E-Fuels sind unverzichtbar - UNITI Bundesverband ...
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1—2019 2,50 EUR Klimaschutz mit Augenmaß? EU-Klimakommissar Cañete und seine Pläne für die Energiewende Praktischer Klimaschutz Clevere Unternehmen recyceln Kohlendioxid E-Fuels sind unverzichtbar STAATSSEKRETÄR THOMAS BAREISS ÜBER DIE ENORMEN CHANCEN SYNTHETISCHER KRAFT- UND BRENNSTOFFE
„Auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft soll der Lebensalltag der Bürger nicht teurer und komplizierter werden.“ Foto: Glowimages/Getty Images
Gelbwesten in Gallien Udo Weber, Vorstandsvorsitzender von UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralöl- unternehmen e.V. IHRE MEINUNG „Gelbwesten“ – ein Begriff, der im Deut und Gelbwesten auf die Straßen gehen, schen bisher unbekannt war. Doch seit zum Beispiel in Stuttgart, Deutschlands IST UNS Oktober letzten Jahres kennt ihn jeder, Automobilhauptstadt. Das Signal an die WICHTIG! der die Nachrichten aus unserem franzö Politik: Auf dem Weg in eine klimaneut sischen Nachbarland verfolgt. Lauthals rale Zukunft von Wirtschaft und Gesell SCHREIBEN SIE UNS – demonstrieren und protestieren in Paris schaft sollen die Anliegen der Bürger Ob Anregung, Kritik oder und anderen Großstädten Galliens Bürger ernst genommen werden, ihr Lebens Themenidee – wir haben ein in gelben Warnwesten vor allem und zu alltag soll nicht teurer und komplizierter offenes Ohr für Sie. E-Mail an vorderst gegen Macrons Pläne, die Ener werden. Zum Beispiel auch, indem einfa info@uniti.de giewende über eine höhere Besteuerung che Lösungen gefunden werden, mit de fossiler Kraftstoffe zu finanzieren. Mac nen sich Fahrzeuge und technische Gerä ron hat reagiert und die geplanten Steuer te – Stichwort Heizung – in gewohnter erhöhungen erst einmal ausgesetzt. Weise weiterverwenden lassen. Und Deutschland? Auch hier dro Aber gibt es denn eine Lösung jen hen angesichts der Energiewende stei seits der vollständigen Elektrifizierung? gende Energiepreise. Mehr noch: Werden Ich meine, ja – mit EFuels: Die klima Titelbild: Stefan Boness/Ipon; Foto: UNITI/Bernhart Link die Klimaschutzpläne der Bundesregie neutralen flüssigen Kraft und Brennstof rung und der Europäischen Union umge fe sind leicht in der Handhabung und so setzt, stehen ganze Wirtschaftszweige auf praktisch in der Anwendung wie fossile dem Spiel: Eine von Deutschlands Flüssigenergieträger, überdies versor Schlüsselindustrien – die Automobil gungssicher und dabei mittelfristig be bauer samt Zulieferern – träfe es dabei zahlbar. So blieben nicht nur eine von durch eine vollständige Umstellung des Deutschlands Schlüsselindustrien und energie + Mittelstand gibt es ab sofort Kraftverkehrs auf Elektromobilität be damit Hunderttausende von Arbeitsplät auch in digitaler Form. Auf der Website sonders hart. Das über Jahrzehnte ange zen erhalten, sondern es entstünden auch www.energieundmittelstand.de finden Sie sammelte Ingenieurswissen wäre wertlos, zusätzliche Jobs. Die Politik darf also alle Inhalte unseres Magazins ansprechend aufbereitet für Notebook-, Hunderttausende Arbeitsplätze wären gern auf die GelbwestenProteste in Tablet- oder Smartphone-Nutzer. bedroht. Kein Wunder, dass sich nun Deutschland reagieren – mit der Markt Klicken Sie doch einfach mal rein! auch hierzulande erste Proteste regen einführung von EFuels. 1—2019 3
inhalt 12 „Große Chancen“ Carsten Rolle vom Weltenergierat – Deutschland hält E-Fuels für einen wichtigen 6 Baustein der Energiewende. Schwerpunkt Gefahr für den Wirtschaftsstandort 24 Deutschland Mit CO₂ Geld verdienen Clevere Unternehmen wie etwa Die EU-Kommission plant eine Verschärfung der Climeworks oder Gensoric saugen Grenzwerte für Neuwagen bis 2030. Die deutsche Kohlendioxid aus der Luft und Wirtschaft ist bedroht. Dabei wäre eine recyceln das Gas – und bremsen nebenbei den Klimawandel. verträgliche Klimapolitik machbar. 5 . Hingeguckt Eingeschränkte Mobilität Mit dem Elektroauto im Stau 6 . Schwerpunkt Klimaschutz mit Augenmaß Die EU-Kommission und die CO2-Neutralität 12 . Interview Carsten Rolle, Weltenergierat Roadmap für den Aufbau globaler E-Fuels-Märkte 14 . Zur Sache PtX-Studie Weltweiter E-Fuels-Bedarf von 20.000 Terawatt 16 . Interview BMWi-Staatssekretär Thomas Bareiß „E-Fuels – Bausteine der Energiewende“ 18 . Zur Sache Vision 2050 Europas Raffinerien sichern den Klimaschutz Fotos: Christoph Busse/BMW AG, www.rolandhorn.de, Climeworks/Julia Dunlop 20 . Interview Siemens-Ingenieur Alexander Tremel E-Fuels-Produktion: ein Euro pro Liter 22 . Kompakt Straßenstrich für den Klimawandel Neues aus der Welt der Energie 23 . Klartext Die Energie-Kolumne Henning Krumrey über Verteilungsgerechtigkeit 24 . Report Blick in die Forschung Clevere Unternehmer recyceln Kohlendioxid 27 60 Sekunden über … Fliegen mit Batterieantrieb Wo die Physik an ihre Grenzen kommt IMPRESSUM HERAUSGEBER UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e.V., Jägerstraße 6, 10117 Berlin, Elmar Kühn (V. i. S. d. P.) REDAKTIONSBEIRAT Elmar Kühn, Dirk Arne Kuhrt, Dr. Robert Borsch, Annika Metze, Heiko Reckert CHEFREDAKTEUR Florian Flicke REDAKTIONSLEITUNG Gerhard Walter REDAKTION Wolfgang Kempkens, Kristina Simons, Siegfried Wagner ART DIREKTION Periodical.de BILD REDAKTION Karin Aneser VERLAG UND REDAKTIONSANSCHRIFT planet c GmbH, ein Unternehmen der HANDELSBLATT Media Group, Toulouser Allee 27, 40211 Düsseldorf, Tel. 0211/54227-700, Fax 0211/54227-722, www.planetc.co VERLAGSGESCHÄFTS FÜHRUNG Andrea Wasmuth (Vorsitzende), Thorsten Giersch, Jan Leiskau PROJEKTLEITUNG Jana Teimann ANZEIGENLEITUNG Dr. Robert Borsch, Tel. 030/755414-416 DRUCK Strube Druck & Medien OHG, 34587 Felsberg LITHO TiMe GmbH ADRESS ÄNDERUNGEN Dr. Robert Borsch, Tel. 030/755414-416, Fax 030/755414-366 ISSN 2195-4445 Der Inhalt der Beiträge gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder. Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Änderungen behalten wir uns vor. 4
hingeguckt Aufgestaut Stellen Sie sich vor, es gibt einen unerwarteten Wintereinbruch. Selbst die Räumdienste kommen nicht mehr auf die verschneiten Autobahnen und Sie sind mit Ihrem Elektroauto stundenlang und sogar über Nacht gefangen im Schnee-Stau-Gestöber. Klar, Sie sitzen komfortabel im elektrischen Schlitten. Die Heizung summt, die Sitzheizung ver- wöhnt. Doch nach wenigen Stunden wird es ungemütlich. Anders als ein vollgetanktes Fahrzeug mit Diesel- oder Benzinmotor geht ein Foto: Andre März/dpa/picture alliance Fahrzeug mit Batterie unter Hochlast und bei Minusgraden vermutlich schnell in die Knie. Dann wird es nicht nur bitterkalt. Auch eine fast unlösbare Aufgabe muss bewältigt werden: Wer bekommt all die liegen- gebliebenen E-Fahrzeuge wieder flott oder schleppt sie ab? Über- zeichnet? Vielleicht. Dystopie? Keineswegs! Das Bild stammt übrigens aus dem Winter 2018/2019 … 1—2019 5
