BERICHT der Medienanstalten - der Bayerischen ...

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BERICHT der Medienanstalten - der Bayerischen ...
VIELFALTS-
BERICHT
der Medienanstalten

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BERICHT der Medienanstalten - der Bayerischen ...
Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Publikation in der Regel
das generische Maskulinum verwendet. Die Angaben beziehen sich immer
auf Angehörige aller Geschlechter.

Herausgeber
die medienanstalten – ALM GbR
Friedrichstraße 60
10117 Berlin

Tel: + 49 30 206 46 90 0
Fax: + 49 30 206 46 90 99

E-Mail: info@die-medienanstalten.de
Website: www.die-medienanstalten.de

Verantwortlich
Dr. Wolfgang Kreißig – Vorsitzender der Direktorenkonferenz
der Landesmedienanstalten (DLM)

Projektleitung und Redaktion
Dagmar Grigoleit, Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM)

Copyright © 2020 by
die medienanstalten – ALM GbR

Stand: Oktober 2020
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 978-3-948350-04-8

Design, Bildkonzept, Illustrationen und Satz
Rosendahl Borngräber GmbH
Website: www.rosendahl-berlin.de

Bildnachweise:
Illustrationen: © Rosendahl Borngräber GmbH
Fotos: Cover, Victor Garcia, Unsplash
S. 6, Fotos Prof. Dr. Uwe Hasebrink und Dr. Sascha Hölig:
Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI)
S. 6, Foto Dr. Wolfgang Kreißig: David Matthiessen Fotografie/LFK
S. 6, Foto Dr. Kristian Kunow: Falk Weiß/mabb
S. 6, Foto Bettina Pregel: Gabriele Hartmann/BLM
S. 6, Foto Dr. Tobias Schmid: Landesanstalt für Medien NRW
S. 6, Foto Siegfried Schneider: Helmuth Seisenberger/BLM
S. 6, Foto Eva Spittka: privat
S. 6, Foto Dr. Anja Zimmer: Falk Weiß/mabb
S. 20, Jarrod Reed, Unsplash
S. 27, Fotos Daniela Beaujean und Frank Giersberg: Vincent Mosch/VAUNET
S. 58, Anna Sullivan, Unsplash
S. 63, Foto Prof. Dr. Thorsten Quandt: privat
S. 82, Martin Woortmani, Unsplash

Druck
PIEREG Druckcenter Berlin GmbH
BERICHT der Medienanstalten - der Bayerischen ...
Vielfaltsbericht 2020
der Medienanstalten
herausgegeben von
ALM GbR
BERICHT der Medienanstalten - der Bayerischen ...
Vorwort
Medienvielfalt und Verantwortung im Wandel

                            Dr. Wolfgang Kreißig
                            Vorsitzender der Kommission für
                            Zulassung und Aufsicht (ZAK)
                            und der Direktorenkonferenz der
                            Landesmedienanstalten (DLM)

Medienvielfalt ist für das Funktionieren einer                Marktakteure adressiert, die mit den ihnen eige-
­Demokratie fundamental. Medien versorgen die                 nen Funktionalitäten neben linearen Medienan-
 Bevölkerung mit verlässlichen Informationen.                 geboten einen erheblichen Einfluss auf die Mei-
 Ohne gut recherchierte Informationen und ver-                nungsvielfalt ausüben.
 lässliche Fakten gibt es keine objektive Debatte
 und damit auch keine demokratische Meinungs-                 Der im dritten Jahr erscheinende Vielfaltsbericht
 bildung. Indem Medien das gesellschaftliche                  enthält die aktuellen Ergebnisse der Medienge-
 ­Geschehen einordnen, Werte vermitteln und Ori-              wichtungsstudie und des Medienvielfaltsmoni-
  entierung bieten beeinflussen sie das Verhalten             tors der Medienanstalten. Beide Studien erfassen
  ihrer Nutzerinnen und Nutzer. Ihre Systemrele-              die Machtverhältnisse auf dem Meinungsmarkt
  vanz stellen Medien jeden Tag in ihrer Vielfalt un-         gattungsübergreifend. Die Mediengewichtungs-
  ter Beweis.                                                 studie erfasst zudem die Nutzung von Informa-
                                                              tionsintermediären wie zum Beispiel Google,
Seit mehr als 35 Jahren sichern die Medienanstal-             ­YouTube und Facebook. Sie zeigt die Bedeutung
ten als unabhängige, staatsferne Institutionen                 von Informationsintermediären für die Meinungs-
diese Medienvielfalt. Mit der Unterzeichnung des               bildung in Deutschland und unterstreicht damit
Medienstaatsvertrages, der voraussichtlich Ende                die Notwendigkeit medienrechtlicher Regulierung
2020 in Kraft treten wird, haben die Ministerprä-              in diesem Bereich.
sidentinnen und -präsidenten einen weiteren,
wichtigen Schritt in Richtung eines kohärenten                Der diesjährige Bericht geht auch auf die Corona-­
und zukunftsfesten Ordnungsrahmens gemacht.                   Krise ein, die die Medienbranche in den letz-
Mit Medienplattformen, Benutzeroberflächen                    ten Monaten empfindlich getroffen hat. Seit
und Medienintermediären werden erstmals auch                  ­Beginn dieses Jahres bestimmt sie den Alltag der

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Menschen und das Umfeld, in dem die Medien           identifizieren und Vorkehrungen zu treffen, um
­arbeiten. Innerhalb der zwei Monate des Corona-     ­ihnen wirksam entgegentreten zu können. Mit
 Lockdowns zwischen März und Mai 2020 muss-           Initiativen wie dem Digital Services Act und dem
 te die Rundfunkbranche in Deutschland erhebli-       European Democracy Action Plan der EU-Kom-
 che Umsatzeinbußen hinnehmen. Viele Anbieter         mission kann es gelingen, für Plattformen und
 standen und stehen immer noch vor großen wirt-       Intermediäre einen Regulierungsrahmen auf der
 schaftlichen Herausforderungen. Dank der Bemü-       Grundlage europäischer Werte wie Demokratie
 hungen aller Akteure auf Bundes- und Länderebe-      und Rechtsstaatlichkeit zu schaffen.
 ne konnten Wege zur finanziellen Unterstützung
 und Stabilisierung der Veranstalter gefunden wer-   Noch nie zuvor war Vielfaltssicherung so wichtig
 den. Die weitere Entwicklung ist nicht vorherseh-   wie jetzt. Die Medienanstalten bieten mit dieser
 bar. Sollten die Krise und deren wirtschaftliche    Publikation aktuelle und gebündelte Ein- und Aus-
 Folgen andauern, wäre womöglich über einmali-       blicke zur Medienvielfalt. Wir möchten damit die
 ge finanzielle Unterstützungsmaßnahmen hinaus       Debatte zur Ausgestaltung einer zukunftsfesten
 über grundsätzliche regulatorische Lösungen zum     Medienregulierung weiter vorantreiben und freu-
 Erhalt einer vielfältigen Medienlandschaft nach-    en uns auf eine breite Diskussion auf der Basis
 zudenken.                                           tragfähiger Forschungsergebnisse.

Meinungsfreiheit zu sichern bedeutet für die
­Medienanstalten aber auch, Phänomene wie Des-
 information im Internet im Blick zu haben. Es ist
 heute mehr denn je geboten, die daraus erwach-
 senden Bedrohungen für die Meinungsbildung zu

                                                                                                    5
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Autorinnen und Autoren

            Prof. Dr. Uwe Hasebrink ist Direktor des        Dr. Tobias Schmid ist Direktor der
            Leibniz-Instituts für Medienforschung |         Landesanstalt für Medien Nordrhein-
            Hans-Bredow-Instituts und Professor für         Westfalen, Europabeauftragter der DLM
            Empirische Kommunikationsforschung              sowie Vize-Vorsitzender der European
            an der Universität Hamburg. Er forscht im       Regulators Group for Audiovisual Media
            Bereich Mediennutzung und –wirkung.             Services (ERGA). Zuvor war er Bereichsleiter
                                                            Medienpolitik bei der Mediengruppe RTL
                                                            Deutschland.

            Dr. Sascha Hölig ist Senior Researcher am       Siegfried Schneider ist seit 1. Oktober 2011
            Leibniz-Institut für ­Medienforschung |         Präsident der Bayerischen Landeszentrale
            Hans-­Bredow-­Institut in Hamburg. Sein         für neue Medien (BLM). Von 2008 bis
            Forschungsschwerpunkt ist die informati-        Februar 2011 gehörte er als Leiter der bayeri-
            onsorientierte Mediennutzung in neuen           schen Staatskanzlei bereits dem Medienrat
            Medienumgebungen.                               an. Davor war er Bayerischer Staatsminister
                                                            für Unterricht und Kultus.

