Zustand der Vogelwelt in der Schweiz - Sonderausgabe zum Brutvogelatlas 2013-2016 - PECBMS
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Brutvogelatlas 2013–2016: Das Wichtigste in Kürze Spezialisten gingen zurück, Generalisten nahmen zu. Dies kann vermehrt zu Konflik ten mit ungeliebten Arten führen. Seite 6 Viele Langstreckenzieher büssten deutlich an Terrain ein. Besonders Insekten fresser verzeichnen stetige Abnahmen. Seite 14 Etliche Greifvogelarten konnten sich lang fristig erholen. Sie geniessen gesetzlichen Schutz und grosse Popularität in der Bevölkerung. Seite 16 Die Klimaerwärmung machte sich stark bemerkbar und drängte manche Arten nach oben. Viele Arten leiden unter dem Klima wandel, aber nur wenige profitieren. Seite 18 2
Die Vögel des Kulturlandes erlitten die grössten Verluste. Dies vor allem in den Niederungen, aber vermehrt auch in den Bergen. Seite 20 Die Bestände zahlreicher Waldarten nah men zu. Wachsende Waldfläche, naturna her Waldbau und mehr Totholz beflügeln die Vögel des Waldes. Seite 24 Die Artenförderung ist unverzichtbar ge worden. Etlichen gefährdeten Arten ver half sie sogar zur Trendwende. Seite 34 Inhaltsverzeichnis Editorial ..................................................................................................... 4 Vögel als Umweltindikatoren .................................................................. 6 Gesamtübersicht ....................................................................................... 8 Aktuelle Erscheinungen .......................................................................... 14 Situation in den Lebensräumen ............................................................. 20 Weitere Informationen Störungen ................................................................................................ 32 Einen Rückblick auf 2017 inklusive Be- Artenförderung ....................................................................................... 34 standsentwicklung der Brutvogelarten, Er- gebnisse der Wasservogelzählungen und Feldarbeit und Analysen ........................................................................ 36 zusätzliche Analysen finden Sie online: Dank ......................................................................................................... 40 www.vogelwarte.ch/zustand 3
EDITORIAL Der Atlas – ein Meilenstein Der «Bericht über den Zustand der Vo- tatkräftigen, unermüdlichen und oft gelwelt 2018» ist ein ganz besonde- jahrzehntelangen Mitarbeit von nun- rer. Für einmal schreibt unser Zustands- mehr über 2000 Freiwilligen im gan- bericht nicht die jährlichen Zählungen zen Land. Auch dieser Atlas, der vier- der Brutvögel und der überwinternden te in einer Serie mit jeweils 20 Jahren Wasservögel fort, sondern er enthält die Abstand, hat zu einer Welle von über- Quintessenz des «Schweizer Brutvogel- wältigendem Enthusiasmus und fach- atlas 2013–2016» und zieht damit eine kundiger Feldarbeit bei den Freiwilligen Bilanz über die letzten zwanzig Jahre. geführt. Wir würdigen ihren enormen Der Schweizer Brutvogelatlas 2013– Einsatz auf den Seiten 40–43. 2016 wird für die nächsten zwanzig Der Schweizer Brutvogelatlas 2013– Jahre das wichtigste Werk sein, wenn 2016 ist aber auch für die Vogelwar- es um die Beurteilung des Zustands un- te ein einschneidendes Ereignis, denn serer Vogelwelt und deren längerfris- von Planung und Vorbereitung bis zu tige Entwicklung geht. An den Ergeb- Buchproduktion, Internet-Auftritt und nissen können wir nun direkt ablesen, schliesslich zur Publikation von Fachar- wie wir mit unserer Umwelt umgehen. tikeln wird er rund zehn Jahre in An- Diesem Atlas lässt sich beispielsweise spruch genommen haben. Unser At- entnehmen, dass es den Brutvögeln im las-Team setzte sich hohe Ziele, plante, Unterstützung – seien das grössere Be- Wald (mit Ausnahmen) relativ gut geht. wie diese zu erreichen wären, leitete die träge von Institutionen, seien es kleinere Aber man sieht auch, dass die Vögel, Freiwilligen an, bereitete alle Unterla- oder grössere Zuwendungen von Perso- die im Landwirtschaftsgebiet brüten, gen vor, prüfte die Daten, fragte bei Un- nen, die über Patenschaften für einzel- noch weitere dramatische Rückgänge klarheiten nach, erstellte jedes Jahr Zwi- ne Arten oder anderweitig ihren Enthu- hinnehmen mussten, bis hin zum Ver- schenbilanzen für die Verantwortlichen siasmus für dieses einzigartige Projekt schwinden aus ganzen Regionen oder – der Atlasquadrate, wertete die Daten auf diese Weise zum Ausdruck brachten. wie der Rotkopfwürger – gar aus dem aus, modellierte die Verbreitung und de- Wir alle hoffen, dass der Schweizer ganzen Land. Wir zeigen die Gründe für ren Veränderung, produzierte die Kar- Brutvogelatlas 2013–2016 nicht nur die verschiedenen Entwicklungen auf ten, schätzte die Brutbestände, schrieb, eine Dokumentation bleibt, sondern zu und geben Hinweise, wie unsere Vo- redigierte und übersetzte die Texte, so zielgerichteten Massnahmen zugunsten gelwelt erhalten und gefördert werden dass das Werk in vier Sprachen vorge- unserer Vogelwelt und damit unserer kann. Und Massnahmen zugunsten un- legt werden kann. Auch das alles ge- Natur und Umwelt führt. serer Vogelwelt sind in der Tat nötig! lang dank sehr grossem Einsatz und En- Die Brutvögel sind in unserem thusiasmus für das gemeinsame Werk. Prof. Dr. Lukas Jenni Land die bestuntersuchte Gruppe von Nicht zuletzt danken wir den zahlrei- Vorsitzender der Institutsleitung und wildlebenden Tieren, dies dank der chen Geldgebern für die wohlwollende Wissenschaftlicher Leiter Atlas historique des oiseaux nicheurs Historischer Brutvogelatlas Die Landschaften in der Schweiz haben sich in Ces dernières décennies, les paysages de Suisse den letzten Jahrzehnten stark verändert, was ont subi d’importantes mutations qui se sont tiefgreifende Auswirkungen auf die Vogelwelt fortement répercutées sur l’avifaune. Ce livre hatte. Dieses Buch illustriert diesen Wandel illustre cette évolution, en s’appuyant sur la ré- anhand der Verbreitung der Brutvögel in den Jahren 1950–59, 1972–76 und 1993–96. Die Darstellung der verflogenen Vielfalt ist ein Plä- partition des oiseaux nicheurs dans les années 1950–59, 1972–76 et 1993–96. La présenta- tion de cette diversité révolue constitue un plai- Historischer Brutvogelatlas doyer für einen nachhaltigeren Umgang mit doyer en faveur d’une gestion durable de la Die Verbreitung der Schweizer Brutvögel seit 1950 dem Naturreichtum der Schweiz. nature et de ses richesses en Suisse. Atlas historique des oiseaux nicheurs La répartition des oiseaux nicheurs de Suisse depuis 1950 1950–1959 Knaus et al. 2011 1972–1976 Schifferli et al. 1980 Die Entwicklung der Vogelwelt in der Schweiz zu dokumentieren, ist 1993–1996 eine Kernaufgabe der Vogelwarte. Mit dem Brutvogelatlas 2013–2016 Schmid et al. 1998 setzt sie einen weiteren Meilenstein, der auch über die Landesgrenzen 2013–2016 hinaus auf Beachtung stösst. Knaus et al. 2018 4
