Equality Challenges in Higher Education - Inhaltliche Dokumentation und Schlussfolgerungen aus der "8th European Conference on Gender Equality in ...

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Equality Challenges in Higher Education - Inhaltliche Dokumentation und Schlussfolgerungen aus der "8th European Conference on Gender Equality in ...
Equality Challenges
in Higher Education
Inhaltliche Dokumentation und Schlussfolgerungen
aus der „8th European Conference on
Gender Equality in Higher Education“

Johanna Hofbauer | Angela Wroblewski

                                        www.bmwfw.gv.at
Equality Challenges in Higher Education - Inhaltliche Dokumentation und Schlussfolgerungen aus der "8th European Conference on Gender Equality in ...
IMPRESSUM

Medieninhaber (Verleger):
Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft
1014 Wien | Minoritenplatz 5
Dokumentation im Auftrag des BMWFW – erstellt von Johanna Hofbauer (WU Wien),
Angela Wroblewski (IHS) unter Mitarbeit von Anna Palienko-Friesinger (IHS)
Alle Rechte vorbehalten.
Auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.
Fotos: Technische Universität Wien
Druck: BMWFW
Layout: Nele Steinborn, Wien
Konferenznachlese: gender2014.conf.tuwien.ac.at
Online-Fassung (deutsch/englisch):
www.bmwfw.gv.at – Wissenschaft & Hochschulen – Gender und Diversität
Wien, 2015
Equality Challenges in Higher Education - Inhaltliche Dokumentation und Schlussfolgerungen aus der "8th European Conference on Gender Equality in ...
Equality Challenges in
       Higher Education
           Inhaltliche Dokumentation und
Schlussfolgerungen aus der „8th European
           Conference on Gender Equality
                      in Higher Education“

                  Johanna Hofbauer | Angela Wroblewski
             unter Mitarbeit von Anna Palienko-Friesinger
Equality Challenges in Higher Education - Inhaltliche Dokumentation und Schlussfolgerungen aus der "8th European Conference on Gender Equality in ...
Vorwort

                                                               Das BMWFW richtet seine Gleichstellungsarbeit
                                                               auf europäische und nationale Übereinkünfte
                                                               aus. Dafür gibt es mehrere Gründe: selbst­
                                                               verständlich um die Fairness zwischen den
                                                               Geschlechtern zu befördern, aber auch zur
                                                               ­
                                                               nachhaltigen Qualitätsverbesserung im Hoch-
                                                               schul- und Wissenschaftsbereich und – nicht
                                                               zuletzt – um einen wesentlichen Beitrag für die
                                                               Gesellschaft und Wirtschaft zu liefern. Den ös-
                                                               terreichischen Hochschuleinrichtungen stehen
© Petra Spiola

                                                               gute und wirksame Gleichstellungsinstrumente
                                                               zur Verfügung. So sieht die Wirkungsorientie-
                                                               rung in der Budgetierung auch für den Budget-
                                                               haushalt ein Gleichstellungsziel vor, das die
            Im September 2014 fand die 8. Europäische          Wirkungsmacht für Gleichstellungsmaßnahmen
            Konferenz „Gender Equality in Higher Educa­        sichtbar erhöht.
            tion“ mit großem Erfolg in Wien statt. Über 380    Die Leistungsvereinbarungen mit den Univer­
            Wissenschafterinnen und Wissenschafter sowie       sitäten und Forschungseinrichtungen beinhal-
            Praktikerinnen und Praktiker aus 36 Ländern        ten abgestimmte strategische Vorgaben zur
            und fünf Kontinenten nahmen an der Tagung          Gleichstellung der Geschlechter. Die rechtli-
            teil und tauschten sich unter der Gleichstel-      chen Gleichstellungsbestimmungen im Univer-
            lungsperspektive      zum   europäischen   Hoch-   sitätsgesetz können als wirkungsvoll bezeich-
            schul- und Forschungsraum aus, um dem              net werden, und auch bei den Fachhochschulen
            längerfristigen Ziel der Entwicklung einer ge­
            ­                                                  und Privatuniversitäten wurden nunmehr ge-
            meinsamen europäischen Gleichstellungsstra-        setzliche Bestimmungen zugunsten der Gleich-
            tegie näherzukommen. Es hat sich gezeigt,          stellung eingeführt.
            dass die Zusammenführung wissenschaftlicher
            Befunde und vielfältiger praktischer Erfahrun-     Die aus der Konferenz resultierenden hand-
            gen handlungsorientierte Ergebnisse gewähr-        lungsorientierten Empfehlungen liefern eine
            leistet, die zur Weiterentwicklung hochschulpo-    wertvolle Basis für die Weiterentwicklung einer
            litischer Maßnahmen beitragen.                     gleichstellungsorientierten   österreichischen
            Unter Einbindung nationaler und internationa-      Hochschul- und Forschungslandschaft.
            ler Expertinnen und Experten wurde für diese
            Konferenz ein zukunftsweisendes Thema ge-
            wählt: Building Futures – Equality Challenges
            in Higher Education: Encouraging Theory und
            Practice Dialogues.
            Um die Zukunft geschlechtergerecht gestalten
            zu können sind richtungsweisende Positionie-
            rungen genauso notwendig wie aufeinander
            abgestimmte europäische Strategien zur Wei-
            terentwicklung der Geschlechtergleichstellung.
            Die Europäische Kommission und die Mitglied-       Sektionschef Mag. Elmar Pichl
            staaten sind mit ihrer gelebten Praxis (ERA-­      Leiter der Hochschulsektion
            Ziele, Horizon 2020) auf einem guten Weg           Bundesministerium für Wissenschaft,
            dorthin.                                           Forschung und Wirtschaft

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Equality Challenges in Higher Education - Inhaltliche Dokumentation und Schlussfolgerungen aus der "8th European Conference on Gender Equality in ...
Inhalt

 1   Einleitung                                                   4

 2   Gleichstellung in verändertem Kontext                        7

 3   Governance                                                  10

 4   Forschungsförderung/Research Funding                        12

 5   Gender-Wissen in der Forschung/Gender in Research Content   14

 6   Gender-Didaktik/Gender Didactics                            16

 7   Wissenschaftliches Karrieremodell                           18

 8   Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft                      21

 9   Wissenschaftskultur                                         23

10   Resümee aus der Konferenz                                   26

11   Liste der beteiligten Akteurinnen und Akteure               27

     Internationaler Beirat                                      27

		   Nationaler Beirat                                           27

		   Organisationsteam der Konferenz                             27

		Rapporteurinnen                                                27

12   Literatur                                                   28

                                                                  3
Equality Challenges in Higher Education - Inhaltliche Dokumentation und Schlussfolgerungen aus der "8th European Conference on Gender Equality in ...
1 Einleitung

Die European Conferences on Gender Equality        Im September 2014 fand in Wien die 8th Euro-
in Higher Education versammeln seit 1998 alle      pean Conference on Gender Equality in Higher
zwei bis drei Jahre hunderte von gleichstel-       Education statt. Zentrales Anliegen der Veran-
lungsverantwortlichen Akteurinnen und Akteu-       staltung war ein gestaltungsorientierter Blick
re, Wissenschafterinnen und Wissenschafter,        auf die Zukunft: Building Futures – Equality
Verwaltungsbeamtinnen und -beamte und Re-          Challenges in Higher Education: Encouraging
gierungsbeamtinnen und -beamte aus unter-          Theory and Practice Dialogues. Grundlage hier-
schiedlichen europäischen und außereuropäi-        für war die umfassende Situationsbestimmung
schen Ländern.1 Die Konferenzen schaffen ein       von Gleichstellung in der Wissenschaft, vor
in dieser Form einzigartiges internationales Fo-   dem Hintergrund einer beeindruckenden Ge-
rum für die Diskussion und den Austausch von       schichte von Gleichstellung(-spolitik) – 15 Jah-
Informationen, Erfahrungen und Forschungser-       ren Gender Mainstreaming in Europa und eine
gebnissen aus Universitäten, Hochschulen und       nahezu 20-jährige Geschichte gleichstellungs-
außeruniversitären Forschungseinrichtungen.   2
                                                   politischer Forschung und politischer Ausein­

