JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN - ÖGB
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Inhalt 1945–1954 Aufbau und Frauenarbeit 4 1955–1964 Wirtschafts- und Babyboom 9 1965–1974 Partnerschaft ist das Ziel 14 1975–1984 Das Ende der „Frauenlöhne“ 20 1985–1994 Auf zur Chancengleichheit 26 1995–2005 McJobs und „Wahlfreiheit“ 32 2006–2015 Sozialstaat FAIRbessern 40 Errungenschaften 48 Fußnoten 52 Literaturverzeichnis 55 Impressum:HerausgeberIn: Österreichischer Gewerkschaftsbund, Frauenabteilung,1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1 Autorinnen: Maga Martina Fassler, Maga Isabella Guzi, Maga Sabine Lichtenberger Medieninhaber: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1 Verlagsort: Wien. Herstellungsort: Wien. Layout: Stephanie Guberner, Bildquellen: ÖGB-Fotoarchiv, ÖGB-Frauen, ÖGB-Online, ÖGB-Tirol, Foto Begsteiger, Christina Häusler, Peter Korp, Harald Mannsberger, Gisela Ortner, Petra Spiola, Alexandra Kromus, Thomas Reimer, Michael Mazohl 2 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
Renate Anderl Mag.a Isabella Guzi, BA Vorwort Zu den Beweggründen für die Schaffung einer eigenen Frauenabteilung im Österreichi- schen Gewerkschaftsbund meinte die spätere Frauenvorsitzende Rosa Weber beim ersten Kongress der ÖGB-Frauen: „Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur ein Werk der Arbeiterklasse selbst sein. Wir können mit Fug und Recht dieses Wort abwandeln und können sagen: Die endgültige Befreiung der Frau kann wieder nur ein Werk der Frauen selbst sein! Diesem Ziel dient unsere Arbeit in den Frauenreferaten.“ 70 Jahre sind vergangen, seit unsere Vorkämpferinnen darangingen, Strukturen für die frauenpolitische Arbeit im ÖGB und den Gewerkschaften aufzubauen. Mit Engagement und Hartnäckigkeit ist es den Gewerkschafterinnen seit 1945 gelungen, viele Verbesse- rungen für die Arbeitnehmerinnen zu erreichen. Nicht weniger Ausdauer kostete es die ÖGB-Frauen Fortschritte bei der Mitbestimmung innerhalb der Gewerkschaftsbewe- gung zu erlangen. Auch wenn nur einige wenige Gewerkschafterinnen in der Broschüre namentlich erwähnt werden, ist eines klar: Erreicht haben die verschiedenen Erfolge nicht einzelne Frauen allein, sondern sie kamen zustande, weil es den nötigen Druck vonseiten der Frauen gab und sich viele Funktionärinnen, Mitarbeiterinnen und Mitglieder dafür einsetzten. Wir sind stolz auf unsere Vorkämpferinnen und danken ihnen für ihren Ein- satz! Aufzeigen wollen wir in der Broschüre aber auch die nach wie vor bestehenden Ungleichheiten die wir noch immer bekämpfen. Auch Rückschritte, die vor allem im Kapitel McJobs und „Wahlfreiheit“ zu finden sind, werden dargestellt. Wir lassen uns durch sie nicht entmutigen, im Gegenteil! Maria Metzker, die 16 Jahre an der Spitze der ÖGB-Frauen stand, gab uns für schwierige Zeiten einen Ratschlag mit, den wir gern beherzigen. „Wenn der Wind stärker bläst, müssen wir eben rudern. Und als letztes Wort: gewinnen.“ Renate Anderl Mag.a Isabella Guzi, BA ÖGB-Vizepräsidentin, ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende ÖGB-Bundesfrauensekretärin 3 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
Aufbau und Frauenarbeit „Es ist ein alter gewerkschaftlicher Kostbarkeiten, auf die man ganz dung des überparteilichen Österreichi- Grundsatz, dass der Mensch das Recht besonders aufpassen musste.3) schen Gewerkschaftsbundes. Auch die auf Arbeit haben muss, und wir wollen Gewerkschafterinnen zögerten nicht ZU WENIG ARBEITSPLÄTZE heute hier aussprechen, mit dem Aufbau eigener Strukturen für Der Wiederaufbau der Industrie setzte die Frauenarbeit. Im September 1945 dass dieses Recht auch der Frau erst ab 1948 – mit Hilfe von außen – fand die konstituierende Sitzung der zugebilligt werden muss.“1) ein: Durch den Marshall-Plan flossen Frauensektion statt. Dabei wurden 60 1948, als Wilhelmine Moik beim ersten Österreich zwischen 1948 und 1953 Funktionärinnen – aus den damals Kongress des ÖGB diese Forderung beträchtliche Investitionsmittel zu. Fast noch bestehenden 16 Gewerkschaften aussprach, war das Recht der Frauen die Hälfte des Geldes ging an die Ver- – zur „Frauenarbeit“ vorgeschlagen. auf bezahlte Arbeit gesellschaftlich staatlichte Industrie und die Elektrizi- Schon zuvor, im Juni, hatte das Frauen- alles andere als unumstritten. Wie sehr tätswirtschaft. Ein Teil der Gelder referat im ÖGB seine Arbeit aufge- sich die Bedeutung des Wortes „Frau- wurde zur Preisstützung lebensnot- nommen. Mit der Leitung des Referats enarbeit“ ändern kann, zeigen die wendiger Produkte verwendet. Den- war Wilhelmine Moik, die bereits vor ersten Jahre nach dem Zweiten Welt- noch war die Teuerung bis Anfang der 1934 Sekretärin des Frauenreferats im krieg eindrucksvoll. Fünfzigerjahre eines der größten Pro- Bund Freier Gewerkschaften war, Während des Krieges waren die Frauen bleme. Um die ständigen Preiserhö- betraut worden. zu Tätigkeiten herangezogen worden, hungen einzubremsen und die Löhne Ziel in den eilig einberufenen Frauen- die vormals als Männerarbeit galten. an die Preisentwicklung anzupassen, konferenzen war es, den österreichwei- Auch unmittelbar nach Kriegsende wurden von 1947 bis 1951 fünf Lohn- ten Aufbau der Frauengremien voran- griff man auf Frauen als „vielseitig und Preisabkommen zwischen Arbeit- zutreiben. Bereits 1946 gründeten die verwendbare Arbeitskräfte“2) zurück, geber- und ArbeitnehmerInnen-Ver- Bau- und Holzarbeiter als erste der wie die Bezeichnung „Trümmerfrauen“ bänden abgeschlossen – vor allem den Gewerkschaften ein Frauenreferat, verdeutlicht. Mit der Rückkehr der Preisanstieg konnten die Abkommen gefolgt von der Gewerkschaft Öffent- Männer aus dem Krieg wurden die aber nur unzureichend aufhalten. Erst licher Dienst (1946) und der Gewerk- Frauen zum Teil wieder vom Arbeits- 1951/52 setzte eine Stabilisierung ein, schaft der Metall- und Bergarbeiter markt verdrängt. ab 1953 folgte eine Phase der Hoch- (1947).6) Beim 1. ÖGB-Frauenkongress Dazu kam die äußerst schlechte Ver- konjunktur.4) Die Arbeitslosigkeit blieb im Jahr 1951 gab es in neun Gewerk- sorgungssituation. Lebensmittel waren aber während der gesamten Fünfziger- schaften ein Frauenreferat oder „provi- knapp, bis Ende der Vierzigerjahre war jahre hoch. Frauen waren von der sorische“ Strukturen dafür und in vier ein Teil der Grundnahrungsmittel rati- Arbeitslosigkeit besonders betroffen, Bundesländern ein Frauenreferat oder oniert. Frauenarbeit bedeutete somit 1953 und 1954 lag ihre Arbeitslosen- zumindest eine Frauenreferentin des auch: stundenlanges Anstehen vor den quote über zehn Prozent!5) ÖGB. Geschäften. Auch Kleider und Schuhe waren rar. Ausbessern und Umarbeiten ÖGB-FRAUEN KONSTITUIEREN SICH GLEICHSTELLUNG IST DAS ZIEL von alten Kleidungsstücken gehörten Noch vor der offiziellen Ausrufung der Die selbst gesteckten Ziele der ÖGB- zum Frauenalltag. Die Kleiderkarte Zweiten Republik am 27. April 1945 Frauen sind umfassend. Rosa Weber, wurde 1949 aufgehoben, Textilien und kam es am 15. April im Direktionssaal die als Mitarbeiterin 1949 zu Wilhel- Schuhe blieben aber noch lange Zeit des Wiener Westbahnhofes zur Grün- mine Moik in das ÖGB-Frauenreferat IM ZEITRAFFER: 1945 1948 Im April wird der ÖGB gegründet, die Wiederher- Im Mai findet der erste Kongress des ÖGB statt. In stellung der Republik Österreich wird ausgerufen. einer Resolution fordern die ÖGB-Frauen, dass die Im September konstituiert sich die Frauensektion Frauen zu allen gewerkschaftlichen Funktionen des ÖGB. herangezogen werden. 4 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