            Dr. Wolfgang Kreißig ist seit Januar 2020       Eva Spittka ist Referentin für Programm und
            Vorsitzender der Kommission für Zulassung       Forschung in der Gemeinsamen Geschäfts-
            und Aufsicht (ZAK) und der Direktorenkon-       stelle der Landesmedienanstalten. Hier
            ferenz der Landesmedienanstalten (DLM).         befasst sie sich insbesondere mit der
            Seit April 2017 ist er Präsident und Vorsit-    Weiterentwicklung der gemeinschaftlichen
            zender des Vorstandes der Landesanstalt         Inhalteforschung. Zuvor hat sie verschie-
            für Kommunikation Baden-Württemberg.            dene kommunikationswissenschaftliche
                                                            Projekte im Bereich Fernsehen geleitet.

            Dr. Kristian Kunow ist stellvertretender        Dr. Anja Zimmer ist Direktorin der Medien-
            Direktor der Medienanstalt Berlin-Bran-         anstalt Berlin-Brandenburg. Zuvor war sie
            denburg (mabb) und Leiter des Bereichs          Geschäftsführerin des DJV-NRW, Senior
            Förderung und Projekte. Er verantwortet         Manager Government Relations bei der
            u. a. die Forschungsprojekte der mabb und       Telekom sowie Rechtsanwältin mit Schwer-
            begleitet gemeinsame Projekte wie den           punkt Medien- und Telekommunikations-
            Medienvielfaltsmonitor.                         recht bei Beiten Burkhardt und Lovells.

            Bettina Pregel ist stellvertretende Bereichs-
            leiterin im Bereich Technik, Medienwirt-
            schaft und Öffentlichkeitsarbeit in der BLM.
            Die gelernte Redakteurin und Presserefe-
            rentin arbeitete zuvor bei Zeitungen und
            Fachzeitschriften.

6
Inhalt

1 Meinungsvielfalt ist keine Selbstverständlichkeit – weniger denn je!            8
  Ergebnisse der aktuellen Mediengewichtungsstudie
  Siegfried Schneider

2 Corona-Krise: Chance oder Gefahr für die Medienvielfalt                        20
  Dr. Wolfgang Kreißig

3 Anteile der Medienunternehmen am Meinungsmarkt                                 30
  Die Ergebnisse des Medienvielfaltsmonitors 2020-I
  Eva Spittka

4 Medienintermediäre und Meinungsbildung                                         44
  Dr. Anja Zimmer und Dr. Kristian Kunow

5 „Pandemic Populism“ und die Manipulation digitalisierter Öffentlichkeiten      58
  Gespräch mit Prof. Dr. Thorsten Quandt
  Interview: Bettina Pregel

6 Soziale Medien, Falschinformationen und ihr Einfluss auf die Meinungsbildung   64
  Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA im Vergleich
  Dr. Sascha Hölig und Prof. Dr. Uwe Hasebrink

7 Z
   ugang und Auffindbarkeit – Mechaniken zur Sicherung der Vielfalt,
  auch eine europäische Diskussion                                               76
  Dr. Tobias Schmid und Thomas Wierny

8 Medien­politischer ­Ausblick                                                   82
  Dr. Wolfgang Kreißig

                                                                                  7
45,5             55,6

                                                                                 Radio

             53,6            63,2
                                                                                                                  38,6   57,5

                Fernsehen                                                                                            Internet

                                                                                                   29,1    31,4
                                       4,7                     6,9

                                       Zeitschriften*                                             Tageszeitung

Informierende Tages­reichweite
Vergleich 2019 vs. „Corona-Zeitraum“
März – Juni 2020
   Jahresdurchschnitt 2019                      März – Juni 2020

Angaben in Prozent; *) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen;
Basis: 70,598 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, 2019-II: n = 4.396; Corona-Zeitraum: n = 1.667.
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2020-I (Kantar)
Meinungsvielfalt
ist keine Selbstver-
ständlichkeit –
weniger denn je!
Ergebnisse der aktuellen Mediengewichtungsstudie

Siegfried Schneider

             Dass Meinungsvielfalt keine Selbstverständlichkeit ist, war schon den Vätern
             und Müttern unserer Verfassung bekannt. Als unerlässliche Voraussetzung
             der demokratischen Willensbildung wurde daher das Grundrecht auf freie
             Meinungsäußerung in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert. Aus ihm leitet
             sich unmittelbar der verfassungsrechtliche Auftrag her, durch gesetzgeberi-
             sche Maßnahmen Medienvielfalt zu gewährleisten. Gut 70 Jahre später, „in
             der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“, führt uns die Corona-Pande-
             mie schonungslos vor Augen, wie wenig immun unsere vielfältige Medien-
             landschaft gegen die Auswirkungen des Coronavirus ist. Wir müssen erken-
             nen, dass sich Systemrelevanz und Vielfalt, auch und gerade in qualitativer
             Hinsicht, nicht allein durch Werbeeinnahmen sichern lassen. Wir müssen
             uns trotz der umfassenden Hilfsmaßnahmen und ersten Anzeichen einer
             teilweisen Erholung des Werbemarktes weiter um den Fortbestand zahlrei-
             cher Medienangebote sorgen. Wir müssen damit rechnen, dass der durch
             die Corona-Krise ausgelöste Digitalisierungsschub viele klassische Medien-
             häuser nachhaltig unter Druck setzen wird. Im selben Zuge sehen wir, dass
             die rasante Bedeutungszunahme des Internets und insbesondere der sozia-
             len Medien die spezifischen Herausforderungen an die Vielfaltssicherung in
             verschärfter Form zutage bringt. Das Coronavirus führte nicht nur zu einer
             Pandemie. In die Flut seriöser Medienberichte mischten sich auch zahlrei-
             che Falschinformationen und Verschwörungserzählungen, die mitunter eine
             toxische Wirkung auf die Meinungsfreiheit und damit den demokratischen

                                                                                            9
Diskurs haben. All dies zeigt: Meinungsvielfalt ist                      Antwort auf die Fragen, welche Mediengattungen
auch heute keinesfalls eine Selbstverständlichkeit,                      sie am Vortag genutzt haben und ggf. ob sie dort
vielleicht weniger denn je.                                              Informationen zum Zeitgeschehen aus Deutsch-
                                                                         land und der Welt wahrgenommen haben. Zudem
Um im Sinne einer positiven Medienordnung mög-                           ­geben sie Auskunft darüber, welche Mediengat-
liche Gefahren für die Meinungsvielfalt frühzei-                          tung für sie persönlich die wichtigste Informati-
tig erkennen und bewerten zu können, beobach-                             onsquelle ist.
ten die Landesmedienanstalten seit Jahren die
Medienlandschaft in Deutschland und schaffen                             Informierende Nutzung steigt über alle Gattun-
Transparenz hinsichtlich der Verteilung medialer                         gen hinweg, Internet wächst am stärksten
Meinungsmacht. Eine wichtige Datengrundlage
                                                                         Zweimal pro Jahr berichten die Landesmedienan-
bildet dabei neben dem Medienvielfaltsmonitor
                                                                         stalten über die Entwicklung der Relevanz der Me-
(siehe Kapitel 3) die Mediengewichtungsstudie,
                                                                         dien für die Meinungsbildung in Deutschland. Die
die repräsentativ für die deutschsprachige Bevöl-
                                                                         Ergebnisse beruhen dabei immer auf den Daten
kerung ab 14 Jahren die Relevanz der einzelnen Me-
                                                                         eines ganzen Jahres, um saisonale Effekte auf die
diengattungen für die Meinungsbildung ermittelt.
                                                                         Mediennutzung oder einen verzerrenden Einfluss
                                                                         plötzlicher, kurzfristiger Ereignisse zu glätten. Mit
Ein zentrales Ergebnis der Mediengewichtungs-
                                                                         Blick auf die kumulierten Ergebnisse 2020-I, die
studie ist nach wie vor – daher auch der Name –
                                                                         also das 2. Halbjahr 2019 und das 1. Halbjahr 2020
die Ermittlung eines Bedeutungsgewichts der
                                                                         umfassen, lassen sich Status Quo und Entwick-
­Mediengattungen Fernsehen, Hörfunk, Tageszei-
                                                                         lung der informierenden Tagesreichweite in drei
 tung, Publikumszeitschriften und Internet für die
                                                                         Punkten zusammenfassen (Abb. 1):
 Meinungsbildung. Die Befragten geben hierzu

Abbildung 1

Informierende Tagesreichweite im Trend (in Prozent)

