ENERGIE&UMWELT - Schweizerische Energie-Stiftung

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ENERGIE & UMWELT
Das Magazin der Schweizerischen Energie-Stiftung SES    Nr. 1 / März 2006

Erneuerbare Energien
im Aufwind
 EU-25: Atomgemeinschaft               SES-Fachtagung, 2. Juni:
 oder grüne Supermacht?                «Energieperspektiven 2030»
              Seite 4                              Seite 20
Schwerpunktthema: Erneuerbare Energien im Aufwind

                                                   EU-25: Atomgemeinschaft oder grüne Supermacht?                                            4
                                                   Keine andere politische Kraft hat die erneuerbaren Energien so stark vorangebracht wie die
                                                   Europäische Union. Nicht alle gesetzten Ziele wurden erreicht. Aber dank steigenden Ölprei-
                                                   sen und sinkenden Kosten stehen die Erneuerbaren vor einem neuen Quantensprung mit ex-
                                                   ponentiellem Wachstum. Doch auch die Atomlobby versucht, ihre Ladenhüter mit neuen
                                                   imaginären Sachzwängen flott zu kriegen.

                                                   Hoher Ölpreis bringt Aufschwung für erneuerbare Energien                                  8
                                                   Erneuerbare Energien sind im Aufwind. Mit den steigenden Ölpreisen wachsen die Chancen
                                                   weiter. Das zeigt ein Blick in die Heizkeller der Schweiz.

                                                   Ölfirmen haben Zeichen der Zeit nicht erkannt                                            10
                                                   Sowohl Ölmultis wie auch kleine schweizerische Mineralölfirmen halten nicht sehr viel von
                                                   Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz. Investitionen in erneuerbare Energien fliessen bei den
                                                   Ölmultis spärlich bis gar nicht. Die drei grossen, global wie auch schweizweit (ExxonMobil
                                                   alias Esso, BP und Shell) repräsentieren zugleich auch drei Richtungen dieser Investitions-
                                                   politik. Einzig BP scheint langsam die Gunst der Stunde von Investitionen in erneuerbare
                                                   Energien zu erkennen.

                                                   Energiespeicherung – ein Problem für erneuerbare Energien?                               12
                                                   Verschiedentlich hört man, die breite Nutzung erneuerbarer Energien setze neue Technologien
                                                   für die Speicherung von Energie voraus. Zumindest für Mitteleuropa lässt sich dies jedoch
                                                   kaum begründen.

                                                   Finanzwelt investiert zusehends in erneuerbare Energien                                  14
                                                   Verschiedene Zeichen deuten darauf hin, dass die Finanzwelt das Geschäft mit Energie aus
                                                   erneuerbaren Quellen entdeckt hat. Diese Entwicklung ist erfreulich, denn sie ermöglicht
I M P R E S S U M
                                                   dem umweltbewussten Anleger in Firmen zu investieren, die die Erschliessung erneuerbarer
ENERGIE & UMWELT Nr. 1/2006
                                                   Energien vorantreiben.
Herausgeberin:
Schweizerische Energie-Stiftung SES
Sihlquai 67, 8005 Zürich
Tel. 044 271 54 64; Fax 044 273 03 69              Schweizer Atommüll ins Ausland?                                                          16
E-Mail: info@energiestiftung.ch
                                                   Der Bundesrat wird dem Nagra-Entsorgungsnachweis für hochradioaktiven Atommüll mit
Spenden-Konto: 80-3230-3
Internet: www.energiestiftung.ch                   aller Wahrscheinlichkeit Ende 2006 zustimmen. Damit steht der Atomstrom-Lobby der Weg
Redaktion: Rafael Brand                            frei für neue Schweizer AKWs. Doch dass der Schweizer Atommüll jemals in der Schweiz end-
Scriptum – Layout. Öffentlichkeitsarbeit. Web.     gelagert wird, ist mehr als fraglich. Derzeit laufen intensive Bemühungen für ein internatio-
Postfach 949, 6460 Altdorf
Tel. 041 870 79 79, E-Mail: info@scriptum.ch
                                                   nales Endlager im Ausland respektive in Russland. Die Schweiz und die Nagra mischen an vor-
                                                   derster Front mit.
Redaktionsrat: Jürg Buri, Rafael Brand,
Dieter Kuhn, Rüdiger Paschotta, Bernhard Piller,
Sybille Borner                                     Grosstechnologie – wer hat wen im Griff?                                                 18
Layout / ReDesign: Scriptum, Altdorf               Am Sonntagmorgen, 11. Dezember 2005, erschütterten mehrere Explosionen, die in einem
Korrektorat: Bärti Schuler, Altdorf                Tanklager in der Nähe von London stattfanden, die Gegend so stark, dass es 43 Verletzte gab,
Druck: ropress, Zürich                             dass 2000 Anwohner ihre stark beschädigten Häuser verlassen mussten, dass etwa 200 Feu-
                                                   erwehrleute die Flammen erst nach zwei Tagen unter Kontrolle brachten und ein wirtschaft-
Auflage: 6000, erscheint 4 x jährlich
                                                   licher Schaden in dreistelliger Millionenhöhe entstand. Das alles ist aber nur die Spitze des
Abdruck mit Einholen einer Genehmigung und
unter Quellenangabe und Zusendung eines            Eisberges, wie unser Artikel zeigt.
Belegexemplares an die Redaktion erwünscht.

Abonnement (4 Nummern):                            Müssen wir das Klima vor dem Klimarappen schützen?                                       20
Fr. 30.–    Inland-Abo                             Die CO2-Emissionen in der Schweiz gehen nicht zurück. Anstelle der gesetzlich vorgeschrie-
Fr. 40.–    Ausland-Abo
Fr. 50.–    Gönner-Abo                             benen CO2-Lenkungsabgabe wird seit letztem Oktober der Klimarappen auf Benzin und Diesel
SES-Mitgliedschaft (inkl. E&U-Abonnement)
                                                   erhoben. Damit sollen 90% der Emissionsreduktion im Ausland erbracht werden. Ist das
Fr. 400.–    Kollektivmitglieder                   klimapolitischer Ablasshandel oder ein Beitrag zum globalen Klimaschutz?
Fr. 100.–    Paare/Familien
Fr. 75.–     Verdienende
Fr. 30.–     Nichtverdienende                      SES-Fachtagung, 2. Juni 2006: «Energieperspektiven 2030»                                 22
                                                   Der weltweite Energiekonsum steigt und steigt. Klimaextreme und klimabedingte Katastro-
                                                   phen nehmen bedrohliche Ausmasse an. Konflikte und Kriege um das schwarze Gold wer-
                                                   den schon fast zur Selbstverständlichkeit. Wie wird angesichts der schwindenden fossilen
                                                   Energiereserven die Welt und die Schweiz im Jahr 2030 ihren Energiebedarf decken?
Editorial

Erneuerbare Energien im Aufwind
– auch in der Schweiz?

                                              bei uns. Viele Hausbesitzer wurden
                                              wachgerüttelt durch die massiv gestiege-
                                              nen Heizöl- und Gaspreise. Wer jetzt sei-
                                              ne Heizung erneuert, den lässt der dro-
                                              hende «peak of oil» nicht kalt – schliess-
                                              lich soll die Heizung auch in 15 Jahren
                                              noch funktionieren. Bohrfirmen für Erd-
                                              wärmesonden und Lieferanten von Pel-
                                              letskesseln und Sonnenkollektoren kom-
                                              men kaum nach mit Liefern.