1945–1954 1951: Dienstschluss bei der Textilfirma Altmann. Die Frauen verlassen In der ÖGB-Nachschulungswerkstätte für Friseurinnen. die Fabrik – „Feierabend“ ist für sie noch lange nicht: die „Frauenar- beit“ Haushalt wartet. kam, beschrieb die Aufgaben der erkämpfen. So steht es auch in den MITBESTIMMUNG IM ÖGB ÖGB-Frauen beim 1. Frauenkongress „Arbeitsrichtlinien“,8) die die ÖGB- Die geringe Zahl an Frauen unter den im Jahr 1951 mit folgenden Worten: Frauen ab 1954 diskutierten und die sie FunktionärInnen versuchten die ÖGB- beim 2. Frauenkongress im Jahr 1955 Frauen von Beginn an mit einer „Ein großer Mann hat das Wort gesagt: beschlossen.9) Die Schaffung von gezielten Schulung von Frauen zu stei- Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur Gesetzen zum Schutz der erwerbstäti- gern. Bereits in der zweiten Hälfte der ein Werk der Arbeiterklasse selbst sein. gen Frauen, insbesondere der Mütter, Vierzigerjahre führten sie vierwöchige Wir können mit Fug und Recht dieses und von Maßnahmen zur Verringerung Intensivkurse, aber auch achttägige Wort abwandeln und können sagen: Die der Doppelbelastung der Frauen fin- Internatskurse sowie Wochenend- und endgültige Befreiung der Frau kann wie- den sich ebenfalls im Aufgabenkatalog Abendkurse für Frauen aus allen der nur ein Werk der Frauen selbst sein! der Arbeitsrichtlinien. Daneben ist es Gewerkschaften durch. Die erhoffte Diesem Ziel dient unsere Arbeit in den aber ein klares Ziel der ÖGB-Frauen, Steigerung des Frauenanteils unter den Frauenreferaten.“7) durch die Gewinnung weiblicher Mit- FunktionärInnen blieb jedoch aus. glieder die organisatorische Kraft des Die ÖGB-Frauen sehen es als ihre ÖGB zu stärken. Schließlich wird in „Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, Aufgabe an, für die Frauen die Siche- den Arbeitsrichtlinien auch anerkannt, liebe Kolleginnen, dass in unserer ober- rung des Rechts auf Arbeit und ihre dass die Frauenabteilung ein Teil des sten Körperschaft, im Bundesvorstand, Gleichstellung hinsichtlich Aufstiegs- ÖGB ist und dessen Statuten und der 40 Funktionäre umfasst, nur eine Frau möglichkeiten und Bezahlung zu Beschlüsse für sie bindend sind. vertreten ist“, 1951 1953 Ende September findet der erste Kongress der ÖGB- Das von der Internationalen Arbeitsorganisation Frauen statt. Wilhelmine Moik wird beim Frauen- 1951 in Genf beschlossene Übereinkommen, kongress zur Vorsitzenden gewählt. Die ersten Vor- „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ wird vom sitzenden, Erna Fischer (1945 bis 1948) und Amalie österreichischen Parlament ratifiziert. Reiser (1948 bis 1951) waren von einem kleineren Gremium, der Funktionärinnenkonferenz, gewählt worden. 5 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
zog die Mitarbeiterin der Frauenabtei- ten“10) entscheiden, wer den Arbeits- ZEITZEUGIN: Wilhelmine Moik lung, Rosa Weber, beim 2. ÖGB-Frau- platz behalten dürfe, forderten die enkongress im Jahr 1955 Bilanz. Die ÖGB-Frauen. Ihre Forderung verhallte ÖGB-Frauen forderten deshalb eine allerdings in vielen Fällen ungehört. Statutenänderung, die auch beim Bun- So schildert Käthe Kraft von der deskongress des ÖGB 1955 beschlos- Gewerkschaft der Post und Tele- sen wurde (vgl. S. 10). graphenbediensteten beim 1. ÖGB- Frauenkongress den Umgang mit den FRAUENARBEIT – Frauen folgendermaßen: DOPPELVERDIENERTUM? Die Zahl der bei der Wiener Gebiets- „Die Post- und Telegraphenanstalt hat krankenkasse versicherten weiblichen 1945 einen ungeheuren Beamtenapparat Arbeiterinnen und Angestellten stieg übernommen [...]. Das Finanzministeri- von 1939 auf 1944 um 48.000, die Zahl um hat nur einen bestimmten Personal- Als „Frau der ersten Stunde“ kann Wilhelmine Moik der männlichen Beschäftigten sank stand bewilligt. Es musste also das Perso- bezeichnet werden, denn sie war führend am Auf- dagegen um 67.000. Vor allem in die nal reduziert werden. Die Post- und Tele- bau der ÖBG-Frauen beteiligt. Wilhelmine Moik 23) Angestelltenberufe und im öffentli- graphenanstalt schritt zum Abbau, und entstammte einer Ottakringer Arbeiterfamilie. Der chen Dienst gab es während des dieser Abbau ging hauptsächlich auf Krieges eine starke Zuwanderung von Kosten der verheirateten Frauen. Die Ver- Vater war Werkzeugmacher, die Mutter arbeitete in Frauen. Nach dem Krieg wurden die tragsbedienstete, deren Mann eine Heimarbeit als Näherin. Wilhelmine wurde als Frauen – oft unter dem Schlagwort des bestimmte Gehaltsgrenze erreicht hat, viertes von neun Kindern am 26. September 1894 Doppelverdienertums – wieder „abge- wurde gekündigt. [...] Die Frau wurde geboren. Schon als Kind trägt sie als Weißnäherin baut“: 1946 waren bei der Wiener abgebaut – und in einigen Monaten zum Familienunterhalt bei. Mit achtzehn tritt sie in Gebietskrankenkasse um 90.000 wurde der Mann arbeitslos. Auch in die- die Gewerkschaft ein, 1916 wird sie Mitarbeiterin unselbstständig beschäftigte Frauen sem Fall ist es uns nicht mehr gelungen, im Verein der Heimarbeiterinnen. 1921 übersiedelt weniger registriert als zwei Jahre zuvor, eine solche Frau wieder einzustellen. Im sie in die Gewerkschaftskommission als enge Mit- 1947 entsprach der Stand der Frauen Juni 1951 ist allerdings wieder der Fall etwa dem des Jahres 1939. Bei „Abbau- eingetreten, dass die Frau nunmehr nicht arbeiterin von Anna Boschek. 1928 wird Wilhel- maßnahmen“ sollten nichtautomatisch mehr abgebaut wird. Es hat sich bereits mine Moik zur Frauensekretärin im neu gegründe- die Frauen gekündigt werden, man ein Personalmangel breit gemacht [...]. ten Frauenreferat des Bundes Freier Gewerkschaf- müsse nach „sozialen Gesichtspunk- Aber bis jetzt ist es uns nicht gelungen, ten bestellt. 