Hessischer Journalistenpreis für FR-Chefredakteurin Bascha Mika - DJV Hessen
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Deutscher Journalisten-Verband ISSN 1861-9517 Landesverband Hessen e. V. Ausgabe 3 Gewerkschaft der Journalisten 2019 Hessischer Journalistenpreis für FR-Chefredakteurin Bascha Mika Jungjournalistentag: Hessischer Rundfunk: Ortsverbände: Filmförderung: Ingo Zamperoni Regionalnachrichten Oberbürgermeister Geschäftsführer motiviert Nachwuchs aus einem Guss und Minister zu Gast liebäugelt mit AfD 3/2019 1
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Aus dem Inhalt Editorial: Organ des Landesverbandes Qualitätsjournalismus nicht zum Nulltarif zu haben ........................ 3 Hessen (Rheinbahnstraße 3, 65185 Neues aus dem hr: Wiesbaden) und des Deutschen Journalisten-Verbandes e. V., Ge- Beschäftigungsverhältnisse abgesichert ............................................. 3 werkschaft der Journalisten. Hessischer Journalistenpreis: 30. Jahrgang, Oktober 2019 Nur Gewinnerinnen .............................................................................. 4 Herausgeber: Jungjournalistentag: Deutscher Journalisten-Verband Ingo Zamperoni will Impulse geben ................................................... 6 Landesverband Hessen e. V. Fotowettbewerb: V. i. S. d. P.: Knud Zilian Tipps vom Vorjahressieger Arne Dedert .............................................. 8 Redaktion: Hessischer Rundfunk: Dr. Christine Dressler (dre), Crossmediale Schaltzentrale installiert .............................................. 10 Jens Brehl (bre), Hessischer Ehrenbrief: Andreas Lang (ala), Bouffier würdigt Norbert Dörholts Engagement ............................. 12 Koordination: Andreas Lang Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft: Seit 70 Jahren täglich neue Prüfaufträge ........................................... 14 Schlussredaktion: Andreas Lang, Maik Schulz Fotografen haben Namen: Titelbild: Defizite in Verbandspublikationen ..................................................... 16 Rainer Rueffer Presserat: Anzeigen: Focus Online auch für Zulieferungen verantwortlich ...................... 18 Axel Häsler Berichterstattung und Werbung: Anschrift der Redaktion: Auf saubere Trennung achten ............................................................. 19 Rheinbahnstraße 3 65185 Wiesbaden Radio: Telefon: 06 11-3 4 1 9 1 24 FFH erweitert Programm im Webchannel ....................................... 20 Telefax: 06 11-3 4 1 9 1 30 Kolumne: E-Mail: info@djvhessen.de Homepage: www.djvhessen.de Halbherzig gegen Hetze und Propaganda ........................................ 21 Erscheinungsweise: Hessische Filmförderung: viermal jährlich Hans Joachim Mendigs vielsagendes Schweigen ............................ 23 Für Mitglieder im DJV Hessen ist der Resilienz: Heftpreis im Mitgliedsbeitrag enthal- Neues Weiterbildungsangebot des DJV Hessen ............................. 25 ten. Neue Serie: ISSN 1861-9517 Wo sich DJV-Mitglieder noch engagieren .......................................... 26 Gestaltung und Herstellung: Ortsverband Frankfurt: MSB VVW GmbH & Co. KG, Gotha Stolz im Stoltze-Museum .................................................................. 27 Ortsverband Wiesbaden: Veröffentlichungen, die nicht Plaudereien mit Ministern Dorn und Klose ....................................... 30 ausdrücklich als Stellungnahme des DJV-Vorstandes gekennzeich- Bad Hersfelder Festspiele: net sind, stellen die persönliche Kritische Töne von Deniz Yücel .......................................................... 32 Meinung des Verfassers dar. Für un- verlangt eingesandte Manuskripte kann keine Haftung übernommen werden. Nachdruck, auch auszugs- weise, nur mit Genehmigung des Herausgebers. Achtung: Texte für die nächste „Blickpunkt“- Ausgabe müssen an maxala@ online.de eingereicht werden. Einen goldenen Herbst wünscht die Redaktion allen Lesern. Foto: ala 2 3/2019
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Nicht zum Nulltarif zu haben D er DJV-Bundesverband wird 70. Herzlichen Glückwunsch kann man da nur sagen. Denn hier zu Lande und gerade jetzt, in diesen Zeiten, U nd wir müssen den Verlegern und Inten- danten der Öffentlich-Rechtlichen sowie Geschäftsführern der Privaten klar machen, dass sind starke Berufsverbände wichtig. Qualitätsjournalismus die bes- Im Journalismus ganz besonders. te Waffe im Kampf um Presse- freiheit und gegen Hetze und A llenthalben Versuche, die Presse- freiheit auch in Deutschland zu beschneiden, einzuschränken. Gera- Hassparolen ist. Dazu braucht es gut ausgebildete Journa- listen. de von denen, die öffentlich skandie- ren, dass man ja seine Meinung nicht frei äußern dürfe. Merken die eigent- lich selbst nicht, was sie da verzap- J unge Menschen, die sich überlegen, Journalistin oder Journalist zu werden, aber sind fen? Alber auch Behörden verunsichert von den Sparmaß- und Polizei verschanzen nahmen, die überall um sich sich allzu oft hinter dem Knud Zilian, Landesvorsitzender greifen. Gute Leute bekommt DJV Hessen Stichwort Datenschutz, man nicht zum Nulltarif, Quali- (Foto: Wolfgang Kühner) um Informationen nicht tätsjournalismus ebenfalls nicht. Also weiter zu geben an die müssen wir weiter machen, müssen Presse. Überzeugungsarbeit leisten, müssen aber auch in Tarifverhandlungen weiter Position beziehen. Ü berall da, wo so etwas ruchbar wird, müssen wir vom DJV einschreiten. Die Landesver- bände in den Regionen, der Bundesverband auf A lso nochmals: Glückwunsch Bundesverband und packen wir es gemeinsam an, für guten höchster Ebene. Dabei ist es wichtig, diese Struk- Journalismus in unserem Land und angemessene tur weiter auszubauen, weiter zu stärken. Nur so Bezahlung der Medienschaffenden. können wir gemeinsam auf allen Ebenen unseren Berufsstand gegen weitere Angriffe verteidigen. Euer Knud Zilian +++ Neues aus dem HR +++ Neues aus dem HR +++ Neues aus dem HR +++ Neues Fest im Bestand 3/2019 3
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien „Print ist nicht tot“ FR-Chefredakteurin Bascha Mika für bisheriges Lebenswerk ausgezeichnet – Silvia Dahlkamp beste Autorin des Jahres Sie ist links, sie ist krisenerprobt, war, hält diese nun wieder eine Verunsicherung, die bleibt. Zu sie schreckt vor einem klaren Wort Journalistin in Händen. Ein Um- sehr stecken der Mannschaft die nicht zurück und sie weiß zu mo- stand, den Bascha Mika nicht regelmäßigen Veränderungen der tivieren. Bascha Mika, seit über überbetonen würde. Auch wenn Mehrheitsverhältnisse seit Be- fünf Jahren zusammen mit Arnd der Feminismus Stil und Schreibe ginn der Krise bei der Rundschau Festerling Chefredakteurin der der früheren taz-Chefredakteurin 2003 in den Knochen. Und die Frankfurter Rundschau, erhält den ebenso prägt wie dezidiert linke Herausforderungen werden nicht Hessischen Journalistenpreis 2019 Positionen. weniger, weder die des Mark- für ihr bisheriges journalistisches Mindestens genauso sehr ist tes noch der aus dem digitalen Lebenswerk. Mika aber Teamplayerin. Mehr als Transformationsdruck resultie- einmal betont sie im Gespräch rende Anpassungsbedarf. Sie reiht sich damit ein zwischen mit dem „Blickpunkt“, dass der