EEG 2017: Entwicklung der Förderkosten und politische Implikationen
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ZUKUNFTSFRAGEN EEG 2017: Entwicklung der Förderkosten und politische Implikationen Esther Chrischilles Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die 2017 in Kraft tritt, hat wichtige Weichen für mehr Markt bei der Förderung gestellt. Dennoch werden sich Stromverbraucher mittelfristig auf steigende Förder- und damit Stromkosten ein- stellen müssen. Bei der Förderung können noch einige Kostensenkungspotenziale genutzt werden, aber der Reformbedarf geht über das EEG hinaus: Den größten Einfluss auf die Förderkosten haben aber die Börsenstrompreise und es liegt nahe, dass sich darin noch nicht alle Marktrisiken widerspiegeln. Das EEG ist das zentrale Instrument zur Umsetzung der Energiewende und hat maß- geblich zum Ausbau der erneuerbaren Ener- gien beigetragen. Bis 2050 soll der Ausbau Erneuerbarer auf 80 % am Bruttoinlands- stromverbrauch angestiegen sein, was eine maßgeblich regenerativ geprägte Stromver- sorgung impliziert. Aus diesem Grund müs- sen heute die Weichen für eine langfristige Perspektive der finalen Integration erneuer- barer Energien gestellt werden. Die Weiter- entwicklung des EEG spielt dabei nicht die einzige, wohl aber die zentrale Rolle. Die letzte Novellierung des EEG in diesem Jahr hat dazu wichtige Weichen gestellt. Dazu gehört die Umstellung der Förderung auf Ausschreibungsmodelle. Für die unter- schiedlichen Technologiesparten Photovol- taik, Windenergie an Land, Windenergie auf Ein Ausstiegsszenario, in dem ein Auslaufen des EEG mit neuen Marktregeln verschränkt wird, ist See und Biomasse werden vorgegebene Aus- bisher nirgendwo skizziert, aber zum jetzigen Zeitpunkt unbedingt geboten baumengen ausgeschrieben und an diejeni- Foto: alphaspirit | Fotolia.com gen Bieter vergeben, die sie am günstigsten realisieren können. gen bis 2020 beziehungsweise 2025 sowie preis sowie technologiespezifische Markt- deren Auswirkungen auf die EEG-Umlage werte betrachtet. Zudem werden ab 2020 Dabei gelten Ausnahmeregelungen für An- ermittelt. Ziel war es, vor dem Hintergrund auch Einsparungen berücksichtigt, die sich lagen bestimmter Größenklassen, zumeist der letzten Novellierung des EEG mögliche daraus ergeben, dass für einige Anlagen für solche mit einer installierten Leistung Größenordnungen der Zusatzbelastungen ab die Förderberechtigung erlischt. Außerdem unter 750 KW und einzelne Technologien, 2017 in der langen Frist abzuschätzen und muss berücksichtigt werden, dass sich der wie Deponiegas oder Geothermie, deren den Einfluss variierender Determinanten zu Stromwert aus Bestandsanlagen und damit Ausbau und Ausbaupotenzial vernachläs- skizzieren. Dabei wurde im Wesentlichen auf die Förderkosten mit variierenden Börsen- sigbar ist. Mit diesem Schritt ist einerseits das Konzept der Übertragungsnetzbetreiber strompreisen verändern. die Hoffnung verbunden, dass die politisch zurückgegriffen, indem die ab 2017 erwar- avisierten Ausbaumengen zielgenauer als teten Ausgaben für geförderte erneuerbare Die so ermittelten Zusatzkosten werden bisher erreicht werden, zum anderen sollen Energien-Anlagen ermittelt und davon die den bisherigen Förderkosten (der sog. durch Wettbewerb