Eins, zwei, drei oder ? - Herausforderungen im Mehrhundehaushalt - Tierberatung-Bodensee

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Eins, zwei, drei oder ? - Herausforderungen im Mehrhundehaushalt - Tierberatung-Bodensee
Foto: trio-bildarchiv.de

     Eins, zwei, drei oder …?
     Herausforderungen im Mehrhundehaushalt
                                Von unseren Hunden wird vieles verlangt, was nicht in ihrer Verhaltensnorm enthalten ist. Teilweise
                                steuern die Forderungen sogar gegen die genetischen Anlagen. Um die passenden Erziehungsmass-
                                nahmen zu finden, möchte ich Sie anregen, sich in Ihren Hund zu versetzen. Prüfen Sie, welche
                                Vorteile ihm durch sein Verhalten entstehen und was es ihm bringen könnte, stattdessen Ihre Ideen
                                umzusetzen. In dieser Serie erhalten Sie Anregungen, wie Sie das Verhalten Ihres Vierbeiners zu Ihren
                                Gunsten beeinflussen können.
                                Ein Hund ist kein Hund, zwei Hunde beleben den All-      nasen. Doch dicke Freunde stecken sich auch gerne
                                tag, drei Hunde sind schon fast ein «Rudel». Auf einen   gegenseitig an und entdecken die Welt auf ihre Art.
                                mehr kommt es dann eigentlich auch nicht mehr an.        Der Zweibeiner steht dann nicht selten alleine da und
                                Oder wie sehen Sie das?                                  muss um Beachtung buhlen. Sehr häufig sehen sich
                                                                                         Artgenossen als Konkurrenten um wichtige Ressour-
                                Es gibt zahlreiche Gründe für den Mehrhundehaus-         cen – Ressource Mensch, Ressource Futter, Ressource
                                halt. Manchmal entsteht er ganz überlegt, oft hat es     Ruheplätze. Gehören die Artgenossen zum gleichen
                                sich einfach so ergeben. Die Herausforderungen, die      Geschlecht, kommt die Ressource Paarungspartner
                                ein solcher mit sich bringt, werden aber nicht selten    hinzu. Letztere wird zwar durch Kastration in der Re-
                                unterschätzt und übersehen. Sind die Hunde in der        gel gemildert, diese reicht aber nicht immer aus, um
                                Gruppe dicke Freunde, ist das ganz prima für die Fell-   die Gemüter zu beruhigen.

26   © Schweizer Hunde Magazin 6/18
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ERZIEHUNGSRATGEBER