Und dennoch sieht sich Mika an Kollegen wie Werner D‘Inka, Hel- Preis nicht nur ihr gehöre, son- der Spitze einer „tollen Zeitung mut Reitze, Helmut Markwort dern ihrem Team aus heute noch mit einer großartigen Redaktion“, oder Dieter Kürten. Ende Septem- 80 festangestellten Redakteuren. die mit „unglaublicher Energie“ ber ist die mit 3000 Euro dotierte Von diesen haben aber nur 28 ei- an die Zukunft des Blattes denke, Auszeichnung in Frankfurt verlie- nen Vertrag mit der FR, der Rest aber auch an die Themen, die die hen worden. Zusammen mit vier ist bei der Pressedienst Frankfurt FR setze. Für die überregionale weiteren Preisen für herausragen- GmbH angestellt. Dass sie dieses Berichterstattung sei die Rund- de journalistische Leistungen im Rumpfteam nach den heftigen schau „state of the art“, gibt sich Land, die der DJV Hessen und die Turbulenzen und Zumutungen die Chefredakteurin im Vergleich Sparda-Bank Hessen ausgelobt des vergangenen Jahrzehnts mit der Konkurrenz selbstbe- haben. streicheln muss, ist ihr bewusst. wusst. Erstmals seit sechs Jahren, als Auch wenn ökonomische Zwänge „Print ist nicht tot“, ist Mika die legendäre Reporterin der ihren Tribut fordern. überzeugt. Seit den 90er Jahren Frankfurter Neuen Presse, Jutta Seit nun fünfeinhalb Jahren stellten Digital-Gurus diese The- W. Thomasius, mit der gläsernen scheint Mika und Festerling die- se auf, bis heute hätten sie nicht Skulptur ausgezeichnet worden ser Spagat zu gelingen. Bei all der Recht behalten. Auch wenn die Siegerreportage über Dorfrebellen Wie sich die abgeschnittene Gemeinde Alheim im Landkreis Hersfeld- Rotenburg zu einem Vorzeigeort für ökologisches Lernen entwickelt hat, beschreibt Silvia Dahlkamp einfühlsam und facettenreich in ihrer Sieger- Reportage „Unser Dorf soll weiterleben“. Die nordhessische Kommune stemmt sich mit unterschiedlichen Programmen und Initiativen gegen den demografischen Wandel in den weit verstreuten zehn Ortsteilen. So ist es gelungen, sich komplett mit selbst erzeugter Energie zu versorgen. Ein Dorfladen konnte über wirtschaftliche Turbulenzen hinweg erhalten werden. Das „mobile Rathaus“ kommt in abgelegene Ortsteile, und ein Landschulheim in einem verwaisten Bauernhof bringt Leben ins Dorf. „Bullerbü für Stadtkinder“ wie die Autorin liebevoll formuliert. Eine von vielen aufmerksamen Beobachtungen in einem Dorf, das sich nicht dem Fatalismus hingibt und sich auch durch Rückschläge nicht abbringen lässt von der Absicht, das „Kaff“ nicht verloren zu geben. Silvia Dahlkamp publiziert als freie Autorin mit Fokus auf gesellschaftspolitische und Gesundheitsthemen in Print- und Online-Medien. Mit ihrer Reportage „Ende einer Schulkarriere“, erschienen im Hamburger Abendblatt, war sie 2013 Finalistin beim Deutschen Journalistenpreis. (ala) 4 3/2019
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien gedruckte FR am Abgrund ent- „Haltung zeigt, der Menschen lang getorkelt ist: Letztlich hat sie befähigt, politisch zu denken sich wieder freigestrampelt. Die und zu handeln“. Auch um ihn zu Mitarbeiter hätten sich bestimmt immunisieren gegen die Vorhal- eine weniger dramatische Wider- tungen von Populisten und die legung der These vom Zeitungs- inflationär wacchsenden Zweifel sterben gewünscht. Letztlich ha- an der Glaubwürdigkeit. ben sie aber den Beweis erbracht, zu welchem Preis eine (linke) Ta- Familiengeschichte geszeitung weitergeführt werden kann. Stellvertretend auch dafür zu Ende schreiben nehme sie den Hessischen Jour- nalistenpreis entgegen. Mika selbst wollte schon als Kind Die gedruckte Auflage werde Geschichten schreiben auch ge- womöglich abnehmen, sich zu prägt durch die Erzähltradition Nimmt die Auszeichnung für die FR-Redaktion entgegen: einem Luxusprodukt für eine im oberschlesischen Elternhaus. Chefredakteurin Bascha Mika, hier mit dem DJV- gewisse Elite entwickeln, schaut Bevor sie diese Leidenschaft zum Landesvorsitzenden Knud Zillian. Foto: Rainer Rueffer Mika in die Zukunft. Aber sie wird Beruf machte, machte sie aber fortbestehen, ist sie sich sicher. zunächst eine Banklehre, arbei- Mika kurz auf – und kommt ganz Das gelte auch für Hessen, wo tete drei Jahre lang bei der Deut- schnell wieder auf die eigene Fa- die Medienkonzentration zwar schen Bank in Aachen und stu- milie zu sprechen, die sie so stark auch ihre Spuren hinterlasse, die dierte danach erst Afrikanistik, geprägt hat. Auf die Fluchterfah- Zeitungslandschaft aber immer später Philosophie, Germanistik rungen der Eltern über die Oder- noch vielfältig und farbig bemer- und Ethnologie. Letztlich zog es Neisse-Grenze und später wieder kenswert sei. sie doch in die Zeitungsredakti- zurück nach Polen. Darüber wie on, 1988 in der taz, wo sie Ende der Umgang mit Minderheiten Lebensmittel für der 90er Jahre in die Chefredak- diese prägt und zum Verstum- tion berufen wurde. Auf diesem men bringt. Darüber wie schwer die Demokratie Schleudersitz hielt sie es rekord- es ist, erlittenes Unrecht zu er- verdächtige zehn Jahre aus, ehe tragen und daran nicht zu zer- Diese Einschätzung speist sich die „Queen“, wie ein ZEIT-Redak- brechen. Nicht nostalgisch ver- auch aus ihren Erfahrungen in teur sie damals charakterisierte, klärt würde sie diese Geschichte der journalistischen Aus- und Berlin den Rücken kehrte. erzählen, sondern aufklärerisch, Weiterbildung, in der die 65-Jäh- Und welche Geschichte möch- feministisch, progressiv – so wie rige seit Anfang der 90er Jahre te sie nach 30 recht turbulen- es eben Mikas Stil ist. engagiert ist. Auch aus diesem ten Jahren im Journalismus nun Austausch erwachsen ihre grund- noch schreiben? Da lacht Bascha Andreas Lang legenden Überzeugungen zum Sinn und Ziel journalistischer Arbeit. Dass sich interessierter Nachwuchs eher in Richtung Die weiteren Preisträgerinnen PR orientiert, etwa um eine ver- Der Hessische Journalistenpreis wird seit 2006 vom DJV Hessen und der Sparda-Bank meintlich sichere Anstellung und Hessen verliehen. 2019 konnten Beiträge zum Thema „Soziale Nachhaltigkeit in Hessen“ ein auskömmliches Einkommen eingereicht werden, die eine Jury mit Vertretern aus Wissenschaft und Medienpraxis zu haben, sieht die gestandene beurteilt hat. „Mit dem Hessischen Journalistenpreis werden Arbeiten ausgezeichnet, die Journalistin nicht nur gelassen. in hervorragender Weise das Land Hessen als deutsche Wirtschafts- und Kulturregion in Sondern auch als Ansporn, den Europa, als einzigartige Landschaft und vor allem die Menschen in Hessen und ihr Leben Stellenwert von Qualitätsjourna- zum Thema haben“, beschreibt Markus Müller, Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank lismus zu unterstreichen. „Der Hessen, den Wettbewerbsgedanken. ist ein Lebensmittel für die De- Die Preisträger sind dieses Jahr allesamt weiblich. Gewonnen hat Silvia Dahlkamp für mokratie“, postuliert sie. ihre Reportage „Unser Dorf soll weiterleben“ im AOK-Magazin „G + G Gesundheit und Bei der FR kann sie über Nach- Gesellschaft“. wuchsmangel nicht klagen: In diesem Jahr haben fünf Volontäre Für ihr Multimedia-Special „Odenwälder Köpfe“, ausgestrahlt auf hr2-Kultur, wurden ihre Ausbildung begonnen, einer Christiane Kreiner und Karoline Sinur mit Silber bedacht. mehr als im Vorjahr. „Quanti- Auf dem dritten Platz sieht die Jury Constanze Kleis für ihren Artikel „Die blühende Stadt“ tativ wie qualitativ haben wir so im Magazin „Meinfeeling“. viele Bewerbungen bekommen wie seit Jahren nicht mehr.“ Nun Der Sonderpreis wurde Sabrina Dämon für ihre neunteilige Serie „Unter einem Dach“ in gelte es, einen Journalismus zu der Wetterauer Zeitung zuerkannt. (ala) pflegen und zu bewahren, der 3/2019 5