     80

               61,1        60,9          58,4      57,7       57,5           58,1   58,1                                  56,9
     60                                                                                       55,4     53,8      53,6
               50,8        49,2                    48,6                      48,9   50,7
                                         47,5                 47,6                            48,6     47,6               48,1
                                                                                                                 45,5
                                                              38,8           39,5   40,1      38,9     39,4      38,6
     40        34,6        35,0          34,4      33,9                                                                   44,6
                                                                                    32,7      30,8      30,5     29,1     29,6
                                                   34,3       33,5           33,5
               28,9        29,6         29,3
     20
               6,7         4,9           5,3        6,8        6,3           4,8     5,0      6,1       5,7      4,7       5,6
      0

              2015-I      2015-II       2016-I    2016-II    2017-I      2017-II    2018-I   2018-II   2019-I   2019-II   2020-I

  Fernsehen       Radio      Internet       Tageszeitung    Zeitschriften*

*) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
Basis: 70,598 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 4.294;
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2020-I (Kantar)

10
Erstens, die Rangreihe der Mediengattungen                               stärksten steigt dabei die Nutzung des Internets
bleibt gleich, und das seit drei Jahren. Mit einem                       als Informationsquelle, nämlich um 6 Prozent-
Anteil von 56,9 Prozent der deutschen Bevölke-                           punkte, gefolgt von Fernsehen (3,3 Prozentpunkte)
rung ab 14 Jahren, der durchschnittlich pro Tag im                       und Radio (2,6 Prozentpunkte). Tageszeitung und
Fernsehen Informationen über das Zeitgesche-                             Publikumszeitschriften gewinnen mit 0,5 bzw. 0,9
hen in Politik, Wirtschaft und Kultur aus Deutsch-                       Prozentpunkten vergleichsweise wenig dazu.
land und aller Welt wahrnimmt, ist das Fernsehen
nach wie vor die am häufigsten genutzte Informa-                         Drittens zeigt sich mit Blick auf die Entwicklung
tionsquelle. Mit ähnlichem Abstand wie zuletzt                           über die letzten drei Jahre zudem, dass das Inter-
folgt das Radio, über das sich rund jeder zweite                         net einen neuen Spitzenwert erreicht. Bei allen an-
an einem Durchschnittstag informiert (48,1 Pro-                          deren Gattungen liegt der jeweilige Peak trotz des
zent). Auf dem dritten Rangplatz liegt das Inter-                        erneuten Anstiegs länger zurück. Über die letzten
net, das mittlerweile von 44,6 Prozent auch infor-                       fünf Jahre betrachtet sind deren informierende­
mierend genutzt wird, vor der Tageszeitung mit                           Tagesreichweiten insgesamt rückläufig. Am
                                                                         ­
einer Info-Reichweite von 29,6 Prozent. Die Pub-                         stärksten ist der Rückgang mit jeweils rund 15 Pro-
likumszeitschriften spielen mit 5,6 Prozent bei der                      zent bei Tageszeitungen bzw. Publikumszeitschrif-
informierenden Nutzung nach wie vor eine unter-                          ten ausgeprägt, aber auch TV und Radio haben
geordnete Rolle.                                                         seit der ersten Veröffentlichung der Medienge-
                                                                         wichtungsstudie 2015-I Verluste von minus sieben
Zweitens, bei allen Mediengattungen liegt die                            bzw. minus fünf Prozent zu verbuchen. Das Inter-
informierende Tagesreichweite aktuell über der                           net hingegen hat in diesem Zeitraum seine tägli-
der letzten Berichtslegung (2019-II), die sich auf                       che Nutzung als Informationsquelle um 54 Pro-
das gesamte Jahr 2019 bezieht. Mit Abstand am                            zent steigern können.

Abbildung 2

Subjektiv wichtigstes Informationsmedium im Trend (in Prozent)

   40          37,2        37,9          37,1                                                                             37,9
                                                   35,0                      34,3   34,1                         35,6
                                                              33,5                            33,3     33,8
                                                   28,8       29,1           29,0             32,5      32,8
   30                                    27,1                                       30,6                         31,5
               24,7        26,1                                                                                           30,5
                           21,4          21,3      20,9       20,7           19,6   18,9      18,5     18,1
   20          22,3                                                                                              17,7     16,7
               11,2        10,7         10,0        9,9       10,8           10,8   10,4      10,6      10,1              10,0
                                                                                                                 9,5
   10

               1,8         1,7           2,0        2,3        2,2           1,8     1,8      1,5       1,5      1,7       1,3
    0

              2015-I      2015-II       2016-I    2016-II    2017-I      2017-II    2018-I   2018-II   2019-I   2019-II   2020-I

  Fernsehen       Radio      Internet       Tageszeitung    Zeitschriften*

*) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
Basis: 70,598 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 4.294;
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2020-I (Kantar)

                                                                                                                                 11
Mit der Zunahme der informierenden Nutzung              Corona-Hype oder New Info-Normal: Deutlicher
des Internets ist erwartungsgemäß auch dessen           Anstieg der informierenden Tagesreichweite
subjektiv empfundene Bedeutung als Informati-
                                                        Die standardmäßige, jeweils ein ganzes Jahr um-
onsquelle angestiegen. Für 37,9 Prozent der Bevöl-
                                                        fassende, Berichterstattung zum Informationsver-
kerung ab 14 Jahren ist mittlerweile das Internet
                                                        halten greift angesichts der bis heute andauern-
am wichtigsten. Der Zugewinn um 2,9 Prozent-
                                                        den Corona-Pandemie an vielen Stellen zu kurz.
punkte im Vergleich zum Jahresdurchschnitt 2019
                                                        Wir alle haben erkennen müssen, dass es sich da-
geht dabei weiterhin zulasten von TV (30,5; − 1,0),
                                                        bei nicht um ein kurzfristiges Ereignis handelt.
Tageszeitung (16,7; − 1,0) und Publikumszeitschrif-
                                                        Vielmehr hat die Corona-Krise Mitte März unseren
ten (1,3; − 0,4). Das Radio hält mit aktuell 10 Pro-
                                                        Alltag auf den Kopf gestellt und beeinflusst ihn
zent der Stimmen als wichtigstes Info-Medium
                                                        seither nachhaltig. So viel Zeit wie in den Wochen
seinen Anteil mehr als stabil (+ 0,5) (Abb. 2).
                                                        des Lockdowns haben wir wohl selten vorher zu
                                                        Hause verbracht, und selten zuvor war aufgrund
Novum: 30- bis 49-Jährige informieren sich am
                                                        der herrschenden Unsicherheit und der sich stän-
häufigsten im Internet – auch ohne Corona
                                                        dig ändernden Nachrichtenlage das Bedürfnis
Seit Jahren berichtet die Mediengewichtungsstu-         nach Informationen und Einordnung so groß. Dass
die eine zunehmende Bedeutung des Internets für         dieser Informationshunger vor allem durch die
die Meinungsbildung in allen Altersgruppen und          Medien gestillt wurde, belegt eine monatsweise
seine herausragende Relevanz in der jüngsten, der       Analyse der Daten des ersten Halbjahrs 2020
14- bis 29-Jährigen. Bei den 30- bis 49-Jährigen hat-   (Abb. 3): Im Januar liegt die Nettosumme der infor-
te bislang das Radio die höchste informierende Ta-      mierenden Tagesreichweite insgesamt, also der
gesreichweite, auch wenn der Abstand zum „auf-          Anteil derer, die bei mindestens einer der fünf Me-
strebenden“ Internet in den letzten Jahren immer        diengattungen Informationen aus Deutschland
kleiner wurde und bei der letzten Veröffentlichung      und der Welt wahrgenommen haben, noch bei
2019-II auf zwei Prozentpunkte geschrumpft war          84 Prozent und damit auf ähnlichem Niveau wie
(Radio 47,7 Prozent; Internet 45,7 Prozent). Nun ist    im Jahr 2019 (84,4 Prozent). Im Februar klettert sie
der absehbare Führungswechsel eingetreten. Mit          bereits auf durchschnittlich 87,3 Prozent, und im
54,3 Prozent belegt das Internet im Jahresdurch-        März steigt sie sprunghaft auf 93,5 Prozent an. Tat-
schnitt 2020-I (2. Halbjahr 2019 plus 1. Halbjahr       sächlich zeigen sich auch in den Folgemonaten
2020) bei den 30- bis 49-Jährigen jetzt die klare       April bis Juni weitere Zuwächse von 94 über 96,1
Spitzenposition als täglich genutzte Informati-         auf 96,5 Prozent. Was die Tagesreichweite betrifft,
onsquelle weit vor dem Radio mit 48,6 Prozent           lässt sich also bis Mitte 2020 keine Informations-
auf dem zweiten Rangplatz. Das Ausmaß, mit dem          müdigkeit feststellen, auch wenn mit der schritt-
das Internet in Führung gegangen ist, ist zwar          weisen Lockerung der Kontaktbeschränkungen
auch Corona zuzuschreiben. Der Wechsel an der           und sukzessiven Öffnung von Schulen, Kitas und
Spitze hätte wohl aber auch in „normalen“ Zeiten        Arbeitsstätten die Art und Anzahl der informie-
stattgefunden.                                          rend genutzten Medien und die Dauer der Nut-
                                                        zung durchaus zurückgegangen sein kann.