1932 zieht sie für Ottakring in den Gemeinderat ein. Unter dem Dollfuß-Regime und im Nationalsozialismus setzt sie ihr politisches ZEITBILDER Engagement für die Revolutionären Sozialisten trotz mehrmaliger Inhaftierung fort. Nach dem Krieg wird Wilhelmine Moik im Juni 1945 zur Leiterin der (noch provisorischen) Frau- enabteilung berufen und auf dem 1. Frauenkon- gress 1951 zur Vorsitzenden der ÖGB-Frauen gewählt. 1959 übergab sie die Leitung der Frauen- abteilung an ihre Mitarbeiterin Rosa Weber, blieb aber noch bis 1963 Frauenvorsitzende. Wilhelmine Moik war von 1945 bis 1962 auch FACHGRUPPENVEREINIGUNG Nationalratsabgeordnete. Ihr Name ist mit einer Mithilfe der ÖGB-Frauen schlossen sich die Kran- Vielzahl sozialpolitischer Gesetze verbunden, kenpflegerinnen bereits 194619) gewerkschafts- darunter dem Mutterschutz-, Heimarbeits- und übergreifend zu einer Fachgruppenvereinigung NACHKRIEGSELEND zusammen. Im Schwesternheim, das die Fachgrup- Krankenpflegegesetz sowie der Verbesserung der Fahrten aufs Land, um im Tauschhandel beim penvereinigung 1948 in Wien eröffnete, waren Witwenrente. Wilhelmine Moik verstarb im Alter „Hamstern“ Mehl oder Schmalz zu ergattern und Wohnungen und eine Stellenvermittlung für von 75 Jahren im Jänner 1970. Brennholz zu klauben, gehörten zum Frauenalltag Schwestern, die Privatpflege übernahmen, unterge- unmittelbar nach dem Krieg. bracht. 6 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
Mindestlohnschutzgesetz – Regelung auch für Hausgehilfinnen gültig. eine verheiratete Frau wieder einzustel- Erreicht haben die ÖGB-Frauen auch haupt anzuwenden sei, die 48-Stunden- len, außer sie nimmt einen Posten im die bevorzugte Bedienung der berufs- Woche oder die durch eine kriegswirt- Reinigungsdienst an...“11) tätigen Frauen in Lebensmittel- und schaftliche Verordnung 1939 einge- Bedarfsartikelgeschäften sowie in führte 60-Stunden-Woche.14) Die Gewerkschafterinnen konnten in Wäschereien und Putzereien, um ihnen Daraus resultierten lange und unein- solchen Fällen bestenfalls versuchen, nach der Arbeit das stundenlange heitliche Arbeitszeiten. Die ÖGB- die Frauen in die – oft schlechter Anstehen zu ersparen. Als Nachweis Frauen forderten deshalb die Schaf- bezahlten – Frauenberufe „rückzufüh- für die Bevorzugung wurde – unter fung eines österreichischen Arbeitszeit- ren“. Dazu und auch zur Qualifizie- anderem von den Konsumvereinen gesetzes: Es sollte allgemein die rung von Wiedereinsteigerinnen wur- und von der Firma Meinl – die Gewerk- 48-Stunden-Woche, in Betrieben mit den so genannte Nachschulungswerk- schaftslegitimation bzw. von den mehrheitlicher Beschäftigung von stätten12) eingerichtet. Gewerkschaften ausgegebene Berechti- Frauen aber die 44-Stunden-Woche gungsscheine akzeptiert. Als sich die vorsehen. Diese Bestimmung blieb HILFE FÜR DIE BERUFSTÄTIGEN wirtschaftliche Lage stabilisierte, traten allerdings, trotz Verhandlungen dazu Auch jene Frauen, die ihren Arbeits- derartige Aktionen in den Hintergrund. im Parlament15), unerfüllt, so wie für platz behielten, hatten kein leichtes Die ÖGB-Frauen setzten in der Folge längere Zeit überhaupt ein Arbeitszeit- Los. Den Mangel an Nahrungsmitteln auf die „Technisierung“ der Haushalte gesetz. Die ÖGB-Frauen ließen darauf- und die zeitaufwendige Beschaffung durch eine Erleichterung der Anschaf- hin ihre Forderung nach Sonderbe- derselben versuchten die ÖGB-Frauen fung von Haushaltsgeräten. stimmungen für die Frauen fallen und durch zahlreiche Interventionen zu lin- traten ab Mitte der Fünfzigerjahre für ARBEITSZEITVERKÜRZUNG dern. eine Arbeitszeitverkürzung für alle FÜR FRAUEN ArbeitnehmerInnen in Form der „Nach oftmaligen Eingaben gelang es Die Doppelbelastung durch Beruf und 40-Stunden-Woche ein.16) endlich, für die berufstätigen schwange- Haushalt verringern wollten die ÖGB- ren Frauen neben der Mütterkarte die in Frauen durch eine kürzere Arbeitszeit PENSIONSANTRITT MIT 60 Betracht kommende Zusatzkarte durch- für Frauen. Nach dem Krieg war strit- Einige Fortschritte konnten die ÖGB- zusetzen. Für die Hausgehilfinnen wurde tig, welche Arbeitszeitregelung über- Frauen im Bereich der Sozialversiche- die Angestelltenkarte erreicht.“ So heißt rung erzielen. Das Arbeitslosenfürsor- es im Tätigkeitsbericht des Frauenrefe- gegesetz, das eine Geldleistung bei rates anlässlich des 1. ÖGB-Kongresses Arbeitslosigkeit nur für den Fall einer 1948.13) Notlage vorsah, wurde 1949 durch das IM LEHRMÄDCHENHEIM 49 Prozent der Jugendlichen waren laut Volkszäh- lungsergebnis 1951 weiblich, bei den Lehrlingen betrug der Anteil der Mädchen aber nur 23 Prozent. Die ÖGB-Frauen plädierten, die Ausbildung der Mädchen nicht zu vernachlässigen. Lehrstellen für Mädchen waren aber rar. Anfang 1954 waren bei WISSEN IST MACHT den Arbeitsämtern 3.429 Lehrstellen suchende Bereits ab Herbst 1948 gab das ÖGB-Frauenreferat Mädchen gemeldet, aber nur 289 offene Stellen.20) gemeinsam mit dem AK-Frauenreferat die monatli- 1954 wurde einer Forderung der Gewerkschafte- che Broschüre „Frauenarbeit – Frauenrecht“ heraus. rinnen Rechnung getragen und die Förderung der EIN GROSSES FEST Ziel des Blattes war, die Funktionärinnen in den weiblichen Jugend im Jugendeinstellungsgesetz21) 1953 feierte der ÖGB den 60. Jahrestag der Grün- Betrieben und den Gewerkschaften über aktuelle festgeschrieben. Aber erst die günstige Beschäfti- dung der Österreichischen Gewerkschaftskommis- politische Fragen zu informieren und mit den gungslage ab Mitte der Fünfzigerjahre führte dazu, sion. Beim Festumzug rund um den Wiener Ring gesetzlichen Bestimmungen und Änderungen ver- dass die Betriebe vermehrt weibliche Lehrlinge ein- waren die ÖGB-Frauen mit einem eigenen Wagen traut zu machen. 1961 wurde das Blatt eingestellt. stellten. dabei. 7 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