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Mit voller Absicht für die Mülltonne geschrieben Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni ist einer der Referenten beim Jungjournalistentag des DJV Hessen im November in Frankfurt Auch er hat mal klein angefangen: weiter zu versuchen“, berichtet für Medien, Kommunikation und Für die Schülerzeitung der Leib- Zamperoni im Gespräch mit dem Wirtschaft (HMKW) zuvorderst nizschule in Wiesbaden hat Ingo „Blickpunkt“. Sein Debütstück vermitteln. „In der digitalisierten Zamperoni, einer der Referenten hat er zwar für die „Mülltonne“ Medienwelt, in der vermeintliche beim Jungjournalistentag Mitte geschrieben, für die Tonne war es Nachrichten via Smartphone in November in Frankfurt, Anfang aber mitnichten. Echtzeit verbreitet werden, ist es der 90er Jahre seinen ersten Arti- zwar kaum mehr möglich, un- kel geschrieben. Der Gymnasiast hatte alle Frei- ter den Ersten zu sein. Aber der heiten, sich in der Schülerzeitung Drang, immer gleich live senden Damals hatte Saddam Hussein weiter auszubreiten. Zensiert wur- zu wollen, entbindet nicht von der mit der Okkupation Kuwaits einen de keiner seiner Artikel durch die Pflicht, sauber zu recherchieren. Krieg provoziert. In einer Analyse Schulleitung. Maßgeblich aus dem Gründlichkeit geht immer noch führte der Jungjournalist aus, wa- Grund, dass Zamperoni gründlich vor Schnelligkeit“. rum die Golfregion seit jeher ein recherchierte und ausgewogen be- Pulverfass ist. Am Tag nach dem richtete. In einer Zeit, in der Nach- Journalismus: Wandern Erscheinen der „Mülltonne“ be- richten noch entschleunigter pro- zwischen den Welten dankte sich eine Mitschülerin bei duziert und verbreitet wurden ein dem Autoren, weil sie nach der einfacheres Unterfangen. Aber für Will heißen: Jenseits der Breaking Lektüre die komplizierten Zusam- Zamperoni keine Entschuldigung News fängt die Arbeit der Journa- menhänge und Verflechtungen für gewissenhaftes Arbeiten auch listen erst an. Die Nachricht zu endlich verstanden habe. unter Zeit- und Erwartungsdruck. sortieren, einzuordnen und zu ge- wichten ist der Mehrwert, den eine Dass eine Leserin meine Erläute- „Be first, but first be right“ – die- journalistische Berichterstattung rungen verstanden und einen Er- sem Grundsatz folgt der Tages- bietet. Blasen bilden sich in den kenntnisgewinn daraus gezogen themen-Moderator bis heute. Und sozialen Netzwerken mit rasanter hat, war für mich Motivation und diese Einstellung will er beim Jung- Geschwindigkeit. In diese zu ste- Ansporn, mich auf diesem Terrain journalistentag in der Hochschule chen, die heiße Luft herauszulas- sen und die verbliebene Substanz zu verarbeiten ist der Anspruch, Weitere Referenten beim Jungjournalistentag dem sich auch Zamperoni ver- pflichtet fühlt und für den er bei Der zweite Jungjournalistentag am 16. November in der Frankfurter Hochschule für seinem Vortrag in Wiesbaden sen- Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) richtet sich an Nachwuchsjournalisten, sibilisieren will. Dass der nächste Studenten und Oberstufenschüler. Er steht unter dem Motto „Journalismus - wandern Jungjournalistentag – womit Nach- zwischen den Welten“. Als Referenten haben über Anchorman Ingo Zamperoni hinaus wuchsjournalisten, Studenten und bislang zugesagt: Professor Oliver Quiring, Leiter des Lehr- und Forschungsbereichs für Oberstufenschüler gemeint sind Kommunikationswissenschaften an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz – unter dem Titel „Journalismus – Gregor Mayer, Leiter Digitale Medien bei phoenix wandern zwischen den Welten“ fir- miert, unterstreicht diesen Ansatz. Stefan Schröder, Chefredakteur des Wiesbadener Kuriers Andreas Fauth, Chefredakteur der Multimedia-Redaktion des evangelischen Medienhauses Dem Anchorman der ARD ist be- in Frankfurt und Leiter der evangelischen Hörfunkschule in Frankfurt wusst, dass er bei seinem öffent- lich-rechtlichen Arbeitgeber in Stanley Vitte, Hochschulbeauftragter des DJV Nordrhein-Westfalen einer privilegierten Situation ar- Wolfgang Kiesel, Journalist und Dozent beitet; und das Umfeld und Team hat, um diesen professionellen An- Alice Engel, Pressesprecherin im hessischen Sozialministerium, davor Journalistin beim hr sprüchen zu genügen. „Viele ande- Wolfgang Kothen, Standortleiter HMKW re Kollegen arbeiten unter anderen ökonomischen Bedingungen und Knud Zilian, Vorsitzender des DJV Hessen, Gesamtpersonalratsvorsitzender beim hr sind einem deutlich stärkeren Druck ausgesetzt“, ist sich Zam- 6 3/2019
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien peroni bewusst. „Da braucht es Mut, um sich durchzubeißen.“ Mit der gereiften Mentalität der User, Online-Inhalte kostenlos konsu- mieren zu können, sei zudem eine Büchse der Pandora geöffnet wor- den. Dennoch prognostiziert auch er dem Qualitätsjournalismus eine Zukunft. Was aber unter anderem voraus- setze, den Leser, Zuschauer, User ernst zu nehmen, Glaubwürdigkeit mit seriöser Berichterstattung auf- zubauen und zumindest den Ver- such zu unternehmen, Vertrauen zu bilden. „Das ist anstrengender und zeitintensiver geworden, das spornt unseren Berufsstand aber auch an, korrekt und gewissenhaft zu arbeiten.“ Multimediale Strategie beim NDR ausgebaut Und wie erreichen Tagesschau und Am Tag der Pressefreiheit, dem 3. Mai, hat Ingo Zamperoni Tagesthemen, die Flaggschiffe in ben.“ Journalismus zwischen zwei Geburtstag. Bei seinem Besuch voriges Jahr in der Wiesbadener der als immer behäbiger wahr- Welten eben. Und wer, wenn nicht Geschäftsstelle hatte ihm Schatzmeisterin Gabriela Blumschein mit Mozartkugeln zum 44. gratuliert. Foto: Andreas Lang genommenen ARD-Flotte, junge einer wie Mister Tagesthemen Zuschauer und neue Zielgruppen? kann zwischen diesen zwei Welten Zum einen, jenseits der Berliner vermitteln? Weshalb er nicht lange Prinzipien, mit denen der Wahl- Politik-Analyse Inhalte zu thema- überlegt hat, als ihn Stefan Schrö- Hamburger aus Wiesbaden gut tisieren, die in deren Alltagsleben der, Chefredakteur des Wiesbade- gefahren ist und die er weiterge- hineinwirken, führt Zamperoni ner Kuriers und einer der weiteren ben will. Er hat es damit immerhin aus. Zum anderen, indem sie die- Referenten auf dem Jungjournalis- vom Krankenhaus-Rundfunk in der se Inhalte nicht nur linear versen- tentag, für dieses Format angewor- hessischen Landeshauptstadt ins den, sondern auf nutzeraffinen ben hat. Tagesthemen-Studio in Lokstedt Kanälen in den sozialen Medien geschafft. ausspielen. Um diese Strategie Nicht gleich das erste Nein akzep- weiter auszubauen und passge- tieren, hartnäckig bleiben, nach- nauer produzieren zu können, ist haken – das sind journalistische Andreas Lang auf dem Gelände des NDR neben dem Stammhaus für die