Hospizbrief Ausgabe 2 I 2020 - Corona und Hospiz Verein und Hospizhaus feiern Jubiläum - Hospiz Wolfsburg
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Hospizbrief Ausgabe 2 I 2020 Aus dem Hospizhaus Aus dem Hospizverein Trostinsel Corona und Verein und Hospizhaus „Wölfi“ besucht Hospiz 5 Seite 10 feiern Jubiläum 5 Seite 20 die Kinder 5 Seite 30
2 Inhalt Titelthema Im Gespräch: Marco Moretti (Bauunternehmer): „Ehrenamt im Hospiz“ „Ich habe höchste Achtung vor der Arbeit im Hospiz“ 28 Ehrenamt „Das Salz in der Suppe“ 3 Rainer Bogner, 1. Vorsitzender des Hospizvereins: Trauer und Trostinsel „Ehrenamt ist die Seele des Hospizes" 4 Trostinsel während Corona: Lucie Schirren – eine Frau der ersten Stunde 5 „Ich brauche die anderen Kids“ 30 Ehrenamt: Das Gartenteam 6 Wölfi zu Besuch in der Trostinsel 32 Ehrenamt: Empfang 8 Elefanten für die ambulante Ehrenamtliche berichten 4-9 Kinderhospizarbeit 33 Ambulante Sterbebegleitung aus Sicht einer Aus dem Hospizhaus Betroffenen: „Ich war nicht allein“ 34 Harte Wochen während der Shutdown-Phase: Hospiz und Corona - das passt nicht zusammen 10 Kurs „Letzte Hilfe“ 34 Begleitung, Beistand und Coronaregeln: Mal ganz persönlich: „Jetzt tut es gut, diese Hand zu halten“ 12 Verwaiste Friedhöfe - muss das sein? 35 Neu im Team: Ingrid Rehfeldt und Nina Lüer 13 Aus dem Ehrenamt Nachruf: Joachim Dittfach 11 Im Gespräch: Immacolata Glosemeyer Interview mit Petra Scholz-Marxen: (Sozialausschuss-Vorsitzende): „Das Herz sagt: Bleiben!" 14 „Die Pflege muss dringend reformiert werden, denn Klatschen allein reicht nicht“ 36 Aus dem Hospizverein Kuschelkissen für die Trostinsel 38 Jubiläum: 25 Jahre Hospizverein – Kreativkreis verbindet Hobby mit guter Tat 39 15 Jahre Hospizhaus: Kleine Chronik: Und sonst noch … Eine Idee hat Flügel bekommen … 16 Wilfried Lehmann, Gründungsmitglied Friedhöfe dieser Welt: St. Louis Cemetery des Hospizvereins: No.1 in New Orleans: „Das konnten wir nur gemeinsam schaffen“ 18 Mord, Drogen und Voodoo-Zauber 40 Rosely Plumhoff zur Geschichte des Hospizhauses: Buchbesprechung: „Hospizarbeit ist ein steter Auftrag“ 20 Barbara Pachl-Eberhart: „Warum gerade du?“ 42 Das Hospiz heute 22 Lieder zum Trost: Rudi Carell: „Mein allergrößter Fan“ 43 Hospiz Heiligendorf: Haus soll Weihnachten 2022 eröffnen 24 Impressum 44 Spenden 26 Liebe Leserinnen, liebe Leser Aufgrund der noch geltenden Beschränkungen durch die Corona-Pandemie können wir Euch auch in diesem Heft keine konkreten Termine für unsere Veranstaltungen nennen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist nicht exakt abzusehen, welche Veranstaltungen oder Aktivitäten stattfinden. Über aktuelle Termine informieren wir per Mail. Ansonsten nutzen Sie bitte auch unsere Internet-Seite: , www.hospiz-wolfsburg.de Die Redaktion Hospizbrief Ausgabe 2/2020
3 Titelthema Das Ehrenamt im Hospizverein Wolfsburg „Das Salz in der Suppe“ Ehrenamtliche sind „wie das Salz in der Suppe“ oder wie der „Kitt in der Gesellschaft“. Ohne sie fehlt etwas, gerade in der Hospizarbeit. Besonders in der Pandemie-Zeit, wäh- rend der strengen Kontaktbeschränkungen, haben wir gemerkt, wie still und unlebendig es im Hospiz zugeht - wie sehr uns die Ehrenamtlichen fehlen. Was zeichnet die ehrenamtliche Arbeit im Hospiz Wolfsburg aus? Die Ursprünge der Hospizarbeit in Wolfsburg liegen in den Händen von engagierten Bür- gern und Pastoren, die sich vor 25 Jahren zusammengeschlossen haben, um „Sterben, Tod und Trauer“ aus der Tabu-Ecke zu holen. Inspiriert von Cicely Saunders und ihren modernen Palliativideen sowie von Elisabeth Kübler-Ross und ihrem Buch „Interviews mit Sterbenden“ entwickelt sich die Hospiziniti- ative. Viele von diesen „alten Hasen“ sind noch immer dabei. Mittlerweile ist die Hospizarbeit mit verschie- denen Angeboten in Wolfsburg fest veran- kert. Von ambulant bis stationär, von Sterbe- bis Trauerbegleitung, vom Kindesalter bis ins hohe Erwachsenenalter – in jedem Bereich begleiten Ehrenamtliche die Betroffenen und ihre Familien. Das Ehrenamt ist bunt und viel- Miteinander kennzeichnen. Die Ehrenamtli- Mehr als 170 fältig. Im Hospizhaus pflegen Ehrenamtliche chen sprechen von großer Zufriedenheit und ehrenamtliche den Garten, nehmen Besucher in Empfang, Freude am sinnvollen Tun. Auch das Gemein- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstüt- helfen in der Küche und bei der Wäsche, schaftsleben kommt nicht zu kurz: Fortbil- zen die Arbeit des singen im Chor, machen Musik, engagieren dungen, gemeinsame Unternehmungen Hospizvereins. Die sich im Vorstand, schmücken die Fenster mit und Supervision in der Gruppe stärken den „Ahnentafel“ im Flur Dekoration und bringen frische Blumen auf Zusammenhalt. Die Idee, dem „Sterben ein des Hospizhauses zeigt die Tische. Sie übernehmen auch Boten- und Zuhause geben“ – das Motto unseres Vereins einen Querschnitt Fahrdienste, lassen die Chipkarte bei den Ärz- – verbindet alle miteinander. So entsteht mit dieser freiwilligen Unterstützer. ten einlesen oder verteilen den Hospizbrief. jeder weiteren ehrenamtlichen Mitarbeiterin Und vieles andere mehr. Auch diese Mitglie- oder jedem weiteren Mitarbeiter ein neues derzeitschrift wird von Ehrenamtlichen gestal- Stück Hospizarbeit. tet. In dieser Ausgabe zeigen wir einige Einsatz- Das Wesentliche ist, dass die Tätigkeit den möglichkeiten der ehrenamtlichen Hospiz- eigenen Fähigkeiten und Interessen ent- arbeit und stellen Ehrenamtliche vor. Damit spricht und in respektvoller Zusammenarbeit erhält das Ehrenamt ein Gesicht und motiviert mit hauptamtlichen Mitarbeitern geschieht. vielleicht auch andere, sich hier zu engagie- Die Begegnung, der Austausch, interdiszipli- ren. när und regelmäßig sind Merkmale, die das Brigitte Werner Hospizbrief Ausgabe 2/2020