4
Equality Challenges in Higher Education - Inhaltliche Dokumentation und Schlussfolgerungen aus der "8th European Conference on Gender Equality in ...
andersetzung seit der Weltfrauenkonferenz in        ferenz bezog sich auf verschiedene Ebenen von
Peking. Im Laufe dieser Jahre wurde eine Viel-      Politik – auf die organisationale, nationale so-
zahl von Gleichstellungsmaßnahmen in der            wie europäische Ebene. Dabei stand das Bemü-
Wissenschaft implementiert. Gleichzeitig prägen     hen im Vordergrund, den Dialog zwischen The-
Entwicklungen wie Globalisierung und Gover­         orie und Praxis zu fördern sowie Debatten
nancereformen (New Public Management) die           Raum zu geben, die sich der praktischen Be-
Wissenschaftslandschaft und stellen die Gleich-     deutung theoretischer Diskurse und der theo-
stellungspolitik vor neue Herausforderungen.        retischen Reflexion praktischer Erfahrungen
                                                    von Gleichstellungsakteurinnen und -akteuren
Ziel der Konferenz war es, den Status quo und       an Universitäten, Hochschulen und Forschungs-
aktuelle Erfahrungen mit gleichstellungsorien-      einrichtungen widmen.
tierter Politik in der Wissenschaft zu erheben
und auf dieser Basis einen gestaltungsorien-        Die 8th European Conference on Gender Equa-
tierten Blick in die Zukunft zu richten. Die Kon-   lity in Higher Education fokussierte drei Schlüs-
                                                    selthemen im Zusammenhang mit Gleichstel-
                                                    lung in Wissenschaft und Forschung:

                                                    1. Reduktion der vertikalen und horizontalen
                                                       Segregation (Unterrepräsentanz von
                                                       Frauen in STEM, Integration von Männern
                                                       in frauendominierte Bereiche)
                                                    2. Asymmetrische Geschlechterkultur in
                                                       Organisationen (u.a. Veränderung der
                                                       dominanten Wissenschaftskultur, Verein­
                                                       barkeit von Wissenschaft bzw. Studium
                                                       und privatem Lebenszusammen­hang,
                                                       strukturelle Barrieren für Frauen)
                                                    3. Integration einer Gender-Dimension in
                                                       Lehre und Forschung.

                                                    Die Dokumentation der Konferenz ist wie folgt
                                                    aufgebaut: In Kapitel 2 werden die aktuellen
                                                    zentralen hochschulpolitischen Entwicklungen
                                                    der letzten Jahre skizziert, die gleichzeitig den
                                                    Rahmen für Gleichstellungspolitik darstellen.
                                                    Diese Ausführungen bilden den Hintergrund für
                                                    die folgenden thematischen Kapitel, die zentra-
                                                    le Diskussionen und Ergebnisse der Konferenz
                                                    zusammenfassen. Konkret werden Governance
                                                    und Steuerung (Kapitel 3), Forschungsförde-
                                                    rung (Kapitel 4), die Integration von Gender in
                                                    Forschung und Lehre (Kapitel 5 und 6), Karrie-
                                                    remodelle und Aufstiegsbedingungen sowie die
                                                    Situation von Frauen am Beginn ihrer Karriere
                                                    (Kapitel 7), die Arbeitsbedingungen in Wissen-
                                                    schaft und Forschung (Kapitel 8) und das vor-
                                                    herrschende Wissenschaftsideal      (Kapitel   9)

                                                                                                    5
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thematisiert. Das abschließende Kapitel enthält              Wenn auf ausgewählte Vorträge Bezug genom-
eine Zusammenfassung offener Fragen, die                     men wird, so erfolgt dies in Fußnoten unter An-
mögliche Themen für künftige Konferenzen an-                 gabe der Namen der Autorinnen und Autoren
regen könnten. Es schließt mit einer Diskussion              und des Vortragstitels. Die Abstracts zu den
der zentralen gleichstellungspolitischen Her-                Beiträgen, alle präsentierten Posters und aus-
ausforderungen (Kapitel 10).                                 gewählte Full Papers stehen auf der Konferenz­
                                                             webseite zur Verfügung.3

                     8th European Conference on Gender Equality
                     in Higher Education 2014 im Überblick

                     388 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einem Männeranteil

                      von 11% aus
                      36 Ländern und von
                        5 Kontinenten
                        3 Keynotes
                        2 Podiumsdiskussionen mit 11 Diskutantinnen und

                      Diskutanten
                        4 Poster Sessions mit insgesamt 37 Poster-Präsentationen
                        5 Workshop-Sessions
                      37 Sessions mit 117 Paper-Präsentationen

1 Die bisherigen Konferenzen fanden in Helsinki (1998), Zürich (2000), Genua (2003), Oxford (2005), Berlin (2007),
  Stockholm (2009) und Bergen (2012) statt.
2 Die elektronische Plattform EQ-UNI unterstützt diesen Austausch zwischen den Konferenzen, indem sie über gleich-
  stellungspolitische Aktivitäten, Forschungsergebnisse und einschlägige Konferenzen in Europa und darüber hinaus
  informiert. Bei Interesse schicken Sie bitte eine E-Mail mit dem Text SUBSCRIBE EQ-UNI an majordomo@helsinki.fi.
3 https://gender2014.conf.tuwien.ac.at/programme

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2 Gleichstellung in verändertem Kontext

Die Entwicklung von Gleichstellungspolitik in             Mit dem Vertrag von Lissabon setzt die europä-
der Wissenschaft hängt eng mit dem gesell-                ische Hochschulpolitik eine Entwicklung fort,
schaftlichen Wandel, der Restrukturierung der             die bereits durch vorausgehende Reformpro-
globalen Wissenschaftslandschaft, mit Verän-              jekte angebahnt wurde. So gab bereits die Bo-
derungen der europäischen Wissenschafts- und              logna-Reform zehn Jahre vor Abschluss des
Hochschulpolitik und ihren nationalen Aus­                Lissabon-Vertrags den Anstoß für einen euro-
prägungen zusammen. Der seit längerem be-                 paweiten Standortwettbewerb, im sogenann-
obachtete Wandel     hochentwickelter           Gesell-   ten „Kampf um die besten Köpfe“. Mit der Ver-
schaften in Richtung von Wissensgesellschaften            einheitlichung der Studienarchitektur und auf
hat mit der Unterzeichnung des Vertrags von               Basis einer europaweiten Anerkennung von
Lissabon (2009) an Kontur gewonnen. Hiermit               Studienabschlüssen waren Universitäten und
wurden die politischen Weichenstellungen im               Hochschulen aufgefordert, ihre Standortprofile
Hinblick auf die Bildung eines europäischen               zu schärfen und im Sinne ihrer strategischen
Binnenmarkts für Forschung bzw. eines Euro-               Positionierung auf dem Wissenschafts- und
päischen Forschungsraums (ERA) vorgenom-                  Hochschulmarkt     charakteristische   Alleinstel-
men. Zentrale Anliegen sind die Gewährleis-
     4
                                                          lungsmerkmale zu definieren. Die Umsetzung
tung freier Mobilität für Forscherinnen und               der Reform ließ die Attraktivität und innere
Forscher und der ungehinderte Austausch von               Vielfalt des europäischen Bildungssystems her-
Forschungsergebnissen.      An       oberster    Stelle   vortreten, offenbarte aber zugleich einen gra-
steht die höchstmögliche Ausschöpfung des                 vierenden Ressourcenmangel der Universitäten
Forschungs- und Innovationspotenzials im Hin-             und Hochschulen. Einzelne Staaten gingen in
blick auf die Sicherung der Wettbewerbsfähig-             Folge dazu über, Budget- und Mittelzuteilungen
keit Europas in der Welt.                                 von nationalen Rankingsystemen abhängig zu
                                                          machen. Damit forcierten sie die vieldiskutierte
Die engere Verschränkung ökonomischer und                 Umgestaltung von öffentlichen Bildungseinrich-
wissenschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit schlägt           tungen zu „unternehmerischen Universitäten“
sich auch in der wachsenden Bedeutung inter-              (Clark 1998).
nationaler Rankings nieder.      5
                                      Innerhalb des
Wissenschaftssystems erlangt vor allem das
­                                                         Die Evaluierung von Universitäten und For-
­sogenannte Shanghai-Ranking Bedeutung. Ur-               schungseinrichtungen nach Kriterien der Wirt-
sprünglich diente es der Ermittlung des Stel-             schaftlichkeit steht auch im Zusammenhang
lenwerts von Chinas Universitäten im globalen             mit dem seit den 1980er Jahren wachsenden
Maßstab,6 inzwischen werden dieses und ver-               Rechtfertigungsdruck für öffentliche Ausgaben
gleichbare Rankings für den weltweiten Ver-               (Powell 1997). Dieser beförderte die heute in
gleich von Universitäten und Hochschulen her-             Westeuropa nahezu flächendeckende Im­ple­
angezogen. Die Methoden der Reihung, die auf              mentation des New Public Management an
wenige quantifizierte Qualitätskriterien zurück-          universitären und außeruniversitären Einrich-
                                                          ­
greifen, sind umstritten (Shin et al. 2011).              tungen. Nach dem Vorbild von Wirtschafts­
Dennoch sieht sich die europäische Wissen-                unternehmen werden die Leitungsorgane von
schafts- und Forschungspolitik hiervon heraus-            Hochschulen und Forschungseinrichtungen ge-
gefordert, zumal die europäischen Universi­               stärkt. Mit der Umstellung auf Kontraktmana­
täten und Hochschulen im internationalen                  gement setzt sich, auf Basis metrischer Leis-
Vergleich unterschiedlich gut abschneiden und             tungskennzahlen und Kontrollparameter, das
unter den 100 erstgereihten US-amerikanische              Prinzip der Führung anhand von Zielvorgaben
Institute dominieren.7                                    durch. Die wachsende Formalisierung von Pro-
                                                          zessen   der    Entscheidungsvorbereitung    und
                                                          -findung wird von Befürworterinnen und Befür-