Reviere/km2 >79 >79 60 60 40 40 20 20 0 0 Der Buchfink ist mit rund einer Million Brutpaaren die häufigste Brutvogelart der Schweiz. Die Dichtekarte zeigt: In bewaldeten Gebieten ist die Art landesweit in hohen Dichten vorhanden. 5
Ein hoher Siedlungsdruck und des Schweizers Hang zu einer «cleanen» Landschaft: schlechte Voraussetzungen für anspruchsvollere Vogelarten. Vogelwelt ist Spiegel der Umwelt Vögel erfreuen uns mit ihrer Farben- durch Industrieabfälle und auf andere am Tag aktiv, lassen sich aus Distanz pracht, ihrem Gesang, ihren Flugküns- Giftstoffe aufmerksam gemacht, und bestimmen und ihre Artenzahl ist ten und ihrem Verhalten. Vögel sind Beobachtungen von zeitiger heimkeh- überschaubar. auch ausgezeichnete Bioindikatoren, renden Zugvögeln lieferten auch frühe • Vögel lassen sich daher verhältnismäs also Anzeiger für den Zustand der Um- Hinweise auf die globale Erwärmung. sig gut überwachen und zählen. Wir welt und für den Umgang von uns Men- Vögel werden daher generell als wich- haben ihre Verbreitung und Häufig- schen mit der Natur. Vögel sind uns in tige Bioindikatoren für den Zustand der keit seit Jahrzehnten dokumentiert gewisser Weise ähnlich, teilen mit uns Umwelt angesehen. Dafür gibt es gute und verfügen dadurch über erst- den Lebensraum und stellen ähnliche Gründe: klassige Daten, um Veränderungen Ansprüche an Boden, Wasser, Luft, Ve- • Vögel lassen sich besser beobachten festzustellen. getation und Nahrung. In einer ganzen als die meisten anderen Tiere, denn • Vögel reagieren sensibel auf Verän- Reihe von Fällen hat uns das sehr gehol- sie sind relativ gross, auffällig, meist derungen in ihrem (und unserem) fen. Bestes Beispiel ist der sprichwört- liche Kanarienvogel in der Kohlegrube. Bergleute führten ihn jeweils unter Tage mit. Bei drohender Gefahr durch Gas verstummte der Kanarienvogel und si- gnalisierte ihnen dadurch, die Kohlegru- be zu verlassen und sich in Sicherheit zu begeben. Die empfindlichsten Lebewesen sind es, die auf eine bevorstehende Gefähr- dung des ganzen Systems hindeuten. So waren es Wanderfalken und Weiss- kopfseeadler, deren Bestandskollaps an- fangs der 1970-Jahre die gefährlichen Auswirkungen des Insektizids DDT er- kennen liessen, bevor auch die mensch- liche Gesundheit in Mitleidenschaft ge- Wanderfalken gehören nicht nur zu den schnellsten Tierarten, sie stehen auch zuoberst auf der zogen wurde. Vögel haben auf die Nahrungspyramide. Weil sich viele Pestizide in der Nahrungskette anreichern, zeigen sie Konzen trationen von Umweltgiften rasch an. Belastung der Umwelt mit Quecksilber 6
V Ö G E L A L S U M W E LT I N D I K AT O R E N Der Kuckuck zeigt in Höhenlagen unterhalb 1500 m ü.M. deutliche Abnahmen. Er macht uns darauf aufmerksam, dass die Schmetterlinge grosse Probleme haben. Denn der Kuckuck ist ein Nahrungsspezialist, der sich zu einem grossen Teil von Schmetterlingsraupen ernährt. Schmetterlinge und Kuckuck bräuch ten mehr gestufte, naturnahe Waldränder und daran angrenzend blütenreiche Wiesen. Lebensraum. Sie stehen (wie wir) • Vögel sind bis zu einem gewissen der umgesetzten Massnahmen oder der weit oben in der Nahrungskette, wo Grad repräsentativ für andere Orga- Summe der investierten Gelder – bei- sich negative Auswirkungen akku- nismengruppen und sie orientieren des braucht es unzweifelhaft in grossen mulieren können. sich in räumlichen Grössenordnun- Mengen – zu messen, sondern am Zu- • Über Vögel wissen wir viel mehr als gen, die für unsere Raumplanung stand der Vogelwelt. Sie zeigt uns, wie über die meisten anderen Gruppen massgeblich sind. lebenswert Landschaft und Lebensräu- von Tieren und Pflanzen. Wir kennen Vögel vermitteln uns somit ein detail- me für Tier und Mensch sind und wo ihre Lebensgeschichte und ihre An- liertes Bild über den Zustand der Um- die Alarmglocken schrillen. sprüche an die Umwelt und können welt und lassen Veränderungen in den Veränderungen in der Vogelwelt da- Lebensbedingungen frühzeitig erken- her auch richtig interpretieren. nen. Wer das Leben der Vögel ver- • Vögel besiedeln nahezu alle Lebens- steht, erkennt die Zeichen der Zeit. Vö- räume. Aus den Veränderungen im gel sind ein zuverlässiger Gradmesser Bestand verschiedener Arten kann für die Nachhaltigkeit. Die künftigen Weitere Informationen: auf die Veränderungen in den Le- Bemühungen im Natur- und Umwelt- www.vogelwarte.ch/atlas bensräumen geschlossen werden. schutz sind daher nicht nur an der Zahl Unsere Landschaften werden ausgeräumt, übernutzt, überbaut. Für anspruchsvollere Vogelarten wird es immer enger. Wenig spezialisierte, anpassungsfähi ge Arten, sogenannte Generalisten, profitieren davon. Mittelmeermöwe, Saatkrähe und Ringeltaube gehören dazu. Sie konnten seit 1993–1996 markant zulegen und entwickeln sich mehr und mehr zu Zivilisationsfolgern. Das birgt das Risiko, dass sich Konflikte mit ihnen mehren. 7
Anzahl Arten/10 × 10 km 99 100 140 140 91 104 109 105 111 126 120 120 101 96 110 100 106 104 98 108 97 97 95 73 100 100 101 103 112 100 91 96 105 114 103 90 91 87 89 89 91 85 124 80 80 103 110 97 96 101 101 84 93 97 110 100 96 107 88 80 81 85 86 90 87 112 60 60 91 93 97 95 93 90 93 102 95 95 105 110 92 110 99 79 76 78 81 94 110 40 40 20 20 88 92 89 95 97 114 112 99 82 89 92 107 84 98 111 121 91 92 92 131 104 0 0 97 90 93 106 118 109 99 79 86 111 97 95 99 99 102 116 124 110 99 107 123 90 106 107 109 125 108 101 90 81 72 79 97 94 101 103 111 103 105 93 101 92 106 125 78 78 95 99 99 112 124 120 109 97 104 84 81 82 84 95 118 111 107 112 96 87 95 86 83 118 124 94 76 72 88 88 95 119 111 120 104 104 83 106 86 78 88 94 93 115 98 115 102 88 88 79 87 73 120 123 96 87 62 60 107 94 97 122 122 111 105 104 89 87 94 91 85 96 100 112 95 92 69 99 69 62 104 110 101 117 96 93 85 59 98 104 100 101 112 109 86 88 94 101 93 95 113 133 118 123 107 105 94 80 79 92 98 98 92 96 93 113 102 96 58 88 92 67 71 98 101 110 99 78 81 87 104 100 97 98 104 121 109 93 70 81 34 91 83 85 58 77 87 84 96 102 82 73 101 59 65 101 89 104 101 108 96 104 97 87 100 109 97 98 94 96 87 90 32 8 90 84 83 94 90 94 49 71 75 77 86 44 102 60 91 104 104 82 73 90 107 103 92 98 98 87 79 66 23 93 105 76 70 78 90 91 69 82 64 61 100 77 76 75 113 103 93 140 132 94 93 89 82 104 95 78 109 95 73 80 78 76 100 76 91 87 95 78 54 90 106 99 104 94 116 111 