4 Titelthema Rainer Bogner, 1. Vorsitzender des Hospizvereins Region Wolfsburg e.V.: „Ehrenamt ist die Seele des Hospizes“ Für Rainer Bogner, den 1. Vorsitzenden des Hospizvereins, ist das Ehrenamt die Seele des Hospizes. Gemeinsam mit den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sorgen die vielen Ehrenamtlichen für die Wärme und Geborgenheit, die das Hospiz Wolfsburg auszeichnet. „Ich habe große Achtung vor der Arbeit, die macht. Und er führt ergänzend hinzu: Unsere diese Menschen hier in unserem Haus und Ehrenamtlichen bilden die ganze Bandbreite in unserem Verein leisten“, sagt der Vorsit- unserer Gesellschaft ab: Junge wie Alte, Frau- zende. Rainer Bogner betont einerseits die en wie Männer, Rentner wie Berufstätige. professionelle Arbeit der Beschäftigten in der Pflege, im Sozialdienst und der Verwal- Eine große Herausforderung sieht Rainer tung. Diese großartigen Mitarbeiterinnen und Bogner nun darin, dieses ehrenamtliche Mitarbeiter habe man über offizielle Stel- Element auch in dem zweiten Haus in Hei- lenausschreibungen gewonnen. Sie haben ligendorf einzupflegen: „Wir müssen schon sich aus beruflichen, fachlichen und sicher bald damit beginnen, einen Stamm an enga- auch persönlichen Gründen für eine Tätig- gierten Menschen für die Tätigkeiten dort keit im Hospiz entschieden. Aber Ehrenamt, aufzubauen.“ Vorstand und Geschäftsfüh- so Bogner, könne man nicht ausschreiben. rung stellen sich dieser Aufgabe. „Wir wer- „Unsere „Die Ehrenamtlichen kommen freiwillig, sie den in den kommenden Monaten unsere Ehrenamtlichen müssen immer wieder neu motiviert werden, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation bilden die ganze sich hier zu engagieren. Die Statements auf gezielt verstärken“, verspricht Rainer Bog- den folgenden Seiten des Hospizbriefes zei- ner. Aber der 1. Vorsitzende weiß auch: Die Bandbreite gen aber eindeutig, diese Menschen kommen beste „Werbung“ ist die Mundpropaganda unserer Gesell gerne zu uns.“ und die direkte Ansprache. Und da setzt er schaft ab: Junge wieder auf die Ehrenamtlichen, die bereits im wie Alte, Frau- Gerade in den Corona-Zeiten habe man beson- Hospiz aktiv sind: „Wer könnte andere besser en wie Männer, ders stark gespürt, wie sehr Ehrenamtliche in motivieren, als diejenigen, die sich mit so viel Rentner wie die Struktur des Hauses integriert sind. Fast Freude hier schon einbringen?“ Berufstätige.“ 170 Menschen engagieren sich im Hospizver- Rainer Bogner ein - eine Zahl, die den Vorsitzenden sehr stolz Ein Ehrenamt im Hospiz: Begleitung Nach dem Tod Die Begleitung schwerstkranker Men- In einigen Fällen sind es kurze Roll- meines Mannes schen in ihrem Zuhause und auch im stuhl-Ausflüge, manchmal nur weni- 2004 und dem Hospizhaus oder Krankenhaus ist für ge Worte oder leichte Berührungen. gleichzeitigen mich eine früher nie erwartete Berei- Und ein anderes Mal schauen wir uns Eintritt in mei- cherung meines Lebensinhaltes. Das nur still an und kommunizieren doch nen Altersru- Gefühl zu spüren, wie sehr sich ein miteinander. hestand wollte bisher fremder Mensch über meine Oft höre ich von Bekannten „das ich weiterhin Anwesenheit freut, ist kaum in Wor- könnte ich nicht…“. Das hätte ich frü- Kontakte mit te zu fassen. Manchmal sind es nur her von mir vielleicht auch gedacht. Ich Menschen pflegen. Das ist mir wich- wenige Wochen oder Tage, die wir könnte noch viele erfreuliche Gründe tig gewesen. Seit 2006 habe ich das miteinander verbringen können. Es für mein ehrenamtliches Engagement Glück, dass ich mich - per Zufallsbe- hat aber auch schon tiefe Freund- nennen, aber das würde den Rahmen gegnung - in die hiesige Hospizarbeit schaften gegeben, die sich über sprengen. einbringen kann. Monate entwickelten. Edith Chabowski Hospizbrief Ausgabe 2/2020
5 Ein Ehrenamt im Hospiz: Lucie Schirren – Frau der ersten Stunde Lucie Schirren ist so etwas wie eine „Frau der ersten Stunde“. Seit mehr als 25 Jah- ren engagiert sie sich in der Hospizarbeit in Wolfsburg. Hier berichtet sie von ihren Erfahrungen. Können Sie sich vorstellen, dass es im Jahre 2020 30 Millionen Menschen in Deutschland gibt, die in einem Ehrenamt tätig sind? Ich bin eine von diesen 30 Millionen. Wie bin ich vor mehr als 25 Jahren zur ehrenamtlichen Arbeit ins Hospiz gekommen? Ich hatte wohl wichtige Erfahrungen gemacht mit der schweren Krankheit meiner Mutter, die ich zusammen mit meinem Vater und meinem Mann bis zu ihrem Tode zu Hause betreut und begleitet habe, und auch mit meinem Mann, der bis ganz kurz vor seinem Ende zu Hause sein konnte. Irgendwie und zufällig hörte und las ich vor 25 Jahren von „Hospizarbeit“ in Wolfsburg, deren Interessierte sich unter der Leitung von Pfarrer Peter Herbst und Pastor Wilfried Leh- Lucie Schirren gehört bereits seit 25 Jahren zum Kreis der Ehrenamtlichen im mann in der St. Bernward-Gemeinde trafen. Wolfsburger Hospizverein. Die ökomenische Zusammenarbeit gefiel mir. Bei der Vereinsgründung 1995 war ich schon Arbeit auch lachen dürfen und sollen - wie es dabei und habe auch einige Zeit im Vorstand im letzten Hospiz-Brief so wunderbar aufge- mitgearbeitet. zeigt worden ist. Jahrelang begleitete ich im ambulanten Immer wieder berührt bin ich von der inneren Bereich Sterbende - seltener im Hospizhaus. Verbundenheit, die durch die gemeinsame Daneben habe ich mit großem Interesse mit Arbeit entsteht. Dazu trägt auch die Super- anderen „Hospizlern“ und Sozialpädagogin- vision bei, in der wir bei fachkundiger Leitung nen Schulungen für Ehrenamtliche geleitet. persönliche Erfahrungen und Probleme aus- Und seit längerer Zeit beschäftige ich mich mit tauschen können. dem Themenkomplex Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Kurz: Die Hospizarbeit - ambulant wie stati- onär - ist ein wichtiger Teil unseres Gemein- Ich habe in dem vergangenen Vierteljahrhun- wesens. Ich bin dankbar dafür, von Anfang dert viele berührende aber auch humorvolle an dabei zu sein und mitarbeiten zu können. Begegnungen erlebt. Eine besondere Erinne- Lucie Schirren rung habe ich an unsere Kabarett-Aufführung Menschen können in mit dem Titel „Zum Totlachen“ zu unserem den unterschiedlichs- 5-jährigen Bestehen. Das war und ist für mich ten Bereichen aktiv werden und die Arbeit eine Bestätigung dafür, dass wir bei unserer des Hospizes unter- stützen. Hospizbrief Ausgabe 2/2020
6 Titelthema Ein Ehrenamt im Hospiz: Das Gartenteam Das Dreierteam (Anette, Rolf, Thomas) arbeitet im Garten des Hospizes. Sie treffen sich einmal die Woche, immer montags. Sie sorgen dafür, dass der Garten dieses wun- derbare Kleinod mitten in der Stadt bleibt. Ihr seid im Hospiz Was macht diesen Garten aus, wird er ehrenamtlich tätig. gern angenommen? Wie ist es dazu Anette: Ich bekomme nur positive Rückmel- gekommen? dungen, auch von den Gästen. Besonders von Rolf: Bei einer Ver- den Angestellten kommt ganz viel zurück. Sie anstaltung in Wolfs- nutzen ihn, manche verbringen ihre Mittags- burg haben sich viele pause hier, sitzen im Strandkorb. Die Gäste Organisationen mit kommen nicht so häufig hierher wie ich es mir ihren Ehrenämtern wünschen würde. Ein Herr wurde, liegend im präsentiert, auch das Bett, von der Pflegerin in den Garten gefah- Hospiz. Ich habe mich ren. Er bekam Lavendel, Rosmarin, Minze zu dann als Hausmeis- riechen. Wie weit er es aufgenommen hat, ter beworben. Ich weiß ich nicht, aber dass es die Möglichkeit erscheine, wenn man gibt, ist sehr schön. Gäste, die noch dazu in mich ruft, ich habe der Lage sind, kommen selbst in den Garten doch Zeit. Ich bin der oder werden von ihren Angehörigen hierher einzige Rentner, der gefahren. Ein schöner Gegenpol zum Zimmer, Zeit hat (schmunzelt). wenn man die Möglichkeit hat, an die frische Anette: Die Erzähle- Luft zu gehen. rin, die hier im Hospiz Thomas: Wir sind hier mitten in der Stadt. Rolf, Anette und ihre Märchen vorträgt, hat eine Lesung im Wenn ihr mal hört: Ihr hört nur einen Vogel Thomas kümmern Café Anna gehabt, in dem ich auch eine zwitschern und das Plätschern des Wasser- sich liebevoll um die ehrenamtliche Aufgabe habe. Es hat ein beckens, keinen Autoverkehr. Es ist wirklich Gestaltung des Hospiz- Hinweisschild mit den Aufgaben der Ehren- ein Kleinod mit so vielen Details. Dank den Gartens. Er ist zu einem kleinen Paradies amtlichen im Hospiz gegeben. Das hat mich Leuten, die den Garten überhaupt angelegt mitten in der Stadt angesprochen und ich sagte zu mir: ‚Jetzt haben. Wir setzen den Garten ja nur fort, geworden. machst du es!