                                                                                                          7
Equality Challenges in Higher Education - Inhaltliche Dokumentation und Schlussfolgerungen aus der "8th European Conference on Gender Equality in ...
wortern als Beitrag zur Transparenzsteigerung        oder Leistung „isoliert“ von sozialen Zuschrei-
verstanden. Kritische Stimmen verweisen auf          bungen bzw. Kontextfaktoren abgelöst, beur-
die anhaltende Informalisierung und macht­           teilt werden. Zweitens, Exzellenz werde durch
politische Steuerung von Entscheidungen und          marktliche Formen der Wissenschaftskonkur-
Ressourcenverteilung.                                renz befördert, in der sich die „besten Köpfe“
                                                     durchsetzen. Geschlechtertheoretische Analy-
Parallel zu den institutionellen Reformen inner-     sen zeigen, dass ein auf Wettbewerb ausge-
halb des Wissenschaftsbetriebs verändern sich        richteter Wissenschaftsbetrieb, dessen Vertre-
die Bedingungen der Wissenschaftsarbeit und          terinnen und Vertreter auf die Häufung von
ihrer Evaluierung. Das Konzept der „Exzellenz“       Exzellenzindikatoren im Lebenslauf fixiert sind,
spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Exzellenz     bestehende Ungleichheiten eher zementiert als
strukturiert als nationale Strategie der Bildungs-   auflöst. Eine Konferenzteilnehmerin brachte
und Forschungspolitik die institutionellen Rah-      dieses Problem mit der Frage „Can excellence
menbedingungen für Wissenschafts-Lauf­
                                     bah­            be gender neutral?“ auf den Punkt. Im Wettbe-
nen. Vordergründig geht es um die kon­sequente       werb um wissenschaftliche Karrierechancen
Umsetzung meritokratischer Prinzipien in der         scheinen jedenfalls Ressourcen ausschlagge-
Wissenschaft, wodurch den tradierten Quali-          bend, die ungleich zwischen den Geschlechtern
tätsstandards des Wissenschaftssystems ent-          verteilt sind, beispielsweise Zeitflexibilität und
sprochen werden soll. Tatsächlich werden zu-         geographische Mobilität. Ein weiteres Problem
gleich neuartige Wertmaßstäbe an das Wis-            ist, dass die Eigenschaften der „idealen Wis-
senschaftssystem herangetragen. Wettbewerb           senschaftspersönlichkeit“ immer noch mit ste-
in der Wissenschaft wird vermehrt im Sinne ei-       reotypen     Männlichkeitsattributen   assoziiert
ner marktwirtschaftlichen Konkurrenz verstan-        werden. Diese beeinflussen Urteile in Peer Re-
den, mit Prinzipien wie: Outputorientierung          view-Prozessen und setzen sich gegen die Ob-
und Zerschlagung von Forschungsergebnissen           jektivierungs- und Standardisierungsmaßnah-
in Least Publishable Units; strategische Publi-      men in der Leistungsbeurteilung durch (EK/EC
kationsplanung (A-Journals) mit forschungs­          2004). Maßnahmen der Formalisierung von Re-
inhaltlicher Nischenbildung und Beurteilung          krutierung bzw. der Objektivierung von Ent-
von wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit nach       scheidungsgrundlagen, die im Zusammenhang
Maßgabe der Höhe von Drittmitteln. Wissen-           mit der Managerialisierung von Universitäten
schaftsforscherinnen und -forscher diagnostizie­     ins Leben gerufen wurden, bleiben damit anfäl-
ren die nachteiligen Wirkungen auf die episte-       lig für sozialen Bias. Der Geschlechterbias ist
mische Kultur (beispielsweise in den Natur-          und bleibt eine zentrale Form dieses Bias.
wissenschaften: Felt, Fochler 2010). Der Exzel-
lenzdiskurs verändert die normative Wissen-          Vor dem Hintergrund der geschilderten Verän-
schaftskultur (Matthies, Zimmermann 2009)            derungen – europäische Wissenschafts- und
und prägt den Idealtyp der wissenschaftlichen        Forschungspolitik, institutionelle Reformen, in-
Persönlichkeit im Sinne eines „unternehme­           direkte Formen der Geschlechterdiskriminie-
rischen Selbst“ (Bröckling 2007), das empi­          rung durch Veränderungen der Wissenschafts-
rischen Analysen zufolge überwiegend Züge            landschaft und Laufbahnbedingungen – lassen
des männlichen Geschlechtshabitus aufweist           sich die Herausforderungen für die Gleichstel-
­(Beaufays, Krais 2005).                             lungspolitik an Universitäten und außeruniver-
                                                     sitären    Forschungseinrichtungen     ermessen.
Kritische Beiträge verweisen ferner auf die          Diese werden auch in den Gleichstellungszielen
mangelnde Reflexivität der zwei zentralen Prä-       der Europäischen Forschungsstrategie (ERA)
missen des Exzellenzdiskurses: Erstens, Exzel-       aufgegriffen. ERA-Zielsetzung ist es, bestehen-
lenz sei messbar und könne als Eigenschaft           de Ungleichgewichte zu Lasten von Frauen ab-

8
zubauen und insbesondere folgende Verände-                Auf EU- wie auch auf nationaler Ebene steigt
rungen zu realisieren:                                    das Problembewusstsein im Hinblick auf Gleich-
• Erhöhung des Frauenanteils in allen                     stellung in Wissenschaft und Forschung. Im
  ­Bereichen und auf allen Hierarchieebenen in            Besonderen wird der „Waste of Talent“ beklagt,
  Wissenschaft und Forschung,                             wenn Frauen sich nicht für STEM-Disziplinen
• Abschaffung von strukturellen Barrieren für             entscheiden oder sie wieder verlassen. Trotz
  Frauen, die einer wissenschaftlichen Karriere           dieses prinzipiellen Bekenntnisses zu Gleich-
  entgegenstehen (inkl. der Erhöhung des                  stellungszielen   verfolgen   Universitäten   und
  Frauenanteils in Entscheidungsgremien),                 Forschungseinrichtungen mit Fokus auf die Si-
• Förderung der Gender-Dimension in allen                 cherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit ein Bündel
  Disziplinen und Bereichen (inkl. außeruni-              an heterogenen Teilzielen. Damit ist die Gefahr
  versitärer/industrieller Forschung),                    verbunden, dass Gleichstellungsziele ins Hin-
• Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf               tertreffen geraten oder nur dann wichtig wer-
  bzw. Studium (Wissenschaft und Forschung)               den, wenn sie eine Lösung für ein anderes Pro-
  mit Betreuungsaufgaben.                                 blem inkludieren (z.B. für den Mangel an
                                                          hochqualifizierten Kräften im technisch-natur-
                                                          wissenschaftlichen Bereich).