Redaktion von ARD aktuell ein weiteres Haus gebaut werden, in dem News- Pate der „Feder für die Pressefreiheit“ room-Strukturen nach den Ideen Über die Fürsprache von Chefredakteur Stefan Schröder hinaus hat der Charme von DJV- der NDR-Mitarbeitern eingerichtet Schatzmeisterin Gabriela Blumschein ein Übriges getan, Ingo Zamperoni für eine weitere worden sind. Zusammenarbeit mit dem Landesverband zu gewinnen. Dieser hatte im vergangenen Jahr erstmals verfangen als sie den Moderator als Paten für die Vergabe der „Feder für die Die digitale Transformation, mul- Pressefreiheit“ zu gewinnen. Diese Auszeichnung in Form eines Füllfederhalters, die am timediale Dossiers und die Aus- Tag der Pressefreiheit am 3. Mai verliehen wird, soll an Journalistinnen und Journalisten richtung auf jüngere Zuschauer erinnern, die aufgrund ihrer unerschrockenen Berichterstattung drangsaliert werden. begreift Zamperoni jedenfalls Sie ging bei der Premiere an die türkische Journalistin und Künstlerin Zehra Dogan und nicht als Ballast, sondern als eine dieses Jahr an den ägyptischen Journalisten und Blogger Ismail Iskandarani. Sie sind auf faszinierende und inspirierende Empfehlung Zamperonis, der an diesem Tag seinen Geburtstag feiert, ausgewählt worden. Herausforderung. Und als Bewäh- Dogan ist mittlerweile aus der Haft entlassen worden, und hält sich auf Einladung des rungsprobe für den Journalismus, Autorenverbands PEN in London auf. Iskandarani verbüßt eine zehnjährige Haftstrafe wie er ihn einst im Leibniz-Gymna- wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation und Verbreitung sium erlernt hat. „Die technischen falscher Nachrichten. ala Möglichkeiten haben sich verän- dert, die Grundwerte sind geblie- 3/2019 7
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Gespür für den magischen Moment 13. Fotowettbewerb der DJV-Landesverbände Hessen und Thüringen läuft – Vorjahresgewinner Arne Dedert über den besonderen Blickwinkel Fingerzeig: Mit dieser Kunstinstallation von Präsident Erdogan hat Arne Dedert voriges Jahr den Wettbewerb gewonnen. Foto: dpa Deutsche-Presseagentur GmbH Landtag präsentiert werden. Vo- und die Schokoladenseiten einer riges Jahr hat Arne Dedert, Fo- Festanstellung. Ende September ist die Frist tojournalist im dpa-Landesbüro abgelaufen, um Aufnahmen für mit Sitz in Frankfurt, die Jury am Herr Dedert, nach über 35 Jah- die Teilnahme am Wettbewerb stärksten beeindruckt, mit der ren in diesem Job scheinen Sie „PresseFoto Hessen-Thüringen“, Aufnahme einer überdimensi- einen Blick zu haben für den be- zum 13. Mal ausgelobt von den onalen und vergoldeten Statue sonderen Moment. Binnen zehn beiden DJV-Landesverbänden des türkischen Präsidenten Re- Jahren haben Sie zweimal ein Hessen und Thüringen, einzurei- cep Tayyip Erdogan, die auf der Foto des Jahres aufgenommen, chen. Das Foto des Jahres und Wiesbaden Biennale nach 24 2008 mit der gescheiterten frü- die attraktivsten Aufnahmen Stunden vorsorglich wieder ab- heren SPD-Landesvorsitzenden aus dem Verbreitungsgebiet in gebaut worden war. Wir sprachen Andrea Ypsilanti und voriges sechs weiteren Kategorien sollen mit Dedert über die Kompositi- Jahr mit den Irritationen, die Anfang Dezember im Thüringer on einer gelungenen Aufnahme die vier Meter hohe Erdogan- Büste auf dem Wiesbadener Kunstfestival auslöste. Hatten Zur Person Sie es im Gefühl, dass Ihnen da- mit wieder eine herausragende Arne Dedert (55) hat 1985 bei der Sportfoto-Agentur Baumann in Aufnahme geglückt ist? Ludwigsburg volontiert. Ende der 80er Jahre wechselte er als freier Geahnt habe ich es, dass das Bild Bildjournalist zur Agentur AP, für die er unter anderem den Fall der Potenzial zum Blickfang hat. Ge- Berliner Mauer dokumentierte. 1993 heuerte Dedert für kurze Zeit rechnet habe ich damit nicht. Ich bei Reuters an, ehe er 1995 bei dpa festangestellt wurde. Was er als nehme regelmäßig an dem Wett- „Sechser im Lotto“ bezeichnet, hat er der Fürsprache von dpa-Kollegen zu verdanken, bewerb teil und bin jedes Mal die ihn bei diesem Arbeitgeber empfahlen. Dedert ist einer von zwei festangestellten beeindruckt von der Qualität der Bildjournalisten für den dpa-Landesdienst Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland, die vom Einreichungen. Die Konkurrenz regionalen Multimedia-Redakteur am Newsdesk in Frankfurt gesteuert werden. Über die ist beeindruckend. beiden Siegerfotos aus 2008 und 2018 hinaus hat er voriges Jahr auch in der Kategorie Umwelt und Natur überzeugt, mit der Silhouette eines Rehs, das eine Landstraße passierte. Was macht ein gutes Bild aus? „Ich hatte auf einen Radfahrer gewartet, um die Szenerie etwas zu beleben. Stattdessen Lassen Sie mich das anhand der ist mir ein Reh vor die Linse gelaufen.“ (ala/Foto: Axel Häsler) Erdogan-Installation erläutern: Da erhielt ich morgens den An- 8 3/2019
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Akrobatisch: Der frühere Frankfurter Eintracht-Stürmer Luca Jovic beim Schuss aufs Tor – fotografiert von Arne Dedert. ruf, dass diese auf dem Platz der tuation vor Ort wider. Deutschen Einheit zur allgemei- nen Überraschung unangekün- Wie sehr kam Ihnen zugute, digt aufgestellt worden war. Ich dass Sie nicht unter Zeitdruck hatte die Möglichkeit, mich den standen? übrigen Material, das Sie ver- ganzen Tag über dort aufzuhal- Geahnt habe ich es, dass das sandt haben? Was macht seine ten und konnte nachspüren, wie ein komfortabler Vorteil war. Ich Magie aus? sich da Emotionen aufgebaut habe den ganzen Tag über Kon- Ein gutes Bild soll den Betrachter haben. Die zunehmend gereizte takt mit der Redaktion gehalten für längere Zeit fixieren, soll ihn Stimmung, die sich da aufgebaut und diese mit Fotos bedient. zum Verweilen animieren. Idea- hat, konnte ich mit der Kamera Gleich zu Beginn für die digitalen lerweise soll es in Erinnerung über einen längeren Zeitraum Medien. Später habe ich von bleiben, sich im Gegensatz zu dokumentieren. Das letztlich verschiedenen Standorten aus einer flüchtigen Momentaufnah- prämierte Bild ist relativ spät an nachgeliefert, insgesamt über me einbrennen. Und es soll eine diesem Tag entstanden. Ich habe 20 Bilder. Das Siegerfoto konnte Entwicklung dokumentieren, diesem Objekt eines anonymen ich aus erhöhter Position im Flur in diesem Fall die wachsende Spenders bewusst den Titel „pro- eines Wohnhauses aus machen. Aufmerksamkeit und die unter- vokative Kunst“ gegeben. Das schiedlichen Reaktionen der Be- spiegelt mein Empfinden der Si- Was unterscheidet es von dem trachter auf diese Provokation. Der Wettbewerb Metz, Monika Plhal sowie Matthias Haupt, Sprecher des Hauptsponsors und Rüdiger Pichler von der hessischen Zum 13. Mal haben die DJV-Landesverbände Hessen und Film- und Medienakademie. Thüringen den Wettbewerb „PresseFoto Hessen-Thürin- Ausgewählte Bilder werden nach der Preisverleihung Anfang gen“ ausgeschrieben, den die Sparkassen-Finanzgruppe Dezember im Thüringer Landtag in einer Wanderausstel- Hessen-Thüringen wieder als Hauptsponsor unterstützt. lung in beiden Bundesländern gezeigt. Alle ausgezeichne- Neben dem Foto des Jahres werden die anspruchsvollsten ten Aufnahmen, die laut Veranstalter die „Arbeit fotografie- Aufnahmen in sechs Kategorien mit Geld- und Sachprämien render, hauptberuflicher Journalistinnen und Journalisten honoriert: beste Serie, Menschen und Momente, Kultur und der Öffentlichkeit nahebringen und das aktuelle Geschehen Gesellschaft, Sport und Freizeit, Umwelt und Natur sowie in Hessen und Thüringen dokumentieren“ sollen, werden Technik und Verkehr. on einem Katalog aufgenommen. Dafür haben die beiden Übe die Vergabe der Preise entscheidet eine Jury, bestehend Landtagspräsidenten Birgit Diezel (Thüringen) und Boris aus den Journalisten Umberto Biagioni, Anke Deleiter, Hen- Rhein (Hessen) die Schirmherrschaft übernommen. ner Flohr, Roland Holschneider, Sergej Lochthofen, Dirk (ala) 3/2019 9
