Die ganze Welt in einem raum - Axel Springer SE

Die Seite wird erstellt Klara Albert
 
WEITER LESEN
Die ganze Welt in einem raum - Axel Springer SE
Das Mitarbeitermagazin der Axel Springer SE – 4/2013

 Eine Führung mit Chefredakteur Jan-Eric Peters

Die ganze WELT
in einem Raum
          Start-up                          UNsere „Homepage“             Digitale Stadt
        So startete FAKT                               Was wir sind und     Zu Besuch bei
    vor zehn Jahren in Polen                            was wir wollen       hamburg.de
Die ganze Welt in einem raum - Axel Springer SE
Die ganze Welt in einem raum - Axel Springer SE
WeihnachtsgruSS

                                          Liebe Kolleginnen,
                                          liebe Kollegen!

                                          I
                                                 n wenigen Tagen ist Weihnachten und damit hoffentlich für alle die
                                                 Zeit gekommen, einmal durchzuatmen und sich der Familie oder
                                                 Freunden zu widmen. Ein intensives Jahr liegt hinter uns allen. Es
                                                 war ein Jahr des Umbaus und dabei ganz besonders auch ein Jahr der
                                          Besinnung auf das, was wir können und was wir sind, und darauf, wie wir
                                          miteinander arbeiten wollen. Wir können Journalismus und werden ein
                                          journalistisches Haus bleiben.
                      Mathias Döpfner
                                                   Mit einem klaren Bekenntnis zum Journalismus als Kern unserer
                  Vorstandsvorsitzender
                                          DNA will Axel Springer der führende digitale Verlag werden. Um das zu
                                          erreichen, haben wir in diesem Jahr große, zum Teil schmerzhafte Weichen
                                          gestellt, weiter in die digitale Transformation investiert und uns zu einem
                                          noch moderneren Arbeitsumfeld inspirieren lassen.
                                                   Der geplante Verkauf unserer Regionalzeitungen und der Frauen-
                                          und Programmmagazine an die Funke Mediengruppe war und ist für uns
                                          alle eine Zäsur. Die Trennung von Titeln, die für die Entwicklung unseres
                                          Unternehmens von so zentraler Bedeutung waren, fällt auch heute noch
                                          nicht leicht. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass dieser Schritt
                                          der richtige ist, um Axel Springer konsequent in eine digitale Zukunft zu
                                          führen, aber auch, um die Zukunft der zu veräußernden Objekte im neuen
                                          Verbund zu stärken.
                                                   Hinter uns liegt ein Jahr der Investitionen in den digitalen Journa­
                                          lismus. Dass qualitativ hochwertiger Journalismus für viele Menschen auch
                                          im Netz sehr wertvoll ist, zeigt sich an der zunehmenden Zahlungs-Bereit-
                                          schaft unserer Kunden. Das Bezahlangebot der WELT, das vor etwa einem
                                          Jahr eingeführt wurde, ist erfolgreich gestartet. Auch bei BILD+, unserem
                                          zweiten Großprojekt der digitalen Premium-Offensive, sehen wir erste
                                          vielversprechende Zahlen und Rückmeldungen.
                                                   Axel Springer ist ein Haus der Ideen, ein Zuhause für alle, die in ih-
                                          rem Bereich – egal ob Technologie-Experte, Vermarkter oder Journalist, egal
                                          ob bei gedruckten oder digitalen Angeboten – gemeinsam mit anderen etwas
                                          Neues schaffen wollen. Kreativität ist die Grundlage unseres Geschäfts, eine
                                          Eigenschaft, die zu Axel Springer gehört und uns alle verbindet. Erfolg durch
                                          Kreativität ist aber nur möglich, wenn wir unsere Arbeitsweise anpassen.
                                          Wir haben den Kulturwandel bei Axel Springer in diesem Jahr gemeinsam
                                          deutlich vorangebracht. 2014 wollen wir daran anknüpfen und weiter
                                          Hierarchien abbauen, um Entscheidungsprozesse zu beschleunigen, unsere
                                          Technologie-Kompetenz ausbauen, bereichsübergreifende Zusammenarbeit
                                          fördern und unsere Identität als digitaler Verlag weiter stärken.