Unterscheiden sich die Rassetypen der zusammen-           verfolgen und in der Bewegung ausbremsen ist das
gewürfelten Hunde, kann das auf der einen Seite           Hobby dieser Hunde, das sie gegenüber allen «Ob-
Themen abmildern, aber auch ganz neue Themen              jekten» zeigen, die sich hierfür zu eignen scheinen
schaffen. Letzteres passiert vor allem dann, wenn         – so auch andere Hunde. Was Hütehunde unterein-
die Vierbeiner sich aufgrund rassetypischer Eigen-        ander gut nachvollziehen und entsprechend deuten
schaften in Missverständnisse verwickeln, die sich        können, wirkt auf andere Hunde sehr bedrohlich und
immer weiter hochschaukeln. Am Schluss sind das           provoziert Furcht oder Aggression als Antwort.
Alter und der Entwicklungsstand der Vierbeiner aus-
schlaggebend für die Harmonie in der Wohngemein-          Retriever-Typen sowie andere Apportier-, Stöber- und
schaft. Eine Gruppe Welpen ist noch ganz nett, eine       Schweisshunde wurden grösstenteils aus ehemaligen
Gruppe pubertierender Junghunde dagegen kaum zu           Meutehunden heraus selektiert. Neben der jagdlichen
bändigen. Ein Mehrgenerationenhaushalt bringt – je        Veranlagung wurde bei diesen auf Verträglichkeit in
nachdem – etwas Stabilität in die Gruppe. Sicher ist      grossen Gruppen Wert gelegt. Distanzlosigkeit und
allerdings nichts von alldem.                             Körperlichkeit im Sozialkontakt sind diesen Hunden
                                                          grösstenteils geblieben, teils wurde die Eigenschaft
                                                          zugunsten der «Familientauglichkeit» sogar expli-
Gleich und gleich gesellt sich gern                       zit weiter selektiert. Das Verhalten bleibt in vielerlei
                                                          Hinsicht kindlich. Erwachsene Hunde anderer Rasse-
Zahlreiche Hunde blühen im Kontakt und Sozialspiel        typen sind damit schnell überfordert und verlangen
richtig auf, wenn sie auf den gleichen Rassetypus tref-   Respekt und Distanz. Dies ist wiederum für Hunde
fen. Hüte- und Treibhunde, schlappohrige Jagdhunde,       mit kindlicher Veranlagung nur schwer nachvollzieh-
typische Hofhunde wie Bernhardiner, grosse Sennen-        bar und birgt Potenzial für Missverständnisse.
und Herdenschutzhunde, Windhunde und Podencos,
diese und andere Rassetypen entsprechen verschiede-       Kontaktliegen ist unter südlichen Hunderassen völlig
nen Zuchtzielen im Verhalten, die über viele Generati-    normal und gehört zum guten Ton. Am besten liegt es
onen hinweg, zusammen mit der Optik, heraus selek-        sich womöglich auf dem Hund, der einen besonders
tiert wurden. Die Verhaltensspezialisierung wirkt sich    hohen Status hat, denn in der Nähe von diesem wird
nicht nur auf die Nutzung der Hunderassen aus, viele      kaum jemand einen Streit anzetteln wollen. Durch den
der selektierten Eigenschaften zeigen sich auch im So-    zierlichen Körperbau verlieren Windhunde und Poden-
zialverhalten und in den Interessen der Vierbeiner. Mit   cos schneller ihre Körperwärme; Kontaktliegen scheint
den folgenden Beispielen möchte ich Sie anregen, ge-      da eine sinnvolle Lösung zu sein, um sich gegenseitig
nauer hinzusehen. Viele Konflikte unter Hunden ent-       warm zu halten. Andere Rassetypen ist es dagegen eher
stehen durch unterschiedliche Bedürfnisse aufgrund        zu warm, sie sind sehr viel mehr auf Distanz bedacht.
unterschiedlicher Verhaltensausprägungen.
                                                          Bei grossen Hofhunden verhilft ein hoher Status zu ei-       Unten links
Das Hüten und Treiben der hierfür gezüchteten Rasse-      nem guten Beobachtungsposten mit Blick auf alle wichti-      Verschiedene Rasse-
                                                                                                                       typen, verschiedene
typen wird in starker Übertreibung auch im Spiel und      gen Ressourcen. So verstehen sich Molosser untereinan-
                                                                                                                       Hobbys. Während
bei Kontaktaufnahmen gezeigt. Lauern, mit Blicken         der sehr gut, wenn es darum geht, um eine Ressource zu       die beiden ähnlichen
                                                                                                                       Mischlinge im körper-
                                                                                                                       lichen Spiel vertieft
                                                                                                                       sind, fragt sich die
                                                                                                                       Malamute-Berner-Sen-
                                                                                                                       nen-Mix-Hündin, ob
                                                                                                                       sie einschreiten muss,
                                                                                                                       um den Weltfrieden zu
                                                                                                                       bewahren.
                                                                                                                             Foto: Katrin Schuster

                                                                                                                       Unterschiedliche
                                                                                                                       Zuchtziele führen zu
                                                                                                                       Missverständnissen
                                                                                                                       unter Hunden. Bei
                                                                                                                       starken Grössenunter-
                                                                                                                       schieden, wiegen diese
                                                                                                                       doppelt schwer.
                                                                                                                                  Foto: fotolia.de