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Die Kunst besteht nicht nur da- Wesentlichste, bis hinein in die vom vorbeiziehenden Sarg hat rin, zur rechten Zeit am rechten Schwarz-Weiß-Farbkompositi- es auf die Titelseite der FAZ ge- Ort zu sein, sondern einen be- on. schafft. Zu den bekannteren zählt sonderen Moment zu antizipie- In dieser aufgeheizten Pha- auch die Szene in Deidesheim, ren. Wenn man diesen vor Augen se der Landespolitik, in der sie als die damalige Premierminis- hat, ist es schon zu spät zum ihre Chancen auslotete, von der terin Margaret Thatcher beim Abdrücken. Linkspartei mitgetragen, Minis- Eintrag ins Goldene Buch die terpräsidentin werden zu kön- vertauschten Wimpel von Groß- Kann man lernen, reizvolle Au- nen, nutzte sie eine Pause in britannien und Deutschland auf genblicke vorwegzunehmen? der Plenarsitzung, um sich zum dem Tisch vor ihr umdrehte. Es ist schon ein Anspruch, kon- Telefonieren zurückzuziehen. Ich zentriert zu bleiben und ein Ge- hatte das Glück, mich ebenfalls Der Fall der Berliner Mauer, den spür dafür zu entwickeln, was als im Flur aufzuhalten und sie un- Sie als junger Bildjournalist vor Nächstes passieren könnte. Und verstellt studieren zu können. Ort verfolgen konnten, hat kei- es braucht Geduld, bis etwas ge- nen vergleichbar nachhaltigen schieht, was das Geschehen au- Welche weiteren besonderen Eindruck hinterlassen? thentisch abbildet. Motive sind Ihnen in Erinnerung Da fehlte mir noch die Routine, geblieben? um dieses Gespür entwickelt Das zweite Bild, mit dem Sie Da sind im Lauf der Jahrzehnte zu haben. Was mir aber in Er- einen Fotowettbewerb gewon- einige zusammengekommen. innerung geblieben ist, ist die nen haben – die telefonieren- Etwa ein akrobatisches Tor von Demontage der Quadriga vom de Andrea Ypsilanti im Flur des Luka Jovic für Eintracht Frankfurt Brandenburger Tor zur Sanie- Wiesbadener Landtags – ver- oder der Trauergottesdienst für rung. Als diese mächtige Skulp- anschaulicht das genaue Ge- Helmut Kohl im Speyerer Dom, tur über mir schwebte, war das genteil: Einsamkeit, fast schon wo ich mich auf der Empore posi- schon imposant. Intimität, Reduktion auf das tionieren konnte. Die Aufnahme Andreas Lang Geschichten in Bildern erzählen Mit dem Frankfurter Bildjournalisten Arne Dedert haben wir über seine besonderen belichteten Momente gesprochen, mit Alexandra Schuler, stell- vertretende Redaktionsleiterin bei dpa in Berlin, über den Stellenwert des Fotojournalismus unter crossmedialen Voraussetzungen und ökonomischen Sachzwängen. Frau Schuler, welche besonderen Fähigkeiten muss ein Bildjournalist mit- bringen? Im Prinzip braucht ein Bildjournalist ein ähnliches Mindset wie alle anderen Foto: Kai Nietfeld Journalisten auch. Dazu zählen Neugier, Offenheit, Organisationstalent und einfach sauberes Arbeiten. Zusätzlich sind eine gute Portion Kreativität, Sinn für Ästhetik und das viel zitierte Gespür für den richtigen Augenblick notwendig. Zunehmend wichtig ist es, multimedial zu denken und produzieren zu können. Videoproduktion und Ton sollten keine Fremdwörter sein. Auch für Bilder, die in Social Media verwendet werden, gelten oft andere Regeln. Die muss man drauf haben. Letztlich geht es um die komplette Kompetenz für das Visual Storytelling. Mit wie viel Sorge beobachten Sie den Trend, dass immer mehr Wortjournalisten den Job von Bildjournalisten ersetzen (müssen)? Das macht mir relativ wenig Sorge. Ich sehe das eher auch als Chance. Im Zuge der Digitalisierung zerfließen die strengen Schranken zwischen den Genres mehr und mehr. Da braucht es gute, multimedial aufgestellte Fotojournalisten genauso wie gute Schreiber, die auch gleich mal ein passendes Bild produzieren können. Das bilden wir in weiten Teilen so auch in unserem Volontariat ab. Wir nennen diese Rolle Multimedialer Reporter. Am Ende ist es entscheidend, dass die Qualität stimmt. Würden Sie Nachwuchs dazu raten, diesen Beruf zu ergreifen? Hat er Zukunft? Bildjournalist zu sein ist nach wie vor ein spannender und vielseitiger Beruf. Aber das Berufsbild hat sich verändert und wird sich weiter verändern. Im Zeitalter der Smartphones haben wir als Pressevertreter viele Bilder eben nicht mehr exklusiv. Hier liegt aber auch die große Chance für Bildjournalisten. Wir müssen verifizierte und wahrhaftige Inhalte liefern. Die Menschen müssen sich bei den Qualitätsmedien darauf verlassen können, dass das, was sie sehen, auch der Wirklichkeit entspricht. Dass Bilder nicht aus dem Zusammenhang gerissen oder verfälscht werden. Unsere Expertise und unsere Verlässlichkeit hat mittlerweile eine ungeheure Wer- tigkeit. Das macht unsere Arbeit so verantwortungsvoll – und eben deshalb auch so spannend. Die Fragen stellte Andreas Lang 10 3/2019
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Mehrkanal-Verstärker Seit einem Jahr werden in der „Hessen Unit“ des Hessischen Rundfunks Nachrichten aus dem Land crossmedial aufbereitet – Jörg Rheinländer Leiter Wo genau liegt eigentlich Alten- stadt, dieser bisher weitgehend unbekannte Ort in Hessen, in dem im September der NPD- Kandidat Jagsch zum Ortsvor- steher gewählt worden ist? Und welche Parteivertreter im Orts- beirat haben ihn ins Amt ge- hievt? Zwei der vielen Fragen, die sich einem politisch Interes- sierten zu diesem ungewöhn- lichen Vorgang stellen und zu dem sie schnell eine Antwort suchen. Fündig wurden Nutzer des Hes- sischen Rundfunks zum Bei- spiel auf hessenschau.de, wo seit einer tiefgreifenden Struk- turreform vor gut einem Jahr crossmediale Inhalte wesent- lich dichter verknüpft werden als in der Vergangenheit. Diese Online-Adresse, aber auch die Neue Schaltstelle: An diesem Desk laufen die regionalen Nachrichten zusammen und werden für die diversen Ausspielwege aufbereitet. Foto: Andreas Lang Mutter im hr-Fernsehen soll noch öfter als Quelle regionaler Informationen wahrgenommen ren sollte. „Wir wollen unsere nen Schreibtisch stehen hat); und angezapft werden. Relevanz als regionaler Nach- und eines für das operativ Ge- richtenproduzent steigern“, schäft, wo auf kurzen Dienst- Das ist jedenfalls das Ziel der gibt Rheinländer als Devise aus. wegen die Ausspielwege abge- neuen Hessen Unit im hr. Und Vorgedacht und vorbereitet soll stimmt und mit den Außenstu- der Auftrag von Jörg Rheinlän- diese in einem komplett neuen dios in Kassel, Gießen, Fulda der, seit August 2017 Leiter Trakt mit bisher zwei Desks und und Darmstadt koordiniert dieses neu geschaffenen und insgesamt 80 Arbeitsplätzen werden. Zur