in einzelnen Technologie- erwarteten Erlöse abgezogen werden. Deckungslücke) aus dem Jahr 2016 zuge- sparten Kostensenkungen erzielt werden. rechnet [2], um daraus wiederum die EEG- Die Abschätzungen erfolgen technologiespe- Umlage abzuschätzen. Alle sonstigen Ein- Vorgehen und Szenarien zifisch in mehreren Szenarien, um mögliche nahmen und Ausgaben zur Berechnung der Bandbreiten und Einflüsse zu skizzieren. EEG-Umlage sowie die anzulegenden Letzt- Basierend auf den neuen Regelungen wur- Bei den Ausgaben wird vor allem auf die verbräuche werden, soweit nicht anders dar- den in einem Gutachten [1] die zusätzlichen Bestimmungen des EEG 2017 abgestellt, für gestellt, konstant im Sinne der Prognose der Förderkosten der ab 2017 zugebauten Anla- die Einnahmen werden der erwartete Strom- ÜNB (Übertragungsnetzbetreiber) für das 30 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 66. Jg. (2016) Heft 12
ZUKUNFTSFRAGEN ZUKUNFTSFRAGEN Jahr 2016 gehalten. Ab dem Jahr 2018 wird zählen insbesondere niedrigere Realisie- derung gehen, können anders als bei Wind- zudem unterstellt, dass kein Vorjahresaus- rungsraten im Bereich Photovoltaik, sowie kraft an Land und bei der Solarenergie keine gleich mehr stattfindet, weil das EEG-Konto ein anhaltend niedriger Zubau in diesem auslaufenden Förderungen gegengerechnet über die Zeit ausgeglichen ist, d. h., dass die Segment außerhalb der Ausschreibungen, werden. Im Falle der Biomasseanlagen er- Einnahmen und Ausgaben über die Jahre stärkere Kostensenkungen im Bereich der gibt sich durch die auslaufende Förderung treffsicher prognostiziert werden. Dabei ist Windenergie sowie ein Strompreisniveau bis 2025 sogar ein Nettoentlastungseffekt. gemäß bisheriger Praxis eine 10-prozenti- von 40 €/MWh ab 2018 und in den folgen- Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass ge Liquiditätsreserve unterstellt. Die prog- den Jahren. von Altanlagen, die sich gegebenenfalls nostizierten Werte sind nominal, also ohne um eine verlängerte Förderung nach EEG Berücksichtigung der Inflationsentwicklung Regierungsszenario: 28,7 Mrd. € 2017 bemühen, abstrahiert wurde. Die bis ausgewiesen. Förderkosten bis 2025 2025 wegfallenden Fördersummen für Bio- masse, Wind- und Solaranlagen betragen Als Referenzbetrachtung dient zunächst ein Im Regierungsszenario belaufen sich die schätzungsweise rund 2,6 Mrd. €, wovon Regierungsszenario, das im Wesentlichen die Förderkosten ausgehend von einer für 2016 rund 60 % auf aus der Förderung gehende Erwartungen der Bundesregierung wider- prognostizierten Deckungslücke vom knapp Windenergieanlagen fallen. Anlagen, die bis spiegeln soll. Dazu werden Annahmen zu 23,1 Mrd. € auf rund 25,4 Mrd. € im nächs- 2025 aus der Förderung gehen, entlasten die Ausbautempo, Volllaststunden und Kostende- ten Jahr, auf 28,2 Mrd. € bis 2020 und auf Förderaufwendungen für Windanlagen um gressionen vornehmlich aus dem EEG 2017 28,7 Mrd. € bis 2025. Die Werte sind als rund 1,5 Mrd. €. Bei Solaranlagen fallen die oder den vorangegangenen Dokumenten im Nettozahlungen zu verstehen, also unter Fördersummen 2025 um rund 0,6 Mrd. € parlamentarischen Verfahren übernommen Abzug der Ausgaben für aus der Förderung und bei Biomasseanlagen um 0,5 Mrd. € ge- [3]. Ergänzend wurde auf die