ENERGIE&UMWELT - Schweizerische Energie-Stiftung
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ENERGIE & UMWELT Das Magazin der Schweizerischen Energie-Stiftung SES Nr. 1 / März 2006 Erneuerbare Energien im Aufwind EU-25: Atomgemeinschaft SES-Fachtagung, 2. Juni: oder grüne Supermacht? «Energieperspektiven 2030» Seite 4 Seite 20
Schwerpunktthema: Erneuerbare Energien im Aufwind EU-25: Atomgemeinschaft oder grüne Supermacht? 4 Keine andere politische Kraft hat die erneuerbaren Energien so stark vorangebracht wie die Europäische Union. Nicht alle gesetzten Ziele wurden erreicht. Aber dank steigenden Ölprei- sen und sinkenden Kosten stehen die Erneuerbaren vor einem neuen Quantensprung mit ex- ponentiellem Wachstum. Doch auch die Atomlobby versucht, ihre Ladenhüter mit neuen imaginären Sachzwängen flott zu kriegen. Hoher Ölpreis bringt Aufschwung für erneuerbare Energien 8 Erneuerbare Energien sind im Aufwind. Mit den steigenden Ölpreisen wachsen die Chancen weiter. Das zeigt ein Blick in die Heizkeller der Schweiz. Ölfirmen haben Zeichen der Zeit nicht erkannt 10 Sowohl Ölmultis wie auch kleine schweizerische Mineralölfirmen halten nicht sehr viel von Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz. Investitionen in erneuerbare Energien fliessen bei den Ölmultis spärlich bis gar nicht. Die drei grossen, global wie auch schweizweit (ExxonMobil alias Esso, BP und Shell) repräsentieren zugleich auch drei Richtungen dieser Investitions- politik. Einzig BP scheint langsam die Gunst der Stunde von Investitionen in erneuerbare Energien zu erkennen. Energiespeicherung – ein Problem für erneuerbare Energien? 12 Verschiedentlich hört man, die breite Nutzung erneuerbarer Energien setze neue Technologien für die Speicherung von Energie voraus. Zumindest für Mitteleuropa lässt sich dies jedoch kaum begründen. Finanzwelt investiert zusehends in erneuerbare Energien 14 Verschiedene Zeichen deuten darauf hin, dass die Finanzwelt das Geschäft mit Energie aus erneuerbaren Quellen entdeckt hat. Diese Entwicklung ist erfreulich, denn sie ermöglicht I M P R E S S U M dem umweltbewussten Anleger in Firmen zu investieren, die die Erschliessung erneuerbarer ENERGIE & UMWELT Nr. 1/2006 Energien vorantreiben. Herausgeberin: Schweizerische Energie-Stiftung SES Sihlquai 67, 8005 Zürich Tel. 044 271 54 64; Fax 044 273 03 69 Schweizer Atommüll ins Ausland? 16 E-Mail: info@energiestiftung.ch Der Bundesrat wird dem Nagra-Entsorgungsnachweis für hochradioaktiven Atommüll mit Spenden-Konto: 80-3230-3 Internet: www.energiestiftung.ch aller Wahrscheinlichkeit Ende 2006 zustimmen. Damit steht der Atomstrom-Lobby der Weg Redaktion: Rafael Brand frei für neue Schweizer AKWs. Doch dass der Schweizer Atommüll jemals in der Schweiz end- Scriptum – Layout. Öffentlichkeitsarbeit. Web. gelagert wird, ist mehr als fraglich. Derzeit laufen intensive Bemühungen für ein internatio- Postfach 949, 6460 Altdorf Tel. 041 870 79 79, E-Mail: info@scriptum.ch nales Endlager im Ausland respektive in Russland. Die Schweiz und die Nagra mischen an vor- derster Front mit. Redaktionsrat: Jürg Buri, Rafael Brand, Dieter Kuhn, Rüdiger Paschotta, Bernhard Piller, Sybille Borner Grosstechnologie – wer hat wen im Griff? 18 Layout / ReDesign: Scriptum, Altdorf Am Sonntagmorgen, 11. Dezember 2005, erschütterten mehrere Explosionen, die in einem Korrektorat: Bärti Schuler, Altdorf Tanklager in der Nähe von London stattfanden, die Gegend so stark, dass es 43 Verletzte gab, Druck: ropress, Zürich dass 2000 Anwohner ihre stark beschädigten Häuser verlassen mussten, dass etwa 200 Feu- erwehrleute die Flammen erst nach zwei Tagen unter Kontrolle brachten und ein wirtschaft- Auflage: 6000, erscheint 4 x jährlich licher Schaden in dreistelliger Millionenhöhe entstand. Das alles ist aber nur die Spitze des Abdruck mit Einholen einer Genehmigung und unter Quellenangabe und Zusendung eines Eisberges, wie unser Artikel zeigt. Belegexemplares an die Redaktion erwünscht. Abonnement (4 Nummern): Müssen wir das Klima vor dem Klimarappen schützen? 20 Fr. 30.– Inland-Abo Die CO2-Emissionen in der Schweiz gehen nicht zurück. Anstelle der gesetzlich vorgeschrie- Fr. 40.– Ausland-Abo Fr. 50.– Gönner-Abo benen CO2-Lenkungsabgabe wird seit letztem Oktober der Klimarappen auf Benzin und Diesel SES-Mitgliedschaft (inkl. E&U-Abonnement) erhoben. Damit sollen 90% der Emissionsreduktion im Ausland erbracht werden. Ist das Fr. 400.– Kollektivmitglieder klimapolitischer Ablasshandel oder ein Beitrag zum globalen Klimaschutz? Fr. 100.– Paare/Familien Fr. 75.– Verdienende Fr. 30.– Nichtverdienende SES-Fachtagung, 2. Juni 2006: «Energieperspektiven 2030» 22 Der weltweite Energiekonsum steigt und steigt. Klimaextreme und klimabedingte Katastro- phen nehmen bedrohliche Ausmasse an. Konflikte und Kriege um das schwarze Gold wer- den schon fast zur Selbstverständlichkeit. Wie wird angesichts der schwindenden fossilen Energiereserven die Welt und die Schweiz im Jahr 2030 ihren Energiebedarf decken?