Themenfindung crossmedial konzipierten Pro- am Frankfurter Dornbusch, wo können sich die Mitarbeiter aus grammbereichs „Hesseninfor- die Teams in situationsabhän- den verschiedenen Programm- mation“. Hessen, aktuell und gigen Konstellationen planen bereichen, die zum Tagdienst informativ – das war das Anfor- und produzieren können. Eine an den Desk abgestellt werden, derungsprofil, das der frühere Etage tiefer soll nun weiterer in beliebiger Konstellation zu- ARD-Korrespondent in Spanien Arbeitsplatz für die Reporter sammenfinden. Denn regionale und Chef der „Hessenschau“ geschaffen werden. Nachrichten verbreiten in ihrem vom Intendanten mit auf den Programm alle sechs Radiowel- Weg bekommen hat. Mit die- Mit einer Architektin ist eine len (inklusive YOU FM und hr- sem Anspruch sollte eine Pro- offene Landschaft geschaffen iNFO), die Hessenschau und jektgruppe um Rheinländer eine worden. Die wenigen Büros, die die Maintower-Redaktion aus Arbeitsumgebung schaffen, in gebraucht werden, um unge- dem Fernsehen, hessenschau. der ein variables Team von Mit- stört arbeiten zu können, sind de und die Social-Media-Redak- arbeitern aus den Ausspielwe- gläsern. tion via Facebook, Instagram gen Fernsehen, Radio, Online und Twitter. Insgesamt arbeiten und Social Media schnell und Zentral sind zwei Großraumbü- rund 350 feste und freie Mit- umfassend regionale Nachrich- ros, eines für die strategische arbeiter dem neu konzipierten ten aufbereiten beziehungswei- Gesamtplanung (wo Chef Programmbereich. se auf Nachrichtenlagen reagie- Rheinländer am Kopfende sei- Die immer weniger in ihren 3/2019 11
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Grafiken von einem Arbeiten im Großraumbüro kei- Team, das ebenso nen Tinnitus auslösen muss. angedockt ist wie Alle Mitarbeiter werden für ih- eine Produktions- ren neuen Einsatz in der Unit einheit, die alle Pro- gezielt geschult und absolvie- duktionsmittel vom ren eine Basisschulung sowohl Kamerateam bis hin für crossmediales Arbeiten als zu den Schneide- auch für einen Ausspielweg jen- plätzen direkt in den seits ihrer Kernkompetenz. „Da Re dak tionsr äum e n war so mancher überrascht, koordiniert. Neu ge- welche Fähigkeiten er für ein schaffen wurde die anderes Medium entwickeln Position eines Mate- kann und welche Chancen es rial Scouts, der dafür birgt, über den Tellerrand der sorgt, dass etwa aus bisherigen Produktion hinaus- einem TV-Interview zublicken“, so Rheinländers auch ein Audio-File Beobachtung. für eine Radiowelle entsteht. Mit dem Zwischenstand nach einem Jahr ist er jedenfalls zu- Simulation frieden. Von der Direktion und den Aufsichtsgremien hatte in der Kantine er allen Sparzwängen im Sen- Sitzt mittlerweile fest im Sattel der „Hessen Unit": Jörg der zum Trotz von Anfang an Rheinländer, Leiter des Programmbereichs Hesseninformation. Ganz abgesehen von grünes Licht erhalten, und die Foto: Andreas Lang den kreativen Ideen, die zu- Zustimmung seiner Mitarbei- stande kommen, wenn Köpfe ter, die gedanklich wie räumlich schnell zusammengesteckt umdenken mussten, wächst werden oder Nachrichtenma- nach seinem Empfinden. herkömmlichen medienspezi- cher aus den verschiedenen fischen Kategorien denken und Genres in der Kommunikati- Von der hausinternen Medien- immer mehr die Synergien der onsecke mit angedockter Kü- forschung hat Rheinländer zwar konzentrierten Nachrichten- chenzeile zusammenstehen. noch keine belastbaren Zahlen, produktion erkennen, so Rhein- Simuliert worden ist das kon- in welcher Dimension auch die länders Beobachtung. Nach zertierte Arbeiten am Desk Zuschauer, Hörer und User den seiner groben Schätzung leuch- während der Planungsphase in Mehrwert goutieren und etwa tet 75 Prozent der Redakteure einem Teil der hr-Kantine, die öfters den „Maintower“ ein- die Sinnhaftigkeit und Nach- dafür zwei Tage lang komplett schalten oder auf Hessenschau. haltigkeit der crossmedialen ausgeräumt und nach den Vor- de klicken. „Aber unsere Kanäle Arbeitsweise ein, jeder fünfte stellungen eingerichtet worden werden als Informationsquellen geht noch mit einer gesunden war, die in mehreren Work- wahrgenommen. Die Reich- Skepsis an den Desk, und nur shops entwickelt worden. Der weiten steigen, hessenschau. ein kleiner Prozentsatz bleibe Belastungstest wurde bestan- de und die ,hessenschau‘ im grundsätzlich zurückhaltend. den, die Grundstruktur hat sich hr-Fernsehen steuern auf ein Die ersten praktischen Erfah- bewährt, diese Schablone ist Rekordjahr zu. Der Hessische rungen bestärken den Chef- dann auf eine komplette Ebene Rundfunk wird immer öfter als strategen in der Auffassung, im Hauptgebäude in der Ber- Quelle zitiert.“ Gut möglich, dass sie auf dem richtigen Weg tramstraße übertragen worden. dass die Pionierarbeit der regi- sind, um den Hessischen Rund- Dafür ist ein Bürotrakt in der onalen Hessen Unit demnächst funk führend zu halten bei der ersten Jahreshälfte 2018 kom- auf eine Kultur Unit übertragen Grundversorgung mit regio- plett entkernt und umgebaut wird. Entschieden ist aber noch nalen Nachrichten. worden. nichts. So können die TV-Macher etwa Herausgekommen ist eine Jetzt gehen erst einmal die deutlich schneller mit einer modern ausgestattete offene Bauarbeiten für einen weiteren zusätzlichen „Hessenschau Arbeitsumgebung mit dezent Trakt der Hessen Unit 1.0 wei- kompakt“ auf Sendung gehen, farbigen Möbeln, elektrisch ter. Die crossmediale Welt ex- weil sie auf Material und Ex- höhenverstellbaren Schreib- pandiert beim hr. pertise aus der Unit zurück- tischen und ausreichend Schall- greifen konnten. Dazu gehören schutz, der auch so manchen beispielsweise auch bewegte Skeptiker überzeugt hat, dass Andreas Lang 12 3/2019
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Hilfsbereitschaft in der DNA Ehrenbrief des Landes für Frankfurter Journalisten Norbert Dörholt – Langjähriger Ortsverbands-Vize und Tagungspräsident Es war an der Zeit: Im August holts Stärken: trockenen Ver- hat Ministerpräsident Volker anstaltungen eine humorvolle Bouffier Norbert Dörholt den Note zu geben. So wartete er Ehrenbrief des Landes verlie- im kulturellen Part dieser Mit- hen. Er geht an einen Journa- gliederversammlungen je nach listen aus Leidenschaft und Tagungsort mit literarischen eine Frohnatur aus der Oberp- Schmankerln und Anekdoten falz, die längst eine Frankfurter mit Bezug zur Lokalgeschich- Instanz geworden ist. te auf, ehe es in die Trockenü- bungen der Verbandsregularien Norbert Dörholt hatte und hat ging. Und die Sitzungspräsi- immer noch so viele Ehrenäm- denten (von denen der Verfas- ter. Sie sind gewissermaßen ser einer ist) waren im Lauf die- Teil seiner DNA und entspre- ser Versammlungen dankbar für chen seiner Philosophie, dass seine stabilisierenden Sidekicks sich Zustände vom Kritisieren und auflockernden Bonmots. allein nicht ändern, allenfalls Auf Dörholt war Verlass, er hat- durch Engagement. Den Mit- te eben Ahnung. gliedern des Ortsverbands Frankfurt ist er bekannt als Und das von Vielem. Nicht nur langjähriger Vize-Vorsitzender, von Lokaljournalismus, wie er der Umberto Biagioni stets in den 70er Jahren als kreativer den Rücken freigehalten oder und umtriebiger Lokalchef bei sich