12
Abbildung 3

Informierende Tagesreichweite Januar bis Juni 2020 (in Prozent)

  100
                                                             93,5               94,0              96,1           96,5
                                        87,3
                   84,0
   80

   60

                                                                          „Corona-­Zeitraum“ März – Juni 2020
   40
                                                                                     Ø 94,9 Prozent

   20

    0

                 Januar               Februar               März               April               Mai           Juni

Basis: 70,598 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 2.469
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2020-I (Kantar)

Insbesondere unter 50-Jährige informieren sich                         studie ­dokumentierte positive Zusammenhang
mehr, alle informieren sich vielfältiger                               ­zwischen Alter und informierender Nutzung hat
                                                                        sich im Zuge der Corona-Krise auch nivelliert
Corona betrifft alle. Das verdeutlicht die verglei-
                                                                        (Abb. 4). ­Bestand haben hingegen die altersgrup-
chende Betrachtung der informierenden Tages-
                                                                        penspezifischen Unterschiede hinsichtlich der An-
reichweite gesamt nach Alter. Im Zeitraum März
                                                                        zahl der Mediengattungen, die als Informations-
bis Juni (im Folgenden „Corona-Zeitraum“ ge-
                                                                        quelle an einem Durchschnittstag herangezogen
nannt, auch wenn der Begriff eine abgeschlossene
                                                                        werden. Sie liegt mit durchschnittlich 2,3 nach wie
Phase vermuten lassen könnte) informieren sich
                                                                        vor bei ab 50-Jährigen am höchsten und mit 1,9
mit jeweils rund 95 Prozent in allen Altersgrup-
                                                                        bei unter 30-Jährigen am niedrigsten. Die 30- bis
pen anteilig ähnlich viele pro Tag über mindestens
                                                                        49-Jährigen liegen mit 2,1 informierend genutzten
eine Mediengattung. Das war bislang anders. Im
                                                                        Gattungen hier nicht nur altersmäßig in der Mitte.
Jahr 2019 nahmen pro Tag durchschnittlich nur je-
                                                                        Das wichtigere Ergebnis dabei ist aber vielmehr,
weils vier von fünf 14- bis 29-Jährigen bzw. 30- bis
                                                                        dass alle Altersgruppen im Corona-Zeitraum In-
49-Jährigen Informationen zum Zeitgeschehen
                                                                        formationen über durchschnittlich 0,5 Mediengat-
aus Deutschland und der Welt wahr, während
                                                                        tungen mehr als im Jahr 2019 und damit deutlich
diese täglich rund 89 Prozent der ab 50-Jähri-
                                                                        „vielfältiger“ bezogen haben.
gen erreichten. Die informierende Tagesreichwei-
te gesamt ist also nicht nur von 84,4 Prozent im
Jahr 2019 auf durchschnittlich 94,9 Prozent an-
gewachsen, der seit Jahren in der Gewichtungs-

                                                                                                                        13
Abbildung 4

Informierende Tagesreichweite gesamt – 2019 vs. Corona-Zeitraum März – Juni 2020 (in Prozent)

  100

                                                                                                                     95,3
                                                                95,1
                              94,9

                                                                                                 94,0

                                                                                                              88,6
     80
                       84,4

                                                        80,4

                                                                                          80,2
     60

     40

     20

      0

                   Bev. ab 14 Jahren                   14 – 29 Jahre                     30 – 49 Jahre       ab 50 Jahre

   Jahresdurchschnitt 2019       März – Juni 2020

Basis: 70,598 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, 2019-II: n = 4.396; Corona-Zeitraum: n = 1.667
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2020-I (Kantar)

TV feiert eine Renaissance bei den Jüngeren –                              in den jüngeren Altersgruppen die Reichweite in
oder doch nur ein kurzes Comeback                                          die Höhe. Die höchste relative Steigerung zeigt die
                                                                           Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen mit einem
Der Anstieg der genutzten Informationsquellen
                                                                           Plus von 29 Prozent und liegt damit deutlich über
pro Tag lässt es vermuten, ein Blick auf die Daten
                                                                           dem relativen Zuwachs bei den 30- bis 49- Jähri-
bestätigt es: Wie andere der zahlreichen seit Ende
                                                                           gen (+ 22 Prozent) und der Gesamtbevölkerung
März erschienenen Studien berichtet auch die
                                                                           (+ 18 Prozent).
Mediengewichtungsstudie steigende Reichwei-
ten. Alle Gattungen werden in den als „Corona-
                                                                           Ob TV allerdings tatsächlich eine Renaissance
Zeitraum“ zusammengefasst betrachteten Mona-
                                                                           in den jüngeren Zielgruppen erlebt, wie die AGF
ten März bis Juni von deutlich mehr Personen ab
                                                                           Videoforschung bereits Anfang April vermelde-
14 Jahren (auch) zu informierenden Zwecken ge-
                                                                           te, bleibt abzuwarten. Aktuellere AGF-Zahlen ge-
nutzt als im Jahr 2019. Eine herausragende Rolle
                                                                           ben vielmehr Anlass zur Vermutung, dass sich die
spielt das lineare Fernsehen, über das sich fast
                                                                           Nutzung des linearen Fernsehens nach einem be-
zwei Drittel der Bevölkerung ab 14 Jahren (63,2 Pro-
                                                                           merkenswerten Comeback wieder dem Niveau
zent) täglich zum aktuellen Geschehen informie-
                                                                           vor dem Lockdown nähert. Zudem zeigen die Er-
ren (Abb. 5). Das sind fast 10 Prozentpunkte bzw.
                                                                           gebnisse der Gewichtungsstudie, dass die 14- bis
rund 7 Millionen tägliche Zuschauer und Zuschau-
                                                                           29-Jährigen ihren Bedarf nach schnellen und zu-
erinnen mehr als im Jahr 2019. Wie bei der infor-
                                                                           verlässigen Informationen nicht nur vermehrt im
mierenden Nutzung gesamt, treibt auch beim
                                                                           Fernsehen gedeckt haben. Tageszeitungen und
Fernsehen ein überproportional starker Zuwachs

14
Radio zeigen in dieser Altersgruppe deutlich hö-                                    ­Tagesreichweite um 10,1 Prozentpunkte im Ver-
here Wachstumsraten und weisen ebenfalls auf                                        gleich zum Vorjahr. Dies bedeutet nicht nur, dass
eine Hinwendung zu den traditionell als seriös                                      sich in den Monaten März bis Juni im Durchschnitt
geltenden Anbietern hin. Informationen über das                                     7,1 Millionen ab 14-Jährige mehr täglich über das
Radio erreichen zudem täglich im Durchschnitt                                       Radio informiert haben, sondern auch den größ-
jeden zweiten 14- bis 29-Jährigen, über das linea-                                  ten Publikumsgewinn unter den klassischen Me-
re Fernsehen nur gut jeden dritten (50,4 bzw. 35,2                                  diengattungen im Zuge der Corona-Krise. Das li-
Prozent).                                                                           neare Fernsehen kann für sich „nur“ 6,8 Millionen
                                                                                    mehr tägliche Zuschauer und Zuschauerinnen
Information via Audio: Radioanbieter mit dem                                        verbuchen, die im Fernsehen (auch) Informatio-
größten Zugewinn – auch dank Coronacasting                                          nen zum aktuellen Geschehen wahrgenommen
                                                                                    haben. In jedem Fall unterstreichen die hohen In-
Seit der ersten Veröffentlichung der Medienge-
                                                                                    fo-Reichweiten und Zugewinne von TV und Radio
wichtungsstudie 2015 hält das Radio hinter dem
                                                                                    die Relevanz des Rundfunks als Lieferant schneller
Fernsehen und vor dem Internet seine Stellung
                                                                                    und zuverlässiger Informationen allgemein und
als „feste Informationsgröße“ für die Bevölkerung
                                                                                    insbesondere in Krisenzeiten.
in Deutschland. Welch großen Informationsbei-
trag das Radio auch im Corona-Zeitraum leistet,
verdeutlicht der Anstieg seiner informierenden

Abbildung 5

Informierende Tagesreichweite im Vergleich (in Prozent)

           Bevölkerung ab 14 Jahren                                                     Bevölkerung 14 bis 29 Jahre