96 96 121 109 135 120 112 106 47 85 84 91 80 98 101 91 92 115 109 104 94 111 113 123 107 85 86 76 77 78 80 83 99 123 124 101 71 65 98 116 92 70 88 71 78 73 71 70 92 92 91 85 85 91 84 66 65 55 81 20 19 80 90 73 79 76 28 80 87 75 77 Brutvogelatlas 2013–2016: Die Zahl der nachgewiesenen Arten pro Atlasquadrat (10 × 10 km). Die artenreichsten Quadrate befinden sich dort, wo von Feuchtgebieten in den Tallagen bis zur alpinen Stufe alle wichtigen Lebensräume vertreten sind. Schweizer Vogelwelt in Zahlen Das Hauptanliegen des Atlas 2013– Brutvogelarten finden (auf CH-Territo- häufigste Vogelart mit geschätzten 0,9– 2016 ist, die aktuelle Situation der Brut- rium: 204 sowie 6 nicht-einheimische 1,1 Mio. Brutpaaren ist der Buchfink. vögel bezüglich ihrer Verbreitung und Arten). Dies sind 13 mehr als in der Vor- Der eigentliche «Allerweltsvogel» bleibt Bestände in der Schweiz und im Fürs- periode. Allerdings betreffen 4 der neu- der Hausrotschwanz, der in 94,7 % aller tentum Liechtenstein zu dokumentie- en Arten Neozoen, d.h. nicht-einheimi- kartierten Quadrate nachweisbar war. ren. Vor allem sollen auch Änderungen sche Arten. Pro Atlasquadrat wurden Er ist damit die am weitesten verbrei- in der Verbreitung aufgezeigt werden. durchschnittlich 93 Arten nachgewie- tete, aber nicht die häufigste Vogelart. Die angestrebten Ziele lehnen sich so- sen. Mit 140 Arten war das Atlasqua Es sind Waldvogelarten wie Buchfink, mit an jene des Atlas 1993–1996 an: drat Vouvry VS das artenreichste, mit 8 Mönchsgrasmücke und Amsel, die Wäl- Arten jenes im Gebiet Finsteraarhorn BE/ der aller Höhenstufen besiedeln, wel- 1. In jedem Atlasquadrat (10 × 10 km) VS naturgemäss das artenärmste. che die Gruppe der zahlenstärksten Ar- Nachweis möglichst aller Brut- ten bilden. Mit steigender Höhe nimmt vogelarten; Ergebnisse in den auch die Zahl der Arten und der Reviere 2. Erhebung der Häufigkeit der Brutvö- Kilometerquadraten ab: Auf 600 m ü.M. gibt es pro Kilome- gel mittels Kartierungen; Die Erhebungen in den 2318 Kilometer- terquadrat durchschnittlich 396 Revie- 3. Möglichst vollständige und flächen- quadraten, d.h. auf rund 5 % des Atlas- re von 50 Arten, auf 1200 m ü.M. sind deckende Erfassung der seltenen Ar- perimeters, stellen eine umfangreiche es 351 Reviere von 48 Arten und auf ten und der Koloniebrüter. und repräsentative Grundlage dar, die 1800 m ü.M. deren 209 von 38 Arten. insbesondere für die häufigeren und Ergebnisse landesweit verbreiteteren Arten ungeahnte Analy- In der Schweiz, im Fürstentum Liech- semöglichkeiten eröffnet. tenstein sowie in den Grenzgebieten Im Mittel wurden pro Kilometerqua- wurden insgesamt 467 Atlasquadrate drat 239,6 Reviere von 35,4 Arten ge- von 10 × 10 km Fläche bearbeitet. Ins- zählt. Im Rahmen der Kartierungen lies gesamt liessen sich 2013–2016 216 sen sich 745 428 Reviere aufspüren. Die 8
GESAMTÜBERSICHT Anzahl Paare/km2 1000 1000 800 800 600 600 400 400 200 200 0 0 Gesamtzahl der modellierten Brutvogelreviere in den Kilometerquadraten. Die vogelreichsten Le bensräume befinden sich in den tieferen Lagen auf der Alpennordseite sowie im Wallis und Unterengadin. Übersicht über die Datengrundlage 2013–2016 Häufigste & verbreitetste Vogelarten präsent in % Gesamte Anzahl Meldungen 3 169 412 Art der kartierten km2 Bestand (Reviere) davon Nachweise aus Kartierungen 1 524 429 Hausrotschwanz 95 % 300 000–400 000 Anzahl Kilometerquadrate mit mind. einer Meldung 36 002 (77 %*) Buchfink 88 % 900 000–1 100 000 kartierte Kilometerquadrate 2318 (5 %*) Mönchsgrasmücke 80 % 700 000–800 000 * = in Prozent des ganzen Atlasperimeters (46 202 km2) Amsel 81 % 500 000–700 000 Rotkehlchen 81 % 450 000–650 000 Tannenmeise 72 % 400 000–600 000 Erhebungen in Kilometerquadraten Artenreichste/-ärmste Atlasquadrate Durchschnittliche Artenzahl 35,4 Vouvry (Atlasquadrat 55/13) 140 Arten Min./max. Artenzahl 2 / 69 Pfynwald (61/12) 135 Arten Durchschnittliche Revierzahl 240 Thun (61/17) 133 Arten Min./max. Revierzahl 3 / 742 Leysin (56/13) 132 Arten Revierzahl total 745 428 Sennwald (75/23) 131 Arten Mittlerer Kartieraufwand (pro kmQ) 10 h 49 min ..... Anzahl Kartierrundgänge 9095 Mattmark (64/9) 19 Arten Kartieraufwand total 3,9 Arbeitsjahre Finsteraarhorn (65/15) 8 Arten Das Atlasquadrat «Vouvry» am oberen Ende des Genfersees weist eine grosse Vielfalt von Lebensräumen auf und ist deshalb das artenreichste Gebiet. 9
Anzahl Arten/km2 2.002 1.001 0,5 0.50 0.25 0.000 −0.25 –0,5 −0.50 –1 −1.00 –2 −2.00 Änderung der Verbreitung seit 1993–1996 der Arten der Roten Listen (2001/2010). Die Karte entstand durch die Kombination der Veränderungskarten von 27 Arten, von denen die Vorkommenswahrscheinlichkeit für beide Atlasperioden modelliert werden konnte (die meisten der übrigen 50 Arten sind sehr selten). Artenzahl bleibt, aber ... Um es vorwegzunehmen: Bei der In- für die Erhebungen stieg enorm und mittelhäufige oder eher seltene Ar- terpretation der «nackten» Zahlen im auch die Mobilität und die Zugänglich- ten nahmen ab, doch schlägt dies auf Brutvogelatlas ist grosse Vorsicht an- keit vieler Gebiete haben sich grund- den Verbreitungskarten mit den Ras- gezeigt. Einerseits wuchs von Atlaspe- legend geändert. Andererseits ist zu tern 10 × 10 km oft nicht durch. Wenn riode zu Atlasperiode die Zahl der Be- berücksichtigen, dass es sehr entschei- es in einem Atlasquadrat einst vielleicht obachterinnen und Beobachter, der dend ist, in welcher geografischen Auf- hundert Paare waren, heute jedoch nur Kenntnisstand nahm zu, der Aufwand lösung die Betrachtung erfolgt: Viele noch eines, so gilt das Atlasquadrat eingewandert Schwarzhalstaucher Schwarzkopfmöwe Weissrückenspecht Sperbergrasmücke Wacholderdrossel Mittelmeermöwe Orpheusspötter Schlangenadler Karmingimpel Schnatterente Seidensänger Blaukehlchen Bienenfresser Türkentaube Purpurreiher Sturmmöwe Brachpieper Rohrschwirl Kolbenente Schafstelze Reiherente Brandgans Kormoran Saatkrähe Fahlsegler Bartmeise Eiderente Tafelente Bartgeier 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 – – – – – – – – – – – 1919 1929 1939 1949 1959 1969 1979 1989 1999 2009 2018 verschwunden Schwarzstirnwürger Orpheusgrasmücke Grosser Brachvogel Rotkopfwürger Haubenlerche Raubwürger Rotschenkel Fischadler Ortolan Übersicht über die seit 1910 neu eingewanderten Arten, die sich als Brutvögel etablieren konnten (oben) bzw. traditionelle Brutvogelarten, die aus der Schweiz verschwunden sind (unten). Der Bartgeier wurde wiederangesiedelt. 10