wahlweise schützend vor der Frankfurter Neuen Presse ihn gestellt hat. Als dieser im bewies. Auf seinen Sprachwitz Frühjahr unmissverständlich soll die Metapher vom „Ginn- klar gemacht hatte, dass er heimer Spargel“ zurückgehen. nicht erneut für die Führung Weil das Wort „Fernmeldeturm“ des Ortsverbands kandidiert, nicht in die Überschrift über zog Dörholt konsequent nach einem Einspalter passt, hatte und sich aus dieser Funktion der findige Redakteur auf die- zurück. Loyal, uneigennützig ses Bild zurückgegriffen. Par- und mit ausgeprägtem Gespür allelen zu seiner kulinarischen für den richtigen Zeitpunkt, Leidenschaft – Dörholt ist auch den Weg frei zu machen. Lang- Pressewart des „Vereins Frank- weiliger ist dem 72-Jährigen furter Köche“ – sind rein zufäl- seitdem nicht geworden. lig, würde er in der ihm eigenen Bescheidenheit und Sprachwit- Weiß trockenen Veranstaltungen einen heiteren Anstrich zigkeit postulieren. Die Delegierten der DJV- zu geben: Norbert Dörholt. Foto: Dieter Kuhn Landesgewerkschaftstage er- innern sich an eine von Dör- Anfang der 80er Jahre wech- Charmant, witzig, bescheiden Parkett der Rhein-Main-Region zu Hause. Seine dadurch weitreichenden Kontakte nutzte und nutzt Ehre, wem Ehre gebührt. Und unserem langjährigen, en- er still und heimlich zum Wohl der Anderen, der bedürf- gagierten Mitglied Norbert Dörholt, gebührt diese ganz tigen und förderwürdigen Mitglieder unserer Gesellschaft. sicher. Das meinte auch Ministerpräsident Volker Bouf- Sein Charme und sein Witz sind fast genauso legendär, fier und verlieh ihm den Ehrenbrief des Landes Hessen. wie sein profundes Wissen in fast allen Themenbereichen. Denn Dörholt ist nicht nur ein herausragender Journalist, Konstruktiv und inspirativ unterstützt er jede ehrenamt- der sich weit über seine eigentliche Arbeit hinaus selbst liche Sitzung und hält sich stets bescheiden im Hinter- verpflichtete, er war und ist auch in zahlreichen anderen grund. Bereichen ehrenamtlich aktiv und dem gesellschaftlichen Ina Knobloch 13 3/2019
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien selte Dörholt in die Öffentlich- ter oder in einem Förderverein, Stellungnahme abgegeben. keitsarbeit bei Hoechst, deren der Kinder und deren Familien Sprecher er bis fast zum Mil- vor und nach Organtransplan- Für all das und noch viel Un- leniumswechsel blieb, ehe er tationen betreut. erwähntes mehr hat Norbert vom Kuratorium für Dialyse und Dörholt vergangenes Jahr die Nierentransplantation, bundes- Ehrennadel des Bundesinnen- weit Marktführer in der Dialy- Mit starkem ministers erhalten und nun sebehandlung, abgeworben Gerechtigkeitssinn den Ehrenbrief des hessischen wurde. Später verantwortete Ministerpräsidenten. Dass ihm der ebenso eloquente wie char- diese der Frankfurter Oberbür- mante Repräsentant auch die Diese Fülle an öffentlichen Äm- germeister Peter Feldmann im Unternehmenskommunikation tern charakterisiert Dörholts Kaisersaal des Römers über- der Orthopädischen Universi- soziale Ader ebenso wie die reicht hat, ist mehr als ange- tätsklinik Heidelberg und der vielen treuen Dienste, die er messen. auf Wirbelsäulenoperationen im Stillen getan hat. Aus So- spezialisierten Galenus-Klinik lidarität, aus einem Gerech- Dem Geehrten wäre zuzutrauen in Stuttgart. tigkeitsempfinden, eben aus gewesen, dass er sich so origi- der Haltung heraus, nicht zu nell und überraschend bedankt Ehrenämter hat er in dieser Zeit lamentieren, sondern sich für wie man ihn kennt: mit selbst und weit darüber hinaus en ein funktionierendes Gemein- gedichteten Liedstrophen etwa masse ausgefüllt: über seinen wesen zu engagieren. Jüngstes und sich selbst auf der Gitarre DJV hinaus im 11.000 Mitglie- Beispiel: Als seinem Kollege oder dem Banjo begleitend, die der zählenden Bundesverband Shams ul-Haq vorgehalten er auch noch beherrscht. Er hat für Patienten-und Versicher- worden war, unsauber recher- sich im Römer aber beherrscht. teninteressen etwa. Oder bei chiert zu haben, hat Dörholt Gefeiert worden ist Norbert den „Sportlern für Organspen- die inkriminierenden Vorwürfe Dörholt dennoch, völlig zu de“. In der Sindlinger Fasnach- geprüft und eine ausgewogene Recht. Andreas Lang – Anzeige – « So reicht´s 4,0 % in 2019 Presse-Perspektive fotolia/contrastwerkstatt www.presse-versorgung.de/pp 0711 2056 244 info@presse-versorgung.de 3/2019 14
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien An den Grenzen des Zumutbaren Seit 70 Jahren prüft die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) filmische Produktionen auf ihre Jugendtauglichkeit – Sitz in Wiesbaden Für unbedenkliche Inhalte ver- müssen sie nicht mit einem der aber verhindern wollten, dass die geben die Medienwächter nicht kleinen Vorführräume im ersten Zuschauer durch bewegtes Pro- nur die bekannten Alterskenn- Stock vorlieb nehmen, sondern pagandamaterial einmal mehr zeichen. Sie bieten auch an, können sich für ihre Prüfarbeit in manipuliert würden. Die Allianz Webauftritte auf Konformität mit einem der blauen Plüschsessel zwischen freier Filmwirtschaft dem Jugendschutz zu überprü- im großen Saal im Erdgeschoss und staatlicher Gesetzgebung – fen beziehungsweise beraten bei zurücklehnen, der auch für ganz die durch ein breit aufgestelltes, der entsprechenden Gestaltung. reguläre Kinovorstellungen geöff- aber freiwilliges Kontrollgremium So leistet die FSK ihren Beitrag net wird. exekutiert wird – hat sich als be- zur Stärkung von Medienkom- Auf das Prüfurteil, das in eine Al- lastbar erwiesen. Jugendschutz in petenz und -bildung – und teilt tersfreigabe für einen Spielfilm, den Medien in Kooperation statt damit den Ansatz des DJV zu Kinofilm, Trailer, Werbespot, in Konfrontation – dieser Ansatz einem qualifizierten Umgang Musikclip oder eine Konzertauf- geht auf, so der Eindruck von mit Medien. nahme mündet, legen nicht nur FSK-Geschäftsführer Linz. Regu- Eltern und Erzieher Wert, die jun- lierung ist nicht in Reglementie- „Du glaubst nicht, was wir uns ge Zuschauer vor verstörenden rung ausgeartet. eben haben anschauen müssen.“ Inhalten bewahren wollen. Stabilisiert wird diese Balance – „Das war als Komödie dekla- Alle rund 230 Prüferinnen und durch mehrere Mechanismen. riert.“ – „Ich habe erwartet, das Prüfer sind ehrenamtlich beru- Zum einen dadurch, dass die FSK kommt noch brutaler.