Eine Frau mit Konturen - SBK

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Eine Frau mit Konturen - SBK
International Year of the Nurse

Wahrnehmung von Florence Nightingale in schweizerischen Pflegezeitschriften

Eine Frau mit Konturen
      Florence Nightingale, deren Geburtstag sich am 12. Mai 2020 zum 200. Mal jährt, war in der
      Schweiz keine Unbekannte. In Pflegezeitschriften war die «Dame mit der Lampe»
      ­wiederholt Thema. Es gibt viele Verbindungen zu Henry Dunant, dem Begründer des Roten
       Kreuzes. Einige Trouvaillen geben Einblick in Nightingales Leben.

      Text: Sabine Braunschweig

                                                                                                                                             wik ime dia .or g
      Blättert man frühere Ausgaben von Pflegezeitschrif-
      ten durch, stösst man in regelmässigen Abständen
      auf Florence Nightingale. Schon in der allerersten
      Ausgabe der 1908 gegründeten Blätter für Kranken-
      pflege (BfK; der heutigen «Krankenpflege») platzier-
      te der Redaktor die Nachricht, dass König Edward
      VII. von England der 88-jährigen Florence Nightin­
      gale als erster Frau den Verdienstorden für ihren
      Einsatz im Krimkrieg (1854 – 1856) überreicht hatte.
      Auf der Krim hatte sie im Auftrag der britischen Re-
      gierung die Aufgabe übernommen, im Militärspital
      von Skutari mit 38 freiwilligen Helferinnen die Ver-
      wundetenpflege zu organisieren. Kenntnisse in Kran-
      kenpflege hatte sie sich unter anderem bei den Diako-
      nissen in Kaiserswerth angeeignet. Als sie in London
      1853 die Leitung eines Pflegeheims für alleinstehende
      Damen übernahm, vertiefte sie sich auch in Organisa-
      tionsfragen. So war sie prädestiniert für die Verbesse-
      rung der Verwundetenhilfe.

      Der Nimbus «The Lady with the Lamp»
      Als in einer Londoner Zeitung 1855 eine Darstellung
      Nightingales erschien, wie sie während der Nacht mit
      einem Öllämpchen in der Hand die Patienten auf den
      Stationen besuchte, entstand ihr Nimbus und ihr Ehren-
      name «The Lady with the Lamp». Die Kehrseite ihres
      unermüdlichen Engagements zeigte sich, als sie selbst
      schwerstens erkrankte. Auch nach ihrer Rückkehr nach
      London, wo sie als Heldin der Krim gefeiert wurde, genas
      sie nie mehr ganz.
      Trotz ihrer gesundheitlichen Beschwerden widmete sie
      sich zeitlebens sozialwissenschaftlichen Studien, befass-
      te sich u. a. mit Fragen der Pflegeausbildung, dem Bau von
      Krankenhäusern, der Armenfürsorge und dem Aufbau des
      Sanitätswesens in Britisch-Indien. Um ihre statistischen
      Untersuchungen darzustellen, entwickelte sie ein Kreis-
      diagramm mit unterschiedlichen Radiuslängen. In der Sta-             Florence Nightingale im Jahr 1850, gezeichnet von ihrer musisch
      tistik gilt Nightingale heute als Erfinderin dieses Polar-           ­begabten Schwester Parthenope Nightingale.
      Area-Diagramms.

      Krankenpflegeschulen in London und Lausanne                          Autorin
      Ihre 1860 in London gegründete «Nightingale School of Nur-             Sabine Braunschweig arbeitet als promovierte Historikerin und
      sing» wird immer wieder als weltweit erste moderne Ausbil-             Erwachsenenbildnerin im eigenen Büro für Sozialgeschichte in
                                                                             Basel. Weitere Informationen auf www.sozialgeschichte-bs.ch
      dungsinstitution genannt, was allerdings nicht ganz richtig

16    Krankenpflege | Soins infirmiers | Cure infermieristiche   01 2020
Eine Frau mit Konturen - SBK
NIGHTINGALE SCHOOL OF NURSING

                                                                                 «La Source» ist ein Jahr älter

                                                                                                                                                          wissen.ARD.de
ist. Denn bereits ein Jahr früherer errichtete Valérie de Gas-
parin in Lausanne mit «La Source» eine Pflegeausbildungs-
Schule mit ähnlichen modernen Zielen (s. Box rechts)

