JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN - ÖGB

 
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JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN - ÖGB
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JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
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Inhalt

                                                   1945–1954
                                                   Aufbau und Frauenarbeit				4

                                                   1955–1964
                                                   Wirtschafts- und Babyboom				9

                                                   1965–1974
                                                   Partnerschaft ist das Ziel				                                            14

                                                   1975–1984
                                                   Das Ende der „Frauenlöhne“				20

                                                   1985–1994
                                                   Auf zur Chancengleichheit				26

                                                   1995–2005
                                                   McJobs und „Wahlfreiheit“					32

                                                   2006–2015
                                                   Sozialstaat FAIRbessern					40

                                                   Errungenschaften						48
                                                   Fußnoten						52
                                                   Literaturverzeichnis					55

Impressum:HerausgeberIn: Österreichischer Gewerkschaftsbund,
Frauenabteilung,1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1
Autorinnen: Maga Martina Fassler, Maga Isabella Guzi, Maga Sabine Lichtenberger
Medieninhaber: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes GmbH,
1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1
Verlagsort: Wien. Herstellungsort: Wien.
Layout: Stephanie Guberner,
Bildquellen: ÖGB-Fotoarchiv, ÖGB-Frauen, ÖGB-Online, ÖGB-Tirol, Foto Begsteiger, Christina Häusler, Peter Korp, Harald Mannsberger, Gisela Ortner,
Petra Spiola, Alexandra Kromus, Thomas Reimer, Michael Mazohl

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JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN - ÖGB
Renate Anderl                         Mag.a Isabella Guzi, BA

Vorwort
Zu den Beweggründen für die Schaffung einer eigenen Frauenabteilung im Österreichi-
schen Gewerkschaftsbund meinte die spätere Frauenvorsitzende Rosa Weber beim
ersten Kongress der ÖGB-Frauen: „Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur ein Werk
der Arbeiterklasse selbst sein. Wir können mit Fug und Recht dieses Wort abwandeln
und können sagen: Die endgültige Befreiung der Frau kann wieder nur ein Werk der
Frauen selbst sein! Diesem Ziel dient unsere Arbeit in den Frauenreferaten.“
70 Jahre sind vergangen, seit unsere Vorkämpferinnen darangingen, Strukturen für die
frauenpolitische Arbeit im ÖGB und den Gewerkschaften aufzubauen. Mit Engagement
und Hartnäckigkeit ist es den Gewerkschafterinnen seit 1945 gelungen, viele Verbesse-
rungen für die Arbeitnehmerinnen zu erreichen. Nicht weniger Ausdauer kostete es die
ÖGB-Frauen Fortschritte bei der Mitbestimmung innerhalb der Gewerkschaftsbewe-
gung zu erlangen.
Auch wenn nur einige wenige Gewerkschafterinnen in der Broschüre namentlich
erwähnt werden, ist eines klar: Erreicht haben die verschiedenen Erfolge nicht einzelne
Frauen allein, sondern sie kamen zustande, weil es den nötigen Druck vonseiten der
Frauen gab und sich viele Funktionärinnen, Mitarbeiterinnen und Mitglieder dafür
einsetzten. Wir sind stolz auf unsere Vorkämpferinnen und danken ihnen für ihren Ein-
satz!
Aufzeigen wollen wir in der Broschüre aber auch die nach wie vor bestehenden
Ungleichheiten die wir noch immer bekämpfen. Auch Rückschritte, die vor allem im
Kapitel McJobs und „Wahlfreiheit“ zu finden sind, werden dargestellt. Wir lassen uns
durch sie nicht entmutigen, im Gegenteil! Maria Metzker, die 16 Jahre an der Spitze der
ÖGB-Frauen stand, gab uns für schwierige Zeiten einen Ratschlag mit, den wir gern
beherzigen. „Wenn der Wind stärker bläst, müssen wir eben rudern. Und als letztes
Wort: gewinnen.“

 Renate Anderl                                       Mag.a Isabella Guzi, BA
 ÖGB-Vizepräsidentin, ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende    ÖGB-Bundesfrauensekretärin

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JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN - ÖGB
Aufbau und Frauenarbeit
„Es ist ein alter gewerkschaftlicher         Kostbarkeiten, auf die man ganz                      dung des überparteilichen Österreichi-
Grundsatz, dass der Mensch das Recht         besonders aufpassen musste.3)                        schen Gewerkschaftsbundes. Auch die
auf Arbeit haben muss, und wir wollen                                                             Gewerkschafterinnen zögerten nicht
                                             ZU WENIG ARBEITSPLÄTZE
heute hier aussprechen,                                                                           mit dem Aufbau eigener Strukturen für
                                             Der Wiederaufbau der Industrie setzte                die Frauenarbeit. Im September 1945
dass dieses Recht auch der Frau
                                             erst ab 1948 – mit Hilfe von außen –                 fand die konstituierende Sitzung der
zugebilligt werden muss.“1)
                                             ein: Durch den Marshall-Plan flossen                 Frauensektion statt. Dabei wurden 60
1948, als Wilhelmine Moik beim ersten        Österreich zwischen 1948 und 1953                    Funktionärinnen – aus den damals
Kongress des ÖGB diese Forderung             beträchtliche Investitionsmittel zu. Fast            noch bestehenden 16 Gewerkschaften
aussprach, war das Recht der Frauen          die Hälfte des Geldes ging an die Ver-               – zur „Frauenarbeit“ vorgeschlagen.
auf bezahlte Arbeit gesellschaftlich         staatlichte Industrie und die Elektrizi-             Schon zuvor, im Juni, hatte das Frauen-
alles andere als unumstritten. Wie sehr      tätswirtschaft. Ein Teil der Gelder                  referat im ÖGB seine Arbeit aufge-
sich die Bedeutung des Wortes „Frau-         wurde zur Preisstützung lebensnot-                   nommen. Mit der Leitung des Referats
enarbeit“ ändern kann, zeigen die            wendiger Produkte verwendet. Den-                    war Wilhelmine Moik, die bereits vor
ersten Jahre nach dem Zweiten Welt-          noch war die Teuerung bis Anfang der                 1934 Sekretärin des Frauenreferats im
krieg eindrucksvoll.                         Fünfzigerjahre eines der größten Pro-                Bund Freier Gewerkschaften war,
Während des Krieges waren die Frauen         bleme. Um die ständigen Preiserhö-                   betraut worden.
zu Tätigkeiten herangezogen worden,          hungen einzubremsen und die Löhne                    Ziel in den eilig einberufenen Frauen-
die vormals als Männerarbeit galten.         an die Preisentwicklung anzupassen,                  konferenzen war es, den österreichwei-
Auch unmittelbar nach Kriegsende             wurden von 1947 bis 1951 fünf Lohn-                  ten Aufbau der Frauengremien voran-
griff man auf Frauen als „vielseitig         und Preisabkommen zwischen Arbeit-                   zutreiben. Bereits 1946 gründeten die
verwendbare Arbeitskräfte“2) zurück,         geber- und ArbeitnehmerInnen-Ver-                    Bau- und Holzarbeiter als erste der
wie die Bezeichnung „Trümmerfrauen“          bänden abgeschlossen – vor allem den                 Gewerkschaften ein Frauenreferat,
verdeutlicht. Mit der Rückkehr der           Preisanstieg konnten die Abkommen                    gefolgt von der Gewerkschaft Öffent-
Männer aus dem Krieg wurden die              aber nur unzureichend aufhalten. Erst                licher Dienst (1946) und der Gewerk-
Frauen zum Teil wieder vom Arbeits-          1951/52 setzte eine Stabilisierung ein,              schaft der Metall- und Bergarbeiter
markt verdrängt.                             ab 1953 folgte eine Phase der Hoch-                  (1947).6) Beim 1. ÖGB-Frauenkongress
Dazu kam die äußerst schlechte Ver-          konjunktur.4) Die Arbeitslosigkeit blieb             im Jahr 1951 gab es in neun Gewerk-
sorgungssituation. Lebensmittel waren        aber während der gesamten Fünfziger-                 schaften ein Frauenreferat oder „provi-
knapp, bis Ende der Vierzigerjahre war       jahre hoch. Frauen waren von der                     sorische“ Strukturen dafür und in vier
ein Teil der Grundnahrungsmittel rati-       Arbeitslosigkeit besonders betroffen,                Bundesländern ein Frauenreferat oder
oniert. Frauenarbeit bedeutete somit         1953 und 1954 lag ihre Arbeitslosen-                 zumindest eine Frauenreferentin des
auch: stundenlanges Anstehen vor den         quote über zehn Prozent!5)                           ÖGB.
Geschäften. Auch Kleider und Schuhe
waren rar. Ausbessern und Umarbeiten         ÖGB-FRAUEN KONSTITUIEREN SICH                        GLEICHSTELLUNG IST DAS ZIEL
von alten Kleidungsstücken gehörten          Noch vor der offiziellen Ausrufung der               Die selbst gesteckten Ziele der ÖGB-
zum Frauenalltag. Die Kleiderkarte           Zweiten Republik am 27. April 1945                   Frauen sind umfassend. Rosa Weber,
wurde 1949 aufgehoben, Textilien und         kam es am 15. April im Direktionssaal                die als Mitarbeiterin 1949 zu Wilhel-
Schuhe blieben aber noch lange Zeit          des Wiener Westbahnhofes zur Grün-                   mine Moik in das ÖGB-Frauenreferat

                            IM ZEITRAFFER:
                                              1945                                                 1948
                                              Im April wird der ÖGB gegründet, die Wiederher-      Im Mai findet der erste Kongress des ÖGB statt. In
                                              stellung der Republik Österreich wird ausgerufen.    einer Resolution fordern die ÖGB-Frauen, dass die
                                              Im September konstituiert sich die Frauensektion     Frauen zu allen gewerkschaftlichen Funktionen
                                              des ÖGB.                                             herangezogen werden.