                                              Und schon heisst es bei manchen Politi-
                                              kern, es brauche nun keine CO2-Abgabe
                                              oder sonstige Fördermassnahmen mehr,
David Stickelberger, Co-Geschäftsführer       der Markt sorge von alleine für den Um-
der Agentur für erneuerbare Energien AEE      stieg. Sie unterschätzen dabei den Hand-
stickelberger@aee.ch                          lungsbedarf gewaltig. Unsere Heizungen
                                              verbrauchen zu fast 90% nichterneuer-
Neidvoll blicken die Promotoren der er-       bare Energien, von denen wir uns in den
neuerbaren Energien auf die Nachbar-          nächsten Jahrzehnten verabschieden
länder: CO2- oder Energieabgaben, kon-        müssen. Diese Herkulesaufgabe gelingt
tinuierlich fliessende Fördermittel und       uns nur mit dem Einsatz aller Kräfte und
Einspeisevergütungen für Ökostrom sind        einer Kombination von Massnahmen.
die Erfolgsrezepte, die vielerorts zu einem   Übrigens: die Schweiz hat auch nach
wahren Boom der erneuerbaren Ener-            dem Preisanstieg das billigste Heizöl
gien führten. In Deutschland beispiels-       ganz Europas – keine gute Vorausset-
weise verdreifachten sich die Verkäufe        zung für freiwilliges Handeln!
von Photovoltaik-Modulen innerhalb ei-
nes Jahres, während in Österreich fünf-       Bei der Stromproduktion aus erneuerba-
mal mehr Sonnenkollektoren und zehn-          ren Energien ist hierzulande vorderhand
mal mehr Pelletsheizungen als in der          noch Stillstand zu verzeichnen. Ob dies
Schweiz installiert sind. Aber auch           so bleibt, wird sich in der ersten Hälfte
ausserhalb Europas tut sich einiges:          dieses Jahres weisen: Wenn sich das Parla-
China will beispielsweise seinen erneuer-     ment für eine Einspeisevergütung mit
baren Anteil am Energieverbrauch von          genügend hohem Kostendach entschei-
heute 3% bis 2020 auf 10% erhöhen.            det, dann geht auch in der Schweiz die
                                              Post ab beim Ökostrom. Innovative Bau-
In der Schweiz hingegen mahlen die po-        ern sind in den Startlöchern mit Biogas-
litischen Mühlen unendlich langsam, die       projekten, und an den Dächern für die
Ziele für die Erneuerbaren sind höchst        Solarmodule fehlt es auch nicht.
bescheiden, Förderprogramme wechseln
von Jahr zu Jahr und von Kanton zu Kan-       Fazit: Die Schweiz ist drauf und dran, ei-
ton, oder sie kommen im Rahmen der            nen weltweiten Megatrend zu verschla-
allgemeinen Sparwut gleich ganz unter         fen. Wir haben noch Zeit, um Gegen-
die Räder. Das Wachstum bei den Erneu-        steuer zu geben. Die dazu nötigen Mass-
erbaren liess entsprechend zu wünschen        nahmen sind aufgegleist, jetzt müssen
übrig. Doch seit kurzem boomt es auch         sie nur noch umgesetzt werden!

                                                                         1/06   ENERGIE & UMWELT   3
Erneuerbare Energien in der Europäischen Union

EU-25: Atomgemeinschaft oder
grüne Supermacht?
Keine andere politische Kraft hat die erneuerbaren Energien so stark vorangebracht wie die
Europäische Union. Nicht alle gesetzten Ziele wurden erreicht. Aber dank steigenden Ölpreisen
und sinkenden Kosten stehen die Erneuerbaren vor einem neuen Quantensprung mit exponen-
tiellem Wachstum. Doch auch die Atomlobby versucht, ihre Ladenhüter mit neuen imaginären
Sachzwängen flott zu kriegen.

                                                                                                                                              Fotos: Paul Langrock/Zenit/Greenpeace
          Offshore-Windkraftpark Nysted: Die grösste Offshore-Windfarm in Dänemark produziert Strom für 100'000 Haushalte.

                                   Wo soll man anfangen, wenn man                  «Für die Erneuerbaren sind die finanzielle Basis und die
                                   über die rasante Entwicklung der Er-            Beseitigung von administrativen Hürden und Netz-
                                   neuerbaren in der EU schreiben will?            zugangsbarrieren entscheidend», heisst es in der jüngs-
                                                                                   ten EU-Analyse.1 Als «wirksamstes Instrument erweisen
                                   • Einmal qualitativ: Die Stromver-              sich Einspeisevergütungen, obschon Zertifikate zur Zeit
                                   sorgung wurde dank offenen Netzen               zu höheren Vergütungen führen. Dies erklärt sich aus den
                                   den nationalen Monopolen entris-                höheren Risikoprämien, welche Investoren bei den (preis-
                                   sen. Energieeffizienz und erneuerba-            lich unstabilen) Zertifikaten einfordern, aus den hohen
Von Rudolf Rechsteiner,            re Energien gehören zum festen Po-              Verwaltungskosten und den unreifen Zertifikatemärkten.»
Ökonom Dr. rer. pol.               litprogramm der EU und werden um-
und SP-Nationalrat, Basel          gesetzt. Einspeisevergütungen gibt              Kostendeckende Einspeisevergütung
rechsteiner@rechsteiner-basel.ch   es in mehr als der Hälfte aller EU-             brachte den Durchbruch
                                   Staaten, bei den Energieetiketten ist
                                   die EU weiter als die Schweiz.                  Wegweisend waren ab 1990 Dänemark und Deutsch-
                                   • Dann quantitativ: Nirgends sonst              land, ab 1997 kam Spanien dazu. 1998 hat die rot-grüne
                auf der Welt wird so dynamisch in Erneuerbare inves-               Koalition das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz
                tiert. Seit 1995 hat sich die Windenergie in der EU auf            (EEG) geschaffen, das kostendeckende Einspeisevergü-
                40’500 MW verzehnfacht und liefert 83 TWh Strom,                   tungen für alle erneuerbaren Energien garantiert. Dieses
                2,8% des EU-Verbrauchs (Angaben EWEA). Die Photo-                  Gesetz wurde zum Exportschlager: 32 Länder kennen
                voltaik-Leistung wächst um 40–60% pro Jahr, auch Bio-              inzwischen Einspeisevergütungen, darunter China,
                masse und Biotreibstoffe sind lanciert.                            Brasilien und vereinzelt auch Staaten in Nordamerika.

4   ENERGIE & UMWELT     1/06
Im Jahre 2001 entschied der Europäische Ge-                                  Länder mit Quoten/Ausschreibungen
richtshof, Einspeisevergütungen seien keine un-                              und kostendeckender Vergütung (KV)
erlaubte staatliche Beihilfe. Damit erhielt das
EEG ein wichtiges Güte-Siegel gegen den per-
manenten Propagandakrieg der atomorientierten
Stromkonzerne.
Die politische Bereitschaft, die erneuerbaren
Energien zu nutzen, verläuft umgekehrt propor-
tional zum Anteil Atomenergie an der Stromer-
zeugung: Dänemark, Spanien, Portugal, Irland,
Griechenland, Holland, Österreich und Italien
stehen punkto Windstrom neben Deutschland
an der Spitze, und Wind ist der grösste Wachs-
tumsträger. Umgekehrt rangieren die notorisch
Atomgläubigen Finnland, Belgien, Frankreich,
Schweden und Grossbritannien am Schluss der
Liste, wo auch die Schweiz zu finden wäre, wäre
sie Mitglied der EU. (Die Schweiz hat etwa 10
MW Windenergie, unser Nachbarland Österreich
beweist mit 819 MW, dass die Windenergie auch
im Binnenland interessant ist.)                               In Ländern mit Einspeisevergütungen wachsen die Erneuerbaren dynamisch. Quoten
Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass die                 (wie in Grossbritannien) und Ausschreibungen (wie in Irland) sind wenig erfolgreich,
meisten dieser blockierten Länder gewaltige                   obschon diese Länder bessere Windressourcen haben als Deutschland und Spanien.
Potenziale an Wind, Biomasse, Geothermie und                  Irland hat inzwischen den Übergang zu Einspeisevergütungen angekündigt.
Solareinstrahlung aufweisen, aber die Nutzung
wird durch systematische Obstruktion und politi-
sche Schikanen verwehrt: Fehlende Standort-Be-
willigungen (F, GB), untaugliche Fördermodelle
(GB, S, Fin) und prohibitive Netzanschlusskosten                                Ziele für die Stromerzeugung
gehören zum bewährten Arsenal der Atomlobby.                                aus erneuerbaren Energien in Prozent
Brüssel hingegen sieht keine grundsätzlichen
Probleme mit erneuerbaren Energien, denn sie
«sind lokal verfügbar, schonen die Umwelt,
schaffen Arbeitsplätze und verbessern die Wett-
bewerbsfähigkeit der Europäischen Union». Und
weiter: «Unterstützung für die erneuerbaren
Energien ist so lange nötig wie sich diese Tech-                                                               Erreichter Wert in Prozent im Jahr 1997
nologien entwickeln und die Vollkosten der                                                                     Zielwert in Prozent im Jahr 2010
nichterneuerbaren Energien, verursacht durch
Subventionen und externe Kosten, nicht in den
Marktpreisen inbegriffen sind».2

Ölpreis, Gas und die Sorge um die
Versorgungssicherheit

Die Anreize für den Ausbau der erneuerbaren
Energien sind heute grösser denn je zuvor. Alle
Techniken verzeichnen exponentielles Wachstum,
aber je nach Land auf unterschiedlichem Niveau.
Beschleunigt wird die Entwicklung von der Öl-
und Gasverknappung. Der Preis pro Barrel Öl hat
sich in fünf Jahren verdreifacht; in der Nordsee ist
die Ölförderung rückläufig (minus 5–10% pro
Jahr!). Und beim Erdgas ist die EU faktisch von
                                                              Es ist offen, ob die EU-Länder bis zum Jahr 2010 den Anteil des grünen Stroms auf 21%
drei Ländern abhängig: Norwegen, Algerien und                 des Verbrauchs steigern können, wie es die EU-Richtlinie 2001/77/EG vorsieht.
Russland, alle drei sind Nicht-EU-Mitglieder.                 Die Umsetzung war bisher freiwillig, und die Regierungen der Mitgliedländer wählten
Im März wird die EU-Kommission den EU-Staats-                 die Instrumente (Quoten, Einspeisevergütungen) selber aus. Ursprünglich zielte Brüssel
                                                              auf eine einheitliche Quotenregelung, doch die Misserfolge der Quotenländer (GB, S, I,
                                                              Norwegen) und der Widerstand aus Deutschland haben ein Umdenken bewirkt. Eine
1 European Commission, Directorate-General for Energy and     EU-weite Quotenlösung steht derzeit nicht zur Diskussion, und die Vereinheitlichung der
  Transport: How to support renewable electricity in Europe   Spielregeln wurde langfristig vertagt.
2 Ebenda.