Editorial Erneuerbare Energien im Aufwind – auch in der Schweiz? bei uns. Viele Hausbesitzer wurden wachgerüttelt durch die massiv gestiege- nen Heizöl- und Gaspreise. Wer jetzt sei- ne Heizung erneuert, den lässt der dro- hende «peak of oil» nicht kalt – schliess- lich soll die Heizung auch in 15 Jahren noch funktionieren. Bohrfirmen für Erd- wärmesonden und Lieferanten von Pel- letskesseln und Sonnenkollektoren kom- men kaum nach mit Liefern. Und schon heisst es bei manchen Politi- kern, es brauche nun keine CO2-Abgabe oder sonstige Fördermassnahmen mehr, David Stickelberger, Co-Geschäftsführer der Markt sorge von alleine für den Um- der Agentur für erneuerbare Energien AEE stieg. Sie unterschätzen dabei den Hand- stickelberger@aee.ch lungsbedarf gewaltig. Unsere Heizungen verbrauchen zu fast 90% nichterneuer- Neidvoll blicken die Promotoren der er- bare Energien, von denen wir uns in den neuerbaren Energien auf die Nachbar- nächsten Jahrzehnten verabschieden länder: CO2- oder Energieabgaben, kon- müssen. Diese Herkulesaufgabe gelingt tinuierlich fliessende Fördermittel und uns nur mit dem Einsatz aller Kräfte und Einspeisevergütungen für Ökostrom sind einer Kombination von Massnahmen. die Erfolgsrezepte, die vielerorts zu einem Übrigens: die Schweiz hat auch nach wahren Boom der erneuerbaren Ener- dem Preisanstieg das billigste Heizöl gien führten. In Deutschland beispiels- ganz Europas – keine gute Vorausset- weise verdreifachten sich die Verkäufe zung für freiwilliges Handeln! von Photovoltaik-Modulen innerhalb ei- nes Jahres, während in Österreich fünf- Bei der Stromproduktion aus erneuerba- mal mehr Sonnenkollektoren und zehn- ren Energien ist hierzulande vorderhand mal mehr Pelletsheizungen als in der noch Stillstand zu verzeichnen. Ob dies Schweiz installiert sind. Aber auch so bleibt, wird sich in der ersten Hälfte ausserhalb Europas tut sich einiges: dieses Jahres weisen: Wenn sich das Parla- China will beispielsweise seinen erneuer- ment für eine Einspeisevergütung mit baren Anteil am Energieverbrauch von genügend hohem Kostendach entschei- heute 3% bis 2020 auf 10% erhöhen. det, dann geht auch in der Schweiz die Post ab beim Ökostrom. Innovative Bau- In der Schweiz hingegen mahlen die po- ern sind in den Startlöchern mit Biogas- litischen Mühlen unendlich langsam, die projekten, und an den Dächern für die Ziele für die Erneuerbaren sind höchst Solarmodule fehlt es auch nicht. bescheiden, Förderprogramme wechseln von Jahr zu Jahr und von Kanton zu Kan- Fazit: Die Schweiz ist drauf und dran, ei- ton, oder sie kommen im Rahmen der nen weltweiten Megatrend zu verschla- allgemeinen Sparwut gleich ganz unter fen. Wir haben noch Zeit, um Gegen- die Räder. Das Wachstum bei den Erneu- steuer zu geben. Die dazu nötigen Mass- erbaren liess entsprechend zu wünschen nahmen sind aufgegleist, jetzt müssen übrig. Doch seit kurzem boomt es auch sie nur noch umgesetzt werden! 1/06 ENERGIE & UMWELT 3
Erneuerbare Energien in der Europäischen Union EU-25: Atomgemeinschaft oder grüne Supermacht? Keine andere politische Kraft hat die erneuerbaren Energien so stark vorangebracht wie die Europäische Union. Nicht alle gesetzten Ziele wurden erreicht. Aber dank steigenden Ölpreisen und sinkenden Kosten stehen die Erneuerbaren vor einem neuen Quantensprung mit exponen- tiellem Wachstum. Doch auch die Atomlobby versucht, ihre Ladenhüter mit neuen imaginären Sachzwängen flott zu kriegen. Fotos: Paul Langrock/Zenit/Greenpeace Offshore-Windkraftpark Nysted: Die grösste Offshore-Windfarm in Dänemark produziert Strom für 100'000 Haushalte. Wo soll man anfangen, wenn man «Für die Erneuerbaren sind die finanzielle Basis und die über die rasante Entwicklung der Er- Beseitigung von administrativen Hürden und Netz- neuerbaren in der EU schreiben will? zugangsbarrieren entscheidend», heisst es in der jüngs- ten EU-Analyse.1 Als «wirksamstes Instrument erweisen • Einmal qualitativ: Die Stromver- sich Einspeisevergütungen, obschon Zertifikate zur Zeit sorgung wurde dank offenen Netzen zu höheren Vergütungen führen. Dies erklärt sich aus den den nationalen Monopolen entris- höheren Risikoprämien, welche Investoren bei den (preis- sen. Energieeffizienz und erneuerba- lich unstabilen) Zertifikaten einfordern, aus den hohen Von Rudolf Rechsteiner, re Energien gehören zum festen Po- Verwaltungskosten und den unreifen Zertifikatemärkten.» Ökonom Dr. rer. pol. litprogramm der EU und werden um- und SP-Nationalrat, Basel gesetzt. Einspeisevergütungen gibt Kostendeckende Einspeisevergütung rechsteiner@rechsteiner-basel.ch es in mehr als der Hälfte aller EU- brachte den Durchbruch Staaten, bei den Energieetiketten ist die EU weiter als die Schweiz. Wegweisend waren ab 1990 Dänemark und Deutsch- • Dann quantitativ: Nirgends sonst land, ab 1997 kam Spanien dazu. 1998 hat die rot-grüne auf der Welt wird so dynamisch in Erneuerbare inves- Koalition das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz tiert. Seit 1995 hat sich die Windenergie in der EU auf (EEG) geschaffen, das kostendeckende Einspeisevergü- 40’500 MW verzehnfacht und liefert 83 TWh Strom, tungen für alle erneuerbaren Energien garantiert. Dieses 2,8% des EU-Verbrauchs (Angaben EWEA). Die Photo- Gesetz wurde zum Exportschlager: 32 Länder kennen voltaik-Leistung wächst um 40–60% pro Jahr, auch Bio- inzwischen Einspeisevergütungen, darunter China, masse und Biotreibstoffe sind lanciert. Brasilien und vereinzelt auch Staaten in Nordamerika. 4 ENERGIE & UMWELT 1/06
Im Jahre 2001 entschied der Europäische Ge- Länder mit Quoten/Ausschreibungen richtshof, Einspeisevergütungen seien keine un- und kostendeckender Vergütung (KV) erlaubte staatliche Beihilfe. Damit erhielt das EEG ein wichtiges Güte-Siegel gegen den per- manenten Propagandakrieg der atomorientierten Stromkonzerne. Die politische Bereitschaft, die erneuerbaren Energien zu nutzen, verläuft umgekehrt propor- tional zum Anteil Atomenergie an der Stromer- zeugung: Dänemark, Spanien, Portugal, Irland, Griechenland, Holland, Österreich und Italien stehen punkto Windstrom neben Deutschland an der Spitze, und Wind ist der grösste Wachs- tumsträger. Umgekehrt rangieren die notorisch Atomgläubigen Finnland, Belgien, Frankreich, Schweden und Grossbritannien am Schluss der Liste, wo auch die Schweiz zu finden wäre, wäre sie Mitglied der EU. (Die Schweiz hat etwa 10 MW Windenergie, unser Nachbarland Österreich beweist mit 819 MW, dass die Windenergie auch im Binnenland interessant ist.) In Ländern mit Einspeisevergütungen wachsen die Erneuerbaren dynamisch. Quoten Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass die (wie in Grossbritannien) und Ausschreibungen (wie in Irland) sind wenig erfolgreich, meisten dieser blockierten Länder gewaltige obschon diese Länder bessere Windressourcen haben als Deutschland und Spanien. Potenziale an Wind, Biomasse, Geothermie und Irland hat inzwischen den Übergang zu Einspeisevergütungen angekündigt. Solareinstrahlung aufweisen, aber die Nutzung wird durch systematische Obstruktion und politi- sche