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JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN - ÖGB
1945–1954

1951: Dienstschluss bei der Textilfirma Altmann. Die Frauen verlassen In der ÖGB-Nachschulungswerkstätte für Friseurinnen.
die Fabrik – „Feierabend“ ist für sie noch lange nicht: die „Frauenar-
beit“ Haushalt wartet.

kam, beschrieb die Aufgaben der               erkämpfen. So steht es auch in den                    MITBESTIMMUNG IM ÖGB
ÖGB-Frauen beim 1. Frauenkongress             „Arbeitsrichtlinien“,8) die die ÖGB-                  Die geringe Zahl an Frauen unter den
im Jahr 1951 mit folgenden Worten:            Frauen ab 1954 diskutierten und die sie               FunktionärInnen versuchten die ÖGB-
                                              beim 2. Frauenkongress im Jahr 1955                   Frauen von Beginn an mit einer
„Ein großer Mann hat das Wort gesagt:         beschlossen.9) Die Schaffung von                      gezielten Schulung von Frauen zu stei-
Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur     Gesetzen zum Schutz der erwerbstäti-                  gern. Bereits in der zweiten Hälfte der
ein Werk der Arbeiterklasse selbst sein.      gen Frauen, insbesondere der Mütter,                  Vierzigerjahre führten sie vierwöchige
Wir können mit Fug und Recht dieses           und von Maßnahmen zur Verringerung                    Intensivkurse, aber auch achttägige
Wort abwandeln und können sagen: Die          der Doppelbelastung der Frauen fin-                   Internatskurse sowie Wochenend- und
endgültige Befreiung der Frau kann wie-       den sich ebenfalls im Aufgabenkatalog                 Abendkurse für Frauen aus allen
der nur ein Werk der Frauen selbst sein!      der Arbeitsrichtlinien. Daneben ist es                Gewerkschaften durch. Die erhoffte
Diesem Ziel dient unsere Arbeit in den        aber ein klares Ziel der ÖGB-Frauen,                  Steigerung des Frauenanteils unter den
Frauenreferaten.“7)                           durch die Gewinnung weiblicher Mit-                   FunktionärInnen blieb jedoch aus.
                                              glieder die organisatorische Kraft des
Die ÖGB-Frauen sehen es als ihre              ÖGB zu stärken. Schließlich wird in                   „Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist,
Aufgabe an, für die Frauen die Siche-         den Arbeitsrichtlinien auch anerkannt,                liebe Kolleginnen, dass in unserer ober-
rung des Rechts auf Arbeit und ihre           dass die Frauenabteilung ein Teil des                 sten Körperschaft, im Bundesvorstand,
Gleichstellung hinsichtlich Aufstiegs-        ÖGB ist und dessen Statuten und                       der 40 Funktionäre umfasst, nur eine Frau
möglichkeiten und Bezahlung zu                Beschlüsse für sie bindend sind.                      vertreten ist“,

                                               1951                                                  1953
                                               Ende September findet der erste Kongress der ÖGB-     Das von der Internationalen Arbeitsorganisation
                                               Frauen statt. Wilhelmine Moik wird beim Frauen-       1951 in Genf beschlossene Übereinkommen,
                                               kongress zur Vorsitzenden gewählt. Die ersten Vor-    „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ wird vom
                                               sitzenden, Erna Fischer (1945 bis 1948) und Amalie    österreichischen Parlament ratifiziert.
                                               Reiser (1948 bis 1951) waren von einem kleineren
                                               Gremium, der Funktionärinnenkonferenz, gewählt
                                               worden.

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JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN - ÖGB
zog die Mitarbeiterin der Frauenabtei-             ten“10) entscheiden, wer den Arbeits-
           ZEITZEUGIN: Wilhelmine Moik                    lung, Rosa Weber, beim 2. ÖGB-Frau-                platz behalten dürfe, forderten die
                                                          enkongress im Jahr 1955 Bilanz. Die                ÖGB-Frauen. Ihre Forderung verhallte
                                                          ÖGB-Frauen forderten deshalb eine                  allerdings in vielen Fällen ungehört.
                                                          Statutenänderung, die auch beim Bun-               So schildert Käthe Kraft von der
                                                          deskongress des ÖGB 1955 beschlos-                 Gewerkschaft der Post und Tele-
                                                          sen wurde (vgl. S. 10).                            graphenbediensteten beim 1. ÖGB-
                                                                                                             Frauenkongress den Umgang mit den
                                                          FRAUENARBEIT –                                     Frauen folgendermaßen:
                                                          DOPPELVERDIENERTUM?
                                                          Die Zahl der bei der Wiener Gebiets-               „Die Post- und Telegraphenanstalt hat
                                                          krankenkasse versicherten weiblichen               1945 einen ungeheuren Beamtenapparat
                                                          Arbeiterinnen und Angestellten stieg               übernommen [...]. Das Finanzministeri-
                                                          von 1939 auf 1944 um 48.000, die Zahl              um hat nur einen bestimmten Personal-
   Als „Frau der ersten Stunde“ kann Wilhelmine Moik      der männlichen Beschäftigten sank                  stand bewilligt. Es musste also das Perso-
   bezeichnet werden, denn sie war führend am Auf-        dagegen um 67.000. Vor allem in die                nal reduziert werden. Die Post- und Tele-
   bau der ÖBG-Frauen beteiligt. Wilhelmine Moik 23)      Angestelltenberufe und im öffentli-                graphenanstalt schritt zum Abbau, und
   entstammte einer Ottakringer Arbeiterfamilie. Der      chen Dienst gab es während des                     dieser Abbau ging hauptsächlich auf
                                                          Krieges eine starke Zuwanderung von                Kosten der verheirateten Frauen. Die Ver-
   Vater war Werkzeugmacher, die Mutter arbeitete in
                                                          Frauen. Nach dem Krieg wurden die                  tragsbedienstete, deren Mann eine
   Heimarbeit als Näherin. Wilhelmine wurde als           Frauen – oft unter dem Schlagwort des              bestimmte Gehaltsgrenze erreicht hat,
   viertes von neun Kindern am 26. September 1894         Doppelverdienertums – wieder „abge-                wurde gekündigt. [...] Die Frau wurde
   geboren. Schon als Kind trägt sie als Weißnäherin      baut“: 1946 waren bei der Wiener                   abgebaut – und in einigen Monaten
   zum Familienunterhalt bei. Mit achtzehn tritt sie in   Gebietskrankenkasse um 90.000                      wurde der Mann arbeitslos. Auch in die-
   die Gewerkschaft ein, 1916 wird sie Mitarbeiterin      unselbstständig beschäftigte Frauen                sem Fall ist es uns nicht mehr gelungen,
   im Verein der Heimarbeiterinnen. 1921 übersiedelt      weniger registriert als zwei Jahre zuvor,          eine solche Frau wieder einzustellen. Im
   sie in die Gewerkschaftskommission als enge Mit-       1947 entsprach der Stand der Frauen                Juni 1951 ist allerdings wieder der Fall
                                                          etwa dem des Jahres 1939. Bei „Abbau-              eingetreten, dass die Frau nunmehr nicht
   arbeiterin von Anna Boschek. 1928 wird Wilhel-
                                                          maßnahmen“ sollten nichtautomatisch                mehr abgebaut wird. Es hat sich bereits
   mine Moik zur Frauensekretärin im neu gegründe-        die Frauen gekündigt werden, man                   ein Personalmangel breit gemacht [...].
   ten Frauenreferat des Bundes Freier Gewerkschaf-       müsse nach „sozialen Gesichtspunk-                 Aber bis jetzt ist es uns nicht gelungen,
   ten bestellt. 1932 zieht sie für Ottakring in den
   Gemeinderat ein. Unter dem Dollfuß-Regime und
   im Nationalsozialismus setzt sie ihr politisches                    ZEITBILDER
   Engagement für die Revolutionären Sozialisten
   trotz mehrmaliger Inhaftierung fort.
   Nach dem Krieg wird Wilhelmine Moik im Juni
   1945 zur Leiterin der (noch provisorischen) Frau-
   enabteilung berufen und auf dem 1. Frauenkon-
   gress 1951 zur Vorsitzenden der ÖGB-Frauen
   gewählt. 1959 übergab sie die Leitung der Frauen-
   abteilung an ihre Mitarbeiterin Rosa Weber, blieb
   aber noch bis 1963 Frauenvorsitzende.
   Wilhelmine Moik war von 1945 bis 1962 auch                                                                FACHGRUPPENVEREINIGUNG
   Nationalratsabgeordnete. Ihr Name ist mit einer                                                            Mithilfe der ÖGB-Frauen schlossen sich die Kran-
   Vielzahl sozialpolitischer Gesetze verbunden,                                                              kenpflegerinnen bereits 194619) gewerkschafts-
   darunter dem Mutterschutz-, Heimarbeits- und                                                               übergreifend zu einer Fachgruppenvereinigung
                                                          NACHKRIEGSELEND                                     zusammen. Im Schwesternheim, das die Fachgrup-
   Krankenpflegegesetz sowie der Verbesserung der
                                                           Fahrten aufs Land, um im Tauschhandel beim         penvereinigung 1948 in Wien eröffnete, waren
   Witwenrente. Wilhelmine Moik verstarb im Alter
                                                           „Hamstern“ Mehl oder Schmalz zu ergattern und      Wohnungen und eine Stellenvermittlung für
   von 75 Jahren im Jänner 1970.                           Brennholz zu klauben, gehörten zum Frauenalltag    Schwestern, die Privatpflege übernahmen, unterge-
                                                           unmittelbar nach dem Krieg.                        bracht.