                                                                                                                      1/06   ENERGIE & UMWELT            5
und dies in zweierlei Hinsicht:

                                                                             • Eine gemeinsame EU-Atompolitik würde wohl als
                                                                               Erstes darauf abzielen, die erfolgreichen Einspeise-
                                                                               vergütungen für die erneuerbaren Energien zu «ver-
                                                                               einheitlichen» oder zu verbieten (die Atomlobby ver-
                                                                               sucht dies, seit es solche Modelle überhaupt gibt).
                                                                             • Und weil der Atommarkt global stagniert und der
                                                                               Marktanteil sinkt, würde der Druck immer heftiger,
                                                                               von Brüssel her ein Atomprogramm für die «Versor-
                                                                               gungssicherheit» auszuhandeln, zum Beispiel mit
                                                                               Einspeisevergütungen für die Atomenergie wie für
                                                                               die erneuerbaren Energien. Damit würde jedoch das
                                                                               «Modell Einspeisevergütung» völlig pervertiert, denn
                                                                               statt externe Kosten zu kompensieren, würden externe
                                                                               Kosten gar belohnt.

                                                                             Klar ist, dass die Atomenergie nach wie vor von For-
                                                                             schern und Regierungen mit sehr viel Geld gehätschelt
                                                                             wird. Aber der (noch unvollständige) freie Wettbewerb
                                                                             im EU-Strommarkt hat die Rahmenbedingungen für die
                                                                             Atomenergie im Vergleich zu früher stark verschlechtert:

                                                                             • Die hohen anfänglichen Mehrkosten und die hohen
                                                                               Betriebsrisiken neuer Atomkraftwerke können nicht
     Mehr als 120 Offshore-Windfarmen mit einer Leistung von über 80 GW        mehr auf die Endverbraucher überwälzt werden,
     (entsprechend 80 AKW Gösgen) sind in der EU in Planung. Für die gros-
                                                                               sonst wechseln die Kunden den Anbieter, was sie frü-
     sen Farmen werden derzeit Turbinen mit 5–6 MW Leistung getestet.
     Um den Schweizer Atompark zu ersetzen, braucht es rund 1800 solcher       her nie durften. Dies ist die Folge der Entbündelung
     6-MW-Turbinen. Kosten zirka 15 Milliarden Franken.                        von Stromerzeugung und Stromverteilung («offene
                                                                               Netze»).
             chefs ein neues «Grünbuch» über die Versorgungs-                • Die europaweite verbesserte Verknüpfung der bisher
             sicherheit vorlegen. Darin wird die Frage aufgeworfen, ob         nationalen Netze (mit bis zu 20% Zuzahlung aus
             die Energiepolitik generell unter EU-Kompetenz kommen             Brüssel) bricht die Wettbewerbs-Blockade der alten
             soll. Dadurch wären die Beschlüsse nicht mehr einstim-            Platzhirsche und bringt gleichermassen den Offshore-
             mig (vom Ministerrat der Energieminister), sondern mit            Strom in die Bevölkerungszentren.
             qualifiziertem Mehr vom EU-Parlament zu treffen. Histo-         • Das Gebot der Nicht-Diskriminierung erleichtert den
             risch war es stets Grossbritannien, das neue EU-Kompe-            Anschluss dezentraler Erzeuger, zum Beispiel Wind-
             tenzen ablehnte, doch seit der britischen EU-Präsident-           kraft, Solarenergie oder Wärme-Kraft-Kopplung. Die
             schaft hat Tony Blair seine Meinung geändert. Blair und           unabhängigen Regulatoren zeigen der alten Atom-
             Chirac wollen durch die Hintertüre «Versorgungssicher-            Mafia vermehrt die Zähne und gehen, wie in
             heit» ein europaweites Atomprogramm lancieren. Des-               Deutschland, gerichtlich erfolgreich gegen überhöhte
             halb verbreiten die beiden viel heisse Luft über Klima-           Netzgebühren vor.
             schutz, verhindern aber mit einer Vielzahl von durchsich-       • Gleichzeitig sinken die Kosten der Erneuerbaren wei-
             tigen Manövern den Zubau von erneuerbaren Energien.               ter, weshalb ihr Anteil weit über das bis 2020 Ge-
                                                                               plante hinaus wachsen dürfte. Wenn sich die euro-
             Atomkraft versus Erneuerbare                                      päische Windkraft weiterhin alle drei bis fünf Jahre
                                                                               verdoppelt, wird sie die Atomenergie noch vor 2020
             Christian Kjaer von der europäischen Windenergie-Ver-             überholt haben.
             einigung EWEA spricht sich für eine europäische Energie-
             politik aus, aber ohne die Atomenergie zu integrieren.          Windenergie als Billigst-Technik
             «Die Politik sollte sich auf jene Bereiche beschränken,
             wo es einen klaren Konsens unter den Mitgliedländern            Im vom Wind nicht verwöhnten Deutschland lagen die
             gibt», also Energieeffizienz, Erneuerbare, Öffnung und          Strom-Spitzenlast-Notierungen an der Leipziger Börse
             Verbesserung der Stromnetze. Ob eine gemeinsame EU-             EEX im Dezember erstmals mit 9,4 Eurocents/kWh dau-
             Energie-Politik ohne Atomkraft gelingt, ist jedoch              erhaft höher als die gesetzlichen Einspeisevergütungen
             höchst zweifelhaft.                                             (5,3–8,4 Eurocents/kWh für neuen Wind- und Biomasse-
             Neue EU-Atom-Kompetenzen werden von jenen Mit-                  Strom). Vieles spricht dafür, dass Windenergie generell
             gliedländern abgelehnt, die ihren Atompark derzeit still-       als sauberste und billigste Option aus dem Wettbewerb
             legen oder dies schon hinter sich haben. Sie wären für          mit allen nichterneuerbaren Energien hervor geht. Bald
             die erneuerbaren Energien, die heute ohnehin stark zu-          schon könnte dieser Strom, bei Verbesserung der Netze,
             legen, nicht ein Gewinn, sondern eine Belastung,                kontinentweit gehandelt werden. Dies eröffnet man-