Im hohen Alter von 90 gestorben
Im für die damalige Zeit ausserodentlich hohen Alter von
90 Jahren starb Florence Nightingale am 13. August 1910.
Gleich in der Septembernummer der BfK schrieb die Verfas-
serin mit den Initialen M. S. einen ausführlichen Nachruf über                   Florence Nightingale als Beraterin an der von ihr initiierten Kran-
«die Begründerin der modernen Krankenpflege». Sie rekapi-                        kenpflegeschule am St. Thomas Hospital in London, um 1870.
tulierte ihre Lebensstationen und reihte ihren Namen und
ihre Taten in die Geschichte ein.                                                Zur Ausbildung von Pflegepersonal initiierte Nightingale
Es mag erstaunen, dass in der Zeitschrift «Das Rote Kreuz»                       1860 die noch heute bestehende Krankenpflegeschule am
kein Nachruf zu Nightingale erschien, die im gleichen Jahr                       St. Thomas’ Hospital in London. Auch wenn die Nightingale
                                                                                 School of Nursing als weltweit erste moderne Ausbildungs-
                                                                                 institution genannt wird, ist das nicht ganz richtig. Denn in
                                                                                 Lausanne gab es seit 1859 die von Valérie de Gasparin
                                                                                 (1813–1894) errichtete La Source mit der ähnlichen Zielset-
                                                                                 zung, jungen Frauen ohne kirchliche Anbindung eine Pfle-
        Ihre Augen glühten, ihre Stimme                                          geausbildung zur freien Berufsausübung zu ermöglichen.
                                                                                 Beide Gründerinnen hatten vergleichbare Ansichten über
        wurde klangvoll und hinreissend.                                         die professionellen Erfordernisse, die Freiheit und die per-
                                                                                 sönliche Verantwortung einer Krankenschwester. Sie müs-
                                                                                 sen ähnlich «waghalsig, furchtlos, hartnäckig, grosszügig»
                                                                                 gewesen sein, schrieb Pierre Jaccard 1949 in der Hauszei-
                                                                                 tung La Source sowie in in den Blättern für Krankenpflege.
starb wie Henry Dunant, Gustave Moynier und Alfred Mürset.                       Die Redaktion der Schweizerischen Blätter für Krankenpfle-
Diese drei wichtigen Exponenten der Rotkreuz-Bewegung in                         ge übernahm zum Jubiläum der Nightingale-Schule 1960
der Schweiz wurden mit Foto und Worten gewürdigt. Der Tod                        den Artikel «One Hundred Years ago» von Lucy Ridgely-Sey-
Nightingales fand nur Erwähnung im Protokoll des Schwei-                         mer aus dem «American Journal of Nursing». Es war eine
zerischen Samariterbundes (SSB), das jeweils abgedruckt                          häufige Praxis, dass Schweizer Zeitschriften Beiträge aus
wurde. Der Protokollführer hielt den Verlust der «berühmten                      anderen in- und ausländischen Zeitungen abdruckten.
Samariterin» und des Ehrenmitglieds Florence Nightingale
fest. Ja, sie war Ehrenmitglied des Samariterbundes!

Ehrenmitglied des Samariterbundes
Wie Nightingale zu dieser Ehre kam, beschrieb Dr. E. Jordi 1
in Bern in drei Artikeln der Rotkreuzzeitschrift: Ein Jahr              er direkt in der Wohnung in der Nähe des Hyde Park abgeben
zuvor, 1894, war hier ein aus der Schweiz. Frauen-Zeitung               sollte. Das wirkte und er erhielt einen Termin auf Mittwoch,
übernommener Artikel über Nightingales Lebenswerk und                   den 17. Juli 1895, abends um 5 Uhr, kurz vor seiner Abreise.
ihre Bücher «Notes on Nursing» und «Notes on Hospitals»
erschienen. Diese Schilderung hatte die Samariter so beein-             «Priesterin der Volkswohlfahrt»
druckt, dass sie an der Delegiertenversammlung vom 16. Juni             Er wurde «mit der herzlichsten Liebenswürdigkeit» empfan-
1895 in Burgdorf beschlossen, neben Henry Dunant auch                   gen. Nightingale dankte dem SSB «angelegentlichst» für die
Florence Nightingale zum Ehrenmitglied des Schweizeri-                  ihr erwiesene Ehrung. Trotz ihrer 75 Jahre sei sie «eine statt-
schen Samariterbunds zu ernennen.                                       liche, würdevolle Erscheinung», aus ihrem Gesicht spreche
Sie gestalteten eine schöne Urkunde, unterzeichnet vom Prä-             «Friede, Menschenliebe, Idealismus», schwärmte Dr. Jordi.
sidenten und dem Sekretär. Es war Dr. Jordis Wunsch, auf                Als sie beide auf den «edlen Beruf der Krankenpflegerin, als
einer seiner Reisen dieses Papier dem neuen Ehrenmitglied               Miterzieherin des Volkes, als Priesterin der Volkswohlfahrt»
in London direkt zu übergeben. Er wusste, dass Nightingale              zu sprechen kamen, «da richtete sie sich immer weiter auf
sehr gebrechlich und sehr vielbeschäftigt war und das Risiko            und ihre Augen glühten, ihre Stimme wurde klangvoll und
bestand, dass er trotz einer Empfehlung von Henry Dunant                hinreissend». Als der Gast um 18 Uhr gehen wollte, wurde
nicht zu ihr zugelassen würde. Schliesslich gab ihm die Prä-            ihm Tee serviert und das Gespräch wurde «immer lebhafter
sidentin des britischen Vereins für Gemeindekrankenpflege-              und interessanter», bis Dr. Jordi um 19 Uhr aufbrechen muss-
rinnen «einen etwas kategorischen Empfehlungsbrief», den                te, um den Nachtzug nicht zu verpassen. Von seiner dreiwö-
                                                                        chigen Reise nach Paris und London sei der Besuch bei Nigh-
                                                                        tingale «das Schönste und Wertvollste» gewesen. Er war so
1    r. Emil Jordi hat seinen Namen später in «Jordy» geändert.
    D
    Etliche Zeitgenossen haben manchmal ihre i zu y gemacht, wie auch   beeindruckt von ihr, dass er noch einen dritten Artikel für
    Henri später Henry Dunant.                                          die Zeitschrift «Das Rote Kreuz» schrieb.