Arbeitslosenversicherungsgesetz er- setzt. Auch verheiratete Frauen erhielten somit bei Arbeitslosigkeit, sofern sie die Versicherungszeiten nachweisen konnten, Arbeitslosengeld. In der Pensionsversicherung erfolgte 1948 die Herabsetzung der Altersgren- ze für Frauen von 65 auf 60 Jahre, seit 1949 erhalten Witwen von Arbeitern auch vor Vollendung ihres 60. Geburts- tages eine Rente.17) HAUSGEHILFINNEN UND HEIMARBEITERINNEN Von Beginn an aktiv waren die ÖGB- Frauen für die Verbesserung der Situa- tion der Hausgehilfinnen und Heimar- In den Büroberufen war die Frauenarbeitslosigkeit besonders hoch. beiterinnen. Beide Berufe galten als typische Frauenberufe mit schlechten Arbeitsbedingungen und geringer Ent- lohnung. Für Hausgehilfinnen (Hauspersonal, Köchinnen, Kindermädchen, etc.) gab es nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Kollektivvertrag, da kein Arbeitgeber- verband als Vertragspartner existierte. Die ÖGB-Frauen erreichten Ende der Vierzigerjahre, dass die Urlaubsbestim- mungen nach dem Arbeiterurlaubsge- setz auf Hausgehilfinnen ausgeweitet wurden, 1951 setzten sie das Mindest- lohnschutzgesetz und damit die Rege- lung von Mindestlöhnen für die Haus- gehilfinnen durch. Das von den ÖGB-Frauen immer wie- Betriebsrätinnen bilden sich in einem Kurs- der geforderte umfassende Hausgehil- der ÖGB-Frauen weiter. ÖGB-Frauen-Plakat aus dem Jahr 1953 finnen-Gesetz scheiterte aber jahrelang am Widerstand der Arbeitgeberseite. FRAUENALLTAG: Ausstattung mit Hausgeräten im Jahr 1951 Erst 1962 gelang die Ablöse des Haus- gehilfengesetzes aus 1920 durch das neue „Hausgehilfen- und Hausange- stelltengesetz“.18) Auch die Verabschie- 68 % Elektrisches Bügeleisen dung des Heimarbeitsgesetzes war mühsam. Die ÖGB-Frauen wurden 17 % Staubsauger deshalb auf einer anderen Ebene tätig: Auf ihre Initiative handelten die 15 % Eiskasten mit Blockeis zuständigen Gewerkschaften bis Anfang der Fünfzigerjahre Jahre 1% Waschmaschine Bestimmungen bezüglich Heimarbeits- löhne in den Kollektivverträgen aus. 1954 wurde schließlich ein Heimarbei- 0,7 % Elektrischer Eiskasten tsgesetz beschlossen, das den Heimar- beiterInnen eine arbeits- und sozial- Ergebnis einer Befragung der ÖGB-Frauen von 600 ArbeitnehmerInnen-Haushalten.22) rechtliche Absicherung brachte. 8 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
1955–1964 Wirtschafts- und Babyboom Der Arbeitskräftemangel hatte zur Folge, dass die Unternehmen verstärkt um weibliche Arbeitskräfte warben. „Die Wirtschaft umwirbt auch die Frauen, VOLLBESCHÄFTIGUNG ERREICHT Begleitet wurde das „Wirtschaftswun- und diese Werbung treibt oft ganz selt- Das durchschnittliche jährliche Wachs- der“ von einer Nachfrage nach langle- same Blüten. [...] Da lesen wir Annoncen, tum der österreichischen Wirtschaftsla- bigeren Konsumgütern: Haushaltsge- in denen es heißt: ‚Komm auf einen ge 1953 bis 1962 bei 6,1 Prozent, räte, Automobile und in den Sechziger- Arbeitsplatz, der dir Freude macht, wo du Anfang der 60er Jahre wurde – bei den jahren Fernsehgeräte hielten Einzug in Schönheit vorfindest, denn die Schönheit Männern – Vollbeschäftigung er- die Haushalte.27) Im Kontext des Auf- überträgt sich auf dich, und welche Frau reicht.25) Trotz einer Verlangsamung schwungs kam es zudem zu einem will nicht schön sein?’ Und wenn Sie mich des Wachstums stieg die Zahl der regelrechten Heirats- und Babyboom, fragen, was das für ein Arbeitsplatz ist: Beschäftigten auch in den Folgejahren der 1963 seinen Höhepunkt fand. Es wird ein Stubenmädchen oder eine rasant an. Zofe für einen gepflegten Haushalt Die Frauen konnten ihren Anteil an STATUTEN FÜR DIE ÖGB-FRAUEN gesucht.“24) der Gesamtbeschäftigung von 33,4 Die Schaffung von Strukturen für die Prozent im Jahr 1953 auf 36,9 Prozent Frauenarbeit verlief in den einzelnen im Jahr 1964 steigern – das bedeutete Gewerkschaften und Landesorganisa- Diese Worte der Frauensekretärin Rosa einen Zuwachs um 233.000 bei den tionen des ÖGB höchst unterschied- Weber beim 4. ÖGB-Frauenkongress weiblichen unselbstständig Beschäf- lich. 1963 beschreiben eindrucksvoll die tigten. Gleichzeitig strömten noch Nicht zuletzt um Druck zu erzeugen Situation zur Zeit des „Wirtschafts- mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt: 56 für einen raschen und einheitlichen wunders“ in den Sechzigerjahren. Auf- Prozent der registrierten Arbeitsuchen- Aufbau von Frauenabteilungen in allen grund des Arbeitskräftemangels war- den des Jahres 1964 waren weiblich;26) Gewerkschaften und Bundesländern, ben die Betriebe verstärkt um weibliche in Absolutzahlen waren dies allerdings beschlossen die ÖGB-Frauen bei Arbeitskräfte. gerade 37.400. ihrem zweiten Kongress im Jahr 1955 9 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
Verlängerung des Mindesturlaubes durch Generalkollektivvertrag. Statuten, die sogenannten Arbeitsricht- linien. Rosa Weber begründete die Beschlussfassung der Arbeitsrichtlinien beim Kongress folgendermaßen: „Wir glauben, dass durch die Arbeitsricht- linien eine Förderung der Frauenarbeit eintreten wird, das heißt, jedes Bundes- land und jede Gewerkschaft, die bisher die Arbeitsrichtlinien noch nicht erfüllt oder nicht mit Leben erfüllt hat, wird sich bemühen, das in Zukunft zu tun.“28) Der zweite Grund, so Weber, sei, dass engagierte Funktionärinnen sich nun auf die Statuten beziehen könnten, Der einsetzende Wohlstand ermöglichte Urlaubsreisen ... wenn sie Gremien für die Frauenarbeit aufbauen wollten. Gremien gefassten Beschlüsse zustän- serung der Mitbestimmung der Frauen Als Organe der ÖGB-Frauen werden dig ist, was von Beginn an zu einer berichtete, gab es den Zwischenruf in den Arbeitsrichtlinien festgelegt:29) besonders engen Zusammenarbeit des „Wenig, aber von Herzen!“, dem dann a) der Frauenkongress als die oberste gewählten Frauenpräsidiums und der auch Rosa Weber zustimmte: „Wenig, und auch zahlenmäßig größte Ent- hauptamtlichen Frauensekretärin aber vom Herzen – das ist wahr!“30) scheidungsinstanz – der Frauenkon- führte. Auf Landesebene sind nach gress tritt alle vier Jahre zusammen und den Statuten Landes-Frauenkonfe- ERFOLGE IN DER FAMILIENPOLITIK wählt unter anderem das Präsidium der renzen und Landes-Frauenausschüsse Den ÖGB-Frauen gelang es in dieser Frauenabteilung; vorgesehen, auf Bezirksebene Bezirks- Dekade, in einem ihrer zentralen The- b) der Bundes-Frauenausschuss, der Frauenkonferenzen und Bezirks-Frau- men Verbesserungen zu erzielen:31) mindestens einmal jährlich durch das enausschüsse. 1957 wurde für Mütter ein sechs- Präsidium der Frauenabteilung einzu- monatiger – unbezahlter – „Karenzur- berufen ist und zwischen den Frauen- MITBESTIMMUNG IM ÖGB laub“ eingeführt. Das noch aus der kongressen für die notwendigen Bera- Mehr Mitsprache im Gewerkschafts- NS-Zeit stammende Mutterschutzge- tungen und Beschlüsse zur Erfüllung bund selbst versuchten die ÖGB-Frau- setz wurde durch ein österreichisches der Frauenarbeit zuständig ist; en ebenfalls über die Statuten zu errei- ersetzt – damit verbunden waren ein c) das Präsidium – es tagt zwischen den chen: Auf ihren Antrag hin wurde verbesserter Kündigungsschutz für Sitzungen des Bundesfrauenausschus- beim ÖGB-Kongress 1955 beschlos- schwangere Arbeitnehmerinnen sowie ses und berät und beschließt die durch- sen, dass die Frauenabteilung mit drei die Ausweitung der Schutzbestim- zuführenden Aktivitäten. Delegierten beim Bundeskongress, mit mungen auf Hausgehilfinnen, Heimar- Das Präsidium besteht aus der ÖGB- drei Delegierten in der Vorständekon- beiterinnen und Migrantinnen. 