Schikanen verwehrt: Fehlende Standort-Be- willigungen (F, GB), untaugliche Fördermodelle (GB, S, Fin) und prohibitive Netzanschlusskosten Ziele für die Stromerzeugung gehören zum bewährten Arsenal der Atomlobby. aus erneuerbaren Energien in Prozent Brüssel hingegen sieht keine grundsätzlichen Probleme mit erneuerbaren Energien, denn sie «sind lokal verfügbar, schonen die Umwelt, schaffen Arbeitsplätze und verbessern die Wett- bewerbsfähigkeit der Europäischen Union». Und weiter: «Unterstützung für die erneuerbaren Energien ist so lange nötig wie sich diese Tech- Erreichter Wert in Prozent im Jahr 1997 nologien entwickeln und die Vollkosten der Zielwert in Prozent im Jahr 2010 nichterneuerbaren Energien, verursacht durch Subventionen und externe Kosten, nicht in den Marktpreisen inbegriffen sind».2 Ölpreis, Gas und die Sorge um die Versorgungssicherheit Die Anreize für den Ausbau der erneuerbaren Energien sind heute grösser denn je zuvor. Alle Techniken verzeichnen exponentielles Wachstum, aber je nach Land auf unterschiedlichem Niveau. Beschleunigt wird die Entwicklung von der Öl- und Gasverknappung. Der Preis pro Barrel Öl hat sich in fünf Jahren verdreifacht; in der Nordsee ist die Ölförderung rückläufig (minus 5–10% pro Jahr!). Und beim Erdgas ist die EU faktisch von Es ist offen, ob die EU-Länder bis zum Jahr 2010 den Anteil des grünen Stroms auf 21% drei Ländern abhängig: Norwegen, Algerien und des Verbrauchs steigern können, wie es die EU-Richtlinie 2001/77/EG vorsieht. Russland, alle drei sind Nicht-EU-Mitglieder. Die Umsetzung war bisher freiwillig, und die Regierungen der Mitgliedländer wählten Im März wird die EU-Kommission den EU-Staats- die Instrumente (Quoten, Einspeisevergütungen) selber aus. Ursprünglich zielte Brüssel auf eine einheitliche Quotenregelung, doch die Misserfolge der Quotenländer (GB, S, I, Norwegen) und der Widerstand aus Deutschland haben ein Umdenken bewirkt. Eine 1 European Commission, Directorate-General for Energy and EU-weite Quotenlösung steht derzeit nicht zur Diskussion, und die Vereinheitlichung der Transport: How to support renewable electricity in Europe Spielregeln wurde langfristig vertagt. 2 Ebenda. 1/06 ENERGIE & UMWELT 5
und dies in zweierlei Hinsicht: • Eine gemeinsame EU-Atompolitik würde wohl als Erstes darauf abzielen, die erfolgreichen Einspeise- vergütungen für die erneuerbaren Energien zu «ver- einheitlichen» oder zu verbieten (die Atomlobby ver- sucht dies, seit es solche Modelle überhaupt gibt). • Und weil der Atommarkt global stagniert und der Marktanteil sinkt, würde der Druck immer heftiger, von Brüssel her ein Atomprogramm für die «Versor- gungssicherheit» auszuhandeln, zum Beispiel mit Einspeisevergütungen für die Atomenergie wie für die erneuerbaren Energien. Damit würde jedoch das «Modell Einspeisevergütung» völlig pervertiert, denn statt externe Kosten zu kompensieren, würden externe Kosten gar belohnt. Klar ist, dass die Atomenergie nach wie vor von For- schern und Regierungen mit sehr viel Geld gehätschelt wird. Aber der (noch unvollständige) freie Wettbewerb im EU-Strommarkt hat die Rahmenbedingungen für die Atomenergie im Vergleich zu früher stark verschlechtert: • Die hohen anfänglichen Mehrkosten und die hohen Betriebsrisiken neuer Atomkraftwerke können nicht Mehr als 120 Offshore-Windfarmen mit einer Leistung von über 80 GW mehr auf die Endverbraucher überwälzt werden, (entsprechend 80 AKW Gösgen) sind in der EU in Planung. Für die gros- sonst wechseln die Kunden den Anbieter, was sie frü- sen Farmen werden derzeit Turbinen mit 5–6 MW Leistung getestet. Um den Schweizer Atompark zu ersetzen, braucht es rund 1800 solcher her nie durften. Dies ist die Folge der Entbündelung 6-MW-Turbinen. Kosten zirka 15 Milliarden Franken. von Stromerzeugung und Stromverteilung («offene Netze»). chefs ein neues «Grünbuch» über die Versorgungs- • Die europaweite verbesserte Verknüpfung der bisher sicherheit vorlegen. Darin wird die Frage aufgeworfen, ob nationalen Netze (mit bis zu 20% Zuzahlung aus die Energiepolitik generell unter EU-Kompetenz kommen Brüssel) bricht die Wettbewerbs-Blockade der alten soll. Dadurch wären die Beschlüsse nicht mehr einstim- Platzhirsche und bringt gleichermassen den Offshore- mig (vom Ministerrat der Energieminister), sondern mit Strom in die Bevölkerungszentren. qualifiziertem Mehr vom EU-Parlament zu treffen. Histo- • Das Gebot der Nicht-Diskriminierung erleichtert den risch war es stets Grossbritannien, das neue EU-Kompe- Anschluss dezentraler Erzeuger, zum Beispiel Wind- tenzen ablehnte, doch seit der britischen EU-Präsident- kraft, Solarenergie oder Wärme-Kraft-Kopplung. Die schaft hat Tony Blair seine Meinung geändert. Blair und unabhängigen Regulatoren zeigen der alten Atom- Chirac wollen durch die Hintertüre «Versorgungssicher- Mafia vermehrt die Zähne und gehen, wie in heit» ein europaweites Atomprogramm lancieren. Des- Deutschland, gerichtlich erfolgreich gegen überhöhte halb verbreiten die beiden viel heisse Luft über Klima- Netzgebühren vor. schutz, verhindern aber mit einer Vielzahl von durchsich- • Gleichzeitig sinken die Kosten der Erneuerbaren wei- tigen Manövern den Zubau von erneuerbaren Energien. ter, weshalb ihr Anteil weit über das bis 2020 Ge- plante hinaus wachsen dürfte. Wenn sich die euro- Atomkraft versus Erneuerbare päische Windkraft weiterhin alle drei bis fünf Jahre verdoppelt, wird sie die Atomenergie noch vor 2020 Christian Kjaer von der europäischen Windenergie-Ver- überholt haben. einigung EWEA spricht sich für eine europäische Energie- politik aus, aber ohne die Atomenergie zu integrieren. Windenergie als Billigst-Technik «Die Politik sollte sich auf jene Bereiche beschränken, wo es einen klaren Konsens unter den Mitgliedländern Im vom Wind nicht verwöhnten Deutschland lagen die gibt», also Energieeffizienz, Erneuerbare, Öffnung und Strom-Spitzenlast-Notierungen an der Leipziger Börse Verbesserung der Stromnetze. Ob eine gemeinsame EU- EEX im Dezember erstmals mit 9,4 Eurocents/kWh dau- Energie-Politik ohne Atomkraft gelingt, ist jedoch erhaft höher als die gesetzlichen Einspeisevergütungen höchst zweifelhaft. (5,3–8,4 Eurocents/kWh für neuen Wind- und Biomasse- Neue EU-Atom-Kompetenzen werden von jenen Mit- Strom). Vieles spricht dafür, dass Windenergie generell gliedländern abgelehnt, die ihren Atompark derzeit still- als sauberste und billigste Option aus dem Wettbewerb legen oder dies schon hinter sich haben. Sie wären für mit allen nichterneuerbaren Energien hervor geht. Bald die erneuerbaren Energien, die heute ohnehin stark zu- schon könnte dieser Strom, bei Verbesserung der Netze, legen, nicht ein Gewinn, sondern eine Belastung, kontinentweit gehandelt werden. Dies eröffnet man- 6 ENERGIE & UMWELT 1/06