6   ENERGIE & UMWELT      1/06
chen EU-Ländern und EU-Nachbarn (Nordsee-Anrainer,          Erneuerbare oder Atomkraft:
Südeuropa, Schwarzmeer-Anrainer) völlig neue Perspek-       Die nächsten 5–10 Jahre entscheiden
tiven. Seit dem Ölpreisanstieg füllt die Windenergie
auch die Kassen der Standortgemeinden und Landbesit-        Die Erneuerbaren befinden sich mit Atomenergie und
zer (1000–5000 Euro/MW), was die politischen Mehr-          Kohle in einem Wachstums-Wettrennen, und die nächs-
heiten im Nu verändern kann. Statt der vorwiegend na-       ten fünf bis zehn Jahre werden entscheidend sein. Nicht
tionalen Stromversorgungen würden dann die EU-              zuletzt wird auch im Verkehr eine Verlagerung stattfin-
Stromversorger den Strom dort produzieren, wo die           den: Biotreibstoffe kommen, Güter gelangen vermehrt
Ressourcen am besten sind, und im Binnenmarkt weit-         auf die Bahn, und im Individualverkehr dürften «Plug-in-
räumig verkaufen, wobei die Schweiz als Stromdreh-          Hybrids», also Hybridfahrzeuge mit grösseren Batterien
scheibe noch stärker zum Zuge käme.                         als beim «Prius», aufgeladen am Stromnetz, noch vor
In Südeuropa (mit Breitenwirkung bis in die Türkei, nach    2010 am Markt sein und könnten in Zukunft ebenfalls
Indien, Ägypten und China) ist die Kombination von          beachtliche Stromverbräuche verursachen. Dies muss
Wind, Sonne und (Pump-)Speicherung schon heute auf          aber nicht zwingend bedeuten, dass Atom und Kohle
dem Weg, die Strom- und Wärmeversorgung zu revolu-          sich durchsetzen, denn mit beiden Techniken ist Wind-
tionieren. Selbst für eingeschworene Atom-Nationen          energie heute voll wettbewerbsfähig, wenn die neuen
wie Frankreich wird Windenergie ökonomisch unwider-         Atomanlagen nicht subventioniert werden.
stehlich. Und Kursänderungen finden statt: Frankreich       Das dänische Marktforschungsinstitut BTM prognosti-
will bis 2015 neu 12'000 MW Windkraft erstellen, und        ziert bis 2025 eine 16-fache Steigerung des globalen
auch in Grossbritannien kommt das gigantische Poten-        Windparks auf 1 Mio. Megawatt und eine Verzehn-
zial an Wind- und Wellenenergie langsam in Fahrt.           fachung der jährlich (!) neu erstellten Wind-Leistung
Im Unterschied zu den USA erlebt die Kohle in der EU        auf 114'000 MW. Dazu sind vier Dinge zu sagen:
derzeit kein grosses Comeback; der EU-weite CO2-Emis-
sionshandel bremst die Kohle wirksam. Doch weil Kohle       1. Dieses Wachstums-Tempo (Verdoppelung alle 4–5
reichlich vorhanden und die Branche gut organisiert ist,       Jahre) entspricht dem bisherigen Trend.
liebäugelt man noch immer mit (angeblicher) «clean          2. Mit diesem Wachstum wird es gelingen, alle AKWs
coal» (Kohlestrom mit Sequestrierung von CO2). Letzt-          der Welt innert 10–15 Jahren zu ersetzen, alle Kohle-
lich wird sich auch diese Frage an den Kosten entscheiden      Kraftwerke nach weiteren 10–20 Jahren.
und insbesondere daran, ob die Erneuerbaren rasch ge-       3. Die Ressourcen dafür sind zweifellos auf allen Konti-
nug wachsen können. Entscheidend ist auch, wann die            nenten vorhanden, zu Kosten von null (Wind ist gratis).
Offshore-Windenergie definitiv abhebt (heute existieren     4. Die Prognosen von BTM sind bisher immer eingetrof-
erst etwa 800 MW offshore) und welche Zulieferungen            fen, lagen verglichen mit der Wirklichkeit am Wind-
von zertifiziertem Windstrom aus Nicht-EU-Ländern (z.B.        markt aber stets noch etwa 40% zu tief!
Norwegen, Marokko oder Russland) möglich werden,
wo weit bessere Potenziale praktisch jeglichen Strombe-     Neben der Windenergie ist die Solartechnik nicht zu
darf in der EU sehr billig (unter 5 Eurocents/kWh) und      unterschätzen. In Spanien werden die ersten solarthermi-
umweltfreundlich decken könnten. Eine solch weiträumi-      schen Grossfarmen mit Parabol-Spiegeltechnik erstellt. Die-
ge Diversifikation der Standorte würde auch die Zuver-      se Techniken werden auch in die 3. Welt und nach USA
lässigkeit der Windenergie weiter verbessern, denn die      exportiert. Wie bei der Photovoltaik sind auch bei der Para-
Atomlobby verbreitet permanent Ammenmärchen, mit            bolspiegel-Technik deutsche Unternehmen an der Welt-
Wind lasse sich höchstens 15–20% des Strombedarfs           spitze. Die deutsche Industrie erntet die Früchte, die die
decken (in Schleswig-Holstein sind es bereits 35%).         rot-grüne Koalition in den letzten acht Jahren gesät hat.

                                                                       Foto: Paul Langrock/Zenit/Greenpeace

                                                                                                              1/06   ENERGIE & UMWELT   7
Chance für alternative Heizsysteme

Hoher Ölpreis bringt Aufschwung
für erneuerbare Energien
Erneuerbare Energien sind im Aufwind. Mit den steigenden Ölpreisen wachsen die Chancen
weiter. Das zeigt ein Blick in die Heizkeller der Schweiz.

                                    Eine bittere Pille wartet auf Hunderte   mens.» Noch sind die Anschaffungskosten für eine So-
                                    von Mieterinnen und Mieter. Sie          laranlage höher als für eine Ölheizung. «Aber mit den
                                    müssen sich auf happige Nachzah-         steigenden Preisen für fossile Energien nähern sich die
                                    lungen bei der Heizkosten-Abrech-        Niveaus immer mehr an», sagt Müller. Auffallend sei,
                                    nung gefasst machen. Heizöl ist der-     dass viele HausbesitzerInnen bei der ersten anstehenden
                                    zeit 40 Prozent teurer als vor einem     Heizungs-Sanierung umsteigen. Statt in eine neue Öl-
                                    Jahr. Die von den MieterInnen geleis-    heizung investieren sie lieber in erneuerbare Energien.
                                    teten Akontozahlungen reichen
Von Angel Sanchez                   nicht aus, um die Kosten für die war-    Der Solarmarkt wächst
Journalist & Fotograf               me Stube zu decken. Schätzungen
angel.sanchez@scriptum.ch           gehen von Nachzahlungen von ins-         Insgesamt ist die Nutzung der Sonnenwärme im 2005
                                    gesamt einer Milliarde Franken aus.      stark angestiegen. Der Fachverband für Sonnenenergie
                Besser stehen jene da, die frühzeitig auf Sonne, Holz        Swissolar führte zusammen mit dem Bundesamt für
                oder Wärmepumpen gesetzt haben. Die Gruppe der               Energie eine breit abgestützte Markterhebung durch.
                Umsteiger wächst stark – nicht zuletzt aufgrund des ho-      Die Verkäufe von Sonnenkollektoren für Warmwasser
                hen Ölpreises.                                               und Heizung lagen im ersten Halbjahr bei rund 63 Pro-
                Das Umdenken setzt allmählich auch bei den Banken            zent des Vorjahres. Fünf Hersteller haben bereits Ende
                ein. Im Ende 2005 publizierten Bericht «Global Investor      Juni annähernd so viel abgesetzt wie im gesamten Jahr
                Focus Energie» kommt die Credit Suisse (CS) zum Schluss:     davor. Die definitiven Resultate für das Jahr 2005 stehen
                Der Anstieg des Ölpreises wird vorerst den Verbrauch         noch aus, aber der Trend bestätigt sich. «Es läuft sehr
                von Erdgas, Atomenergie und Kohle ankurbeln. Das             gut in der Schweiz. Wir erwarten ein Wachstum von 15
                grösste Potenzial aber haben für die CS die erneuerba-       bis 20 Prozent», sagt David Stickelberger von Swissolar.
                ren Energien. Aktien alternativer Energieunternehmen         Derweil klettern die Preise für Öl und Gas immer weiter.
                haben in letzter Zeit eine starke Performance erzielt. Die   «Viele stellen sich jetzt die Frage: Ist Öl noch die richti-
                meisten Branchentitel verzeichnen seit Anfang 2005           ge Wärmequelle für die nächsten 20 Jahre?», so Stickel-
                zweistellige Kurssteigerungen.                               berger. Das zeigen die Frequenzen bei der Swissolar-
                                                                             Infoline: Vor zwei Jahren gab es 2200 Anfragen, 2005
              Standbein Sonnenenergie wächst                                 waren es über 3400.
              um 43 Prozent                                                  Der Ölpreis wirke sich mit einer zeitlichen Verzögerung
                                                                             aus, sagt Stickelberger. «Der Entscheid, in eine Solaran-
              Es geht aufwärts. Das bestätigen einheimische Unterneh-        lage zu investieren, fällt nicht von heute auf morgen.
              mer. Bei der Ernst Schweizer AG beispielsweise zeigen die      Das braucht Zeit. Aber ich erwarte, dass das Interesse
              Zahlen deutlich nach oben. Die traditionsreiche Metall-        2006 stark zunimmt.» Er weist darauf hin, dass sich
              baufirma in Hedingen (ZH) hat sich im Bereich Sonnen-          Sonnenkollektoren gut mit einer Öl- oder Gasheizung
              energie ein Standbein aufgebaut und ist heute auf diesem       kombinieren lassen, wodurch sich der Verbrauch an fos-
              Gebiet führend in der Schweiz. 10 Prozent der 120 Mio.         silen Energien im Idealfall um die Hälfte reduzieren lasse.
              Franken Auftragseingang erwirtschaftet sie mit Solaranla-
              gen. 2005 hat der Bereich Sonnenenergie um 43 Prozent          Den Bauherren helfen
              zugelegt und ist damit der am stärksten wachsende Be-
              triebszweig. «Der Geschäftsbereich Sonnenenergie über-         Es sei eine Fehleinschätzung, wenn man glaube, dass der
              traf alle Erwartungen», sagt Firmensprecher Guido Müller.      Markt alles regle. Erneuerbare Energien seien nach wie
                                                                             vor auf Förderung angewiesen. Wenn alle Kosten mitge-
              Hoher Ölpreis verbessert Marktchancen                          rechnet werden, ist man laut David Stickelberger «nicht
                                                                             mehr weit weg vom Preis einer Ölheizung, obwohl die
              Gründe für den Boom sind die verbesserten Rahmenbe-            Schweiz immer noch das billigste Heizöl ganz Europas
              dingungen in Deutschland durch Förderbeiträge und              hat. In unseren Nachbarländern ist der Entscheid für er-
              die hohen Ölpreise, heisst es bei der Ernst Schweizer          neuerbare Energien noch viel nahe liegender.» Man müs-
              AG. «Auch für 2006 erwarten wir in diesem Geschäfts-           se den Bauherren helfen, über die Schwelle der höheren
              bereich eine signifikante Steigerung des Geschäftsvolu-        Investitionskosten hinwegzukommen. Dazu brauche es

