ENERGIESTRATEGIE 2040 - ENERGIE - mwae.brandenburg.de - MWAE Brandenburg
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Vorwort Liebe Bürgerinnen und Bürger des Lan- des Brandenburg, sehr geehrte Damen und Herren, Brandenburg hat das Ziel, bis spätestens 2045 klimaneutral zu wirtschaften und zu leben. Damit das gelingt, müssen in al- len Bereichen der Landespolitik Beiträge geleistet werden. Die Ihnen vorliegende Energiestrategie 2040 ist ein wichtiger Baustein, um Klimaneutralität zu errei- chen. Sie bildet eine solide Basis für die zukünftige Entwicklung energiepolitischer Foto: Kristin Baumert Ansätze und Maßnahmen im Land Bran- denburg. Rahmen des künftigen Klimaplans des Landes Brandenburg mitgestaltet und in Die bisherige Energiestrategie des Lan- der Energiestrategie antizipiert. des Brandenburg stammte aus dem Jahr 2012. Deren Fortschreibung ist im Koa- Für den Zeitraum bis 2040 ist zum jetzigen litionsvertrag des Landes Brandenburg Zeitpunkt nicht vollends prognostizierbar, verankert. Denn seit dem Beschluss der welche Art, in welcher Größenordnung Energiestrategie 2030 vor zehn Jahren und an welchen Standorten Kraftwerke – und insbesondere in den vergangenen für eine sichere und preisgünstige Strom- Monaten – hat sich Entscheidendes in der versorgung in Betrieb sein werden. Um deutschen und europäischen Energiepo- der wachsenden Dynamik in der natio- litik verändert. Die Strategie wurde daher nalen und internationalen Energiepolitik grundlegend überarbeitet und an aktuelle Rechnung zu tragen, müssen die strate- Verhältnisse angepasst. gischen Ziele sowie die dafür vorgesehe- nen Maßnahmen ergebnisoffen hinterfragt Um einen Orientierungsrahmen und Pla- werden. Die Energiestrategie des Landes nungssicherheit für Wirtschaft und Gesell- Brandenburg wird daher auch weiterhin schaft zu gewährleisten, braucht Branden- einer regelmäßigen Überprüfung unterzo- burg eine verbindliche Handlungsstrategie. gen werden. Zu ihrer Umsetzung und zur In der Energiestrategie 2040 spiegeln sich Konkretisierung der nächsten Handlungs- Ergebnisse von Experten aus der Wis- schritte wird ein Maßnamenkatalog erar- senschaft und Wirtschaft wider. Unsere beitet. Onlinekonsultation hat außerdem gezeigt, wie wichtig es ist, auch komplexe Themen mit der Öffentlichkeit zu diskutieren. Wir haben nationale und internationale ener- giepolitische Entscheidungen berücksich- Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach tigt. Auf Landesebene haben wir den Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie ENERGIESTRATEGIE 2040 1
Zusammenfassung Der Klimawandel mit seinen negativen Auswirkungen auf unser Leben und unsere Umwelt erfordert eine schnelle und umfassende Transformation zu einem klimaneutralen, zuverläs- sigen, umweltverträglichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlich akzeptierten Energieversor- gungssystem. Mit seiner Energiestrategie 2030 hat das Land Brandenburg schon sehr früh den Weg dieser Transformation begonnen und schreitet mit der Energiestrategie 2040 weiter voran. Dabei bindet sich die Energiestrategie in die klimapolitischen Regelungen auf nationa- ler, europäischer und globaler Ebene ein und bildet zusammen mit dem Klimaplan, der Was- serstoffstrategie, der Klimaanpassungsstrategie und weiteren klimarelevanten Maßnahmen des Landes Brandenburg die Grundlage für eine erfolgreiche Energiewende in Brandenburg. Aufgrund der Dynamik der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen stellt die Energie- strategie 2040 mit ihrem Leitszenario und dem dynamischen Zielsystem eine fortzuschrei- bende Basis für die weitere strategische Ausrichtung der brandenburgischen Energiepo- litik. Hierzu bildet der kontinuierliche Prozess aus Umsetzung, Monitoring, Überprüfung und Zielanpassung die Grundlage für die in einem wiederkehrenden Zyklus stattfindende Weiterentwicklung der Energiestrategie 2040. Innerhalb des energiepolitischen Zielvier- ecks – bestehend aus der Klimaneutralität und Umweltverträglichkeit, der Akzeptanz und Beteiligung, der Wirtschaftlichkeit sowie der Versorgungssicherheit – wird mit sechs strate- gischen Zielkriterien der Umbau des Energiesystems verfolgt. Durch die Erhöhung der Energieeffizienz soll der Primärenergieverbrauch im Vergleich zu 2007 bis 2030 um 23 % und bis 2040 um 39 % gesenkt werden. Um bis 2045 die Klimaneu- tralität zu erreichen ist ein kontinuierlicher Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich. Für den Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch bis 2030 wird ein Zielkorridor von 42 bis 55 % und bis 2040 von 68 bis 85 % angestrebt. Ab dem Jahr 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bilanziell 100 % betragen. Insbe- sondere Wind- und Solarenergie müssen durch geeignete Rahmenbedingungen gefördert werden, da hier die größten Potenziale liegen. Bis 2040 sollen 15 GW Leistung durch Windkraft- und 33 GW Leistung durch Photovoltaikanlagen installiert sein. Wasserstoff wird als Energieträger in dem zukünftigen dekarbonisierten Energiesystem eine zentrale Rolle spielen. Für den Erfolg der Energiewende, ist eine klimaneutrale, zu- verlässige und preisgünstige Energieversorgung zu gewährleisten. Hierfür wird die Sekto- renkopplung, die Einbindung von Speichertechnologien und der Netzaus- und -umbau for- ciert. Die Förderung von Forschung und Entwicklung im Energiebereich wird als Grundlage für Fortschritt angesehen. Um die Akzeptanz in der Bevölkerung, insbesondere für den Ausbau erneuerbarer Energi- en, zu steigern, ist eine transparente Informationspolitik notwendig. Die Unterstützung re- gionaler, kommunaler und sektoraler Energiekonzepte, soll eine wirtschaftliche Beteiligung ermöglichen. Innovationen und Arbeitsplatzangebote im Bereich erneuerbarer Energien sollen gefördert werden, um qualitative Beschäftigungseffekte zu bewirken. Um diese ambitionierten Ziele des Landes Brandenburg zu erreichen, werden geeignete Maßnahmen und Instrumente in einem begleitenden Maßnahmenkatalog definiert, umge- setzt und durch ein regelmäßiges Monitoring hinsichtlich ihrer Effektivität überprüft. ENERGIESTRATEGIE 2040 3