chen EU-Ländern und EU-Nachbarn (Nordsee-Anrainer, Erneuerbare oder Atomkraft: Südeuropa, Schwarzmeer-Anrainer) völlig neue Perspek- Die nächsten 5–10 Jahre entscheiden tiven. Seit dem Ölpreisanstieg füllt die Windenergie auch die Kassen der Standortgemeinden und Landbesit- Die Erneuerbaren befinden sich mit Atomenergie und zer (1000–5000 Euro/MW), was die politischen Mehr- Kohle in einem Wachstums-Wettrennen, und die nächs- heiten im Nu verändern kann. Statt der vorwiegend na- ten fünf bis zehn Jahre werden entscheidend sein. Nicht tionalen Stromversorgungen würden dann die EU- zuletzt wird auch im Verkehr eine Verlagerung stattfin- Stromversorger den Strom dort produzieren, wo die den: Biotreibstoffe kommen, Güter gelangen vermehrt Ressourcen am besten sind, und im Binnenmarkt weit- auf die Bahn, und im Individualverkehr dürften «Plug-in- räumig verkaufen, wobei die Schweiz als Stromdreh- Hybrids», also Hybridfahrzeuge mit grösseren Batterien scheibe noch stärker zum Zuge käme. als beim «Prius», aufgeladen am Stromnetz, noch vor In Südeuropa (mit Breitenwirkung bis in die Türkei, nach 2010 am Markt sein und könnten in Zukunft ebenfalls Indien, Ägypten und China) ist die Kombination von beachtliche Stromverbräuche verursachen. Dies muss Wind, Sonne und (Pump-)Speicherung schon heute auf aber nicht zwingend bedeuten, dass Atom und Kohle dem Weg, die Strom- und Wärmeversorgung zu revolu- sich durchsetzen, denn mit beiden Techniken ist Wind- tionieren. Selbst für eingeschworene Atom-Nationen energie heute voll wettbewerbsfähig, wenn die neuen wie Frankreich wird Windenergie ökonomisch unwider- Atomanlagen nicht subventioniert werden. stehlich. Und Kursänderungen finden statt: Frankreich Das dänische Marktforschungsinstitut BTM prognosti- will bis 2015 neu 12'000 MW Windkraft erstellen, und ziert bis 2025 eine 16-fache Steigerung des globalen auch in Grossbritannien kommt das gigantische Poten- Windparks auf 1 Mio. Megawatt und eine Verzehn- zial an Wind- und Wellenenergie langsam in Fahrt. fachung der jährlich (!) neu erstellten Wind-Leistung Im Unterschied zu den USA erlebt die Kohle in der EU auf 114'000 MW. Dazu sind vier Dinge zu sagen: derzeit kein grosses Comeback; der EU-weite CO2-Emis- sionshandel bremst die Kohle wirksam. Doch weil Kohle 1. Dieses Wachstums-Tempo (Verdoppelung alle 4–5 reichlich vorhanden und die Branche gut organisiert ist, Jahre) entspricht dem bisherigen Trend. liebäugelt man noch immer mit (angeblicher) «clean 2. Mit diesem Wachstum wird es gelingen, alle AKWs coal» (Kohlestrom mit Sequestrierung von CO2). Letzt- der Welt innert 10–15 Jahren zu ersetzen, alle Kohle- lich wird sich auch diese Frage an den Kosten entscheiden Kraftwerke nach weiteren 10–20 Jahren. und insbesondere daran, ob die Erneuerbaren rasch ge- 3. Die Ressourcen dafür sind zweifellos auf allen Konti- nug wachsen können. Entscheidend ist auch, wann die nenten vorhanden, zu Kosten von null (Wind ist gratis). Offshore-Windenergie definitiv abhebt (heute existieren 4. Die Prognosen von BTM sind bisher immer eingetrof- erst etwa 800 MW offshore) und welche Zulieferungen fen, lagen verglichen mit der Wirklichkeit am Wind- von zertifiziertem Windstrom aus Nicht-EU-Ländern (z.B. markt aber stets noch etwa 40% zu tief! Norwegen, Marokko oder Russland) möglich werden, wo weit bessere Potenziale praktisch jeglichen Strombe- Neben der Windenergie ist die Solartechnik nicht zu darf in der EU sehr billig (unter 5 Eurocents/kWh) und unterschätzen. In Spanien werden die ersten solarthermi- umweltfreundlich decken könnten. Eine solch weiträumi- schen Grossfarmen mit Parabol-Spiegeltechnik erstellt. Die- ge Diversifikation der Standorte würde auch die Zuver- se Techniken werden auch in die 3. Welt und nach USA lässigkeit der Windenergie weiter verbessern, denn die exportiert. Wie bei der Photovoltaik sind auch bei der Para- Atomlobby verbreitet permanent Ammenmärchen, mit bolspiegel-Technik deutsche Unternehmen an der Welt- Wind lasse sich höchstens 15–20% des Strombedarfs spitze. Die deutsche Industrie erntet die Früchte, die die decken (in Schleswig-Holstein sind es bereits 35%). rot-grüne Koalition in den letzten acht Jahren gesät hat. Foto: Paul Langrock/Zenit/Greenpeace 1/06 ENERGIE & UMWELT 7
Chance für alternative Heizsysteme Hoher Ölpreis bringt Aufschwung für erneuerbare Energien Erneuerbare Energien sind im Aufwind. Mit den steigenden Ölpreisen wachsen die Chancen weiter. Das zeigt ein Blick in die Heizkeller der Schweiz. Eine bittere Pille wartet auf Hunderte mens.» Noch sind die Anschaffungskosten für eine So- von Mieterinnen und Mieter. Sie laranlage höher als für eine Ölheizung. «Aber mit den müssen sich auf happige Nachzah- steigenden Preisen für fossile Energien nähern sich die lungen bei der Heizkosten-Abrech- Niveaus immer mehr an», sagt Müller. Auffallend sei, nung gefasst machen. Heizöl ist der- dass viele HausbesitzerInnen bei der ersten anstehenden zeit 40 Prozent teurer als vor einem Heizungs-Sanierung umsteigen. Statt in eine neue Öl- Jahr. Die von den MieterInnen geleis- heizung investieren sie lieber in erneuerbare Energien. teten Akontozahlungen reichen Von Angel Sanchez nicht aus, um die Kosten für die war- Der Solarmarkt wächst Journalist & Fotograf me Stube zu decken. Schätzungen angel.sanchez@scriptum.ch gehen von Nachzahlungen von ins- Insgesamt ist die Nutzung der Sonnenwärme im 2005 gesamt einer Milliarde Franken aus. stark angestiegen. Der Fachverband für Sonnenenergie Besser stehen jene da, die frühzeitig auf Sonne, Holz Swissolar führte zusammen mit dem Bundesamt für oder Wärmepumpen gesetzt haben. Die Gruppe der Energie eine breit abgestützte Markterhebung durch. Umsteiger wächst stark – nicht zuletzt aufgrund des ho- Die Verkäufe von Sonnenkollektoren für Warmwasser hen Ölpreises. und Heizung lagen im ersten Halbjahr bei rund 63 Pro- Das Umdenken setzt allmählich auch bei den Banken zent des Vorjahres. Fünf Hersteller haben bereits Ende ein. Im Ende 2005 publizierten Bericht «Global Investor Juni annähernd so viel abgesetzt wie im gesamten Jahr Focus Energie» kommt die Credit Suisse (CS) zum Schluss: davor. Die definitiven Resultate für das Jahr 2005 stehen Der Anstieg des Ölpreises wird vorerst den Verbrauch noch aus, aber der Trend bestätigt sich. «Es läuft sehr von Erdgas, Atomenergie und Kohle ankurbeln. Das gut in der Schweiz. Wir erwarten ein Wachstum von 15 grösste Potenzial aber haben für die CS die erneuerba- bis 20 Prozent», sagt David Stickelberger von Swissolar. ren Energien. Aktien alternativer Energieunternehmen Derweil klettern die Preise für Öl und Gas immer weiter. haben in letzter Zeit eine starke Performance erzielt. Die «Viele stellen sich jetzt die Frage: Ist Öl noch die richti- meisten Branchentitel verzeichnen seit Anfang 2005 ge Wärmequelle für die nächsten 20 Jahre?», so Stickel- zweistellige Kurssteigerungen. berger. Das zeigen die Frequenzen bei der Swissolar- Infoline: Vor zwei Jahren gab es 2200 Anfragen, 2005 Standbein Sonnenenergie wächst waren es über 3400. um 43 Prozent Der Ölpreis wirke sich mit einer zeitlichen Verzögerung aus, sagt Stickelberger. «Der Entscheid, in eine Solaran- Es geht aufwärts. Das bestätigen einheimische Unterneh- lage zu investieren, fällt nicht von heute auf morgen. mer. Bei der Ernst Schweizer AG beispielsweise zeigen die Das braucht Zeit. Aber ich erwarte, dass das Interesse Zahlen deutlich nach oben. Die traditionsreiche Metall- 2006 stark zunimmt.» Er weist darauf hin, dass sich baufirma in Hedingen (ZH) hat sich im Bereich Sonnen- Sonnenkollektoren gut mit einer Öl- oder Gasheizung energie ein Standbein aufgebaut und ist heute auf diesem kombinieren lassen, wodurch sich der Verbrauch an fos- Gebiet führend in der Schweiz. 