

  (1) G. Landauer (Hrsg.), Meister Eckharts mystische Schriften, Berlin 1903
  (2) W. Heiner (Hrsg.), Bekannte Lieder – wie sie entstanden, Neuhausen-Stuttgart, 5. 1995
  (3) G. Hahn u. J. Henkys, Liederkunde zum Evang. Gesangbuch Bd. 3 Heft 10, Göttingen 2004
  (4) M. G. Schneider u. G. Vicktor, Alte Choräle – neu erlebt, Lahr 1993
  (5) E. Bethge, D. Bonhoeffer et al., Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Gütersloh 2011

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#thema

                                                                                                       boymonster / istockphoto.com
           Vater, Sohn

und Heiliger Geist
 Das Geheimnis der Dreieinigkeit
 „Von Gott reden, wie von ihm wohl geredet wer-    Das Reden von der Dreieinigkeit Gottes ist so ein
 den müsste, ist unmöglich. Noch unmöglicher       Stammeln, der Versuch, das biblische Zeugnis
 ist es, nicht von ihm zu reden – auch wenn wir    nachzusprechen und das Geheimnis Gottes in
 dabei allzumal Stammler bleiben.“ (Kurt Marti).   einem Wort zu benennen.

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vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder                     Seite 15
#thema          Vater, Sohn und Heiliger Geist
         >>
                Eine existentielle Frage                   Und Jesus Christus?
                Bei der Frage nach Gott geht es nicht      Wie verhält es sich dann aber mit Je-
                um theoretische Spekulationen, son-        sus Christus? Ist er Mensch, zugegeben
                dern um existentiell Entscheidendes:       ein besonders vorbildlicher, aber eben
                Hält das, was mir Halt verspricht?         nur ein Mensch? Gehört er auf die Seite
                Trägt es in den Höhen und Tiefen des       des Geschaffenen? Oder ist er Gott und
                Lebens und schließlich auch im Ster-       kann und darf als Gott angerufen und
                ben? Werde ich den, an den ich heute       angebetet werden (Johannes 20,28)?
                glaube, nach dem Tod schauen? Oder         Die biblische Antwort: Jesus ist bei-
                werde ich in der Rückschau erkennen:       des. Wahrer Mensch und wahrer Gott
                Ich habe aufs „falsche Pferd“ gesetzt?     – unvermischt und ungetrennt haben
                                                           Christen im 5. Jahrhundert formuliert.
                Der eine Gott                              In Jesus verbinden sich in einzigartiger
                Gott ist einer (Epheser 4,5-6). Ihn sol-   Weise Schöpfer und Geschöpf – wie es
                len wir lieben von ganzem Herzen, von      in einem Weihnachtlied heißt: Jesus ist
                ganzer Seele und mit all unserer Kraft     kommen, Grund ewiger Freude; A und
                (5. Mose 6,4-5). Man kann Gott nicht       O, Anfang und Ende steht da. Gottheit
                aufteilen in verschiedene Götter, die      und Menschheit vereinen sich beide;
                am Ende vielleicht sogar noch mitein-      Schöpfer, wie kommst du uns Men-
                ander in Konkurrenz stehen. Das wäre       schen so nah! (EG 66)
                eine sehr menschliche Vorstellung von      Wenn aber auch Jesus Gott ist, wie ver-
                Gott. Gott wäre nicht Gott, wenn es        hält es sich dann mit der Einheit Got-
                neben ihm noch einen anderen gäbe          tes? Glauben Christen an zwei Götter?
                (Jesaja 45,5).                             Denn Jesus ist von Gott verschieden.
                Gott ist der eine Gott. Alles andere ist   Das kann man schon daran sehen, dass
                nicht Gott, sondern geschaffen (1. Mose    er zu Gott gebetet und ihn als Vater an-
                1,1; Römer 8,38-39), gehört auf die Sei-   gerufen hat.
                te der Kreatur. Geschaffenes hat einen
                Anfang und ein Ende. Gott der Schöp-       Dreieinigkeit in der Bibel
                fer ist vor allem Anfang und nach al-      Im intensiven Ringen um das Verste-
                lem Ende – von Ewigkeit zu Ewigkeit.       hen der Bibel kam die Kirche in den
                Darum gebührt ihm allein die Anbe-         ersten Jahrhunderten zu dem Be-
                tung. Anbetung des Geschöpfes wäre         kenntnis an den dreieinen Gott Vater,
                Zielverfehlung.                            Sohn und Heiligen Geist, wie es etwa
                                                           im Apostolischen Glaubensbekenntnis
                                                           festgehalten ist.
                                                           Der Begriff Dreieinigkeit kommt zwar
                                                           in der Bibel nicht vor, die „Sache“ aber
                                                           schon. Durchgängig wird im Neuen
                                                           Testament Gott als der Dreieine be-