8   ENERGIE & UMWELT     1/06
Heizen mit Holz wird immer beliebter. Auch weil es das Portemonnai schont.

effiziente Förderprogramme und ein Ende der Billig-              wattstunde Heizöl zwischen 7 und 8 Rappen. Für Holz-
preispolitik bei den fossilen Energien.                          pellets beträgt der Preis 6 bis 7 Rappen, und Holz-
Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, sei das Poten-               schnitzel kosten gar 4 bis 5 Rappen pro Kilowattstunde.
zial für die Solarenergie enorm: In 20 Jahren könnte ein         Diesen Vorteil erkennen immer mehr Konsumenten.
Anteil von 10 Prozent an der Wärme- und Stromproduk-             «Die Nachfrage ist enorm gestiegen», sagt Andreas
tion erreicht werden, ist David Stickelberger überzeugt.         Keel, Mitarbeiter von Holzenergie Schweiz.
                                                                 Im Herbst 2005 ist der Ölpreis zum zweiten Mal in Fol-
«Wenn sogar Bush warnt…»                                         ge aussergewöhnlich hoch gewesen. «2004 hat man
                                                                 dem noch nicht ganz getraut. Im letzten Jahr aber sag-
Auch die Fördergemeinschaft für Wärmepumpen                      ten sich viele: Doch, das ist eine gute Gelegenheit um-
Schweiz (FWS) vermeldet eine erfreuliche Entwicklung:            zusteigen.»
«Der Ersatz von Feuerungsanlagen mit Wärmepumpen                 Vorsichtig geschätzt, geht Keel fürs vergangene Jahr bei
hat gegenüber dem Jahr 2004 um mindestens 50 Pro-                den Pelletheizungen von einem Wachstum von 100 Pro-
zent zugelegt», sagt Franz Beyeler, Leiter der Infostelle        zent aus. Wenn Leute überzeugt seien, dass die Preis-
der FWS. Er ist überzeugt, dass die Entwicklung anhal-           differenz zwischen Öl und Holz in den nächsten 20 Jah-
ten wird. «Sogar US-Präsident George Bush hat verlau-            ren so bleiben wird, würden noch mehr umsteigen.
ten lassen, dass man sich jetzt Alternativen zur Abhän-          Potenzial und Kapazitäten sind vorhanden. Heute wer-
gigkeit der Ölindustrie überlegen müsse.»                        den in der Schweiz lediglich 5 Prozent der Wärme mit
Wärmepumpen sind etabliert und bedienerfreundlich.               Holz erzeugt. Gemäss Fachleuten kann der Anteil pro-
Beim Neubau von Einfamilienhäusern wurde 2004 ein                blemlos verdoppelt werden, längerfristig ist gar eine
Marktanteil von 60 Prozent erreicht. «Fürs 2005 ist der          Verdreifachung möglich.
Anteil garantiert noch höher.»
Für Franz Beyeler geht es aber nicht nur um die Frage,           Mit der Sanierung kommt das Holz
wie viel Liter Erdöl mit alternativen Energien ersetzt wer-
den können. Genauso wichtig ist für ihn die Energie-             Einen Öltank in ein Pellets-Silo umzuwandeln, ist laut
effizienz. In der Baubranche plädiert er für den Miner-          Andreas Keel eine relativ einfache Angelegenheit. «Beim
giestandard. «Wichtig ist, dass wir besser bauen und             Neubau sind viele Leute finanziell meist knapp dran. Da
dass in die Sanierung der Gebäudehüllen investiert               entscheiden sie sich oft noch für die billigere Ölhei-
wird. Die Energie, die wir heute sparen, ist die Energie-        zung.» Nach 20, 30 Jahren muss die Heizung saniert
quelle von morgen», sagt Beyeler.                                werden. Wer die Rechnung mit Holz macht, merkt, dass
                                                                 er trotz der höheren Investitionskosten bis zu 500 Fran-
Pellets legen enorm zu                                           ken im Jahr spart. Das spricht auch Leute an, die kein
                                                                 ausgeprägtes ökologisches Bewusstsein haben. «Wir
Immer beliebter wird Heizen mit Holz. Auch weil das              kommen langsam weg vom Nur-Grüne-heizen-mit-
Portemonnaie geschont wird. Heute kostet eine Kilo-              Holz-Image», sagt Keel.

                                                                                                                    1/06   ENERGIE & UMWELT   9
Erdölmultis & Erneuerbare

Ölfirmen haben Zeichen der Zeit nicht erkannt
Sowohl Ölmultis wie auch kleine schweizerische Mineralölfirmen halten nicht sehr viel von
Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz. Investitionen in erneuerbare Energien fliessen bei den
Ölmultis spärlich bis gar nicht. Die drei grossen, global wie auch schweizweit (ExxonMobil
alias Esso, BP und Shell) repräsentieren zugleich auch drei Richtungen dieser Investitions-
politik. Einzig BP scheint langsam die Gunst der Stunde von Investitionen in Erneuerbare
Energien zu erkennen.

                                                                                                                                           Foto: Fred Dott/Greenpeace
                                   Sonne und Windwolken – oder rostige Ölplattformen?

                                 Magere Umfrageergebnisse                       neuerbare verwies. In der Schweiz ist Shell im Bereich
                                                                                der Erneuerbaren dagegen nicht aktiv.
                                   Im Januar 2006 unternahm die SES             Sowohl der Multi Esso wie auch BP reagierten trotz
                                   den Versuch, die Schweizer Mineral-          Nachfrage nicht. Auch die kleineren Mineralölunterneh-
                                   ölgesellschaften und die Schweizer           men reagierten entweder gar nicht, oder präsentierten
                                   Vertretungen von internationalen             eine Ausrede. Agrola meinte z. B. sie seien zwar am
                                   Edrdölfirmen zu ihrem Investitions-          Aufbau einer Erneuerbare-Energie-Strategie und am
                                   verhalten in erneuerbare Energien zu         Umsetzen konkreter Massnahmen, würden jedoch zum
Von Bernhard Piller                befragen. Auch wollten wir von ih-           heutigen Zeitpunkt davon absehen, Details dazu extern
Mitglied SES-Geschäftsleitung      nen wissen, wie sie die Debatte über         zu kommunizieren.
bernhard.piller@energiestiftung.ch den «Peak of Oil» einschätzen. Wann
                                   sie konkret den weltweiten Peak und          Agip (Suisse) SA investiert in der Schweiz nicht in den
                welchen Energiemix sie für die Schweiz im Jahr 2030 er-         Erneuerbaren-Bereich, sieht sich zudem nicht in der La-
                warten. Der grossmehrheitliche Auskunfts-Unwille und            ge unsere Fragen zu beantworten und verweist ansons-
                der überdeutliche Hang zur Intransparenz und Ver-               ten auf ihr Mutterhaus ENI in Italien.
                schwiegenheit sprechen aber Bände. Ohne ein Nachfra-            Die AVIA Gruppe, verantwortlich für die Belieferung der
                gen unsererseits hat einzig die Migrol AG, welche zur           AVIA Tankstellen – eine Genossenschaft, die im Übrigen
                Migros-Gruppe gehört, den Fragebogen ausgefüllt re-             nicht einmal einen Geschäftsbericht veröffentlicht –
                tourniert.                                                      hält es genauso wenig für nötig sich zu äussern, wie die
                Von den grossen Ölgiganten hat einzig Shell ohne                Schweizer Ableger der Weltkonzerne Tamoil und Total.
                Nachfrage reagiert, aber auf eine sehr billige Art, indem       Coop-Mineralöl definiert sich als Handelsunternehmen
                sie einfach auf ihre internationale Website und ihre            und sieht sich nicht in der Lage, unsere Fragen kompe-
                internationalen Engagements und Investitionen in Er-            tent zu beantworten.