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Eins, zwei, drei oder ? - Herausforderungen im Mehrhundehaushalt - Tierberatung-Bodensee
diskutieren. Blicke und feine Gesten reichen aus, um den      übrigens anders als bei Wölfen, bei denen eine line-
                                      Besitz zu klären. Ein distanzloser Labrador hat da deutlich   are Rangordnung eher die Ausnahme ist. Hier spielen
                                      mehr Mühe, den Ernst der Lage rechtzeitig zu erkennen.        dann Alter und Geschlecht eine wichtige Rolle, zu-
                                                                                                    sammen mit der Möglichkeit Konflikte zu lösen.
                                      Hunde derselben Rasse oder eines ähnlichen Rasse-
                                      typus verstehen sich entsprechend oftmals besonders
                                      gut. Hobbys wie Jagen, Bewachen und Kontaktlie-               Konfliktlösung im Hundehaushalt
                                      gen werden gemeinsam ausgeführt und fördern das
                                      Gefühl der Gruppenzugehörigkeit. Das heisst jedoch            Die Bewältigung von entstehenden Konflikten ist in
                                      nicht, dass es zwischen diesen keine Reibereien gibt.         einem Hundehaushalt deutlich erschwert. Die Aus-
                                      Solche werden dann durch ähnliche Interessen ange-            bildung einer Rangordnung beinhaltet Umgangsfor-
                                      stachelt, die das Konkurrenzdenken aufleben lassen.           men, die in einer Wohnung nur bedingt umsetzbar
                                                                                                    sind. Stellen Sie sich vor, wie eine Gruppe Wildhunde
                                      Neben den Veranlagungen spielt natürlich auch das             einen Tierkadaver im Wald aufstöbert. Alle wollen
                                      Lernverhalten eine grosse Rolle. Kein Hund ist ein            diesen erkunden, fressen, beanspruchen, einer setzt
                                      reines «Opfer» seiner genetischen Anlagen und kann            sich dabei durch. Doch während dieser bereits frisst,
                                      sein Verhalten an andere Umweltbedingungen an-                kann ein anderer sich vorsichtig anschleichen und
                                      passen. Wachsen Hunde mit anderen Rassetypen                  mit etwas Abstand einen Happen ergattern. Jederzeit
                                      auf, können sie durch Nachahmung und weitere Er-              auf dem Sprung ist es möglich, sofort Distanz zu hal-
                                      fahrungen mit erwachsenen Gruppenmitgliedern ihr              ten, wenn der – in diesem Fall dominante – Hund dies
                                      Verhalten modifizieren und eignen sich dann eher              einfordert. Raum ohne Begrenzungen bietet Hand-
                                      untypische Charakterzüge an.                                  lungsfreiheit. Der Hund kann sich je nach Situation
                                                                                                    unterschiedlich positionieren, jederzeit weichen oder
                                                                                                    von einer anderen Seite näher kommen.
                                      Rangordnung in der Hundegruppe
                                                                                                    Raum ist eine Bedingung, um das passende Verhalten
                                      Tiere mit hohem Rang oder hohem Status sind in der            zeigen zu können, wenn Ansprüche diskutiert werden
                                      Lage, Ressourcen bei Bedarf leichter für sich zu bean-        und dominantes Verhalten eines Hundes Demut und
                                      spruchen und den freien Zugang zu diesen einzuschrän-         Respekt von anderen erfordert.
                                      ken. Hunde, die diesen Anspruch akzeptieren, verhal-
                                      ten sich unterwürfig, demütig, respektvoll. Eine lineare      Während der Futterzubereitung im Hundehaushalt
                                      Rangordnung entfällt jedoch, wenn der Anspruch an             konzentriert sich die Aufmerksamkeit aller Hunde auf
                                      Ressourcen aufgrund rassespezifischer Interessen sehr         den Menschen, der die Schüsseln füllt. Verschiedene
                                      unterschiedlich ausfällt. So mag ein Windhund dem             Einrichtungsgegenstände, Wandbegrenzungen und
                                      Labrador jederzeit alles Futter überlassen, ohne das je       enge Durchgänge lassen es nicht zu, die Ressource im
                                      in Frage zu stellen, hat aber beim Anspruch auf einen         Blick zu halten und gleichzeitig gegenüber den Artge-
                                      Paarungspartner die Nase vorn. Ein Hütehund findet            nossen Distanz zu wahren. Die zunehmende Aufre-
                                      die Ressource Mensch besonders wichtig, teilt diesen          gung und Frustration, weil die Ressource noch nicht
                                      ungern mit anderen Vierbeinern. Ein Chow-Chow im
                                      selben Haushalt ist darüber vielleicht eher noch froh, da
                                      er lieber Distanz wahrt und eigenständig ist. Dagegen
                                      kann er einzelne Räume als Ressource beanspruchen
                                      und den Zugang zu diesen verwehren.
     Rechts
     Ruhiges Warten vor               Typische Rangordnungsfragen wie: Wer frisst zuerst?
     dem Ausgang und kon-
                                      Wer beansprucht strategisch günstige Plätze? Wer in-
     trolliertes Passieren
     von Engstellen senkt             itiiert vermehrt Kontakte mit Sozialpartnern? sind
     das Konfliktpotenzial            aus dieser Sicht völlig bedeutungslos, wenn unter-
     zwischen den Hunden              schiedliche Hundetypen zusammenleben. Hier gibt
     und erhöht die
                                      es jeweils eine situationsbezogene Rangordnung. Un-
     Kontrollierbarkeit beim
     Spaziergang.                     ter Hunden des gleichen Rassetypus kann es eher zur
             Foto: Katrin Schuster   Ausbildung linearer Dominanzverhältnisse kommen,