‘ Nach einem Gespräch mit mit wir haben ihn nicht erfunden. Jeder von uns der Koordinatorin Petra Bachmann habe ich erfindet aber neue Details. mich für die Gartenarbeit entschieden. Anette: Früher war dies ein Parkplatz, des- Thomas: Meine Frau hat mir einen kleinen halb war der Boden so verdichtet. Wir haben Zeitungsausschnitt gezeigt. Ich las nur: „Hos- ein Kräuterhochbeet, da freut sich die Küche piz“ und dachte spontan: „Da muss ich hin!“ drüber. Wir möchten unsere Vorgängerin Ich wusste nicht, was ich hier soll, aber ich Claudia noch mal ganz hoch loben. Sie war musste hier einfach hin. Weil ich aus der mit ihrem Talent zum richtigen Zeitpunkt am Pflegebranche komme, wäre die Pflege der richtigen Platz, um alles umzusetzen. Wir füh- Gäste auch eine Idee gewesen, aber mich ren ihre Arbeit fort. reizte eher etwas Neues. So war ich zuerst in der Küche und danach im Garten. Welche Bedeutung hat euer Ehrenamt Anette: Wir sind ein sehr nettes Team und und dieses Hospiz für euch und unsere ergänzen uns in jedweder Hinsicht. Jeder Gesellschaft? Viele Institutionen suchen hat seine besonderen Fähigkeiten, die er dringend Ehrenamtliche. In diesem Hos- einbringt. piz scheint das kein Problem zu sein… Hospizbrief Ausgabe 2/2020
7 Rolf: Die Gäste, die hierher kommen, erfahren besondere Aufmerksamkeit und alle erdenk- liche Pflege. Das ist sehr bemerkenswert. Es gibt ein Miteinander und das ist ganz zau- berhaft. Die Fotowand im Eingangsbereich zeigt alle Ehrenamtlichen und es sind sehr viele Fotos. Ich gebe meine Erfahrungen in meinem privaten Umfeld weiter. Denn viele wissen nicht, was ein Hospiz ist. Thomas: Unsere Arbeit kann man mit vie- len Tortenstücken vergleichen, die ein schö- nes Ganzes ergeben. Wenn ein Gast etwas betroffenen Menschen und die Gesellschaft wünscht, muss nicht sofort eine Pflegekraft an sich. Ohne Ehrenamt funktioniert unsere kommen. Für viele Aufgaben gibt es dann Gesellschaft nicht. jemanden, der schnell einspringen kann. Eine Rolf: Ehrenamt bedeutet, dass man sich Friseurin hat sich beispielsweise bereit erklärt, selbst einbringt, im Rahmen seiner Möglich- Gäste, die noch den Gästen auf Wunsch die Haare zu schnei- keiten. dazu in der Lage den. Das sind alles Beispiele für Mitmensch- Thomas: Früher hat man die Kranken gene- sind, kommen lichkeit und Kreativität. Menschen, die hel- rationsübergreifend im häuslichen Rahmen fen wollen, können hier ihren Bereich finden. betreut. Das hat sich zunehmend in Rich- selbst in den Ehrenamt bedeutet, etwas zurückzugeben, tung Fremdbetreuung verändert. In dieser Garten oder was man selbst erfahren hat. Hinsicht ist das Hospiz eine Bereicherung für Rolf: Einem Gast, der Funker war, wurde ein die Gesellschaft. werden von Kupferkabel quer durch den Garten gespannt, ihren Ange damit er funken konnte. Das Hospiz-Team Was ist das Schönste an eurer Tätig- hörigen hierher versucht für die Gäste das Unmögliche mög- keit? lich zu machen. Die Menschen fühlen sich Anette: Die positive Resonanz, die ich für gebracht. hier nicht „abgegeben“. meine Arbeit erhalte. Anette: Das Hospiz kann man gar nicht hoch Rolf: Ich bin gern unter Leuten. genug bewerten. Ich höre das immer wieder, Thomas: Das Teilen! Teilen heißt geben und hauptsächlich von denen, die Erfahrung mit empfangen dürfen. dem Hospiz gemacht haben. Unser bester Freund ist hier gestorben und so haben wir Achtung: Das Gartenteam ruft zu Spen- die Gegebenheiten selbst erfahren. Normaler- den auf! Sie benötigen noch: Pflanzen, weise gehen die Menschen nicht ins Hospiz, Töpfe, Kunst und Deko. Bitte nur nach um es sich einmal anzusehen. Die jedoch, die Absprache mit Anette! Kontakt über die es kennengelernt haben, berichten nur Posi- Hospiz-Info. tives. Dieses Hospiz ist ein Glücksfall für die Interview: Claudia Brennecke 31 Millionen engagieren sich ehrenamtlich Die Stärke eines Landes wird oft an Integration, Wohlstand, das kulturelle 45 % der Bevölkerung engagieren Wirtschaftszahlen oder der Qualität Leben, stabile demokratische Struktu- sich regelmäßig oder gelegentlich der Sozial- und Gesundheitsversor- ren und soziale Bindungen. 49 % der Männer engagieren sich gung festgemacht. Aber ein elemen- 31 Millionen Menschen setzen sich tarer Baustein wird bei dieser Betrach- 41 % der Frauen engagieren sich in ihrer Freizeit für das Gemeinwohl tung oft nicht ausreichend berück- 43 % der Bewohner in städtischen ein. Ihr Engagement ist dabei so wich- sichtigt: das freiwillige Engagement Regionen bringen sich ein tig wie verschieden. Die Möglichkei- der Bürgerinnen und Bürger. ten des freiwilligen Engagements 54 % der Bewohner in ländlichen Das Ehrenamt hat eine große Bedeu- in Deutschland sind breit gefächert Regionen bringen sich ein tung für den gesellschaftlichen und in nahezu allen Lebensbereichen 22 % der Engagierten haben ein Zusammenhalt. Es ist unerlässlich für möglich. Amt oder eine feste Aufgabe individuelle Teilhabe, gesellschaftliche Claudia Brennecke Hospizbrief Ausgabe 2/2020