  100

    80
                                                                                                                              79,7

    60
                                                                                                                       65,2
                      63,2

                                                  57,5
                                    55,6
               53,6

                                                                                                                50,4

    40
                             45,5

                                           38,6

                                                                                                         36,1
                                                                                                  35,2
                                                                31,4
                                                         29,1

                                                                                           27,3

    20
                                                                                                                                     10,5
                                                                              6,9

                                                                                                                                            18,8

                                                                                                                                                    5,6
                                                                                                                                                          4,9
                                                                        4,7

     0

              Fernsehen      Radio         Internet       Tages­         Zeit­           Fernsehen       Radio         Internet       Tages­         Zeit­
                                                         zeitung       schriften*                                                    zeitung       schriften*

                Jahresdurchschnitt 2019                         März – Juni 2020

*) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
Basis: 70,598 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, 2019-II: n = 4.396; Corona-Zeitraum: n = 1.667
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2020-I (Kantar)

                                                                                                                                                            15
Auch wenn das Internet nach den aktuellen Ergeb-                            ming und on-Demand-Nutzung bei den Rund-
nissen der Gewichtungsstudie 2020-I im Bevölke-                             funkanbietern einmal außer Acht gelassen, infor-
rungsdurchschnitt in puncto Info-Tagesreichweite                            miert sich in den Monaten März bis Juni im
noch auf dem dritten Rangplatz liegt, wird es vor-                          Durchschnitt täglich mehr als jeder fünfte ab
aussichtlich bereits im nächsten Jahr das Radio                             14-Jährige in Deutschland (22,1 Prozent) online
überholen. Das wird schon deshalb passieren, weil                           über die Angebote eines Fernsehsenders und
immer mehr Menschen auch oder ausschließlich                                mehr als jeder zehnte (11,2 Prozent) nimmt Infor-
die Online-Angebote der klassischen Medien nut-                             mationen über ein Online-Angebot eines Radio-
zen. Der durch die Corona-Pandemie ausgelöste                               senders wahr. In beiden Fällen bedeutet das in
Digitalisierungsschub hat die „normale“ Entwick-                            etwa eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr.
lung Richtung Internet zusätzlich beschleunigt.                             Im Fall der Radioanbieter leisten hier sicher auch
Über alle klassischen Mediengattungen hinweg                                Podcasts ihren Beitrag, die seit Februar in steigen-
schlägt er sich in einem überproportional starken                           der Anzahl Detailinformationen zur Covid-19-Pan-
Anstieg der Nutzung der Internetangebote oder                               demie und deren Auswirkungen auf Wirtschaft
Apps der TV-Sender, Radiostationen und im Fall                              und Gesellschaft anbieten. Als bekanntester Ver-
der Printmedien zusätzlich der e-Paper nieder                               treter ist auch hier das anfangs täglich sendende
(Abb. 6). Die Unterscheidung zwischen Livestrea-                            „Coronavirus-Update“ mit dem Charité-Chefviro-

Abbildung 6

Informierende Tagesreichweite Rundfunkanbieter und Printmedien (in Prozent)

        Fernsehen
           2019-II                                                                          48,1             5,5         5,2 58,8
Corona-Zeitraum                                                                             48,0                             15,2    6,9 70,1

             Radio                                                                             1,8

           2019-II                                                               41,6    3,9          47,3
Corona-Zeitraum                                                                                48,5                7,1    4,1 59,6

     Tageszeitung
           2019-II                                    23,7      5,5             11,3 40,4
Corona-Zeitraum                                    22,3               9,1                14,5 45,9

     Zeitschriften*          1,8

           2019-II     2,9                11,5 16,2
Corona-Zeitraum         3,8 3,1                     16,1 23,0

                      0%                           20 %                           40 %                                      60 %               80 %

   Gestern Fernsehen, Radio, Tageszeitung bzw. Zeitschriften* genutzt
            Gestern auch Online-Angebote(e) eines Fernsehsenders, Radiosenders, einer Tageszeitschrift, einer Zeitschrift genutzt
            Gestern ausschließlich Online-Angebote(e) eines Fernsehsenders, Radiosenders, einer Tageszeitschrift, einer Zeitschrift genutzt

*) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
Basis: 70,598 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, 2019-II: n = 4.396; Corona-Zeitraum: n = 1.667;
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2020-I (Kantar)

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logen Prof. Christian Drosten zu nennen, das das      Corona-Zeitraum pro Tag ausschließlich über die
Format einem großen und teilweise auch ganz           Webseite, App oder das e-Paper einer Publikums-
neuen Publikum schmackhaft gemacht hat.               zeitschrift, weitere 3,1 Prozent lesen sowohl Digi-
Durchschnittlich 1,3 Millionen ab 14-Jährige in       talangebote als auch eine Druckausgabe. Rechnet
Deutschland hören im Corona-Zeitraum täglich          man auch hier die Leserschaft unabhängig vom
Podcasts (auch) zu informierenden Zwecken. Das        Zugang zusammen, versorgen die Publikumszeit-
sind über 500.000 tägliche Podcast-Hörer mehr         schriften von März bis Juni durchschnittlich pro
als im Jahresdurchschnitt 2019 (762.000).             Tag rund jeden vierten der Bevölkerung ab 14 Jah-
                                                      ren (23 Prozent) mit Informationen aus Deutsch-
Printmedien in Krisenzeiten: Digitale Nutzung         land und der Welt. Das sind täglich im Schnitt
treibt die Leserzahlen in die Höhe                    11,4 Millionen Informationsinteressierte und da-
                                                      mit 4,8 Millionen mehr als im Jahresdurchschnitt
Noch relevanter als beim Fernsehen und Radio ist
                                                      2019. Da verwundert es wenig, dass ein promi-
die Berücksichtigung der digitalen Nutzung von
                                                      nenter Vertreter mit Blick auf die Leserzahlen eine
Tageszeitungen und Publikumszeitschriften. An
                                                      ­RekordZEIT vermeldet.
einem durchschnittlichen Wochentag nutzen im
Corona-Zeitraum 23,6 Prozent der ab 14-Jährigen
                                                      Es klingt paradox und ist doch leider Realität: Die
in Deutschland die Website, eine App oder ein e-
                                                      Reichweiten der Printmedien – wie auch der Rund-
Paper einer Tageszeitung. Das entspricht einem re-
                                                      funkangebote – sind sprunghaft angestiegen und
lativen Zuwachs von 40 Prozent im Vergleich zum
                                                      belegen, wie wichtig glaubwürdiger Journalismus
Vorjahr. Mehr noch: Die digitale Info-Reichweite
                                                      in Zeiten großer Unsicherheit ist. Aber die Einnah-
der Tageszeitung ist im Corona-Zeitraum nicht nur
                                                      men bleiben aus. Dabei führt die digitale Trans-
deutlich angestiegen, es gibt auch zunehmend
                                                      formation für die klassischen Medien schon seit
mehr Tageszeitungsleserinnen und ­-leser, die sich
                                                      Jahren zu sinkenden Werbeerlösen. Neue Erlösmo-
an einem Durchschnittstag ausschließlich über
                                                      delle haben sich am Markt noch nicht ausreichend
die Online-Angebote informieren (14,5 Prozent).
                                                      etabliert, auch weil die Zahlungsbereitschaft bei
Fasst man die analoge und digitale Leserschaft zu-
                                                      den Nutzerinnen und Nutzern für qualitativ hoch-
sammen, liegt die informierende Tagesreichweite
                                                      wertige Inhalte noch zu gering ist. Der Übergang
in den Monaten März bis Juni bei durchschnitt-
                                                      in die digitale Welt birgt also insbesondere für die,
lich 45,9 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr sind
                                                      die von Werbeeinnahmen abhängen, ein hohes
das 5,5 Prozentpunkte bzw. 3,9 Millionen tägliche
                                                      ­Risiko. Das liegt vor allem daran, dass ein Großteil
Leser mehr.
                                                       der digitalen Werbespendings von den Plattform-
                                                       giganten Google und Facebook abgeschöpft wird.
Noch deutlicher stellt sich dieser Sachverhalt
bei den Publikumszeitschriften dar. Während
                                                      Google und Facebook – Superspreader
Zeitschriften, Wochenzeitungen und Nachrich-
                                                      der Infodemie
tenmagazine – allein ihre analoge Relevanz be-
trachtend – nur von wenigen täglich als Informa-      Nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, auch in Be-
tionsquelle genutzt werden, zeigt sich mit Blick      zug auf die publizistische Relevanz findet im In-
auf deren digitale Nutzung ein völlig anderes Bild.   ternet eine Umverteilung statt: Die traditionellen
16,1 Prozent der ab 14-Jährigen informieren sich im   Medienunternehmen verlieren zunehmend ihre