schwerpunkt Klimapolitik T E X T Siegfried Wagner Die EU will die Grenzwerte für Neuwagen bis zum Jahr 2030 noch stärker senken als bisher geplant. Autos könnten wegen der aufwendigen Technik für viele Menschen kaum bezahlbar werden, mehr als 100.000 Jobs könnten gefährdet sein. Dabei wäre eine wirkungsvolle und volkswirtschaftlich verträgliche Klimapolitik durchaus machbar. Klimaschutz mit Foto: Günter Schmied/BMW AG 6 Augenmaß
Klimapolitik schwerpunkt D ie EU wird den Klimaschutz in Europa in den kommenden Jah- ren spürbar vorantreiben. Und der Ver- kehrssektor soll dabei eine zentrale Rolle spielen: Vertreter der EU-Kom- mission, des EU-Parlaments und des Rates der EU haben sich in Gesprächen kurz vor Weihnachten 2018 auf Vor- schläge für deutlich schärfere CO2- Grenzwerte neuer Autos bis zum Jahr 2030 geeinigt. Neuwagen sollen dann 37,5 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen als 2021, Zwischenziel ist ein Minus von 15 Prozent bis zum Jahr 2025. Ursprünglich sollten die Grenz- werte zwar stark sinken, aber nicht ganz so extrem wie nun angekündigt. Experten kritisieren die Vorschläge ungewohnt deutlich: „Niemand weiß heute, wie die beschlossenen Grenz- werte in der vorgegebenen Zeit erreicht werden können“, sagt Bernhard Mattes, Präsident des Verbands der Automobil- industrie (VDA). Derzeit fahren auf Europas Stra- ßen 257 Millionen Pkw, knapp sechs Prozent mehr als fünf Jahre zuvor, mel- det der Europäische Automobilherstel- lerverband ACEA. Angesichts des Wachstums ist klar, dass Neuwagen in Zukunft deutlich effizienter fahren Innovativ Schon heute gehört müssen, damit Europa seinen Beitrag die deutsche Automobil- zur global angestrebten CO2-Reduktion industrie zu den leisten kann. Allerdings wird das Welt- Vorreitern im klima kaum an Europa allein genesen: Klimaschutz und bei der Weltweit sind bereits heute mehr als CO2-Reduktion. eine Milliarde Autos zugelassen. Am stärksten wachsen die Automärkte in Asien; China liegt mit mehr als 20 Mil- lionen Neuzulassungen pro Jahr klar an der Spitze. Und dort sind die CO2-Vor- gaben deutlich laxer, ebenso auf ande- ren Märkten. Das hat nicht nur Konse- quenzen fürs Klima, sondern auch für den hart umkämpften globalen Wettbe- werb in der Automobilbranche: „Es gibt in keinem anderen Teil der Welt ver- gleichbar scharfe CO2-Ziele“, kritisiert VDA-Präsident Mattes. „Damit wird die europäische Automobilindustrie im in- ternationalen Wettbewerb stark belas- tet.“ Das schwäche den Industriestand- ort Europa und gefährde Arbeits- 1—2019 7
schwerpunkt Klimapolitik plätze. „Klimaziele sind nur dann 36,5 Prozent ziemlich genau doppelt so bar und wurde von der Industrie mitge- wirksam, wenn sie erfüllbar sind“, sagt hoch. „Somit ist fraglich, warum der tragen. „Mit diesem Ambitionsniveau Bernhard Mattes. CO2-Ausstoß ausgerechnet beim techno- hätten die Klimaziele der EU sicher und Experten kritisieren zudem, dass logisch bereits hoch entwickelten und auf volkswirtschaftlich effiziente Weise ausgerechnet der Verkehrssektor derart entsprechend aufwendig weiterzuentwi- erreicht werden können“, sagt Mattes. hoch ambitionierte Einsparziele errei- ckelnden Automobil derart radikal redu- Anfang Oktober hatten die EU-Staaten chen muss. Denn der Anteil des Ver- ziert werden soll“, sagt Jörg Wellnitz, das Einsparziel zunächst auf 35 Prozent kehrs am CO2-Ausstoß liegt in Deutsch- Professor an der Technischen Hochschu- erhöht und es nun in den sogenannten land laut Umweltbundesamt gerade ein- le Ingolstadt und Experte für Fahrzeug- Trilog-Gesprächen mit dem EU-Parla- mal bei 18,3 Prozent. Der Hebel zum entwicklung. Die Bundesregierung und ment noch einmal angehoben. Senken des CO2-Ausstoßes ist entspre- die EU-Kommission hatten ursprünglich chend überschaubar. Zum Vergleich: Der ein Einsparziel von 30 Prozent ausgege- Neuwagen-CO2-Ziele mit Anteil der Energiewirtschaft liegt mit ben. Das schien ambitioniert, aber mach- weitreichenden Folgen Die derart verschärften Klimaziele könnten dramatische Folgen für die ENTWICKLUNG DES VERKEHRS deutsche Automobilindustrie und weit IN DEUTSCHLAND BIS 2030 darüber hinaus für die ganze Volkswirt- schaft haben. Denn die scheinbar kleine Personenverkehr in Personenkilometern Anpassung von 7,5 Prozentpunkten be- deutet nicht weniger als einen Paradig- + 10 % menwechsel und eine Umsteuerung der Wirtschaft in Richtung batterieelektri- sche Mobilität innerhalb kürzester Zeit. VW-Vorstandschef Herbert Diess + 65 % suchte unmittelbar nach Bekanntwerden der Zahlen die Öffentlichkeit und fragte, ob sich die Politik über die Auswirkun- gen ihrer Entscheidungen im Klaren sei. Güterverkehr in Tonnenkilometern Man könne die Grenzwerte zwar einhal- ten, müsse dafür aber einen Absatzanteil von 40 Prozent Elektroautos erreichen. + 39 % Faktisch bedeuten die angestrebten + 23 % Foto: imago/photothek/Thomas Koehler; Icons made by Freepik from www.flaticon.com 2010 2030 KLIMASCHUTZPOLITIK IM AUTOVERKEHR Weltweite Grenzwerte ausgewählter Länder und der EU „Niemand weiß 121 g 117 g heute, wie die 105 g 95 g beschlossenen 60 g Grenzwerte in der 5,2 l 5,0 l 4,5 l 3,8 l vorgegebenen Zeit Zielwert 2,4 l 2030 erreicht werden können.“ Bernhard Mattes, Quellen: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, VDA Präsident des Verbands der Automobilindustrie 8