1960 Frauenvorsitzenden und ihren Stellver- ferenz und mit zwei Delegierten im folgte die Verlängerung der Karenz auf treterinnen sowie der Sekretärin der Bundesvorstand vertreten sein muss – ein Jahr und die Einführung eines Frauenabteilung, die aber nur bera- allerdings in allen drei Gremien mit „Karenzurlaubsgeldes“ aus den Mitteln tende Stimme hat. beratender Stimme. der Arbeitslosenversicherung. Die d) das Frauensekretariat, das für die Als Rosa Weber beim Frauenkongress Höhe der Karenzleistung richtete sich Umsetzung der in den drei höchsten 1955 über diese bevorstehende Verbes- nach dem Familienstand und der Ein- IM ZEITRAFFER: 1955 1957 Am 15. Mai wird der Staatsvertrag unterzeichnet. Im März kommt es zur Gründung der Paritätischen Am 26. Oktober beschließt der Nationalrat das Kommission für Lohn- und Preisfragen.46) Als kurz- Neutralitätsgesetz. Ebenfalls im Oktober findet der fristiges Gremium zur Bekämpfung der Inflation 2. Kongress der ÖGB-Frauen statt, bei dem Wilhel- gedacht, entwickelte sie sich zum Herzstück und mine Moik als Frauenvorsitzende bestätigt wird. Ursprung der Sozialpartnerschaft. 10 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
hatte, wurden im öffentlichen Dienst, bei den Privatangestellten und bei den TextilarbeiterInnen einheitliche Ent- lohnungsschemen eingeführt. In vielen Bereichen bestanden aber weiterhin eigene Frauenlohntabellen. Auch manche Gewerkschafter hatten für die Forderungen der Frauen nach Einführung geschlechtsneutraler Lohntabellen wenig Verständnis, geht aus folgendem Bericht einer Gewerk- schafterin beim 3. ÖGB-Frauenkon- gress 1959 hervor: ... und schuf Arbeitsplätze im Tourismus. „Ich bin im sozialpolitischen Referat des Gewerkschaftsbundes beschäftigt, und kommenssituation. Alleinerzieherinnen Frauen ihre Berufstätigkeit bis zu die- ich habe die Möglichkeit, Einsicht in die und Frauen, die für den Familienunter- sem Zeitpunkt unterbrechen könnten.33) einzelnen Kollektivverträge zu nehmen. halt sorgten, erhielten 100 Prozent des Während dieses Verlangen vom ÖGB- Ich hatte unlängst die Aufgabe, heraus- Arbeitslosengeldes,32) verheiratete Müt- Kongress im Jahr 1959 mitgetragen zusuchen, in welchen Sparten der Wirt- ter die Hälfte. Da aber das Partnerein- wurde, scheiterten Forderungen, denen schaft gleicher Lohn für gleichwertige kommen ab einer bestimmten Höhe die Eigenständigkeit der Mütter Arbeit bereits durchgesetzt ist. Ich musste angerechnet wurde, bekam ein Teil der zugrunde lag, auch an der Ablehnung dabei feststellen, dass in vielen, vielen Mütter auch weiterhin kein oder nur des ÖGB. Beim 4. Frauenkongress im Kollektivverträgen dieser Grundsatz ein reduziertes Karenzgeld. Im Rah- Jahr 1963 verlangten die Gewerkschaf- eigentlich nicht durchgesetzt ist. So muss men dieser Novelle wurde auch eine terinnen in ihrer Resolution die direkte man in den unteren Kategorien, zum Bei- Mütterbeihilfe für Mütter, die drei oder Auszahlung der Mütter- und Familien- spiel bei den Hilfsarbeitern, immer wieder mehr Kinder zu versorgen hatten, ein- beihilfen an die Mütter statt an die sehen: ‚Hilfsarbeiter männlich‘ und ‚Hilfs- geführt sowie eine Säuglingsbeihilfe für Väter. Der Bundeskongress befürchte- arbeiterinnen‘. Ich habe die Gelegenheit das erste Lebensjahr des Kindes. Auch te bei Realisierung der Forderung „zu ergriffen und habe mit Fachgruppense- die Familienbeihilfe wurde erhöht und große Verwaltungsschwierigkeiten“ kretären darüber gesprochen. Ich muss ab 1961 14-mal ausbezahlt, die Schutz- und wies den Antrag dem Bundesvor- sagen, die Kollegen konnten mir nur die frist bei Frühgeburten wurde ausgewei- stand „zur Beratung“ zu. Auskunft geben: ‚Die Arbeit ist doch nicht tet. Die ÖGB-Frauen hatten damit auf ganz die gleiche bei den Männern und bei familienpolitischem Gebiet bis Anfang KAMPF UM GERECHTE den Frauen.‘ Mir ist dies irgendwie ver- der Sechzigerjahre Jahre sehr viel wunderlich erschienen, denn Hilfsarbeit FRAUENEINKOMMEN erreicht. Unerfüllt blieb die Forderung ist ja an und für sich die gleiche Tätigkeit; Nur langsam gelang die Beseitigung es ist eben keine gelernte Arbeit.“34) nach Zahlung einer Mütterzulage bis von Frauenlohngruppen aus den Kol- zum 3. Geburtstag des Kindes, damit lektivverträgen. Nachdem das Parla- ment 1953 das von der Internationalen Ein wichtiger Erfolg im Kampf gegen Arbeitsorganisation beschlossene die Einkommensdiskriminierung war Übereinkommen „Gleicher Lohn für die Streichung der Frauenlohngruppen gleichwertige Arbeit“ unterzeichnet aus dem Kollektivvertrag der Metall 1959 1963 Im September findet der 3. Kongress der ÖGB- Beim 4. Kongress der ÖGB-Frauen im September Frauen unter dem Motto „Im Beruf Recht und 1963 wird die bisherige Frauensekretärin Rosa Schutz. In der Familie Anerkennung und Hilfe“ statt. Weber zur neuen Vorsitzenden gewählt. Wilhelmine Moik kandidiert zum letzten Mal. Weni- ge Tage nach dem Kongress feiert sie ihren 65. Führend am Aufbau der ÖGB-Frauen beteiligt: Geburtstag. Wilhelmine Moik und Rosa Weber. 11 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
Verbesserung des Mutterschutzgesetzes – Karenzurlaub wird erhöht. erzeugenden und verarbeitenden arbeit mehrere Untersuchungsreihen ZEITZEUGIN: Rosa Weber Industrie im Jahr 1962. Ihm ging ein über die körperliche und psychische viertägiger Streik voraus: 150.000 Belastung der Beschäftigten durch. Die MetallarbeiterInnen legten vom 9. bis ÖGB-Frauen konzentrierten sich in 12. Mai 1962 für die Anhebung der der Folge auf die Verbesserung der Löhne und die Abschaffung der Frau- Pausenregelung für Fließbandarbeite- enlohngruppen ihre Arbeit nieder. In rinnen. vielen Branchen galten aber weiterhin eigene, niedrigere Lohntabellen für die TEILERFOLG BEI ARBEITSZEIT Frauen. „Lohngerechtigkeit: Nicht Ein österreichisches Arbeitszeitgesetz genügend!