“ fen; mit Ausnahme der drei stän- nicht proaktiv Inhalte bewertet, Ausschnitte aus einem Gespräch digen Vertreter, die die obersten sondern von der Filmwirtschaft dreier Prüfer, nachdem sie sich Landesjugendbehörden entsen- eingeschaltet werden muss. Zum in nachgebildeter Kinoatmosphä- den, erläutert FSK-Geschäftsfüh- anderen, weil in den Prüfaus- re im Deutschen Filmhaus in rer Stefan Linz die Zusammen- schüssen zwar auch Vertreter der Wiesbadener Murnaustraße setzung. Ihrem Urteil wollen sich staatlicher Behörden sitzen – und einen Film angeschaut haben. nicht nur die Auftraggeber unter- diesen auch vorsitzen –, sie aber Sie sind auf dem Weg zur Nach- ordnen, denen sie ihr Material nicht die Mehrheit stellen und besprechung in dem zehn Jah- vorlegen. Ihr Verdikt erlangt auch auch überstimmt werden kön- re alten, kreisrunden Bau quasi dadurch Gesetzeskraft, dass das nen. Vergleichbar mit der Kon- hinterm Hauptbahnhof, der in Jugendschutzgesetz der Publika- struktion in den Rundfunkräten seiner Architektur bewusst an tionsfreiheit da Grenzen setzt, der öffentlich-rechtlichen Sender eine Filmrolle erinnert. Wenn es wo die Entwicklung Heranwach- entsenden gesellschaftlich rele- die Raumkapazitäten hergeben, sender durch beeinträchtigende vante Gruppierungen – im Falle Medieninhalte Schaden nehmen der FSK mit besonderem Bezug könnte. Auch um juristisch auf zur Arbeit mit Kindern und Ju- der sicheren Seite zu sein, tun gendlichen sowie zur Medien- die Produzenten also gut daran, wirkung – Vertreter zum Filme- Schiedsrichter entscheiden zu schauen ins Murnau-Filmtheater. lassen, ob und ab welchem Alter Der Pool besteht derzeit aus 229 ihre Inhalte zumutbar sind. ehrenamtlichen Prüferinnen und Die Schwelle des Erträglichen Prüfern, aus dem gesamten Bun- mag gerade im Zeitalter überbor- desgebiet und vom Studenten bis dender Internet-Inhalte und im zum Pensionär. Wandel des Zeitgeistes gesunken Zehn bis 20 von ihnen schauen sein. Das Prinzip „Freiwilligkeit sich täglich parallel in bis zu fünf gegen Gütesiegel“ hat sich indes Ausschüssen Filme, Trailer, Wer- über die Jahrzehnte hinweg und bung oder Serien an – zumeist in in die Digitalisierung hinein be- Fünfer-Teams – und diskutieren währt. Eingeführt worden ist es hernach die Wirkung auf heran- nach dem Zweiten Weltkrieg, als wachsende Zuschauer. Am Ende Prüfender Blick: Stefan Linz arbeitet bereits sein halbes Leben lang für die FSK. Seit April ist er deren Unterhaltung durch Kinofilme wird mehrheitlich, in eindeutigen Geschäftsführer. Foto: ala zu den wenigen Zerstreuungen Fällen einstimmig entschieden, gehörte, die Besatzungsmächte ab wann der Beitrag aus Sicht der 15 3/2019
Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Jugendschützer angeschaut wer- ein Assistent, kein Entscheider. den kann: vom Kleinkindalter an, Die Gesamtbewertung solcher ab sechs, ab zwölf ab 16 Jahren ethischer Fragen fällt bei inter- – oder erst mit der Volljährigkeit, nationalen kommerziellen Pro- womit keine Jugendfreigabe erteilt duzenten wie YouTube, Amazon würde. oder Apple in den USA doch Spätestens nach zwei Wochen sol- anders aus als im Bundesfamili- len Filmproduzenten diesen Be- enministerium. Die Grenze des scheid erhalten. Trailer und Werbe- Zumutbaren wird ja sogar in den filme werden in der Regel am ver- Ausschüssen in Wiesbaden zu einbarten Tag geprüft. Nicht nur Recht kontrovers erörtert. Filme deshalb hat die FSK der stattlichen wie die „Tribute von Panem“ oder Zahl an Prüfern zum Trotz alle Serien wie „Game of Thrones“ Hände voll zu tun. Sie versuchen, mögen in einzelnen Sequenzen der explosionsartigen Vermehrung Exzesse von Gewalt und Sexuali- Foto: ala von Inhalten im Internet und über tät zeigen. Aber, so relativiert der Streamingdienste auf mobilen Ge- FSK-Geschäftsführer an diesen der Murnaustraße goutiert wird. räten Herr zu werden. beiden bekannten Beispielen, sie Sie diente nicht nur als Blaupause Dazu kommen die vielen tech- transportieren auch positive Bot- für medienspezifischere Dienste nischen Verbreitungswege auf schaften von Menschlichkeit, Mut wie die Freiwillige Selbstkontrolle Datenträgern wie zunächst VHS- und Widerstand gegen totalitäre Fernsehen (FSF) oder die Unter- Videokassetten, später DVDs und Systeme. Am Ende steht die Fra- haltung Software-Selbstkontrolle Blue Ray Discs. Formal gesehen ge: Wie stark beeinträchtigt eine (USK). Sie wird zunehmend auch zeigt der Jugendmedienschutz solche Produktion die Entwick- konsultiert, wenn Unternehmen auch allen Online-Inhalten Gren- lung eines jungen Zuschauers – ihre Web-Auftritte jugendschutz- zen auf, nicht nur den etwa zehn in eine positive wie eine destruk- konform gestalten wollen. Damit Prozent, die deutsche Betreiber tive Richtung? Schadet es mehr, kann auch sie dezent Einfluss produzieren. Diesen Anspruch sich solch ein Werk anzusehen, nehmen, was jungen Zuschauern gegenüber Anbietern aus dem als dass es inspiriert? in der schönen neuen Medienwelt Ausland durchzusetzen, gestaltet Die FSK hat sich manch kontro- zumutbar ist und wie sie einen sich in der Praxis aber schwierig. verser Freigabe in der Vergangen- gesunden Umgang mit Medien Was der Wiesbadener Prüfinstanz heit zum Trotz einen Ruf erarbei- lernen können. Freiwillig, aber gerade in den vergangenen 20 tet, der weit über das Filmhaus in nachhaltig. Andreas Lang Jahren in der Summe beträchtlich mehr Arbeit beschert, bringt ihr aber auch mehr Einnahmen, denn sie finanziert sich ausschließlich Praktische Hilfen über Prüfgebühren, die die Auf- Seit der Gründung im Sommer 1949 hat die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft traggeber entrichten. Um der Me- (FSK) rund 250.000 filmische Inhalte geprüft und freigegeben. Die zumeist ehrenamtlichen dienflut Herr zu bleiben, feilen Prüferinnen und Prüfer haben sich dafür gut 228.000 Stunden lang Material vom Trailer und Geschäftsführer Linz und seine Spot bis hin zur Spielfilmlänge angeschaut. Pro Jahr werden an die 12.000 Freigaben erteilt. 16 festangestellten Mitarbeiter im Seit 2010 können Kurzbegründungen für die Altersklassifizierungen online nachgelesen werden, Deutschen Filmhaus über das be- seit fünf Jahren auch in einer FSK-App. Voriges Jahr wurden diese Freigabe-Begründungen von währte personenbasierte Proze- (potenziellen) Zuschauern oder sensiblen Eltern fast 245.000 Mal angeklickt. dere hinaus an einem Klassifizie- rungstool, das basierend auf einer Auf Wunsch können Anbieter bewegter Online-Inhalte die FSK damit beauftragen, die definierten und dynamischen Be- Aufgaben des gesetzlich vorgeschriebenen Jugendschutzbeauftragten wahrzunehmen. urteilungslogik Altersfreigaben er- Unter anderen mit der Hochschule Rhein-Main gestaltet die FSK seit 2016 das Projekt rechnen und vorschlagen könnte. „Lernort Kino: Filmarbeit mit jungen Flüchtlingen“. Dabei werden im Filmhaus Filme zu Der Beurteilung liegt ein Set von den Themenbereichen Demokratie, Toleranz, Geschlechterrollen oder Identitätsfindung knapp 100 Fragen zugrunde, ausgestrahlt und anschließend diskutiert. die ihrerseits gewichtet werden. Über FSK.online werden nicht nur Leistungen angeboten, um eigene Webangebote Am Ende entscheidet aber nicht jugendschutzkonform zu gestalten. Dort können über ein Beschwerdeformular auch Künstliche Intelligenz darüber, problematische Sites gemeldet werden. Über einen Label-Generator können eigene ab wann Gewalt zu exzessiv oder Seiten für ein Jugendschutzprogramm programmiert werden, um Kompatibilität mit dem sexuelle Darstellungen zu explizit Jugendmedienschutz-Staatsvertrag herzustellen. dargestellt werden, erläutert Linz die Systematik. Den Online-Frage- Seit April 2019 ist Stefan Linz (40) Geschäftsführer der FSK. Zuvor saß er 19 Jahre lang in bogen, der sich nicht eigenständig Prüfausschüssen. Hauptamtlich arbeitet er seit zehn Jahren für die FSK, zunächst als Sprecher weiterentwickelt, füllen am Ende der Film- und Videowirtschaft bei der FSK, danach auch als Leiter für FSK online. (ala) Menschen aus. Das Tool ist nur 3/2019 16
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