Mittelfristprog- gehende Anlagen sowie der Einnahmen für ringer aus, als dies ohne das Ausscheiden nose des ÜNB-Trendszenarios [4] oder eigene den erzeugten Strom (siehe Abb.). von Altanlagen aus der Förderung der Fall Schätzungen zurückgegriffen. gewesen wäre. Bis 2025 sind also trotz der bis dahin aus der Kennzeichnend für das Regierungsszenario Förderung ausscheidenden Altanlagen im Im Szenario „hoch“ steigen die Förderkosten ist, dass der Zubau der Windenergie an Land Vergleich zu heute noch einmal 5,6 Mrd. € auf 31,8 Mrd. € bis 2020 und auf 32,9 Mrd. € im Rahmen der Übergangslösung 2017 und zusätzlich aufzubringen. Dabei entfallen bis 2025, wo wiederum mit 6,9 Mrd. € bis 2018 vergleichsweise moderat eingeschätzt rund 4,5 Mrd. € auf die ab 2017 neu zuge- 2025 der größere Teil der Mehrkosten auf wird. Dahingegen wird beim Photovoltaik bauten Anlagen. Die restlichen Mehrkosten Neuanlagen und noch einmal 2,9 Mrd. € auf (PV)-Ausbau mit einem anziehenden Aus- ergeben sich aufgrund der gegenüber 2016 die Entwertung des Stroms von Bestands- bauvolumen gerechnet. Die Volllaststunden, niedrigeren Strompreise, die dazu führen, anlagen entfällt. Der sinkende Strompreis insbesondere in Bezug auf Neuanlagen, sind dass auch die Einnahmen für Strom aus Be- hat in diesem Szenario den stärksten Effekt relativ gering angesetzt. Der Strompreis standsanlagen sinken. auf die Mehrkosten, ebenso wie die höheren wird in diesem Szenario auf aktuellem Ni- Volllaststunden bei der Windenergie. veau bei 25 €/MWh konstant gehalten. Mit rund 3,5 Mrd. € sind die größten Zu- wächse bei der Offshore Windkraft zu er- Die Förderkosten im Szenario „niedrig“ Abweichend vom Regierungsszenario wurde warten. Da hier ausschließlich zugebaut steigen bis 2020 auf rund 24,8 Mrd. € und ein Szenario „hoch“ gebildet, in dem Ent- wird und noch keine Anlagen aus der För- verharren bis 2025 auf annähernd kons- wicklungen skizziert werden, die durchaus als wahrscheinlich gelten können und kos- tensteigernd auf die EEG-Umlage wirken. Dazu zählt insbesondere der stärkere Zu- bau von Windenergie an Land in den Jahren 2017 und 2018 sowie im Bereich kleinerer Solaranlagen außerhalb der Ausschreibung. Außerdem werden die Volllaststunden im Bereich der Windenergie höher eingeschätzt, zugleich sinken die Kosten der Technologi- en hier etwas moderater. Außerdem wird ab dem Jahr 2018 der Strompreis auf einem Ni- veau von 15 €/MWh festgeschrieben und von niedrigen Marktwerten [4] ausgegangen. In einem weiteren Szenario werden mög- liche Entwicklungen skizziert, die kosten- Abb. Vergleich der jährlichen Gesamtförderkosten in allen Szenarien (in Mrd. €) Quelle: Eigene Berechungen mindernd auf die EEG-Umlage wirken. Dazu ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 66. Jg. (2016) Heft 12 31