10   ENERGIE & UMWELT    1/06
Greenlife von Migrol                                          gewinn von 19,34 Milliarden US-Dolllar5 gesehen wer-
                                                              den. Vor diesem Hintergrund ist diese Summe mehr als
Wie viel wird von den Ölgesellschaften nun konkret in         nur lächerlich. In den kommenden 3 Jahren sind erst In-
Erneuerbare-Projekte investiert? Bei der Migrol machen        vestitionen von 1,8 Milliarden Dollar geplant.6 Dies zu
die Investitionen in Erneuerbare 1,5% der im Jahr 2004        gleichen Teilen in die Bereiche Solar, Wind, Wasserstoff
getätigten Gesamtinvestitionen aus. Dabei handelt es          und GUD-Kraftwerke.7
sich zu 100% um Investitionen in das Projekt «Diesel          Zu diesen Investitionen zählen auch hochproblemati-
Greenlife Plus». Dies ist ein Kraftstoff, der sich zu 95%     sche Investitionspläne in die Wasserstofftechnologie.
aus konventionellem fossilem Dieselkraftstoff und zu          Wasserstoff hat nur eine nachhaltige Zukunft, wenn er
5% aus Raps-Methyl-Ester (RME) zusammensetzt.1                mittels erneuerbarer Energien hergestellt wird. Ganz im
Dieser mit RME versetzte Kraftstoff wird im Übrigen auch      Gegensatz hierzu plant BP im schottischen Peterhead
von Agrola angeboten. Bei Agrola gibt es an vereinzelten      die Wasserstoffherstellung mittels Erdgas. Das Erdgas
Tankstellen auch einen Benzinkraftstoff, welcher mit 5%       soll durch Abspaltung von Kohlendioxid in Wasserstoff
Bioethanol versetzt ist. Biokraftstoff kann langfristig die   umgewandelt werden. Das abgespaltete Kohlendioxid
Problematik des nach wie vor steigenden Kraftstoffver-        hingegen zur Lagerung in leere Erdöllagerstätten ge-
brauchs nicht lösen. Er trägt im Sinne des Klimaschutzes      pumpt werden. Erstens handelt es sich angesichts knap-
– aber nur wenn es sich um Biotreibstoff aus europä-          per fossiler Energien bei der fossilen Wasserstoffherstel-
ischer Produktion handelt – sicher einen Teil zur Problem-    lung um eine Energieverschwendung sondergleichen.
linderung bei. Umwerfend ist einer solcher 5%-Anteil          Zweitens ist die CO2-Sequestrierung noch überhaupt
aber nicht. In anderen Ländern, beispielsweise Italien,       nicht ausgereift und es ist sowieso fragwürdig, ob die-
sind solche Produkte schon seit längerem auf dem Markt.       se Technologie langfristig überhaupt funktioniert

Shell verabschiedet sich von der                              ExxonMobil leugnet drängendes Problem
Solartechnologie
                                                              ExxonMobil schreibt in ihrem Papier «Entwicklung der
Wie Ralph Stalder, Country Chairman von Shell (Swit-          Weltenergieversorgung, Treibhausgasemissionen und
zerland), auf meine Umfrage antwortet, ist Shell in der       alternative Energieträger» zur Begründung, wieso sie
Schweiz im Bereich der erneuerbaren Energien nicht ak-        nicht in erneuerbare Energieträger investieren: «Investi-
tiv. Auf internationaler Ebene hat aber auch Shell das        tionen in die derzeitige Technik der erneuerbaren Ener-
Geschäft mit den Erneuerbaren gerochen. In Europa             gien sind nicht wirtschaftlich.»8
und den USA betreibt Shell momentan Windanlagen               Entsprechend geht ExxonMobil auch davon aus, dass im
mit einer installierten Leistung von 740 MW.2 Laut ihrer      Jahr 2020 der Weltenergiebedarf immer noch zu 60%
Website stellt sich Shell dementsprechend als einer der       aus Öl und Gas gedeckt werden wird. Konsequenter-
10 grössten Windfarm-Besitzer dar. Unter Berücksichti-        weise schreiben sie auch, dass diese Primärenergieträ-
gung einer weltweit installierten Windenergie-Leistung        ger in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen
von 47'616 MW ist dies aber doch zu relativieren.3            würden. Weiter heisst es: «Die konventionellen Öl- und
Shell hat nach eigenen Angaben bis heute über 1 Milli-        Erdgasreserven sind erheblich und werden wahrschein-
arde US-Dollar in erneuerbare Energien investiert, dies       lich noch mindestens bis zur Mitte des laufenden Jahr-
umfasst Biomasse, Solar-, Windenergie und Wasser-             hunderts die wichtigste Energiequelle bleiben.»
kraft.4 Was aber angesichts eines Jahresgewinns von
Royal Dutch Shell von knapp 23 Milliarden Dollar Pean-        Fazit
uts sind. Eben nur ein grünes Mäntelchen. Anfang Fe-
bruar gab Shell bekannt, dass sie ihren gesamten Solar-       Exemplarisch können anhand der drei grossen Energie-
bereich an die deutsche Firma Solarworld verkaufen.           Player BP, Shell und ExxonMobil (Esso) drei Strategien
                                                              bzw. Entwicklungslinien der Ölfirmen aufgezeigt werden.
Was macht BP?                                                 ExxonMobil leugnet nicht nur den Klimawandel, sondern
                                                              hält Investitionen in Erneuerbare schlicht für unnötig.
Gemäss der Website von BP Switzerland investierte BP in       Shell schwankt zwischen einem grünen Mäntelchen und
den letzten Jahren 50 Millionen US-Dollar, um die Dä-         dem Nichtstun. Und BP macht noch eindeutig zu wenig,
cher von rund 200 BP-Tankstellen weltweit mit Solar-          sieht aber immerhin die Notwendigkeit ein.
panels auszurüsten. Dies ergibt eine Gesamtleistung
von 3,5 Megawattstunden. So will BP – je nach Station
                                                              1 Vgl. www.migrol.ch/default.asp?navig=722
– mindestens den Strombedarf für die Beleuchtung und
                                                              2 Vgl. www.shell.com/wind
die Treibstoffpumpen decken. In der Schweiz sind 14           3 Vgl. www.wwindea.org/default.htm
Tankstellen mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet. Nicht        4 Vgl. www.shell.com/renewables
umwerfend, aber immerhin. BP ist von den grossen Öl-          5 Gewinn nach Steuern der BP Gruppe im Jahr 2005
firmen auf jeden Fall der Konzern, der am meisten in Er-      6 Pressemeldung 30. Nov. 2005 «BP gründet neuen Geschäftsbereich:
                                                                BP Alternative Energy»: www.deutschebp.de
neuerbare investiert. 8 Milliarden Dollar plant BP in den
                                                              7 Anmerkung: Wie wenn GUD-Kraftwerke zum Sektor erneuerbare
kommenden zehn Jahren in den Bereich der erneuerba-             Energien gehören würden.
ren Energien zu investieren. Diese Investitionssumme          8 ExxonMobil 08/2004: «Entwicklung der Weltenergieversorgung,
muss aber immer im Zusammenhang mit einem Jahres-               Treibhausgasemissionen und alternative Energieträger».

                                                                                                              1/06   ENERGIE & UMWELT   11
Erneuerbare Energie & Energiespeicherung

Energiespeicherung – ein Problem für
erneuerbare Energien?
Verschiedentlich hört man, die breite Nutzung erneuerbarer Energien setze neue Technologien
für die Speicherung von Energie voraus. Zumindest für Mitteleuropa lässt sich dies jedoch
kaum begründen.