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JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN - ÖGB
Mindestlohnschutzgesetz – Regelung
                                                        auch für Hausgehilfinnen gültig.

eine verheiratete Frau wieder einzustel-               Erreicht haben die ÖGB-Frauen auch                      haupt anzuwenden sei, die 48-Stunden-
len, außer sie nimmt einen Posten im                   die bevorzugte Bedienung der berufs-                    Woche oder die durch eine kriegswirt-
Reinigungsdienst an...“11)                             tätigen Frauen in Lebensmittel- und                     schaftliche Verordnung 1939 einge-
                                                       Bedarfsartikelgeschäften sowie in                       führte 60-Stunden-Woche.14)
Die Gewerkschafterinnen konnten in                     Wäschereien und Putzereien, um ihnen                    Daraus resultierten lange und unein-
solchen Fällen bestenfalls versuchen,                  nach der Arbeit das stundenlange                        heitliche Arbeitszeiten. Die ÖGB-
die Frauen in die – oft schlechter                     Anstehen zu ersparen. Als Nachweis                      Frauen forderten deshalb die Schaf-
bezahlten – Frauenberufe „rückzufüh-                   für die Bevorzugung wurde – unter                       fung eines österreichischen Arbeitszeit-
ren“. Dazu und auch zur Qualifizie-                    anderem von den Konsumvereinen                          gesetzes: Es sollte allgemein die
rung von Wiedereinsteigerinnen wur-                    und von der Firma Meinl – die Gewerk-                   48-Stunden-Woche, in Betrieben mit
den so genannte Nachschulungswerk-                     schaftslegitimation bzw. von den                        mehrheitlicher Beschäftigung von
stätten12) eingerichtet.                               Gewerkschaften ausgegebene Berechti-                    Frauen aber die 44-Stunden-Woche
                                                       gungsscheine akzeptiert. Als sich die                   vorsehen. Diese Bestimmung blieb
HILFE FÜR DIE BERUFSTÄTIGEN                            wirtschaftliche Lage stabilisierte, traten              allerdings, trotz Verhandlungen dazu
Auch jene Frauen, die ihren Arbeits-                   derartige Aktionen in den Hintergrund.                  im Parlament15), unerfüllt, so wie für
platz behielten, hatten kein leichtes                  Die ÖGB-Frauen setzten in der Folge                     längere Zeit überhaupt ein Arbeitszeit-
Los. Den Mangel an Nahrungsmitteln                     auf die „Technisierung“ der Haushalte                   gesetz. Die ÖGB-Frauen ließen darauf-
und die zeitaufwendige Beschaffung                     durch eine Erleichterung der Anschaf-                   hin ihre Forderung nach Sonderbe-
derselben versuchten die ÖGB-Frauen                    fung von Haushaltsgeräten.                              stimmungen für die Frauen fallen und
durch zahlreiche Interventionen zu lin-                                                                        traten ab Mitte der Fünfzigerjahre für
                                                        ARBEITSZEITVERKÜRZUNG
dern.                                                                                                          eine Arbeitszeitverkürzung für alle
                                                       FÜR FRAUEN                                              ArbeitnehmerInnen in Form der
„Nach oftmaligen Eingaben gelang es                    Die Doppelbelastung durch Beruf und                     40-Stunden-Woche ein.16)
endlich, für die berufstätigen schwange-               Haushalt verringern wollten die ÖGB-
ren Frauen neben der Mütterkarte die in                Frauen durch eine kürzere Arbeitszeit                   PENSIONSANTRITT MIT 60
Betracht kommende Zusatzkarte durch-                   für Frauen. Nach dem Krieg war strit-                   Einige Fortschritte konnten die ÖGB-
zusetzen. Für die Hausgehilfinnen wurde                tig, welche Arbeitszeitregelung über-                   Frauen im Bereich der Sozialversiche-
die Angestelltenkarte erreicht.“ So heißt                                                                      rung erzielen. Das Arbeitslosenfürsor-
es im Tätigkeitsbericht des Frauenrefe-                                                                        gegesetz, das eine Geldleistung bei
rates anlässlich des 1. ÖGB-Kongresses                                                                         Arbeitslosigkeit nur für den Fall einer
1948.13)                                                                                                       Notlage vorsah, wurde 1949 durch das

                                                        IM LEHRMÄDCHENHEIM
                                                         49 Prozent der Jugendlichen waren laut Volkszäh-
                                                         lungsergebnis 1951 weiblich, bei den Lehrlingen
                                                         betrug der Anteil der Mädchen aber nur 23 Prozent.
                                                         Die ÖGB-Frauen plädierten, die Ausbildung der
                                                         Mädchen nicht zu vernachlässigen. Lehrstellen für
                                                         Mädchen waren aber rar. Anfang 1954 waren bei
WISSEN IST MACHT                                         den Arbeitsämtern 3.429 Lehrstellen suchende
 Bereits ab Herbst 1948 gab das ÖGB-Frauenreferat        Mädchen gemeldet, aber nur 289 offene Stellen.20)
 gemeinsam mit dem AK-Frauenreferat die monatli-         1954 wurde einer Forderung der Gewerkschafte-
 che Broschüre „Frauenarbeit – Frauenrecht“ heraus.      rinnen Rechnung getragen und die Förderung der        EIN GROSSES FEST
 Ziel des Blattes war, die Funktionärinnen in den        weiblichen Jugend im Jugendeinstellungsgesetz21)       1953 feierte der ÖGB den 60. Jahrestag der Grün-
 Betrieben und den Gewerkschaften über aktuelle          festgeschrieben. Aber erst die günstige Beschäfti-     dung der Österreichischen Gewerkschaftskommis-
 politische Fragen zu informieren und mit den            gungslage ab Mitte der Fünfzigerjahre führte dazu,     sion. Beim Festumzug rund um den Wiener Ring
 gesetzlichen Bestimmungen und Änderungen ver-           dass die Betriebe vermehrt weibliche Lehrlinge ein-    waren die ÖGB-Frauen mit einem eigenen Wagen
 traut zu machen. 1961 wurde das Blatt eingestellt.      stellten.                                              dabei.

                                                                             7
                                                                                                                                                  JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN - ÖGB
Arbeitslosenversicherungsgesetz er-
                                                                                                setzt. Auch verheiratete Frauen
                                                                                                erhielten somit bei Arbeitslosigkeit,
                                                                                                sofern sie die Versicherungszeiten
                                                                                                nachweisen konnten, Arbeitslosengeld.
                                                                                                In der Pensionsversicherung erfolgte
                                                                                                1948 die Herabsetzung der Altersgren-
                                                                                                ze für Frauen von 65 auf 60 Jahre, seit
                                                                                                1949 erhalten Witwen von Arbeitern
                                                                                                auch vor Vollendung ihres 60. Geburts-
                                                                                                tages eine Rente.17)