ZUKUNFTSFRAGEN tantem Niveau. Die hinzukommenden Kos- noch einmal merklich an. Nur im niedrigen Zum einen werden unterschiedliche Wer- ten für Neuanlagen belaufen sich auf rund Szenario wird der Kostenanstieg ab etwa tigkeiten von Strom (z. B. solchen aus gesi- 3,3 Mrd. €. Die steigenden Strompreise 2020 durchbrochen. Deutlich wird aber cherter Leistung, Flexibilitätsoptionen oder werten den Strom aus Bestandsanlagen au- auch die Unsicherheit über die tatsächlichen der normative Wert von Grünstrom) nicht ßerdem um rund 1,5 Mrd. € auf. In diesem Entwicklungen. Schon die Spannbreite der in Preisen abgebildet. Würde bspw. eine Ab- Szenario dürfte damit der Peak der För- hier betrachteten Szenarien ist recht groß. sicherung von als „Rund-um-die-Uhr“ ver- derkosten innerhalb des betrachteten Zeit- Die Vielzahl an Parametern, die in der Ab- kauftem Strom notwendig sein, dürfte das raums erreicht werden. Von da an ist davon schätzung der Förderkosten und damit der die Strompreise an den Terminmärkten sta- auszugehen, dass immer mehr Anlagen aus EEG-Umlage wechselwirkend zum Tragen bilisieren. Umgekehrt verursachen erneuer- der Förderung gehen und die Kosten neuer kommen, macht eine verlässliche Vorhersage bare Energien eine Reihe von Systemkosten, Anlagen weiter sinken. Von sinkenden För- kaum möglich. Das ist gerade im Hinblick auf die zunehmend weder in den Förderkosten derkosten kann noch schneller ausgegangen das Investitionsklima für Unternehmen, die noch im Börsenstrompreis, sondern in den werden, sollte sich der Strompreis nach dem auf den Produktionsfaktor Strom angewiesen Netzentgelten sichtbar werden. Erneuerbare vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie sind, kritisch zu betrachten. Energien müssen zunehmend die gleichen noch weiter stabilisieren. Verantwortlichkeiten und Risiken tragen, Langfristig Hand in Hand: wie andere Marktteilnehmer auch. EEG-Umlage auch in zehn Förderausstieg und Jahren jenseits der 7,5 ct neue Marktregeln Ein Ausstiegsszenario, in dem ein Auslaufen des EEG mit neuen Marktregeln verschränkt Die EEG-Umlage steigt nach den hier zu- Auf einen Teil dieser Unsicherheit kann der wird, ist bisher nirgendwo skizziert, ist aber grunde gelegten und abgeschätzten Kosten- Gesetzgeber seit dem EEG 2017 zunehmend zu diesem Zeitpunkt unbedingt geboten, um kategorien im Regierungsszenario um rund Einfluss nehmen: Dazu gehören das Aus- allen beteiligten Marktakteuren frühzeitig 2,25 ct/kWh auf 8,60 ct/kWh in 2020 und bautempo, das er weitestgehend über die Um- Investitionssicherheit zu signalisieren. Bis um 2,39 ct/kWh auf 8,74 ct/kWh in 2025. stellung aus Ausschreibungen kontrollieren dahin spricht vieles dafür, die EEG-Umlage Dabei entfallen bis 2025 rund 1,22 ct/kWh kann. Eine Restunsicherheit bleibt zweifels- zu begrenzen und entweder teilweise oder netto (also unter Berücksichtigung aus- ohne bei Übergangsbestimmungen oder aber ganz anders zu finanzieren, damit sich de- scheidender Förderberechtigungen) auf die bei von der Ausschreibung ausgenommenen ren allokative Fehlanreize (z. B. Verteilungs- hinzukommenden Neuanlagen und 0,31 ct/ Segmenten wie kleineren PV-Anlagen. Die- wirkungen zwischen Verbrauchern oder kWh auf die ab 2018 niedriger angesetzten se offenen Flanken sollten besser adressiert auch Investitionsentscheidungen in Erzeu- Börsenstrompreise. Die Liquiditätsreserve werden, um – wenn auch kleine – Spielräu- gungsanlagen) mit einem Anstieg der För- beträgt rund 0,8 ct/kWh, wobei davon aus- me der Kostenbegrenzung zu nutzen. derkosten nicht weiter verschärfen. gegangen wird, dass diese ab 2018 stets be- nötigt wird, beziehungsweise sich über die Andere Faktoren wie die Frage nach Kos- Anmerkungen Zeit neutralisiert, so dass keine