     Seite 16                                                        vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder
zeugt (Johannes 14,26; Epheser 1,17; 1.      eins. Beweise sind das keine, aber
Thessalonicher 1,2-5; 1. Petrus 1,2 u.       Spuren, die das Geheimnis des drei-
ö.) – bis in feste Formeln hinein (Mat-      einen Gottes anschaulich machen.
thäus 28,19; 2.Korinther 13,13).
Auch im Alten Testament finden sich          Gott ist Liebe
Hinweise, die man auf den dreieinen          Gott offenbart sich von Ewigkeit her
Gott deuten kann (z. B. 1. Mose 1,26a,       als der Dreieine, d. h. als jemand,
1. Mose 18,1ff; Jesaja 6,3). Dieser eine     der mit sich in Beziehung steht: Der
Gott, der Vater Jesu Christi, ist der Gott   Sohn liebt hingebungsvoll den Va-
Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott        ter. Und der Vater liebt den Sohn in Pfr. Thomas Drumm
Moses, Davids und der Propheten.             der Kraft des Heiligen Geistes. Gott Leiter der Akademiker-SMD
                                             ist der ewig Liebende, ja Gott ist Lie- Die SMD ist ein Netzwerk
Spuren der Dreieinigkeit                     be (1. Johannes 4,14).                  für Christen in Schule,
Drei-einig-keit. Eigentlich ein Un-          Gott braucht keine Menschen, um Hochschule und Berufs-
Wort. Drei ist nicht eins und eins ist       in eine Beziehung zu treten. Und welt.
nicht drei. Aber muss ich Gott mathe-        doch hat Gott in seiner Freiheit
matisch-logisch begreifen? Wohl kann         den Menschen geschaffen zu sei-
ich über das Geheimnis Gottes anbe-          nem Bild (1. Mose 1,27), d. h. fähig
tend nachsinnen (Römer 11,33-36).            zu kommunizieren und zu lieben. Aus
Dann werde ich an vielen Stellen Spu-        Liebe wendet sich Gott in seinem Sohn
ren entdecken, die mir auch das Verste-      den Menschen zu und spricht sie an.
hen erleichtern. So erfahre ich etwa das     Durch den Glauben an Jesus Christus
eine Wasser in drei verschiedenen Zu-        werden wir in diese Beziehung der
ständen: als kalten Eiswürfel, als spru-     göttlichen Kommunikation und Liebe
delndes Wasser oder als heißen Dampf.        hineingenommen und so zu Kindern
Es ist dasselbe Wasser, und doch sind        Gottes, in denen sein Geist wohnt (Rö-
es drei verschiedene Er¬scheinungsfor-       mer 8,14-17). Unerforschlich groß ist
men: fest, flüssig oder gasförmig. Oder:     dieses Geheimnis (1. Timotheus 3,16).
Der eine Raum, in dem ich lebe, besteht      Ich glaube an den dreieinen Gott. Auf
aus drei Dimensionen: Länge, Breite          seinen Namen bin ich getauft. Daran
und Höhe. Die eine Zeit aus Vergangen-       lasse ich mich gerne erinnern – etwa
heit, Gegenwart und Zukunft. Der eine        sonntags im Gottesdienst: Es segne und
Mensch ist Körper, Seele und Geist. Zur      behüte dich Gott der Allmächtige und
Liebe gehören einer, der liebt, einer, der   Barmherzige, Vater, Sohn und Heiliger
geliebt wird, und die Liebe selbst. Und      Geist. //
Vater, Mutter und Kind machen eine
Familie. In der Musik gibt es den Drei-
Klang: Der erste, dritte und fünfte Ton
bilden den Akkord, der dann als der
eine Dreiklang erklingt. Drei und doch

vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder                           Seite 17
#thema

                            Glauben wir alle an

                      denselben Gott?
                            Wie verhält sich der christliche Glaube zu den anderen Religionen?
                            Oft steckt hinter dieser Frage der Wunsch,    alle an denselben Gott glauben, würden
                            dass die Konflikte und Kriege, die religiös   wir friedlich zusammenleben. Dabei wird
                            motiviert sind, endlich aufhören. Denn, so    übersehen, dass viele Konflikte und Krie-
WinRu / istockphoto.com

                            denken viele, wenn wir erkennen, dass wir     ge zwischen Anhängern derselben Religi-