                                 Neben vielen Vorteilen hat Elektri-     als auch in Zukunft für den Einsatz erneuerbarer Ener-
                                 zität als Energieträger einen wesent-   gien. Es reduziert drastisch den Bedarf an Kapazitäten
                                 lichen Nachteil: Sie lässt sich kaum    für Speicherung und kurzfristig abrufbare zusätzliche
                                 in nennenswerten Mengen spei-           Erzeugung, indem es erlaubt, z. B. im Falle eines plötz-
                                 chern. Neue Superkondensatoren          lichen unerwarteten Ausfalls die verlorene Erzeugung
                                 sind teuer und recht begrenzt in ih-    auf weiträumig verteilte andere Kraftwerke zu verteilen,
                                 rer Kapazität. Auch aufladbare Bat-     oder durch kurzfristige Ausserbetriebnahme von nicht
                                 terien (Akkumulatoren) für die Spei-    unbedingt benötigten Grossverbrauchern an anderen
Von Dr. Rüdiger Paschotta        cherung in Form chemischer Energie      Orten zu kompensieren.
Physiker                         sind teuer, haben deutliche Energie-
paschotta@rp-photonics.com       verluste, eine begrenzte Lebensdau-     Propaganda und Unwissen
                                 er und für mobile Anwendungen ein
              unangenehm hohes Gewicht. Ähnliches gilt für               Leider werden diese Umstände verschiedentlich ausge-
              Schwungradspeicher. Die einzigen grosstechnisch gut        blendet, sei es im Dienst einer Propaganda gegen er-
              nutzbaren Speichertechnologien beruhen entweder auf        neuerbare Energien oder einfach aus Unwissen. Ein Bei-
              Wasserkraftwerken (ggf. mit Pumpspeicherung, d. h.         spiel ist die Behauptung, ein Windkraftwerk erlaube
              zusätzlicher «Aufladung» mit Strom in Zeiten schwacher     zwar die Erzeugung gewisser Energiemengen, trage
              Netzbelastung) oder auf unterirdischen Druckluftspei-      aber zur sicheren Bereitstellung von Leistung nichts bei.
              chern. Im Wesentlichen gilt deshalb, dass die Stromer-     In verschärfter Form: Jedes Windkraftwerk verlange die
              zeugung in einem Elektrizitätsnetz dem aktuellen Ver-      Vorhaltung eines fossil befeuerten Kraftwerks gleicher
              brauch folgen muss. Für die kurzfristige Anpassung ste-    Leistung, welches bei Wind im Leerlauf betrieben wird
              hen einerseits schnell regelbare Gasturbinen u. ä. zur     und jederzeit einspringen kann, dabei aber enorme Zu-
              Verfügung, andererseits insbesondere Pumpspeicher.         satzkosten (und Energieverluste) verursacht. Man möge
              Zum Ausgleich längerfristiger (etwa saisonaler) Schwan-    diese Denkweise einmal auf ein Kernkraftwerk übertra-
              kungen werden zusätzlich z. B. grosse Gas- oder Kohle-     gen: Auch dieses kann jederzeit plötzlich ausfallen, wo-
              kraftwerke eingesetzt.                                     durch die volle Leistung sofort anderswo übernommen
                                                                         werden muss. Genau dies ist z. B. beim Kernkraftwerk
            Ausgleich im Verbundnetz                                     Leibstadt am Ostermontag 2005 geschehen; ohne jede
                                                                         Vorwarnung fehlten plötzlich weit über 1000 MW. Wo
            Manche erneuerbaren Energien, insbesondere Wind-             aber stand das fossil befeuerte Kraftwerk, welches im
            und Sonnenenergie, steuern abhängig von Tageszeit            Leerlauf bereit stand und die Leistung des KKL über-
            und Wetter zur Erzeugung bei – zwar kurzfristig eini-        nahm? Natürlich nirgends – selbst dieser grosse Ausfall
            germassen vorhersehbar, aber nicht nach Belieben steu-       konnte vom europaweiten Verbundnetz abgefangen
            erbar. Offensichtlich wäre dies ein grosses Problem,         werden, indem die fehlende Leistung auf viele «Schul-
            wenn etwa eine bestimmte Stadt zu 100% durch solche          tern» verteilt wurde. Seltsam nur, dass wir das Reserve-
            Kraftwerke versorgt werden sollte: Nachts und bei            Argument in der Diskussion nie auf Atomkraftwerke an-
            Windstille gäbe es Engpässe, deren Überbrückung              gewandt hören, sondern nur auf Windkraftwerke. De-
            durch Speicher sehr teuer wäre. Dessen ungeachtet ist        ren Leistung schwankt zwar deutlich häufiger, dafür
            es völlig unsinnig, hieraus zu folgern, die Entwicklung      aber meist über Tage im Voraus ziemlich gut prognosti-
            besserer Speichertechnologien sei die Voraussetzung für      zierbar, und niemals so, dass die Erzeugung über viele
            einen breiten Einsatz von Sonnenenergie und Wind-            Monate (wie beim KKL Leibstadt) komplett ausfällt. Des-
            kraft. Dies gilt insbesondere für Mitteleuropa, das mit      wegen werden selbst dann, wenn etwa Europa einst
            einem leistungsstarken Verbundnetz überzogen ist, mit        seinen Strombedarf zu beispielsweise 20 bis 30% durch
            welchem fast alle Erzeuger und Verbraucher arbeiten.         Windkraft decken wird, keine grösseren technischen
            Dieses Verbundnetz ist von unschätzbarem Wert für ei-        oder wirtschaftlichen Probleme aus der benötigten
            ne sichere und effiziente Versorgung sowohl basierend        Reservekapazität entstehen. Man bedenke hierbei, dass
            auf fossilen Energieträgern und Kernenergie wie bisher,      Windstrom aus verschiedenen Regionen (z. B. Nordsee

12   ENERGIE & UMWELT   1/06
Im Verbundnetz lässt sich Strom von Windturbinen trotz schwankender Leistung auch ohne neue Speichertechnologien problemlos nutzen.

und Nordafrika) kombiniert werden wird, wodurch sich               Offshore-Windparks, sondern auch sehr günstigen
Schwankungen der Erzeugung weit mehr ausmitteln,                   Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken zuneh-
als es für eine isoliert betrachtete kleine Region der Fall        mend nach Mitteleuropa zu bringen. Es dürfte kosten-
wäre. Und die schweizerischen Speicherkraftwerke (mit              günstiger sein, gewisse Ausbauten von Stromstrassen
oder ohne Pumpspeicherung) werden – wohlgemerkt                    und skandinavischen Kraftwerkskapazitäten vorzuneh-
mit entsprechendem finanziellen Nutzen für alle – einen            men und auch die Verschwendung von billigem Strom
noch grösseren Teil zu einer sicheren Stromversorgung              in Norwegen einzudämmen, als zusätzliche Kapazitäten
in Europa beitragen.                                               in Mitteleuropa selbst zu schaffen. Ebenfalls wird es
                                                                   rentabel sein, in Nordafrika auf günstigem Grund bei
Anzumerken ist ausserdem, dass auch andere erneuer-                guten Windverhältnissen Strom zu erzeugen und ihn
bare Energien wertvolle Beiträge zur Sicherung der Ver-            über Spanien nach Mitteleuropa zu leiten. Wenn dann
sorgung bringen können. Windstrom fällt vermehrt im                noch thermische Sonnenkraftwerke mit Tagesspeichern
Winter an, wenn der Bedarf höher ist. Dass Sonnen-                 entwickelt werden, die über Tag und Nacht verteilt pro-
strom tagsüber anstatt gleichmässig verteilt anfällt, ist          duzieren können, mag dies vereinzelt nützlich sein, aber
ebenfalls ein Vorteil. Beides reduziert den Bedarf an sai-         niemals die Voraussetzung für einen breiten Einsatz er-
sonal bzw. tageszeitlich schwankender anderer Erzeu-               neuerbarer Energien. Was für eine Inselversorgung eines
gung. Und Biogasanlagen eignen sich bestens, um                    kleinen Gebiets ein grosses Problem wäre, löst sich für
Strom bevorzugt einzuspeisen, wenn der Bedarf am                   europäische Verhältnisse fast in Luft auf.
höchsten ist, da sich das Gas gut speichern lässt.
                                                                   Diese Überlegungen erschüttern übrigens auch das in
Sinnvolle Prioritäten                                              manchen Kreisen gepflegte Dogma, eine kleinräumig
                                                                   regionale Erzeugung sei grundsätzlich besser als ein
Es ist davon auszugehen, dass das europäische Ver-                 weiträumiger Austausch. Was für viele Landwirtschafts-
bundnetz in Zukunft eher noch stärker als bisher ge-               produkte sinnvoll sein mag, erscheint für Strom frag-
nutzt werden wird. Hierfür werden gewisse Ausbauten                würdig: Wie eine finanzierbare Versorgung insbesonde-
notwendig, deren Kosten aber über Jahrzehnte und auf               re mit erneuerbaren Energien unter Verzicht auf die Vor-
viele Millionen von Verbrauchern verteilt und deswegen             züge der Verbundnetze möglich sein soll, ist schwer
kaum spürbar werden. Moderate Investitionen in der                 vorstellbar. Und eine nicht finanzierbare Versorgung ist
Region von Norddeutschland und Dänemark werden es                  sicher nicht unsere Zukunft.
ermöglichen, nicht nur neuen Windstrom aus grossen

                                                                                                                  1/06   ENERGIE & UMWELT     13
Umweltbewusste Geldanlagen

Finanzwelt investiert zusehends in
erneuerbare Energien
Verschiedene Zeichen deuten darauf hin, dass die Finanzwelt das Geschäft mit Energie aus
erneuerbaren Quellen entdeckt hat. Diese Entwicklung ist erfreulich, denn sie ermöglicht dem
umweltbewussten Anleger in Firmen zu investieren, die die Erschliessung erneuerbarer Ener-
gien vorantreiben, und versorgt diese Firmen gleichzeitig mit dem nötigen Kapital, um eben
diese Entwicklungen zu unterstützen.