Vorjahres- tenentwicklungen einzelner Technologien ausgleiche berücksichtigt werden. kann der Gesetzgeber nicht unmittelbar be- [1] Alle Annahmen und Erläuterungen können entnom- einflussen. Durch die Einführung von Aukti- men werden: Chrischilles, E.: EEG 2017: Eine Kostenab- Im Szenario „hoch“ liegt die EEG-Umlage onen wurde auf einen besseren Wettbewerb schätzung, Mögliche Entwicklungen der Förderkosten 2020 mit 9,7 ct/kWh sogar 3,35 ct/kWh und damit schnellere Kostensenkungen in bis 2020 und 2025, Gutachten im Auftrag der VhU, über dem heutigen Niveau. 2025 sind es mit den entsprechenden Technologiesparten UVN und EID. Köln 2016. 10,02 ct/kWh rund 3,67 ct/kWh mehr. 2025 hingewirkt. Welche Kostensenkungspoten- [2] Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB): Prognose der entfallen dabei rund 1,89 ct/kWh der Mehr- ziale Auktionen hier tatsächlich realisieren EEG-Umlage 2016 nach AusglMechV. 2015. kosten auf Neuanlagen und 0,8 ct/kWh auf können oder aber ob diese zunächst durch [3] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die weiter sinkenden Strompreise. Im Sze- Risikoaufschläge konterkariert werden, (BMWi): Gesetz zur Einführung von Ausschreibungen nario „niedrig“ steigt die EEG-Umlage nur bleibt abzuwarten. Zukünftig könnten darü- für Strom aus Erneuerbaren Energien und zu weiteren um weitere 1,19 ct/kWh auf 7,54 ct/kWh ber hinaus auch sukzessive technologieof- Änderungen des Rechts der Erneuerbaren Energien, und verharrt bis 2025 auf diesem Niveau. fene Ausschreibungen zur Maßgabe der 2016 (Drucksache 355/16) sowie BMWi: EEG 2016: Auf die Neuanlagen entfallen dabei rund Förderung werden – damit würde auch der Ausschreibungsvolumen für Wind an Land. Eckpunk- 0,88 ct/kWh, die weiter sinkenden Strom- Wettbewerb zwischen einzelnen Technolo- tepapier, 2016. preise entlasten die EEG-Umlage hingegen giesparten angereizt. [4] ÜNB: Mittelfristprognose zur deutschlandweiten um 0,43 ct/kWh. Stromerzeugung aus EEG geförderten Kraftwerke für Der zentralste Faktor bei der Frage der Höhe die Kalenderjahre 2016 bis 2020. 2015. Stromverbraucher dürften sich in den nächs- der Förderkosten ist mit Abstand der Strom- ten Jahren folglich mit eher steigenden För- preis. Die aktuell niedrigen Preise sind ei- E. Chrischilles, Senior Economist im Kom- derkosten für erneuerbare Energien konfron- nerseits Ausdruck von europaweiten Über- petenzfeld Umwelt, Energie, Infrastruktur, tiert sehen. In allen drei der hier betrachteten kapazitäten, andererseits aber auch von Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Köln Szenarien steigen die Förderkosten bis 2020 nicht funktionierenden Preismechanismen. chrischilles@iwkoeln.de 32 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 66. Jg. (2016) Heft 12
ZUKUNFTSFRAGEN MEINUNGEN & FAKTEN ZUKUNFTSFRAGEN Versorgungssicherheit – eine weitgehend nationale Aufgabe! „Versorgungssicherheit wird europäisch gewährleistet“, so heißt es im Impulspapier „Strom 2030 – Langfristige Trends, Auf- f gaben für die kommenden Jahre“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Aber kann der europäische Binnenmarkt für Strom die Lösung für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Deutschland sein? Diese Frage stellt sich insbesondere bei hohen Netzlasten, so