                          Seite 18                                                     vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder
on ausgetragen wurden und werden           Nur ein Stück vom Elefanten?
(z. B. Katholiken gegen Protestanten,      Eines der beliebtesten Beispiele bei
Schiiten gegen Sunniten). Persönlich       der Frage nach den verschiedenen
stelle ich mir die Frage auch. Vor allem   Religionen ist das sogenannte Elefan-
dann, wenn ich Menschen begegne,           tengleichnis: Mehrere Blinde ertasten
die einer anderen Religion angehören,      verschiedene Körperteile (Rüssel, Bein,
die ganz anders glauben als ich. Wie       Ohr…) eines ihnen unbekannten Tie-
verhält sich der christliche Glaube zu     res, um zu begreifen, was für ein Tier
den anderen Religionen? Glauben alle       es ist. Anschließend vergleichen sie
Religionen an denselben Gott?              ihre Erkenntnisse und stellen fest, dass
                                           sie zu ganz unterschiedlichen Schluss-
Gott = Jahwe = Allah =                     folgerungen gekommen sind, obwohl
Jesus = Brahman?                           es doch derselbe Elefant war.
Zunächst gilt: Wenn zwei dasselbe          Übertragen auf unsere Frage, wird es
sagen, meinen sie noch lange nicht         dazu benutzt, um zu zeigen: Die unter-
dasselbe. Wenn zwei von „Gott“ reden,      schiedlichen Religionen haben nur ein
meinen sie noch lange nicht densel-        Stück von (demselben) Gott erkannt.
ben. Die Religionen reden ja gar nicht     Weitergedacht bedeutet es dann aber
von „Gott“; die eine redet von „Jahwe“,    auch: Keine Religion ist fähig, Gott
von „Gott“ als „Vater“; die anderen        wirklich zu erkennen. Jeder von uns
von „Allah“; in der dritten steht das      hat nur ein kleines Stück der Wahrheit
„Brahman“ im Mittelpunkt, sie lehnt        in der Hand, keiner erkennt Gott ganz,
die Vorstellung von einem persönli-        keiner kennt ihn wirklich. Und deshalb
chen höchsten Wesen ganz ab. Wenn          sind alle Religionen dann auch gleich
wir sagen: Allen Religionen geht es um     wahr bzw. genauer gesagt gleich un-
„Gott“, dann setzen wir voraus: Jahwe      wahr.
= Allah = Jesus = Brahman… Um he-
rauszufinden, ob alle Religionen an        Gott – worauf du dich
denselben Gott glauben, müssen wir         verlassen kannst!
zuerst einmal herausfinden, was sie        Die Überzeugung, dass alle Religionen
über Gott sagen.                           an denselben Gott glauben, ist in der
Es lohnt sich, sein Wissen über ande-      Bibel nicht zu finden. Dass es ande-
re Religionen zu erweitern und dabei       re Götter gibt, ist für die Bibel keine
zu entdecken, was uns verbindet und        Streitfrage; sehr wohl aber, welcher
was den eigenen Glauben einzigartig        der vielen Götter denn den Namen
macht. Besonders interessant ist dabei     Gott verdient; wer es allein verdient,
das persönliche Gespräch über Glau-        Gott genannt zu werden. (vgl. 1. Ko-
bensfragen: Was macht deinen Glau-         rinther 8,5-7) Denn bei der Frage nach
ben aus? Wer ist Gott für dich?            Gott geht es um Leben und Tod: Wer
                                                                                      >>

vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder                        Seite 19
#thema                     Glauben wir alle an denselben Gott?
                  >>

                           ist der Gott, auf den ich mich verlassen   guten Taten zeigt. Um das zu leben, ist
                           kann im Leben und im Sterben? Wer          es unerheblich, ob der eigene Ring der
                           kann mich retten, mir vergeben, mir        eine, der echte Ring ist. Dieses Bild hat
                           ewiges Leben geben? Hier geht es nicht     bis heute viele Zuschauer und Leser
                           um theoretische Gedankenspiele, son-       überzeugt.
                           dern um Fragen, die mich unmittelbar       Aber was wäre, wenn die Ringe keine
                           betreffen.                                 Schmuckstücke wären, die man sich
                           Der Gott der Bibel lässt uns eben nicht    an den Finger steckt. Was, wenn es
                           im Unklaren mit verbundenen Augen          Ringe an einer Felswand wären, in die
                           nach ihm tasten. Er steht nicht stumm      die drei Brüder bei einer Klettertour
                           da wie der Elefant im Elefantengleich-     ihre Karabiner einhaken? Wenn einer
                           nis. In Jesus Christus wird er Mensch      stürzt, über dem Abgrund schwebt,
                           und zeigt uns, wer er ist (vgl. Johannes   nur noch von seinem Kletterseil gehal-
                           1,18). Er macht uns klar, dass wir durch   ten, durch den Karabiner im Ring in
                           unsere guten Taten nicht vor ihm be-       der Felswand gesichert, dann macht es
                           stehen können und das auch nicht           einen Unterschied, ob dieser Ring echt,
                           brauchen. Am Kreuz zeigt er uns, wie       stabil und tragfähig ist. Dann hängt
                           sehr er uns liebt und dass er uns ver-     das Leben davon ab. „Glauben“ bedeu-
                           gibt. Er lässt uns nicht im Ungewissen,    tet, nach seinem hebräischen Sinn, et-
                           was nach dem Tod kommt. Auf diesen         was als fest und zuverlässig zu akzep-
                           Gott kannst du dich verlassen.             tieren und sich daran festzumachen.