GESAMTÜBERSICHT (Zu) viel Dynamik in der Welt der Schweizer Brutvögel Nicht mehr nachweisbar: Der Rotkopfwürger ist Kaum mehr Bruten: Waren vor 20 Jahren noch Kurzes Gastspiel: Ein Stelzenläuferpaar machte als einst verbreiteter Brutvogel ganz aus der 150–250 Ortolanreviere bekannt, gelang nach 2013 einen Brutversuch. Schweiz verschwunden. 2014 kein Brutnachweis mehr. Neu etablierte Brutvogelart: Der Bienenfresser Beginnt Fuss zu fassen: Nach dem ersten Brut Unerwünschte Neozoen: Rost- und neu auch Nil brütet seit 1991 und hat 2017 die Schwelle von nachweis 2012 gelten aktuell 3–5 Schlangenad gans (im Bild) etablierten sich als Brutvögel. 100 Brutpaaren überschritten. lerpaare als etabliert. nach wie vor als besetzt. Deshalb haben Landwirtschaftsmaschinen und Präda- Brutvogelarten, die grundsätzlich selten wir beschlossen, hier keine direkten art- toren speziell ausgesetzt sind. Für vie- oder im Bestand eher abnehmend sind. weisen Angaben zur Zahl der pro Atlas- le dieser Arten ist es in der Schweiz seit So zeichnet sich bereits ab, dass in die periode besetzten Atlasquadrate zu ver- den letzten Aufnahmen in den 1990er- 2020 herauskommende neue Rote Lis- öffentlichen. Viel aussagekräftiger sind Jahren nochmals deutlich enger gewor- te etliche Arten zusätzlich aufgenom- die direkten Vergleiche, die sich aus den den. Es betrifft vorab jene 40 % unserer men werden müssen. detaillierten Erhebungen in jenen Kilo- meterquadraten ergeben, die sowohl 1993–1996 wie auch 2013–2016 kar- tiert wurden. Vorkommenswahrscheinlichkeit/km2 1.0 1 Trivialisierung schreitet voran 0,5 0.5 Die paar Arten, die – meist nur in ei- ner Handvoll Paaren – neu als Brut- 0.0 0 vögel aufgetreten sind, lassen die Ge- –0,5 −0.5 samtbilanz bei den aktuell vorhandenen −1.0 –1 Brutvogelarten arithmetisch positiv er- scheinen. Doch viele Brutvogelarten in der Schweiz haben deutlich rück- läufige Bestände und zeigen oft auch Arealschwunde. Wir haben insgesamt eine Situation, die labiler ist als sie sein müsste. Betroffen sind in erster Linie Bewohner von Feuchtgebieten, von extensiv genutzten Landwirtschafts- gebieten und/oder Langstreckenzie- her. Es sind dies oft Arten, die grössere Habitate benötigen, störungsempfind- Ist bald ausgeturtelt? Die Resultate aus dem Brutvogelatlas 2013–2016 verheissen wenig Gutes für die lich sind, hauptsächlich auf Grossinsek- Turteltaube. Auch in den bisherigen Hotspots Genf, Waadt und Tessin zeichnen sich markante Verluste ten angewiesen oder als Bodenbrüter (rote Gebiete) ab. 11
GESAMTÜBERSICHT Bestandstrends, Status und Bestände der Brutvögel der Schweiz 1950–1959, 1972–1976, 1993–1996 und 2013–2016 Jede der nachfolgend aufgeführten 216 Vogelarten hat mindestens in einer der bisher vier Atlasperioden, also in den 1950er-, 1970er-, 1990er- und/oder 2010er-Jahren in der Schweiz gebrütet. ● = alljährlich, ○ = unstet, ♦ = Ausnahmeerscheinung. (=) Bestand etwa konstant oder fluktuierend bzw. kein signifikanter Trend; ++ = starke Zunahme, X = kein Trend berechenbar. Trends können nur für 174 aktuell als regelmässige Brutvögel taxierte Arten angegeben werden. Eine Abnahme kann maxi- mal –100 ausmachen, eine Zunahme jedoch ein Vielfaches von +100. Paare/Bruten) Paare/Bruten) 2013–2016 2013–2016 1990–2017 2008–2017 1950–1959 1972–1976 1993–1996 2013–2016 1990–2017 2008–2017 1950–1959 1972–1976 1993–1996 2013–2016 (Reviere/ (Reviere/ Bestand Bestand Trend Trend Trend Trend Art Art Wachtel (=) (=) ● ● ● ● 500–2 000 Graureiher 32 36 ● ● ● ● 1 600–1 800 Steinhuhn –57 (=) ● ● ● ● 2 500–4 500 Purpurreiher ++ ++ ● ● ♦ ● 6–17 Jagdfasan X X ● ● ● ● 40–60 Silberreiher X X ♦ 0–1 Rebhuhn (=) (=) ● ● ● ● 5–10 Seidenreiher X X ♦ 0–1 Haselhuhn (=) 26 ● ● ● ● 3 000–5 500 Kormoran ++ 462 ● 1 200–2 100 Alpenschneehuhn –33 (=) ● ● ● ● 12 000–18 000 Stelzenläufer X X ♦ 0–1 Auerhuhn –35 (=) ● ● ● ● 360–470 Mornellregenpfeifer X X ♦ ○ 1–3 Birkhuhn (=) 14 ● ● ● ● 12 000–16 000 Flussregenpfeifer (=) (=) ● ● ● ● 90–120 Höckerschwan X X ● ● ● ● 590–720 Kiebitz –55 89 ● ● ● ● 140–180 Graugans X X ● ● 45–60 Grosser Brachvogel –97 X ● ● ● 0 Eiderente X X ● ● 1–5 Bekassine –93 X ● ● ○ ♦ 0–1 Schellente X X ♦ ♦ 0 Waldschnepfe –12 (=) ● ● ● ● 1 000–4 000 Mittelsäger X X ♦ ♦ 0–2 Flussuferläufer (=) 73 ● ● ● ● 70–90 Gänsesäger 109 22 ● ● ● ● 600–800 Lachmöwe –62 (=) ● ● ● ● 560–800 Nilgans X X ● 8–13 Schwarzkopfmöwe ++ (=) ♦ ○ ○ 0–5 Rostgans X X ● ● 10–15 Sturmmöwe (=) –94 ● ● ○ 0–3 Brandgans X X ♦ ● 1–4 Mittelmeermöwe ++ 54 ● ● ● 1 240–1 430 Brautente X X ♦ ♦ 0–1 Küstenseeschwalbe X X ♦ 0–1 Mandarinente X X ♦ ♦ ● ● 10–20 Flussseeschwalbe 149 (=) ● ● ● ● 580–760 Kolbenente 973 65 ● ● ● ● 210–300 Schleiereule –19 (=) ● ● ● ● 200–1 000 Tafelente (=) (=) ♦ ● ● ● 6–9 Sperlingskauz (=) (=) ● ● ● ● 800–2 000 Moorente X X ♦ ♦ 0–1 Steinkauz 181 84 ● ● ● ● 115–150 Reiherente 78 (=) ♦ ● ● ● 160–280 Raufusskauz (=) (=) ● ● ● ● 1 000–3 000 Knäkente X X ♦ ♦ ♦ ♦ 0–1 Zwergohreule 172 (=) ● ● ● ● 30–40 Löffelente X X ♦ ♦ ○ 0–1 Waldohreule 15 (=) ● ● ● ● 2 000–3 000 Schnatterente 137 (=) ♦ ♦ ● ● 5–10 Waldkauz (=) (=) ● ● ● ● 6 000–8 000 Krickente X X ○ ○ ○ ○ 0–2 Uhu (=) (=) ● ● ● ● 200–230 Stockente 24 (=) ● ● ● ● 20 000–30 000 Wespenbussard 20 (=) ● ● ● ● 500–1000 Zwergtaucher –19 (=) ● ● ● ● 800–1 300 Bartgeier ++ 433 ● 9–15 Schwarzhalstaucher (=) 405 ○ ○ ○ ○ 3–4 Steinadler 16 (=) ● ● ● ● 350–360 Haubentaucher –26 (=) ● ● ● ● 3 500–5 000 Schlangenadler X X ○ 3–5 Strassentaube X X ● ● ● ● 20 000–35 000 Rohrweihe X X ○ ♦ ♦ 0–3 Hohltaube 58 32 ● ● ● ● 2 000–4 000 Wiesenweihe X X ○ ♦ 0 Ringeltaube 215 40 ● ● ● ● 130 000–150 000 Sperber 26 (=) ● ● ● ● 3 500–6 000 Turteltaube –43 –29 ● ● ● ● 150–400 Habicht (=) 17 ● ● ● ● 1 300–1 700 Türkentaube 50 (=) ● ● ● ● 15 000–25 000 Rotmilan 552 64 ● ● ● ● 2 800–3 500 Ziegenmelker –18 –18 ● ● ● ● 40–50 Schwarzmilan 112 (=) ● ● ● ● 2 000–3 000 Alpensegler 107 (=) ● ● ● ● 1 800–2 300 Mäusebussard 33 (=) ● ● ● ● 15 000–20 000 Fahlsegler 165 (=) ● ● 29–36 Wiedehopf 56 (=) ● ● ● ● 180–260 Mauersegler (=) (=) ● ● ● ● 40 000–60 000 Bienenfresser ++ 414 ● ● 53–72 Kuckuck (=) (=) ● ● ● ● 15 000–25 000 Eisvogel 51 (=) ● ● ● ● 400–500 Wasserralle (=) (=) ● ● ● ● 500–800 Wendehals (=) 42 ● ● ● ● 1 000–2 500 Wachtelkönig 205 (=) ● ● ● ● 15–40 Grauspecht –73 –46 ● ● ● ● 300–700 Tüpfelsumpfhuhn (=) (=) ● ● ● ● 10–20 Grünspecht 75 (=) ● ● ● ● 10 000–17 000 Kleines Sumpfhuhn X X ● ● ● ● 1–5 Schwarzspecht 171 39 ● ● ● ● 6 000–9 000 Zwergsumpfhuhn X X ♦ ♦ ♦ 0–1 Dreizehenspecht (=) 56 ● ● ● ● 1 000–2 500 Teichhuhn (=) 46 ● ● ● ● 1 000–2 000 Mittelspecht 216 57 ● ● ● ● 1 700–2 100 Blässhuhn 31 26 ● ● ● ● 5 000–8 000 Kleinspecht 21 26 ● ● ● ● 1 500–3 000 Weissstorch 220 118 ● ● ● ● 370–460 Weissrückenspecht X X ♦ ● 20–30 Zwergdommel (=) (=) ● ● ● ● 90–120 Buntspecht 102 (=) ● ● ● ● 70 000–90 000 Nachtreiher X X ♦ ♦ ♦ 0–1 Turmfalke 138 34 ● ● ● ● 5 000–7 500 12