10 Prozent der 120 Mio. silen Energien im Idealfall um die Hälfte reduzieren lasse. Franken Auftragseingang erwirtschaftet sie mit Solaranla- gen. 2005 hat der Bereich Sonnenenergie um 43 Prozent Den Bauherren helfen zugelegt und ist damit der am stärksten wachsende Be- triebszweig. «Der Geschäftsbereich Sonnenenergie über- Es sei eine Fehleinschätzung, wenn man glaube, dass der traf alle Erwartungen», sagt Firmensprecher Guido Müller. Markt alles regle. Erneuerbare Energien seien nach wie vor auf Förderung angewiesen. Wenn alle Kosten mitge- Hoher Ölpreis verbessert Marktchancen rechnet werden, ist man laut David Stickelberger «nicht mehr weit weg vom Preis einer Ölheizung, obwohl die Gründe für den Boom sind die verbesserten Rahmenbe- Schweiz immer noch das billigste Heizöl ganz Europas dingungen in Deutschland durch Förderbeiträge und hat. In unseren Nachbarländern ist der Entscheid für er- die hohen Ölpreise, heisst es bei der Ernst Schweizer neuerbare Energien noch viel nahe liegender.» Man müs- AG. «Auch für 2006 erwarten wir in diesem Geschäfts- se den Bauherren helfen, über die Schwelle der höheren bereich eine signifikante Steigerung des Geschäftsvolu- Investitionskosten hinwegzukommen. Dazu brauche es 8 ENERGIE & UMWELT 1/06
Heizen mit Holz wird immer beliebter. Auch weil es das Portemonnai schont. effiziente Förderprogramme und ein Ende der Billig- wattstunde Heizöl zwischen 7 und 8 Rappen. Für Holz- preispolitik bei den fossilen Energien. pellets beträgt der Preis 6 bis 7 Rappen, und Holz- Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, sei das Poten- schnitzel kosten gar 4 bis 5 Rappen pro Kilowattstunde. zial für die Solarenergie enorm: In 20 Jahren könnte ein Diesen Vorteil erkennen immer mehr Konsumenten. Anteil von 10 Prozent an der Wärme- und Stromproduk- «Die Nachfrage ist enorm gestiegen», sagt Andreas tion erreicht werden, ist David Stickelberger überzeugt. Keel, Mitarbeiter von Holzenergie Schweiz. Im Herbst 2005 ist der Ölpreis zum zweiten Mal in Fol- «Wenn sogar Bush warnt…» ge aussergewöhnlich hoch gewesen. «2004 hat man dem noch nicht ganz getraut. Im letzten Jahr aber sag- Auch die Fördergemeinschaft für Wärmepumpen ten sich viele: Doch, das ist eine gute Gelegenheit um- Schweiz (FWS) vermeldet eine erfreuliche Entwicklung: zusteigen.» «Der Ersatz von Feuerungsanlagen mit Wärmepumpen Vorsichtig geschätzt, geht Keel fürs vergangene Jahr bei hat gegenüber dem Jahr 2004 um mindestens 50 Pro- den Pelletheizungen von einem Wachstum von 100 Pro- zent zugelegt», sagt Franz Beyeler, Leiter der Infostelle zent aus. Wenn Leute überzeugt seien, dass die Preis- der FWS. Er ist überzeugt, dass die Entwicklung anhal- differenz zwischen Öl und Holz in den nächsten 20 Jah- ten wird. «Sogar US-Präsident George Bush hat verlau- ren so bleiben wird, würden noch mehr umsteigen. ten lassen, dass man sich jetzt Alternativen zur Abhän- Potenzial und Kapazitäten sind vorhanden. Heute wer- gigkeit der Ölindustrie überlegen müsse.» den in der Schweiz lediglich 5 Prozent der Wärme mit Wärmepumpen sind etabliert und bedienerfreundlich. Holz erzeugt. Gemäss Fachleuten kann der Anteil pro- Beim Neubau von Einfamilienhäusern wurde 2004 ein blemlos verdoppelt werden, längerfristig ist gar eine Marktanteil von 60 Prozent erreicht. «Fürs 2005 ist der Verdreifachung möglich. Anteil garantiert noch höher.» Für Franz Beyeler geht es aber nicht nur um die Frage, Mit der Sanierung kommt das Holz wie viel Liter Erdöl mit alternativen Energien ersetzt wer- den können. Genauso wichtig ist für ihn die Energie- Einen Öltank in ein Pellets-Silo umzuwandeln, ist laut effizienz. In der Baubranche plädiert er für den Miner- Andreas Keel eine relativ einfache Angelegenheit. «Beim giestandard. «Wichtig ist, dass wir besser bauen und Neubau sind viele Leute finanziell meist knapp dran. Da dass in die Sanierung der Gebäudehüllen investiert entscheiden sie sich oft noch für die billigere Ölhei- wird. Die Energie, die wir heute sparen, ist die Energie- zung.» Nach 20, 30 Jahren muss die Heizung saniert quelle von morgen», sagt Beyeler. werden. Wer die Rechnung mit Holz macht, merkt, dass er trotz der höheren Investitionskosten bis zu 500 Fran- Pellets legen enorm zu ken im Jahr spart. Das spricht auch Leute an, die kein ausgeprägtes ökologisches Bewusstsein haben. «Wir Immer beliebter wird Heizen mit Holz. Auch weil das kommen langsam weg vom Nur-Grüne-heizen-mit- Portemonnaie geschont wird. Heute kostet eine Kilo- Holz-Image», sagt Keel. 1/06 ENERGIE & UMWELT 9
Erdölmultis & Erneuerbare Ölfirmen haben Zeichen der Zeit nicht erkannt Sowohl Ölmultis wie auch kleine schweizerische Mineralölfirmen halten nicht sehr viel von Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz. Investitionen in erneuerbare Energien fliessen bei den Ölmultis spärlich bis gar nicht. Die drei grossen, global wie auch schweizweit (ExxonMobil alias Esso, BP und Shell) repräsentieren zugleich auch drei Richtungen dieser Investitions- politik. Einzig BP scheint langsam die Gunst der Stunde von Investitionen in Erneuerbare Energien zu erkennen. Foto: Fred Dott/Greenpeace Sonne und Windwolken – oder rostige Ölplattformen? Magere Umfrageergebnisse neuerbare verwies. In der Schweiz ist Shell im Bereich der Erneuerbaren dagegen nicht aktiv. Im Januar 2006 unternahm die SES Sowohl der Multi Esso wie auch BP reagierten trotz den Versuch, die Schweizer Mineral- Nachfrage nicht. Auch die kleineren Mineralölunterneh- ölgesellschaften und die Schweizer men reagierten entweder gar nicht, oder präsentierten Vertretungen von internationalen eine Ausrede. Agrola meinte z. B. sie seien zwar am Edrdölfirmen zu ihrem Investitions- Aufbau einer Erneuerbare-Energie-Strategie und am verhalten in erneuerbare Energien zu Umsetzen konkreter Massnahmen, würden jedoch zum Von Bernhard Piller befragen. Auch wollten wir von ih- heutigen Zeitpunkt davon absehen, Details dazu extern Mitglied SES-Geschäftsleitung nen wissen, wie sie die Debatte über zu kommunizieren. bernhard.piller@energiestiftung.ch den «Peak of Oil» einschätzen. Wann sie konkret den weltweiten Peak und Agip (Suisse) SA investiert in der Schweiz nicht in den welchen Energiemix sie für die Schweiz im Jahr 2030 er- Erneuerbaren-Bereich, sieht sich zudem nicht in der La- warten. Der grossmehrheitliche Auskunfts-Unwille und ge unsere Fragen zu beantworten und verweist ansons- der überdeutliche Hang zur Intransparenz und Ver- ten auf ihr Mutterhaus ENI in Italien. schwiegenheit sprechen aber Bände. Ohne ein Nachfra- Die AVIA Gruppe, verantwortlich für die Belieferung der gen unsererseits hat einzig die Migrol AG, welche zur AVIA Tankstellen – eine Genossenschaft, die im Übrigen Migros-Gruppe gehört, den Fragebogen ausgefüllt re- nicht einmal einen Geschäftsbericht veröffentlicht – tourniert. hält es genauso wenig für nötig sich zu äussern, wie die Von den grossen Ölgiganten hat einzig Shell ohne Schweizer Ableger der Weltkonzerne Tamoil und Total. Nachfrage reagiert, aber auf eine sehr billige Art, indem Coop-Mineralöl definiert sich als Handelsunternehmen sie einfach auf ihre internationale Website und ihre und sieht sich nicht in der Lage, unsere Fragen kompe- internationalen Engagements und Investitionen in Er- tent zu beantworten. 10 ENERGIE & UMWELT 1/06