8 Titelthema Ein Ehrenamt im Hospiz: Empfang Kerstin Bahlke arbeitet seit Anfang 2018 im Hospiz am Empfang, ein- bis zweimal die Woche. Sie findet es besonders wichtig, durch ihr Ehrenamt die Hauptamtlichen zu entlasten. Wie bist du auf das Hospiz aufmerksam Ehrenamtliche am Empfang sitze. Die Haupt- geworden? und Ehrenamtlichen, die sich jeden Tag um In meiner Familie sind viele liebe Menschen Schwerstkranke, um Sterbende kümmern, verstorben - auch mein Mann. Und alle sind sind für mich die „Helden“ im Hospiz. Mit im Krankenhaus gestorben. Es hat mich diesem Rezeptionsdienst kann ich etwas für besonders bei meiner Mutter berührt, wie diese „Helden“ tun, sie unterstützen und ent- alleingelassen sie gewesen ist. Ich habe lasten. Damit sie einmal eine Pause machen damals schon etwas über das Hospiz gehört, können und nicht noch zusätzlich Besucher hatte aber Berührungsängste. Als ich erst- empfangen müssen. mals an diesem Haus hier vorbeigekommen bin, traute ich mich nicht hinein. Es hat etwas Welche Bedeutung hat ein Hospiz und Unheimliches. Als ich in Altersteilzeit gegan- ehrenamtliche Arbeit für dich / unsere gen bin habe ich über eine ehrenamtliche Gesellschaft? Tätigkeit nachgedacht. In der Zeitung lese Der Leitspruch des Hospiz Wolfsburg trifft es: ich, dass das Hospiz jemand für die Küche Dem Sterben ein Zuhause geben. Das Ster- Die Haupt- und und für die Wäscherei sucht. Das hat ja nicht ben gehört doch zum Leben. Es hilft nicht, Ehrenamtlichen, die direkt etwas mit Sterben zu tun. Da habe ich sich vor diesem Thema zu verschließen. Es sich jeden Tag um mich gemeldet. kann der nächste Verwandte sein oder man Schwerstkranke, um selbst, der einen Platz in einem Hospiz benö- Sterbende kümmern, sind für mich die Ich habe in der Automobilindustrie gearbei- tigt. Damit muss man sich auseinandersetzen. „Helden“ im Hospiz. tet, bei einem Zulieferer. In dieser Industrie Eine wesentliche Aufgabe leistet die Trauer- geht es vor allem um materielle Dinge. Mein arbeit im Hospiz. Die Menschen dürfen hier Wunsch ist aber immer gewesen, etwas zu trauern - so wie sie wollen. tun, was einen anderen Sinn hat. Aufgrund meiner Erfahrungen in der Familie sehe ich „Oh, das könnte ich nicht’" und „davon meine Möglichkeit, hier Sterbenden helfen will ich nichts hören“ sind Reaktionen, die zu können. Sterben war und ist ein Tabuthe- ich immer wieder höre. Bekannte sagen, sie ma. fänden es seltsam, dass ich dieses Ehrenamt habe, wo ich doch selbst so viel Sterben Warum ist es wichtig, dass jemand am erlebt und leidvolle Erfahrungen in meiner Empfang sitzt? Lebensgeschichte aufzuarbeiten habe. Dies Es entlastet die Hauptamtlichen, wenn ich als sei doch ein Widerspruch. Nein, manchmal erscheinen mir jetzt meine eigenen Probleme etwas kleiner. Es gibt Menschen, die hier und Ein Ehrenamt im Hospiz: Küche jetzt meine Hilfe brauchen. Ich helfe in der Küche, wann immer ich Es gibt viele Bereiche, in denen Ehrenamtliche gebraucht werde. Warum ich mich für das tätig sind, z.B. in der Pflege, in Altersheimen, Ehrenamt in Hospiz entschieden habe? Ich etc. Wenn es die Ehrenamtlichen nicht gäbe, persönlich finde es wichtig, Menschen die sähe es viel schlechter aus. Die Pflegekräfte etwas Wertvolles leisten, zu unterstützen. Es haben viel Stress und Zeitmangel, sie können sind die kleinen Dinge, die eine große Wirkung haben. Während Corona vermisse ich die Zeit sich oft nicht in Ruhe zu einem Patienten set- im Hospiz. Reiner Schrader zen. Ich habe jetzt die Zeit, muss nicht mehr erwerbstätig sein, bin noch gesund. Hospizbrief Ausgabe 2/2020
9 Hattest du schon Kontakt mit den Gäs- Ein Ehrenamt im Hospiz: Rezeption ten oder mit Angehörigen? Meine Motivation, ein Ehrenamt auszuführen, Ja, das ist noch gar nicht so lange her. Ein hat damit zu tun, dass ich meine Schwester Mitarbeiter hat mich angesprochen, als ich fünf Jahre gepflegt habe. Ich durfte sie auf der Empfangsdienst hatte. Er fragt mich, ob ich letzten Reise in ihrem Leben begleiten. Ich habe Sitzwache bei einem Gast machen könnte, der meiner Schwester versprochen, dass Herz- lichkeit, Ruhe und doch lebendiges Leben in sehr unruhig wäre. Das habe ich getan, mich ihrer Umgebung stattfinden sollen, wenn ihre in das Zimmer gesetzt und bin bei dem Gast Lebenskerze erlöschen sollte. Diesen Wunsch einfach anwesend. Wir haben nicht gespro- konnte ich ihr erfüllen und sie hat es trotz ihrer chen, aber er hat gemerkt, dass ich da gewes- Demenz wahrgenommen. sen bin. Es war so schön, bei ihm zu sitzen und Ich bin froh, dass ich im Hospiz Wolfsburg eine Einrichtung gefunden es hat mich zutiefst bewegt. Sich Gedanken zu habe, wo all diese Werte mit Respekt zum Menschen verwirklicht machen, was dieser Mensch wohl alles erlebt werden. Meine Tätigkeit ist der Rezeptionsdienst. Das bedeuetet, dass ich Angehörige und Besucher mit Freundlichkeit und Herzlichkeit hat. Auch wenn nicht mehr gesprochen wird, in Empfang nehme, sie nach ihrem Anliegen frage und ihnen dann zu spüren, dass man nicht allein ist. Schade, behilflich bin. Das Besondere an dieser Tätigkeit ist, dass die anfäng- dass ich nicht viel über ihn wusste. Für die liche Scheu abklingt, die viele Menschen haben, wenn sie erstmals Pflegekräfte war dies eine große Entlastung. ein Hospiz betreten. Das beobachte ich immer wieder, wenn ich auf Ich hatte die Zeit dafür. Ich kann mir vorstel- Besucher zugehe und sie anspreche. len, später mal einen Kurs für die Begleitung Ich bin froh, dass ich mit meinem Ehrenamt im Hospiz helfen darf. zu belegen. Trotzdessen möchte ich gern den An diesem Amt habe ich viel Freude. Rezeptionsdienst weiter ausüben. Esther Wohlgetan Was ist das Schönste an deiner Tätig- sich nicht erklären. Es gibt trotz dem Leid hier keit? eine große Lebensfreude. Und oft Humor. Die Begegnung mit Menschen, mit Angehöri- gen, mit den Hauptamtlichen und Ehrenamt- Übrigens finde ich toll, dass es diesen „Hos- lichen. Oft wuseln hier viele Menschen durch- pizbrief“ gibt. Ich nehme immer ein Exemplar einander. Manchmal setzen die Angehörigen mit und zuhause gebe ich es an andere zum sich einfach zu mir, manche wollen reden. Ich Lesen. Dadurch kommen auch schon mal Fra- habe das Gefühl, dass alle das gleiche Ziel gen und Gespräche. haben, den gleichen Gedanken. Man muss Interview: Claudia Brennecke Ein Ehrenamt im Hospiz: Das Redaktionsteam Ehrenamt bedeutet für mich frei- bis he r s c hon nahen Verwandten habe ich selbst williges Engagement für eine immer gern erfahren, wie außerordentlich wichtig Sache, für Menschen oder andere getan habe: Palliativ- und Hospizeinrichtungen für Lebewesen oder eine Organisati- Recherchieren, den einzelnen, aber auch für unsere on, die ich für unterstützenswert lesen, schreiben, Gesellschaft, sind. 2008 haben wir halte. Dieses Engagement sollte k re a t i v e I d e - damals engagierte Hilfe durch einen sowohl für die Nutznießer als auch en entwickeln, Palliativarzt erhalten. Für die Zukunft für mich als Ehrenamtliche einen Gleichgesinnte wünsche ich mir einen Ausbau von positiven Effekt haben. treffen und Mit- Hospizeinrichtungen als große Unter- Mit diesem – zugegebenermaßen streiter haben. Diese Leidenschaf- stützung bei der Sterbebegleitung. idealisierten – Hintergrund bin ich ten haben mich ständig begleitet, Ich freue mich sehr, durch das Hospiz nach einem Tipp von Cilly Dörr (auch ob als Studentin der Politik-, Sozi- Wolfsburg bereits nach über einem Ehrenamtliche) im Hospiz Wolfs- al- und Verhaltenswissenschaft und Jahr meiner ehrenamtlichen Tätigkeit burg vorstellig geworden und – hur- Organisationspsychologie, als auch interessante Menschen kennenge- ra – sie haben mich in ihren Kreis in vorherigen Berufen, besonders in lernt zu haben und hoffe, einen klei- im Redaktionsteam des Hospizbriefes der Bildungsabteilung einer Gewerk- nen Beitrag zum Erhalt dieses Vereins aufgenommen. schaft. leisten zu können. Durch die schwere Krankheit eines Claudia Brennecke Dort kann ich das realisieren, was ich Hospizbrief Ausgabe 2/2020