                                                                                                HAUSGEHILFINNEN
                                                                                                UND HEIMARBEITERINNEN
                                                                                                Von Beginn an aktiv waren die ÖGB-
                                                                                                Frauen für die Verbesserung der Situa-
                                                                                                tion der Hausgehilfinnen und Heimar-
In den Büroberufen war die Frauenarbeitslosigkeit besonders hoch.                               beiterinnen. Beide Berufe galten als
                                                                                                typische Frauenberufe mit schlechten
                                                                                                Arbeitsbedingungen und geringer Ent-
                                                                                                lohnung.
                                                                                                Für Hausgehilfinnen (Hauspersonal,
                                                                                                Köchinnen, Kindermädchen, etc.) gab
                                                                                                es nach dem Zweiten Weltkrieg keinen
                                                                                                Kollektivvertrag, da kein Arbeitgeber-
                                                                                                verband als Vertragspartner existierte.
                                                                                                Die ÖGB-Frauen erreichten Ende der
                                                                                                Vierzigerjahre, dass die Urlaubsbestim-
                                                                                                mungen nach dem Arbeiterurlaubsge-
                                                                                                setz auf Hausgehilfinnen ausgeweitet
                                                                                                wurden, 1951 setzten sie das Mindest-
                                                                                                lohnschutzgesetz und damit die Rege-
                                                                                                lung von Mindestlöhnen für die Haus-
                                                                                                gehilfinnen durch.
                                                                                                Das von den ÖGB-Frauen immer wie-
Betriebsrätinnen bilden sich in einem Kurs-                                                     der geforderte umfassende Hausgehil-
der ÖGB-Frauen weiter.                                    ÖGB-Frauen-Plakat aus dem Jahr 1953   finnen-Gesetz scheiterte aber jahrelang
                                                                                                am Widerstand der Arbeitgeberseite.
                              FRAUENALLTAG: Ausstattung mit Hausgeräten im Jahr 1951            Erst 1962 gelang die Ablöse des Haus-
                                                                                                gehilfengesetzes aus 1920 durch das
                                                                                                neue „Hausgehilfen- und Hausange-
                                                                                                stelltengesetz“.18) Auch die Verabschie-
                                                          68 %     Elektrisches Bügeleisen      dung des Heimarbeitsgesetzes war
                                                                                                mühsam. Die ÖGB-Frauen wurden
                                                          17 %     Staubsauger                  deshalb auf einer anderen Ebene tätig:
                                                                                                Auf ihre Initiative handelten die
                                                          15 %     Eiskasten mit Blockeis       zuständigen Gewerkschaften bis
                                                                                                Anfang der Fünfzigerjahre Jahre
                                                          1%       Waschmaschine                Bestimmungen bezüglich Heimarbeits-
                                                                                                löhne in den Kollektivverträgen aus.
                                                                                                1954 wurde schließlich ein Heimarbei-
                                                          0,7 % Elektrischer Eiskasten          tsgesetz beschlossen, das den Heimar-
                                                                                                beiterInnen eine arbeits- und sozial-
Ergebnis einer Befragung der ÖGB-Frauen von 600 ArbeitnehmerInnen-Haushalten.22)                rechtliche Absicherung brachte.

                                                                             8
JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN - ÖGB
1955–1964

Wirtschafts- und Babyboom

Der Arbeitskräftemangel hatte zur Folge, dass die Unternehmen verstärkt um weibliche Arbeitskräfte warben.

„Die Wirtschaft umwirbt auch die Frauen,     VOLLBESCHÄFTIGUNG ERREICHT                    Begleitet wurde das „Wirtschaftswun-
und diese Werbung treibt oft ganz selt-      Das durchschnittliche jährliche Wachs-        der“ von einer Nachfrage nach langle-
same Blüten. [...] Da lesen wir Annoncen,    tum der österreichischen Wirtschaftsla-       bigeren Konsumgütern: Haushaltsge-
in denen es heißt: ‚Komm auf einen           ge 1953 bis 1962 bei 6,1 Prozent,             räte, Automobile und in den Sechziger-
Arbeitsplatz, der dir Freude macht, wo du    Anfang der 60er Jahre wurde – bei den         jahren Fernsehgeräte hielten Einzug in
Schönheit vorfindest, denn die Schönheit     Männern – Vollbeschäftigung er-               die Haushalte.27) Im Kontext des Auf-
überträgt sich auf dich, und welche Frau     reicht.25) Trotz einer Verlangsamung          schwungs kam es zudem zu einem
will nicht schön sein?’ Und wenn Sie mich    des Wachstums stieg die Zahl der              regelrechten Heirats- und Babyboom,
fragen, was das für ein Arbeitsplatz ist:    Beschäftigten auch in den Folgejahren         der 1963 seinen Höhepunkt fand.
Es wird ein Stubenmädchen oder eine          rasant an.
Zofe für einen gepflegten Haushalt           Die Frauen konnten ihren Anteil an            STATUTEN FÜR DIE ÖGB-FRAUEN
gesucht.“24)                                 der Gesamtbeschäftigung von 33,4              Die Schaffung von Strukturen für die
                                             Prozent im Jahr 1953 auf 36,9 Prozent         Frauenarbeit verlief in den einzelnen
                                             im Jahr 1964 steigern – das bedeutete         Gewerkschaften und Landesorganisa-
Diese Worte der Frauensekretärin Rosa        einen Zuwachs um 233.000 bei den              tionen des ÖGB höchst unterschied-
Weber beim 4. ÖGB-Frauenkongress             weiblichen unselbstständig Beschäf-           lich.
1963 beschreiben eindrucksvoll die           tigten. Gleichzeitig strömten noch            Nicht zuletzt um Druck zu erzeugen
Situation zur Zeit des „Wirtschafts-         mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt: 56          für einen raschen und einheitlichen
wunders“ in den Sechzigerjahren. Auf-        Prozent der registrierten Arbeitsuchen-       Aufbau von Frauenabteilungen in allen
grund des Arbeitskräftemangels war-          den des Jahres 1964 waren weiblich;26)        Gewerkschaften und Bundesländern,
ben die Betriebe verstärkt um weibliche      in Absolutzahlen waren dies allerdings        beschlossen die ÖGB-Frauen bei
Arbeitskräfte.                               gerade 37.400.                                ihrem zweiten Kongress im Jahr 1955

                                                              9
                                                                                                                     JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN - ÖGB
Verlängerung des Mindesturlaubes
                                                                                              durch Generalkollektivvertrag.

Statuten, die sogenannten Arbeitsricht-
linien. Rosa Weber begründete die
Beschlussfassung der Arbeitsrichtlinien
beim Kongress folgendermaßen:

„Wir glauben, dass durch die Arbeitsricht-
linien eine Förderung der Frauenarbeit
eintreten wird, das heißt, jedes Bundes-
land und jede Gewerkschaft, die bisher
die Arbeitsrichtlinien noch nicht erfüllt
oder nicht mit Leben erfüllt hat, wird sich
bemühen, das in Zukunft zu tun.“28)

Der zweite Grund, so Weber, sei, dass
engagierte Funktionärinnen sich nun
auf die Statuten beziehen könnten,            Der einsetzende Wohlstand ermöglichte Urlaubsreisen ...
wenn sie Gremien für die Frauenarbeit
aufbauen wollten.                             Gremien gefassten Beschlüsse zustän-                   serung der Mitbestimmung der Frauen
Als Organe der ÖGB-Frauen werden              dig ist, was von Beginn an zu einer                    berichtete, gab es den Zwischenruf
in den Arbeitsrichtlinien festgelegt:29)      besonders engen Zusammenarbeit des                     „Wenig, aber von Herzen!“, dem dann
a) der Frauenkongress als die oberste         gewählten Frauenpräsidiums und der                     auch Rosa Weber zustimmte: „Wenig,
und auch zahlenmäßig größte Ent-              hauptamtlichen     Frauensekretärin                    aber vom Herzen – das ist wahr!“30)
scheidungsinstanz – der Frauenkon-            führte. Auf Landesebene sind nach
gress tritt alle vier Jahre zusammen und      den Statuten Landes-Frauenkonfe-                       ERFOLGE IN DER FAMILIENPOLITIK
wählt unter anderem das Präsidium der         renzen und Landes-Frauenausschüsse                     Den ÖGB-Frauen gelang es in dieser
Frauenabteilung;                              vorgesehen, auf Bezirksebene Bezirks-                  Dekade, in einem ihrer zentralen The-
b) der Bundes-Frauenausschuss, der            Frauenkonferenzen und Bezirks-Frau-                    men Verbesserungen zu erzielen:31)
mindestens einmal jährlich durch das          enausschüsse.                                          1957 wurde für Mütter ein sechs-
Präsidium der Frauenabteilung einzu-                                                                 monatiger – unbezahlter – „Karenzur-
berufen ist und zwischen den Frauen-          MITBESTIMMUNG IM ÖGB                                   laub“ eingeführt. Das noch aus der
kongressen für die notwendigen Bera-          Mehr Mitsprache im Gewerkschafts-                      NS-Zeit stammende Mutterschutzge-
tungen und Beschlüsse zur Erfüllung           bund selbst versuchten die ÖGB-Frau-                   setz wurde durch ein österreichisches
der Frauenarbeit zuständig ist;               en ebenfalls über die Statuten zu errei-               ersetzt – damit verbunden waren ein
c) das Präsidium – es tagt zwischen den       chen: Auf ihren Antrag hin wurde                       verbesserter Kündigungsschutz für
Sitzungen des Bundesfrauenausschus-           beim ÖGB-Kongress 1955 beschlos-                       schwangere Arbeitnehmerinnen sowie
ses und berät und beschließt die durch-       sen, dass die Frauenabteilung mit drei                 die Ausweitung der Schutzbestim-
zuführenden Aktivitäten.                      Delegierten beim Bundeskongress, mit                   mungen auf Hausgehilfinnen, Heimar-
Das Präsidium besteht aus der ÖGB-            drei Delegierten in der Vorständekon-                  beiterinnen und Migrantinnen. 1960
Frauenvorsitzenden und ihren Stellver-        ferenz und mit zwei Delegierten im                     folgte die Verlängerung der Karenz auf
treterinnen sowie der Sekretärin der          Bundesvorstand vertreten sein muss –                   ein Jahr und die Einführung eines
Frauenabteilung, die aber nur bera-           allerdings in allen drei Gremien mit                   „Karenzurlaubsgeldes“ aus den Mitteln
tende Stimme hat.                             beratender Stimme.                                     der Arbeitslosenversicherung. Die
d) das Frauensekretariat, das für die         Als Rosa Weber beim Frauenkongress                     Höhe der Karenzleistung richtete sich
Umsetzung der in den drei höchsten            1955 über diese bevorstehende Verbes-                  nach dem Familienstand und der Ein-