Greenlife von Migrol gewinn von 19,34 Milliarden US-Dolllar5 gesehen wer- den. Vor diesem Hintergrund ist diese Summe mehr als Wie viel wird von den Ölgesellschaften nun konkret in nur lächerlich. In den kommenden 3 Jahren sind erst In- Erneuerbare-Projekte investiert? Bei der Migrol machen vestitionen von 1,8 Milliarden Dollar geplant.6 Dies zu die Investitionen in Erneuerbare 1,5% der im Jahr 2004 gleichen Teilen in die Bereiche Solar, Wind, Wasserstoff getätigten Gesamtinvestitionen aus. Dabei handelt es und GUD-Kraftwerke.7 sich zu 100% um Investitionen in das Projekt «Diesel Zu diesen Investitionen zählen auch hochproblemati- Greenlife Plus». Dies ist ein Kraftstoff, der sich zu 95% sche Investitionspläne in die Wasserstofftechnologie. aus konventionellem fossilem Dieselkraftstoff und zu Wasserstoff hat nur eine nachhaltige Zukunft, wenn er 5% aus Raps-Methyl-Ester (RME) zusammensetzt.1 mittels erneuerbarer Energien hergestellt wird. Ganz im Dieser mit RME versetzte Kraftstoff wird im Übrigen auch Gegensatz hierzu plant BP im schottischen Peterhead von Agrola angeboten. Bei Agrola gibt es an vereinzelten die Wasserstoffherstellung mittels Erdgas. Das Erdgas Tankstellen auch einen Benzinkraftstoff, welcher mit 5% soll durch Abspaltung von Kohlendioxid in Wasserstoff Bioethanol versetzt ist. Biokraftstoff kann langfristig die umgewandelt werden. Das abgespaltete Kohlendioxid Problematik des nach wie vor steigenden Kraftstoffver- hingegen zur Lagerung in leere Erdöllagerstätten ge- brauchs nicht lösen. Er trägt im Sinne des Klimaschutzes pumpt werden. Erstens handelt es sich angesichts knap- – aber nur wenn es sich um Biotreibstoff aus europä- per fossiler Energien bei der fossilen Wasserstoffherstel- ischer Produktion handelt – sicher einen Teil zur Problem- lung um eine Energieverschwendung sondergleichen. linderung bei. Umwerfend ist einer solcher 5%-Anteil Zweitens ist die CO2-Sequestrierung noch überhaupt aber nicht. In anderen Ländern, beispielsweise Italien, nicht ausgereift und es ist sowieso fragwürdig, ob die- sind solche Produkte schon seit längerem auf dem Markt. se Technologie langfristig überhaupt funktioniert Shell verabschiedet sich von der ExxonMobil leugnet drängendes Problem Solartechnologie ExxonMobil schreibt in ihrem Papier «Entwicklung der Wie Ralph Stalder, Country Chairman von Shell (Swit- Weltenergieversorgung, Treibhausgasemissionen und zerland), auf meine Umfrage antwortet, ist Shell in der alternative Energieträger» zur Begründung, wieso sie Schweiz im Bereich der erneuerbaren Energien nicht ak- nicht in erneuerbare Energieträger investieren: «Investi- tiv. Auf internationaler Ebene hat aber auch Shell das tionen in die derzeitige Technik der erneuerbaren Ener- Geschäft mit den Erneuerbaren gerochen. In Europa gien sind nicht wirtschaftlich.»8 und den USA betreibt Shell momentan Windanlagen Entsprechend geht ExxonMobil auch davon aus, dass im mit einer installierten Leistung von 740 MW.2 Laut ihrer Jahr 2020 der Weltenergiebedarf immer noch zu 60% Website stellt sich Shell dementsprechend als einer der aus Öl und Gas gedeckt werden wird. Konsequenter- 10 grössten Windfarm-Besitzer dar. Unter Berücksichti- weise schreiben sie auch, dass diese Primärenergieträ- gung einer weltweit installierten Windenergie-Leistung ger in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen von 47'616 MW ist dies aber doch zu relativieren.3 würden. Weiter heisst es: «Die konventionellen Öl- und Shell hat nach eigenen Angaben bis heute über 1 Milli- Erdgasreserven sind erheblich und werden wahrschein- arde US-Dollar in erneuerbare Energien investiert, dies lich noch mindestens bis zur Mitte des laufenden Jahr- umfasst Biomasse, Solar-, Windenergie und Wasser- hunderts die wichtigste Energiequelle bleiben.» kraft.4 Was aber angesichts eines Jahresgewinns von Royal Dutch Shell von knapp 23 Milliarden Dollar Pean- Fazit uts sind. Eben nur ein grünes Mäntelchen. Anfang Fe- bruar gab Shell bekannt, dass sie ihren gesamten Solar- Exemplarisch können anhand der drei grossen Energie- bereich an die deutsche Firma Solarworld verkaufen. Player BP, Shell und ExxonMobil (Esso) drei Strategien bzw. Entwicklungslinien der Ölfirmen aufgezeigt werden. Was macht BP? ExxonMobil leugnet nicht nur den Klimawandel, sondern hält Investitionen in Erneuerbare schlicht für unnötig. Gemäss der Website von BP Switzerland investierte BP in Shell schwankt zwischen einem grünen Mäntelchen und den letzten Jahren 50 Millionen US-Dollar, um die Dä- dem Nichtstun. Und BP macht noch eindeutig zu wenig, cher von rund 200 BP-Tankstellen weltweit mit Solar- sieht aber immerhin die Notwendigkeit ein. panels auszurüsten. Dies ergibt eine Gesamtleistung von 3,5 Megawattstunden. So will BP – je nach Station 1 Vgl. www.migrol.ch/default.asp?navig=722 – mindestens den Strombedarf für die Beleuchtung und 2 Vgl. www.shell.com/wind die Treibstoffpumpen decken. In der Schweiz sind 14 3 Vgl. www.wwindea.org/default.htm Tankstellen mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet. Nicht 4 Vgl. www.shell.com/renewables umwerfend, aber immerhin. BP ist von den grossen Öl- 5 Gewinn nach Steuern der BP Gruppe im Jahr 2005 firmen auf jeden Fall der Konzern, der am meisten in Er- 6 Pressemeldung 30. Nov. 2005 «BP gründet neuen Geschäftsbereich: BP Alternative Energy»: www.deutschebp.de neuerbare investiert. 8 Milliarden Dollar plant BP in den 7 Anmerkung: Wie wenn GUD-Kraftwerke zum Sektor erneuerbare kommenden zehn Jahren in den Bereich der erneuerba- Energien gehören würden. ren Energien zu investieren. Diese Investitionssumme 8 ExxonMobil 08/2004: «Entwicklung der Weltenergieversorgung, muss aber immer im Zusammenhang mit einem Jahres- Treibhausgasemissionen und alternative Energieträger». 1/06 ENERGIE & UMWELT 11