10 Aus dem Hospizhaus Harte Wochen während der Shutdown-Phase: Hospiz und Corona - das passt nicht „Es sind die bislang härtesten Wochen für alle Mitarbeiter hier im Haus gewesen“, kommentiert Hospiz-Geschäftsführer Lucas Weiß die Shutdown-Phase. Monatelang haben Gäste, Angehörige und Pflegekräfte mit spürbaren Einschränkungen leben müssen. Lucas Weiß: „Corona und Hospiz - das passt nicht zusammen.“ Auch für die Pflegekräfte – hier bei der täglichen Übergabe – haben strenge Hygeniemaß nahmen gegolten. Jetzt atmet das Hospiz Wolfsburg auf und dringend brauchen“, ist die stellvertretende kommt nach den Corona-Maßnahmen wie- Geschäftsführerin Brigitte Werner dankbar. der Schritt für Schritt in die normale Hospizar- Das Hospiz hat über seine Koordinatorinnen Ich würde es beit. „Durch die Lockerungen können unsere Petra Scholz-Marxen, Petra Bachmann und sehr begrüßen, Gäste wieder mehr Besucher empfangen, die Dagmar Huhnholz während der Corona-Pha- Ehrenamtlichen sind wieder anzutreffen“, se stets den Kontakt zu den Ehrenamtlichen wenn es für alle freut sich Lucas Weiß. Die Lebensqualität im gehalten. Pflegeeinrich Hospiz steige deutlich an. Die Besuchsein- tungen einen schränkungen gelten nicht mehr und die Der Umgang mit dem Virus stellt eine beson- Angehörigen können mit den entsprechen- dere Situation dar: „Das Hospiz ist ein Zuhau- einheitlichen den Hygienemaßnahmen rund um die Uhr se, in dem die Menschen Geborgenheit, Tarifvertrag zu ihren Lieben. Gerade für die kostbaren Nähe und Sicherheit erfahren sollen. Von gäbe. Momente der Verabschiedung ist das wichtig. daher müssen wir im Einzelfall prüfen, wie wir COVID-19-Gäste bestmöglich versorgen Lucas Weiß, Geschäftsführer Gleiches gelte für die ambulante Hospizar- können. Bisher haben wir glücklicherweise beit, wo immer mehr ehrenamtliche Beglei- noch keinen positiv getesteten Gast oder Mit- tungen von Sterbenden und deren Angehö- arbeitenden gehabt“, führt Weiß aus. Nicht rigen möglich seien. „Es stärkt uns sehr, dass zuletzt durch bauliche Maßnahmen zur provi- die 170 Ehrenamtlichen auch in und nach sorischen Isolierung und ausreichend vorhan- der Krise zu uns und den Familien gehalten dene Schutzausrüstung habe sich das Hospiz haben und halten, die diese Begleitung so für die Corona-Situation gut aufgestellt. Hospizbrief Ausgabe 2/2020
11 zusammen Dr. Katrin Heine, im Vorstand zusammen mit Dr. Michael Ebert zuständig für die medizini- schen Fragen im Hospiz, ergänzt: „Schon in den vergangenen Jahren konnten Menschen mit Infektionskrankheiten im Hospiz professi- onell begleitet werden. Wir sind auf die Ver- sorgung von COVID-19-Gästen vorbereitet - es ist die ethische und hospizliche Haltung, dass auch diese Gäste ein Recht auf ein wür- devolles Sterben haben.“ Vorstand und Geschäftsführung loben das gesamte Hospiz-Team für seine leidenschaft- liche Arbeit während dieser Corona-Phase: „Alle haben mitgezogen, es ist eine großarti- ge Team-Leistung gewesen.“ Diese Leistung verdiene eine hohe Wertschätzung. Lucas Weiß würde es daher sehr begrüßen, wenn es gelänge, für alle Einrichtungen bundesweit einen einheitlichen Tarifvertrag abzuschlie- ßen: „Die Beschäftigten in den Pflegeberufen verdienen ein Gehalt, das ihre Arbeit ange- messen wertschätzt und widerspiegelt.“ Corona ist verständlicherweise am Hospiz gefehlt.“ Wir müssen die Herausforderung Jetzt gilt es auch die nicht spurlos vorüber gegangen. „Ab Mitte annehmen und den Gästen Nähe schenken „Seele“ des Hospiz Mai hatten wir einen deutlichen Belegungs- trotz Vermummung oder Abstandsregeln. wieder herzustellen. „Wir wollen für den einbruch zu verzeichnen“, sagt der Geschäfts- sterbenskranken Gast führer. Dies betraf nicht einmal die Personen- Trotzdem haben die Pflegekräfte alles getan, und seine Angehörigen zahl, sondern vielmehr die durchschnittliche um den Menschen im Hospiz Kontakte zu wieder ein Zuhause Verweildauer der Gäste. Die Menschen sind ermöglichen und ihnen eine kleine Freude zu bieten.“ wirklich erst in der allerletzten Lebensphase bereiten. So hat es Begegnungen gegeben Brigitte Werner, ins Hospiz gekommen. „An einem Wochen- zwischen Gästen, die aus dem geöffneten stellvertretende ende sind gleich acht Gäste verstorben“, erin- Fenster schauten und ihren Angehörigen, Geschäftsführerin nert Lucas Weiß sich. die auf der Straße standen. So nah und doch so fern. Die Geschäftsführung hofft, den finanziellen Willi Dörr Verlust durch den Rettungsschirm für Pfle- geeinrichtungen abmildern zu können. Ent- sprechende Anträge sind gestellt. Jetzt gilt Wir trauern um unseren es aber auch die „Seele“ des Hospiz wieder ehemaligen Mitarbeiter herzustellen. „Wir wollen für den sterbens- kranken Gast und seine Angehörigen wieder Joachim Dittfach ein Zuhause bieten“, sagt Brigitte Werner. Hospiz sei eine offene familiäre Einrichtung und keine abgeschirmte Pflegeeinrichtung. Hospitzarbeit Region Wolfsburg e. V. Werner: „Diese Nähe zum Gast hat uns allen Hospizbrief Ausgabe 2/2020
12 Aus dem Hospizhaus Begleitung und Beistand und Coronaregeln - wie geht das zusammen? Es tut so gut, die Hand zu halten Je älter und gebrechlicher ein Mensch wird, desto kleiner wird seine Welt: Die Mobilität ist eingeschränkt, die Sinneswahrnehmungen lassen nach, vieles geht langsamer oder kostet mehr Kraft. Immer mehr ist man auf die Hilfe anderer angewiesen, bzw. nutzt Hilfsmittel. Kommen Erkrankungen hinzu, dann verstärkt sich diese Situation. Ich sehe da eine deutliche Parallele zum Säug- schen und nicht diskutierbar: Der Mensch „Der Mensch ling und Kleinkind. Und so zeigt sich der Lebens- braucht körperliche Nähe, Berührung und braucht kör- lauf als ein sich schließender Kreis. Vielleicht Ansprache. Aber in der Zeit der Corona-Pan- spielen sie in Gedanken einmal die Lebenssi- demie sind wir gehalten, nur wenige Kontak- perliche Nähe, tuation eines Säuglings und eines alten Men- te zu pflegen und mit den Mitmenschen auf Berührung und schen durch, mit Schulkindern machen wir das Abstand zu bleiben. im Projekt „Hospiz kommt in die Schule“, und Ansprache. diese Vergleiche machen schnell klar, was wir Wie lässt sich das vereinbaren, gerade auch Aber in der Zeit als Begleiter im Hospiz tun. bei alten und kranken Menschen, die doch so der Corona- dringend auf Nähe und Wärme angewiesen Den Ansatz der sogenannten „Satt-Sauber- sind? Wie gehen Beistand und hospizliche Pandemie sind Pflege“ kennt man am Lebensanfang als Begleitung auf Distanz? wir gehalten, auch zum Ende der Lebenszeit. Aus der nur weni- Kleinkindpsychologie gibt es dazu einschlä- Ich habe auch in dieser schwierigen Zeit gige Forschungen. In Experimenten wurden Begleitungen gemacht. Kittel und Maske ge Kontakte Säuglinge zwar mit dem Lebensnotwendigen sind Dinge, an die ich mich vernunftbedingt zu pflegen versorgt, sie litten an keinem Mangel, wurden gewöhnt habe. Aber der Verzicht auf eine aber nach der Versorgung sich selbst über- leichte Berührung der Schulter, ein tröstendes und mit den lassen. Keine Körperkontakte, keine Zeit für Streichen über die Wange, das Halten einer Mitmenschen spielerische Nähe, keine Ansprache… es zeig- Hand …..all die möglichen Gesten, die sagen auf Abstand zu te sich sehr deutlich, dass diese Kinder unter „Du bist nicht allein, ich bin bei Dir…“ , die erheblichen Entwicklungsdefiziten litten. Sie fehlen mir doch sehr. bleiben.