                            IM ZEITRAFFER:
                                               1955                                                   1957
                                               Am 15. Mai wird der Staatsvertrag unterzeichnet.       Im März kommt es zur Gründung der Paritätischen
                                               Am 26. Oktober beschließt der Nationalrat das          Kommission für Lohn- und Preisfragen.46) Als kurz-
                                               Neutralitätsgesetz. Ebenfalls im Oktober findet der    fristiges Gremium zur Bekämpfung der Inflation
                                               2. Kongress der ÖGB-Frauen statt, bei dem Wilhel-      gedacht, entwickelte sie sich zum Herzstück und
                                               mine Moik als Frauenvorsitzende bestätigt wird.        Ursprung der Sozialpartnerschaft.

                                                                      10
JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
hatte, wurden im öffentlichen Dienst,
                                                                                                             bei den Privatangestellten und bei den
                                                                                                             TextilarbeiterInnen einheitliche Ent-
                                                                                                             lohnungsschemen eingeführt. In vielen
                                                                                                             Bereichen bestanden aber weiterhin
                                                                                                             eigene Frauenlohntabellen.
                                                                                                             Auch manche Gewerkschafter hatten
                                                                                                             für die Forderungen der Frauen nach
                                                                                                             Einführung       geschlechtsneutraler
                                                                                                             Lohntabellen wenig Verständnis, geht
                                                                                                             aus folgendem Bericht einer Gewerk-
                                                                                                             schafterin beim 3. ÖGB-Frauenkon-
                                                                                                             gress 1959 hervor:

							   ... und schuf Arbeitsplätze im Tourismus.                                                          „Ich bin im sozialpolitischen Referat des
                                                                                                             Gewerkschaftsbundes beschäftigt, und
          kommenssituation. Alleinerzieherinnen             Frauen ihre Berufstätigkeit bis zu die-          ich habe die Möglichkeit, Einsicht in die
          und Frauen, die für den Familienunter-            sem Zeitpunkt unterbrechen könnten.33)           einzelnen Kollektivverträge zu nehmen.
          halt sorgten, erhielten 100 Prozent des           Während dieses Verlangen vom ÖGB-                Ich hatte unlängst die Aufgabe, heraus-
          Arbeitslosengeldes,32) verheiratete Müt-          Kongress im Jahr 1959 mitgetragen                zusuchen, in welchen Sparten der Wirt-
          ter die Hälfte. Da aber das Partnerein-           wurde, scheiterten Forderungen, denen            schaft gleicher Lohn für gleichwertige
          kommen ab einer bestimmten Höhe                   die Eigenständigkeit der Mütter                  Arbeit bereits durchgesetzt ist. Ich musste
          angerechnet wurde, bekam ein Teil der             zugrunde lag, auch an der Ablehnung              dabei feststellen, dass in vielen, vielen
          Mütter auch weiterhin kein oder nur               des ÖGB. Beim 4. Frauenkongress im               Kollektivverträgen dieser Grundsatz
          ein reduziertes Karenzgeld. Im Rah-               Jahr 1963 verlangten die Gewerkschaf-            eigentlich nicht durchgesetzt ist. So muss
          men dieser Novelle wurde auch eine                terinnen in ihrer Resolution die direkte         man in den unteren Kategorien, zum Bei-
          Mütterbeihilfe für Mütter, die drei oder          Auszahlung der Mütter- und Familien-             spiel bei den Hilfsarbeitern, immer wieder
          mehr Kinder zu versorgen hatten, ein-             beihilfen an die Mütter statt an die             sehen: ‚Hilfsarbeiter männlich‘ und ‚Hilfs-
          geführt sowie eine Säuglingsbeihilfe für          Väter. Der Bundeskongress befürchte-             arbeiterinnen‘. Ich habe die Gelegenheit
          das erste Lebensjahr des Kindes. Auch             te bei Realisierung der Forderung „zu            ergriffen und habe mit Fachgruppense-
          die Familienbeihilfe wurde erhöht und             große Verwaltungsschwierigkeiten“                kretären darüber gesprochen. Ich muss
          ab 1961 14-mal ausbezahlt, die Schutz-            und wies den Antrag dem Bundesvor-               sagen, die Kollegen konnten mir nur die
          frist bei Frühgeburten wurde ausgewei-            stand „zur Beratung“ zu.                         Auskunft geben: ‚Die Arbeit ist doch nicht
          tet. Die ÖGB-Frauen hatten damit auf                                                               ganz die gleiche bei den Männern und bei
          familienpolitischem Gebiet bis Anfang             KAMPF UM GERECHTE                                den Frauen.‘ Mir ist dies irgendwie ver-
          der Sechzigerjahre Jahre sehr viel                                                                 wunderlich erschienen, denn Hilfsarbeit
                                                            FRAUENEINKOMMEN
          erreicht. Unerfüllt blieb die Forderung                                                            ist ja an und für sich die gleiche Tätigkeit;
                                                            Nur langsam gelang die Beseitigung               es ist eben keine gelernte Arbeit.“34)
          nach Zahlung einer Mütterzulage bis               von Frauenlohngruppen aus den Kol-
          zum 3. Geburtstag des Kindes, damit               lektivverträgen. Nachdem das Parla-
                                                            ment 1953 das von der Internationalen            Ein wichtiger Erfolg im Kampf gegen
                                                            Arbeitsorganisation    beschlossene              die Einkommensdiskriminierung war
                                                            Übereinkommen „Gleicher Lohn für                 die Streichung der Frauenlohngruppen
                                                            gleichwertige Arbeit“ unterzeichnet              aus dem Kollektivvertrag der Metall

                                                              1959                                            1963
                                                      Im September findet der 3. Kongress der ÖGB-            Beim 4. Kongress der ÖGB-Frauen im September
                                                      Frauen unter dem Motto „Im Beruf Recht und              1963 wird die bisherige Frauensekretärin Rosa
                                                      Schutz. In der Familie Anerkennung und Hilfe“ statt.    Weber zur neuen Vorsitzenden gewählt.
                                                      Wilhelmine Moik kandidiert zum letzten Mal. Weni-
                                                      ge Tage nach dem Kongress feiert sie ihren 65.
          Führend am Aufbau der ÖGB-Frauen beteiligt: Geburtstag.
          Wilhelmine Moik und Rosa Weber.

                                                                               11
                                                                                                                                             JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
Verbesserung des Mutterschutzgesetzes
                                                                                      – Karenzurlaub wird erhöht.