                              Was, wenn ich in Lessings Ring          Echte Toleranz
                              einen Karabiner einhake?                „Wir glauben doch alle an denselben
                              Lessings „Ringparabel“ hat wie          Gott!“ klingt auf den ersten Blick sehr
                              keine andere Geschichte die aufge-      tolerant, ist es aber nicht. Toleranz
                              klärte Haltung zur Frage nach den       kommt vom Lateinischen „tolerare“,
                              verschiedenen Religionen geprägt.       etwas ertragen, aushalten, erdulden.
                              Die Ringparabel aus seinem Stück        Wer wirklich tolerant sein will, der
                              „Nathan der Weise“ handelt von          sollte die Einzigartigkeit der verschie-
                              drei Brüdern, die je einen Ring von     denen Religionen achten und die Un-
Jürgen Schmidt                ihrem Vater bekommen. Nur ein           terschiede aushalten. Die Bibel zeigt
Leiter der Schüler-SMD        Ring ist echt, keiner weiß welcher,     uns einen Gott, der uns nicht im Un-
Die SMD ist ein Netzwerk      alle sehen sich zum Verwechseln         klaren lässt, sondern auf den wir uns
für Christen in Schule,       ähnlich. Im Lauf der Geschichte         verlassen können. An ihn zu glauben,
Hochschule und Berufswelt.    wird klar, dass das nicht nötig ist:    heißt nicht, andere Religionen zu be-
                              Der Kern von Judentum, Christen-        kämpfen, sondern die Menschen so zu
                              tum und Islam (dafür stehen die         lieben wie Jesus es getan hat. //
                              drei Brüder) ist Liebe, die sich in

              Seite 20                                                           vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder
#thema
Kangwan Nirach / istockphoto.com

                                   Stürmisch, still                 und immer wieder neu
                                    Gottesbilder der christlichen Mystik
                                    „Du stilles Geschrei“ - „Fernnaher“ - „Einen          Gott hat sich mit dem Menschen verbündet
                                    Gott, den es gibt, gibt es nicht“… Die Gottesbilder   und gemein gemacht. Der glaubende Mensch
                                    der christlichen Mystik: sie sprengen Grenzen         vertraut darauf. Manchmal spürt er etwas von
                                    und sie sind so zahlreich wie die MystikerInnen,      dieser Verbindung und Verbundenheit. Manch-
                                    die von ihren Gotteserfahrungen erzählen. Ein         mal erinnert er sich daran, dass er früher ein-
                                    Beitrag zu diesem Thema kann nicht mehr leis-         mal etwas gespürt hat. Und manchmal ist alles
                                    ten, als Muster aufzuzeigen, die wie rote Fäden       wie weg, und der Glaube wird zu einem dunklen
                                    Texte christlicher Mystik durchziehen.                Trotzdem-Glauben. Auch wenn ich dich nicht
                                    Doch zunächst: Was ist überhaupt christliche          spüre, auch wenn ich mich verlassen fühle, auch
                                    Mystik? Gott ist Gott und Mensch ist Mensch.          wenn du mich nicht zu lieben scheinst: Trotz-
                                    Jede theologisch reflektierte Mystik weiß um          dem vertraue ich darauf, dass du da bist – in all
                                    die Notwendigkeit dieser Unterscheidung. Und          meiner Verlassenheit verlässlich.
                                    doch: Der Mensch ist nicht getrennt von Gott.

                                                                                                                                        >>
                                   vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder                         Seite 21
#thema          Stürmisch, still und immer wieder neu
         >>
                Vorbild Jesus
                Für christliche Mystik ist Jesus das
                Vorbild. Unsere menschlichen Erfah-
                rungen gleichen den seinen. Von der
                Krippe bis zum Kreuz, von der Wiege
                bis zur Bahre, vom Anfang bis zum
                Ende erleben wir Bedrohung und Be-
                wahrung, Bejahung und Verneinung,
                Liebe und Hass, Todesangst und Gott-
                vertrauen… Und bekommen hoffent-
                lich die Kraft geschenkt, die Hoffnung
                durchzuhalten, dass Leben und Liebe
                den österlichen Sieg davontragen –
                durch alle Gottesfinsternis und Verlas-
                senheit hindurch.                          kurze Dialogausschnitt zwischen „Frau
                Karl Rahner (gest. 1984) zufolge hängt     Minne“ (Kraft der Liebe) und „Frau Kö-
                die Zukunft des Christentums davon         nigin“ (prachtvolle Seele) ist in zweifa-
                ab, dass Menschen Gotteserfahrungen        cher Hinsicht stürmisch: Die göttliche
                machen und diese ernst nehmen. Es ist      Liebe erscheint als Frau und stürmt so
                ein Wagnis, darüber zu sprechen. Men-      die herkömmlichen männlichen Got-
                schen, die das riskieren, stellen fest,    tesbilder. Zudem wird ein stürmischer
                dass die Sprache an Grenzen stößt. Vor     Prozess der Reinigung beschrieben, in
                diesem Hintergrund seien nun eben          dem der Seele alles genommen wird,
                drei Muster aufgezeigt:                    woran sie hing. Doch sie wird dafür
                1. Gottesbilder der christlichen Mystik    belohnt, vorerst mit einem einstündi-
                sind stürmisch. Sie erinnern daran,        gen trauten Zusammensein mit dem
                dass wir uns von Gott kein Bild machen     Heiligen Geist. Im weiteren Verlauf
                sollen. Deshalb braucht es immer neu       des Textes kommen noch viele ande-
                einen Bildersturm. Zugleich beunruhi-      re Gotteserfahrungen der Vertrautheit
                gen die Bilder, sie läuten Sturm – und     und Fremde hinzu… Hier nun der Ge-
                machen so auf die Gefahr geistlichen       sprächsausschnitt:
                Lebens aufmerksam, dass wir erstarren      „Frau Minne, nun seid Ihr zu mir ge-
                und nicht mehr bereit sind, uns über-      kommen / und habt mir alles genom-
                raschen zu lassen von der Ruach, die       men, was ich auf Erden je gewann.“ //
                weht, wo sie will. Hier eine Kostpro-      „Frau Königin, Ihr habt einen glück-
                be der stürmischen Seite christlicher      lichen Tausch getan.“ // „Frau Min-
                Mystik. Sie stammt aus „Das fließen-       ne, Ihr nahmt mir meine Kindheit.“
                de Licht der Gottheit“ (1. Kapitel im 1.   // „Frau Königin, dafür gab ich Euch
                Buch), dem Hauptwerk der Mechthild         himmlische Freiheit.“ // „Frau Minne,
                von Magdeburg (gest. ca. 1282/94). Der     Ihr nahmt mir meine ganze Jugend.“ //