4 http://europa.eu/lisbon_treaty/full_text/index_de.htm
5 http://www.eubuero.de/era.htm
6 http://www.shanghairanking.com/aboutarwu.html
7 http://www.shanghairanking.com/ARWU2014.html

                                                                                                          9
3 Governance

Charakteristisch für New Public Management       Macht­interessen steht.9 Weiters wird themati-
(NPM) bzw. den neuen Managerialismus im          siert, dass es schwierig ist, Gender als Quer-
Hochschulsektor ist das Prinzip der Steuerung    schnittsmaterie in Steuerungsinstrumente zu
durch Zielvorgaben. Im Rahmen der Konferenz      integrieren.10 Dennoch wird mit den Restruktu-
werden Erfahrungen mit NPM aus unterschied-      rierungsprozessen an wissenschaftlichen Ein-
lichen Ländern (konkret Frankreich, Deutsch-     richtungen auch eine Chance auf die nachhalti-
land, Österreich, Schweden, UK) und die damit    ge Verankerung von Gleichstellungsstrukturen
verbundenen Auswirkungen auf die Beschäfti-      verbunden.11 Die Herausforderung liegt primär
gungs- und Karrierebedingungen von Frauen        darin, dass Steuerungsinstrumente vor allem
und Männern diskutiert. Durch die zunehmend      auf quantifizierbare Dimensionen abstellen,
an Exzellenzkriterien orientierte Finanzierung   wie z.B. Abschlüsse, Publikationsoutput oder
von Wissenschaft und Forschung wird nicht nur    eingeworbene Drittmittel. Eine Gender-Dimen-
der Wettbewerb verstärkt, sondern auch die       sion kann in dieser Logik zwar über Frauenan-
Dominanz des auf einem impliziten Gender-Bi-     teile einbezogen werden, wodurch jedoch ein
as beruhenden Wissenschaftsideals. Empiri-       mehrdimensionales Gender-Konstrukt nur un-
sche Befunde weisen darauf hin, dass Frauen      zureichend erfasst wird. So bleibt die Berück-
als Folge von NPM- und Exzellenzinitiativen      sichtigung einer Gender-Dimension in der For-
verstärkt von prekären Beschäftigungsbedin-      schung oder der Abbau von strukturellen
gungen betroffen sind.8                          Barrieren für Frauen unbeachtet. Um Gender in
                                                 einem umfassenden Sinn in Steuerungsprozes-
In der Diskussion wird erstens deutlich, dass    sen berücksichtigen zu können, bedürfte es zu-
der neue Managerialismus nicht einheitlich       sätzlicher bzw. anderer Indikatoren, die stärker
implementiert wird, sondern in Abhängigkeit
­                                                auf die Qualität von Forschung und Nachwuchs-
von situativen bzw. organisationsspezifischen    förderung abstellen.12

10
Finanzielle Anreize zur Erreichung von Gleich-                Große Erwartungen werden mit Gender-Budge-
stellungs- oder Frauenförderungszielen und                    ting verbunden. Durch die Implementierung
Sanktionen sind Möglichkeiten, eine Gender-Di-                von Gender-Budgeting soll nicht nur Transpa-
mension in Steuerungsinstrumente zu integrie-                 renz über die Mittelverwendung hergestellt
ren. Diesbezügliche Erfahrungen werden kon­                   werden, es geht auch um den Anstoß für struk-
trovers diskutiert, wobei einerseits das damit                turelle Veränderungen.14 In Zusammenhang
verbundene politische Commitment sich mit                     mit den präsentierten Pilotprojekten werden
Gleichstellungszielen auseinanderzusetzen be-                 die Möglichkeiten dargestellt, neben finanziel-
tont wird. Andererseits wird die eingeschränkte               len Ressourcen auch Raum- und Zeitressour-
Aussagekraft von Gender-Indikatoren proble-                   cen zu berücksichtigen und die sich aus der
matisiert.13                                                  Ressourcenverteilung       ergebenden        Machtun-
                                                              gleichgewichte offenzulegen.

 8 Siehe dazu auch Kapitel 8.
 9 Hofbauer, Johanna; Kreissl, Katharina; Sauer, Birgit; Striedinger, Angelika: Institutional Complexity
   and Careers. Gender Challenges in Austrian Universities
10 Dahmen, Britt: The Power of Gender Equality Players in Times of Changing Universities
   O’Connor, Pat; O’Hagan, Clare: Excellence into Managerialism: Will it Go?
   Vagnoni, Emidia: Gender Diversity and Governance: An Explorative Study of Italian Universities
11 Erbe, Birgit: Gender Mainstreaming in Public Financing of Universities: Central Findings for Germany
   Roski, Melanie: The Modernization of Universities – Effects on the Work of Equal Opportunities
   Commissioners in German Universities
12 Mlakar, Annemarie: The Effects of Gender Equality Management in Higher Education Institutions.
   The Implementation of a Gender & Diversity Controlling at Goethe University Frankfurt am Main
   Wroblewski, Angela: Cultural Change – a Neglected Goal in Equality Policies in Academia?
13 Eckstein, Kirsten: From Gender Reports to Gender Budgeting – On the Way with Meaningful Gender
   Equality Indicators
   Im Zusammenhang mit Bibliometrie:
   Nielsen, Mathias Wullum: Gender Consequences of the Danish Bibliometric Indicator: New Pieces in an
   Old Puzzle
14 Genova, Angela; de Micheli, Barbara: Gender Budgeting: Pilot Experiences to Make Structural Changes
   in Scientific Organizations in Europe