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ERZIEHUNGSRATGEBER

                                                                                                                      Ähnliche Hunde-
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                                                                                                                      oft besonders gut.
                                                                                                                      Gleiche Interessen
                                                                                                                      provozieren aber auch
                                                                                                                      Konkurrenzsituationen
                                                                                                                      und können dadurch
                                                                                                                      Konflikte auslösen.

                                                                                                                      Links
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                                                                                                                      Unterschiedliche
                                                                                                                      Temperamente brin-
                                                                                                                      gen unterschiedliche
                                                                                                                      Herausforderungen
                                                                                                                      mit sich.
                                                                                                                               Fotos: fotolia.de

verfügbar ist, sowie die Nähe der Artgenossen schürt      einer heiklen Situation noch Herr der Lage zu sein und
oft ernste Konflikte, die in schweren Attacken enden.     das Zweirad beherrschen zu können. Doch die Klei-
                                                          nen und Feinen sind meist auch die Schnellen und
Auch im Hinblick auf andere Ressourcen spielt die Enge    Zackigen. Hier braucht es Feingefühl beim Gashebel,
der Wohnräume eine wichtige Rolle, wenn es zwischen       um nicht übers Ziel hinauszuschiessen. Grosse und
den Hunden immer wieder aufs Neue «chlöpft» und           schwere Maschinen sind tendenziell träge, brauchen
die Attacken von Mal zu Mal heftiger werden. Manch-       aber mehr Körpereinsatz. Einmal losgelassen, muss
mal ist es nur ein Leckerli, das unter die Kommode ge-    bei ihnen ein längerer Bremsweg eingerechnet werden.
rutscht ist, oder ein Spielzeug das gerade unerreichbar   Nun gibt es natürlich noch die schweren Kleinen und
scheinende Ziel. Oft ist die Aufregung vor dem gemein-    die grossen Schnellen; hier dürfen die Überlegungen
samen Spaziergang der Auslöser für erste Unstimmig-       gerne entsprechend kombiniert werden. Mit Hunden
keiten, oder die Ankunft des Besitzers, wenn die Hunde    ist das recht ähnlich. So ist es hilfreich, diese Gedan-
um die Aufmerksamkeit desselben buhlen.                   kengänge auch bei der Anschaffung eines oder mehre-
                                                          rer Hunde zu berücksichtigen.
Es ist ein zweischneidiges Schwert, wie hier vorzu-
gehen ist. Einerseits ist die Konfliktlösung in Wohn-     Neben der körperlichen und psychischen Fähigkeit,
räumen deutlich erschwert, und es könnte Sinn ma-         einzelne Hunde mit entsprechender Konstitution zu
chen, Konflikte gar nicht erst zu provozieren und als     führen, wird es besonders interessant, wenn mehrere