                                                                                01 2020   Krankenpflege | Soins infirmiers | Cure infermieristiche   17
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                                                                                                              Weltweit als Heldin der Krim und Begründerin
                                                                                                              der modernen Krankenpflege verehrt.

                                                                                                          Roten Kreuzes brachte. In der Tat geht
                                                                                                          aus seinen persönlichen Aufzeichnun-
                                                                                                          gen hervor, dass er neben seiner Mut-
                                                                                                           ter auch von Florence Nightingale und
                                                                                                           zwei weiteren Persönlichkeiten beein-
                                                                                                           flusst worden war. Die eine war Har-
                                                                                                   riet Beecher-Stowe, Autorin von Onkel Toms
                                                                                   Hütte, und die andere Elizabeth Fry, Quäkerin und Reforme-
                                                                                   rin des Gefängniswesens.

              Florence Nightingale mit einer Öllampe nachts bei den verwundeten    «Vom gleichen Geist beseelt»...
              Soldaten auf Skutari, um 1855. Berühmt wurde «The Lady with the      Anlässlich der 100. Wiederkehr der Schlacht bei Solferino
              Lamp» auch durch ein Gedicht des US-Dichters Henry W. Longfellow.
                                                                                   widmete das SRK die Maiausgabe seiner Zeitschrift 1959 ver-
                                                                                   schiedenen Facetten Dunants. Im Artikel «Henri Dunant und
                                                                                   Florence Nightingale» schälte Jean G. Lossier, der damalige
              Florence Nightingale und Henry Dunant                                Chefredaktor der Revue internationale de la Croix-Rouge,
              In diesem ebenfalls 1895 erschienenen Text ging Dr. Jordy            heraus, worin die gemeinsamen Wesenszüge und die unter-
              auf die Verbindung von Nightingale und Dunant ein. Er zi-            schiedlichen Ziele dieser zwei bedeutenden Zeitgenossen des
              tierte aus dem Vortrag, den Henry Dunant 1872 in London              19. Jahrhunderts bestanden. Beide waren «vom gleichen Geist
              über das Werk des Roten Kreuzes gehalten hatte und wo er             beseelt (…) Beide besassen auch denselben standhaften Glau-
              sich auf Nightingale bezog: «Vor allem muss ich bemerken,            ben, der ihr Leben bis zum Ende von einer einzigen, immer
              dass ich für das Werk des Roten Kreuzes begeistert worden            gebieterischen und immer gleichbleibenden Idee beherrscht
              bin durch Miss Florence Nightingale und ihre der englischen          sein lässt, denen zu helfen, die leiden und zu diesem Zweck,
              Armee in der Krim geleisteten unschätzbaren Dienste.» Er sei         Institutionen ins Leben zu rufen und neue Sitten und Gebräu-
              bestrebt gewesen, ihrem Beispiel zu folgen, als er während           che einzuführen».