                                                                                                                 11
4 Forschungsförderung/Research Funding

Seit der berühmten Studie von Wennerås und                 sowohl an Frauen wie auch an Männern
Wold (1997) werden in einer Vielzahl von Län-              getestet werden und in der Biologie bleibt
dern Maßnahmen gesetzt, um einen Gender-­                  das Geschlecht von Zellen häufig unberück-
Bias im Zugang zu Forschungsgeldern sichtbar               sichtigt.16
zu machen bzw. zu reduzieren. So wurden
einer­seits Maßnahmen gesetzt, um die Trans-          In    der   Diskussion   wurden   unterschiedliche
parenz in der Mittelvergabe zu erhöhen, um            Herausforderungen für die Verankerung von
                                                      ­
Gender-Bias aufzuzeigen. Zum anderen wur-             Gender-Kriterien in der Forschungsförderung
den Gender-Kriterien in den Prozess der Ver­          angesprochen:
gabe von Forschungsgeldern verankert, die je-         • In einigen technisch-naturwissenschaftlichen
doch unterschiedliche Schwerpunkte und Ver-            Bereichen sind nach wie vor zu wenige
bindlichkeiten aufweisen.    15
                                                       ­Frauen präsent. D.h. auch wenn Gender-­
                                                       Kriterien verankert werden, bleiben diese
Die erwähnten Gender-Kriterien bzw. konkrete           ohne Relevanz, da sich kaum Frauen um
Maßnahmen beziehen sich auf drei Ebenen:               Forschungsgelder bewerben können. Hier gilt
1. Erhöhung der Präsenz von Frauen in Teams.           es Frauenförderung gezielt weiterzu­führen.
     Hier steht das Schließen der Leaky Pipeline      • Festzustellen ist eine gewisse Ambivalenz
     im Vordergrund, d.h. es gilt zu vermeiden,        zwischen spezifischen Gender Calls und dem
     dass Frauen die Wissenschaft verlassen            Anspruch Gender als Querschnittsmaterie in
     oder aufgrund struktureller Barrieren             allen Förderprogrammen zu verankern.
     ­(Gläserne Decke) ihr Potenzial nicht ent­        Aktuell wird die erhöhte Sichtbarkeit von
     falten können.                                    exzellenten Frauen durch spezifische Gender
2. Verankerung von Gleichstellung in For-              Calls als Vorteil gesehen, als langfristiges Ziel
     schungseinrichtungen. Zielsetzung ist es,         wird jedoch ein Mainstreamen von
     über Vorgaben, die an geförderten Institutio-     ­Gender-Kriterien angestrebt.
     nen gemacht werden, Frauenförderung bzw.         • Die Entwicklung eines aussagekräftigen
     Gleichstellungsmaßnahmen in Forschungsin-         Monitorings im Hinblick auf Gender-Bias wird
     stitutionen zu verankern bzw. zu stärken,         als zentrales Steuerungsinstrument definiert
     um das Potenzial von Frauen in der Wissen-        und konkret für Horizon 2020 gefordert.
     schaft umfassend zu nutzen („Waste of             Bestehende Monitoringsysteme fokussieren
     Talent“ verhindern).                              zumeist auf die Partizipation von Frauen in
3. Berücksichtigung der Gender-Dimension in            geförderten Projekten. Dies erscheint jedoch
     allen Forschungsinhalten. Hier geht es um         zu wenig, um die Gender-Dimension in der
     die Zielsetzung, die Berücksichtigung einer       Forschung adäquat berücksichtigen zu
     Gender-Perspektive als Qualitätskriterium         ­können. Angeregt wird daher, verstärkt
     in der Forschungsförderung zu verankern.          darauf zu achten, wem die Fördergelder
     Elizabeth Pollitzer führt in ihrer Keynote als    zu Gute kommen.
     anschauliches Beispiel an, dass in der           • Ansprüche an Forschungsinstitutionen, die
     ­Sicherheitsforschung im Automobilbereich         mit öffentlichen Geldern finanziert werden,
     überwiegend männliche Crash-Test-Dum-             im Hinblick auf Gleichstellung sind deutlicher
     mies verwendet werden. In der Folge               zu transportieren und Erfolge im Hinblick
     ­werden die auf Basis männlicher Körper           auf den Abbau bestehender Geschlechter­
     ent­wickelten Standards als geschlechter­         ungleichgewichte stärker einzufordern.
     indifferente Kategorien herangezogen, die        • Dass die Berücksichtigung der Gender-­
     Spezifika weiblicher Körper bleiben unbe-         Dimension Kennzeichen qualitätsvoller
     rücksichtigt. In der Pharmazie ist es nach        ­Forschung ist, muss klar als Vorgabe an
     wie vor nicht Standard, dass M
                                  ­ edikamente         Antragstellende und Gutachterinnen und

12
Gutachter kommuniziert werden. In Anträgen                 Häufig sind Gender-Kriterien zwar formuliert,
  ist Gender sowohl in den Zielen der For-                   ihre Nicht-Einhaltung bleibt jedoch sanktions-
  schung, im Arbeitsplan als auch in den zu                  los oder ist mehr theoretisch als praktisch mit
  erwartenden Wirkungen zu berücksichtigen.                  Konsequenzen verbunden. Es wird dafür plä-
• Die Berücksichtigung der Gender-Dimension                  diert, auch in Ländern die bislang keine Sank­
  bei der Begutachtung erfordert eine umfas-                 tionen implementiert haben, eine sukzessive
  sende Gender-Expertise von Gutachterinnen                  Erhöhung der Verbindlichkeit von Gender-­
  und Gutachtern. Diese kann jedoch nicht                    Kriterien durch eine stärkere Berücksichtigung
  vorausgesetzt werden. Unklar ist, durch                    in der Begutachtung zu erreichen. Die Strate-
  welche Maßnahmen der Aufbau von jeweils                    gie müsste daher sein, durch den Aufbau von
  fachspezifischer Gender-Expertise am effek-                Gender-Expertise bei Gutachterinnen und Gut-
  tivsten gefördert werden kann.                             achtern und eine stärkere Betonung der Gen-
                                                             der-Dimension als Qualitätskriterium in der
Intensiv und kontrovers diskutiert wurde die                 Forschung, die Berücksichtigung der Gender-
Frage nach Sanktionen im Zusammenhang mit                    Dimension in allen Forschungsvorhaben zu
Gender-Kriterien in der Forschungsförderung.                 ­einer Selbstverständlichkeit zu machen.

15 Konkret vorgestellt wurden die Erfahrungen aus Deutschland, Schweden, Frankreich und den USA sowie
   jene des European Research Council:
   Hartung, Barbara: Evaluation of Gender Research in Lower Saxony
   Jonsson, Inger: Success Rates in Research Funding – Gender and Networking? A Case Study of a Swedish
   Research Council
   Pépin, Anne: The “Défi Genre” (Gender Challenge Program) at CNRS
   Levine, Marci: ADVANCE Grants as Leverage for Culture Change in a Private Mid-Sized, Research Intensive
   American University
   Schiffbänker, Helene; van den Besselaar, Peter: Gendered Dimensions in ERC Grant Selection
16 Pollitzer, Elisabeth: Changing the Meaning of Normal Science

                                                                                                             13
5 Gender-Wissen in der Forschung/
  Gender in Research Content
Wie bereits ausgeführt wird die Berücksichti-        In der Diskussion wird deutlich, dass die Inte­
gung der Gender-Dimension in der Forschung           gration einer Gender-Dimension auf unter-
bzw. im Kontext der Forschungsförderung an-          schiedliche Art erfolgen kann: als „Add-on“,
hand von drei Dimensionen diskutiert:                d.h. als etwas Zusätzliches zum „eigentlichen
1. die Partizipation von Frauen in der kon­          Forschungsvorhaben“ oder durch die Integra­
     kreten Forschung,                               tion von Gender-Expertinnen und Gender-­
2. die Situation im Hinblick auf Gleichstellung      Experten in allen Schritten des Forschungs­
     in der geförderten Institution und              vorhabens.    Praxisberichte   aus    konkreten
3. die Berücksichtigung der Gender- Dimen­sion       Forschungsprojekten, die den zweiten Ansatz
     im jeweiligen Forschungsinhalt. ­Elisabeth      gewählt haben, betonen die Herausforderun-
     Pollitzer formuliert in ihrer Key­note
                                          17
                                               die   gen interdisziplinärer Teamzusammensetzung.
     Berücksichtigung der Gender-­Dimension in       Diese erfordert andere Kooperationsformen
     der Forschung als ein zentrales Qualitäts-      und methodische Ansätze zur Integration der
     merkmal von „guter Forschung“. Wird die         Gender-Dimension.19
     Gender-Dimension nicht berücksichtigt,
     kann den wissenschaft­lichen Qualitäts­         Als wichtigste Voraussetzung für die Qualitäts-
     standards nicht entsprochen werden.       18
                                                     sicherung wissenschaftlicher Forschung durch
                                                     Berücksichtigung der Gender-Dimension, wird
Es wird also primär an die Disziplinen appel-        die verpflichtende Verankerung von Gender
liert, die Standards „guter Wissenschaft“ neu        Studies in allen Curricula tertiärer Bildungsein-
zu formulieren. Die Diskussion macht aber            richtungen bezeichnet. Dies ermöglicht, dass
auch deutlich, dass Appelle an die intrinsische      sich alle Lehrenden und Forschenden mit der
Motivation von Wissenschafterinnen und Wis-          Gender-Dimension in ihrem Forschungsfeld
senschaftern alleine nicht ausreichen werden         auseinandersetzen und die erforderliche inhalt-
und Anreize bzw. Druck sowie Unterstützung           liche und methodische Expertise aufbauen. In
von außen notwendig sind. Damit ist zum einen        diesem Zusammenhang werden konkrete Good
die Forschungsfinanzierung angesprochen, zum         Practice-Beispiele aus dem Bereich der Medi-
anderen die Forschungs- und Hochschulpolitik.        zin, Technik und Landschaftsplanung vorge-
Sie kann durch Gestaltung der Rahmenbedin-           stellt. So werden mehrere Beispiele für die um-
gungen an Forschungsinstitutionen diesen Pro-        fassende Integration einer Gender-Perspektive
zess mitgestalten.                                   in Curricula des Studiums der Medizin präsen-