GESAMTÜBERSICHT Paare/Bruten) Paare/Bruten) 2013–2016 2013–2016 1990–2017 2008–2017 1950–1959 1972–1976 1993–1996 2013–2016 1990–2017 2008–2017 1950–1959 1972–1976 1993–1996 2013–2016 (Reviere/ (Reviere/ Bestand Bestand Trend Trend Trend Trend Art Art Baumfalke 12 (=) ● ● ● ● 500–1 000 Mauerläufer –33 (=) ● ● ● ● 1 000–2 500 Wanderfalke 106 (=) ● ● ● ● 260–320 Zaunkönig 61 (=) ● ● ● ● 400 000–550 000 Pirol 50 (=) ● ● ● ● 3 000–4 500 Wasseramsel 36 (=) ● ● ● ● 6 000–8 000 Neuntöter –50 (=) ● ● ● ● 10 000–15 000 Star (=) (=) ● ● ● ● 120 000–140 000 Schwarzstirnwürger X X ● ○ 0 Misteldrossel 31 (=) ● ● ● ● 130 000–150 000 Raubwürger X X ● ● 0 Singdrossel 40 49 ● ● ● ● 300 000–350 000 Rotkopfwürger –100 (=) ● ● ● 0 Amsel 41 13 ● ● ● ● 500 000–700 000 Alpenkrähe 150 (=) ● ● ● ● 70–80 Wacholderdrossel –44 (=) ● ● ● ● 40 000–45 000 Alpendohle (=) (=) ● ● ● ● 11 000–21 000 Ringdrossel –35 (=) ● ● ● ● 50 000–75 000 Eichelhäher 22 (=) ● ● ● ● 60 000–75 000 Grauschnäpper –35 (=) ● ● ● ● 35 000–55 000 Elster 157 (=) ● ● ● ● 35 000–40 000 Rotkehlchen 38 20 ● ● ● ● 450 000–650 000 Tannenhäher (=) (=) ● ● ● ● 20 000–25 000 Rotst. Blaukehlchen 395 (=) ♦ ● ● 5–12 Dohle 71 35 ● ● ● ● 1 250–1 500 Nachtigall 58 33 ● ● ● ● 1 700–2 200 Saatkrähe ++ 113 ● ● ● 5 800–7 300 Trauerschnäpper 49 (=) ● ● ● ● 17 000–22 000 Kolkrabe 69 (=) ● ● ● ● 2 000–3 000 Halsbandschnäpper X X ● ● ● ● 15–25 Rabenkrähe 123 (=) ● ● ● ● 80 000–120 000 Hausrotschwanz 13 (=) ● ● ● ● 300 000–400 000 Nebelkrähe X X ● ● ● ● 2 000–3 000 Gartenrotschwanz (=) (=) ● ● ● ● 12 000–18 000 Tannenmeise 530 (=) ● ● ● ● 400 000–600 000 Steinrötel –28 36 ● ● ● ● 2 000–3 000 Haubenmeise 72 (=) ● ● ● ● 90 000–110 000 Blaumerle (=) (=) ● ● ● ● 15–25 Sumpfmeise 45 (=) ● ● ● ● 70 000–100 000 Braunkehlchen –56 –29 ● ● ● ● 7 000–9 000 Mönchsmeise 100 (=) ● ● ● ● 70 000–95 000 Schwarzkehlchen 91 25 ● ● ● ● 1 500–2 000 Blaumeise 107 (=) ● ● ● ● 200 000–300 000 Steinschmätzer 31 (=) ● ● ● ● 40 000–60 000 Kohlmeise 31 (=) ● ● ● ● 400 000–550 000 Wintergoldhähnchen 58 (=) ● ● ● ● 200 000–400 000 Beutelmeise X X ○ ○ ○ ♦ 0–1 Sommergoldhähnchen (=) 104 ● ● ● ● 250 000–400 000 Heidelerche (=) (=) ● ● ● ● 250–300 Alpenbraunelle (=) (=) ● ● ● ● 25 000–40 000 Feldlerche –43 –20 ● ● ● ● 25 000–30 000 Heckenbraunelle 20 22 ● ● ● ● 200 000–250 000 Haubenlerche X X ● ○ 0 Haussperling 18 (=) ● ● ● ● 450 000–550 000 Bartmeise (=) (=) ● ● ● 80–110 Italiensperling X X ● ● ● ● 20 000–25 000 Zistensänger X X ♦ ♦ ♦ 0–2 Feldsperling 66 (=) ● ● ● ● 80 000–95 000 Orpheusspötter 27 47 ● ● ● ● 300–350 Schneesperling –12 (=) ● ● ● ● 6 000–9 000 Gelbspötter –74 (=) ● ● ● ● 100–150 Baumpieper –49 (=) ● ● ● ● 50 000–70 000 Mariskenrohrsänger X X ♦ ♦ 0–1 Wiesenpieper –54 (=) ● ● ● ● 500–800 Schilfrohrsänger X X ♦ 0 Bergpieper (=) (=) ● ● ● ● 150 000–200 000 Sumpfrohrsänger (=) (=) ● ● ● ● 3 000–6 000 Brachpieper X X ♦ ♦ ○ ○ 1–3 Teichrohrsänger (=) (=) ● ● ● ● 9 000–11 000 Schafstelze 21 (=) ● ● ● ● 300–340 Drosselrohrsänger 67 92 ● ● ● ● 270–320 Gebirgsstelze (=) (=) ● ● ● ● 17 000–20 000 Rohrschwirl 49 (=) ● ● ● ● 280–310 Bachstelze –11 –14 ● ● ● ● 90 000–110 000 Feldschwirl 36 (=) ● ● ● ● 150–250 Buchfink 31 (=) ● ● ● ● 900 000–1 100 000 Mehlschwalbe –29 (=) ● ● ● ● 70 000–90 000 Kernbeisser (=) (=) ● ● ● ● 13 000–17 000 Rauchschwalbe (=) 23 ● ● ● ● 70 000–90 000 Karmingimpel (=) 173 ● ● 50–70 Felsenschwalbe 55 51 ● ● ● ● 7 000–9 000 Gimpel (=) (=) ● ● ● ● 40 000–75 000 Uferschwalbe –44 61 ● ● ● ● 2 300–3 000 Grünfink (=) –38 ● ● ● ● 90 000–120 000 Berglaubsänger 110 38 ● ● ● ● 40 000–60 000 Bluthänfling (=) (=) ● ● ● ● 25 000–30 000 Waldlaubsänger –64 (=) ● ● ● ● 5 000–7 500 Birkenzeisig (=) (=) ● ● ● ● 15 000–20 000 Fitis –67 –34 ● ● ● ● 4 000–5 000 Fichtenkreuzschnabel 123 (=) ● ● ● ● 25 000–35 000 Zilpzalp 52 (=) ● ● ● ● 250 000–300 000 Stieglitz –36 (=) ● ● ● ● 50 000–70 000 Grünlaubsänger X X ♦ 0–1 Zitronenzeisig –37 (=) ● ● ● ● 10 000–20 000 Seidensänger X X ○ ○ ○ 0–2 Girlitz –15 (=) ● ● ● ● 35 000–45 000 Schwanzmeise 117 (=) ● ● ● ● 20 000–35 000 Erlenzeisig (=) (=) ● ● ● ● 10 000–16 000 Mönchsgrasmücke 65 19 ● ● ● ● 700 000–800 000 Grauammer –39 (=) ● ● ● ● 80–110 Gartengrasmücke –39 –24 ● ● ● ● 35 000–50 000 Zippammer (=) (=) ● ● ● ● 7 000–10 000 Sperbergrasmücke –87 –87 ● ● ● ● 0–5 Ortolan –98 –90 ● ● ● ○ 1–5 Orpheusgrasmücke X X ♦ ○ ○ 0 Zaunammer (=) (=) ● ● ● ● 1 000–1 500 Klappergrasmücke (=) (=) ● ● ● ● 17 000–23 000 Goldammer (=) –16 ● ● ● ● 65 000–75 000 Weissbartgrasmücke X X ♦ ♦ 0–1 Rohrammer –27 (=) ● ● ● ● 1 700–3 000 Dorngrasmücke 31 32 ● ● ● ● 1 800–2 500 Gartenbaumläufer 37 (=) ● ● ● ● 45 000–55 000 Waldbaumläufer 161 (=) ● ● ● ● 75 000–100 000 Kleiber (=) (=) ● ● ● ● 110 000–170 000 13
Der Wendehals, ein Bewohner offener, lichter Laubwälder, Gärten und Streuobstwiesen, ist auf Standorte angewiesen, die sich durch Nährstoffarmut und niedrige, lückige Bodenvegetation auszeichnen. Hier findet er seine Leibspeise, Feldameisen mit ihren Larven und Puppen, die er mit seiner wie eine Leimru te funktionierenden Zunge aus ihren Bodennestern holt. Langstreckenzieher im Rückgang Die Bestände der Langstreckenzieher ge- von Lebensraumveränderungen im Brut- Insektenfresser. Etwa 40 % der Schwei- hen insgesamt zurück, jene der Kurzstre- und Überwinterungsgebiet betroffen zer Brutvogelarten ernähren sich fast aus- ckenzieher und Standvögel nehmen eher und damit verletzlicher. Viele dieser Lang- schliesslich von Insekten. Weitere 25 % zu. Erstere sind spezialisierter und stärker streckenzieher sind zudem ausgeprägte haben eine gemischte Diät, ziehen ihre Jungen aber vorwiegend mit Insekten auf. Insektenfresser brauchen somit ein gros ses Angebot an geeigneten Insekten, die Reviere/km2 zudem auch noch leicht zu erbeuten sein +3+3 müssen. Besonders der starke Rückgang der Insekten in der Kulturlandschaft stellt +1,5 +1.5 unsere Brutvögel vor grosse Probleme. +0,5 +0.5 –0,5 −0.5 –1,5 −1.5 Viele Gefahren an vielen Orten Langstreckenzieher halten sich an ganz −3–3 verschiedenen Orten auf, etwa 4–5 Mo- nate im Brutgebiet, 2 Monate auf dem Herbst- und Frühlingszug und 5–6 Mo- nate im Winterquartier. Gewisse Arten suchen in Afrika im selben Winter weit auseinanderliegende Gebiete auf. Eine Habitatveränderung an irgendeinem von ihnen aufgesuchten Ort kann Langstre- ckenzieher rasch in Engpässe bringen. Sie müssen unbedingt zu bestimmten Zeiten an gewissen Orten sein, um ihren engen Jahresfahrplan einzuhalten. Und auf dem Der Neuntöter ernährt sich hauptsächlich von Grossinsekten. Während es z.B. bei Genf zu lokalen Zunahmen kam, nahm die Art in bisherigen Verbreitungszentren, beispielsweise im Jura, Wallis Zug sind viele Arten einer hohen Morta- und Tessin, deutlich ab (rote Areale in Dichteänderungskarte, Herleitung s. S. 38). lität ausgesetzt. 14