bei Kälte und Dunkelflaute. Am 5.2.2015 erreichte der gesamte Strom- bedarf im Gebiet von ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity) den Höchstwert [1]. Die grau- en Balken der Abbildung zeigen die Strom- nachfrage in Deutschland und seinen Nach- barländern an diesem Tag. Der Vergleich mit den Höchstlasten in den einzelnen Ländern (gelbe Balken) lässt keinen nennenswerten Unterschied erkennen. Das bestätigt die Aus- sage einer Studie von Prognos zur grenzüber-r schreitenden Versorgunssicherung, die „eine hohe Ähnlichkeit der Verbrauchsmuster und somit eine enge zeitliche Korrelation des ho- hen Leistungsbedarfs“ feststellt [2]. Abb. Last und Höchstlast in Deutschland und seinen Nachbarländern Quelle: entso-e; eigene Darstellung Als dunkelblaue Balken sind die Kapazitäten der Wärmekraftwerke dargestellt, im Wesent- t lichen Kernkraft, Kohle und Gas. Von diesen ner käme aus deutscher Sicht Frankreich Anmerkungen Anlagen gelten aufgrund plan- oder außer- r in Frage, wobei die Nachfrage auch dort bei planmäßiger Stillstände meist nur etwa 90 % Kälte und Dunkelflaute sehr hoch ist. Dazu [1] ENTSO-E-Gebiet: AT, BA, BE, BG, CH, CY, CZ, DE, als sicher verfügbar. Die hellblauen Balken trägt auch der relativ hohe Anteil von Heiz- DK, EE, ES FI, FR, GB, GR, HR, HU, IE, IS, IT, LT, LU, LV, zeigen die Wasserkraft, die allerdings im Win- strom bei. Zudem treten jüngst vermehrt ME, MK, NI, NL, NO, PL, PT, RO, RS, SE, SI, SK. ter nur eingeschränkt verfügbar ist, weil Flüs- technisch bedingte Stillstände von Kern- [2] Hobohm, J.; Ess, F.; Rosser, S.; Ziegenhagen, I.: Ver- r se in Kälteperioden nur wenig Wasser führen. kraftwerken auf, wie die aktuelle Bericht- sorgungssicherheit europäisch denken – Chancen und erstattung zeigt [3]. Demzufolge ist auch in Voraussetzungen einer intensivierten europäischen Die Darstellung zeigt, dass sicher verfügba- Frankreich Leistung tendenziell knapp. Integration der Strom- und Leistungsmärkte, Berlin/ re Kapazität in Deutschland und den Nach- Basel 2015. barländern tendenziell knapp ist. Das gilt Versorgungssicherheit [3] Spiegel Online: Atomaufsicht ordnet Abschaltung insbesondere dann, wenn man die bekann- bleibt weitgehend eine von fünf Reaktoren an. Hamburg 19.10.2016, http:// ten Pläne zur Stilllegung von Kapazitäten, nationale Aufgabe www.spiegel.de/wissenschaft/technik/frankreich- z. B. in Deutschland, den Niederlanden und atomaufsicht-ordnet-abschaltung-von-fuenf-reaktoren- Frankreich, mit einbezieht. Versorgungssicherheit bleibt also weitge- an-a-1117287.html; Bilanz: Die Schweiz muss ihre hend eine nationale Aufgabe. Deutschland Stromlücke schliessen. Zürich 4.11.2016, http://www. Ein „Schwergewicht“ wie Deutschland kann wird über viele Jahrzehnte zwei Systeme für bilanz.ch/unternehmen/die-schweiz-muss-ihre-strom- sich beim Thema Versorgungssicherheit die eine Aufgabe brauchen, nämlich die si- luecke-schliessen-764282 also kaum auf die relativ kleinen Nachbarn chere, wirtschaftliche und zunehmend CO2- verlassen. Als einzig leistungsfähiger Part- arme Stromversorgung. „et“-Redaktion ENERGIENEWS ONLINE: www.et-energie-online.de ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 66. Jg. (2016) Heft 12 33
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