14
tiert, wie z.B. das Medizinische Curriculum der              arbeiten mit einem Gender-Schwerpunkt; per-
Charité in Berlin, der School of Medicine der                sönliche Betroffenheit in Lehrveranstaltungen
Universität Madrid oder der Medizinischen Uni-               schaffen, z.B. durch Thematisieren des Gender
versität Innsbruck.20 Konkrete Erfahrungen mit               Pay Gap; oder die verpflichtende Verankerung
der Verankerung von Gender Studies in Curri-                 von Gender-Lehrveranstaltungen in Curricula
cula in der Technik und der Landschaftsplanung               (Relevanz der Note für den Studienabschluss).
werden aus Österreich und Deutschland prä-                   In diesem Zusammenhang wird die Frage auf-
sentiert.21                                                  geworfen, wie Universitätslehrende, die sich
                                                             bislang in ihrer Forschungsarbeit nicht mit Gen-
Die aktuelle Situation ist noch weit entfernt von            der-Fragen auseinandergesetzt haben, dabei
diesem Ideal und vielmehr durch vielfältige For-             unterstützt werden können bzw. wie mit deren
men von Widerstand seitens der Forschenden                   Widerstand umgegangen werden kann.
und der Studierenden bzw. von einer ambiva-
lenten Haltung gegenüber dem Thema seitens                   Als generelle Herausforderung wird in diesem
der forschungsfördernden Einrichtungen bzw.                  Zusammenhang die Gefahr einer Re-Stereoty-
der   Forschungsinstitutionen      selbst   geprägt.         pisierung gesehen: Die durchgängige Differen-
Diese Ambivalenz ist charakterisiert durch ein               zierung der Geschlechter führt dazu, dass Frau-
prinzipielles Bekenntnis zur Gleichstellung, das             en und Männer als jeweils homogene Gruppen
jedoch im Widerspruch zum Exzellenzanspruch                  betrachtet bzw. behandelt werden. Weitere Dif-
gesehen wird. Um diese Ambivalenz aufzulösen                 ferenzierungsmerkmale bleiben häufig unbe-
bzw. die Berücksichtigung der Gender-Dimen­                  rücksichtigt (z.B. Alter, ethnischer Hintergrund
sion als Qualitätskriterium zu verankern, bedarf             etc.), was einer Sensibilisierung für Gender-Di-
es intensiver Aufklärungs- und Überzeugungs-                 versity im Wege steht. Es wird daher gefordert,
arbeit, die an konkrete Maßnahmen bei der                    intersektionale Forschungszugänge verstärkt
Finan­
     zierung von Forschungsprojekten bzw.                    zu fördern. Gleichzeitig wird in der Diskussion
-institutionen gekoppelt sein sollte.                        festgestellt, dass Bemühungen, Frauen und
                                                             Männer in ihrer Vielfalt darzustellen, jene femi-
Diskutiert werden unterschiedliche Ansätze,                  nistischen Ansätze konterkarieren, die ein Auf-
um das Interesse von Studierenden zu wecken,                 brechen     binärer   Geschlechterkonstruktionen
wie z.B. ein Gender-Award für Qualifizierungs-               forcieren.22

17 Pollitzer, Elizabeth: Changing the Meaning of Normal Science
18 Siehe dazu auch Kapitel 4.
19 Reidl, Sybille: The Challenges and Potentials of Gendered Innovation Projects: An Interdisciplinary
   Perspective – A Field Report
20 Ludwig, Sabine: A Systematic Approach to Integrate Gender and Sex-related Perspectives and Dimensions
   during the Planning and Implementation Phase of an Outcome-based Medical Curriculum
   López Giménez, Rosario: Integrating of Gender in Medical Education. A Proposal from the School of
   Medicine of the Autonomus University of Madrid (Poster)
   Hochleitner, Margarethe: How to Get Gender into Medical Universities (Poster)
21 Bath, Corinna: Gender Studies for Engineering Students: Disciplinary Cultures and Institutional Settings
   Damyanovic, Doris; Fuchs, Britta: Gender Studies in Planning Processes – Examples from Austria
   Ernst, Waltraud: Shifting Norms of Gender in Higher Education in Science and Engineering
   Hirschler, Petra; Witthöft, Gesa: Gender Studies in Spatial Planning
   Knoll, Bente: Gender Studies at Engineering Faculties in Austria
   Kuhlmann, Dörte: What’s Wrong with the Fountainhead
   Mauss, Baerbel: Gender Studies for STEM Students – GENDER PRO MINT at TU Berlin
22 Siller, Heidi; Hochleitner, Margarethe: Gender in Research: An Example drawn from Research on
   Posttraumatic Stress Disorder

                                                                                                              15
6 Gender-Didaktik/Gender Didactics

Es gibt eine lange Tradition von und viel Erfah-      verhalten zu verändern und den Zugang von
rung mit geschlechtersensibler Didaktik, die          Mädchen in technisch-naturwissenschaftliche
insbesondere darauf abzielt, Mädchen für tech-        Bereiche zu fördern (Lehrpersonen als „Gate-
nisch-mathematische oder naturwissenschaft-           keeper“). Konsens herrscht darüber, dass Lehr-
liche Fächer zu interessieren. Nach wie vor ist       personen Gender-Kompetenz mitbringen müs-
jedoch die Berufs- und Studienwahl geschlech-         sen und diese auch in der Lehrkräfteausbildung
tersegregiert, d.h. trotz einer Vielzahl von Ini-     fest verankert sein soll. Gender-Kompetenz
tiativen und Pilotprojekten zeigen sich kaum          wird dabei als Kombination von Fachexpertise
Veränderungen.                                        (Berücksichtigen der Gender-Dimension im je-
                                                      weiligen Unterrichtsfach), Medienkompetenz
Eine zentrale Ursache für die Reproduktion von        und Reflexionsfähigkeit betrachtet. Insbeson-
geschlechtsspezifisch geprägtem Unterricht in         dere die Fähigkeit, die eigenen Rollenbilder,
der Technik und in den Naturwissenschaften            Haltungen und Verhaltensweisen im Hinblick
wird in der universitären Ausbildung von Lehr-        auf einen möglichen Gender-Bias reflektieren
personen gesehen. Sie werden während ihrer            zu können, wird stark hervorgehoben. Findet
Ausbildung in der akademischen, männlich ge-          diese Reflexion nicht statt, so besteht die Ge-
prägten Wissenschaftskultur sozialisiert und          fahr, dass durch geschlechtersegregierten Un-
reproduzieren diese in ihrem Unterricht.  23
                                               Dies   terricht eine Re-Stereotypisierung von Ge-
passiert unbewusst, da Lehrpersonen ihre ei-          schlecht erfolgt. Diese Reflexionsfähigkeit der
genen Rollenbilder, Haltungen und Normen im           Lehrpersonen sollte mit innovativen Lehrme-
Allgemeinen nicht reflektieren.                       thoden gekoppelt sein, um auch bei Schülerin-
                                                      nen und Schülern Reflexionsfähigkeit aufzu-
In der Diskussion wird die zentrale Rolle von         bauen, wie z.B. Team Teaching oder Arbeit in
Kindergärtnerinnen und -gärtnern sowie Lehr-          Kleingruppen. Diese Ansätze werden konkret
personen in der Schule bzw. in der Lehrkräfte-        im Zusammenhang mit innovativen didakti-
ausbildung hervorgehoben, wenn es darum               schen Konzepten diskutiert.24
geht, geschlechtsspezifisch geprägtes Rollen-