schwerpunkt logien und Kraftstoffen vor. Diese Ziele können durch die Kombination einer ver- besserten Kraftstoffeffizienz und eines erhöhten Absatzes emissionsfreier oder emissionsarmer Fahrzeuge erreicht wer- den. Die Hersteller können entscheiden, ob sie mehr in Kraftstoffeffizienz von konventionellen Fahrzeugen oder in emissionsfreie und emissionsarme Fahr- zeuge investieren wollen. Was emissions- freie und emissionsarme Fahrzeuge betrifft, bleibt es den Herstellern überlas- sen, zu entscheiden, ob sie sich mehr auf rein batterieelektrische Fahrzeuge, Hyb- ridfahrzeuge oder Brennstoffzellenfahr- „E-FUELS KÖNNEN AN zeuge konzentrieren wollen. ? Wie bewerten Sie den drohenden BEDEUTUNG GEWINNEN“ Verlust von Arbeitsplätzen im Zuge einer Abkehr von Verbrennungsmoto- ren? Es ist bekannt, dass der Über- gang für einige Sektoren und Regionen I N T E R V I E W Gerhard Walter schwierig sein kann. In Sektoren wie Stahl, Zement, Chemie sowie auch Fahr- EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete erklärt, warum zeugherstellung wird es eine Verlagerung hin zu neuen Produktionsprozessen mit E-Kraftstoffe aus regenerativer Stromerzeugung eine neuen geforderten Fähigkeiten geben. wichtige Rolle beim Klimaschutz spielen können – und sich die EU-Politik nicht nur auf E-Mobilität konzentriert. ? Sind Ihnen die Beschäftigungspers- pektiven bekannt, die E-Kraftstoffe nicht nur in Europa, sondern auch in Entwicklungsländern bieten können? Herr Cañete, die Klimastrate- bonisierung des Strommixes an Bedeu- Die Produktion von erneuerbarer gie der Europäischen Kommission zielt tung gewinnen. Die wichtigste Rolle wer- Energie bietet umfassende Möglichkeiten darauf ab, die Treibhausgasemissionen den E-Kraftstoffe erwartungsgemäß in für „grünes Wachstum“ und die Steige- in der EU bis 2050 auf null zu senken. der Luftfahrt, im Seeverkehr und im rung der Beschäftigung in Europa. Ge- Inwiefern trägt die Nutzung von syn- Schwerlastverkehr spielen, wo die Alter- genwärtig sind über 90 Prozent des Ver- thetischen Kraftstoffen dazu bei, dass nativen zu herkömmlichen Kraftstoffen kehrs auf Erdöl angewiesen, der Großteil dieses Ziel erreicht wird? Die eher beschränkt sind. davon wird aus Drittländern importiert. Verringerung der Emissionen aus dem Unsere Ölrechnung beträgt nahezu eine Verkehrssektor erfordert eine umfassen- ? Inwieweit sind die europäischen Milliarde Euro pro Tag. Diese Importe de Kombination von Maßnahmen, um Autohersteller und ihre Schlüsselin- durch im Inland erzeugte Energie zu er- die Energieeffizienz von Fahrzeugen und dustrien – wenn man sich nur auf bat- setzen, stellt eine wichtige Möglichkeit Foto: European Union/Irek Dorozanski des Gesamtverkehrssystems zu verbes- teriebasierte Elektromobilität konzen- dar, unsere eigene Wirtschaft zu beleben. sern und zu emissionsärmeren und emis- triert – und die Zukunftsfähigkeit von Dies gilt für Regenerativstrom, E-Kraft- sionsfreien Kraftstoffen und Fahrzeugen E-Kraftstoffen zu wenig berücksich- stoffe und andere alternative Kraftstoffe. überzugehen. In diesem Repertoire an tigt? Die EU-Politik konzentriert In diesem Kontext wird die spezifische Maßnahmen können E-Kraftstoffe aus sich nicht nur auf batteriebasierte Elekt- Rolle von E-Kraftstoffen im Vergleich zu regenerativer und emissionsfreier Strom- romobilität. Die Standards für CO2- anderen Formen der Alternativenergie erzeugung eine wesentliche Rolle spielen. Emissionen gelten für die gesamte Flotte von der Technologieentwicklung, der Da deren Produktion energieintensiv ist, jedes Fahrzeugherstellers, sie schreiben Integration ins Stromnetz und den Kos- könnten E-Kraftstoffe bei einer Entkar- nicht die Nutzung von speziellen Techno- ten abhängen. 1—2019 9
schwerpunkt Klimapolitik Grenzwerte damit die Einführung einer Akkus. „Bis der Akku eines Tesla produ- kaum. Zudem sind Wasserstoffautos der- Elektroautoquote. Auch der Europäische ziert ist, könnte man mit einem Verbren- zeit noch einmal deutlich teurer als Elekt- Automobilherstellerverband ACEA hat ner 100.000 Kilometer fahren“, sagt rofahrzeuge. Eine praktikable Alternati- die Ziele massiv kritisiert. Die Vorgaben Fahrzeugkonzeptexperte Wellnitz. „Der ve sind E-Fuels, synthetisch hergestellte nähmen keinerlei Rücksicht darauf, in- Ausbau der Elektromobilität spart vor al- Kraftstoffe, die klimaneutral produziert wiefern die Ziele technisch überhaupt er- lem auf dem Papier CO2 ein. In der Ge- werden. Der entscheidende Unterschied reicht werden könnten und wie sozialver- samtschau sind die Einspareffekte deut- zu anderen Alternativen: Verbraucher träglich sie seien. „Die Mitglieder des lich geringer, als es auf den ersten Blick können ihre Fahrzeuge behalten und ACEA sind natürlich bestrebt, die CO2- scheint“, so Wellnitz. Hinzu kommt: So- wie gewohnt an der Zapfsäule betanken. Emissionen ihrer Fahrzeuge weiter zu re- lange E-Autos nicht reinen Ökostrom Die flächendeckend vorhandene Infra- duzieren“, sagte ACEA-Generalsekretär tanken, ist auch das Fahren mit ihnen struktur kann weiter genutzt werden. Erik Jonnaert. „Aber diese Ziele werden nicht klimaneutral: Der Anteil von er- Das spart Kosten und setzt finanzielle die europäische Automobilindustrie ext- neuerbarer Energie an der Strompro- Ressourcen frei für eine klimafreundliche rem belasten.“ Jonnaert sieht neben ho- duktion liegt aber selbst beim Vorreiter und volkswirtschaftlich solide Zukunft. hen Anschaffungskosten von Elektro- Deutschland aktuell nur bei 33 Prozent, Zudem können mit E-Fuels betriebene fahrzeugen auch in der bisher völlig un- wie Zahlen des Bundeswirtschaftsmi- herkömmliche Autos ihre Stärken genau zureichenden Ladeinfrastruktur ein nisteriums zeigen. „Je nach Fahrzeug, dort ausspielen, wo Elektroautos schwä- massives Problem. Hinzu kommt, dass Laufleistung und Herkunft des getankten cheln: auf der Mittel- und Langstrecke ein Fokus auf den Ausbau der Elektromo- Stroms ist ein Elektroauto sogar klima- jenseits des reinen Stadtverkehrs. Denn bilität Auswirkungen auf den deutschen schädlicher als ein Modell mit Verbren- die CO2-Bilanz eines Elektroautos wird Arbeitsmarkt hätte: Der rasche Umstieg nungsmotor“, sagt Wellnitz. umso schlechter, je höher die Kapazität von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor seiner Batterie ist. Sprich: Je größer und auf E-Autos koste Deutschland bis zum Wirtschaftliche und ökologische schwerer ein Elektroauto ist und je grö- Jahr 2035 mehr als 100.000 Jobs, besagt Alternativen sind gefragt ßer seine Reichweite sein soll, desto eine Studie des Instituts für Arbeits- Experten fordern deshalb einen Ausbau schlechter schneidet es in der Ökobilanz markt- und Berufsforschung (IAB). Dem- alternativer Technologien, vor allem von gegenüber einem Auto mit konventionel- nach könnten davon vor allem auch gut Wasserstoff als Ökostromspeicher. Auch lem Antrieb ab. Zudem würde sich auch bezahlte Jobs betroffen sein. hier fehlt es allerdings an der Infrastruk- die Klimabilanz von kleinen, mit Ver- tur: Wasserstofftankstellen gibt es bisher brennungsmotor fahrenden Autos deut- E-Mobilität: Unrealistische Erwartungen Zudem sind Elektroautos längst nicht so grün, wie viele annehmen. Die Autos B E S TA N D V O N P K W U N D L K W sind zwar lokal emissionsfrei, sprich: Fahrzeuge in Deutschland, Europa Beim Fahren entstehen keine Abgase. und in der Welt Dem Klima hilft es aber nicht, wenn da- für an anderer Stelle CO2 freigesetzt wird. Und das ist in erheblichem Maße Leistungsstark Die deutsche 1,282 Mrd. Automobilindustrie der Fall, vor allem bei der Herstellung der Foto: MarioGuti/iStock; Icons made by Freepik and Eucalyp from www.flaticon.com sichert Wohlstand und mehrere Hundert Kilogramm schweren Wachstum. 382,7 Mio. 49,5 Mio.* * Hinzu kommen weitere Vehikel wie Motorräder usw.; Gesamtbestand laut KBA: 63,7 Millionen Quelle: Kraftfahrtbundesamt