                                                                                                        17
Alleinstellung als Gatekeeper an die Intermediä-       ­einer „massiven Infodemie“ begleitet werde, die
re, allen voran Google und Facebook. Auch wenn        die Menschen mit einer Masse an Informationen –
diese selbst keine Inhalte produzieren, bestim-       darunter auch viele irreführende und falsche – zu
men sie maßgeblich darüber, welche Inhalte ihre       erschlagen drohe. Tatsächlich mischten sich im
Nutzerinnen und Nutzer auffinden und verbreiten       Nachgang unter die zahlreichen sachlichen und
können. Dass insbesondere soziale Netzwerke und       wissenschaftlich fundierten Berichte der Medien,
Messengerdienste schon allein zu kommunikati-         Podcast-Episoden oder Social-Media-Posts viele
ven Zwecken während der Kontaktbeschränkun-           Desinformationen und Verschwörungstheorien.
gen mehr genutzt werden als zuvor, war zu er-         Ihre Verbreitung finden sie nicht nur, aber insbe-
warten. Aber auch die informierende Nutzung der       sondere, in den sozialen Medien. Schon im Mai
Intermediäre ist im Corona-Zeitraum in die Höhe       hatte das Recherchezentrum CORRECTIV YouTu-
geschnellt. Mehr als jeder zweite ab 14-Jährige in    be als die am häufigsten gemeldete Plattform für
Deutschland (54 Prozent) informiert sich täglich      fragwürdige Informationen und Whatsapp als ih-
(auch) über Suchmaschinen, soziale Netzwerke,         ren wichtigsten Verbreitungskanal ausgemacht.
Videoplattformen oder Messengerdienste. Unter         Beide Vertreter zeigen in der Gewichtungsstu-
den unter 50-Jährigen sind es sogar drei von vier     die die höchsten Zuwächse unter den sozialen
(75,2 Prozent). Im Jahresdurchschnitt 2019 lag de-    ­Medien als täglich genutzte Informationsquelle
ren informierende Tagesreichweite noch bei 32,1        im ­Corona-Zeitraum.
bzw. 47,4 Prozent.
                                                      So abstrus einzelne Verschwörungserzählun-
Ein besonderes Augenmerk gilt in der Gewich-          gen für die einen auch klingen mögen, so schnell
tungsstudie den sozialen Medien, weil sie allen –     füllen sie bei anderen die Wissenslücken zu be-
auch nicht-publizistischen – Akteuren und allen       stimmten Themen, die man nicht vollends erklä-
Meinungen eine Plattform bieten. Ihrem wach-          ren kann. Harmlos sind sie in keinem Fall. Insbe-
senden Einfluss auf die Meinungsbildung und           sondere Verschwörungsmythen, die von einer
den damit verbundenen Herausforderungen für           angeblichen Medienverschwörung handeln oder
die Vielfaltssicherung haben wir deshalb ein ei-      sogar in Hassrede münden, sind Gift für den de-
genes Kapitel gewidmet (siehe Kap. 4). Nur so viel    mokratischen Diskurs. Wer Journalisten mit „Sys-
sei an dieser Stelle erwähnt: Die Relevanz der so-    temmedien“ oder „Lügenpresse“ gleichsetzt, ist
zialen Medien als Informationsquelle ist im Coro-     mit Faktenchecks nicht zu bekehren und nutzt –
na-Zeitraum deutlich angestiegen. Weit mehr als       wie die zunehmenden Einschüchterungen und
jeder dritte ab 14-Jährige nimmt in den Monaten       Angriffe auf Journalisten und Redaktionsteams
März bis Juni täglich auch Informationen in sozia-    zeigen – Verschwörungstheorien mitunter sogar
len Medien wahr (38,6 Prozent). Im Jahr 2019 war      dazu, Gewalt außerhalb des Internets zu legiti-
es durchschnittlich nur gut jeder fünfte (22,4 Pro-   mieren. Gegen Hassrede vorzugehen, heißt also
zent).                                                Meinungsfreiheit zu schützen. Den immer größer
                                                      werdenden Einfluss der sozialen Medien auf die
Bereits Anfang Februar hatte WHO-Generaldirek-        Meinungsbildung konnten die Väter und Mütter
tor Tedros Adhanom Ghebreyesus die Warnung            der Verfassung zwar nicht vorhersehen, dass aber
ausgesprochen, dass die Covid19-Pandemie von          demagogisch aufgehetzte Gruppen eine Bedro-

18
hung für die Menschenwürde und Demokratie
sein können, war als solches 1949 wohlbekannt.
Unter dem Eindruck dieser Erfahrung wurde die
Meinungsfreiheit schließlich in Art. 5 als beson-
ders schützenswertes Grundrecht verbrieft.

Die Herausforderungen an die Sicherung der Mei-
nungsvielfalt sind nicht erst seit Corona bekannt.
Die Pandemie hat sie aber noch offensichtlicher
gemacht und unterstreicht die Dringlichkeit der
Aufgabe – oder vielmehr der Aufgaben, denn Viel-
faltssicherung hat viele Facetten: Sie muss die rich-
tige Balance finden zwischen der Unterbindung
von Hate Speech und Bekämpfung von Desinfor-
mation einerseits und dem Schutz der Meinungs-
freiheit und der Unterstützung von journalistisch
hochwertigen Angeboten andererseits.

                                                        19
Corona-Krise:
Chance oder Gefahr
für die Medienvielfalt
Dr. Wolfgang Kreißig

             Digitale Medienvielfalt auf dem Prüfstand durch Corona

             Die Sicherung der Medienvielfalt ist ein Grundpfeiler unserer demokratischen
             Grundordnung. Einen wichtigen Teil der Verantwortung dafür tragen die Me-
             dienanstalten. In einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft sollen
             Informationen in Radio, TV und Online journalistisch-redaktionell aufberei-
             tet, sorgfältig recherchiert, glaubwürdig und transparent auffindbar sein.

             Aktuell ist die Medienbranche allerdings mit der größten Krise seit der Exis-
             tenz der dualen Rundfunkordnung konfrontiert und blickt auf herausfor-
             dernde Monate zurück. Der Erlass tiefgreifender Maßnahmen zur Eindäm-
             mung des SARS-CoV-2-Virus im März 2020 löste zu Beginn in Wirtschaft und
             Gesellschaft eine Schockstarre aus und brachte in der Folge weite ­Teile des
             gesellschaftlichen Lebens zum Erliegen. Innerhalb der zwei Monate des Co-
             rona-Lockdowns zwischen März und Mai 2020 wurde auch die Rundfunkland-
             schaft in Deutschland durch erhebliche Umsatzeinbußen schwer getroffen.
             Viele Anbieter standen und stehen immer noch vor großen wirtschaftlichen
             Herausforderungen. Dank der Bemühungen aller Akteure auf Bundes- und
             Länderebene konnten Wege zur finanziellen Unterstützung und Stabilisie-
             rung der Veranstalter und damit der Vielfalt im Markt gefunden werden.
             Gleichzeitig hat die Krise aber auch neue Impulse gegeben, allen voran einen
             weiteren Digitalisierungsschub in vielen Bereichen.

                                                                                             21
Da die weitere Entwicklung nicht vorhersehbar                               Auf den folgenden Seiten beschreiben wir die
ist, bleibt abzuwarten, ob alle bisherigen Anstren-                         ­Folgen der Corona-Krise für die Medienvielfalt und
gungen ausreichen, um die Branche nachhaltig                                 geben eine Einordnung, wie hoch die Resilienz un-
zu stabilisieren. Sollte die Krise andauern, wäre                            seres Mediensystems ist, mit Krisen von derarti-
womöglich über einmalige finanzielle Unterstüt-                              gem Ausmaß umzugehen.
zungsmaßnahmen hinaus über grundsätzliche re-
gulatorische Weichenstellungen nachzudenken,                                Corona-Peak verändert die Mediennutzung
um passende Rahmenbedingungen für den Erhalt
                                                                            Die Nachfrage nach Unterhaltungs- und Informa-
einer vielfältigen Medienlandschaft zu schaffen.
                                                                            tionsinhalten ist in den Wochen des Lockdowns
                                                                            signifikant angestiegen. Es wurde wieder mehr
Meinungsfreiheit zu sichern bedeutet auch,
                                                                            lineares Fernsehen geschaut, Streaming-Ange-
                                                                            ­
­Medienphänomene wie Desinformation gleicher-
                                                                            bote wie Netflix und Podcasts erlebten innerhalb
 maßen im Blick zu haben. Es ist heute mehr denn
                                                                            weniger Wochen ungeahnte Zuwachsraten.
 je geboten, die daraus erwachsenden Bedrohun-
 gen für die Meinungsbildung zu identifizieren und
                                                                            Auch hat das Informationsbedürfnis der ­Menschen
 Vorkehrungen zu treffen, um ihnen wirksam ent-
                                                                            mit Beginn der Pandemie über alle Mediengattun-
 gegentreten zu können.
                                                                            gen hinweg deutlich zugenommen. Inhaltlich hat