“ reagierten auch mit Ess,- und Schlafstörun- gen, in extremen Fällen wurde die Situation Ich gebe zu, ich habe mich das eine oder lebensbedrohlich. andere Mal über das Distanzgebot hinweg gesetzt. Ich habe gefühlt, es tut JETZT gut, Die Erkenntniss aus dieser Forschung ist wich- diese Hand zu halten. tiger Bestandteil jeder Versorgung von Men- Cilly Dörr Hospizbrief Ausgabe 2/2020
13 Sozialdienst freut sich über neue Kolleginnen Neu im Team: Nina Lüer Ich bin 38 Jahre, Sozialpädagogin im Aner- kennungsjahr und unterstütze seit August 2020 meine Kollegen hier im Hospiz im Sozi- aldienst. Eine bewusste Entscheidung für die Hospizarbeit habe ich bereits 2016 getroffen und eine Fortbildung zur ambulanten Kin- derhospizbegleiterin absolviert. Im Anschluss durfte ich wertvolle Erfahrungen in der Behin- dertenhilfe sammeln - sowohl mit Kindern und Jugendlichen als auch mit erwachsenen Nina Lüer ist geistig beeinträchtigten Männern. Beide Sozialpädagogin im Bereiche habe ich als äußerst bereichernd Anerkennungsjahr und unterstützt seit August empfunden. 2020 die Kollegen hier im Hospiz im Durch eine sehr intensive Begleitung meiner Sozialdienst. Freundin lernte ich dann 2018 das Wolfsbur- ger Hospizhaus kennen und all die liebevollen nen Blick sensibilisiert für die existenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Für diese Themen des Lebens. besondere gemeinsame Zeit bin ich immer noch sehr dankbar. Sie hat mich in meiner Schön, nun auch Teil dieses Teams zu sein! beruflichen Orientierung ermutigt und mei- Nina Lüer Neu im Team: Ingrid Rehfeldt Guten Tag, mein Name ist Ingrid Rehfeldt und ich freue mich sehr auf mein neues Wir- kungsfeld in der Arbeit als Koordinatorin im Ambulanten Hospizdienst. Denn damit keh- re ich nach zehn Jahren zurück zu meinem Herzensthema: Hospizarbeit als ein Ort der Begegnung und des Lernens. Dafür bringe ich Erfahrungen aus der Pflege im Hospiz, aus Schulungen von Ehrenamtlichen und Bil- dungs- und Leitungstätigkeit als Pflegepäd- agogin mit. Ich bin 41 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Ingrid Rehfeldt arbeitet Das Engagement und die Arbeit der Ehren- seit dem 7. September amtlichen schätze ich als ganz wesentlich. 2020 als Koordinatorin Daher bin ich neugierig gespannt auf alle im Hospizhaus. Begegnungen und das gemeinsame Kennen- lernen der uns anvertrauten Menschen und Ich freue mich ab dem 7. September Teil eures Angehörigen sowie der haupt- und ehren- Teams zu sein. amtlichen Mitarbeitenden. Ingrid Rehfeldt Hospizbrief Ausgabe 2/2020
14 Aus dem Hospizhaus Petra Scholz-Marxen wechselt in die Hospizarbeit Braunschweig Das Herz sagt: „Bleiben“ Fast zehn Jahre hat Petra Scholz-Marxen die Arbeit des Hospizvereins in Wolfsburg entscheidend mitgeprägt. Die gelernte Sozialarbeiterin hat als Koordinatorin im Sozial- dienst gearbeitet. Mit großem Engagement hat sie viele Jahre lang den Vorbereitungs- kurs zur ehrenamtlichen Sterbebegleitung organisiert. Jetzt wagt die 59-jährige einen beruflichen Neuanfang in Braunschweig. Carsten Peipe würdigt in einem persönlichen Rückblick ihre Tätigkeit in Wolfsburg. mit seinem kommenden Tod. Diese existen- zielle Frage: Muss ich Angst haben?, die er ihr gestellt hat. Er hatte keine Angst und nach ihrer Antwort fühlte er sich eher bestätigt, das er keine Angst zu haben braucht. Der Entschluss, im Hospiz mitzuwirken, ist schnell gefasst und wird zum 1. Dezember 2010 umgesetzt. Die Arbeit in der Eichen- dorffstraße hat erst wenige Jahre zuvor begonnen, hier ist man noch offen für alles und hat keine unnötigen Grenzen. Sowohl im Ich besuche Petra in ihrem Häuschen in der Haus wie auch in der ambulanten Hospizar- Nähe von Braunschweig während ihres Jah- beit bildet man eine starke Gemeinschaft. Der resurlaubs. Auch jetzt beschäftigt sie sich mit Gast ist König – und im Haus kümmern sich dem Thema Trauerarbeit, arbeitet an Konzep- alle liebevoll um die Gäste und engagieren ten die in ihrem neuen Umfeld Einsatz finden sich für die Hospizarbeit. Im Mittelpunkt steht sollen. das Team. Die eigene Selbstfürsorge wahr- zunehmen und danach zu handeln, das war Die Petra von der Hospizarbeit: Schnell erzählt ihr ein Anliegen. Bei den Hauptamtlichen wie – aber ich glaube, sie hat vieles für sich behal- auch bei den Ehrenamtlichen. ten. Schon als sie von ihren zwei Hausgebur- ten erzählt, ist ihr glücklicher Gesichtsaus- In den letzten vier Jahren kommt die zweite Petra Scholz-Marxen druck da, den wir alle von unserer Zusam- Petra (Bachmann) als Koordinatorin unter- verlässt nach fast zehn menarbeit her kennen. stützend dazu. Schnell findet jede ihren Jahren die Hospizarbeit Bereich, eine tolle Zusammenarbeit beginnt. in Wolfsburg. Die Die Stationen ihrer bisherigen beruflichen Ihr besonderer Dank gilt Brigitte Werner, ihrer Geschäftsführer Lucas Weiß und Brigitte Laufbahn haben sie zu dem geführt, was sie Mentorin der ersten Stunde. Brigitte und die Werner bedanken sich heute bewegt. Sie übt keinen Beruf aus – sie beiden Petras haben sich stets wunderbar zu ihrem Abschied. hat die Berufung Hospizarbeit. Nach 16 Jah- ergänzt. Gern denkt Petra Scholz-Marxen an Leider lässt Corona ren zuhause für die Kinder ist sie 4 Jahre in die vielen Teilnehmer zurück, die sie in ihren aktuell keine würdige einem Pflegeheim als Sozialarbeiterin tätig. Kursen ausbilden durfte. Veranschiedung zu. Dann eine eintägige Hospitation bei der Hos- pizarbeit Wolfsburg, begleitet durch Brigitte Ich weiß, dass Petra sehr glücklich mit ihrer Werner. Unter anderem hat sie hier bei einem Arbeit in Wolfsburg gewesen ist. Ich weiß Hausbesuch die Gefühle eines Herren miter- aber auch, dass sie immer wieder neue Her- lebt. Es war nicht die Angst vorm Sterben, ausforderungen sucht. Wie z.B. das Projekt sondern die Auseinandersetzung des Herren mit den 120 ausgeblasenen Ostereiern, die Hospizbrief Ausgabe 2/2020