16
Während der Konferenz werden diverse Good                   Reflexion wird jedoch nicht nur für Lehrperso-
Practice-Beispiele von Schulen oder didakti-                nen als wichtig angesehen, auch auf Ebene der
schen Konzepten vorgestellt, die im Hinblick                Institution Schule muss Reflexion stattfinden.
auf ihre Übertragung bzw. Übertragbarkeit in                Angelika Paseka betont in ihrer Keynote28, dass
den Mainstream diskutiert werden. Dazu zäh-                 für eine tatsächliche Veränderung des Unter-
len Pilotprojekte, wie z.B. ein geschlechter­               richts eine Koppelung von Lehrkräfteaus­bildung
sensibel konzipierter Lehrgang für Kommunika-               und Schulentwicklung notwendig ist. Es gilt
tions- und Mediendesign an einer berufs­
                                       -                    nach Argyris und Schön (1996) Reflexionspro-
bildenden Schule in Wien25, das Pilotprojekt                zesse von Lehrpersonen auf individueller Ebe-
fem2map , in dessen Rahmen ein Curriculum
          26
                                                            ne, in denen das eigene Handeln im Unterricht
entwickelt wurde, das verstärkt das Interesse               im Hinblick auf eine Gender-Dimension reflek-
von Frauen für geographische Informationssys-               tiert und mit einer Gleichstellungszielsetzung in
teme wecken soll oder das 2012 an der Univer-               Verbindung gesetzt wird („Second Loop Lear-
sität Köln eingerichtete Zentrum für Gender                 ning“) mit organisationalem Lernen zu verbin-
Studies27. Für die Weiterentwicklung von Pilot-             den, indem Reflexionsräume auf institu­tioneller
projekten wird eine engere Kooperation von                  Ebene geschaffen werden („Deutero Lear-
­innovativen Projekten und Wissenschaft gefor-              ning“). Hier sind nicht nur Schulleitungen ge-
dert, z.B. durch eine stärkere wissenschaftliche            fordert, sondern auch Schulaufsicht und ­Politik,
Begleitung der Umsetzung von Pilotprojekten                 da sie die Rahmenbedingungen für Schulent-
und damit eine Rückbindung an theoretische                  wicklung definieren.
Diskussionen in der wissenschaftlichen Gender­
forschung. Im Zusammenhang mit der Frage                    Ein möglicher Ansatzpunkt zur Koppelung die-
des Transfers erfolgreicher Pilotprojekte in den            ser beiden Ebenen ist die Integration von gen-
Mainstream wird weiters problematisiert, dass               dersensitivem Unterricht in Akkreditierungs-
Pilotprojekte primär vom Engagement von Ein-                verfahren. Ebenso in diese Richtung gehen
zelpersonen oder Institutionen getragen wer-                Vorschläge, die eine Vernetzung bzw. Koopera-
den und stark von der damit verbundenen                     tion unterschiedlicher Akteursgruppen in den
intrinsischen Motivation „leben“. Durch einen               Institutionen anregen, wie z.B. Lehrende, Ziel-
Transfer in den Mainstream geht dieser wichti-              gruppen     der   Lehrangebote,      Gender-Exper­
ge Aspekt verloren. Eine offene Frage in der                tinnen und Gender-Experten sowie Gleichstel-
Diskussion ist, wie mit diesem Problem umge-                lungsbeauftragte.
gangen werden kann.

23 Bartosch, Ilse: STEM Gender Bias in Austria – the Result of a Segregated Educational Schooling System
   and an Exclusive Masculine STEM Culture?
   Günther, Elisabeth Anna: Subtle Modes of Exclusion. Lecturers’ Image of the Ideal STEM Student
24 Jansen-Schulz, Bettina: „Integrative Gendering-Diversity“ - A Strategy for Universities Structures,
   Teaching and Higher Education Didactics
   Mense, Lisa; Wegrzyn, Eva: Frustrating, but Fruitful Frictions
   Mischau, Anina; Langfeldt, Bettina: Gender Competence in Mathematics Teacher Training: Course Concept
   and Experiences
   Schmidt, Angelika; Bendl, Regine; Heinrich, Monika: Constructivist Didactics, Gender and Diversity and
   Complexity Management: What Gender and Diversity Oriented Didactics do we Need to Increase the
   Employability and Qualifications of Business Studies’ Bachelor Graduates in Austria?
25 Ettl, Maria: Gender Mainstreaming as Instrument of School Development - Reflections on a Long-standing
   Practise at the Herta Firnberg Schools for Business and Tourism (HFS) Using the Example „Computer
   Science Management“
26 Lin, Yuwei; Schmidt, Manuela: A Gender-informed Curriculum for Teaching Volunteered Geographic
   Information (Poster)
27 Schulz, Dirk: Demanding and in Demand: A Centre for Gender and Queer Studies and Its Consequences
28 Paseka, Angelika: Bringing Gender into the Mainstream of Schools: On Crises, Learning Individuals and
   Learning Organizations

                                                                                                            17
7 Wissenschaftliches Karrieremodell

In den Debatten zur Steigerung der Wettbe-           denn trotz Formalisierung der Auswahlverfah-
werbsfähigkeit Europas bzw. nationaler Ökono-        ren spielen bei der Besetzung der privilegier-
mien wird regelmäßig von der Notwendigkeit           testen Stellen der Wissenschaftskarriere Fra-
gesprochen, die Humanressourcen möglichst            gen der „Passfähigkeit“ (Zimmermann 2000)
breit auszuschöpfen bzw. die Potenziale eines        eine Rolle. Im Vergleich zum Habil-Modell ist
Landes umfassend einzubeziehen. Diese Forde-         die Pyramide des anglo-amerikanischen Tenu-
rung unterstützt das Anliegen der Geschlech-         re-Modells weniger steil konstruiert. Bereits ab
tergleichstellung. Mitunter wird Gleichstellung      Post-Doc-Ebene sind Positionen vorgesehen,
explizit als eine unverzichtbare Maßnahme der        die Merkmale einer vollwertigen wissenschaftli-
Erweiterung der Humankapitalressourcen in            chen Karriere beinhalten: unabhängige Lehre
der Wissenschaft angeführt. Trotz dieser ver-        und Dauerbeschäftigung für Senior Resear-
balen Bekräftigung von Gleichstellungspolitik        chers bzw. Senior Lecturers (vgl. Pechar 2005
klafft weiterhin eine deutliche Lücke zwischen       und Kreckel 2008).
Gleichstellungszielen und der Realität. So sind
Frauen in den STEM-Fächern auch unter den            Unabhängig von der Gestaltung des wissen-
Studierenden noch immer stark unterrepräsen-         schaftlichen Karrieremodells – Habil- oder
tiert. In Disziplinen, in denen weibliche Studie-    Tenure-Modell –, zeigen sich für Frauen spezifi-
rende zahlenmäßig gleichgezogen bzw. männ­           sche Formen des Ausschlusses. Mechanismen
liche   Studierende    längst    überholt   haben,   der Fremdausschließung schlagen in Selbstaus-
erfahren Frauen Nachteile beim Berufseinstieg        schließung um, wenn sich Frauen in Erwartung
und im weiteren Karriereverlauf. Weibliche           der Benachteiligung und mangels überzeugen-
Nachwuchskräfte brechen signifikant häufiger         der Signale institutioneller Gegensteuerung
wissenschaftliche Laufbahnen ab bzw. scheiden        (glaubwürdige Gleichstellungspolitik quer durch
frühzeitig aus der Wissenschaft aus (Leaky           die Institution, klares Bekenntnis der Leitung
­Pipeline).                                          etc.) freiwillig zurückziehen bzw. aus der Wis-
                                                     senschaft ausscheiden.29 Den Zusammenhang
In der Literatur werden diese Phänomene mit          zwischen Strukturen der Benachteiligung und
Bezug auf Mechanismen der Fremd- und                 individueller Antizipation von Scheitern, die zur
Selbstausschließung erklärt. Daneben werden          Selbstausschließung führen, hat beispielsweise
die charakteristischen Selektionsformen wis-         die Keynote von Loukas Balafoutas eindrücklich
senschaftlicher Karrieremodelle zur Erklärung        gezeigt. Balafoutas‘ Forschung weist auch
herangezogen. Diese Modelle lassen sich an           nach, dass Quotenregelungen wissenschaft­
zwei Beispielen darstellen, am „Habil-Modell“        liche Produktivität nicht einschränken, sondern
(im deutschsprachigen Raum und Nachbarlän-           vielmehr geeignet sind, weiblichen Brain Drain
dern verbreitet, wie Frankreich und Tschechi-        zu verhindern. Quotenregelungen fördern die
en) und am „Tenure-Modell“ (charakteristisch         Bereitschaft von Frauen, verstärkt in Konkur-
für den anglosächsischen Raum; vgl. Kreckel          renzsituationen einzusteigen. Damit nimmt die
2008). Das Habil-Modell entspricht seiner Form       Wahrscheinlichkeit für weibliche Stellenbeset-
nach der geometrischen Figur der Pyramide,           zungen zu, zugleich wird ein Beitrag zur Quali-
mit einer breiten Basis und einer sehr schmalen      tätssicherung in der Wissenschaft geleistet.30
Spitze. Der Zugang zur Spitze bzw. Professur
setzt neben dem akademischen Qualifikations-         Charakteristisch für das Tenure-Modell ist die
verfahren der Habilitation das erfolgreiche Pas-     Segregation zwischen Positionen mit geringer
sieren eines Berufungsverfahrens voraus, eines       und hoher Lehrbelastung. Da Lecturer-Positio-
mehrstufigen       Selektionsverfahrens      durch   nen höhere Vereinbarkeitsmöglichkeiten bie-
Peers. Dieses Verfahren ist hochanfällig für         ten, landen Frauen häufiger auf diesem Karri-
Prozesse      geschlechtlicher   Diskriminierung,    erepfad. Von hier aus schaffen sie aber kaum