Inhaltsverzeichnis Vorwort ........................................................................................................................ 1 Zusammenfassung............................................................................................................ 3 Inhaltsverzeichnis............................................................................................................. 5 1.Motivation: Hintergrund der Fortschreibung........................................................ 6 1.1. Die Energiewende schreitet voran.................................................................. 6 1.2. Rechtlicher Rahmen....................................................................................... 6 1.3. Ganzheitliche klimaneutrale Systemtransformation und Sektorenkopplung als neue Schwerpunkte................................................... 12 2. Methodik: Fortschreibung der Energiestrategie bis 2040 ................................ 15 3.Ergebnisse: Das Energieland Brandenburg heute............................................ 17 3.1. Umsetzungsstand der Energiestrategie 2030............................................... 17 3.2. Umsetzungsstand im Vergleich zu den Zielen der Bundesregierung und zum Umsetzungsstand in den Bundesländern...................................... 19 3.3. Energiepolitische Auswirkungen / Zielkonflikte in Brandenburg.................... 23 3.4. Chancen für die weitere Entwicklung des Energielandes Brandenburg in der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg................................................ 34 4.Perspektive: Das Energieland Brandenburg in 2040......................................... 38 4.1. Leitszenario bis zum Jahr 2040.................................................................... 39 4.1.1. Grundsätze der Energiestrategie 2040............................................... 39 4.1.2. Ziele der Energiestrategie 2040.......................................................... 43 4.2. Handlungskonzept........................................................................................ 64 4.2.1. Handlungsfelder und strategische Maßnahmenbereiche................... 64 4.2.2. Monitoring und regelmäßige Überprüfung.......................................... 71 5. Referenzen............................................................................................................. 73 5.1. Abbildungsverzeichnis.................................................................................. 73 5.2. Fotonachweise.............................................................................................. 73 5.3. Tabellenverzeichnis....................................................................................... 73 Quellennachweise................................................................................................... 74 Abkürzungsverzeichnis.................................................................................................. 79 ENERGIESTRATEGIE 2040 5
1. Motivation: Hintergrund der Fortschreibung 1.1. Die Energiewende schreitet Energieversorgung in Brandenburg. Be- voran reits mit der im Februar 2012 vorgeleg- ten Energiestrategie 2030 hat das Land Mit dem Fortschreiten der Energiewende Brandenburg landesübergreifend Beach- sind enorme Herausforderungen in fast al- tung gefunden. Mit einer pragmatischen len Lebensbereichen zu bewältigen. Das Zieldefinition und Ausrichtung, insbeson- Land Brandenburg gehört zu den Regio- dere der Setzung von Schwerpunkten (u. nen, die im Sinne dieser Energiewende a. Systemintegration der erneuerbaren als eine Art Modellregion angesehen wer- Energien, umfangreiche Beteiligung, regi- den können. Zum einen hat sich Bran- onale Umsetzung), hat das Land Branden- denburg bereits früh zur Energiewende burg seinen energiepolitischen Fahrplan bekannt und treibt diese auch seitens der definiert und untermauert, dass es einer Landespolitik aktiv voran. Zum anderen der Schrittmacher der Energiewende in ist Brandenburg ein Energieland mit einer Deutschland ist und dabei Wertschöpfung historisch gewachsenen konventionellen und Arbeitsplätze im Land sichern und die Energiewirtschaft, die derzeit noch einen Wettbewerbsfähigkeit erhalten kann. wichtigen Beitrag für die Versorgungssi- cherheit leistet. Im Rahmen des globalen Jahrhundertpro- jekts Energiewende wird der europäische und bundespolitische Rechtsrahmen im Brandenburg stellt sich den Herausforde- Energiebereich ständig angepasst und rungen der Energiewende und des Klima- weiterentwickelt. Die Energiestrategie 2040 sieht vor, den dynamischen Entwick- wandels und passt seine Energiepolitik an. lungen und Unsicherheiten, wie auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukrai- ne, Rechnung zu tragen, um der Verant- Der tiefgreifende Umbau unseres Energie- wortung im Rahmen der Energieversor- versorgungssystems ist auch weiterhin eine gungssicherheit und Klimaschutzpolitik der zentralen Aufgaben der Gegenwart und gerecht zu werden. wird es auch zukünftig bleiben. Der Anteil der erneuerbaren Energien (EE) an der Stromversorgung konnte in den letzten Jah- 1.2. Rechtlicher Rahmen ren in Deutschland kontinuierlich gesteigert werden. Im Jahr 2020 wurde bereits 45,4 Deutschland hat als eines der ersten Län- % der deutschen Bruttostromerzeugung der die durch das Pariser Klimaschutzab- durch erneuerbare Energien generiert [1]. kommen geforderte Klimaschutzlangfrist- In Brandenburg deckten die erneuerbaren strategie erstellt. Durch Zielsetzungen für Energien bilanziell im Jahr 2019 sogar 94,8 einzelne Handlungsfelder im Klimaschutz- % des Jahresstromverbrauchs ab [2]. plan 2050, welche im Zusammenhang mit dem Pariser Klimaschutzgipfel erarbeitet Die brandenburgische Energiestrategie wurden, hat die Bundesregierung im No- bildet die Leitlinie für die Entwicklung der vember 2016 die Ziele ihres Energiekon- 6 ENERGIESTRATEGIE 2040
zeptes weiter konkretisiert [3]. Zur Umset- Der Klimaplan zielt auf den Schutz des Kli- zung des Klimaschutzplans 2050 wurde mas durch Emissionsminderung und Stär- das Klimaschutzprogramm 2030 entwor- kung der ökologischen Senken zur Errei- fen und im Oktober 2019 vom Kabinett chung von Klimaneutralität bis spätestens beschlossen [4]. Mit diesem Programm 2045, während die Klimaanpassungsstra- wurden Maßnahmen definiert, um die na- tegie die Begrenzung von Risiken und tionalen Klimaziele des Klimaschutzplans Schäden durch nachteilige Folgen des Kli- 2050 zu erreichen. Durch das Bundes-Kli- mawandels zum Ziel hat. Die Energiestra- maschutzgesetz (KSG) vom Dezember tegie bildet die Grundlage zum Erreichen 2019 wurden diese nationalen Klimaziele des Ziels einer klimaneutralen Energiever- gesetzlich festgelegt [5]. Mit der Novelle sorgung. Der Klimaplan soll sicherstellen, des KSG vom Juni 2021 wurden die zu- dass die Landesregierung insgesamt ihre lässigen Treibhausgas (THG)-Emissions- Klimaschutzziele erreicht. Dafür ist es nö- mengen bis 2030 für die verschiedenen tig, dass alle klimarelevanten Einzelstra- Sektoren angepasst, die Reduktionsziele tegien und Maßnahmen der