                                                          erzeugenden und verarbeitenden                          arbeit mehrere Untersuchungsreihen
                   ZEITZEUGIN: Rosa Weber                 Industrie im Jahr 1962. Ihm ging ein                    über die körperliche und psychische
                                                          viertägiger Streik voraus: 150.000                      Belastung der Beschäftigten durch. Die
                                                          MetallarbeiterInnen legten vom 9. bis                   ÖGB-Frauen konzentrierten sich in
                                                          12. Mai 1962 für die Anhebung der                       der Folge auf die Verbesserung der
                                                          Löhne und die Abschaffung der Frau-                     Pausenregelung für Fließbandarbeite-
                                                          enlohngruppen ihre Arbeit nieder. In                    rinnen.
                                                          vielen Branchen galten aber weiterhin
                                                          eigene, niedrigere Lohntabellen für die                 TEILERFOLG BEI ARBEITSZEIT
                                                          Frauen. „Lohngerechtigkeit: Nicht                       Ein österreichisches Arbeitszeitgesetz
                                                          genügend!“ lautet deshalb der Titel                     ließ weiter auf sich warten. Durch eine
                                                          eines Artikels in der ÖGB/AK-Zeit-                      Vereinbarung der Sozialpartner kam es
                                                          schrift „Arbeit und Wirtschaft“35) aus                  1959 zur Verkürzung der Arbeitszeit
                                                          1962, in dem über eine Resolution des                   von 48 auf 45 Stunden. Die ÖGB-
   Mehr als 20 Jahre war Rosa Weber (geb. Hruby) für      ÖGB-Bundesfrauenausschusses zur                         Frauen sahen das als Schritt in die
   die Gewerkschaftsbewegung aktiv, Vorsitzende der       Abschaffung der Frauenlohngruppen                       richtige Richtung an, urgierten aber
   ÖGB-Frauen durfte sie nur eine Funktionsperiode        berichtet wurde.                                        weiterhin die Schaffung eines Arbeits-
                                                                                                                  zeitgesetzes mit dem Ziel der 40-Stun-
   sein.47) Die Vorbereitungsarbeiten für den 5. ÖGB-
                                                          AKKORD- UND FLIESSBANDARBEIT                            den-Woche.37) Rascher gelang die von
   Frauenkongress waren beinahe abgeschlossen, als
                                                          Großes Augenmerk widmeten die                           den ÖGB-Frauen beim Kongress 1963
   Rosa Weber im Juli 1967 bei einem Bergunfall am                                                                verlangte Ausweitung des Mindestur-
                                                          Gewerkschafterinnen der steigenden
   Großglockner tödlich verunglückte.                     Arbeitsbelastung durch die zuneh-                       laubs: Im November 1964 wurde mit-
                                                          mende Fließband- und Akkordarbeit.36)                   tels eines Generalkollektivvertrages die
   Rosa Weber, geboren 1919 in Wien, entstammte           Auf Initiative der ÖGB-Frauen erfolgte                  Ausweitung des Mindesturlaubs auf
   einer Arbeiterfamilie. Die Wirtschaftskrise und der    1958 die Gründung der Arbeitsge-                        drei Wochen erreicht.38)
   Zusammenbruch der Demokratie 1934 – Rosas              meinschaft zum Studium von Arbeits-
   Vater war an den Februarkämpfen beteiligt und          belastungen; ihr gehörten neben                         PENSIONSRECHT MIT
   wurde inhaftiert – hatten zur Folge, dass Rosa auf     GewerkschafterInnen auch ÄrztInnen,                     SCHÖNHEITSFEHLER
   den Besuch der Mittelschule verzichten musste.         Techniker, VertreterInnen der Sozial-                   Das Allgemeine Sozialversicherungsge-
   15-jährig begann Rosa Weber als Hausgehilfin zu        versicherung und der Arbeitsinspekti-                   setz (ASVG) von 1955 brachte erstmals
                                                          on an. Die Arbeitsgemeinschaft führte                   ein einheitliches Sozialversicherungs-
   arbeiten, 1938 fand sie eine Stelle als Serviererin.
                                                          bis 1962 in Betrieben mit Fließband-                    recht für ArbeiterInnen und Angestell-
   Gleichzeitig besuchte sie die Abendschule, die sie
   mit der Buchhalterprüfung abschloss; danach war
                                                                          ZEITBILDER
   Rosa Weber in einem kaufmännischen Beruf
   tätig.48) Nach Kriegsende war Rosa aktiv am Auf-
   bau der Sozialistischen Jugend in Floridsdorf betei-
   ligt und trat 1946 als hauptamtliche Mitarbeiterin
   in die Jugendabteilung der Gewerkschaft der Pri-
   vatangestellten ein. 1949 wurde sie Frauensekre-
   tärin im ÖGB, 1959 in den Nationalrat und 1963
   zur Vorsitzenden der ÖGB-Frauen gewählt.

   Der bezahlte „Karenzurlaub“ und die Ausweitung
   der Familienbeihilfe waren wesentliche Verbesse-                                                               RICHTIG EINKAUFEN
   rungen für arbeitende Mütter, an denen Rosa                                                                     Die ÖGB-Frauen sahen es auch als ihre Aufgabe an,
   Weber mitwirkte.49) Gleichzeitig war Rosa Weber                                                                 die Frauen als Konsumentinnen zu beraten. Beson-
                                                          MITGLIEDER GEWINNEN                                      ders Rosa Weber war das ein Anliegen – sie war die
   auch eine Vorkämpferin für den KonsumentInne-
                                                           Um Frauen für die Gewerkschaft zu interessieren,        erste Vorsitzende des Vereins für Konsumenten-
   nenschutz – seit der Gründung des Vereins für
                                                           organisierten die ÖGB-Frauen Koch-, Bastel- und         information.
   Konsumenteninformation 1960/61 war sie dessen
                                                           Nähkurse. Vor allem in den Bundesländern erfreuten
   Vorsitzende.                                            sich die Kurse großer Beliebtheit, von 1959 bis 1963
                                                           fanden mehr als 1.300 Kurse statt.

                                                                                   12
JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
FRAUENALLTAG: Die traute Familie: Klischee und Realität in den 50ern
                                                       		                            Familienstand von berufstätigen Müttern im Jahr 1958

                                                                                                                                   6%
te. Es beinhaltete auch Verbesserungen

                                                                                  6%
bei den Leistungen, vor allem im Pen-                                                                                                            %
                                                                                              %                                             15
sionsrecht. Rosa Weber dazu beim 4.                                                        16                      76 %
                                                               71 %
Frauenkongress im Jahr 1963:                                                                                                                        3%
                                                                                   7%
„In der Pensionsversicherung konnten wir                            Arbeiterinnen 			                                  Angestellte
ebenfalls wesentliche Verbesserungen
erzielen. Es sind deren so viele, dass ich sie
nur kurz andeuten kann. Für Witwen und
Waisen ist es gelungen, einen Hilflosen-
zuschuss einzuführen. Es ist gelungen, für                          verheiratet                                          geschieden
Witwen, die sich wieder verheiraten, eine
Abfertigung festzulegen (...). Weiters ist es                       verwitwet                                            ledig
gelungen, die Kürzung der Witwenrente
                                                       Ergebnis einer Befragung der ÖGB-Frauen in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Wien von
aufzuheben, die dann zur Anwendung
                                                       639 Frauen in 39 Betrieben.45)
kam, wenn eine eigene Rente bezogen
wurde.“39)                                             3. ASVG-Novelle 1957 beschlossene                    zweite Frühpensionsart, die Frühpensi-
                                                       Frühpension wegen langer Arbeitslo-                  on wegen langer Versicherungsdauer,
Als Verbesserung mit „Schönheitsfeh-                   sigkeit ermöglichte einen um fünf                    die mit der 8. ASVG-Novelle 1960
lern“ bezeichnete Weber40) aber beim                   Jahre früheren Pensionsantritt, wenn in              geschaffen wurde, orientierte sich an
Kongress die Einführung der Früh-                      den 13 Monaten vor Pensionsantritt                   männlichen       Erwerbsverläufen: 43)
pension, denn die dafür vorgesehenen                   mindestens zwölf Monate eine Geld-                   Voraussetzung für die Frühpension
Anspruchsvoraussetzungen konnten                       leistung aus der Arbeitslosenversiche-               war in diesem Fall der Nachweis von
vom Großteil der Frauen nicht erfüllt                  rung bezogen wurde.41)                               35 Versicherungsjahren. Damit auch
werden. Der Grund dafür: Auch das                      Frauen erhielten bei Arbeitslosigkeit,               Frauen die Anspruchsvoraussetzungen
ASVG und das darin enthaltene Pensi-                   wenn der Partner ebenfalls ein Ein-                  für diese Frühpension erreichen
onsrecht hatte und hat das männliche                   kommen hatte, aber maximal 30                        könnten, verlangten die ÖGB-Frauen,
Normalarbeitsverhältnis zum Bezugs-                    Wochen Arbeitslosengeld, Notstands-                  dass die Zeit des Mutterschutzes und
punkt; das heißt, das Pensionsrecht                    hilfe gab es für sie im Anschluss nicht.42)          der Karenz als Ersatzzeit in der Pensi-
sichert jene gut ab, die eine durchge-                 Der Großteil der arbeitslosen älteren                onsversicherung angerechnet werde.
hende Vollzeitbeschäftigung von der                    Frauen war dadurch vom Bezug der                     Diese Forderung wurde erst Anfang
Jugend bis ins Alter haben. Die mit der                Frühpension ausgeschlossen. Auch die                 der 70er Jahre erfüllt.44)

                                                                                                            ABSCHIED
                                                                                                             Beim Frauenkongress 1963 nehmen die ÖGB-
                                                                                                             Frauen Abschied von ihrer langjährigen Vorsitzen-
ZWEIFACHE BÜRDE                                                                                              den Wilhelmine Moik. Rosa Weber wurde zur neuen
 Zu Beginn der Sechzigerjahre wurde die Doppelbe-      INTERNATIONAL                                         Vorsitzenden.
 lastung der berufstätigen Frauen durch Job und         Von Beginn an waren die ÖGB-Frauen auch inter-
 Haushalt verstärkt thematisiert – wie hier in einer    national vernetzt. Wilhelmine Moik spricht beim
 Ausgabe der AK/ÖGB-Zeitschrift „Arbeit und Wirt-       Frauenausschuss des Internationalen Bundes Freier
 schaft“ aus dem Jahr 1962.                             Gewerkschaften 1963 in Wien.