Erneuerbare Energie & Energiespeicherung Energiespeicherung – ein Problem für erneuerbare Energien? Verschiedentlich hört man, die breite Nutzung erneuerbarer Energien setze neue Technologien für die Speicherung von Energie voraus. Zumindest für Mitteleuropa lässt sich dies jedoch kaum begründen. Neben vielen Vorteilen hat Elektri- als auch in Zukunft für den Einsatz erneuerbarer Ener- zität als Energieträger einen wesent- gien. Es reduziert drastisch den Bedarf an Kapazitäten lichen Nachteil: Sie lässt sich kaum für Speicherung und kurzfristig abrufbare zusätzliche in nennenswerten Mengen spei- Erzeugung, indem es erlaubt, z. B. im Falle eines plötz- chern. Neue Superkondensatoren lichen unerwarteten Ausfalls die verlorene Erzeugung sind teuer und recht begrenzt in ih- auf weiträumig verteilte andere Kraftwerke zu verteilen, rer Kapazität. Auch aufladbare Bat- oder durch kurzfristige Ausserbetriebnahme von nicht terien (Akkumulatoren) für die Spei- unbedingt benötigten Grossverbrauchern an anderen Von Dr. Rüdiger Paschotta cherung in Form chemischer Energie Orten zu kompensieren. Physiker sind teuer, haben deutliche Energie- paschotta@rp-photonics.com verluste, eine begrenzte Lebensdau- Propaganda und Unwissen er und für mobile Anwendungen ein unangenehm hohes Gewicht. Ähnliches gilt für Leider werden diese Umstände verschiedentlich ausge- Schwungradspeicher. Die einzigen grosstechnisch gut blendet, sei es im Dienst einer Propaganda gegen er- nutzbaren Speichertechnologien beruhen entweder auf neuerbare Energien oder einfach aus Unwissen. Ein Bei- Wasserkraftwerken (ggf. mit Pumpspeicherung, d. h. spiel ist die Behauptung, ein Windkraftwerk erlaube zusätzlicher «Aufladung» mit Strom in Zeiten schwacher zwar die Erzeugung gewisser Energiemengen, trage Netzbelastung) oder auf unterirdischen Druckluftspei- aber zur sicheren Bereitstellung von Leistung nichts bei. chern. Im Wesentlichen gilt deshalb, dass die Stromer- In verschärfter Form: Jedes Windkraftwerk verlange die zeugung in einem Elektrizitätsnetz dem aktuellen Ver- Vorhaltung eines fossil befeuerten Kraftwerks gleicher brauch folgen muss. Für die kurzfristige Anpassung ste- Leistung, welches bei Wind im Leerlauf betrieben wird hen einerseits schnell regelbare Gasturbinen u. ä. zur und jederzeit einspringen kann, dabei aber enorme Zu- Verfügung, andererseits insbesondere Pumpspeicher. satzkosten (und Energieverluste) verursacht. Man möge Zum Ausgleich längerfristiger (etwa saisonaler) Schwan- diese Denkweise einmal auf ein Kernkraftwerk übertra- kungen werden zusätzlich z. B. grosse Gas- oder Kohle- gen: Auch dieses kann jederzeit plötzlich ausfallen, wo- kraftwerke eingesetzt. durch die volle Leistung sofort anderswo übernommen werden muss. Genau dies ist z. B. beim Kernkraftwerk Ausgleich im Verbundnetz Leibstadt am Ostermontag 2005 geschehen; ohne jede Vorwarnung fehlten plötzlich weit über 1000 MW. Wo Manche erneuerbaren Energien, insbesondere Wind- aber stand das fossil befeuerte Kraftwerk, welches im und Sonnenenergie, steuern abhängig von Tageszeit Leerlauf bereit stand und die Leistung des KKL über- und Wetter zur Erzeugung bei – zwar kurzfristig eini- nahm? Natürlich nirgends – selbst dieser grosse Ausfall germassen vorhersehbar, aber nicht nach Belieben steu- konnte vom europaweiten Verbundnetz abgefangen erbar. Offensichtlich wäre dies ein grosses Problem, werden, indem die fehlende Leistung auf viele «Schul- wenn etwa eine bestimmte Stadt zu 100% durch solche tern» verteilt wurde. Seltsam nur, dass wir das Reserve- Kraftwerke versorgt werden sollte: Nachts und bei Argument in der Diskussion nie auf Atomkraftwerke an- Windstille gäbe es Engpässe, deren Überbrückung gewandt hören, sondern nur auf Windkraftwerke. De- durch Speicher sehr teuer wäre. Dessen ungeachtet ist ren Leistung schwankt zwar deutlich häufiger, dafür es völlig unsinnig, hieraus zu folgern, die Entwicklung aber meist über Tage im Voraus ziemlich gut prognosti- besserer Speichertechnologien sei die Voraussetzung für zierbar, und niemals so, dass die Erzeugung über viele einen breiten Einsatz von Sonnenenergie und Wind- Monate (wie beim KKL Leibstadt) komplett ausfällt. Des- kraft. Dies gilt insbesondere für Mitteleuropa, das mit wegen werden selbst dann, wenn etwa Europa einst einem leistungsstarken Verbundnetz überzogen ist, mit seinen Strombedarf zu beispielsweise 20 bis 30% durch welchem fast alle Erzeuger und Verbraucher arbeiten. Windkraft decken wird, keine grösseren technischen Dieses Verbundnetz ist von unschätzbarem Wert für ei- oder wirtschaftlichen Probleme aus der benötigten ne sichere und effiziente Versorgung sowohl basierend Reservekapazität entstehen. Man bedenke hierbei, dass auf fossilen Energieträgern und Kernenergie wie bisher, Windstrom aus verschiedenen Regionen (z. B. Nordsee 12 ENERGIE & UMWELT 1/06
Im Verbundnetz lässt sich Strom von Windturbinen trotz schwankender Leistung auch ohne neue Speichertechnologien problemlos nutzen. und Nordafrika) kombiniert werden wird, wodurch sich Offshore-Windparks, sondern auch sehr günstigen Schwankungen der Erzeugung weit mehr ausmitteln, Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken zuneh- als es für eine isoliert betrachtete kleine Region der Fall mend nach Mitteleuropa zu bringen. Es dürfte kosten- wäre. Und die schweizerischen Speicherkraftwerke (mit günstiger sein, gewisse Ausbauten von Stromstrassen oder ohne Pumpspeicherung) werden – wohlgemerkt und skandinavischen Kraftwerkskapazitäten vorzuneh- mit entsprechendem finanziellen Nutzen für alle – einen men und auch die Verschwendung von billigem Strom noch grösseren Teil zu einer sicheren Stromversorgung in Norwegen einzudämmen, als zusätzliche Kapazitäten in Europa beitragen. in Mitteleuropa selbst zu schaffen. Ebenfalls wird es rentabel sein, in Nordafrika auf günstigem Grund bei Anzumerken ist ausserdem, dass auch andere erneuer- guten Windverhältnissen Strom zu erzeugen und ihn bare Energien wertvolle Beiträge zur Sicherung der Ver- über Spanien nach Mitteleuropa zu leiten. Wenn dann sorgung bringen können. Windstrom fällt vermehrt im noch thermische Sonnenkraftwerke mit Tagesspeichern Winter an, wenn der Bedarf höher ist. Dass Sonnen- entwickelt werden, die über Tag und Nacht verteilt pro- strom tagsüber anstatt gleichmässig verteilt anfällt, ist duzieren können, mag dies vereinzelt nützlich sein, aber ebenfalls ein Vorteil. Beides reduziert den Bedarf an sai- niemals die Voraussetzung für einen breiten Einsatz er- sonal bzw. tageszeitlich schwankender anderer Erzeu- neuerbarer Energien. Was für eine Inselversorgung eines gung. Und Biogasanlagen eignen sich bestens, um kleinen Gebiets ein grosses Problem wäre, löst sich für Strom bevorzugt einzuspeisen, wenn der Bedarf am europäische Verhältnisse fast in Luft auf. höchsten ist, da sich das Gas gut speichern lässt. Diese Überlegungen erschüttern übrigens auch das in Sinnvolle Prioritäten manchen Kreisen gepflegte Dogma, eine kleinräumig regionale Erzeugung sei grundsätzlich besser als ein Es ist davon auszugehen, dass das europäische Ver- weiträumiger Austausch. Was für viele Landwirtschafts- bundnetz in Zukunft eher noch stärker als bisher ge- produkte sinnvoll sein mag, erscheint für Strom frag- nutzt werden wird. Hierfür werden gewisse Ausbauten würdig: Wie eine finanzierbare Versorgung insbesonde- notwendig, deren Kosten aber über Jahrzehnte und auf re mit erneuerbaren Energien unter Verzicht auf die Vor- viele Millionen von Verbrauchern verteilt und deswegen züge der Verbundnetze möglich sein soll, ist schwer kaum spürbar werden. Moderate Investitionen in der vorstellbar. Und eine nicht finanzierbare Versorgung ist Region von Norddeutschland und Dänemark werden es sicher nicht unsere Zukunft. ermöglichen, nicht nur neuen Windstrom aus grossen 1/06 ENERGIE & UMWELT 13