Landesregie- für die THG-Emissionen bis 2040 fest- rung aufeinander abgestimmt sind und die gelegt und das Ziel der THG-Neutralität nötigen Beiträge zur Zielerreichung im Kli- auf 2045 vorgezogen [6]. Mit dieser Ge- maschutz in allen Bereichen der Landes- samtstrategie will die Bundesregierung die politik geleistet werden. Entwicklung und Umsetzung der Energie- wende für eine sichere, umweltverträgli- Insofern bildet der zukünftige Klimaplan che und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft mit seinen Zwischen- und Sektorenzielen weiter umsetzen. den übergeordneten Rahmen mit einer klaren Orientierung für die Energiestra- tegie und die weiteren klimarelevanten Die Brandenburger Energie- und Einzelstrategien der Ressorts. Das Maß- nahmenprogramm des Klimaplans zur Klimapolitik ordnet sich in den nationa- Erreichung der klimapolitischen Ziele soll len und internationalen Rahmen ein. die wichtigsten landespolitischen Maß- nahmen zum Klimaschutz beinhalten und bündeln. Im Hinblick auf Konsistenz und Der Landtag des Landes Brandenburg Zielerreichung wird der Klimaplan, wie und die Landesregierung haben sich klar auch die Energiestrategie, einem kontinu- zum Pariser Klimaschutzabkommen be- ierlichen Monitoring unterzogen. Zwischen kannt. Der zu erarbeitende Klimaplan und Klimaplan, der Energiestrategie und allen die Klimaanpassungsstrategie bilden die weiteren Einzelstrategien besteht ein en- beiden Säulen der Klimapolitik der bran- ges Wechselverhältnis, was sich auch in denburgischen Landesregierung und sind einer Verzahnung der Fortschreibung und mit der Weiterentwicklung der Energie- Weiterentwicklung der jeweiligen Strategi- strategie wichtige Aufgaben in der 7. Le- en niederschlägt. gislaturperiode des Landes Brandenburg (2019–2024) [7]. Die Energiestrategie Mit der Energiestrategie 2040 setzt sich 2040 Brandenburg strebt Klimaneutralität das Land Brandenburg neben dem wei- bis 2045 an. teren Ausbau der erneuerbaren Energi- ENERGIESTRATEGIE 2040 7
en vor allem für die Systemintegration vom Mai 2021 zur Umsetzung des Er- der erneuerbaren Energien, den Aufbau neuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2021 einer Wasserstoffwirtschaft, die Einbin- als Übergangsregelung für die aktuelle dung neuer Speichertechnologien (z. B. Phase des Markthochlaufs von grünem Schwungmassenspeicher, thermische Wasserstoff zu einer Befreiung von der Speicher, etc.), die Steigerung der Ener- EEG-Umlage [8]. Eine direkte Zuordnung gieeffizienz sowie für eine systematische von bestimmten Kraftwerkstypen zu den Verknüpfung der Energiesektoren Strom, jeweiligen Lastbereichen – wie sie bisher Industrie, Wärme und Mobilität (Sekto- bekannt war – wird somit in der Zukunft renkopplung) ein. Hierbei gilt es, nicht nur nicht mehr vorhanden sein. Die Einsatz- technische Herausforderungen zu lösen, möglichkeiten für Kraftwerke, die für sehr sondern es sind – wie sich in den letzten viele Volllaststunden ausgelegt sind, wer- Jahren herausgestellt hat – marktregulato- den sukzessive zurückgehen. Es werden rische und energierechtliche Rahmenbe- zukünftig insbesondere flexible Kraftwer- dingungen an die Erfordernisse der Ener- ke mit kurzen An- und Abfahrzeiten sowie giewende fortlaufend anzupassen. Die dynamischer Regelbarkeit benötigt. Dies in der Energiestrategie 2040 definierten hat u. a. zur Folge, dass die Einsatzdau- Handlungsfelder „Effiziente Energienut- er dieser Anlagen weiter sinkt und somit zung“, „Energieerzeugung aus erneuer- auch neue Betriebsstrategien entwickelt baren Energien“, „Markthochlauf für den werden müssen. Gleichzeitig müssen Einsatz von Wasserstoff“, „Effiziente, kli- die Klimaschutzziele durch geringere maneutrale Strom- und Wärmeerzeugung, THG-Emissionen erreicht werden. Eine Verteilung und Speicherung“, „Wirtschaft- zunehmend wichtige Aufgabe besteht liche Beteiligung und Transparenz“ und darin, die Einspeisung aus erneuerbaren „Forschung und Entwicklung“ werden die Energien mit den Lastprofilen zu synchro- Energieversorgung in Brandenburg bis nisieren. Dazu werden alle zur Verfügung zum Jahr 2040 und darüber hinaus be- stehenden Instrumente genutzt werden stimmen. müssen. Hierzu zählen insbesondere die Einbindung neuer Speichertechnologien Transformation des Energieversor- sowie die Sektorenkopplung. gungssystems Ein wesentlicher Schwerpunkt der Ener- Durch die fluktuierende Stromeinspei- giepolitik verschiebt sich damit zu einem sung aus erneuerbaren Energien und gesamtheitlichen Ansatz – zu einer Trans- die zunehmende Dezentralität der Stro- formation des Energieversorgungssystems. merzeugung ist die bisherige Differen- zierung unseres Stromsystems in un- Die nationalen und internationalen Ziel- terschiedliche Lastbereiche (Grund-, setzungen, rechtlichen Rahmenbe- Mittel- und Spitzenlastkraftwerke) nicht dingungen und technologischen Ent- mehr sachgerecht. Zum einen führt der wicklungen bestimmen als Leitplanken Ausbau der erneuerbaren Energien zu das quantitative Anspruchsniveau in einem vermehrten Austausch zwischen der Energie- und Klimaschutzpolitik für den Regionen. Zum anderen führt das den weiteren Weg des Energielandes Verordnungspaket der Bundesregierung Brandenburg. Die Brandenburger Ener- 8 ENERGIESTRATEGIE 2040
giepolitik bewegt sich dabei in einem rung wurde das Ziel für den Anteil der er- Spannungsfeld von Klimaneutralität und neuerbaren Energien am Bruttostromver- Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit, brauch bis zum Jahr 2030 auf 80 % erhöht Versorgungssicherheit sowie Akzeptanz [12]. Diese Erhöhung erfordert in großen und Beteiligung. Teilen Deutschlands gesteigerte Ausbaup- fade und einen zügigeren Ausbau aller Die Energie- und Klimapolitik hat in den erneuerbaren Energien, insbesondere der letzten Jahren nochmals stark an Tempo Windenergie und der Photovoltaik (PV). gewonnen. Durch die vom Bundestag ver- Hierfür werden die Ausbaupfade derzeit abschiedete Festlegung auf ein klimaneu- im Rahmen der Novellierung des EEG trales Deutschland im Jahr 2045 wurden (EEG 2023) angehoben. Brandenburg hat wichtige Impulse ausgelöst. den dafür notwendigen Flächenbedarf von 2 % der Landesfläche bereits in seiner Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energiestrategie 2030 als ein notwendiges Energien Zwischenziel auf dem Weg zu einer klima- neutralen, sicheren und wirtschaftlichen Um eine globale Führungsrolle bei den Energieversorgung definiert. Dies wird erneuerbaren Energien einzunehmen, hat nun durch die Bundesgesetzgebung auf die EU im Jahr 2018 ein verbindliches Ziel 2,2 % bis 2032 fortgeschrieben. Gleichzei- von 32 % für