Mensch die Ressourcenverwaltung zu übernehmen.            Fellnasen kontrolliert werden sollen. Zierliche Renn-
Andererseits sollten die Hunde aber in der Lage sein      semmeln sind zwar möglicherweise leicht zu halten,
Konflikte zu lösen, wenn der Mensch gerade nicht da-      aber sie gehen auch schnell mal ab und lassen kaum
bei ist. Hierfür braucht es Übung und möglicherweise      Reaktionszeit, um die Gedanken zu sortieren. Eher
aufgrund der erschwerten Bedingungen etwas Kreati-        langsamer in Fahrt kommende Schwergewichte brau-
vität und Unterstützung bei der Lösungssuche.             chen auch länger, um auf Signale zu reagieren. Hier
                                                          muss Zeit eingeplant werden. Andererseits: Wenn sie
Wichtig für den Hundehalter ist auf jeden Fall eines:     mal in Fahrt kommen, ist es richtig schwer, ihnen Ein-
Mögliches Konfliktpotenzial bei den einzelnen Hun-        halt zu gebieten.
den zu kennen ist das A und O, um ein entspanntes
Miteinander zu fördern. So ist es möglich, Konflikte      Die Mischung macht’s? Vielleicht! Bedenken Sie aber,
strikt zu umgehen oder die Konfliktlösung mit den         dass diese ganz andere Gefahren mit sich bringen
Fellnasen gezielt zu erarbeiten.                          kann. Die Kleinen und Feinen sind oft impulsiv und
                                                          reagieren bei Konflikten schnell mal etwas über. Die
                                                          Grossen und Schweren brauchen zwar lange, bis sie
Gross und klein, schwer und fein, was hätten              mal etwas sagen, wenn, kann es aber durchaus bitter
Sie denn gern?                                            werden. Sind die Grössenverhältnisse in einem Kon-
                                                          flikt sehr unterschiedlich, ist auch bei kleineren Aus-
Beim Töff-Fahren wird dazu geraten, sich ein Fahr-        einandersetzungen Gefahr im Verzug. Das gilt sogar
zeug zu holen, das man selber noch aufstellen kann,       für spielerische Interaktionen. Kleine Hunde gehen
wenn es mal umfallen sollte. Es geht darum, auch in       schneller «kaputt». >

                                                                                                           © Schweizer Hunde Magazin 6/18           29
Eins, zwei, drei oder ? - Herausforderungen im Mehrhundehaushalt - Tierberatung-Bodensee
Qualitätszeit mit dem Menschen                             leicht unter. Beispielsweise blüht manch ein Hunde-
                                                                                                   rentner noch mal richtig auf, wenn er bei der Erziehung
                                        Werden junge Hunde zu bereits ausgewachsenen und           eines Jungtiers mitwirken darf. Nicht selten sind Senio-
                                        gut erzogenen Vierbeinern hinzugeholt, macht das oft       ren von den jugendlichen Allüren aber auch überfordert
                                        einiges einfacher. Meist schliessen sich die Jungtiere     und auf die Hilfe ihres Menschenfreundes angewiesen.
                                        automatisch dem älteren Artgenossen an und lernen          Mal schnell eine Runde mit den beiden zu drehen wird
                                        nebenbei mit, wie der Alltag so funktioniert. In der       schwierig, wenn der Spagat zwischen den heissblütigen
                                        Gruppe fühlen sich die Kleinen sicher, die Sozialisie-     Facetten des Neulings und dem Bedürfnis nach Routine
                                        rung gelingt leichter. Der Erziehungsaufwand ist in so     und langsamen Erkundungsspaziergängen des Seniors
                                        einem Fall deutlich reduziert.                             nicht gelingen will.