Klimapolitik schwerpunkt VERARBEITENDES GEWERBE 2018 BIP 2018 UND ANTEIL UND ANTEIL DER AUTOMOBILINDUSTRIE DER AUTOMOBILINDUSTRIE Die deutsche Automobilindustrie ist eine Die deutsche Automobilindustrie liefert einen verlässlichen wichtige Basis des Verarbeitenden Gewerbes Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik 4,8% 162.720.000 Euro 5.674.000 100% An der Herstellung 3,39 Billionen Euro von Kraftwagen und 834.000 Kraftwagenteilen beteiligte Personen Quellen: Statistisches Bundesamt lich verbessern, wenn sie klimaneutrale Europa bei der Energiewende von der Po- zu sein“, erklärt EU-Klimakommissar E-Fuels tanken. Das derzeit geplante litik nicht mitgenommen fühlen. Zehn- Miguel Arias Cañete (siehe Interview auf Grenzwerteregime könnte dazu führen, tausende Franzosen gehen auf die Straße Seite 9). Und fügt hinzu: „Es ist bekannt, dass ausgerechnet die vergleichsweise und fordern Präsident Macron und seine dass der Übergang für einige Sektoren sparsamen und damit klimafreundlichen Regierung heraus. Auslöser für die Pro- und Regionen schwierig sein kann.“ Kleinwagen vom Markt verschwinden. teste waren steigende Steuern auf Benzin Dabei wäre eine Klimaschutzpoli- Denn auch diese Modelle müssen nach und Diesel. Die Bürger haben Sorge vor tik mit Augenmaß durchaus möglich: den jetzigen Plänen der EU künftig deut- einer neuen sozialen Ungerechtigkeit, Der Bundesverband der Deutschen In- lich sparsamer werden, was nur mit einer die sich durch steigende Energiekosten dustrie (BDI) hat in einer Studie Szena- Teilelektrifizierung möglich sein wird. infolge der Umsetzung des Pariser Kli- rien entworfen und berechnet, wie man Die wiederum macht die Autos erheblich maabkommens noch verstärken könnte. die Klimaziele der Bundesregierung er- teurer. Der VW-Chef Herbert Diess hat Und auch in Deutschland versammeln reichen könnte. Ergebnis: Es wäre tech- gegenüber der „Automobilwoche“ ange- sich, wenn auch in deutlich kleinerer nisch und volkswirtschaftlich möglich, kündigt, dass der erfolgreiche Kleinwa- Zahl, die ersten Gelbwesten-Demonst- in den kommenden drei Jahrzehnten den Icons made by Freepik and Smashicons from www.flaticon.com gen Up damit tot sei, möglicherweise ste- ranten, etwa in Stuttgart. Ausstoß von Treibhausgasen in Deutsch- he auch der Polo vor dem Aus. Unterm land um 80 Prozent zu reduzieren. Strich könnte die individuelle Mobilität EU-Klimapolitik äußerst ambitioniert „Richtig ist aber auch: 95 Prozent für Teile der Bevölkerung mit niedrigen Die Klimapolitik der EU trifft nicht allein der Treibhausgase bis 2050 einzusparen, Einkommen unerschwinglich werden. die Automobilbranche. Im Kampf gegen wäre nicht einfach ein bisschen mehr von den Klimawandel fordert die EU-Kom- allem, sondern in jeder Hinsicht eine an- Gesellschaftliche Akzeptanz erhalten mission eine Wirtschaft ohne Treibhaus- dere Welt“, sagt Carsten Rolle, Abtei- E-Fuels könnten vor diesem Hintergrund gase binnen 30 Jahren. Gemeint ist eine lungsleiter Energie- und Klimapolitik helfen, die gesellschaftliche Akzeptanz völlige Abkehr von Öl, Kohle und Gas in beim BDI und Geschäftsführer des Welt- eines Umbaus hin zu einer ökologische- der Wirtschaft, der Energieversorgung energierats – Deutschland (siehe Inter- ren Wirtschaft zu erhalten. Wohin es und im Verkehr bis zur Mitte des Jahr- view auf Seite 12). „Volkswirtschaftlich führt, wenn diese Akzeptanz sinkt, zeigt hunderts. Bisher ist allerdings nicht er- wäre das erst dann denkbar, wenn alle ein Blick nach Frankreich: Die Proteste kennbar, wie das gelingen soll. „Europa großen Wirtschaftsräume der Welt ver- der Gelbwesten belegen eindrucksvoll, wird die erste große Volkswirtschaft sein, gleichbare Anstrengungen beim Klima- dass sich große Teile der Bevölkerung in die danach strebt, bis 2050 klimaneutral schutz unternehmen würden.“ 1—2019 11
D ie Ergebnisse der vom Weltenergierat in Auf- trag gegebenen Studie „Internationale Aspek- te einer Power-to-X Roadmap“ sind eindeutig: Wenn Deutschland die Energiewende aktiv gestalten will, müssen synthetische Kraft- und Brennstoffe aus er- neuerbarem Strom zum dritten Standbein einer glo- balen Transformation werden – neben der Energieef- fizienz und der direkten Nutzung von Strom aus er- neuerbaren Energien. Im Interview erklärt Dr. Carsten Rolle, Geschäftsführer beim Weltenergierat – Deutschland, warum die Entwicklung von E-Fuels viel Potenzial für internationale Kooperation bietet. ? Herr Dr. Rolle, weshalb ist eine Roadmap zur Schaffung einer globalen Power-to-X-Industrie jetzt so wichtig? Das Thema liegt gewissermaßen auf der Straße. Alle großen Energieszenarien der vergan- genen Monate zeigen, dass anspruchsvolle Klimazie- le starke Steigerungen der Energieeffizienz erfordern sowie eine Ausweitung direkt genutzten erneuerba- ren Stroms in vielen Bereichen. Aber sie werden am Ende auch nicht ohne Power-to-X-Technologien als I N T E R V I E W Gerhard Walter „E-FUELS – EIN WICHTIGER BAU- STEIN FÜR DIE ENERGIEWENDE“ Die westlichen Industriestaaten haben sich zur massiven Verringerung von Kohlendioxid verpflichtet. Dieses ambitionierte Ziel lässt sich nur mithilfe synthetischer Kraft- und Brennstoffe aus erneuerbarem Strom Foto: www.rolandhorn.de erreichen. Dafür braucht es aber einen „dezidierten Fahr- plan zur Schaffung einer globalen E-Fuels-Industrie“, fordert Dr. Carsten Rolle, Geschäftsführer des Welt- energierats – Deutschland. 12