erneuerbare Energiequellen tig ist sich die Landesregierung bewusst, am Bruttoendenergieverbrauch der EU bis dass möglicherweise nicht alle Bundes- 2030 festgelegt [9]. Mit dem europäischen länder (z. B. Stadtstaaten) dieses ange- „Green Deal“A und dem Maßnahmenpaket strebte Flächenziel erreichen können. „Fit for 55“ wird eine Erhöhung des Ziels Brandenburg könnte bei geeigneten Rah- für den Anteil der erneuerbaren Energien menbedingungen nach 2030 – als eines am Endenergieverbrauch auf dann 40 % der führenden Länder der Energiewende erwartet [10]. – ggf. einen größeren Anteil am Winde- nergieausbau übernehmen und mögliche Auf nationaler Ebene gibt das Zielmodell geographische, aber auch industriepoli- des Klimaschutzprogramms vor, dass bis tische Standortvorteile nutzen. Dies darf zum Jahr 2030 der Anteil der erneuerbaren jedoch nicht zu Lasten der Bürgerinnen Energien am deutschen Bruttostromver- und Bürger Brandenburgs geschehen. brauch auf mindestens 65 % auszubauen Der Aufwand und die Belastung durch den ist. Im EEG 2021 wurden die Ausbaupfade zusätzlichen Ausbau der Windenergie und der verschiedenen erneuerbaren Energie- durch den Netzausbau, müssen ausrei- quellen entsprechend angepasst [11]. chend berücksichtigt werden und wären durch geeignete Maßnahmen auf Länder- Mit dem Koalitionsvertrag für die Jahre oder Bundesebene zu kompensieren. Die 2021 bis 2025 der neuen Bundesregie- Rahmenbedingungen zur Umsetzung des A Der European Green Deal ist ein von der Europäischen Kommission vorgestelltes Konzept mit dem Ziel, bis 2050 in der EU die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und somit als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Auf dieses Ziel hat sich die EU mit dem Europäischem Klimagesetz, das 2021 in Kraft trat, verbindlich verpflichtet. Er wird im Bereich der Energie durch zahlreiche europäische Initiativen wie z. B. „REPowerEU“ und die europäische Energiediplomatie vorangetrieben. ENERGIESTRATEGIE 2040 9
2-%-Flächenziels und die notwendigen Erzeugungsanlagen von bis zu 10 GW Folgen für die Länder werden durch die Gesamtleistung einschließlich der da- Bundesgesetzgebung gestaltet. für erforderlichen Offshore- und Onsho- re-Energiegewinnung entstehen sollen Um die EU-Klimaschutzziele 2030 zu er- [12]. Dies entspricht laut NWS einer grü- reichen, hat die EU mit der Erneuerba- nen WasserstoffproduktionC von bis zu 28 re-Energien-Richtlinie RED IIB eine Stei- TWh/a (ca. 30 % des Bedarfs) und einer gerung des Anteils erneuerbarer Energien benötigten erneuerbaren Strommenge am Endenergieverbrauch vorgeschrieben von bis zu 40 TWh/a. Für den Zeitraum bis [13]. Dabei sind die verschärften Klima- 2035 – spätestens bis 2040 – sollen nach schutzziele für 2030 noch nicht berück- Möglichkeit weitere 5 GW Elektrolyseleis- sichtigt. Deutschland setzt die Vorgaben tung zugebaut werden. der RED II wie schon bei der vorange- gangenen Richtlinie (RED I) von 2009 Nach der bereits im Klimaschutzprogramm über Änderungen des Bundes-Immissi- 2030 angekündigten und der am 10. Juni onsschutzgesetzes (BImSchG) und der 2020 vom Bundeskabinett beschlossenen nachgelagerten Verordnung (BImSchV) Nationalen Wasserstoffstrategie soll die um [14]. EEG-Umlage für die Produktion von grü- nem Wasserstoff begrenzt werden. Da- Wasserstoff durch wird der Markthochlauf der Wasser- stoffproduktion in Deutschland unterstützt Im Juni 2020 bestätigte die Nationale Was- und gewährleistet, so dass die Kopplung serstoffstrategie (NWS) der Bundesregie- zwischen den Energieversorgungssekto- rung die Bedeutung von Wasserstoff (H2) ren in Deutschland weiter voranschreiten als einen tragenden Baustein der Ener- kann. giewende und setzt einen Rahmen für die künftige Erzeugung, Transport, Nutzung Künftig können Wasserstoffhersteller und Weiterverwendung von Wasserstoff. zwischen zwei Optionen wählen. Zum Sie definiert Wasserstofftechnologien als einen wird die Möglichkeit geschaffen, Kernelemente der Energiewende und De- die EEG-Umlage für die Herstellung von karbonisierung, sieht aber auch ein wach- Wasserstoff im Rahmen der Besonderen sendes industriepolitisches Potenzial [15]. Ausgleichsregelung zu begrenzen. Zum anderen soll die Bundesregierung auf Dabei beziffert die Bundesregierung in Grundlage des Gesetzes künftig für die ihrer NWS bis 2030 einen Wasserstoff- herstellenden Unternehmen von grünem bedarf von ca. 90 bis 110 TWh/a. Ein Teil Wasserstoff eine Vollbefreiung von der dieses Bedarfs soll gedeckt werden, in- EEG-Umlage schaffen. Komplementär dem bis zum Jahr 2030 in Deutschland zur nationalen Strategie veröffentlichte die B Ziel der neuen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II, 2018/2001) ist die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien in den Sektoren Strom, Wärme und Transport bis zum Jahr 2030. Die Richtlinie sieht deswegen ein verbindliches Ziel von mindestens 32 % erneuerbarer Energien im Bruttoendverbrauch vor. C Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Energieträgern hergestellt: mit signifikanten CO2-Emissionen. Blauer Wasserstoff ist Grauer Wasserstoff mit Kohlendioxidabscheidung und -speicherung (CCS): bilanziell CO2-neutral. Türkiser Wasserstoff wird unter Abspaltung von festem Kohlenstoff hergestellt: CO2-neutral. Grüner Wasserstoff wird aus Wasser durch Elektrolyse und mittels Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt: CO2 neutral. 10 ENERGIESTRATEGIE 2040
EU-Kommission ihre Wasserstoffstrategie Zur Erreichung der übergeordneten Ziele für die kommenden Dekaden. Diese bildet arbeiten auf der Gemeinschaftsebene alle eine wesentliche Säule des Green Deals Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) im Rah- [16]. Die Kommission will die Produkti- men des Verbands Europäischer Übertra- on und Nutzung CO2-frei und CO2-arm gungsnetzbetreiber ENTSO-E (European erzeugten Wasserstoffs rasch erhöhen, Network of Transmission System Ope- damit die EU bis 2050 klimaneutral wird. rators for Electricity) bzw. des Verbands Dabei geht sie in einem stufenweisen An- Europäischer Fernleitungsnetzbetreiber satz in drei Phasen vor, wobei die grüne ENTSO-G (European Network of Trans- Wasserstoffproduktion von einer Million mission System Operators for Gas) zu- Tonnen pro Jahr bis 2024 über zehn Millio- sammen. nen pro Jahr bis 2030, auf einen systemre- levanten Umfang zwischen 2030 und 2050 Auf nationaler Ebene werden die ener- ansteigen soll. giepolitischen Vorgaben über die bereits 2009 im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) Netze und Speicher verankerten Netzentwicklungsplanungen im Strom- und Gasbereich umgesetzt