                                                                                   ... aber unterschiedliche Ansichten und Wege
                                                                                   Doch die Unterschiede seien offensichtlich: Nightingale fo-
                                                                                   kussierte vor allem auf die nationale Ebene, während Du-
                                                                                   nants Visionen über die Grenzen der Nationen hinausgingen.
              Ich bin für das Werk des Roten Kreuzes                               Als Dunant ihr sein Büchlein «Eine Erinnerung an Solferino»
                    begeistert worden durch Miss                                   zugeschickt hatte, liess ihre Antwort erkennen, dass sie zwar
                                                                                   die Idee einer ständigen Hilfsgesellschaft für die Verwunde-
                 Florence Nightingale und ihre der                                 ten in Kriegszeiten billigte, doch nicht glaubte, dazu eine
                   englischen Armee in der Krim                                    internationale Gesellschaft ins Leben rufen zu können. Sie
                                                                                   vertrat die Meinung, dass die einzelnen Regierungen selbst
                 geleisteten unschätzbaren Dienste.                                verpflichtet seien, die Verwundetenhilfe zu organisieren.
                                                                                   Wenn man ihnen diese Verantwortung abnehme, so gäbe
                                                                                   man ihnen noch «grössere Möglichkeiten, neue Kriege zu
                                                                                   unternehmen», meinte sie und führte an, dass die Militärbe-
                                                                                   hörden in England bereits das nötige veranlasst hätten. Es
              des italienisch-österreichischen Kriegs 1859 «die körperliche        tue ihr leid, «der Begeisterung eines Menschenfreundes Ein-
              und seelische Not der unglücklichen Opfer der grossen                halt zu gebieten».
              Schlacht von Solferino» zu lindern versuchte. «Als der Be-           Doch darin hatte sich Nightingale getäuscht. Ein Jahr später,
              gründer des Roten Kreuzes und der diplomatischen Genfer              1864, wurde die erste Genfer Konvention, das grosse Projekt
              Konvention wage ich es, ihr meine Huldigung darzubringen.            Dunants, von zahlreichen Staaten unterzeichnet und der
              Miss Florence Nightingale gebührt die Ehre dieser menschen-          Grundstein des IKRK gelegt.
              freundlichen Konvention,» zitierte Dr. Jordy weiter.                 Ein Vergleich von Nightingale und Dunant ist naheliegend,
              In ihrer Antwort dankte Nightingale Dunant für den zuge-             hatten doch beide ein sehr ähnliches Lebensschicksal und
              schickten Vortrag und für die «Güte, mit welcher Sie meinen          engagierten sich für das Los der Verwundeten im Krieg, doch
              geringen Namen mit dem grossen Werke in Verbindung brin-             sie wählten unterschiedliche Wege, um Verbesserungen zu
              gen. (…) Ihre Güte wird mir verzeihen, nur diese wenigen             erreichen. Dies schrieb Pierre Boissier in der Zeitung «The
              armen Worte zu schreiben,» und ergänzte, dass ihre Nichte,           Swiss Observer», Organ der Vereinigung der Schweizer Ge-
              die Tochter ihrer Schwester Parthenope am Vortag gestorben           sellschaften in Grossbritannien, im Mai 1970. Während Du-
              sei. Sie entbot ihm ihre «grösste Bewunderung».                      nant am Anfang des Roten Kreuzes stehe, gelte Nightingale
              Aus dem Vortragsmanuskript könnte man schliessen, dass es            als Begründerin des modernen Sanitätsdienstes der briti-
              Florence Nightingale war, die Henri Dunant auf die Idee des          schen Armee und wichtige Fördererin der Krankenpflege.

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Elsie Attenhofers preisgekröntes Theaterstück «Die Lady mit der Lampe»

«Jeanne d’Arc des bürgerlichen Zeitalters»
Die Kabarettistin, Schauspielerin und Autorin Elsie Attenhofer gewann mit dem Stück
«Die Lady mit der Lampe» einen Theaterwettwerb. Sie lüftete auf der Bühne den «nebulösen Schleier»
der «sanften Samariterin».

                                                                                                                                                  Stadtarchiv Zürich, Elsie Attenhofer, VII.228, Schachtel 112.
Die Uraufführung des Theaterstücks «Die
Lady mit der Lampe» fand am 21. Juni 1958
im Schauspielhaus Zürich statt, erwähnten
die Schweizerischen Blätter für Kranken-
pflege. Die bekannte Kabarettistin, Schau-
spielerin und Autorin Elsie Attenhofer
(1909 – 1999) hatte sich mit 41 anderen
Schweizerinnen am Theaterwettbewerb der
Schweizerischen Ausstellung für Frauenar-
beit (SAFFA) beteiligt und den ersten Preis
gewonnen. Oskar Wälterlin, der als Direktor
des Schauspielhauses die Jury präsidierte,
hatte zugesagt, das Werk auf die Bühne zu
bringen.