                                        Dennoch gibt es eine Menge Gründe, warum jeder Vier-       Ähneln sich die Hunde im Alter und Rassetypus, wird
                                        beiner auch alleine Zeit mit seinem Menschen verbrin-      es eher möglich, gemeinsame Unternehmungen ein-
                                        gen können sollte. Diesen Zusatzaufwand sollten Sie fest   zuplanen. Doch alltagstaugliches Verhalten mit zwei
                                        einrechnen, wenn Sie planen, Ihre Hundegruppe zu er-       unerfahrenen Hunden trainiert sich leichter und vor
                                        weitern. Hunde wurden über einen so grossen Zeitraum       allem individueller, wenn jeder Hund erst mal ein-
                                        auf das Zusammenleben mit Menschen selektiert, dass        zeln angeleitet wird. Im Einzeltraining lernen Sie Ihre
                                        vielen Fellnasen der Kontakt zu ihrem Zweibeiner wich-     Hunde zudem intensiver kennen. So können Sie das
                                        tiger ist als der zu Artgenossen.                          Training effektiver gestalten und Ihre Beziehung zu
                                                                                                   jedem einzelnen stabilisieren. Sauber aufgebaut, wird
                                        Trennungsstress kann bei solchen Hunden nicht durch        es leichter, auch in der Gruppe alle Vierbeiner souve-
                                        die Gesellschaft weiterer Sozialpartner abgefangen         rän zu führen.
                                        werden, im Gegenteil. Oft lassen sich die hinzugehol-
                                        ten Hunde noch vom Stress des anderen anstecken und        Für dieses Vorgehen sprechen auch individuelle Stress-
                                        das Thema potenziert sich. Das geht selbstverständ-        reaktionen Ihrer Begleiter. In einer Gruppe können
                                        lich auch anders herum. Hunde, die nie gelernt haben,      diese nur schwer aufgefangen werden. Ähnliche Hun-
                                        ohne ihren Artgenossen alleine zu bleiben, verkraften      detypen lassen sich schnell anstecken, wenn einer zu
                                        die Trennung nach dem Tod des Hundekumpels oder            bellen beginnt oder einen fremden Artgenossen ver-
                                        bei Krankheit desselben extrem schlecht und können         treiben will. Schnell hat man ein bellendes Leinen-
                                        dann Trennungsstress entwickeln.                           chaos – vorausgesetzt Ihre Begleiter sind an der Leine.
                                                                                                   Sonst werden die eigenen Hunde bald zum Albtraum
     Nehmen Sie sich Zeit,              Die Bedürfnisse der Vierbeiner unterscheiden sich durch    jedes anderen Hundehalters, wenn der fremde Vierbei-
     mit jedem Hund ein-                Alter, Geschlecht und Rassetypus. Hinzu kommen indi-       ner von Ihrer Hundegruppe umringt und womöglich
     zeln zu trainieren. Das
                                        viduelle Veranlagungen. In der Hundegruppe kann es         attackiert wird. Auch Angstreaktionen können anste-
     macht gemeinsame
     Unternehmungen in                  schwer werden, allen Bedürfnissen gerecht zu werden.       ckend sein, wenn diese stark ausgeprägt sind und die
     der Gruppe leichter.               Vor allem ruhige und unkomplizierte Hunde gehen da         Hunde sich im Typ ähneln.
            Foto: trio-bildarchiv.de

                                                                                                   Die weit verbreitete Meinung, souveränes Verhalten
                                                                                                   von selbstsicheren Hunden und Menschen reiche aus,
                                                                                                   um dem ängstlichen oder aufgeregten Tier zu zei-
                                                                                                   gen, dass alles gut ist, trifft nur in seltenen Fällen zu.
                                                                                                   Emotionale Reaktionen sind biologisch wichtiger und
                                                                                                   wirken viel leichter ansteckend als die Abwesenheit
                                                                                                   derselben.

                                                                                                   Sich für jeden Hund in der Hundegruppe einzeln Zeit
                                                                                                   zu nehmen, ist am Ende auch wichtig, um Wesens-
                                                                                                   veränderungen einzelner Tiere rechtzeitig zu erken-
                                                                                                   nen. Erkrankungen, Unwohlsein und veränderte Be-
                                                                                                   dürfnisse der ruhigen und unkomplizierten Mitläufer
                                                                                                   werden sonst leicht übersehen.

                                                                                                                                         Text: Katrin Schuster

30       © Schweizer Hunde Magazin 6/18
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