Umweltbewusste Geldanlagen Finanzwelt investiert zusehends in erneuerbare Energien Verschiedene Zeichen deuten darauf hin, dass die Finanzwelt das Geschäft mit Energie aus erneuerbaren Quellen entdeckt hat. Diese Entwicklung ist erfreulich, denn sie ermöglicht dem umweltbewussten Anleger in Firmen zu investieren, die die Erschliessung erneuerbarer Ener- gien vorantreiben, und versorgt diese Firmen gleichzeitig mit dem nötigen Kapital, um eben diese Entwicklungen zu unterstützen. Dass der Wind immer öfter aus der Erneuerbare bringen Mehrwert Ecke der erneuerbaren Energien weht, zeigte sich beispielsweise ver- Solche Überlegungen werden nicht erst in ferner Zukunft gangenen Mai, als 26 institutionelle Früchte tragen, dies zeigt die positive Entwicklung des Investoren übereinkamen, 1 Milliar- «Global Energy Innovation Index (Geix)». Dieser Index de US-Dollar in Technologien zur zeichnet die Wertentwicklung der 50 weltweit grössten Förderung erneuerbarer Energien zu börsenkotierten Firmen im Bereich CO2-arme und erneu- investieren. Hat sich die Finanzwelt erbare Energien auf. Dieser Index ist nicht der einzige, Von Sybille Borner Schweizer plötzlich vom Saulus zum Paulus ge- welcher im Bereich erneuerbare Energien geschaffen Analystin, s.borner@freesurf.ch wandelt? Mitnichten, ein Vertreter wurde. Vergangenen Oktober ging die französische Bank einer der grössten kalifornischen Société Générale (SG) mit einem Zertifikat auf den Markt, Pensionskassen (CalSTRS) begründet das es jederman erlaub,t in den European Renewable den Sinneswandel wie folgt: «Es ist eine sichere Wette, Energy Index (Erix) zu investieren. Erix umfasst die Aktien dass alle Länder rund um den Globus ihre Umweltbe- der zehn grössten europäischen Unternehmen mit Tätig- stimmungen verschärfen werden.» Verschärfte CO2-Be- keitsschwerpunkten in den Energiebereichen Sonne, stimmungen zusammen mit einem hohen Ölpreis und Wasser und Biomasse sowie Geothermie, Meeresenergie technologischem Fortschritt stellen ein fruchtbares Feld und Wasserkraft. Darin vertreten sind als grösste Firmen für Energie aus erneuerbaren Quellen dar. Vestas (Windernergie), Verbund (Wärmekraft- und Was- serkraftanlagen) und Gamesa (Windkraft, Wasserkraft, Stromhandel) sowie Solarworld (Solarstrom). Bis 2010 jährliches Umsatz- Die Wertentwicklung des ERIX wachstum von 13% (European Renewable Energy Index) Zahlreich sind auch die Funds, welche mitt- lerweile im Bereich grüne Energie angebo- ten werden und um die Gunst der Anleger buhlen. Ein Fund aus diesem Bereich ist der Future Energy Fund der UBS, welcher Ge- sellschaften, deren Schwerpunkt auf Ener- giegewinnung aus erneuerbaren Energien, sowie der effizienten Verteilung und Nut- zung der Energie liegt, zusammenfasst. Ein weiteres Beispiel ist der Sarasin New Energy Fund der Bank Sarasin. Dieser Fund ist ein europäischer Aktienfund, der zu 100% und weltweit in regenerative Energien und in Geothermik- und Brennstoffzellen-Techno- logie sowie Energieeffizienz investiert. SAM Sustainable Asset Management schliesslich bietet den SAM Smart Energy Fund an, wel- cher weltweit Unternehmen abdeckt, die sich durch einen guten Nachhaltigkeitsaus- weis auszeichnen und in den Bereichen er- Quelle: IS.Teledata AG neuerbare Energien, dezentrale Energiever- 14 ENERGIE & UMWELT 1/06
Erneuerbare Energien immer öfter im Visier der Börsianer: Das Interesse an erneuerbaren Energien steigt... sorgung, Erdgas sowie nachfrageseitige Energieeffi- besondere die Firmen, welche in grünen Energiefunds zienz tätig sind. Obwohl die internationale Energie- zu finden sind. agentur (IEA) und zahlreiche Energieexperten bis 2010 ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von Wasser predigen und Wasser trinken! über 13 Prozent im Bereich der erneuerbaren Energien erwarten, sei an dieser Stelle vor zu grossen Erwartun- Manche Banken haben erneuerbare Energien nicht nur gen bezüglich Rendite gewarnt. Wie alle Funds oder als Produkt entdeckt, sondern haben sich selbst ent- Einzeltitel ist auch hier die Wertentwicklung insbeson- sprechende Richtlinien für den Stromeinkauf gegeben. dere der Einzeltitel bisweilen grossen Schwankungen So bezieht beispielsweise die bereits erwähnte Bank So- unterworfen. Ein Grund dafür ist der schwer abschätz- ciété Général den Strom für ihr Hauptquartier von bare Einfluss regulatorischer Entwicklungen (beispiels- 55'000 Megawattstunden pro Jahr (was einem Viertel weise die Entwicklung des Kyoto-Abkommens nach des gesamten Strombedarfs der SG in Frankreich ent- 2012). Mit einer Anlagestrategie, die Funds mit unter- spricht) aus erneuerbaren Energien. Damit ist die SG schiedlichen Themenschwerpunkten berücksichtigt, nicht alleine, auch die Crédit Suisse bezieht seit mehre- lässt sich das Risiko allerdings minimieren. ren Jahren Solarstrom und seit 2004 mehr als 500'000 kWh naturemade-star, zertifizierte Wasserkraft. Und für Der CO2-Emissionshandel die Jahre 2005–2007 bezieht die Crédit Suisse Group jährlich zusätzlich 5 GWh Strom aus naturemade-star- Der CO2-Emissionshandel eröffnet den Banken ein wei- zertifizierter Wasserkraft. Längerfristig strebt sie gar die teres Feld, um im Energie- und Klimageschäft mitzu- betriebliche Treibhausgasneutralität an. Bereits per spielen. Der Emissionshandel ist zudem ein Paradebei- Ende 2006 soll die Treibhausgasneutralität für die be- spiel für ein nachhaltiges Bankprodukt, weil ein Um- triebsgenutzten Gebäude in der Schweiz erreicht wer- weltgut auf marktwirtschaftlichem Weg einen Preis er- den. Ähnliche Ziele haben sich auch andere Grossunter- hält und die Banken damit Profit machen können. Die nehmen wie SKF, ein dänisches Kugellager- und Dich- Entwicklung und Bereitstellung von innovativen Produk- tungsunternehmen, oder die Swiss Re, eine der weltweit ten im Rahmen des Emissionshandels wird die Wettbe- führenden Rückversicherungsgesellschaften, gegeben. werbsposition der betreffenden Banken verändern. Die Grossbanken wickeln nicht nur das Handelsgeschäft ab, Fazit sondern beraten ihre Firmenkunden in diesem Gebiet, da der Emissionshandel nicht nur die Gewinn- und Ver- Einmal mehr zeigt sich, dass es die Rahmenbedingun- lustrechnung beeinflusst, sondern auch die Investitions- gen sind, welche letztlich darüber entscheiden, welche tätigkeit und letztlich den Wert des Unternehmens Produkte sich im Markt behaupten können. Aus diesem selbst. Zudem hat die Leistung einer Firma im Umwelt- Grund muss alles daran gesetzt werden, auf politischer bereich zunehmend einen Einfluss auf ihre Bonität und Ebene den Druck für eine klimafreundliche Ausgestal- wird von Bewertungsagenturen entsprechend berück- tung der Rahmenbedingungen aufrechtzuerhalten. sichtigt. Vom CO2-Handel profitieren aber natürlich ins- 1/06 ENERGIE & UMWELT 15
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