AKTUELLE ERSCHEINUNGEN 3500 140 2013–2016 1993–1996 3000 120 Bestandsindex 2500 Bestandsindex Höhe (m) 2000 100 1500 1000 80 500 60 0 2 4 6 1992 1996 2000 2004 2008 2012 2016 Mittlere Artenzahl der Langstreckenzieher pro km2 Der Vergleich der Höhenverbreitung 1993–1996 und 2013–2016 für die Die Bestände der Langstreckenzieher (rot) gehen stark zurück, während sich Langstreckenzieher zeigt: Erhebliche Verluste gab es nur in Lagen unterhalb die Kurzstreckenzieher und Standvögel (blau) weit besser behaupten. von 1500 m ü.M. Das deutet darauf hin, dass viele Rückgänge «hausge macht» sind. Dass der Artenschwund der Langstre- Gülle wird von Insekten viel weniger Wiesen nahm im gleichen Zeitraum ckenzieher vor allem in den tieferen, von besiedelt. stark zu. Der Weizenertrag pro Hekta- menschlichen Aktivitäten stark gepräg- ● Einsatz von vielen Pestiziden auch in re verdreifachte sich in der Schweiz seit ten Lagen der Schweiz erfolgte, ist je- Privatgärten. Hier wäre ein Verzicht 1940, was dank reichlicher Stickstoff- doch ein starkes Indiz dafür, dass diese besonders einfach. düngung und dicht gesäter Sorten mög- Rückgänge zu einem grossen Teil «haus- lich war. Insektenjäger wie Wiedehopf, gemacht» sind. Schlechte Erreichbarkeit von Wendehals, Steinkauz und Gartenrot- Insekten schwanz können in solch dichten Wie- Ursachen für den Insektenrückgang Viele Kulturen und Wiesen stehen heu- sen und Kulturen nicht auf Nahrungs- Obwohl die Datenlage in ganz Mitteleu- te sehr viel dichter als früher. Lückige, suche gehen. ropa dürftig ist: Es gibt heute viel weniger nährstoffarme Wiesen gingen beispiels- Insekten als vor Jahrzehnten. Dies ist zu- weise im Engadin in nur 20 Jahren um mindest für mehrere Gebiete in Deutsch- 20 % zurück. Der Anteil sehr dichter land belegt, wo die Insektenbiomasse in- nerhalb der letzten 27 Jahre um 75 % zurückging. Aus der Schweiz fehlen sol- che Datenreihen, doch gibt es viele In- Reviere/km2 dizien, die auf einen Rückgang in ähn- +10 +10 lichem Ausmass weisen. Die Gründe für +7+7 den Rückgang sind vielfältig: +4+4 +1+1 ● Verlust insbesondere von Lebensräu- −1 –1 men wie Halbtrocken- und Trocken- −4 –4 rasen, Feuchtgebieten und naturna- −7 –7 –10 −10 hen Gewässern. ● Insektenfeindliche Bewirtschaftung: Naturnahe Böschungen werden oft zur Hauptblütezeit gemulcht. Die Bal- lensilage ist mittlerweile bis in subal- pine Lagen verbreitet. Wiesen werden bis zu sechsmal jährlich gemäht. ● Herbizide reduzieren die pflanzliche Nahrungsgrundlage vieler Insekten. ● Anwendung von Insektiziden: Sie de- zimieren unspezifisch Nützlinge und Die Rauchschwalbe ist ein vertrauter Frühlingsbote. In weiten Teilen des Landes gingen ihre Bestän Schädlinge. de deutlich zurück. Besonders bei Schlechtwetter reicht das Nahrungsangebot oft nicht, es kommt ● Medikamentöse Bekämpfung von Pa- zu Brutausfällen. Auch bedeutet der Rückgang der Bauernbetriebe mit Viehhaltung einen Verlust rasiten beim Vieh: Dessen Dung und von Brutplätzen. 15
Der Steinadler ist in den Schweizer Alpen überall präsent, alle geeigneten Reviere sind besetzt. Die rund 350 Paare haben allerdings nur einen geringen Bruterfolg – und sorgen damit selbst für eine natürliche Bestandsregulierung. Vermehrt kommt es jedoch auch in Folge von menschlichen Störungen zu Brutabbrüchen. Erholung der Greifvogelbestände Jahrhundertelang litten Greifvögel und Pestizide wie DDT, das ab etwa 1940 Mäusebussarden, Rot- und Schwarzmi- Eulen unter direkter menschlicher Ver- flächig zur Anwendung gelangte. Es lanen mit Carbofuranen, deren Anwen- folgung. Der letzte Bartgeier im Alpen- reichert sich an der Spitze der Nah- dung in der Schweiz erst seit 2013 un- bogen wurde 1913 erlegt, und die letz- rungspyramide an – und traf daher be- tersagt ist. Auch die – beabsichtigte te Fischadlerbrut in der Schweiz fand sonders die Greifvögel, deren Eischa- – Dezimierung der Insekten hatte ein- 1911 statt. Die Bestände von Rotmilan len brüchig wurden. Als Folge davon schneidende Konsequenzen. Die redu- und Steinadler waren stark dezimiert. brütete in der Schweiz 1971 ausser- zierte Nahrungsgrundlage betrifft di- Trotz des schon seit 1926 bestehenden halb des Alpenraums nur noch ein ein- verse Arten – und als letztes Glied in Jagdschutzes für mehrere Arten erhol- ziges Wanderfalkenpaar erfolgreich. der Kette auch Greifvögel, die entweder ten sich viele Greifvogelbestände nur Nachdem in den 1970er-Jahren per- selbst Insekten jagen oder Insektenfres- zögerlich. Steinadler, Baum- und Wan- sistente chlorierte Kohlenwasserstoffe ser wie Spitzmäuse erbeuten. derfalke wurden erst 1953 geschützt, (u.a. DDT, PCB) in den meisten westli- Verschiedene menschliche Aktivitä- Habicht und Sperber sogar erst 1963. chen Ländern verboten wurden, erhol- ten hatten einen positiven Effekt auf ten sich die Bestände der betroffenen einzelne Arten: So scheint die inten- Verhängnisvolle Pestizide Arten allmählich. Doch auch danach sivierte Grünlandbewirtschaftung mit Neben direkter Verfolgung kam die kam es in Ackerbaugebieten bis in die mehreren Mahdterminen im Jahr we- Bedrohung auch vom Einsatz diverser 1990er-Jahre öfters zu Vergiftungen von nig spezialisierte Greifvogelarten zu 1950–1959 1972–1976 1993–1996 2013–2016 Der Rotmilan war im Mittelalter in Mitteleuropa weit verbreitet und häufig. Mit dem Aufkommen von Schusswaffen und wegen Vergiftungen schrumpfte das Verbreitungsgebiet stark. Inzwischen hat sich die Art erholt und ihr Areal weit in den Alpenraum ausdehnen können. 16