Dr. Carsten Rolle interview drittem Element erreicht werden können. Wie aber keit zu überführen. Mittel- und langfristig muss der kommen wir dahin? Welche Akteure und Partner- grüne Mehrwert von E-Fuels greif- und spürbar wer- schaften braucht es? Und wann müssen wir begin- den. Letztlich werden diese Aspekte Teil einer größe- nen, uns darum zu kümmern? Die Antwort auf die ren, idealerweise international koordinierten Reform letzte Frage ist eindeutig: Wir müssen sofort begin- des Steuer- und Abgabensystems sein müssen, das nen, damit wir rechtzeitig alle nötigen Technologien CO2-Preissignale stärkt. wirklich großtechnisch verfügbar haben. Wir spre- chen über einen langfristigen Entwicklungspfad, den ? Inwieweit sind internationale Kooperationen und es zu planen gilt. Handelsvereinbarungen für die globale Einführung von E-Fuels wichtig – etwa zum Schutz von Investi- ? Braucht es für den Ausbau der PtX-Technologien tionen in Ländern, die politisch instabil sind? und PtX-Anlagen Anschubhilfe durch den Staat? Dieser Aspekt ist sehr wichtig, denn es ist ganz klar, Wie bei allen großen, neuen Technologien ist dass wir PtX nicht in den Mengen in Deutschland auch bei der Produktion und Nutzung von E-Fuels ein sinnvoll produzieren können, wie wir sie für an- bisschen Schub nötig. Das war bei den erneuerbaren spruchsvolle Klimaziele benötigen würden. Der lo- Energien so; das war früher bei fossilen Technologien gisch nächste Schritt, den wir als Weltenergierat un- so. Letztendlich geht es darum, ein Bewusstsein, ei- terstützen wollen, ist es daher, frühzeitig in internatio- nen Marktwert zu schaffen und zu zeigen, dass nalen Kooperationen das Thema zu entwickeln. E-Fuels ein wichtiger Baustein für die Energiewende Dieses Element fehlt bislang noch. Wir haben in un- sind. Kurzum – ohne E-Fuels werden die ambitionier- serer Studie daher sehr genau analysiert, wo geogra- ten Klimaziele nicht erreichbar sein. Und erst wenn fisch optimale Bedingungen vorherrschen. Zusam- dieses Bewusstsein vorhanden ist, können wir die men mit der Verfügbarkeit von regenerativ erzeug- verschiedenen anderen Schritte angehen, wie etwa tem Strom, Infrastruktur und großen Flächen für den den Bau von Pilot- und Demo-Projekten bis hin zur in- Bau der Produktionsanlagen sind die politischen und dustriellen Produktion. Anschließend geht es darum, sozialen Kriterien sehr wichtig. Insofern können auch Marktsegmente zu erschließen. bewährte Instrumente der Außenwirtschaftsförde- rung, wie beispielsweise Bürgschaften oder andere ? Doch wie lässt sich die Nachfrage nach E-Fuels Kreditabsicherungsinstrumente, wichtige Bausteine steigern? In der Öffentlichkeit werden E-Fuels ja im- sein, um solche Großinvestitionen zu unterstützen. mer noch mit dem Exotenbonus etikettiert. Da haben Sie Recht, das ist leider wahr. So gibt es einige ? Verbessern die Produktion und der Import von Länder, die mit den Begriffen Power-to-X oder synthetisch erzeugten Kraft- und Brennstoffen aus E-Fuels nicht viel anfangen können. In Deutschland Schwellen- und Entwicklungsländern die ökonomi- wiederum sind wir technologisch bei dem Thema schen und sozialen Bedingungen der Menschen vor ziemlich weit vorn. Das liegt auch daran, dass die Ort? Kurz und knapp – die Produktion von Kompetenz beim Anlagenbau hierzulande stark ver- E-Fuels kann Wertschöpfung mitaufbauen und so die treten ist. Im globalen Rahmen muss deshalb das wirtschaftliche Entwicklung in diesen Ländern unter- Thema E-Fuels mit kleinen Schritten beginnen: Zu- stützen. Dies bietet nach der Produktion erneuerba- nächst einmal müssen wir zeigen, dass die Produkti- ren Stroms für lokale Bedarfe eine zusätzliche Wert- on von E-Fuels praktisch überhaupt möglich ist. Und schöpfungsstufe. In Ländern, in denen heute erfolg- dann gilt es in einem zweiten Schritt, andere Länder reich Öl oder Gas gefördert wird, bieten E-Fuels eine davon zu überzeugen, dass die Produktion von sinnvolle Option für die Zeit, wenn die fossilen Ener- E-Fuels gemeinsam günstiger wird und nur gemein- giereserven und die Nachfrage nach fossilen Ener- sam große Märkte erschlossen werden können. Das gieträgern einmal zurückgehen sollten. wird nicht allein aus einem Land oder zwei Ländern hervorgehen. Im Weltenergierat werden wir die glo- ? Kann die Produktion von E-Fuels auch dabei bale Kompetenz der Unternehmen zum Thema PtX helfen, das große Thema Flucht in den Griff zu be- nun bündeln und einen regelmäßigen Austausch von kommen? Die Bekämpfung von Fluchtursachen Unternehmen zu den internationalen Entwicklungen ist ein großes politisches Thema mit hoher Sensibili- organisieren. Da ist ein globales Netzwerk wie das tät und vielen Facetten. Was immer an nachhaltiger des World Energy Councils natürlich von Vorteil. Wertschöpfung bei der Produktion von E-Fuels in den Erzeugerländern aufgebaut wird, kann mithelfen, Per- ? Wie wäre es denn, wenn zum Beispiel in spektiven für wirtschaftliche Entwicklung und damit Deutschland E-Fuels steuerlich gefördert werden gesellschaftliche Stabilität zu schaffen. Insofern wäre würden? In der Erprobungsphase gehören eine die Herstellung von E-Fuels auch ein Aspekt der Ent- steuerliche Förderung oder auch Beimischungs- wicklungszusammenarbeit – und eine Möglichkeit, quoten zu den Lösungsansätzen, um die Produktion vor Ort die Menschen mit klimafreundlichen, syntheti- und Nutzung von E-Fuels in die Wettbewerbsfähig- schen Kraft- und Brennstoffen zu versorgen. 1—2019 13
zur sache PtX-Studie G L O B A L E P T X- N A C H F R A G E S C H ÄT Z U N G NACH SEKTOREN FÜR 2050 ENERGIE- UNTERSTELLTER PTX-ANTEIL AM ENDENERGIE- PROGNOSTIZIERTE PTX-NACHFRAGE NACH PROGNOSE VERBRAUCH NACH SEKTOREN, IN % REGIONEN UND SEKTOREN, IN TWH, 2040 Low High Europa & Nord- Süd- Afrika Asien & Naher Case Referenz Case Russland amerika amerika Ozeanien Osten Industrie 8% 10% 30% Industrie 668 480 274 223 2.700 239 250 328 39 32 196 76 Gewerbe, Handel, Dienstleistungen 0% 10% 20% Gewerbe, Handel, Dienstleistungen PROGNOS- TIZIERTE 662 429 134 583 1.486 265 ENERGIE- Haushalte 0% 10% 20% Haushalte NACHFRAGE (WORLD Schienen- Schienen- 23 17 4 2 65 ENERGY verkehr 0% 10% 10% verkehr OUTLOOK) 529 329 134 157 1.286 253 Luftverkehr 40% 70% 90% Luftverkehr 363 460 128 112 699 194 Seeverkehr 40% 50% 70% Seeverkehr Straßenlast- Straßenlast- 134 243 118 97 1.052 122 verkehr 10% 20% 30% verkehr Straßenper- Straßenper- sonenverkehr 0% 10% 30% sonenverkehr 258 444 149 91 432 142 Icons made by srip, Icon Works, Smashicons, Freepik, Good Ware, monkik and Iconnice from www.flaticon.com S PA N N W E I T E E I N E R WELTWEITER MÖGLICHEN GLOBALEN P T X- N A C H F R A G E BEDARF Low Case 10.000 TWh AN E-FUELS Referenz 20.000 TWh T E X T Gerhard Walter Ende 2018 hatte der Weltenergierat, unterstützt von 17 Mitglieds- unternehmen und Partnern, die Studie „Internationale Aspekte High Case einer Power-to-X Roadmap“ bei Frontier Economics in Auftrag gegeben. Ausgangspunkt ist die erstmalige Herleitung eines welt- 41.000 TWh weiten PtX-Bedarfs von 20.000 TWh, dem die Energiebedarfs- prognosen für alle Verbrauchssektoren und das Erreichen des Pariser Klimaschutzzieles zugrunde liegen. Die Studie untersucht PtX-Anbieter- und -Nachfragemärkte sowie die erforderlichen Rahmenbedingungen für die wichtige Etablierung der globalen PtX-Versorgungsstruktur – auch mithilfe von Interviews mit inter- 20.000 TWh entsprechen 50 % nationalen Vor-Ort-Experten des Weltenergierats. des heutigen globalen Rohölmarktes 14