“ lautet deshalb der Titel ließ weiter auf sich warten. Durch eine eines Artikels in der ÖGB/AK-Zeit- Vereinbarung der Sozialpartner kam es schrift „Arbeit und Wirtschaft“35) aus 1959 zur Verkürzung der Arbeitszeit 1962, in dem über eine Resolution des von 48 auf 45 Stunden. Die ÖGB- Mehr als 20 Jahre war Rosa Weber (geb. Hruby) für ÖGB-Bundesfrauenausschusses zur Frauen sahen das als Schritt in die die Gewerkschaftsbewegung aktiv, Vorsitzende der Abschaffung der Frauenlohngruppen richtige Richtung an, urgierten aber ÖGB-Frauen durfte sie nur eine Funktionsperiode berichtet wurde. weiterhin die Schaffung eines Arbeits- zeitgesetzes mit dem Ziel der 40-Stun- sein.47) Die Vorbereitungsarbeiten für den 5. ÖGB- AKKORD- UND FLIESSBANDARBEIT den-Woche.37) Rascher gelang die von Frauenkongress waren beinahe abgeschlossen, als Großes Augenmerk widmeten die den ÖGB-Frauen beim Kongress 1963 Rosa Weber im Juli 1967 bei einem Bergunfall am verlangte Ausweitung des Mindestur- Gewerkschafterinnen der steigenden Großglockner tödlich verunglückte. Arbeitsbelastung durch die zuneh- laubs: Im November 1964 wurde mit- mende Fließband- und Akkordarbeit.36) tels eines Generalkollektivvertrages die Rosa Weber, geboren 1919 in Wien, entstammte Auf Initiative der ÖGB-Frauen erfolgte Ausweitung des Mindesturlaubs auf einer Arbeiterfamilie. Die Wirtschaftskrise und der 1958 die Gründung der Arbeitsge- drei Wochen erreicht.38) Zusammenbruch der Demokratie 1934 – Rosas meinschaft zum Studium von Arbeits- Vater war an den Februarkämpfen beteiligt und belastungen; ihr gehörten neben PENSIONSRECHT MIT wurde inhaftiert – hatten zur Folge, dass Rosa auf GewerkschafterInnen auch ÄrztInnen, SCHÖNHEITSFEHLER den Besuch der Mittelschule verzichten musste. Techniker, VertreterInnen der Sozial- Das Allgemeine Sozialversicherungsge- 15-jährig begann Rosa Weber als Hausgehilfin zu versicherung und der Arbeitsinspekti- setz (ASVG) von 1955 brachte erstmals on an. Die Arbeitsgemeinschaft führte ein einheitliches Sozialversicherungs- arbeiten, 1938 fand sie eine Stelle als Serviererin. bis 1962 in Betrieben mit Fließband- recht für ArbeiterInnen und Angestell- Gleichzeitig besuchte sie die Abendschule, die sie mit der Buchhalterprüfung abschloss; danach war ZEITBILDER Rosa Weber in einem kaufmännischen Beruf tätig.48) Nach Kriegsende war Rosa aktiv am Auf- bau der Sozialistischen Jugend in Floridsdorf betei- ligt und trat 1946 als hauptamtliche Mitarbeiterin in die Jugendabteilung der Gewerkschaft der Pri- vatangestellten ein. 1949 wurde sie Frauensekre- tärin im ÖGB, 1959 in den Nationalrat und 1963 zur Vorsitzenden der ÖGB-Frauen gewählt. Der bezahlte „Karenzurlaub“ und die Ausweitung der Familienbeihilfe waren wesentliche Verbesse- RICHTIG EINKAUFEN rungen für arbeitende Mütter, an denen Rosa Die ÖGB-Frauen sahen es auch als ihre Aufgabe an, Weber mitwirkte.49) Gleichzeitig war Rosa Weber die Frauen als Konsumentinnen zu beraten. Beson- MITGLIEDER GEWINNEN ders Rosa Weber war das ein Anliegen – sie war die auch eine Vorkämpferin für den KonsumentInne- Um Frauen für die Gewerkschaft zu interessieren, erste Vorsitzende des Vereins für Konsumenten- nenschutz – seit der Gründung des Vereins für organisierten die ÖGB-Frauen Koch-, Bastel- und information. Konsumenteninformation 1960/61 war sie dessen Nähkurse. Vor allem in den Bundesländern erfreuten Vorsitzende. sich die Kurse großer Beliebtheit, von 1959 bis 1963 fanden mehr als 1.300 Kurse statt. 12 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
FRAUENALLTAG: Die traute Familie: Klischee und Realität in den 50ern Familienstand von berufstätigen Müttern im Jahr 1958 6% te. Es beinhaltete auch Verbesserungen 6% bei den Leistungen, vor allem im Pen- % % 15 sionsrecht. Rosa Weber dazu beim 4. 16 76 % 71 % Frauenkongress im Jahr 1963: 3% 7% „In der Pensionsversicherung konnten wir Arbeiterinnen Angestellte ebenfalls wesentliche Verbesserungen erzielen. Es sind deren so viele, dass ich sie nur kurz andeuten kann. Für Witwen und Waisen ist es gelungen, einen Hilflosen- zuschuss einzuführen. Es ist gelungen, für verheiratet geschieden Witwen, die sich wieder verheiraten, eine Abfertigung festzulegen (...). Weiters ist es verwitwet ledig gelungen, die Kürzung der Witwenrente Ergebnis einer Befragung der ÖGB-Frauen in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Wien von aufzuheben, die dann zur Anwendung 639 Frauen in 39 Betrieben.45) kam, wenn eine eigene Rente bezogen wurde.“39) 3. ASVG-Novelle 1957 beschlossene zweite Frühpensionsart, die Frühpensi- Frühpension wegen langer Arbeitslo- on wegen langer Versicherungsdauer, Als Verbesserung mit „Schönheitsfeh- sigkeit ermöglichte einen um fünf die mit der 8. ASVG-Novelle 1960 lern“ bezeichnete Weber40) aber beim Jahre früheren Pensionsantritt, wenn in geschaffen wurde, orientierte sich an Kongress die Einführung der Früh- den 13 Monaten vor Pensionsantritt männlichen Erwerbsverläufen: 43) pension, denn die dafür vorgesehenen mindestens zwölf Monate eine Geld- Voraussetzung für die Frühpension Anspruchsvoraussetzungen konnten leistung aus der Arbeitslosenversiche- war in diesem Fall der Nachweis von vom Großteil der Frauen nicht erfüllt rung bezogen wurde.41) 35 Versicherungsjahren. Damit auch werden. Der Grund dafür: Auch das Frauen erhielten bei Arbeitslosigkeit, Frauen die Anspruchsvoraussetzungen ASVG und das darin enthaltene Pensi- wenn der Partner ebenfalls ein Ein- für diese Frühpension erreichen onsrecht hatte und hat das männliche kommen hatte, aber maximal 30 könnten, verlangten die ÖGB-Frauen, Normalarbeitsverhältnis zum Bezugs- Wochen Arbeitslosengeld, Notstands- dass die Zeit des Mutterschutzes und punkt; das heißt, das Pensionsrecht hilfe gab es für sie im Anschluss nicht.42) der Karenz als Ersatzzeit in der Pensi- sichert jene gut ab, die eine durchge- Der Großteil der arbeitslosen älteren onsversicherung angerechnet werde. hende Vollzeitbeschäftigung von der Frauen war dadurch vom Bezug der Diese Forderung wurde erst Anfang Jugend bis ins Alter haben. Die mit der Frühpension ausgeschlossen. Auch die der 70er Jahre erfüllt.44) ABSCHIED Beim Frauenkongress 1963 nehmen die ÖGB- Frauen Abschied von ihrer langjährigen Vorsitzen- ZWEIFACHE BÜRDE den Wilhelmine Moik. Rosa Weber wurde zur neuen Zu Beginn der Sechzigerjahre wurde die Doppelbe- INTERNATIONAL Vorsitzenden. lastung der berufstätigen Frauen durch Job und Von Beginn an waren die ÖGB-Frauen auch inter- Haushalt verstärkt thematisiert – wie hier in einer national vernetzt. Wilhelmine Moik spricht beim Ausgabe der AK/ÖGB-Zeitschrift „Arbeit und Wirt- Frauenausschuss des Internationalen Bundes Freier schaft“ aus dem Jahr 1962. Gewerkschaften 1963 in Wien. 13 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