15 wir gemeinsam bemalt haben und an Birken- zweigen aufgehängt in der Wohndiele als Augenschmaus genießen konnten. Mit der Stelle als Koordinatorin und Geschäftsfüh- rerin in der ambulanten Hospizarbeit Braun- schweig hat sie eine größere Herausforderung angenommen. Eigentlich wäre sie gern Hebamme gewor- den, „Jetzt stehe ich beruflich an der anderen Seite des Lebens“, beschreibt Petra Scholz- Marxen ihre berufliche Tätigkeit. Wir wünschen ihr viel Erfolg dabei und hof- Petra - immer freund- Hier kann sie ihr Motto „Liebe, Arbeit und fen, dass wir uns nicht aus den Augen ver- lich im Umgang mit Wissen sind die Quellen unseres Lebens“ lieren. Menschen. erneut mit vielen neuen Eindrücken füllen. Carsten Peipe Hochzeit im Hospiz Festliche Stimmung im Hospizhaus: Unter den Klängen von „Lass es Liebe sein“ der Ber- liner Band Rosenstolz feiern Nadine und Frank Hochzeit. Beide haben sich 2015 kennen gelernt und hatten ihre Hochzeit für das kommende Jahr geplant. Nadines plötzliche Krankheit durchkreuzt diese Pläne. So entscheiden sie sich für eine Trauung im Hospiz. Das Hospiz-Team hat alles würdevoll und liebevoll vorbereitet. Das Paar selbst kleidet sich dem Anlass entsprechend: sie im weißen Kleid, er im schwarzen Anzug. Die Trauungs-Zeremonie wird im engsten Familienkreis durchgeführt. Im Innenhof des Hospizes findet dann die Hochzeitsfeier statt. Eine Zwei-Mann-Band unterhält die Hoch- zeitsgäste. Und dann hat Frank noch eine ganz beson- dere Überraschung für seine Braut: Es kommt ein originaler T1 Samba-Bus (Baujahr 1962) aus dem Wolfsburger Automuseum vorge- fahren. „Der Bulli war schon immer Nadines Traumauto“, erklärt Frank. Ein paar Tage später die nächste Überra- schung: Nadine und Frank machten mit dem T1 Samba-Bus einen Ausflug rund um den Allersee – unter Begleitung der Polizei. Hospizbrief Ausgabe 2/2020
16 Aus dem Hospizverein 25 Jahre Hospiz in Wolfsburg Eine Idee hat Flügel bekommen … Am Anfang steht eine Handvoll engagierter Menschen mit einer kühnen Idee. Heute ist das Hospiz in Wolfsburg mit seiner ambulanten und stationären Pflege und seinem Palliativ-Netzwerk eine allseits geschätzte Institution. In 25 Jahren hat eine Idee Flügel bekommen. Ein kurzer Rückblick durch die Geschichte der Hospiz-Bewegung in Wolfs- burg. März 1996 Der Verein startet mit Sterbe- und Trauerbegleitung zuhause. Mitte 1996 Ausbildung von ehrenamtlichen Mitarbeiter/-innen in Wochenendkur- sen für patientennahe Begleitungs- und patientenferne Vereinsarbeit. Eintritt der Hospizarbeit e.V. Region Wolfsburg in die Landesarbeitsge- meinschaft Hospiz Niedersachsen und damit zugleich in die Bundesarbeits- eines stationären Hospizes für Wolfs- Anfang 1994 gemeinschaft. burg zu ermitteln, eine mögliche Trä- Auf Initiative von Pfarrer Peter Herbst gerschaft abzuklären und die Umset- und Pastor Wilfried Lehmann beschäf- Januar 1999 zung der Idee in konkrete Planungen tigen sich ein paar Wolfsburger Bürge- Verstärkung der Trauereinzelbeglei- überzuleiten. rinnen und Bürger mit der Hospizidee. tungen und Angebot einer Trauer- Der Initiativkreis trifft sich monatlich gruppe. Februar 2003 in der St. Bernward Kirchengemeinde. Anstellung einer Bürokraft. Der Initiativkreis "Ein Hospizhaus für Es entsteht der Wunsch, eine Hospiz- Wolfsburg" knüpft Kontakt zum Ver- gruppe zu gründen. November 2000 ein Hospizarbeit, um eine mögliche Der Verein feiert sein 5-jähriges Jubilä- Trägerschaft abzuklären. 9. November 1995 um mit einer Vortragsreihe und einem 80 Mitglieder gründen den Verein selbst erarbeiteten Kabarett. Der Titel: 14. Mai 2003 „Hospizarbeit Region Wolfsburg e.V.“ Zum Totlachen. In einer außerordentlichen Mitglie- Erster Vorsitzender wird Pastor Wil- derversammlung des Hospizarbeit fried Lehmann. Mitte 2002 e.V. beschließen die anwesenden Mit- Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe glieder die Annahme der Trägerschaft 1995 in Wolfsburg im Bereich betreutes für ein Hospizhaus in Wolfsburg und Eine kleine Wohnung im Gemeinde- Wohnen. Schulung und Unterstüt- eine neue Vereinssatzung. Es wird haus der Pauluskirche wird Anlaufstel- zung in der Sterbebegleitung werden der Vorstand neu gewählt, der an der le des neuen Vereins. Ein regelmäßiger vereinbart. Gesamtkonzeption: „Ein Hospizhaus Telefondienst wird eingerichtet. Die für Wolfsburg“ arbeitet. Hospizarbeit bekommt sein Marken- September 2002 zeichen: Ein Logo mit dem Motto Zum ersten Mal trifft sich der Initiativ- Juni 2003 „Dem Sterben ein Zuhause geben“. kreis "Ein Hospizhaus für Wolfsburg". Prof. h. c. Karl-Heinz Briam über- Das Markenzeichen wird mit einer Rosely Plumhoff führt im Bauhof Inte- nimmt die Schirmherrschaft für das Taube versehen. ressierte zusammen, um den Bedarf Hospizhaus. Hospizbrief Ausgabe 2/2020
17 Ein paar Fotos aus der wechselvollen Geschichte des Hospizvereins. Herbst 2003 Oktober 2004 15. März 2005 Das erste Leitbild wird erarbeitet. Übernahme des Gebäudes in der Die Umbauphase wird mit einer Beginn einer Spendenkampagne. Es Eichendorffstraße 7 - 8, Bauvorbe- Staubfete für die Handwerker abge- müssen mindestens 400.000 Euro an reitungen werden getroffen, die schlossen. Die Möblierung der Räu- Spenden-/Fördergeldern gesammelt Umbaugenehmigung erteilt. me beginnt. Wolfsburger Künstler/ werden. innen engagieren sich unentgeltlich. Ende November 2004 Sie gestalten Räume und öffentliche 28. November 2003 Baubeginn in der Eichendorffstraße. Bereiche des Hauses mit Bildern und Bekanntgabe, dass das Hospizhaus Ziel der Fertigstellung: 15. März 2005. Plastiken. in der Eichendorffstraße ein Zuhause finden kann. Januar/Februar 2005 22. März 2005 Aufbau der Netzwerkarbeit. Kontak- Die ersten zwei Gäste werden aufge- Mai 2004 te zu niedergelassenen Ärzten, Klini- nommen. Der Vorstand und die Mitgliederver- kum, Einrichtungen des Gesundheits- sammlung treffen die Entscheidung, wesens und Kirchen. Ziel ist es, die 27. April 2005 dass die Liegenschaft erworben und Hospizbewegung im Raum Wolfsburg Offizielle Eröffnung des Hospizhau- zu einem Hospizhaus umgebaut wer- mit einer stationären Einrichtung zu ses mit geladenen Gästen, die den den soll. etablieren. Die dringende Notwendig- Bau des Hauses besonders gefördert keit dieser Einrichtung wird mit einer haben. Juli 2004 Umfrageaktion bestätigt. Abschluss des Kaufvertrages mit der 5. November 2005 AOK. Das räumliche Konzept, die Februar/März 2005 10-jähriges Vereinsjubiläum. Eine Gestaltungs- und Einrichtungsmög- Verhandlungen mit den Krankenkas- Jubiläumsschrift - mit gleichzeitiger lichkeiten werden entwickelt. Gleich- sen über die Tagesbedarfsätze. Darstellung des Hospizhauses und zeitig beginnt die Personalsuche. Die ersten Hauptamtlichen werden seiner konzeptionellen Arbeit - wird eingestellt. herausgegeben. Hospizbrief Ausgabe 2/2020