                                          Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung, Ihr Engagement, Ihre Leidenschaft.

                                          Für Ihren großen Einsatz danke ich vielmals und wünsche Ihnen und Ihren
                                          Liebsten Gesundheit, Fröhlichkeit und wunderschöne Festtage.

                                          Sehr herzlich

                                          Ihr
       Die inside.mag-Redaktion
   wünscht allen Leserinnen und
Lesern ein frohes Weihnachtsfest
       und ein gutes neues Jahr!          Mathias Döpfner

    inside.mag@axelspringer.de
Lesertelefon: (0 30) 25 91-7 76 40

                                                                                                 4/2013                03
Die ganze Welt in einem raum - Axel Springer SE
Übersicht
                                                                                                          10 JAHRE

08        Unsere „Homepage“
          Mathias Döpfner präsentiert Grundsatzpapier                         16       Ein Start-up wird 10
                                                                                       Die Gründung von FAKT
                                                                                       in Polen

06 Hingucker                           22 Neue Folge „Beruf: Reporter“        32 hamburg.de
                                          Bea Peters gibt Einblicke in ihre      Die Stadt im Netz
                                          Arbeit für B.Z. und BILD Berlin
                                                                              36 Die neue Welt der WELT
                                       26 Wieder zu Hause

     Früher war mehr Lametta

08 „Homepage“
     Was wir sind und was wir wollen

16 Interview                                                                     Chefredakteur Jan-Eric Peters
     Über die Pionierarbeit bei FAKT      So war der Umzug der B.Z.              stellt den Newsroom vor
     vor zehn Jahren                      vom Ku’damm ins Berliner
                                          Axel-Springer-Haus                  44 Menschen bei Axel Springer
                                                                                 Christoph Simon über Zigaretten,
                                       30 Sonntags-Sonder-Einsatz                Cola und die Arbeit für BILD
                                          Viele Kollegen überzeugen direkt
                                          an der Haustür für Print

04              4/2013
Die ganze Welt in einem raum - Axel Springer SE
Inhalt

22       Das Klatschmädchen
         Reporterin Bea Peters über ihre spannende Arbeit zwischen
         rotem Teppich und beleidigten Promis
                                                                                    52                                                                   Gemeinsame Nutzung
                                                                                                                                                         Was Julia und Nina Meise
                                                                                                                                                         und viele andere Kollegen
                                                                                                                                                         gerne teilen

46 immoweb.be                           56 Namen                                                                                                                  -Impressum
                                           Personalien bei Axel Springer                                                                        Herausgeber: Stabsabteilung Information,
                                                                                                                                                Edda Fels (Leitung)
                                        58 Unter uns                                                                                            Redaktion: Marc Baron* (Leitung),
                                           Jubiläen, Ehrentage und mehr                                                                         Leonie von Vollard-Bockelberg
                                                                                                                                                Koordination: Bianca-Maria Brandt*
                                        62 Jahresrückblick                                                                                      (Leitung Interne Kommunikation)
                                           Das war 2013 für Axel Springer wichtig                                                               Artdirektion: Eike Mitte
                                                                                                                                                Redaktionsassistenz: Marc-Philipp Grünwald
                                        66 „Meine Woche“                                                                                        Verlag: Axel Springer SE,
   Besuch bei den Kollegen in Brüssel                                                                                                           Axel-Springer-Str. 65, 10888 Berlin
                                                                                    Fotos: Matti Hillig, Christian Kielmann, Martin Lengemann