1965–1974 Partnerschaft ist das Ziel „Wir hoffen nach und nach auf eine echte Frauen unselbstständig beschäftigt.53) war Grete Rehor aus der Gewerkschaft Partnerschaft bei der Versorgung der Massive Zuwächse gab es bei den weib- der Textil-, Bekleidungs- und Lederar- Familie. Wir haben das wiederholt gesagt, lichen Angestellten, während die Zahl beiter, die der Fraktion Christlicher aber man muss es immer wieder erwäh- der Arbeiterinnen bereits 1961 ihren Gewerkschafter (FCG) angehörte und nen, weil es noch zu wenig in das gesell- Höhepunkt erreicht hatte und danach seit dem ersten Kongress der ÖGB- schaftliche Denken eingedrungen ist. zurückging. Trotzdem waren 1974 Frauen im Jahr 1951 stellvertretende Wenn Mann und Frau in gleicher Weise noch etwas mehr Frauen in Arbeite- Frauenvorsitzende war. Rehor war einen Beruf ausüben, so erscheint es uns rinnentätigkeiten als in Angestelltenbe- während der ÖVP-Alleinregierung von nur allzu selbstverständlich, dass Mann rufen beschäftigt.54) Immer häufiger 1966 bis 1970 Sozialministerin und und Frau auch die Verpflichtungen inner- kehrten auch Frauen nach der Geburt damit die erste Frau, die in Österreich halb der Familie teilen.“50) eines Kindes auf den Arbeitsmarkt das Amt einer Ministerin bekleidete. zurück, was auch an der Zunahme der In ihrer Amtszeit erfolgte die Schaf- Diese Worte der Frauenvorsitzenden Teilzeitarbeit ablesbar ist. Während die fung des Arbeitsmarktförderungsge- Maria Metzker beim 6. ÖGB-Frauen- Bundeswirtschaftskammer die Zahl der setzes, das die Grundlage für die aktive kongress im Jahr 1971 zeigen klar den Teilzeitbeschäftigten Mitte der Sech- Arbeitsmarktpolitik bildete, sowie die gesellschaftlichen Wandel, der Ende zigerjahre auf rund 76.00055) schätzte, Verabschiedung des Frauennachtar- der Sechzigerjahre eingesetzt hat. gab es Mitte der Siebzigerjahre bereits beitsgesetzes. Auch eine eigene Frauen- Dass ausschließlich die Frauen für die an die 144.700 unselbstständig Beschäf- abteilung wurde im Sozialministerium Betreuungsarbeit und den Haushalt tigte in Teilzeit – 94 Prozent davon unter Rehor eingerichtet. Die Delegier- zuständig sein sollen, wird nicht länger waren weiblich.56) te Marianne Strauß merkte dazu beim hingenommen. Stattdessen fordern die 6. Frauenkongress im Jahr 1971 an: ÖGB-FRAUEN IN ÖGB-Frauen eine Überwindung der traditionellen Rollenverteilung. FÜHRUNGSPOSITIONEN „Sie hat damit etwas nachgeholt, worauf Bereits beim 5. ÖGB-Frauenkongress die Männer bei ihrer großen Arbeitsbelas- WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG im Jahr 196757) forderten die Gewerk- tung bisher immer vergessen haben.“58) Auf die Rezession 1967/68 folgte bis schafterinnen einstimmig, dass eine/r 1974 der „längste Aufschwung der der VizepräsidentInnen des ÖGB eine Grete Rehor blieb auch als Ministerin Nachkriegszeit“51) Das durchschnitt- Frau sein müsse. Zu diesem Zweck und dann weiter bis 1975 stellvertre- liche reale Wachstum erreichte in dieser sollte die Zahl der VizepräsidentInnen tende Vorsitzende der ÖGB-Frauen. Zeit 5,2 Prozent. Bereits seit Anfang von drei auf vier ausgeweitet werden, Sie verstarb 1987 im 77. Lebensjahr. der Sechzigerjahre herrschte in Öster- schlugen die ÖGB-Frauen vor. Wäh- Nach dem Wechsel von der ÖVP- zur reich Vollbeschäftigung.52) Dem Man- rend diese Forderung unerfüllt blieb SPÖ-Alleinregierung im Jahr 1970 gel an Arbeitskräften wurde durch ein und die ÖGB-Frauen bei ihrem 6. wurde Gertrude Wondrack Staatsse- gezieltes Hereinholen ausländischer Kongress im Jahr 1971 abermals mehr kretärin im Sozialministerium.59) Won- ArbeitnehmerInnen begegnet, ebenso Mitbestimmung in den Spitzengremien drack – von Beruf Näherin – „stammte“ versuchte man inländische Frauen als der Gewerkschaften einforderten, ge- ebenfalls aus der Gewerkschaft der Arbeitskräfte zu mobilisieren. Mit langten erstmals Gewerkschafterinnen Textil-, Bekleidungs- und Lederarbei- Erfolg: 1974 waren erstmals im Jahres- über die politischen Parteien in Füh- ter. Sie war ab 1948 als Fachsekretärin durchschnitt mehr als eine Million rungspositionen. Die Erste von ihnen und in der Folge auch als Frauensekre- IM ZEITRAFFER: 1966 1967 Bei den Nationalratswahlen im März erhält die ÖVP Im September findet der 5. Kongress der ÖGB- die absolute Mehrheit. Unter Bundeskanzler Josef Frauen unter dem Motto „Die berufstätige Frau in Klaus bildet sie im April eine Alleinregierung. unserer Zeit“ statt. Maria Metzker wird zur neuen Frauenvorsitzenden gewählt. 14 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
„Wir fordern Chancengleichheit in Gesellschaft und Beruf“ lautete das Motto beim Frauenkongress 1971. tärin in der Gewerkschaft tätig, ehe sie nach nur neunmonatiger Amtszeit – im ÖGB-Frauen betraf die Regelung der 1964 Bundesfrauensekretärin der SPÖ Juli 1971 im 52. Lebensjahr bei einem Nachtarbeit. Österreich hatte zwar wurde. Als Gewerkschafterin setzte sie Autounfall. schon 1950 das Übereinkommen sich vehement für eine gerechte Ent- Nr. 89 der Internationalen Arbeitsor- lohnung der schlecht bezahlten Textil- 40-STUNDEN-WOCHE ganisation zum Nachtarbeitsverbot für arbeiterinnen ein, ebenso für bessere Bereits seit Mitte der Fünfzigerjahre Frauen im Gewerbe61) unterzeichnet, Arbeitsbedingungen bei Fließband- hatten die ÖGB-Frauen die Verkür- für weibliche Angestellte gab es aber und Akkordarbeit. Als Abgeordnete – zung der Arbeitszeit auf 40 Wochen- kein Nachtarbeitsverbot. Ein generelles Wondrack saß ab 1966 im Nationalrat stunden verlangt. 1969 endlich war es Nachtarbeitsverbot – wie es die ÖGB- – kämpfte sie für die Erhöhung der so weit: Zuerst mittels eines General- Frauen verlangten – wurde schließlich Witwenpensionen. Der erste Schritt kollektivvertrages und in der Folge per im Juli 1969 vom Parlament mit dem dazu erfolgte Ende 1969 unter Grete Arbeitszeitgesetz wurde die etappen- Frauennachtarbeitsgesetz beschlossen. Rehor, eine weitere Anhebung gab es weise Herabsetzung der Arbeitszeit auf Ausnahmen gab es aber von Beginn an 1970/71 durch die Regierung Kreisky. 40 Stunden beschlossen: Mit Jänner für Schichtbetriebe und eine Reihe von In ihrer Funktion als Staatssekretärin 1971 erfolgte die Verkürzung auf 43 Branchen.62) war Wondrack für die Agenden „Mut- Wochenstunden, mit Jänner 1972 auf ter und Kind“, „Frau und Familie“ 42 Wochenstunden, mit Jahresanfang BILDUNG: FRAUEN HOLEN AUF sowie für die „Volksgesundheit“60) 1975 wurde die 40-Stunden-Woche Die beste „Ausstattung“ für Mädchen zuständig. Gertrude Wondrack starb – Realität. Eine weitere Forderung der sei eine gute Ausbildung, betonten die 1970 1971 Die SPÖ erhält bei der Nationalratswahl am 1. März Die Forderung nach Chancengleichheit in Gesell- die relative Mehrheit und bildet unter Bundeskanz- schaft und Beruf steht im Mittelpunkt des ler Bruno Kreisky eine Minderheitsregierung. 6. Kongresses der ÖGB-Frauen, der im September stattfindet. Bei den Nationalratswahlen im Oktober erhält die SPÖ die absolute Mehrheit, im November wird das Kabinett Kreisky II angelobt. 15 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