                                                                           13
                                                                                                                                                 JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
1965–1974

Partnerschaft ist das Ziel
„Wir hoffen nach und nach auf eine echte     Frauen unselbstständig beschäftigt.53)               war Grete Rehor aus der Gewerkschaft
Partnerschaft bei der Versorgung der         Massive Zuwächse gab es bei den weib-                der Textil-, Bekleidungs- und Lederar-
Familie. Wir haben das wiederholt gesagt,    lichen Angestellten, während die Zahl                beiter, die der Fraktion Christlicher
aber man muss es immer wieder erwäh-         der Arbeiterinnen bereits 1961 ihren                 Gewerkschafter (FCG) angehörte und
nen, weil es noch zu wenig in das gesell-    Höhepunkt erreicht hatte und danach                  seit dem ersten Kongress der ÖGB-
schaftliche Denken eingedrungen ist.         zurückging. Trotzdem waren 1974                      Frauen im Jahr 1951 stellvertretende
Wenn Mann und Frau in gleicher Weise         noch etwas mehr Frauen in Arbeite-                   Frauenvorsitzende war. Rehor war
einen Beruf ausüben, so erscheint es uns     rinnentätigkeiten als in Angestelltenbe-             während der ÖVP-Alleinregierung von
nur allzu selbstverständlich, dass Mann      rufen beschäftigt.54) Immer häufiger                 1966 bis 1970 Sozialministerin und
und Frau auch die Verpflichtungen inner-     kehrten auch Frauen nach der Geburt                  damit die erste Frau, die in Österreich
halb der Familie teilen.“50)                 eines Kindes auf den Arbeitsmarkt                    das Amt einer Ministerin bekleidete.
                                             zurück, was auch an der Zunahme der                  In ihrer Amtszeit erfolgte die Schaf-
Diese Worte der Frauenvorsitzenden           Teilzeitarbeit ablesbar ist. Während die             fung des Arbeitsmarktförderungsge-
Maria Metzker beim 6. ÖGB-Frauen-            Bundeswirtschaftskammer die Zahl der                 setzes, das die Grundlage für die aktive
kongress im Jahr 1971 zeigen klar den        Teilzeitbeschäftigten Mitte der Sech-                Arbeitsmarktpolitik bildete, sowie die
gesellschaftlichen Wandel, der Ende          zigerjahre auf rund 76.00055) schätzte,              Verabschiedung des Frauennachtar-
der Sechzigerjahre eingesetzt hat.           gab es Mitte der Siebzigerjahre bereits              beitsgesetzes. Auch eine eigene Frauen-
Dass ausschließlich die Frauen für die       an die 144.700 unselbstständig Beschäf-              abteilung wurde im Sozialministerium
Betreuungsarbeit und den Haushalt            tigte in Teilzeit – 94 Prozent davon                 unter Rehor eingerichtet. Die Delegier-
zuständig sein sollen, wird nicht länger     waren weiblich.56)                                   te Marianne Strauß merkte dazu beim
hingenommen. Stattdessen fordern die                                                              6. Frauenkongress im Jahr 1971 an:
                                             ÖGB-FRAUEN IN
ÖGB-Frauen eine Überwindung der
traditionellen Rollenverteilung.             FÜHRUNGSPOSITIONEN                                   „Sie hat damit etwas nachgeholt, worauf
                                             Bereits beim 5. ÖGB-Frauenkongress                   die Männer bei ihrer großen Arbeitsbelas-
WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG                  im Jahr 196757) forderten die Gewerk-                tung bisher immer vergessen haben.“58)
Auf die Rezession 1967/68 folgte bis         schafterinnen einstimmig, dass eine/r
1974 der „längste Aufschwung der             der VizepräsidentInnen des ÖGB eine                  Grete Rehor blieb auch als Ministerin
Nachkriegszeit“51) Das durchschnitt-         Frau sein müsse. Zu diesem Zweck                     und dann weiter bis 1975 stellvertre-
liche reale Wachstum erreichte in dieser     sollte die Zahl der VizepräsidentInnen               tende Vorsitzende der ÖGB-Frauen.
Zeit 5,2 Prozent. Bereits seit Anfang        von drei auf vier ausgeweitet werden,                Sie verstarb 1987 im 77. Lebensjahr.
der Sechzigerjahre herrschte in Öster-       schlugen die ÖGB-Frauen vor. Wäh-                    Nach dem Wechsel von der ÖVP- zur
reich Vollbeschäftigung.52) Dem Man-         rend diese Forderung unerfüllt blieb                 SPÖ-Alleinregierung im Jahr 1970
gel an Arbeitskräften wurde durch ein        und die ÖGB-Frauen bei ihrem 6.                      wurde Gertrude Wondrack Staatsse-
gezieltes Hereinholen ausländischer          Kongress im Jahr 1971 abermals mehr                  kretärin im Sozialministerium.59) Won-
ArbeitnehmerInnen begegnet, ebenso           Mitbestimmung in den Spitzengremien                  drack – von Beruf Näherin – „stammte“
versuchte man inländische Frauen als         der Gewerkschaften einforderten, ge-                 ebenfalls aus der Gewerkschaft der
Arbeitskräfte zu mobilisieren. Mit           langten erstmals Gewerkschafterinnen                 Textil-, Bekleidungs- und Lederarbei-
Erfolg: 1974 waren erstmals im Jahres-       über die politischen Parteien in Füh-                ter. Sie war ab 1948 als Fachsekretärin
durchschnitt mehr als eine Million           rungspositionen. Die Erste von ihnen                 und in der Folge auch als Frauensekre-

                            IM ZEITRAFFER:
                                              1966                                                 1967
                                              Bei den Nationalratswahlen im März erhält die ÖVP    Im September findet der 5. Kongress der ÖGB-
                                              die absolute Mehrheit. Unter Bundeskanzler Josef     Frauen unter dem Motto „Die berufstätige Frau in
                                              Klaus bildet sie im April eine Alleinregierung.      unserer Zeit“ statt. Maria Metzker wird zur neuen
                                                                                                   Frauenvorsitzenden gewählt.

                                                                    14
JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
„Wir fordern Chancengleichheit in Gesellschaft und Beruf“ lautete das Motto beim Frauenkongress 1971.

tärin in der Gewerkschaft tätig, ehe sie              nach nur neunmonatiger Amtszeit – im      ÖGB-Frauen betraf die Regelung der
1964 Bundesfrauensekretärin der SPÖ                   Juli 1971 im 52. Lebensjahr bei einem     Nachtarbeit. Österreich hatte zwar
wurde. Als Gewerkschafterin setzte sie                Autounfall.                               schon 1950 das Übereinkommen
sich vehement für eine gerechte Ent-                                                            Nr. 89 der Internationalen Arbeitsor-
lohnung der schlecht bezahlten Textil-                40-STUNDEN-WOCHE                          ganisation zum Nachtarbeitsverbot für
arbeiterinnen ein, ebenso für bessere                 Bereits seit Mitte der Fünfzigerjahre     Frauen im Gewerbe61) unterzeichnet,
Arbeitsbedingungen bei Fließband-                     hatten die ÖGB-Frauen die Verkür-         für weibliche Angestellte gab es aber
und Akkordarbeit. Als Abgeordnete –                   zung der Arbeitszeit auf 40 Wochen-       kein Nachtarbeitsverbot. Ein generelles
Wondrack saß ab 1966 im Nationalrat                   stunden verlangt. 1969 endlich war es     Nachtarbeitsverbot – wie es die ÖGB-
– kämpfte sie für die Erhöhung der                    so weit: Zuerst mittels eines General-    Frauen verlangten – wurde schließlich
Witwenpensionen. Der erste Schritt                    kollektivvertrages und in der Folge per   im Juli 1969 vom Parlament mit dem
dazu erfolgte Ende 1969 unter Grete                   Arbeitszeitgesetz wurde die etappen-      Frauennachtarbeitsgesetz beschlossen.
Rehor, eine weitere Anhebung gab es                   weise Herabsetzung der Arbeitszeit auf    Ausnahmen gab es aber von Beginn an
1970/71 durch die Regierung Kreisky.                  40 Stunden beschlossen: Mit Jänner        für Schichtbetriebe und eine Reihe von
In ihrer Funktion als Staatssekretärin                1971 erfolgte die Verkürzung auf 43       Branchen.62)
war Wondrack für die Agenden „Mut-                    Wochenstunden, mit Jänner 1972 auf
ter und Kind“, „Frau und Familie“                     42 Wochenstunden, mit Jahresanfang        BILDUNG: FRAUEN HOLEN AUF
sowie für die „Volksgesundheit“60)                    1975 wurde die 40-Stunden-Woche           Die beste „Ausstattung“ für Mädchen
zuständig. Gertrude Wondrack starb –                  Realität. Eine weitere Forderung der      sei eine gute Ausbildung, betonten die

 1970                                                                                            1971
 Die SPÖ erhält bei der Nationalratswahl am 1. März                                              Die Forderung nach Chancengleichheit in Gesell-
 die relative Mehrheit und bildet unter Bundeskanz-                                              schaft und Beruf steht im Mittelpunkt des
 ler Bruno Kreisky eine Minderheitsregierung.                                                    6. Kongresses der ÖGB-Frauen, der im September
                                                                                                 stattfindet.
                                                                                                 Bei den Nationalratswahlen im Oktober erhält die
                                                                                                 SPÖ die absolute Mehrheit, im November wird das
                                                                                                 Kabinett Kreisky II angelobt.