Die Liberalisierung des europäischen [18]. Ergänzend regeln maßgeblich das Energiebinnenmarktes ist weit vorange- Netzausbaubeschleunigungsgesetz Über- schritten. In den Jahren von 1996 bis 2016 tragungsnetz (NABEG) [19], das Energie- verabschiedete die EU insgesamt vier Le- leitungsausbaugesetz (EnLAG) [20] und gislativpakete, die die Stärkung und Har- das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) monisierung der europäischen Verbund- [21] den Netzausbau auf der Übertra- netze für Strom und Gas zum Gegenstand gungsnetzebene in Deutschland. Für die hatten. Neben Themen wie Entflechtung, Verteilnetzbetreiber nimmt die Novellie- Marktzugang, Transparenz und Regulie- rung des NABEG mit der Einführung von rung sowie Verbraucherschutz stand dabei Redispatch 2.0 eine herausfordernde Stel- auch die Versorgungssicherheit im Fokus lung zur Engpassbewirtschaftung ein. (u. a. durch die Förderung von grenzüber- schreitenden Projekten, den sogenannten Im Zusammenhang mit dem auf allen PCI). Mit den Beschlüssen von 2018 und Politikebenen angestrebten Aufbau einer 2019 im Rahmen des „Clean Energy for Wasserstoffwirtschaft könnte den heutigen all Europeans“-Pakets hat die Europäi- Erdgasnetzen perspektivisch eine große sche Kommission zum einen das Ziel der Bedeutung zukommen. Mit der kürzlich Verbundbildung bei den Stromnetzen bis verabschiedeten (Übergangs-) Novelle 2030 auf 15 % erhöht (d. h. 15 % der in des EnWG wurde Wasserstoff zunächst einem Mitgliedstaat installierten Stromer- als eigenständiger Energieträger einge- zeugungskapazität müssen grenzüber- führt. Künftig wird jedoch – je nach Grad schreitend für andere Mitgliedstaaten ver- der Marktdurchdringung von Wasserstoff fügbar sein) [17]. Zum anderen müssen – die Umwidmung der bestehenden Gas- bis spätestens 2025 bereits 70 % der In- netzinfrastruktur erforderlich werden. Ne- terkonnektoren für grenzüberschreitenden ben der reinen Transportaufgabe kann das Stromhandel zur Verfügung stehen. Gasnetz auch die zentrale Speicherfunkti- on im integrierten Energiesystem erfüllen. ENERGIESTRATEGIE 2040 11
Der Ausbau der Speicherkapazitäten ist 1.3. Ganzheitliche klimaneutrale ein wichtiger Baustein zur Stabilisierung Systemtransformation und des Energiesystems. Brandenburg setzt Sektorenkopplung als neue sich deshalb bereits seit Jahren dafür Schwerpunkte ein, dass der Bund verstärkt neue Spei- chertechnologien unterstützt. Durch das Das Land Brandenburg hatte mit der Ver- neu gefasste EnWG, das im Juni 2021 abschiedung der Energiestrategie 2030 im verabschiedet wurde, wurde die Doppel- Jahr 2012 einen neuen Schwerpunkt beim belastung für Speicher mit Steuern, Um- Thema Systemintegration der erneuer- lagen und Abgaben weitgehend beseitigt. baren Energien und der Verknüpfung der Dadurch werden der systemische Einsatz Sektoren Strom, Industrie, Wärme und sowie der effiziente Multi-Use von Ener- Mobilität gesetzt. Hintergrund waren die giespeichern gefördert, was lange Zeit aus seinerzeit bereits erkennbaren Heraus- wirtschaftlichen Gründen nicht möglich forderungen, die in Brandenburg durch war. den hohen Anteil erneuerbarer Energien sichtbar wurden. Leider blieben die Bemü- Forschung und Entwicklung hungen des Landes Brandenburg, diese wichtigen Themen in die Gesetzgebungs- Exzellente, breit angelegte und gut ver- verfahren (z. B. EEG 2014) einzubringen, netzte Energieforschung gehört zu den zunächst erfolglos. Im weiteren Verlauf der wichtigsten Voraussetzungen, um die Energiewende erkannten immer mehr Ak- Transformation des Energiesystems hin teurinnen und Akteure die Potenziale und zu einer wirtschaftlichen, verlässlichen die Notwendigkeit der Sektorenkopplung, und ökologisch nachhaltigen Energiever- sodass in den Gesetzgebungsverfahren in sorgung der Zukunft zu bewältigen. Hier- der Vergangenheit erste Erfolge verbucht für setzen die europäischen und nationa- wurden (z. B. EEG 2017). len Forschungsförderprogramme (z. B. Horizont Europa, Energieforschungspro- Mit der Änderung des Energiewirtschafts- gramm der Bundesregierung) entschei- gesetzes im Sommer 2021 wurde ein dende Rahmenbedingungen. weiterer großer Schritt in Sachen Flexibili- tätsoptionenD genommen (vgl. hierzu auch Im Rahmen von Horizont Europa [22] steht Abschnitt 3.3). in den Jahren 2021–2027 ein Budget von bis zu 35,5 Mrd. Euro für klimarelevante Es wird immer deutlicher, dass die Ener- Forschung im Bereich „Klima, Energie giewende ganzheitlich gedacht werden und Mobilität“ zur Verfügung. Über das 7. muss und wird. Neben dem Stromsektor, Energieforschungsprogramm der Bundes- in dem bereits gute Fortschritte erzielt wur- regierung werden jährlich rund 1,3 Mrd. den, rücken die Bereiche Wärme und Mo- Euro bereitgestellt [23]. bilität stärker in den Fokus der energiepo- litischen Debatte. Aus den unter Abschnitt 1.2. aufgezeigten globalen, europäischen D Flexibilitätsoptionen in der Energieversorgung beinhalten Maßnahmen zum Ausgleich zwischen Energieerzeugung und -ver- brauch mit dem Ziel, eine sichere und preiswerte Energieversorgung zu gewährleisten. 12 ENERGIESTRATEGIE 2040
und nationalen Zielsetzungen ergibt sich, zu erreichen ist. Hier bilden die Abkehr von dass neben der Einbindung der erneuer- Verbrennungsmotoren für fossile Kraftstof- baren Energien in das bisherige System fe, die Reduzierung des Verkehrsaufkom- der Energieversorgung (Systemintegrati- mens sowie der effiziente Energieeinsatz on) ein umfassender Umbau erforderlich im Verkehrssektor die Grundlagen für eine ist – insbesondere auch deshalb, weil die erfolgreiche Verkehrswende. Die Elektrifi- neuen Energiemärkte, bedingt durch die zierung der Antriebe von PKW hat bereits Transformation des Energieversorgungs- begonnen und wird weiter vorangetrieben. systems und seinen Anforderungen, an- Im Güter- und Schwerlasttransport können deren Mechanismen unterliegen werden, durch den Einsatz von Wasserstoff oder als die bisherigen Energiemärkte. Das synthetischen Kraftstoffen konventionelle gesamte Energieversorgungssystem, von Energieträger ersetzt werden. Im ÖPNV der Erzeugung bis zum Verbrauch, muss werden bereits sowohl batterieelektrische einem integrierten Ansatz folgen und an Antriebe als auch Antriebe auf Basis von den Zielen der Klimaneutralität ausge- Wasserstoff eingesetzt. Durch diese An- richtet werden. Die systematische Ver- triebswende werden die dort auftretenden knüpfung aller für diese Neuausrichtung THG- Emissionen vermieden, der Bedarf geeigneten Energieträger und Sektoren an elektrischer Energie wird jedoch stei- sowie die intelligente Steuerung des Ge- gen. Ziele und Leitplanken für die