Abbildung 1

Informierende Tagesreichweite während der Corona Pandemie (in Prozent)

  100
                                                                                               94,9
                               84,4
     80

                                                                                               63,2                     + 9,6
     60                        53,6                                                          57,5                       + 18,9
                               45,5                                                            55,6                     + 10,1
     40
                               38,6
                               29,1                                                             31,4                    + 2,3
     20
                                4,7                                                              6,9                    + 2,2

      0

                                      2019-II                                   „Corona-­Zeitraum“ (März – Juni 2020)

   Informierende Nutzung gesamt
   Fernsehen      Radio    Internet             Tageszeitung   Zeitschriften*

*) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
Basis: 70,598 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 4.396 / Corona-Zeitraum, Mar – Jun, n = 1.667;
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2020-I (Kantar)

22
Abbildung 2
das Thema Corona vornehmlich in informierenden
Formaten und vor allem regional und lokal statt-      Wichtigkeit Information über lokale Situation
gefunden. Die von den Medienanstalten durchge-        bzgl. Corona
führte Schwerpunktstudie zum Informationsver-
                                                      »Wie wichtig ist es Ihnen, in der derzeitigen Krisensituation
halten während der Corona Pandemie zeigt eine         auch Informationen über die Lage zur Corona-Krise in Ihrem
Zunahme der informierenden Mediennutzung um           Wohnort oder Ihrer direkten Umgebung zu bekommen?«
11 Prozent.                                                                                                         1,6 %
                                                      5,3 %

Lokale Information über die Corona-Krise
sehr wichtig                                          11,5 %
                                                                                                                   40,9 %
Gerade der lokale Rundfunk hat in der Krisenzeit
seine orientierende Funktion gezeigt. Vier von fünf
Personen in Deutschland gaben an, dass es ihnen
                                                      40,7 %
wichtig oder sehr wichtig sei, Informationen über
die Corona-Krise aus ihrem Wohnort oder ihrer di-
rekten Umgebung zu bekommen. Die Rundfunk-
veranstalter vor Ort haben mit ihren elementaren                                                     82,0 %
                                                         Sehr wichtig                                Information über
Angeboten während des Lockdowns gesellschaft-           Eher wichtig                                lokale Situation
liche Teilhabe ermöglicht und ihre Systemrelevanz        Eher unwichtig                              sehr / eher wichtig
                                                         Überhaupt nicht wichtig
unter Beweis gestellt.                                   Keine Angabe

                                                      Basis: 70,598 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 943
Umsatzrückgänge infolge Werbeeinbruch und             (Zeitraum, in dem Corona spezifische Fragen gestellt wurden,
Wegfall des Eventgeschäfts                            Apr – Jun); Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie
                                                      2020-I (Kantar)
Der erhöhten Nutzernachfrage standen abrupt
wegbrechende Werbeerlöse gegenüber, bei kons-
tanten Fixkosten insbesondere für die technische      schen März und Mai. Mit der Öffnung erster Ge-
Verbreitung und den Betrieb der Senderstandorte.      schäfte im Mai erholte sich die Einnahmesituation
                                                      im lokalen Werbemarkt auf verhaltenem Niveau.
Es hat sich gezeigt, dass in der Krise Werbebudgets
oftmals umgehend reduziert und zum Teil kom-          Rasche Stabilisierung der Medienvielfalt
plett gestrichen wurden, was unmittelbar auf die
                                                      Die Medienanstalten haben in der Krise sehr
Umsätze der privaten, werbefinanzierten Rund-
                                                      schnell reagiert und vielfältige Gespräche mit
funkveranstalter durchschlug. Für diese ergaben
                                                      Veranstaltern, Infrastrukturbetreibern, Bund und
sich durch den Einbruch von Werbeeinahmen und
                                                      Ländern aufgenommen und für gemeinsame An-
den gleichzeitigen Wegfall des Eventgeschäfts
                                                      strengungen geworben, entlastende Wege zur
kurzfristig teilweise existentielle Herausforderun-
                                                      Stabilisierung der privaten Medienlandschaft zu
gen. Von bis zu 80-prozentigen Einbrüchen bei
                                                      finden. Erreicht werden konnten Stundungen bei
den Werbeeinnahmen berichteten einzelne pri-
                                                      Lizenz- und Distributionskosten, die zumindest bei
vate Radiosender während des Corona-Peaks zwi-
                                                      unmittelbaren Liquiditätsengpässen entlasteten.

                                                                                                                         23
In vielen Bundesländern wurden zügig Hilfspro-                        Nutzerseitig pendelte sich der lineare TV-Konsum
gramme auf Landesebene initiiert. So wurden vor                       bereits im Juni wieder auf Vorkrisenniveau ein.
allem lokale Strukturen unterstützt.                                  Nachrichten-Websites und Podcasts werden hin-
                                                                      gegen weiterhin verstärkt genutzt1. Streaming-
In gemeinsamen Bemühungen haben Länder,                               Plattformen haben ihre zahlenden Kunden nach-
Verbände und Medienanstalten erreicht, dass der                       haltig vergrößert.
private Hörfunk in dem Rettungs- und Zukunfts-
programm des Bundes NEUSTART KULTUR berück-                           Gut ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland
sichtigt wurde. Darin ist eine Summe von bis zu                       hat neu geschaffene Online-Angebote genutzt.
20 Millionen Euro vorgesehen, mit der die Verbrei-                    Ob Online-Kurse, Online-Bildungsangebote oder
tungskosten der Veranstalter gefördert werden                         Live-Streams von Konzerten, Gottesdiensten und
können. Dies soll die in Zuge der Krise erlittenen                    anderen Events – sie alle haben angesichts der Ab-
Umsatzeinbußen ausgleichen und somit helfen,                          sage von gesellschaftlichen Präsenzveranstaltun-
den Hörfunk als unerlässliches Element der Medi-                      gen zur Eindämmung des Corona-Virus stark an
envielfalt zu sichern.                                                Bedeutung gewonnen. Insbesondere die Übertra-
                                                                      gungen von kirchlichen und kulturellen Veranstal-
Auf Basis von Verwaltungsvereinbarungen zwi-                          tungen haben in den ersten Wochen die Bürger
schen Bund und Ländern sowie – im Regelfall –                         über den Weg des Streamings erreicht.
von Ländern und Landesmedienanstalten werden
diese Mittel nun im Wege einer Projektförderung                       Die Direktorenkonferenz der Landesmedienan-
den Sendern zugeleitet.                                               stalten hatte sich bereits im April auf ein verein-
                                                                      fachtes Anzeigeverfahren beim Live-Streaming
Aufrechterhaltung von Anbieter- und Mei-                              von kulturellen oder religiösen Veranstaltungen
nungsvielfalt: Chancen und Herausforderungen                          sowie Bildungsangeboten geeinigt und damit
                                                                      schnell und pragmatisch gesellschaftliche Teil-
Dank der gemeinsamen Anstrengungen aller
                                                                      habe während des Lockdowns ermöglicht. Dieses
Akteure konnte vorläufig ein Weg aus der Krise
                                                                      Vorgehen stellt eine vorläufige Maßnahme wäh-
gefunden werden. Die weitere wirtschaftliche
                                                                      rend der Corona-Krise dar, die jedoch nicht das ge-
Entwicklung des Medienmarkts wird in den kom-
                                                                      setzliche Erlaubnisverfahren ersetzt.
menden Monaten jedoch genauestens zu beob-
achten sein. Die Sorge vor weiteren Lockdowns
                                                                      Aus der Krise lernen
und die Ungewissheit, wie schwer die zu erwar-
tende (globale) Rezession – und damit auch der                        Die Corona-Krise hat uns bereits zuvor vorhan-
Rückgang des Werbemarktes – ausfällt, bedeutet                        dene Herausforderungen noch eindringlicher vor
allerdings ein latentes Risiko für eine erneute Ver-                  Augen geführt: Das gilt vor allem für die Refinan-
schlechterung der Lage. Auch davon unabhängig                         zierung des Qualitätsjournalismus, der eine der
deutet alles darauf hin, dass sich der Erholungs-                     Kernaufgaben der Anbieter ist. Die Krise hat ein-
prozess in der Branche eher langsam und schlep-                       drücklich gezeigt, wie sensibel und verwundbar
pend entwickeln dürfte.                                               unser Rundfunksystem in Deutschland ist. Umso