AKTUELLE ERSCHEINUNGEN Die Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen ist ein besonderer Erfolg. Die Art brütet seit 2007 wieder in der Schweiz und besetzte 2013–2016 bereits 16 Atlasquadrate. Solche Wiederansiedlungsprojekte sind sehr aufwändig und sollten eine absolute Ausnahme bleiben. begünstigen, z.B. Rot- und Schwarz- Brutvögeln führen – und von ziehen- der Schweiz direkt umsetzbar ist hin- milan sowie Mäusebussard. Gezielte den Greifvögeln. Kollisionen an Wind- gegen die längst überfällige Sanierung Schutzmassnahmen förderten z.B. den energieanlagen sind derzeit vor allem in gefährlicher Strommasten. Für sensib- Rotmilan, Nisthilfen den Turmfalken. südländischen Zug- und Winterquartie- le Felsbrüter liesse sich auch ein bes- Heute weisen fast alle Greifvogel- ren unserer Greifvögel zu verzeichnen. serer Schutz der Brutstandorte realisie- arten wieder vergleichsweise hohe Be- ren. Die Holzernte in Wäldern müsste stände auf – in Einzelfällen wie beim Handlungsbedarf ausserhalb der Brutzeit erfolgen. Zum Rotmilan vermutlich sogar die höchs- Besonders ziehende Greifvogelarten Schutz ziehender Greifvögel sind wich- ten jemals erreichten. Doch es gibt auch wie Milane, Wespenbussard, Weihen tige Durchzugsgebiete wie Pässe und Arten mit erneut abnehmenden Bestän- und Falken sind vielen Gefahren aus- Kreten von Infrastrukturen freizuhalten. den. Kritisch ist dies beim Wanderfal- gesetzt. Diese reichen von direkter Ver- Zudem wäre eine bessere Überwachung ken, bei dem auch die illegale Verfol- folgung über Dürreperioden bis hin zu der Brutbestände und des Bruterfolgs gung eine Rolle spielt. Die Bestände von Regenwaldabholzungen. Da gibt es wünschbar, insbesondere von heimli- Habicht und Sperber scheinen wieder nur wenig Einflussmöglichkeiten. In chen Waldbewohnern. labiler. System kann rasch kippen Die meisten Greifvogelarten sind langle- Vorkommenswahrscheinlichkeit/km2 big, sie werden spät geschlechtsreif und 1.0 1 weisen eine niedrige Fortpflanzungsra- 0,5 0.5 te auf. Daher kann selbst eine geringfü- gig erhöhte Mortalität von Altvögeln die 0.0 0 Bestandsentwicklung beeinträchtigen. –0,5 −0.5 Aktuelle Gefährdungen sind Habitatver- –1 −1.0 lust, zunehmende Störungen, Strom- schläge an Leitungsmasten, Kollision mit Stromleitungen, Kabeln, Strassen- und Bahnverkehr sowie Glasscheiben, Vergiftungen durch weitere Pestizide, Bleivergiftungen bei Aasfressern durch Munitionsrückstände in erlegten Tieren und illegale Verfolgung. Zunehmend beeinträchtigen Freizeit aktivitäten wie Felsklettern, Gleitschir- me und Nestfotografie Bruten verschie- dener Arten – etwa jene des Steinadlers. Die immer stärker aufkommende Wind- Klar positiv: Der Turmfalke ist jene Greifvogelart, die in nahezu jedem Atlasquadrat vorkommt. In energienutzung wird an konfliktreichen den 1980er-Jahren gingen die Bestände deutlich zurück. Im Vergleich zu den 1990er-Jahren zeigt sich in den Niederungen eine flächige Erholung. Standorten künftig zu Verlusten von 17
AKTUELLE ERSCHEINUNGEN Klimawandel zwingt zum Aufstieg Nicht nur die Gletscher weichen. Die Vegetationsdecke im Bereich und oberhalb der Waldgrenze ändert sich. Damit siedeln sich auch viele Brutvögel der Bergwälder und der alpinen Gebiete immer weiter oben an – und räumen gleichzeitig die tieferen Lagen. Arten wie der Orpheusspötter, die nordeuropäische Arten, die in der Die Klimaerwärmung trifft in der eine mediterrane Verbreitung haben Schweiz ihre westliche oder südliche Schweiz jedoch insbesondere den Al- und in der Schweiz an ihre nördli- Arealgrenze haben, eher nordwärts penraum. Wie die Resultate aus dem che Verbreitungsgrenze stossen, ha- zurück. Grauspecht und Fitis zählen Atlas zeigen, wirken sich die damit ver- ben zugenommen und ihre Areale seit zu diesen Verlierern. Die Klimaerwär- bundenen Umweltveränderungen be- 1993–1996 nach Norden ausgedehnt. mung dürfte ein wichtiger Treiber die- reits heute direkt oder indirekt auf die Dagegen ziehen sich mittel- und ser Entwicklungen sein. Brutvögel aus. Ringdrossel 3500 Reviere/km2 3000 2500 +10 +10 Höhe (m) +7+7 2000 +4+4 1500 +1+1 −1–1 1000 −4–4 −7–7 500 –10 −10 0 2,5 5 7,5 10 −2,5 0 Anteil am Bestand (%) Veränderung 2013–2013 seit 1993–1996 Die Ringdrossel ist eine Art, für welche die Schweiz internationale Verant wortung trägt. Vorab entlang der nördlichen Voralpen und im westlichen Jura, d.h. in den tieferen Lagen, geht die Art zurück (rote Gebiete). Dies sind bedenklicherweise Räume, in welchen sie bisher Verbreitungsschwer punkte hatte. 18
AKTUELLE ERSCHEINUNGEN Veränderung der durchschnittlichen Höhenverbrei- 200 +200 Veränderung der mittleren Höhenverbreitung (m) +160 +120 100 +80 Bestandsindex Bestandsindex tung pro Art (m) +40 0 0 –40 –80 –100 –120 –160 500 1000 1500 2000 0 4 8 12 16 Durchschnittliche Höhenverbreitung 1993–1996 pro Art (m) Anzahl Arten Durchschnittliche Höhenverbreitung pro Art zwischen 1993–1996 und Zwischen 1993–1996 und 2013–2016 ergab sich für 16 Brutvogel keine 2013–2016. Gebirgsvögel sind stärker in die Höhe gestiegen als Änderung in der mittleren Höhenverbreitung (rot). 40 Arten verzeichneten Tieflandbewohner. einen – teilweise deutlichen – Anstieg, 15 einen Abstieg. Zwei Drittel der häufigen Vogelarten durchschnittlichen Höhenverbreitung. Wie sieht die Zukunft für unsere steigen in die Höhe Bei den restlichen 27 Arten liegt entwe- Bergvögel aus? Die Brutvögel der Schweiz verteilen der nur eine Bestandszunahme «oben» Die Veränderungen in der Höhenver- sich über einen Höhengradienten von oder nur eine Abnahme «unten» vor. breitung zeigen, dass die Alpen in Zu- über 3000 m. Anhand der Atlasdaten Lediglich bei vier Arten sind Bestands- kunft – mit noch stärkeren Umwelt- lässt sich die Veränderung der Höhen- verluste in der Höhe und Gewinne in veränderungen – als Rückzugsgebiet verbreitung für 71 häufigere Arten be- den Tieflagen zu verzeichnen. dienen könnten. Dies aber nur, wenn urteilen, für die Dichteänderungskarten Arten mit hohem Verbreitungs- die Biodiversität bei der Planung tou- zwischen 1993–1996 und 2013–2016 schwerpunkt weisen zwischen den bei- ristischer oder landwirtschaftlicher Ent- vorliegen; von diesen leben 40 Arten im den Atlasperioden tendenziell einen be- wicklungsprojekte verstärkt berücksich- Wald. Die durchschnittliche Höhenver- sonders starken Höhenanstieg auf. Die tigt wird. breitung aller 71 Arten hat sich in den zehn am höchsten verbreiteten Arten Der Ausbreitung in die Höhe sind letzten 20 Jahren um 24 m nach oben der Jahre 1993–1996 stiegen um durch- aber Grenzen gesetzt. Einerseits nimmt verschoben. Fast zwei Drittel der Arten schnittlich 51 m. die Fläche geeigneter Lebensräume ge- sind zwischen den beiden Atlasperio- gen oben rein topografisch bedingt ab. den in die Höhe gestiegen. Bei jenen Entwicklungen mit unterschiedli Andererseits reagieren die Lebensräu- Arten, für die wir durchschnittliche Ver- chen Ursachen me auf die Klimaerwärmung mit einer änderungen von über 50 m verzeichnen, Andere Gründe, etwa Nutzungsände- gewissen Verzögerung, insbesonde- haben sich nur vier nach unten verscho- rungen in der Landwirtschaft, mögen re die Wälder. Wie sich diese ökolo- ben. Dagegen verlagerten 22 Arten ihre mitbeteiligt sein. Doch schreiben wir gischen Ungleichgewichte auf die Be- Areale nach oben. das Höhersteigen der Schweizer Brut- wohner dieser Lebensräume allerdings vögel in erster Linie der Klimaerwär- auswirken werden, ist schwierig vorher- Ein häufiges Muster: Verluste unten mung zu. Da klimatische Faktoren bei zusagen. Klar ist, dass den Alpen künf- und Gewinne oben Gebirgsarten einen grösseren limitieren- tig beim Schutz der Brutvögel in der Von den insgesamt 47 Arten mit einem den Einfluss als bei Tieflandarten haben Schweiz eine noch zentralere Rolle zu- Höhenanstieg zeigen 20 ein ähnliches und da der Klimawandel in der Höhe kommen wird als bisher. Und klar ist lei- Muster: Ihre Bestände gehen unten ausgeprägter ist, könnte die Klimaer- der auch, dass es langfristig mehr Ver- zurück und legen am oberen Verbrei- wärmung auch den überdurchschnittli- lierer als Gewinner geben wird. tungsrand zu, unabhängig von ihren chen Höhenanstieg bei den Gebirgsvö- ökologischen Ansprüchen und ihrer geln erklären. 19