Ver- samtsystems werden zentrale Zukunfts- kehrswende werden beispielsweise durch aufgaben sein. Um das Ziel der Klima- Mobilitätsstrategien der Europäischen neutralität zu erreichen, müssen in allen Kommission [24] und des Landes Bran- Bereichen des Lebens die THG-Emissi- denburg [25] vorgegeben, welche derzeit onen deutlich reduziert werden. Mit Hilfe im Jahr 2022 überarbeitet wird. der Sektorenkopplung, der Verzahnung der Energieverbrauchssektoren, lässt sich Die Wärmewende im Wärmesektor wird die Dekarbonisierung realisieren. sowohl in den Haushalten, Gewerbe, Handel und Dienstleistung als auch in der Industrie weiter vorangetrieben. Die fort- Sektorenkopplung ist ein wichtiger schreitende Umstellung von fossilen Ener- Baustein einer klimaneutralen ganz- gieträgern auf erneuerbare Energieträger ist für die zentrale als auch für die dezen- heitlichen Energiewende. trale Wärmeversorgung notwendig. Hier spielen neben der direkten Nutzung erneu- erbarer Energien wie Solarthermie, Tiefen- geothermie oder Biomasse, die Nutzung Im Verkehrssektor bedarf es einer umfas- von Kraft-Wärme-Kopplung und Wärme- senden Veränderung, um die THG-Emis- pumpen sowie die direkte Verwendung sionen zu senken. Für den Straßen- und elektrischer Energie zur Wärmeerzeugung Schienenverkehr gilt nach Artikel 25 der (Power-to-Heat) eine entscheidende Rol- Richtlinie eine Mindestquote von 14 % er- le. Bei ausreichender Wärmedichte kön- neuerbarer Energien, die durch eine Ver- nen Fern- und Nahwärmenetze zudem pflichtung der Inverkehrbringer von Kraft- zu einer effizienten Nutzung von klimaf- stoffen für jeden EU-Mitgliedstaat bis 2030 reundlicher Energie führen, da Energie ENERGIESTRATEGIE 2040 13
aus erneuerbaren Quellen leicht integriert Reserve- und Verbrauchsstrukturen erfor- werden kann und Wärmenetze kombiniert derlich. Der Ausstieg aus der Nutzung fos- mit Speichern zum temporären Ausgleich siler Energieträger und der damit synchro- fluktuierender Einspeisung genutzt wer- nisierte Umstieg auf erneuerbare Energie den können. und Wasserstoff stehen dafür im Zentrum des politischen Handelns. Im Industriesektor ist es erforderlich, die verschiedensten Prozesse durch den Ein- satz von Wasserstoff zu dekarbonisieren. Der Wasserstoff sollte dafür idealerweise mittels erneuerbarer Energien hergestellt werden, in der Übergangszeit sind aber klimaneutrale Methoden ebenso möglich und notwendig. All diese Maßnahmen zur Dekarbonisierung werden den Strombe- darf ebenfalls erheblich steigen lassen und damit auch die Ausbauziele der er- neuerbaren Energien erhöhen. Rechtzeitiger Klimaschutz ist seit dem Be- schluss des Bundesverfassungsgerichts als verfassungsrechtlich erforderlich ein- gestuft. Ohne rechtzeitigen Klimaschutz, d. h. ohne rechtzeitige Klimaneutralität, werden die Folgen des ungebremsten oder unzureichend gebremsten Klima- wandels andere etablierte Schutzansprü- che nach heutiger Voraussicht auf lange Sicht gegenstandslos machen oder ihnen ihre Substanz entziehen. Nur durch recht- zeitige Klimaneutralität werden zukünftig Wettbewerbsfähigkeit und Lebensstan- dards erhalten bleiben können. Durch ein klimaneutrales Brandenburg nimmt das Land zudem seine globale Verantwortung für die Verwirklichung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen wahr. Der für eine klimaneutrale Energieversor- gung erforderliche Strukturwandel stellt weiterhin große Herausforderungen an das heute existierende Energieversor- gungssystem. Es ist ein substantieller Um- bau der Erzeugungs-, Verteil-, Speicher-, 14 ENERGIESTRATEGIE 2040
2. Methodik: Fortschreibung der Energiestrategie bis 2040 Gemäß dem Koalitionsvertrag des Landes aktuellen Investitionsplanungen der Ener- Brandenburg aus 2019 ist die bestehende giewirtschaft auf die energiepolitischen Energiestrategie 2030 zur Energiestrate- Zielsetzungen des Landes auswirken (Mo- gie 2040 weiterzuentwickeln. Darüber hi- nitoring Energiestrategie 2030). Daneben naus legt der Koalitionsvertrag fest, dass wurde diskutiert, welche Auswirkungen die ein Klimaplan aufgestellt wird, der die Wei- nationalen Beschlüsse (Klimaschutzplan terentwicklung der bestehenden Fachstra- 2050 und Bundes-Klimaschutzgesetz) und tegien der Landesregierung zu einer ver- die internationalen Beschlüsse (Paris-Ab- bindlichen Klimastrategie zusammenfasst. kommen 2015) zur Klimapolitik auf die Brandenburger Energiewirtschaft haben. Auf Grund der geänderten energiewirt- Es wurde beschlossen, dass im Gutach- schaftlichen und -rechtlichen Rahmenbe- ten das Leitszenario die gültigen Rahmen- dingungen auf EU-, Bundes- und Landes- bedingungen zu Beginn des Jahres 2021 ebene wurde Ende September 2020 nach abbildet. Im Kern stützt sich daher das einer Ausschreibung ein Gutachten an die Leitszenario auf das Gutachten „Energie- Prognos AG in Auftrag gegeben, das die wirtschaftliche Projektionen und Folgeab- Fortschreibung der Energiestrategie 2030 schätzungen 2030/2050“ [27]. In dieser zur Energiestrategie 2040 zum Inhalt hat Studie ist ein umfassendes, konsistentes [26]. Das Gutachten hat einerseits die bis- Bild der zukünftigen Entwicklung der deut- herigen Fortschritte der Energiestrategie schen Energieversorgung gezeichnet. Die 2030 evaluiert und andererseits ein in die Ergebnisse der deutschlandweiten Unter- Zukunft verlängertes, aktuelles Leitszena- suchung wurden auf das Land Branden- rio analysiert, welches die gültige Geset- burg übertragen. zeslage Anfang des Jahres 2021 abbildet. Die Untersuchungsmethodik basiert auf Die Weiterentwicklung der Energiestrate- der „Prognos-Modellfamilie“ und umfasst gie 2030 erfolgte in mehreren aufeinander alle Verbrauchssektoren sowie die Strom- aufbauenden Phasen. Die Grundlagen für wirtschaft. Im Einzelnen wurden folgende das Gutachten wurden im Oktober 2020 Modelle miteinander kombiniert und ange- geschaffen. Im Zuge eines Kick-off Mee- wendet: tings wurden die Methodik, der Projektab- • der Energiebedarf Deutschland/Regio- lauf und der Zeitplan besprochen sowie die nen, notwendigen Akteure für Fachgespräche • der Strommarkt Deutschland, bestimmt. Des Weiteren wurde der Inhalt • die Endkunden-Energiepreise und des Leitszenarios und der zu betrachten- • die internationalen Energiepreise. den Sensitivitäten besprochen. Aufgrund der umfangreichen Änderungen am ener- Aufbauend auf den Ergebnissen der ener- gierechtlichen Regulierungsrahmen und giewirtschaftlichen Analyse wurden von der Anpassungen an das Energie- und der Prognos AG zudem die Wertschöp- Klimakonzept der Bundesregierung wur- fungs- und Beschäftigungseffekte abge- de analysiert, wie sich der geänderte schätzt. Im fortlaufenden Prozess gab es Rechts- und Regulierungsrahmen und die zahlreiche Gespräche und Diskussionen. ENERGIESTRATEGIE 2040 15