18 Aus dem Hospizverein Wilfried Lehmann, Gründungsmitglied des Hospizvereins: „Das konnten wir nur gemeinsam sch „Zweck des Vereins ist die Begleitung pflegebedürftiger, schwerkranker, sterbender und trauernder Menschen vorwiegend in ihrer häuslichen Umgebung“, so steht es in der Gründungssatzung des Hospizvereins vom 9. November 1995. 25 Jahre ist es her, dass diese Zeilen niedergeschrieben worden sind, sie bestimmen bis heute die Hospizarbeit in Wolfsburg und der Region. Zum 1. Vorsitzenden wählen die Gündungsmitglieder damals Pastor Wilfried Lehmann. 12 Jahre lang - bis 2007 - bleibt er in diesem Amt. Aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums blickt Wilfried Lehmann auf die Entstehungsgeschich- te des Vereins zurück. merkt er: In den Kliniken wird das Sterben weitgehend tabuisiert und isoliert, der Tod verheimlicht. Eine Begleitung der Sterbenden findet nicht statt. „Diese Erfahrungen machten mir sehr zu schaf- fen“, erinnert Wilfried Lehmann sich. Gemein- sam mit Pastor Herbst aus der Nordstadt ver- folgt er daher bereits Anfang 1994 den Hos- pizgedanken, damals noch in Braunschweig. „Wir dürfen die Sterbenden und ihre Familie in dieser schweren Zeit nicht alleine lassen“, so sein Anliegen. In den Schriften von Cicely Saunders findet er Unterstützung. Sie gilt als Gründerin der Hospizbewegung, der Palliativ Schlüsselübergabe für Seine erste Pfarrstelle tritt der gelernte Mau- Care und ist Pionierin der Palliativmedizin. das neue Hospizhaus rer nach erfolgreichem Studium im Jahr 1972 im ehemaliven AOK- in Otterndorf an. 1978 wechselt er als Kran- Wilfried Lehmann findet mit seiner Idee auch Gebäude: Rosely kenhausseelsorger nach Goslar / Bad Harz- in Wolfsburg Gleichgesinnte. Ungefähr 12 Plumhoff und Wilfried Lehmann freuen sich burg, ein paar Jahre später in gleicher Funk- bis 15 Interessierte sind es damals, die sich gemeinsam mit dem tion an das Klinikum Wolfsburg. Dort lernt er über die hospizliche Arbeit austauschen. damaligen AOK- hautnah die Intensivmedizin kennen. Schnell Monatlich trifft sich die kleine Gruppe und Geschäftsführer. 2005 13. August 2007 die Uhr mit kompetenten Mitarbei- Im ersten Jahr können bereits 91 Gäs- Im Wolfsburger Palliativ-Netzwerk hat tern erreichbar. te im Hospizhaus versorgt werden. sich eine interdisziplinäre Gruppe aus Fachleuten (Palliativmediziner, Pflege- Sommer 2007 28. September 2006 dienste, Krankhaus, Apotheken, Seel- Rosely Plumhoff initiiert ein Projekt Gründungstreffen für ein Palliativ- sorgern und Hospizverein) gebildet. für trauernde Kinder. Es bildet sich Netzwerk in Wolfsburg. Teilnehmer: Sie analysieren und organisieren für ein interdisziplinärer Arbeitskreis von Hospizhaus, Klinikum, Stadt Wolfs- Wolfsburg Möglichkeiten der ambu- Teilnehmern aus dem Hospizhaus, burg, Krankenkassen, Kirchen, Ärzte. lanten Betreuung und Begleitung in Kinderklinik, Erziehungsberatung, Kir- Krisensituationen. Über eine Notfall- chen, Kinder- und Jugendpsychiatern. nummer ist dieses Netzwerk rund um Hospizbrief Ausgabe 2/2020
19 pizler der ersten Stunde ganz viel Zeit, Kraft und Engagement in diese Aufgabe investiert haffen“ haben“, lobt Wilfried. 2003 wird das Leitmotto des Vereins „Dem Sterben ein Zuhause geben“ mit neuem entwickelt Pläne und Konzepte, sie führen Leben erfüllt. Es entsteht mit vielen Gleichge- viele Gespräche mit Betroffenen, Ärzten und sinnten die „Initiative Hospizhaus“. Wilfried Pflegediensten. Damals schon dabei: Rosita Lehmann plädiert schon früh dafür, dass der Wolf-Doettinchen und Lucie Schirren. Hospizverein die Trägerschaft übernimmt: „Ich wollte keine Abhängigkeit von Trägern Wilfried und seinen Mitstreitern ist klar: wie der Caritas, der Diakonie oder anderen „Wenn wir das richtig anpacken wollen, Institutionen.“ sterbende Menschen und ihre Angehörigen begleiten, Schulungen anbieten und die Am 15. Oktober 2005 zieht dann der Verein Öffentlichkeit informieren, dann müssen wir dank viel persönlichem Engagement in das uns organisieren.“ So wird am 9. Novem- neue Haus - mit einer Rücklage von 30.000 ber1995 der Verein „Hospizarbeit Region Euro, Spenden, Mitgliedsbeiträgen und dem Wolfsburg e.V.“ gegründet. Bereits damals damals noch nicht ausgereiften Krankenkas- legt der als 1. Vorsitzende frisch gewählte sensystem. „Wir wussten alle um die große Wilfried Lehmann sehr großen Wert darauf, Herausforderung und das Wagnis, das wir auf dass der Vereinsname immer mit dem Zusatz uns genommen haben“, sagt Wilfried. Doch „Dem Sterben ein Zuhause geben“ genannt das ganze Hospiz-Team hat unerschütterlich „Es ist uns gelun- wird. mitgezogen. Durch viel Klinkenputzen gelingt gen, die Themen es, einen Betrag in Millionenhöhe aufzubrin- Sterben und Schon am 2. Februar 1996 kann das erste gen, um das Haus zu sanieren und hospizge- Büro in der St. Paulus Gemeinde bezogen recht zu gestalten. Wilfried Lehmann erwähnt Trauer wieder werden. „Es besteht aus zwei Räumen und in diesem Zusammenhang insbesondere in die Mitte der einer Toilette“, wie sich Wilfried Lehmann Rosely Plumhoff als unermüdliche Motivatorin Gesellschaft zu erinnert. In vielen kleinen Schritten wer- und Hermann Prietzsch als hoch kompeten- den gebrauchte Möbel besorgt, die ersten ten Schatzmeister. Aber er sagt auch: „Alle holen.“ Schulungen für Ehrenamtliche angeboten. gemeinsam haben wir das geschafft.“ Wilfired Lehmann Ab 1996 begleiten Hospiz-Mitarbeiter auch Sterbenskranke ambulant. Die gute Resonanz Wenn Wilfried Lehmann heute auf die 25-jäh- und viel Mundpropaganda macht die Hospiz- rige Hospiz-Geschichte in Wolfsburg zurück- arbeit in Wolfsburg schnell bekannt. Im März blickt, dann empfindet er ein Stück Genug- 1999 kann die erste Teilzeitkraft (Dagmar tuung: „Es ist uns gelungen, die Themen Schnabel) eingestellt, und somit regelmäßi- Sterben und Trauer wieder in die Mitte der ge Büroöffnungszeiten angeboten werden. Gesellschaft zu holen.“ „Alles geht nur so rasant voran, weil die Hos- Carsten Peipe / Willi Dörr 1. Oktober 2008 7. März 2009 Eröffnung des umgestalteten Gartens Das Projekt „Trostinsel“ nimmt seine Für ihr Engagement in der Hospizar- in der Eichendorffstraße. Arbeit auf. Eine 1/2 Stelle für eine beit erhält Rosely Plumhoff in Hanno- Sozialpädagogin wird durch Spenden ver das Bundesverdienstkreuz. 2009 ermöglicht. Der Hospiz-Verein übernimmt die Trä- 1. Juli 2009 gerschaft des Palliativ-Netzwerkes in 16. Januar 2009 Mit Lucas Weiß wird erstmals ein Wolfsburg. Das Projekt „Trostinsel“ wird mit hauptamtlicher Geschäftsführer ein- dem Niedersächsischen Krebspreis gestellt. 2011 geehrt. Erwerb des Nachbarhauses Eichen- 21. August 2009 dorffstr. 9. Hospizbrief Ausgabe 2/2020
Sie können auch lesen