«Glanz und Trauer»
Zur Einführung schrieb Attenhofer im Pro-
grammheft, dass sie sich schon lange mit
der Figur von Nightingale beschäftigte.
«Mich lockte der Versuch, Leben und
Schicksal, Glanz und Trauer dieser Frau auf     Szene aus dem Theaterstück «Die Lady mit der Lampe» von Elsie Attenhofer, die 1959 in
die Bühne zu bringen.» Von der Schule her       Osnabrück die Hauptrolle der Florence gleich selbst spielte.
hatte sie sie «als milde, gütige Gestalt, als
aufopfernde Krankenschwester» im Gedächtnis behalten,             Herbert, Staatssekretär der britischen Regierung und Förderer
doch sei Nightingale «in Tat und Wahrheit interessanter und       von Nightingale, sowie Soldaten und Pflegerinnen. Sorgfältig
schwieriger, als ihre durch die Überlieferung mancher Kon-        charakterisierte Attenhofer die Hauptpersonen. Florence sei
turen beraubte Gestalt es vermuten» liesse. Sie sei «wie eine     «schön, klug, gebildet, witzig». Da sie ihren Tätigkeitsdrang
Jeanne d’Arc des bürgerlichen Zeitalters (…) Auch sie kämpf-      zu lange nicht leben durfte, litt sie oft an Erregungszustän-
te gegen Aberglauben und die Trägheit des Herzens – in an-        den, die bis zu Hysterie führen konnten. Perioden von Apathie
derer Form freilich als jene, in Spitälern mehr als auf dem       wechselten mit Betriebsamkeit oder nervöser Gereiztheit.
Schlachtfeld, mit Statistiken mehr als mit dem Schwert. Flo-      Die Darstellerin dieser Rolle sollte vor allem im 1. Bild die
rence Nightingales Tragödie ist unsichtbarer als diejenige der    Zwiespältigkeit ihres Wesens zeigen. In den Monologen im
Heiligen Johanna – sie verbrannte nicht in fremden Feuern.»       5. und 6. Bild müssten Attenhofer zufolge die sowohl fanati-
Auch andere weibliche Vorbilder verschwänden «allzu achtlos       schen wie hinreissenden Züge ihres Charakters zum Aus-
im Dunkel der Vergessenheit oder in einem kärglichen Lexi-        druck kommen.
kondasein» schrieb Attenhofer, «Nightingale dürfte durchaus
aus der Versenkung hervorgeholt und aus dem nebulösen             Lob für gut ausgewogene Ensembleleistung
Schleier der sanften, hingebungsvollen Samariterin heraus-        Dies scheint der Schauspielerin Rosemarie Gerstenberg, die
gewickelt werden». Sie sei ihrer Zeit weit voraus gewesen,        vom Hamburger Thalia-Theater kam, in der Titelrolle gelun-
«behaftet mit allen Licht- und Schattenseiten der genialen        gen zu sein. Sie habe «das Herbe in der Anmut, die nahezu
Persönlichkeit».                                                  militärische Strenge in der weiblichen Güte, die Demut in der
Es war Attenhofers Anliegen, «die üblichen Vorurteile von         noblen Überlegenheit wunderbar» gespielt, schrieb ein Kriti-
der ‹Unerfülltheit der unverheirateten Frau› etwas zurechtzu-     ker. In der Presse wurden die Regie von Karlheinz Streibing,
rücken», wie sie in einem Interview im «Vaterland» sagte.         die realistischen Bühnenbilder von Teo Otto, die teilweise
                                                                  sehr schönen Kostüme der Damen von Elisabeth Schmid so-
«Schön, klug, gebildet, witzig»                                   wie die hervorragend besetzten Rollen und die gut ausgewo-
In Attenhofers Nachlass, der sich im Stadtarchiv Zürich be-       gene Ensembleleistung gelobt. Das Publikum spendete gro-
findet, liegt das Manuskript und alle gesammelten Kritiken        ssen Applaus. Es sei in einem guten Sinn Gelegenheitsdichtung,
des Theaterstücks. Die sechs Szenen spielten u.a. im Salon        schrieb ein Kritiker wohlwollend.
der Nightingales, im Kasernenlazarett und im Arbeitsraum          Ein Jahr später, 1959, wurde das Stück «Die Lady mit der
auf der Krim. Das zahlreiche Personal bestand aus Florence        Lampe» im Theater am Dom in Osnabrück ebenfalls erfolg-
Nightingale, ihren Eltern, ihrer Schwester Parthenope, Sidney     reich aufgeführt.

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