Innerhalb der Interministeriellen Arbeits- gruppe Energiestrategie (IMAG ES) wur- den regelmäßig die Ergebnisse diskutiert. Darüber hinaus gab es zahlreiche Fach- gespräche mit den energiewirtschaftlichen Akteuren im Land. Anders als das Prognos-Gutachten, be- schreibt die Energiestrategie 2040 Zie- le, deren Erreichung zur Klimaneutralität bis 2045 führen. Das Land Brandenburg reagiert damit auf die Novelle des Klima- schutzgesetzes der Bundesregierung von Juni 2021 [6], durch welches das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 verankert wur- de. Die Energiestrategie 2040 weist daher teilweise vom Prognos-Gutachten abwei- chende Annahmen und Zielangaben auf, da diese geänderte Rahmenbedingung aufgrund des Zeitpunktes der Begutach- tung noch nicht berücksichtigt werden konnte. Auf Grundlage der Ergebnisse des Gutach- tens und der Zielvorgabe der Klimaneut- ralität bis 2045 erfolgte die Ausarbeitung eines Entwurfes für die Energiestrate- gie 2040. Im Sinne einer bestmöglichen Transparenz wurde dieser Entwurf in der IMAG Energiestrategie, in der Energieal- lianz sowie anschließend in einer Online- konsultation abgestimmt. 16 ENERGIESTRATEGIE 2040
3. Ergebnisse: Das Energieland Brandenburg heute Im Energieland Brandenburg sind bislang Energiestrategie 2030 zu dokumentieren, zwei Handlungsfelder von besonderer Be- wurden umfangreiche Berichte zu den stra- deutung. Historisch und strukturell bedingt tegischen Maßnahmen erarbeitet [30], [31]. ist zurzeit noch die heimisch verfügbare Zudem werden jährlich aktuelle Daten im Braunkohle eine wesentliche Säule der Rahmen des Monitorings zur Energiestra- Energieversorgung und trägt zur Versor- tegie 2030 bereitgestellt [2]. Diese ermög- gungssicherheit in Deutschland bei. Die lichen eine Verfolgung der Entwicklung der zweite tragende Säule sind die erneuerba- festgelegten Indikatoren. Die vorliegenden ren Energien, die sich in den letzten Jah- Ergebnisse werden im Folgenden darge- ren im Zuge der Umsetzung der Energie- stellt und dokumentieren den Stand der strategie 2020 und 2030 sehr dynamisch Umsetzung der Energiestrategie 2020 (aus entwickelt haben [28], [29]. dem Jahr 2008) und der Energiestrategie 2030 (aus dem Jahr 2012). 3.1. Umsetzungsstand der Energiestrategie 2030 Die Umsetzung der Energiestrategie 2030 wurde fortlaufend mit Berichten und einem Die Energiestrategie 2030 des Landes Brandenburg sah eine regelmäßige Eva- Monitoring dokumentiert. luierung vor. Um den Umsetzungstand der Abbildung 1: Übersicht der bisherigen Zielerreichung der Energiestrategie 2030 (Datenquelle: in Anlehnung an [2]) ENERGIESTRATEGIE 2040 17
Biomasse leistet aktuell den größten Anteil Ziel „Anteil der erneuerbaren Energien der erneuerbaren Energien am Primäre- am Energieverbrauch erhöhen“ nergieverbrauch, gefolgt von der Winde- ES 2020 (Zwischenziel): Erhöhung des nergie. In den letzten Jahren ist zudem ein Anteils erneuerbarer Energien am Primäre- starker Anstieg der gesamten installierten nergieverbrauch auf 20 % (mind. 120 PJ) Leistung bei den Photovoltaikanlagen zu verzeichnen. Die erneuerbaren Energien ES 2030: Erhöhung des Anteils erneuer- sind in Brandenburg längst Motor für wirt- barer Energien am Primärenergie- schaftliches Wachstum und Innovationen: verbrauch auf 32 % (mind. 170 PJ) Ziel „Energieeffizienz steigern und -verbrauch reduzieren“ Der Beitrag der erneuerbaren Energien zum Primärenergieverbrauch (PEV) konn- ES 2020 (Zwischenziel): Senkung te bis zum Jahr 2019 auf über 143,5 PJ ge- des Endenergieverbrauchs um steigert werden und übertraf damit bereits 13 % (auf 263 PJ) gegenüber 2007 das Zwischenziel für 2020 von 120 PJ um ES 2030: Senkung des Endenergiever- ca. 19,6 % (Abbildung 2). Da jedoch der brauchs um ca. 23 % (auf 220 PJ) Primärenergieverbrauch nicht im prognos- gegenüber 2007 tizierten Umfang gesenkt werden konnte, ergibt sich trotzdem nur ein Anteil der er- neuerbaren Energien am Primärenergie- Im Jahr 2018 sicherten die erneuerbaren verbrauch von 22,5 %. Der Energieträger Energieträger bereits 17.800 direkte und Abbildung 2: Entwicklung des Anteils erneuerbarer Energieträger am PEV in Brandenburg (Datenquelle: in Anlehnung an [2]) 18 ENERGIESTRATEGIE 2040
Abbildung 3: Entwicklung des Endenergieverbrauchs nach Sektoren im Land Brandenburg (Datenquellen: in Anlehnung an [2]) indirekte Arbeitsplätze in Brandenburg im Sektor Industrie. Wirtschaftswachstum [26]. Davon entfielen 7.900 Arbeitsplätze und Energieverbrauch müssen zukünftig auf die Windbranche, rund 2.400 Arbeits- im Land voneinander durch eine höhere plätze auf die Photovoltaik sowie 7.500 Energieeffizienz, z. B. durch die Nutzung Arbeitsplätze auf die Bioenergie. neuer energiesparender Technologien, aber auch durch die Nutzung von Einspar- Beim Endenergieverbrauch (EEV) kann im potenzialen entkoppelt werden, damit der Land Brandenburg derzeit insgesamt kei- Energieverbrauch letztendlich sinkt, die ne kontinuierliche Absenkung festgestellt Energieproduktivität aber steigt. werden. Während in den Jahren zwischen 2004 und 2010 eine Reduzierung beim EEV erkennbar wurde (-6 %), stieg der 3.2. Umsetzungsstand im EEV ab 2010 auf fast 322 PJ im Jahr 2019 Vergleich zu den Zielen der (Abbildung 3). Hierin spiegelt sich insbe- Bundesregierung und zum sondere die gute konjunkturelle Entwick- Umsetzungsstand in den lung des Landes nach der Wirtschaftskrise Bundesländern in den Jahren 2008 und 2009 wider. Des Weiteren konnten nach 2009 neue Indust- In den letzten Jahren konnte in Branden- rien angesiedelt werden, die zum höheren burg die Bruttostromerzeugung aus er- Endenergieverbrauch beigetragen haben. neuerbaren Energien weiter ausgebaut So nahm das Bruttoinlandsprodukt für werden. In 2019 wurden 19,9 TWh (71,8 Brandenburg zwischen 2010 und 2019 PJ) durch erneuerbare Energien erzeugt. um 15 % zu. Am deutlichsten wird dies Dies ist eine Steigerung um 1,4 TWh ge- ENERGIESTRATEGIE 2040 19
Abbildung 4: Anteile der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch im Land Brandenburg (Datenquellen: in Anlehnung an [2]) Abbildung 5: Anteil der erneuerbaren Energie am Bruttostromverbrauch im Bundesländervergleich (2018, in %) (Datenquelle: [32]) 20 ENERGIESTRATEGIE 2040