                                                                     15
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ÖGB-Frauen bereits seit ihrer Grün-                   nenfreifahrt ein. All das führte zu einer
               ZEITZEUGIN: Maria Metzker                 dung 1945.                                            Bildungsexpansion, von der vor allem
                                                         Mit den bildungspolitischen Reformen                  die Mädchen und jungen Frauen profi-
                                                         der Sechziger- und Siebzigerjahre wur-                tierten. Mitte der Siebzigerjahre
                                                         den viele Forderungen der ÖGB-                        besuchten bereits mehr Mädchen als
                                                         Frauen erfüllt – darunter auch die Ver-               Burschen eine allgemeinbildende
                                                         längerung der Schulpflicht auf insge-                 höhere Schule und auch der Zustrom
                                                         samt neun Jahre, wie sie 1966/67                      der Mädchen zu den berufsbildenden
                                                         erfolgte. Die designierte Frauenvorsit-               Schulen und an die Universitäten stieg
                                                         zende Maria Gutberger (spätere Metz-                  beachtlich. Trotzdem blieben auch
                                                         ker) begründete beim 5. ÖGB-Frauen-                   Mitte der Siebzigerjahre fast doppelt so
                                                         kongress 1967 das Eintreten für die                   viele Mädchen wie Burschen überhaupt
                                                         Verlängerung der Schulpflicht folgen-                 ohne weiterführende Ausbildung nach
                                                         dermaßen:                                             der Pflichtschule, nämlich mehr als ein
                                                                                                               Viertel.64) Zur Schaffung der Chancen-
                                                         „Wenn dieses berufsvorbereitende Jahr                 gleichheit für alle Kinder in puncto
   Maria Metzker (geb. Ziegler, verwitwete Gutber-       dazu führt, dass sich immer mehr Mäd-                 Ausbildung forderten die ÖGB-Frauen
   ger) wurde 1916 in Wien geboren. Nach der Han-        chen für eine Berufsausbildung entschei-              die Einführung einer gemeinsamen
   delsschule arbeitete sie mehr als zwanzig Jahre als   den, so wird die ungelernte und deshalb               Schule aller 10- bis 15-Jährigen. Diese
                                                         schlechter bezahlte Dienstnehmerin in                 Forderung kam über Schulversuche
   kaufmännische Angestellte, teilweise in leitender
                                                         den Hintergrund gedrängt.“                            aber nicht hinaus und ist heute wieder
   Position. Von 1948 an war Maria Metzker Betriebs-                                                           aktueller denn je.
   ratsvorsitzende, 1955 wurde sie hauptamtliche         Zusätzlich erfolgte bereits unter der
   GPA-Frauensekretärin. 1959 folgte die Wahl zur        ÖVP-Alleinregierung in der zweiten                    PARTNERSCHAFT STATT DOMINANZ
   Leiterin der GPA-Frauenabteilung.                     Hälfte der Sechzigerjahre der Ausbau                  Im Ehe- und Familienrecht war der
                                                         der Höheren Schulen und der Universi-                 Mann bis Mitte der Siebzigerjahre als
   Nach dem tragischen Tod von Rosa Weber wurde          täten.63) Die SPÖ-Alleinregierung                     „Haupt der Familie“ definiert – die
   Maria Metzker 1967 auf dem 5. Frauenkongress          schaffte Anfang der Siebzigerjahre alle               Frau hatte bei der Eheschließung sei-
   zur ÖGB-Frauenvorsitzenden gewählt. Maria             Studiengelder ab und führte kostenlose                nen Namen anzunehmen, der Mann
   Metzker stand vier Funktionsperioden – bis zu         Schulbücher, Schulfahrbeihilfen und                   bestimmte den Wohnsitz und konnte
   ihrer Pensionierung im Jahr 1983 – an der Spitze      Mitte der Siebzigerjahre die SchülerIn-               der Frau unter anderem auch die
   der ÖGB-Frauen. Im Nationalrat war Maria Metz-
   ker von 1970 bis 1983 Abgeordnete.
                                                                       ZEITBILDER
   Sie war es auch, die als erste Frau die Funktion
   einer Vizepräsidentin des ÖGB innehatte. Bereits
   1967 hatten die Gewerkschafterinnen bei ihrem
   Kongress eine diesbezügliche Statutenänderung
   eingefordert, 1979 wurde sie realisiert.

   Maria Metzker sprach von einem „längst überfäl-
   ligen Schritt“.80) Vier Jahre – bis zum ÖGB-Bundes-
   kongress 1983 – war Maria Metzker ÖGB-Vizeprä-
   sidentin.                                                                                                   ZUSTROM
                                                                                                                Massive Zuwächse gab es bei den weiblichen Ange-
   Bei der Durchsetzung von Interessen ließ sie sich                                                            stellten, während die Zahl der Arbeiterinnen bereits
   von der männlichen Dominanz im ÖGB-Präsidium          FINGERFERTIG                                           1961 ihren Höhepunkt erreicht hatte und danach
   nicht abschrecken. „Das ist keine Frage der Quanti-    In der Industrie wurden Frauen vielfach für Tätig-    zurückging. Trotzdem waren 1974 noch etwas
   tät, sondern der Qualität“, meinte sie selbstbe-       keiten eingesetzt, die besonderer Fingerfertigkeit    mehr Frauen in Arbeiterinnentätigkeiten als in
   wusst.                                                 bedurften.                                            Angestelltenberufen beschäftigt.

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JAHRE   GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
Berufstätigkeit verbieten. Auch bei der
Erziehung der Kinder gab es keine
Gleichberechtigung, sie waren der
väterlichen Gewalt untergeordnet. Für
uneheliche Kinder war ein männlicher
Vormund zu bestimmen.
Die ÖGB-Frauen forderten seit Mitte
der 60er Jahre eine Reform des veral-
teten Familienrechts. Der erste Schritt
dazu erfolgte 1971 mit der Verbesse-
rung der Rechtsstellung alleinerziehen-
der Frauen. Sie konnten ab Juli 1971
selbst Vormund ihres Kindes sein –
allerdings nur auf Antrag – und die
Bemessung der Unterhaltsleistungen
wurde verbessert. Die Gleichberechti-                Die Arbeit an den Maschinen in der Textilfabrik erfordert höchste Konzentration.
gung der EhepartnerInnen ließ weiter
auf sich warten, was von den ÖGB-
Frauen heftig kritisiert wurde. So mein-             ändern, wie soll es dann im wirtschaftli-             STREITTHEMA FRISTENLÖSUNG
te Franziska Fast von der Gewerk-                    chen Bereich gelingen?“                               Heftige Diskussionen zwischen den
schaft Metall-Bergbau-Energie beim                                                                         sozialistischen und den christlichsozi-
Kongress der ÖGB-Frauen 1971:                                                                              alen Gewerkschafterinnen entfachte
                                                     Eine wichtige „Vorarbeit“ zum part-                   die Frage der Fristenregelung. Wäh-
„Meiner Meinung nach dürfte das Grund-               nerschaftlichen Familienrecht, das erst               rend Rednerinnen der sozialistischen
übel der Benachteiligung der Frau im                 in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre              Fraktion wie Kitty Rosenberger von
Recht zu suchen sein, im Recht deshalb,              in Kraft trat, erfolgte im Steuerrecht.               den Gemeindebediensteten beim
weil wir immerhin noch ein sehr altes                Anstelle der Familienbesteuerung, die                 ÖGB-Frauenkongress 1971 die Entkri-
Eherecht haben. Die Frau ist verhalten,              Alleinverdiener begünstigt sowie Fami-                minalisierung der Abtreibung ver-
dem Manne zu folgen; das steht dort                  lien, in denen die Frau bestenfalls                   langten,65) ging den christlichsozialen
einige Male. Dieser Zustand ist unwürdig             „dazuverdient“, gilt in Österreich seit               Gewerkschafterinnen ein derartiger
[...]. Wenn es nicht gelingt, das Gesetz zu          1974 die Individualbesteuerung.                       Antrag zu weit.

                                                     NEUE VORSITZENDE
                                                      Nach dem tragischen Bergunglück von Rosa Weber       AKTION TAGESMÜTTER
                                                      wurde Maria Metzker beim Kongress der ÖGB-            Das Manko an Kinderbetreuungsplätzen versuchten
                                                      Frauen im September 1967 zur neuen Vorsitzenden       die ÖGB-Frauen in Kärnten Anfang der 70er Jahre
BEIM FRAUENKONGRESS 1967                              gewählt. Im Bild das Präsidium der ÖGB-Frauen         gemeinsam mit dem bfi durch die Förderung von
 Mehr Rechte für die berufstätigen Frauen und mehr    nach der Wahl. Von links nach rechts: Grete Rehor,    Tagesmüttern zu lindern. Die Tagesmütter absol-
 Mitbestimmung im ÖGB verlangten die Delegierten      Hedi Immervoll, Maria Metzker, Kitty Rosenberger.     vierten vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Kurs, als
 beim ÖGB-Frauenkongress 1967. Einer der Vizeprä-                                                           Arbeitgeber der Tagesmütter fungierte das bfi.
 sidenten müsse eine Frau sein, forderten sie.

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