                                   Dass der Wind immer öfter aus der       Erneuerbare bringen Mehrwert
                                   Ecke der erneuerbaren Energien
                                   weht, zeigte sich beispielsweise ver-   Solche Überlegungen werden nicht erst in ferner Zukunft
                                   gangenen Mai, als 26 institutionelle    Früchte tragen, dies zeigt die positive Entwicklung des
                                   Investoren übereinkamen, 1 Milliar-     «Global Energy Innovation Index (Geix)». Dieser Index
                                   de US-Dollar in Technologien zur        zeichnet die Wertentwicklung der 50 weltweit grössten
                                   Förderung erneuerbarer Energien zu      börsenkotierten Firmen im Bereich CO2-arme und erneu-
                                   investieren. Hat sich die Finanzwelt    erbare Energien auf. Dieser Index ist nicht der einzige,
Von Sybille Borner Schweizer       plötzlich vom Saulus zum Paulus ge-     welcher im Bereich erneuerbare Energien geschaffen
Analystin, s.borner@freesurf.ch    wandelt? Mitnichten, ein Vertreter      wurde. Vergangenen Oktober ging die französische Bank
                                   einer der grössten kalifornischen       Société Générale (SG) mit einem Zertifikat auf den Markt,
                                   Pensionskassen (CalSTRS) begründet      das es jederman erlaub,t in den European Renewable
                den Sinneswandel wie folgt: «Es ist eine sichere Wette,    Energy Index (Erix) zu investieren. Erix umfasst die Aktien
                dass alle Länder rund um den Globus ihre Umweltbe-         der zehn grössten europäischen Unternehmen mit Tätig-
                stimmungen verschärfen werden.» Verschärfte CO2-Be-        keitsschwerpunkten in den Energiebereichen Sonne,
                stimmungen zusammen mit einem hohen Ölpreis und            Wasser und Biomasse sowie Geothermie, Meeresenergie
                technologischem Fortschritt stellen ein fruchtbares Feld   und Wasserkraft. Darin vertreten sind als grösste Firmen
                für Energie aus erneuerbaren Quellen dar.                  Vestas (Windernergie), Verbund (Wärmekraft- und Was-
                                                                           serkraftanlagen) und Gamesa (Windkraft, Wasserkraft,
                                                                           Stromhandel) sowie Solarworld (Solarstrom).

                                                                                       Bis 2010 jährliches Umsatz-
                      Die Wertentwicklung des ERIX
                                                                                       wachstum von 13%
                          (European Renewable Energy Index)

                                                                                       Zahlreich sind auch die Funds, welche mitt-
                                                                                       lerweile im Bereich grüne Energie angebo-
                                                                                       ten werden und um die Gunst der Anleger
                                                                                       buhlen. Ein Fund aus diesem Bereich ist der
                                                                                       Future Energy Fund der UBS, welcher Ge-
                                                                                       sellschaften, deren Schwerpunkt auf Ener-
                                                                                       giegewinnung aus erneuerbaren Energien,
                                                                                       sowie der effizienten Verteilung und Nut-
                                                                                       zung der Energie liegt, zusammenfasst. Ein
                                                                                       weiteres Beispiel ist der Sarasin New Energy
                                                                                       Fund der Bank Sarasin. Dieser Fund ist ein
                                                                                       europäischer Aktienfund, der zu 100% und
                                                                                       weltweit in regenerative Energien und in
                                                                                       Geothermik- und Brennstoffzellen-Techno-
                                                                                       logie sowie Energieeffizienz investiert. SAM
                                                                                       Sustainable Asset Management schliesslich
                                                                                       bietet den SAM Smart Energy Fund an, wel-
                                                                                       cher weltweit Unternehmen abdeckt, die
                                                                                       sich durch einen guten Nachhaltigkeitsaus-
                                                                                       weis auszeichnen und in den Bereichen er-
                                 Quelle: IS.Teledata AG
                                                                                       neuerbare Energien, dezentrale Energiever-

14   ENERGIE & UMWELT    1/06
Erneuerbare Energien immer öfter im Visier der Börsianer: Das Interesse an erneuerbaren Energien steigt...

sorgung, Erdgas sowie nachfrageseitige Energieeffi-                  besondere die Firmen, welche in grünen Energiefunds
zienz tätig sind. Obwohl die internationale Energie-                 zu finden sind.
agentur (IEA) und zahlreiche Energieexperten bis 2010
ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von                 Wasser predigen und Wasser trinken!
über 13 Prozent im Bereich der erneuerbaren Energien
erwarten, sei an dieser Stelle vor zu grossen Erwartun-              Manche Banken haben erneuerbare Energien nicht nur
gen bezüglich Rendite gewarnt. Wie alle Funds oder                   als Produkt entdeckt, sondern haben sich selbst ent-
Einzeltitel ist auch hier die Wertentwicklung insbeson-              sprechende Richtlinien für den Stromeinkauf gegeben.
dere der Einzeltitel bisweilen grossen Schwankungen                  So bezieht beispielsweise die bereits erwähnte Bank So-
unterworfen. Ein Grund dafür ist der schwer abschätz-                ciété Général den Strom für ihr Hauptquartier von
bare Einfluss regulatorischer Entwicklungen (beispiels-              55'000 Megawattstunden pro Jahr (was einem Viertel
weise die Entwicklung des Kyoto-Abkommens nach                       des gesamten Strombedarfs der SG in Frankreich ent-
2012). Mit einer Anlagestrategie, die Funds mit unter-               spricht) aus erneuerbaren Energien. Damit ist die SG
schiedlichen Themenschwerpunkten berücksichtigt,                     nicht alleine, auch die Crédit Suisse bezieht seit mehre-
lässt sich das Risiko allerdings minimieren.                         ren Jahren Solarstrom und seit 2004 mehr als 500'000
                                                                     kWh naturemade-star, zertifizierte Wasserkraft. Und für
Der CO2-Emissionshandel                                              die Jahre 2005–2007 bezieht die Crédit Suisse Group
                                                                     jährlich zusätzlich 5 GWh Strom aus naturemade-star-
Der CO2-Emissionshandel eröffnet den Banken ein wei-                 zertifizierter Wasserkraft. Längerfristig strebt sie gar die
teres Feld, um im Energie- und Klimageschäft mitzu-                  betriebliche Treibhausgasneutralität an. Bereits per
spielen. Der Emissionshandel ist zudem ein Paradebei-                Ende 2006 soll die Treibhausgasneutralität für die be-
spiel für ein nachhaltiges Bankprodukt, weil ein Um-                 triebsgenutzten Gebäude in der Schweiz erreicht wer-
weltgut auf marktwirtschaftlichem Weg einen Preis er-                den. Ähnliche Ziele haben sich auch andere Grossunter-
hält und die Banken damit Profit machen können. Die                  nehmen wie SKF, ein dänisches Kugellager- und Dich-
Entwicklung und Bereitstellung von innovativen Produk-               tungsunternehmen, oder die Swiss Re, eine der weltweit
ten im Rahmen des Emissionshandels wird die Wettbe-                  führenden Rückversicherungsgesellschaften, gegeben.
werbsposition der betreffenden Banken verändern. Die
Grossbanken wickeln nicht nur das Handelsgeschäft ab,                Fazit
sondern beraten ihre Firmenkunden in diesem Gebiet,
da der Emissionshandel nicht nur die Gewinn- und Ver-                Einmal mehr zeigt sich, dass es die Rahmenbedingun-
lustrechnung beeinflusst, sondern auch die Investitions-             gen sind, welche letztlich darüber entscheiden, welche
tätigkeit und letztlich den Wert des Unternehmens                    Produkte sich im Markt behaupten können. Aus diesem
selbst. Zudem hat die Leistung einer Firma im Umwelt-                Grund muss alles daran gesetzt werden, auf politischer
bereich zunehmend einen Einfluss auf ihre Bonität und                Ebene den Druck für eine klimafreundliche Ausgestal-
wird von Bewertungsagenturen entsprechend berück-                    tung der Rahmenbedingungen aufrechtzuerhalten.
sichtigt. Vom CO2-Handel profitieren aber natürlich ins-

                                                                                                                    1/06   ENERGIE & UMWELT   15
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