1   Deloitte Media Consumer Survey 2020: https://www.deloitte-mail.de/u/register.php?CID=141631293&f=22800

24
Abbildung 3

Nutzung von neuen Online-Angeboten während Corona (in Prozent)

Online-Kurse oder Bildungsangebote wie z. B. Sport-, Musik-,
                                                                         20,6
                Sprachkurse oder Lernangebote für Schüler                                                             37,0 %
                                                                                                                haben mindestens
Livestreams von kulturellen oder religiösen Veranstaltungen
                                                                        17,7                                    ein neues Online-
                      (z. B. Konzerte, Oper, Gottesdienste …)
                                                                                                              Angebot während der
                                                                                                               Corona-Zeit genutzt
 Online-Angebote, die Firmen oder Mitbürger unterstützen,
                                                                 10,8
                    z. B. der Verkauf von Gutscheinen oder
                  Hilfe beim Einkaufen für Risikopatienten

                                               Nichts davon                                         62,9

                                  Weiß nicht / keine Angabe      0,5

Basis: 70,598 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 943 (Zeitraum, in dem Corona spezifische Fragen gestellt wurden);
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2020-I (Kantar)

wichtiger wird es sein, die Folgen der Krise zu ana-                       Den höchsten Zugewinn an informierender
lysieren, um daraus Schlussfolgerungen zu ziehen,                          ­Tagesreichweite seit Krisenbeginn verzeichnete
wie die Branche zukünftig womöglich besser für                              das Internet mit plus 19 Prozent. Als Anlaufstel-
Krisen gerüstet werden kann.                                                le für Informationen lagen die Webseiten tradi-
                                                                            tioneller Medien mit 47 Prozent und Internetsei-
Desinformation im Netz eindämmen                                            ten ­offizieller Stellen wie der Webpage des Robert
                                                                            Koch Instituts (RKI) oder der Bundesregierung mit
Die Coronakrise hat uns allerdings auch vor Au-
                                                                            48 Prozent in ihrer Nutzung noch weit vor sozia-
gen geführt, wie sich über soziale Netzwerke und
                                                                            len Netzwerken, Podcasts oder Videoplattformen.
Messenger-Dienste Verschwörungstheorien und
Desinformationen verbreiten können. Die Debat-
                                                                           Dies spricht eine klare Sprache: Gerade in Krisen
te erreichte zumindest während der Pandemie
                                                                           zeigt sich, dass mediale Glaubwürdigkeit auf der
mehr Menschen als zuvor. Welche Entscheidung
                                                                           Basis journalistisch professioneller Recherche
Bürger in unterschiedlichen Lebensbereichen tref-
                                                                           fußt.
fen, hängt maßgeblich von Ihrem Zugang zu Infor-
mationen ab. Denn auf deren Grundlage werden
                                                                           Nach Ausbruch der Corona-Krise muss noch
Meinungen gebildet, die unser Handeln beeinflus-
                                                                           ­klarer sein: Desinformation ist keine Meinung,
sen. In einem Ausnahmezustand wie der Corona-
                                                                            ­Fake-News sind keine Nachrichten, für Hass und
Pandemie beeinflusst dieses Handeln auch direkt
                                                                             Rassismus kann es keine Toleranz geben. Diese
den weiteren Verlauf der Pandemie.
                                                                             Phänomene haben ein enormes gesellschaftliches
                                                                             Schädigungspotenzial. Es gilt deshalb, geltendes

                                                                                                                                     25
Recht konsequent durchzusetzen, um damit den                                 dingungen, um Anbieter- und Angebotsvielfalt
Prozess der freien Meinungsbildung als funda-                                mit Qualitätsangeboten zu sichern. Wir brauchen
mentale Voraussetzung unseres demokratischen                                 geschützte Meinungsbildungsprozesse, transpa-
Gemeinwesens zu schützen. Eine Aufgabe des Di-                               rente Angebote und einen entsprechenden Zu-
gital Services Act auf europäischer Ebene wird es                            gang. Die Medienanstalten wollen und werden
sein müssen, Klarheit zu schaffen, welche Verant-                            ­diesen Prozess als relevanter Player zielführend
wortung Plattformen wie Google, Facebook, Twit-                               und e
                                                                                  ­ ngagiert mitgestalten.
ter und Co. zukünftig für die durch sie verbreiteten
Inhalte tragen.

Lösungen für die Zukunft gestalten

Die Ungewissheit, wie die globale Pandemie in
Deutschland weiter verlaufen wird, bleibt. Und
damit auch die Unwägbarkeit über die weitere
wirtschaftliche Entwicklung privater Medienange-
bote und den öffentlichen Diskurs im Netz. Den-
noch sollten wir die Krise auch als Chance sehen.
Wir haben es nun der Hand, in den aufgezeigten
Handlungsfeldern Lösungen für die Zukunft zu
gestalten. Wir brauchen zeitgemäße Rahmenbe-

Abbildung 4

Nutzung von Internetangeboten zur Information über Corona (in Prozent)

   Internetseiten öffentlicher Stellen wie z. B. des Robert
                                                                                       47,8
 Koch Instituts oder des Bundesgesundheitsministeriums

     Internetseiten / Apps traditioneller Medien, z. B. von
                                                                                      46,8                            11,0 %
Tageszeitungen, Zeitschriften oder TV- bzw. Radiosendern
                                                                                                                   haben soziale
                                        Soziale Netzwerke                                                         Netzwerke auch
                                                                       21,0
                wie z. B. Facebook, Twitter oder Instagram                                                          zur lokalen
                                                                                                                 Information über
                              Podcasts zum Thema Corona,                                                          Corona genutzt.
                                                                      18,6
                      z. B. von Experten (Ärzte, Virologen)

                      Videoplattformen wie z. B. YouTube           17,7

                               Sonstige Internetangebote        4,2

Basis: 70,598 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 943 (Zeitraum, in dem Corona spezifische Fragen gestellt wurden);
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2020-I (Kantar)

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Daniela Beaujean                                                  Frank Giersberg
                          Die Juristin Daniela Beaujean                                     Frank Giersberg, Kaufmann und
                          verantwortet als Geschäftsfüh-                                    Politikwissenschaftler, ist als
                          rerin den Bereich „Recht und Re-                                  Geschäftsführer für den Bereich
                          gulierung“ des VAUNET. Darüber                                    „Markt- und Geschäftsentwick-
                          hinaus ist sie auch Justiziarin des                               lung“ im VAUNET zuständig
                          Verbandes.                                                        und kaufmännischer Leiter des
                                                                                            Verbandes.

Gespräch mit den­VAUNET-
Geschäftsführern Daniela Beaujean und
Frank Giersberg

»        Reichweiten lassen sich nicht ausreichend
         kapitalisieren

Die Coronavirus-Pandemie hat die Rund-                          tigen Informations- und Unterhaltungsprogram-
funkbranche vor enorme Herausforderungen                        men ist in der Krise zwar deutlich gestiegen, aber
gestellt. Wie stellt sich die Situation für die                 die Reichweiten lassen sich am Werbemarkt der-
Anbieter nach den Lockerungen der Präven­                       zeit einfach nicht ausreichend kapitalisieren. Das
tionsmaßnahmen dar?                                             Eventgeschäft der Sender steht praktisch still und
                                                                Programmproduktionen sind wegen der notwen-
Frank Giersberg: Private Radio- und TV-Sender
                                                                digen Sicherheitsvorkehrungen in der Pandemie
hatten in den letzten fünf Monaten dramatische
                                                                deutlich aufwändiger geworden und mit unkal-
Umsatzeinbrüche zu verzeichnen und auch die
                                                                kulierbaren Ausfallrisiken verbunden. Die Sen-
Lockerung der Maßnahmen hat noch längst kei-
                                                                der stemmen in der Krise also nach wie vor Zu-
ne Erholung gebracht. Niemand kann im Augen-
                                                                satzinvestitionen, während die Einnahmen weit
blick sagen, wie sich die Situation in den kom-
                                                                unter Normalniveau liegen und die Fixkosten für
menden Monaten weiter entwickeln wird und
                                                                ­Redaktionen und technische Verbreitung unverän-
dementsprechend zurückhaltend bleiben aktu-
                                                                 dert bleiben. Wirtschaftlich kann das nur eine be-
ell die Verbraucher und Werbekunden bei ihren
                                                                 grenzte Zeit gut gehen. Die Situation stellt sich als
Investitionsentscheidungen. Die Krise ist für die
                                                                 ernste Gefahr für die Medienvielfalt in Deutsch-
privaten Medienunternehmen also noch lange
                                                                 land dar.
nicht überwunden. Die Nachfrage nach hochwer-

                                                                                                                         27
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