PtX-Studie zur sache T Y P E N P O T E N Z I E L L E R P T X- P R O D U Z E N T E N / E X P O R T E U R E U N D A U S G E W Ä H LT E B E I S P I E L L Ä N D E R Ausgewähltes Typ Motivation und Ausgangsposition für PtX Beispiel • PtX bereits auf dem politischen Radar des Landes (Energie) • Exportpotenzial und Aufgeschlossenheit gegenüber PtX Vorreiter deutlich erkennbar • Unkomplizierter internationaler Handelspartner „PtX ist eine ⊲ Besonders vorteilhaft in frühen Phasen der Marktdurchdringung Norwegen Schlüssel- technologie für die • Grundsätzlich unerschlossenes Potenzial • Weitgehend ausgereifte, aber oft unterschätzte (energie-) Transformation Geheim- favoriten politische Rahmenbedingungen mit ausreichend starken Institutionen der Energie- ⊲ PtX kann bei entsprechender Unterstützung leicht zu einem ernsthaften Thema werden Chile systeme hin zur • Reichlich Ressourcenverfügbarkeit: große Landflächen CO2-Neutralität.“ mit oft umfangreichen Potenzialen für erneuerbare Energie Dr. Jens Perner, • Aufgeschlossenheit gegenüber PtX noch nicht gegeben, Associate Director bei Frontier Economics Giganten erfordert unter Umständen einen weiteren Dialog ⊲ Bereitstellung der erforderlichen PtX-Volumina in einem reifen Markt Australien Foto: Frontier Economics; Icons made by Freepik from www.flaticon.com; Abbildung: Weltenergierat – Deutschland e.V. 2018, Frontier Economics • Bereits Bestandteil der PtX-Debatte in Europa, starkes PtX- Potenzial Gehypte • Energiepartnerschaften mit Europa fördern das politische INTERNATIONAL ASPECTS OF A Umfeld POWER-TO-X ROADMAP Kandidaten A report prepared for the World Energy Council Germany ⊲ Potenzial, als Treiber der Technologieentwicklung zu fungie- 18th October 2018 ren; Realisierung hängt stark von politischer Unterstützung ab Marokko • Motivation ist die langfristige, globale Transformation der Energiesysteme von fossilen auf grüne Energiequellen 84xxx_DNK_Frontier_PTX_Um.indd 1 04.10.18 16:13 • Langfristige Wachstumsstrategie zur Diversifizierung Der Weltenergierat – Deutschland Umwandler ⊲ Starke Motivation für die Entwicklung der PtX-Exporttechno- initiierte in 2018 die Studie „Internationale logie; politische Unterstützung und Partnerschaft mit der EU und Deutschland erforderlich Saudi-Arabien Aspekte einer Power-to-X Roadmap“. Mit der Unterstützung von 17 Mitglieds- unternehmen und Partnern wurde Frontier • Teilweise unerschlossene Potenziale, möglicherweise ge- Economics mit der wissenschaftlichen paart mit ehrgeiziger nationaler Klimaschutzpolitik Durchführung beauftragt. Weitere Unsichere • PtX-Export im Wettbewerb mit dem wachsenden natürlichen Informationen zur Studie finden Sie hier: Energiebedarf Kandidaten www.weltenergierat.de/ptxstudie ⊲ Kann die Entwicklung der PtX-Technologie vorantreiben, aber unsicher, ob PtX exportiert werden würde China Die Studie kann auch über UNITI unter kuehnel@uniti.de bestellt werden. Quelle: Frontier Economics D I E S I E B E N N Ä C H S T E N S C H R I T T E Z U R E TA B L I E R U N G E I N E S I N T E R N AT I O N A L E N P T X- M A R K T E S Steigerung der Internationale Weitere Entwick- Vereinfachung Akzeptanz von Produktion und lung von FuE, Schaffung internationaler internationaler PtX auf die Agenda internationalen Pilotprojekten und einheitlicher Monetarisierung Kooperationen und PtX-Produktion und der internationalen Handel von PtX als größeren Demons- Wettbewerbs- des grünen Wertes Unterstützung von internationalem Klimapolitik setzen. Chance erkennen. trationsanlagen. bedingungen. von PtX. Investitionen. PtX-Handel. 1 2 3 4 5 6 7 1—2019 15
interview Thomas Bareiß Energie- und Kosteneffizienz nie aus dem Blick verlieren und die Chancen der „STROMBASIERTE Digitalisierung nutzen. KRAFT- UND ? Spielen dabei auch synthetische Kraft und Brennstoffe eine Rolle? Strombasierte Brennstoffe sind BRENNSTOFFE SIND eine Option der Sektorkopplung. Sie sind insbesondere bei einem hohen klima- politischen Ambitionsniveau für eine er- UNVERZICHTBAR“ folgreiche Energiewende unverzichtbar. Angesichts begrenzter Biomassepotenzi- ale können bestimmte Bereiche aus heu- tiger Sicht nicht anders dekarbonisiert werden. Dies gilt beispielsweise für den Luft- und Seeverkehr, Teile des Schwer- lastverkehrs, aber auch für bestimmte Industrieprozesse. ? Welchen Effekt könnten EFuels für den Standort Deutschland haben – I N T E R V I E W Gerhard Walter etwa beim Export von technischem Das Ziel ist klar definiert: Knowhow oder bei der Schaffung von Arbeitsplätzen im Maschinen und Es geht darum, die Energiewende in Deutschland erfolg- Anlagenbau? reich zu gestalten. Für Thomas Bareiß (CDU), Parlamen- In der Tat bieten strombasierte tarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Brennstoffe industriepolitische Chancen. Allerdings zeigen diverse Studien, dass sind besonders E-Fuels ein entscheidender Baustein, um angesichts der vielfach besseren klimapolitische Ambitionen und ökonomische Notwendig- Potenziale für erneuerbare Energien ins- besondere bei Kohlenwasserstoffen die keiten zu vereinen. Produktion im Ausland kostengünstiger sein dürfte. Daher dürften die industrie- politischen Chancen vor allem im Export von Anlagen zur Produktion von strom- Herr Bareiß, die Energie förderung Fakten geschaffen? Wider basierten Brennstoffen liegen. Vorausset- wende kommt hierzulande im Wärme spricht das nicht dem Grundsatz der zung hierfür ist allerdings auch, dass eine markt und im Verkehrssektor nur lang Technologieoffenheit? entsprechende globale Nachfrage nach sam in Fahrt. Was sind die Gründe? Wir fördern Sektorkopplungs- strombasierten Brennstoffen entsteht. Es stimmt, verglichen mit dem technologien auf vielfältige Art und Stromsektor sind die Effizienz und der Weise. Auf europäischer Ebene haben ? Die Bundesregierung