18
den Sprung zurück in die Wissenschaftskarrie-         nen Fragen der Exzellenzfeststellung in Per­
re. Die Tendenz zur Geschlechtersegregation           sonalauswahlverfahren, die Rolle von Gate-
setzt sich im Zuge der Managerialisierung von         keepern   und    Netzwerken    für   die   wissen-
Universitäten fort. So entstehen attraktive Tä-       schaftliche   Karriere,   geschlechtsspezifisches
tigkeitsfelder in den neuen Bereichen der Ver-        Mobilitätsverhalten sowie die Situation von
waltung. Im Rahmen der Konferenz präsentier-          Nachwuchswissenschafterinnen und -wissen-
te     Erfahrungen    aus    Großbritannien     und   schaftern beim Berufseinstieg diskutiert (s.u.).
Schweden zeigen jedoch, dass die Übernahme
von Aufgaben in administrativen und Manage-           Die Einbindung in einschlägige Netzwerke ist
mentbereichen nachteilig für die Entwicklung          nach wie vor ein Prüfstein der Wissenschafts-
von Wissenschaftskarrieren sind.31                    karriere. Verschiedene Tagungsbeiträge beton-
                                                      ten, dass Frauen benachteiligt sind, weil sie mit
In den Berufungsprozessen des Habil-Modells           den Spielregeln des Networking weniger ver-
wie auch in Tenure-Prozessen werden Leis-             traut sind bzw. vertraut gemacht werden.32
tungskennziffern herangezogen, die vermeint-
lich   objektiv   feststellbare    Erfolge   messen   In der Diskussion wird immer wieder proble-
(Publikationsoutput,
­                           Höhe    eingeworbener     matisiert, dass in manchen Disziplinen wie den
Drittmittel). Tatsächlich beruhen diese Leistun-      Naturwissenschaften internationale Mobilität
gen aber auf ungleichen Bedingungen, wie zum          bzw. Mobilitätsbereitschaft zur Voraussetzung
Beispiel den Frauen und Männern ungleich zu-          wissenschaftlicher Qualifizierung gemacht wird,
gänglichen    Förderbeziehungen        und    Gate-   was im Zusammenhang mit unsicheren Lauf-
keeper-Kontakten in der Scientific Community          bahnperspektiven eine hohe Risikoneigung ver-
(s.u.). Vor diesem Hintergrund wurden zum ei-         langt bzw. eine belastungsfähige soziale Infra-

                                                                                                      19
struktur voraussetzt.33 Darüber hinaus werden                 programmen        geschaffen.     Verschiedene        Ta­
im Rahmen des Workshops „Academics without                    gungs­­
                                                                   beiträge verweisen in diesem Zusam-
Borders?“ Motive für Auslandsaufenthalte so-                  menhang auf die Probleme einer in vielen Dis-
wie Mobilitätshindernisse von Wissenschaf­                    ziplinen nach wie vor, bzw. mehr denn je, herr-
terinnen diskutiert. Dabei werden einerseits                  schenden        androzentrischen      Arbeitskultur.35
Mobilitätsbereitschaft des Partners bzw. der                  Auch wird beobachtet, dass (exzellente) weibli-
Partnerin, Unterstützung bei der Kinderbetreu-                che Nachwuchskräfte weniger gefördert bzw.
ung sowie Sprachkenntnisse als zentrale Her-                  weniger gut betreut werden36.
ausforderungen thematisiert. Andererseits wird
auf disziplinäre Unterschiede hingewiesen und                 Im Rahmen der Konferenz werden einerseits
die Frage aufgeworfen, wie sich internationale                eine Reihe von Good Practice-Beispielen vorge-
Erfahrung in den verschiedenen Disziplinen auf                stellt, wie ein Gender-Bias in Personalauswahl-
die Karriere auswirken. Die genannten Anfor-                  verfahren reflektiert und vermieden werden
derungen für eine wissenschaftliche Karriere                  kann. Im Zentrum stehen dabei Ansätze, die
prägen insbesondere die Situation von Berufs­                 darauf abzielen, subtile und häufig nicht inten-
einsteigerinnen und -einsteigern. Zentrale Be-                dierte diskriminierende Praktiken sichtbar zu
deutung kommt in diesem Zusammenhang der                      machen und Alternativen zu entwickeln. Zum
Vorbildwirkung von Betreuerinnen und Betreu-                  anderen     werden     unterschiedliche      Karriere­
ern bzw. Vorgesetzten zu und ihrer Funktion als               förderprogramme für Frauen vorgestellt und
Mentorinnen und Mentoren bzw. Gatekeeper.34                   deren Effekte auf individueller Ebene sowie de-
Eine Möglichkeit der institutionellen Regelung                ren Beitrag zu strukturellen Veränderungen
bzw. Qualitätssicherung von Betreuungs­
                                      ver­                    diskutiert.37
hält­
    nissen wird im Rahmen von Dok­
                                 torats­

29 Winter, Kate Quinn: Exploring the Role of Gender in the Experiences, Perceptions, and Career Intentions
   of Future Medical Faculty
30 Balafoutas, Loukas: Using Experiments to Evaluate Affirmative Action Policies
31 Berg, Elisabeth; Barry, Jim; Chandler, John: Gender and Management in Academe: „Open Highways,
   Blind Alleys and Dangerous Bends“
32 Unter anderem: Kegen, Nadine: Cohesive Subgroups in Academic Networks: Unveiling Clique Integration
   of Female and Male Top-level Researchers
33 Bönisch-Brednich, Brigitte: Gendered Mobility: The Twists and Turns of Academic Migration
34 de Vries, Jennifer: Chasing our Tails: First Mentoring, Now Sponsorship, What Next?
   Kahlert, Heike: The Attractiveness of an Academic Curriculum Vitae or: Gatekeepers as Agents of Stability and/
   or Change in the Organizational Culture of Academia
   Scheich, Elvira: Diversity in the Cultures of Physics. A European Summer School Project for Women Physicists
   Schraudner, Martina; Trübswetter, Angelika: How Scenarios and Role Models Can Foster Scientific Careers –
   A Cross-national Perspective
35 Siehe dazu auch Kapitel 9.
36 Haas, Marita: Caught between Restrictions and Freedom at a Technical University – The Case of Sonja B.
   Horwath, Ilona; Kronberger, Nicole: Impact of Social Discomfort and Academic Self-doubt at High Performance
   Levels
   Oberkrome, Sara: Gender Inequality during the Doctoral Phase – The Influence of Bourdieu’s Capital Forms
   Wejwar, Petra; Grabher, Angelika: Gendered Study Paths. Perspectives on the Selectivity of Higher Education
   Aspirations
37 Yva Fältholm: Gender Aware Recruitment and Promotion Practices at Luleå University of Technology
   Müller, Frauke: Promoting the Academic Career of Female Researchers and Clinicians at the University of
   Geneva Medical Faculty
   Steinweg, Nina: Obstacles to the Recruitment of Female Scientists for Leadership Positions? Theory and Reality
   of Recruiting or Recruiting Policies Aimed at Increasing the Number of Female Scientists in Non-university
   Research Institutions in Germany

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