genüber 2018. Rein rechnerisch wäre menhang sehr unterschiedliche Beiträge das Land Brandenburg im Jahr 2019 be- (vgl. Abbildung 5). Das Land Brandenburg reits in der Lage gewesen, seinen Brutto- zählt hierbei zur Spitzengruppe und belegt stromverbrauch bilanziell zu 94,8 % aus mit 84,5 % Platz zwei hinter Schleswig-Hol- erneuerbaren Energien zu decken. Da- stein (145,3 %). Für das ebenfalls wind- mit hat das Land Brandenburg das Ziel- reiche Mecklenburg-Vorpommern und für niveau der Bundesregierung für das Jahr das Saarland lagen zum Zeitpunkt der Er- 2030 bereits weit übertroffen (Abbildung hebung keine Daten vor. Die Unterschiede 4). Die aktuellen Prognosen zum zukünf- können jedoch nicht ausschließlich auf die tigen Bruttostrombedarf gehen aufgrund Energiepolitik der einzelnen Bundesländer der Sektorenkopplung und dem geplan- zurückgeführt werden, sondern sind eben- ten Hochlaufen der Wasserstoffwirtschaft so strukturbedingt und stark durch geogra- von steigenden Bedarfen aus. Zusätzlich phische Gegebenheiten bestimmt. rechnet Brandenburg mit der Ansiedlung weiterer energieintensiver Industrien. Aus Bundesziel „Reduzierung des diesen Gründen ist zum Erreichen der Primärenergieverbrauchs“ Klimaneutralität der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien zwingend erfor- Verminderung des Primärenergiever- derlich. brauchs bis 2020 gegenüber 2008 um 20 %, bis 2030 um 30 % und bis 2050 um In Deutschland konnte bis zum Jahr 2018E 50 % der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch auf durchschnittlich Der Primärenergieverbrauch des Landes 38,5 % gesteigert werden. Die einzelnen Brandenburg ist in den Jahren 2010 bis Bundesländer leisten in diesem Zusam- 2018 gestiegen und reduzierte sich 2019 Abbildung 6: Jährliche Veränderung des Primärenergieverbrauchs des Landes Brandenburg (Datenquellen: in Anlehnung an [2]) E Für 2019 lagen zum Zeitpunkt der Erhebung zu wenige Daten für eine Auswertung vor. ENERGIESTRATEGIE 2040 21
wieder auf das Niveau von 2010 (vgl. aus Brandenburg (vor allem Strom aus Abbildung 6). Der hohe Primärenergie- erneuerbaren Energien) zukünftig nach- verbrauch in Brandenburg resultiert ins- gefragt wird. Vor diesem Hintergrund sind besondere daraus, dass rund 60 % des auch die Zielsetzungen des Bundes beim in Brandenburg produzierten Stroms und Primärenergieverbrauch nicht unmittel- über 60 % der in Brandenburg hergestell- bar auf das derzeitige Energieexport- und ten Raffinerieerzeugnisse (Heizöl, Kraft- Energietransitland Brandenburg übertrag- stoffe u. a. Mineralölprodukte) exportiert bar. werden und damit wesentlich zur Ener- gieversorgung anderer Bundesländer, ins- Der Primärenergieverbrauch in Deutsch- besondere Berlins, beitragen. Statistisch land konnte im Zeitraum von 1990 bis 2019 wird der damit verbundene Primärener- um rund 20 % abgesenkt werden. Ein Blick gieverbrauch jedoch Brandenburg zuge- auf die Beiträge der einzelnen Bundeslän- rechnet. Aus heutiger Sicht und vor dem der verdeutlicht, dass mit Ausnahme von Hintergrund des Ausstiegs aus der Braun- Schleswig-Holstein die größten Reduzie- kohle ist nicht sicher vorauszusagen, bis rungen im Primärenergieverbrauch in den zu welchem Zeitpunkt Brandenburg eine neuen Bundesländern zu verzeichnen tragende Säule der nationalen Versor- sind (vgl. Abbildung 7). Schlussendlich bil- gungssicherheit sein wird. Letztendlich den diese Absenkungen im Wesentlichen wird der Fortschritt der Energiewende im die weitreichenden Strukturumbrüche in gesamtdeutschen Kontext darüber ent- der Industrie und der Energiewirtschaft im scheiden, in welchem Umfang Energie Zuge der Wiedervereinigung ab. Abbildung 7: Entwicklung des Primärenergieverbrauchs gegenüber 1990 im Bundesländervergleich (2019, in %) (Datenquelle: [32]) 22 ENERGIESTRATEGIE 2040
3.3. Energiepolitische lin – bedingt durch seine geographische Auswirkungen / Zielkonflikte Lage – einen Großteil seines Strom- und in Brandenburg Gasbedarfes über Brandenburger Netze. Aufgrund des beschlossenen Ausstiegs Das Energieland Brandenburg steht bei aus der Braunkohleverstromung und dem seinem Weg zu einer klimaneutralen, geringer werdenden Bedarf an Mineralöl- verlässlichen, ökologisch verträglichen, produkten durch die Verkehrswende, wird gesellschaftlich akzeptierten und wirt- die Bedeutung Brandenburgs als Energie- schaftlichen Energieversorgung vor He- exportland sukzessive abnehmen. Bran- rausforderungen, mit denen offen und denburg strebt in Zukunft an, dass der lösungsorientiert umgegangen werden hier erzeugte Strom auch primär im Land muss. Die durchgeführten Analysen ver- verbraucht wird. Ein wichtiges Ziel wird deutlichen die Herausforderungen, vor de- deshalb die bilanzielle Selbstversorgung nen die Brandenburger wie die gesamte mit erneuerbaren Energien werden, um Energiewirtschaft steht [26]. die notwendigen Energieimporte so ge- ring wie möglich zu halten, Abhängigkei- Energieverbrauch und ten zu verringern und die Wertschöpfung Energieexport im Land zu erhöhen. Brandenburg wird aber auch zukünftig ein wichtiges Ener- Die Fortschritte im Bereich Energieeffizi- gietransitland, insbesondere auch im Hin- enz sind noch lange nicht ausreichend, blick auf die Berliner Energieversorgung, um die Einsparziele beim EEV zu errei- bleiben. Der Energiemix wird sich aber chen. Die deutlich positive Entwicklung dynamisch wandeln und Wasserstoff wird bis 2009 ist insbesondere ein Resultat ein bedeutender Bestandteil werden [26]. der Wirtschaftskrise. Der erneute Anstieg Durch die Einbindung in die europäischen des EEV geht einerseits mit einer guten Verbundnetzsysteme für Strom und Gas wirtschaftlichen Entwicklung einher. Ande- spielt Brandenburg eine bedeutende Rolle rerseits werden die Effizienzgewinne zu- für die nationale und europäische Versor- nehmend durch neue Anwendungen und gungssicherheit, welche für die Autonomie Verbraucher relativiert (z. B. durch die zu- und Souveränität der EU in Energiefragen nehmende Digitalisierung). Parallel dazu essentiell ist. kommt es zu einem Energieträgerwechsel zu erneuerbaren bzw. treibhausgasneut- ralen Energieträgern. Die Entwicklung fällt Brandenburg ist derzeit noch ein Energie- auch aufgrund spezifischer Effekte in den export- und Energietransitland und leistet einzelnen Verbrauchssektoren und für die Energieträger unterschiedlich aus. damit wichtige Beiträge zur Versorgungssi- cherheit. Mit Blick auf den Primärenergieverbrauch ist die derzeitige Funktion Brandenburgs als Energieexport- und Energietransitland Die Energieintensität Brandenburgs liegt (u. a. Strom, Mineralölprodukte, Gas) im in den Sektoren Industrie, Gewerbe, Han- nationalen Kontext zu berücksichtigen. del und Dienstleistungen über dem Bun- Beispielweise bezieht allein das Land Ber- desdurchschnitt [32]. Dies ist nicht zuletzt ENERGIESTRATEGIE 2040 23
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