     Seite 22                                                         vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder
„Frau Königin, dafür gab ich Euch viel heilige Tugend.“ //
„Frau Minne, Ihr nahmt mir Besitz, Freunde und Vertraute.“
// „Frau Königin, das sind erbärmliche Klagelaute.“ // „Frau
Minne, Ihr nahmt mir weltliche Ehren, / weltliche Reichtü-
mer und die ganze Welt.“ // „Frau Königin, dafür leist ich

                                                                         Foto ©Tamara Burk
Euch in einer Stunde Entgelt / auf Erden mit dem Heiligen
Geiste, wie es Euch gefällt.“
2. Kontrast und Ergänzung zum Stürmischen ist die Stil-
le, in die hinein Gott erscheint, spricht, schweigt, sich ereig-     Dr. Irene Leicht
net. Als Beispiel hierfür ein Zitat von Meister Eckhart (gest.       Pfarrerin an der Stadtkirche
ca. 1327/28) aus einer der deutschen Predigten (Nr. 19): „Der        Emmendingen
himmlische Vater spricht ein Wort und spricht es ewiglich, und
in diesem Worte verzehrt er alle seine Macht, und er spricht in
diesem Worte seine ganze göttliche Natur und alle Kreaturen
aus. Das Wort liegt in der Seele verborgen, so dass man es
nicht weiß noch hört, dafern ihm nicht in der Tiefe Gehör ver-
schafft wird; vorher wird es nicht gehört; vielmehr müssen alle
Stimmen und alle Laute hinweg, und es muss eine lautere Stille
da sein, ein Stillschweigen.“ Das göttliche Wort ist nur in der
Stille vernehmbar – ja, es ist selber still, gesprochen von einer
„Stimme verschwebenden Schweigens“ (1. Könige 19,12 in der
Übersetzung von Buber-Rosenzweig).

Widersprüchliche, kreative Gottesbilder
3. In allen Widersprüchen zeigt sich die Kreativität mysti-
scher Gottesbilder. „Du stilles Geschrei“ – so der Untertitel
des Buches „Mystik und Widerstand“ von Dorothee Sölle
(gest. 2003). Stürmisches und Stilles kommen hier zusam-
men. In einem anonymen Brief aus dem 15. Jahrhundert
(vgl. den Anfang von Sölles Buch) heißt

                                                   ““
es von Gott: „Du stilles Geschrei, dich
kann niemand finden, der dich nicht zu               Gott hat sich mit dem
lassen weiß“. „Fernnaher“ – so nennt
                                                   Menschen verbündet und
die Mystikerin Marguerite Porete (gest.
1310) den Gott, den sie erfährt - eine
                                                     gemein gemacht.“
Wortschöpfung, einmalig, noch heute
inspirierend. Dietrich Bonhoeffer hat
es auf den Punkt gebracht: „Einen Gott,
den es gibt, gibt es nicht.“ Die lebendige göttliche Wirklich-
keit ist nicht zu fassen. Und so sind dann auch die Weisen,
von ihr zu sprechen oder sie ins Bild zu bringen: immer wie-
der neu... //

vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder                           Seite 23
#thema

                                 „Für den König,

                           für den Herrn,
                                 für ihn geben wir uns hin.“
                                 Das Gottesbild der Generation Lobpreis
                                 Durch die gesellschaftlichen Veränderungen     morgen prägen werden? Wie glauben sie?
                                 der letzten Jahre ist auch im Kontext von      Und wie stellen sie sich Gott vor? Diesen Fra-
           / istockphoto.com

                                 Kirchen und Freikirchen eine neue, junge,      gen sind wir als Forschungsinstitut empirica
                                 gläubige Generation herangewachsen, die        für Jugend, Kultur & Religion in der Studie
WinR / istockphoto.com

                                 ein ganz eigenes Profil entwickelt hat. Aber   „Generation Lobpreis“ nachgegangen und
                                 was sind das für Jugendliche, die selbstbe-    haben Spannendes herausgefunden. Einige
                                 wusst glauben, die Kirche gut finden, gerne    interessante Ergebnisse sollen im Folgenden
middelveld

                                 ehrenamtlich mitarbeiten und die Kirche von    präsentiert werden.