Neue Techniken führen zu einer zunehmend intensiveren Nutzung des Kulturlandes. Beispielsweise sperren Vliese oder Folientunnel die Kulturlandbewoh ner gerade zur Brutzeit flächig von ihrem angestammten Lebensraum aus. Eintöniges Kulturland Die Situation der Kulturlandbewohner pflegten, werden heute Agrarflächen bilanzieren, dass «viele im Kulturland hat sich gegenüber den 1990er-Jah- industriell bearbeitet. Die Landwirt- lebende Vogelarten durch intensive- ren verschlechtert, insbesondere auch schaft hat sich seit 1950 grundlegend re Nutzung nach und nach verdrängt im Berggebiet. Wer heute mit offenen gewandelt. Flurbereinigungen, die Ent- wurden». Augen und Ohren über Land wandert, wässerung von Feuchtgebieten, die Der Bund hatte damals Instrumen- entdeckt auf Äckern und Wiesen aus Rodung vieler Hochstamm-Obstgärten te bereitgestellt, um die Verarmung der ser einigen Allerweltsarten wie die Ra- und Hecken, die Mechanisierung und Natur zu stoppen. Er koppelte die Di- benkrähe kaum mehr Vögel. Wo früher der Einsatz von Pestiziden und Kunst- rektzahlungen an den «ökologischen Bauernfamilien ein vielfältiges Mosa- düngern haben das Kulturland biolo- Leistungsnachweis», der von den Land- ik aus Getreideäckern, Blumenwiesen, gisch weitgehend entwertet. Schon vor wirten unter anderem verlangt, Biodi- Feldlerche Hecken und Hochstamm-Obstgärten zwanzig Jahren musste die Vogelwarte versitätsförderflächen (BFF) anzulegen. Mit dem Bericht «Umweltziele Land- wirtschaft (UZL)» erarbeitete er zudem 140 ein System mit messbaren Zielen. Doch trotz teils grosser Anstrengungen wur- 120 de bisher keines dieser Ziele erreicht; im Gegenteil wurden die Ziellücken noch Bestandsindex Bestandsindex grösser. So halbierte sich seit 1990 der 100 Bestand der Zielarten UZL. Solche Bilanzen sind frustrierend. 80 Nicht nur für die Naturschützer, sondern auch für jene Bäuerinnen und Bauern, 60 die ein ehrliches und grosses Engage- 1990 1995 2000 2005 2010 2015 ment zeigen. Wo liegen aber die Gründe für das Scheitern der bisherigen Agrar- Die einst überall in der Schweiz verbreitete und häufige Feldlerche ist zum Symbol für den Nieder politik, die jährlich mit über 2,7 Milliar- gang der Vögel des Kulturlandes geworden. Weite Landstriche hat sie bereits ganz räumen müs den an Direktzahlungen und weiteren Jahr sen, der Bestandstrend ist ungebrochen negativ. öffentlichen Geldern unterstützt wird? 20
S I T U AT I O N I N D E N L E B E N S R Ä U M E N Seit den 1990er-Jahren nahm die In- Anzahl Arten/km2 tensivierung der Landwirtschaft weiter 4.04 zu. Es wird immer mehr Kraftfutter im- 3.03 2.02 portiert, wodurch mehr Mist und Gül- 1.01 0.5 le anfällt. Immer schnellere Maschinen 0.00 −0.5 –1 −1.0 ermöglichen eine grösserflächige, ra- –2 −2.0 schere Bewirtschaftung. Moderne Ern- –3 −3.0 –4 −4.0 te- und Futterkonservierungstechni- ken (Ballensilage) haben zur Folge, dass die schon vor zwanzig Jahren intensi- ve Grünlandnutzung weiter rationali- siert wurde. Die Menge der eingesetzten Pestizide bleibt konstant hoch, obwohl deren Toxizität heute gegenüber frü- her massiv höher ist. Neue Masthallen werden erstellt und abgelegene Gebie- te neu erschlossen. Viele dieser für die Natur negativen Entwicklungen werden durch den Bund gefördert. Nur knapp ein Fünftel der Direktzahlungen an die Im roten Bereich: Veränderungskarte der 35 Arten «Umweltziele Landwirtschaft» (Kombination Landwirtschaft sind auf die Förderung von Ziel- und Leitarten). der Biodiversität ausgerichtet. Doch gleichzeitig fliesst der Grossteil in eine weitere Intensivierung der Produktion profitieren. Nur ein Teil der BFF hat je- und Bauern gegenüber ihren intensiv und damit in eine besonders umweltbe- doch die notwendige Qualität, und in produzierenden Kollegen in einen Nach- lastende Landwirtschaft. Die Agrarpoli- der Tal- und Hügelzone machen die teil geraten. tik macht so ihre Bemühungen um mehr qualitativ hochwertigen BFF bloss 5,1 % Viele Bäuerinnen und Bauern ha- Biodiversität selbst wieder zunichte. Um der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. ben ein grosses Interesse an der Na- die ganze Landwirtschaft endlich auf ei- Noch schlechter steht es um deren An- tur. Die Mehrheit ist jedoch überfordert, nen nachhaltigen Kurs zu bringen, muss teil im Ackerland, wo die wertvollen und bei der Umsetzung fehlt das nöti- das Direktzahlungssystem stark nachge- Bunt- und Rotationsbrachen gerade mal ge Wissen. Das erstaunt wenig, denn in bessert werden. Es sollen nur noch die 1,3 % umfassen. Aus- und Weiterbildung und in der land- nachhaltigen Systeme, diese aber rich- Eine andere entscheidende Massnah- wirtschaftlichen Beratung nehmen Bio- tig, gestützt werden. me bestünde darin, Vorschriften konse- diversität und Ökologie einen viel zu ge- Die wichtigste Einzelmassnahme quent umzusetzen. Zahlreiche Verstös ringen Stellenwert ein. Die Vogelwarte wäre, genügend qualitativ hochwer- se gegen bestehende Gesetze werden konnte zeigen, dass gut beratene Bäue- tige Biodiversitätsförderflächen (BFF) heute nicht geahndet. Solche Praktiken rinnen und Bauern wirkungsvollere und bereitzustellen. Es ist vielfach belegt, schaden nicht nur der Natur, sondern vielfältigere Massnahmen umsetzen und dass Brutvögel, aber auch andere Tie- sie führen auch dazu, dass bewusst na- so die Biodiversität effektiv fördern. re und Pflanzen, von wertvollen Flächen turfreundlich produzierende Bäuerinnen 100 80 Bestandsindex Bestandsindex 60 40 20 0 1992 1996 2000 2004 2008 2012 2016 Die Grauammer besiedelt strukturreiche Kulturlandschaften und die Ränder Ziel weit verfehlt: Der Swiss Bird Index SBI für die Zielarten UZL zeigt einen ® von Feuchtgebieten, stellt aber eigentlich keine grossen Ansprüche. Dass fortwährenden Rückgang. wir selbst diese Art nicht halten können, kommt einer Bankrotterklärung der Landwirtschaftspolitik gleich. 21
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