hat Ende Anteil erneuerbarer Energien in den Be- wir uns beispielsweise im vergangenen 2018 der Anrechnung von EFuels auf reichen Wärme und Verkehr nicht so Jahr im Rahmen der Verhandlungen zur die europäischen CO2Flottenziele eine stark gestiegen. Dafür gibt es viele Grün- Erneuerbare-Energien-Richtlinie für die Abfuhr erteilt. Eine vertane Chance? de. Zum Beispiel gibt es in diesen Berei- Anrechenbarkeit von grünem Wasser- Die Ausgestaltung der CO2-Flot- chen eine Vielzahl unterschiedlicher Ak- stoff in Raffinerieprozessen eingesetzt, tengrenzwerte im Verkehrssektor war ein teure und die Investitionszyklen sind mit dem Ziel, Anreize für erneuerbare viel diskutiertes Thema. Aus meiner sehr lang. Zudem fehlt hier ein CO2- Energien im Verkehrsbereich zu stärken Sicht sollten wir aber den Blick nach vor- Preissignal. Die Bereiche Wärme und und die Wasserstofftechnologie voran- ne richten. Wir müssen den Verkehr kli- Verkehr werden wir daher künftig ver- zubringen. maverträglicher gestalten und dabei die stärkt in den Fokus nehmen. Klar ist: In Zukunft der Automobilindustrie in allen Sektoren müssen wir auch auf Be- ? Wie sieht für Sie eine intelligente Deutschland sichern. In diesem Zusam- Foto: Stefan Boness/Ipon zahlbarkeit achten. Sektorkopplung aus? menhang sollten wir auch das Thema Eine intelligente Sektorkopplung strombasierte Kraftstoffe angehen. ? Derzeit wird die Elektromobilität muss zukünftig die Sektoren Wärme und von der Bundesregierung nach Verkehr mit den Anforderungen des ? Im Koalitionsvertrag ist die Förde Kräften unterstützt. Inwiefern werden Strommarkts und der Stromnetze flexi- rung von PtXTechnologien verein durch diese einseitige Technologie bel verknüpfen. Dabei sollten wir die bart. Gibt es mittlerweile konkrete 16
Thomas Bareiß interview Ideen, wie eine solche Förderung aus- spielsweise starten wir bald die „Reallabo te Maßnahmenvorschläge vorlegt, um die sehen könnte, zum Beispiel durch eine re der Energiewende“, die wir mit jährlich Energiewende auch im Wärme und Ver geringere Besteuerung solcher Ener- 100 Millionen Euro fördern und in denen kehrssektor voranzubringen. Davon wer gieträger? innovative Sektorkopplungstechnologien den auch PtXTechnologien profitieren. Die Verbesserung der Rahmen wie Wasserstoff unter realen Beding bedingungen für die Sektorkopplung ist ungen entwickelt werden. Ich gehe davon ? 2004 sprach der damalige Umwelt- eine der zentralen energiepolitischen aus, dass die Bundesregierung darüber hi minister Jürgen Trittin davon, dass die Aufgaben dieser Legislaturperiode. Bei naus im Laufe des Jahres weitere geeigne Förderung erneuerbarer Energien je- den Haushalt im Monat nur so viel kos- ten werde wie eine Kugel Eis. Seitdem ist der Strompreis um satte 60 Prozent gestiegen. Wie sieht es nun tatsächlich mit der Bezahlbarkeit der Energiewen- de bei Wärme und Verkehr aus – für den Einzelnen, aber auch für die Volks- „In allen Sektoren wirtschaft? In der Tat sind für Verbraucher au müssen wir auch auf ßerhalb der stromintensiven Industrie die Strompreise im internationalen Ver Bezahlbarkeit achten.“ Thomas Bareiß ist seit März 2018 Parla- gleich hoch. An dieser Stelle möchte ich mentarischer Staats- aber auch festhalten, dass die Strom Thomas Bareiß, sekretär beim Bundes- preise für die privaten Haushalte seit Parlamentarischer Staatssekretär im minister für Wirtschaft Bundeswirtschaftsministerium und Energie. In dieser 2013 stabil sind. Dies gilt auch für die Funktion vertritt Bareiß EEGUmlage, die zuletzt sogar zweimal den Minister im politi- in Folge gesunken ist. Das ist auch das Er schen Bereich, vor gebnis unserer Anstrengungen, die Ener allem gegenüber dem giewende so kosteneffizient wie möglich Bundestag und dem Bundesrat und in den zu gestalten. Dennoch zeigt die Strom Fraktionen. Zuvor war kostenbelastung, dass wir die Kosten der der Diplom-Betriebswirt Energiewende stets genau im Blick haben energiepolitischer müssen. Deshalb sollten wir angesichts Sprecher der CDU/CSU- der derzeit noch hohen Kosten von grü Bundestagsfraktion und Koordinator für Energie- nem Wasserstoff und anderen stromba politik der Unions- sierten Brennstoffen dieses Thema auch fraktion im Bundestag. mit Augenmaß angehen. ? Mit welchen Energiewendekosten ist in Zukunft zu rechnen? Und was noch wichtiger ist, wenn wir uns etwa die Gelbwesten-Bewegung in Frank- reich anschauen, wie können diese Kosten denn sozial gerecht verteilt werden? Es ist vollkommen klar, dass die Energiewende mit Kosten verbunden ist. Bei vielen Kostenrechnungen wird aber häufig vergessen, dass auch ein alternati ves Energiesystem mit Kosten, zum Bei spiel für neue fossile Kraftwerke oder die Erneuerung der Stromnetze, verbun den wäre. Gleichwohl müssen wir die Energiewende so kosteneffizient wie möglich gestalten, die verbleibenden Mehrkosten sozial gerecht verteilen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen erhalten. Nur so können wir die Energiewende erfolg reich gestalten. 1—2019 17
zur sache Vision 2050 EUROPAS R AFFINER IEN ALS SÄULEN ER FOLGR EICHER K LIM APOLIT IK T E X T Wolfgang Kempkens Um die Klimaschutzziele zu erreichen und gleichzeitig die wichtige bezahlbare Mobilität zu gewährleisten, wollen europäische Raffinerien zunehmend neue Rohstoffe einsetzen. Mit der Vision 2050 geht die Branche ihren Weg in die Zukunft. Fotos: plainpicture/Spitta + Hellwig, David Plas Photography/FuelsEurope 18
Vision 2050 zur sache „Wir streben eine immer kohlenstoffärmere Produktion und Nutzung flüssiger Kraft-, Brenn- und Rohstoffe in Raffinerien an.“ John Cooper, Generaldirektor von FuelsEurope W enn es um die Reduzierung von Treibhausgasen geht, wol- len auch die europäischen Raffinerien „treibhausgasreduzierte oder sogar treibhausgasneutrale flüssige Kraft- und Brennstoffe als wichtige Ergänzung begrenzt sind, haben zwei andere Ver- fahren möglicherweise bessere Chan- cen, Treibstoffe in großen Mengen zu neue Wege beschreiten: Die Raffineri- zu grünem Strom, Gas und Wasserstoff produzieren. Die Dresdner Firma Sunfire en, die heute Rohöl zu Wertstoffen wie herstellen“. Auch der Mineralöl- hat einen 500-Stunden-Test einer Diesel, Benzin, Kerosin, Bitumen und wirtschaftsverband (MWV) ist davon Hochtemperatur-Co-Elektrolyseanlage zahlreichen anderen Produkten ver- überzeugt. „Die Nutzung flüssiger Kraft- erfolgreich abgeschlossen. Sie wird edeln, werden künftig immer weniger und Brennstoffe in immer effizienteren zum KIT-Gelände gebracht und dort mit Energie verbrauchen und damit weniger Fahrzeugen führt langfristig zu einer einer zweiten Anlage kombiniert, die Kohlendioxid emittieren, verspricht emissionsarmen und gleichzeitig flüssige Kraft- und Brennstoffe, E-Fuels, FuelsEurope, der Branchenverband der starken europäischen Wirtschaft“, sagt herstellt. Das Kohlendioxid wird in eine Raffinerieindustrie in der Europäischen MWV-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr.- Anlage eingespeist, die der KIT-Ableger Union. Zudem werde Erdöl zunehmend Ing. Christian Küchen. Ineratec entwickelt hat. Nach dem durch synthetisches Öl ersetzt, das Die Industrie kann auf Projekte Fischer-Tropsch-Verfahren produziert sie ohne Beeinträchtigung der Umwelt her- zurückgreifen, die bereits in techni- E-Fuels. gestellt wird, etwa aus Wasser, Solar- schem Maßstab realisiert sind. Seit Jah- Für ein weiteres Vorhaben ha- und Windstrom sowie aus Kohlendioxid. ren läuft im Karlsruher Institut für Tech- ben sich TenneT sowie die Gasnetzbe- „Vision 2050“ heißt die Strategie, nologie (KIT) eine „Bioliq“ genannte treiber ThyssenGas und Gasunie zu- die bis zur Mitte dieses Jahrhunderts Anlage, die Treibstoffe aus Stroh und an- sammengetan. In einem Umspannwerk die heutigen Raffinerien in grüne um- deren Bioabfällen herstellt. Am gleichen von TenneT, in das große Mengen Wind- wandeln soll. „Die europäische Mineral- Standort werden ab August flüssige strom aus Offshore-Parks fließen, spal- ölwirtschaft strebt mit der Vision 2050 Treibstoffe oder E-Crude hergestellt, ein tet diese Energie Wasser in Wasser- den Weg in eine immer kohlenstoffär- synthetisches Erdöl, das in Raffinerien und Sauerstoff auf. So entsteht Methan, mere Produktion und Nutzung flüssiger weiterverarbeitet werden kann. Und in also synthetisches Erdgas. Das Gas Kraft-, Brenn- und Rohstoffe in Raffi- Norddeutschland, an einer Umspannan- kann als Treibstoff für Autos, zum Hei- nerien an“, sagt John Cooper, General- lage des Stromnetzbetreibers TenneT, zen oder zur Stromproduktion einge- direktor von FuelsEurope. werden ab 2022 Wasserstoff, syntheti- setzt werden. sches Methan sowie Diesel, Benzin und Im Endausbau wird die Anlage Flüssige Energie ist alternativlos Kerosin produziert. Eines haben all diese eine Leistungsaufnahme von 100 Mega- „Flüssige Energieträger sind aufgrund Projekte gemein: Kohlendioxid wird bei watt haben und damit die größte der ihrer hohen Energiedichte besonders der Nutzung als Brennstoff zwar frei. Welt sein. Kommerzielle Anlagen müss- im Straßengüter-, Schiffs- und Luftver- Doch es ist die gleiche Menge, die zuvor ten aber weitaus größer sein. „Wir kehr praktisch nicht zu ersetzen“, meint von Pflanzen oder technischen Anlagen wollen heute die Daten für richtige Ent- Cooper. Batterien kommen da nicht mit, aus der Luft gefiltert wurde. scheidungen in der Zukunft sammeln“, auch keine Elektrofahrzeuge mit Brenn- Bioliq in Karlsruhe ist die älteste gibt Thomas Gößmann, Vorsitzender stoffzellen, die Wasserstoff tanken. Großanlage dieser Art. Weil die Mengen der Geschäftsführung von ThyssenGas, Europas Raffinerien würden in Zukunft an landwirtschaftlichen Abfällen aber die Richtung vor. 1—2019 19
interview Siemens-Studie KLIMARETTER ZUM PREIS EINER KUGEL EIS I N T E R V I E W Gerhard Walter Ein Liter synthetischer Kraft- oder Brennstoff kann für einen Euro klimaneutral hergestellt werden – so Experten von Siemens Corporate Technology. Wie geht das? Fragen an Dr. Alexander Tremel, der bei Siemens die Technologieentwicklung für strombasierte Kraft- und Brennstoffe vorantreibt. Herr Tremel, über viele Jahre dem Kraftstoffsektor: Es geht regenerativ hieß es, synthetisch erzeugte Kraft- erzeugter Strom in die Anlage rein, ent- und Brennstoffe seien in der Herstel- scheidend für die Umwandlung ist die lung zu teuer. Sie kommen jetzt zu ei- Hauptkomponente Elektrolyse, und hin- nem ganz anderen Ergebnis. Danach ten kommen synthetisch erzeugte flüssi- sind E-Fuels langfristig für den Preis ge Kraft- und Brennstoffe oder ein gasför- einer Kugel Eis pro Liter zu haben. miger Energieträger beziehungsweise Was ist da los? Kraftstoff wie Wasserstoff raus. Strom- Wir können uns gut vorstellen, Chemie-Kraftstoff – das ist eine Verbin- dass E-Fuels zu Kosten von ungefähr ei- dung, die technologisch passt. Zudem nem Euro pro Liter (Benzinäquivalent) in bietet sich durch die Produktion von den nächsten fünf bis zehn Jahren herge- E-Fuels eine Möglichkeit, Energiesysteme stellt werden können. Die Voraussetzung weltweit zu verknüpfen, denn der synthe- dafür ist, dass die Haupttechnologie, die tisch erzeugte Kraftstoff lässt sich gut la- Elektrolyse, in großem Umfang einge- gern und transportieren. Das ist eine Sek- setzt wird – etwa in Anlagen in einer Grö- torkopplung, die über Ländergrenzen und Dr. Alexander Tremel ßenordnung von mindestens 100 Mega- über Kontinente hinausgeht. Fotos: milanfoto/iStock, Uwe Mühlhäusser/Siemens AG ist Projektleiter im Technologiefeld Energiesysteme bei der Siemens AG, watt. Der Herstellungspreis von einem Corporate Technology. Er ist fachlich Euro ist zwar etwas höher als der bei erd- ? Wie müssen die Anlagen konzipiert verantwortlich für mittel- und langfristige ölbasierten Treibstoffen, aber im Ver- sein, um günstig zu produzieren? Forschungs- und Entwicklungsthemen gleich mit Biokraftstoffen wirklich wett- Es gibt zwei Möglichkeiten, Anla- im Bereich der Energieverfahrenstechnik, bewerbsfähig. Früher häufig genannte gen für E-Fuels zu konzipieren. Einmal wie Power-to-X, hybride Energie- umwandlung und -speicherung sowie Preisvorstellungen von 4,50 Euro und eher integriert in ein bestehendes Ener- Simulation und Optimierung von mehr je Liter E-Fuels gehören eindeutig giesystem wie in Deutschland. Hier wird Energiesystemen. Tremel hat an der der Vergangenheit an. die Anlagengröße beschränkt sein. Höhe- TU München mit summa cum re Effizienz- und Kostenpotenziale beste- laude am Institut für Energiesysteme ? Haben E-Fuels das Potenzial, das hen, wenn eine große E-Fuels-Produkti- promoviert und 2018 das Buch „Electricity-based Fuels“ über lang gesuchte Bindeglied zwischen onsanlage mit einer großen Anlage für strombasierte Kraft- und Brennstoffe Strom- und Kraftstoffsektor zu sein? Photovoltaik oder Windkraft direkt ver- geschrieben. E-Fuels verbinden den Strom- mit bunden wird. Das kann in der Wüste, 20
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