                               Seite 24                                                        vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder
Warum „Generation Lobpreis“?                Das Gottesbild der Generation Lobpreis
Uns hat überrascht, wie intensiv der Lob-   Das Gottesbild der befragten hochreligiösen Jugendlichen ist
preis im Glauben der evangelisch-hoch-      sehr positiv besetzt. So sagen 93 %, dass sie „Dankbarkeit
religiösen Jugendlichen verortet ist und    gegenüber Gott“ empfinden und sich „von Gott geliebt wis-
welch tiefe und beispielhafte Bedeutung     sen“, 77 % gehen davon aus, dass „Gott in ihr Leben eingrei-
er für das eigene Glaubensleben hat. Da-    fen kann“ und 73 % fühlen sich „von Gott geborgen“. Gott
bei geht es nicht nur um Lobpreis-Mu-       gegenüber empfinden sie vor allem Dankbarkeit, Liebe und
sik, sondern um das Lebens- und Glau-       Geborgenheit. Zwar gehört auch Schuld zu den häufiger vor-
bensgefühl, das der Lobpreis vermittelt.    kommenden Gefühlen, jedoch wird die Vergebung der Sünden

                                            ““
Hierin zeigt sich auch das, was man eine
Individualisierung, Emotionalisierung
                                                  Gott gegenüber empfinden
oder Subjektivierung des Glaubens nen-
nen könnte. Dies gilt für das Gottesbild
                                                sie vor allem Dankbarkeit,
(höchster Wert: Gott liebt mich bedin-           Liebe und Geborgenheit.“
gungslos) wie für die Glaubenspraxis
(Lobpreis ist eine wichtigere Quelle des
Glaubens als Gebet und Bibellesen),         noch häufiger empfunden. Nur selten ist man enttäuscht von
für die Kirche (höchster Wert: Gemein-      Gott, gar zornig auf ihn oder hat Angst vor ihm. Diese posi-
schaft) oder die Motivation zum Ehren-      tiven Gottesbilder passen zu den Gesamtergebnissen der Stu-
amt (höchster Wert: weil es Spaß macht).    dien und weichen deutlich ab von den Ergebnissen der Eltern
                                            und Großeltern (Künkler/Faix 2017). Insgesamt ergibt sich so
Generation Lobpreis als                     ein sehr deutliches Ergebnis: Die hochreligiösen Jugendlichen
Teil der Jugendkultur                       haben ein Bild von Gott, das als liebevoll-empathisch beschrie-
Bei der heutigen Jugendgeneration ist       ben werden kann. Gott ist zuerst bedingungslose Liebe. Diese
eine starke Gegenwartsorientierung fest-    Liebe zeigt sich in seiner Gnade und Treue, beziehungsweise
zustellen - so auch in der „Generation      darin, dass er uns durch das Heilsgeschehen in Jesus Chris-
Lobpreis“: Sie hat weniger Interesse an     tus von unserer Sünde erlöst. Gott ist Vater und Freund. Er
theologischen Themen als viel mehr an       ist uns und unseren Bedürfnissen sowie unseren Problemen
pragmatischen Lösungen. Scheinbare          zugewandt und grundsätzlich positiv eingestellt. Eher im Hin-
theologische Widersprüche lösen sie in      tergrund, wie ein schwacher Schatten dieses durch und durch
ihrem Alltagsglauben auf. Auch wenn         guten Wesens, lauert ein auch mal zorniger Gott, der straft und
man schaut, aus welchem Milieu die          vor dem man auch mal Angst haben kann.
Jugendlichen vorwiegend kommen und          In den „Feiert Jesus“-Liederbüchern spielt vor allem der Kö-
wie sich ihr ästhetisches Empfinden be-     nig, der immer da ist, der machtvoll im Hintergrund die Fäden
schreiben lässt, kann man dies wie folgt    meines Lebens in der Hand hält und für den ich alles tue, als
zusammenfassen: Hier liebt man das          Metapher eine entscheidende Rolle, wie zum Beispiel in „Für
Einfache, Entlastende, die sichere, „hei-   den König, für den Herrn, für ihn geben wir uns hin.“ (Feiert
le“ Welt. Genau das finden wir teilweise    Jesus 2013, 11) oder „Königlich strahlt dein Licht. Du bist ewig-
auch in der Lobpreiskultur, in den Tex-     lich, niemand kommt dir gleich.“ (Feiert Jesus 2013, 29). Insge-
ten, der Musik und der Haltung wieder.      samt kommt der König erstaunlich oft vor (Feiert Jesus 2013:

                                                                                         >>

vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder                         Seite 25
#thema                   „Für den König, für den Herrn...“
                >>
                                3; 7; 8; 16; 24; 27; 30; 32; 43; Feiert   Generation Lobpreis als Hoff-
                                Jesus 2008: 2; 3; 6; 10; 11; 15; 24;      nungsträger für die Gemeinde
                                29; 31; 34; 45) oder auch der Thron       Trotzdem lässt sich insgesamt sagen,
                                Gottes (Feiert Jesus 2013: 7; 16; 24;     dass wir eine neue Generation an from-
                                42). Außerdem wird häufig der Vater       men Jugendlichen haben, die hochmoti-
                                oder der Schäfer genannt, während         viert ist, Gott von Herzen liebt und Ge-
                                Mutter, Ehemann, Geliebte, Begleiter,     meinde toll findet. Ihr Glaube ist dabei
                                 Krieger, Richter, Fürsprecher, Befrei-   sehr erlebnisorientiert und emotional,
Dr. Tobias Faix                  er, Hebamme, Bauer, Wäscherin etc.       Lobpreis spielt eine große Rolle, weil
Professor für Prakti-            kaum Erwähnung finden. Dies gilt         man Gott fühlen will, während die Bibel
sche Theologie an der            dann gleichermaßen für die abge-         zwar wichtig ist, aber im Alltag keine so
CVJM-Hochschule Kassel           deckten Themen, denn Trauer, Ver-        große Rolle mehr spielt.
Leiter des Forschungsins-        zweiflung oder soziale Gerechtigkeit
tituts empirica für Jugend,      kommen kaum vor. Hier scheint es         Die Hintergründe der Studie
Kultur & Religion                zum einen Nachholbedarf zu geben,        In der empirica-Jugendstudie wurden
                                 und zum anderen wird auch die            3187 evangelische Jugendliche und
                                 große Verantwortung der Lobpreis-        junge Erwachsene zwischen 14 und
                                 schreiber*innen und Leiter*innen         29 Jahren online befragt. Drei Vier-
                            deutlich, denn sie prägen das Gottesbild      tel (2.386) der Befragten konnten als
                            der jungen Generation weit mehr als die       hochreligiös identifiziert werden. Das
                            Prediger*innen und Theolog*innen.             bedeutet, dass religiöse Inhalte, Deu-
                                                                          tungsmuster und Praktiken für sie

      ““
                                                                          besonders relevant sind und „einen
        Das Gottesbild der                                                strukturierenden Einfluss auf das ge-

   befragten hochreligiösen                                               samte Erleben und Verhalten“ haben,

    Jugendlichen ist sehr                                                 wie zum Beispiel durch tägliches Gebet
                                                                          und die Erwartung, dass Gott ins eige-
       positiv besetzt.“                                                  ne Leben eingreifen kann. Zusätzlich
                                                                          wurden 62 ausführliche qualitative
                                                                          Interviews durchgeführt, in denen die
                                                                          Jugendlichen selbst über ihren Glau-
                                                                          ben erzählten.//

 Mehr zum Text
 ó  Ausführliche Informationen zu Themen wie Kirche, Mission, Ethik oder Ehrenamt gibt es in dem Buch
 „Generation Lobpreis und die Zukunft der Kirche“, Neukirchener Verlag         >

            Seite 26                                                                 vonWegen 4/19 – Thema: Gottesbilder
FatCamera / istockphoto.com
            „Gott

wohnt in der Wolke
            mit Jesus“
            Bibelforscher unterwegs im Evangelischen Kindergarten
            Ein Teil der religionspädagogischen Arbeit     Wie alles begann
            in unserem Kindergarten ist das wöchent-       Ein neues Kindergartenjahr hatte angefan-
            liche Treffen zum „Bibelforschen“. Daran       gen, die Planungen des Erntedankfestes stan-
            können interessierte Kinder teilnehmen und     den an und das Lutherjahr warf seine Schat-
            sich gemeinsam mit den Erzieherinnen mit       ten voraus. Religionspädagogische Inhalte
            biblischen Inhalten beschäftigen. Eine Zeit,   sowie die Feste des Kirchenjahres sind fester
            um ihrem Wissen und ihren Fragen Raum zu       Bestandteil unserer Arbeit, und die Kinder
            geben und miteinander auf Spurensuche zu       erzählten immer wieder von ihren Bibeln und
            gehen.                                         brachten diese mit.