ÖGB-Frauen bereits seit ihrer Grün- nenfreifahrt ein. All das führte zu einer ZEITZEUGIN: Maria Metzker dung 1945. Bildungsexpansion, von der vor allem Mit den bildungspolitischen Reformen die Mädchen und jungen Frauen profi- der Sechziger- und Siebzigerjahre wur- tierten. Mitte der Siebzigerjahre den viele Forderungen der ÖGB- besuchten bereits mehr Mädchen als Frauen erfüllt – darunter auch die Ver- Burschen eine allgemeinbildende längerung der Schulpflicht auf insge- höhere Schule und auch der Zustrom samt neun Jahre, wie sie 1966/67 der Mädchen zu den berufsbildenden erfolgte. Die designierte Frauenvorsit- Schulen und an die Universitäten stieg zende Maria Gutberger (spätere Metz- beachtlich. Trotzdem blieben auch ker) begründete beim 5. ÖGB-Frauen- Mitte der Siebzigerjahre fast doppelt so kongress 1967 das Eintreten für die viele Mädchen wie Burschen überhaupt Verlängerung der Schulpflicht folgen- ohne weiterführende Ausbildung nach dermaßen: der Pflichtschule, nämlich mehr als ein Viertel.64) Zur Schaffung der Chancen- „Wenn dieses berufsvorbereitende Jahr gleichheit für alle Kinder in puncto Maria Metzker (geb. Ziegler, verwitwete Gutber- dazu führt, dass sich immer mehr Mäd- Ausbildung forderten die ÖGB-Frauen ger) wurde 1916 in Wien geboren. Nach der Han- chen für eine Berufsausbildung entschei- die Einführung einer gemeinsamen delsschule arbeitete sie mehr als zwanzig Jahre als den, so wird die ungelernte und deshalb Schule aller 10- bis 15-Jährigen. Diese schlechter bezahlte Dienstnehmerin in Forderung kam über Schulversuche kaufmännische Angestellte, teilweise in leitender den Hintergrund gedrängt.“ aber nicht hinaus und ist heute wieder Position. Von 1948 an war Maria Metzker Betriebs- aktueller denn je. ratsvorsitzende, 1955 wurde sie hauptamtliche Zusätzlich erfolgte bereits unter der GPA-Frauensekretärin. 1959 folgte die Wahl zur ÖVP-Alleinregierung in der zweiten PARTNERSCHAFT STATT DOMINANZ Leiterin der GPA-Frauenabteilung. Hälfte der Sechzigerjahre der Ausbau Im Ehe- und Familienrecht war der der Höheren Schulen und der Universi- Mann bis Mitte der Siebzigerjahre als Nach dem tragischen Tod von Rosa Weber wurde täten.63) Die SPÖ-Alleinregierung „Haupt der Familie“ definiert – die Maria Metzker 1967 auf dem 5. Frauenkongress schaffte Anfang der Siebzigerjahre alle Frau hatte bei der Eheschließung sei- zur ÖGB-Frauenvorsitzenden gewählt. Maria Studiengelder ab und führte kostenlose nen Namen anzunehmen, der Mann Metzker stand vier Funktionsperioden – bis zu Schulbücher, Schulfahrbeihilfen und bestimmte den Wohnsitz und konnte ihrer Pensionierung im Jahr 1983 – an der Spitze Mitte der Siebzigerjahre die SchülerIn- der Frau unter anderem auch die der ÖGB-Frauen. Im Nationalrat war Maria Metz- ker von 1970 bis 1983 Abgeordnete. ZEITBILDER Sie war es auch, die als erste Frau die Funktion einer Vizepräsidentin des ÖGB innehatte. Bereits 1967 hatten die Gewerkschafterinnen bei ihrem Kongress eine diesbezügliche Statutenänderung eingefordert, 1979 wurde sie realisiert. Maria Metzker sprach von einem „längst überfäl- ligen Schritt“.80) Vier Jahre – bis zum ÖGB-Bundes- kongress 1983 – war Maria Metzker ÖGB-Vizeprä- sidentin. ZUSTROM Massive Zuwächse gab es bei den weiblichen Ange- Bei der Durchsetzung von Interessen ließ sie sich stellten, während die Zahl der Arbeiterinnen bereits von der männlichen Dominanz im ÖGB-Präsidium FINGERFERTIG 1961 ihren Höhepunkt erreicht hatte und danach nicht abschrecken. „Das ist keine Frage der Quanti- In der Industrie wurden Frauen vielfach für Tätig- zurückging. Trotzdem waren 1974 noch etwas tät, sondern der Qualität“, meinte sie selbstbe- keiten eingesetzt, die besonderer Fingerfertigkeit mehr Frauen in Arbeiterinnentätigkeiten als in wusst. bedurften. Angestelltenberufen beschäftigt. 16 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
Berufstätigkeit verbieten. Auch bei der Erziehung der Kinder gab es keine Gleichberechtigung, sie waren der väterlichen Gewalt untergeordnet. Für uneheliche Kinder war ein männlicher Vormund zu bestimmen. Die ÖGB-Frauen forderten seit Mitte der 60er Jahre eine Reform des veral- teten Familienrechts. Der erste Schritt dazu erfolgte 1971 mit der Verbesse- rung der Rechtsstellung alleinerziehen- der Frauen. Sie konnten ab Juli 1971 selbst Vormund ihres Kindes sein – allerdings nur auf Antrag – und die Bemessung der Unterhaltsleistungen wurde verbessert. Die Gleichberechti- Die Arbeit an den Maschinen in der Textilfabrik erfordert höchste Konzentration. gung der EhepartnerInnen ließ weiter auf sich warten, was von den ÖGB- Frauen heftig kritisiert wurde. So mein- ändern, wie soll es dann im wirtschaftli- STREITTHEMA FRISTENLÖSUNG te Franziska Fast von der Gewerk- chen Bereich gelingen?“ Heftige Diskussionen zwischen den schaft Metall-Bergbau-Energie beim sozialistischen und den christlichsozi- Kongress der ÖGB-Frauen 1971: alen Gewerkschafterinnen entfachte Eine wichtige „Vorarbeit“ zum part- die Frage der Fristenregelung. Wäh- „Meiner Meinung nach dürfte das Grund- nerschaftlichen Familienrecht, das erst rend Rednerinnen der sozialistischen übel der Benachteiligung der Frau im in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre Fraktion wie Kitty Rosenberger von Recht zu suchen sein, im Recht deshalb, in Kraft trat, erfolgte im Steuerrecht. den Gemeindebediensteten beim weil wir immerhin noch ein sehr altes Anstelle der Familienbesteuerung, die ÖGB-Frauenkongress 1971 die Entkri- Eherecht haben. Die Frau ist verhalten, Alleinverdiener begünstigt sowie Fami- minalisierung der Abtreibung ver- dem Manne zu folgen; das steht dort lien, in denen die Frau bestenfalls langten,65) ging den christlichsozialen einige Male. Dieser Zustand ist unwürdig „dazuverdient“, gilt in Österreich seit Gewerkschafterinnen ein derartiger [...]. Wenn es nicht gelingt, das Gesetz zu 1974 die Individualbesteuerung. Antrag zu weit. NEUE VORSITZENDE Nach dem tragischen Bergunglück von Rosa Weber AKTION TAGESMÜTTER wurde Maria Metzker beim Kongress der ÖGB- Das Manko an Kinderbetreuungsplätzen versuchten Frauen im September 1967 zur neuen Vorsitzenden die ÖGB-Frauen in Kärnten Anfang der 70er Jahre BEIM FRAUENKONGRESS 1967 gewählt. Im Bild das Präsidium der ÖGB-Frauen gemeinsam mit dem bfi durch die Förderung von Mehr Rechte für die berufstätigen Frauen und mehr nach der Wahl. Von links nach rechts: Grete Rehor, Tagesmüttern zu lindern. Die Tagesmütter absol- Mitbestimmung im ÖGB verlangten die Delegierten Hedi Immervoll, Maria Metzker, Kitty Rosenberger. vierten vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Kurs, als beim ÖGB-Frauenkongress 1967. Einer der Vizeprä- Arbeitgeber der Tagesmütter fungierte das bfi. sidenten müsse eine Frau sein, forderten sie. 17 JAHRE GERECHTIGKEIT FÜR FRAUEN
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