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#thema          „Gott wohnt in der Wolke mit Jesus“
         >>

                Aus diesen Impulsen entstand die Idee,      zuordnen kann, selbst wenn man die
                interessierten Kindern eine Möglichkeit     Sprache der Bibel nicht versteht.
                zu geben, sich näher mit biblischen In-
                halten zu beschäftigen, ihrem Wissen        Wie ging es weiter?
                und ihren Fragen Raum zu geben und          Das Lutherjahr begann und die Bibel-
                gemeinsam auf Spurensuche zu gehen,         forschergruppe beschäftigte sich inten-
                um die Botschaft Gottes lebendig wer-       siv mit Luther. Wer war er, welche Be-
                den zu lassen.                              deutung hatte er für uns, wie lebten die
                Nun galt es die ersten Treffen zu planen    Menschen und speziell die Kinder zur
                und mit den Kindern ins Gespräch zu         Zeit Luthers.
                gehen, die Eltern über unser Vorhaben       Die Reformationsschatzkiste mit ent-
                zu informieren.                             sprechendem Begleitmaterial wurde an-
                Schnell wurde klar, dass viele Kinder       geschafft.
                großes Interesse an der Thematik hat-       Sie begleitet die Bibelforscher bis heu-
                ten, und zwei Kolleginnen begannen          te und wird immer mit entsprechendem
                ein wöchentliches Angebot anhand der        Material zu den einzelnen Themen und
                Themen und Interessen der Kinder zu         Geschichten bestückt.
                planen.
                Die Kinder wurden eingeladen, ihre Bi-      Und heute?
                bel mitzubringen, Bibeln in unterschied-    Ein kleiner Einblick in eine „Bibelfor-
                lichen Sprachen kamen ins Haus.             scherzeit“:
                Die erste Geschichte, die gemeinsam         Erzieherin: „Wir hören uns Geschichten
                erforscht wurde, war die Schöpfungs-        an, in denen er vorkommt, wir sprechen
                geschichte. Gemeinsam mit den Kindern       oft über ihn, wir schicken ihm Gebete,
                wurde festgestellt, dass man allein durch   haben vor den Ferien sogar selber wel-
                die Bilder die Geschichte entdecken und     che formuliert…?“

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„Gott“, rufen mehrere Kinder gleichzei-        „Wir Kinder können erzählen, was wir
tig, „jaaa, Gott.“                             schon alles über Jesus und Gott wissen
Erzieherin: „Ja, ihr habt recht, Gott ist      und Fragen stellen.“ „Wir haben in der
gemeint. Ich habe eine Frage an euch,          Bibel gelesen, dass Gott allen Menschen
wie stellt ihr euch Gott vor?“                 hilft.“
L. (5 Jahre): „Er wohnt in der Wolke           „Wir wissen, dass Jesus nicht mehr auf
mit Jesus und gemeinsam schauen sie            der Welt ist, sondern im Himmel, wir
auf die Erde und sie schauen, ob es den        können ihn in unseren Herzen spüren.“
Menschen gut geht oder ob ihnen etwas          „ Wir spielen die Geschichten so ganz
fehlt oder ob sie traurig sind, und dann       echt und bereiten Feste vor.“
überlegen sie, ob sie was Neues bringen,       „Hier bei den Bibelforschern kann man
um die Menschen wieder glücklich zu            Spaß haben.“
machen.“                                       „Wir freuen uns, wenn Frau Steidel
I. (3): „Gott liest ein großes Buch vor und    kommt, mit uns forscht und eine Ge-
er liest von Jesus“.                           schichte mitbringt.“
Z. (5): „In einem Himmelszelt.“
Alle lachen.                                   Und wie geht es weiter?
L.: „Gott gibt den Menschen zu essen.“         Seit über zwei Jahren sind die Bibelfor-
Le. (5): „Ich danke Gott für das Essen         scher nun schon fester Bestandteil in
und für Freunde und für Geld.“                 unserer Einrichtung.
La. (4): „Ich bete an Gott, wenn ich trau-     Auch in diesem Kindergartenjahr wer-
rig bin.“                                      den sie sich wieder intensiv mit den
„Ich auch!“, rufen einige Kinder hinter-       Fragen der Kinder beschäftigen und ge-
her.                                           meinsam nach Inhalten und Antworten
Erzieherin: „Ihr habt interessante Vor-        in der Bibel forschen.
stellungen von Gott. Ich habe mir ge-          Große Unterstützung erfahren wir
dacht, wir könnten noch ein Lied für           dabei durch unsere Pfarrerin, Frau
Gott singen, fällt euch eins ein?“             Steidel, die als „Pfarrerin zum An-
„Ja, Gott hat alle Kinder lieb“, ruft Le. in   fassen“ in regelmäßigen Abständen
den Raum.                                      an den Diskussionen teilnimmt und
Le.: „Hat Gott auch die Räuber lieb?“          dadurch eine sichtbare Brücke zwi-
Erzieherin: „ Was für eine spannende           schen dem Wort Gottes, der Evan-
Frage! Lasst uns gemeinsam nächste             gelischen Kirchengemeinde Tiengen
Woche zu dieser Frage recherchieren.“          und den Kindern bildet. Uns werden
„Warum kommt ihr eigentlich so gerne           die Feste des Kirchenjahres wieder Brigitte Eberle
zu den Bibelforschern und was wisst ihr        begegnen und wir hoffen auf viele Leiterin des Evangelischen
noch von den Treffen?“, war eine wei-          wissbegierige, fragende und ideen- Kindergartens Frei-
tere Frage, die die Kolleginnen an die         reiche Bibelforscher*innen.//           burg-Tiengen
Kinder gerichtet haben.
Hier einige Aussagen der Forscher*in-
nen:

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