                                                                                                                                                Leserhotline: (030) 25 91-7 76 40
50 Was macht eigentlich …                                                                                                                       inside.mag@axelspringer.de
   … Gert Borsum? Lesen,                                                                                                                        Repro: Image-Pool, Berlin
   Tennis, reisen, genießen!                                                                                                                    Druck: Axel Springer SE,
                                                                                                                                                Druckhaus Spandau (Inhalt)
52 Teilen!                                                                                                                                      Buch- und Offsetdruckerei
                                                                                                                                                H. Heenemann GmbH & Co (Umschlag)
   Welche Dinge Kollegen
   gerne gemeinsam nutzen                                                                                                                       Titelfoto: Martin Lengemann
                                           Unterwegs mit Axel Telzerow,
                                           Chefredakteur COMPUTER                                                                               Aktuelle Auszeichnung:
                                                                                                                                                Gold-Award beim inkom. Grand Prix 2013
                                           BILD-Gruppe
                                                                                                                                                * verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes
                                                                                                                                                  für redaktionellen Inhalt

                                                                                                                                                                         4/2013                    05
Die ganze Welt in einem raum - Axel Springer SE
„Früher
war mehr
Lametta“
Das Axel-Springer-
Weihnachtsmärchen
mal anders

J
         edes Jahr, so ist es inzwischen
         Tradition, wird sie neu geschrieben:
         das      Axel-Springer-Weihnachts­
         märchen. Immer überraschend,
manchmal etwas schräg, aber nie lang-
weilig. In diesem Jahr haben Autoren ge-
nerationenübergreifend den weihnacht-
lichen Fort­setzungsroman verfasst und ihn
– multi­medial im Studio TV- und Videopro-
duktionen von Axel Springer in Szene ge-
setzt – auch vor der Kamera gesprochen.
Den Startschuss gab, wie in den letzten
Jahren, Mathias Döpfner. Auf ihn folgen
BILD am SONNTAG-Chefredakteurin Mari-
on Horn, der stellvertretende WELT-Chefre-
dakteur Ulf Poschardt, Evelyn Weigert aus
der Frank-Elstner-Masterclass sowie der
Schauspieler Christian Ulmen. Herausge-
kommen ist ein kreatives, leicht skurriles
„Friends & Family“-Projekt – mit einem
pointierten Ende. Lametta spielt dabei eine
Rolle ebenso wie ein gewisser Bart … frohe
Weihnachten!
Mehr online im inside.net
Schauen Sie sich das Axel-Springer-Weihnachts­
märchen an: insidenet/go/Weihnachtsmaerchen

06                4/2013
Die ganze Welt in einem raum - Axel Springer SE
Hingucker

4/2013          07
Die ganze Welt in einem raum - Axel Springer SE
Axel Springer
 Haus des
Journalismus

08   4/2013
Die ganze Welt in einem raum - Axel Springer SE
Unternehmen

                                                                       Foto: Christian Kielmann
Standortbestimmung: Mathias Döpfner präsentiert die „Homepage“

      Am 9. Dezember 2013 stellte Mathias Döpfner
     rund 120 Führungskräften von Axel Springer im
   Berliner Verlagsgebäude ein aktuelles Grundsatzpapier
        vor. Eine Standortbestimmung, genannt die
                 Axel Springer „Homepage“.

Er erklärte „Was wir sind und was wir wollen“ und sprach
über Selbstverständnis, Strategie und Werte. Seine Kern-
aussage: „Sinn und Seele des Unternehmens Axel Sprin-
ger ist Journalismus.“ Der gemeinsame Auftrag: „Die erfolg-
reiche Etablierung von unabhängigem Journalismus in der
digitalen Welt.“ Ziel: „Der führende digitale Verlag werden.“
Auf den folgenden Seiten dokumentiert inside.mag                 den
vollständigen Text. Mehr Hintergrund und ein Interview
            mit Mathias Döpfner finden Sie ab Seite 12.

                                                                       4/2013                              09
Die ganze Welt in einem raum - Axel Springer SE
Unsere „Homepage“

Was wir sind und
was wir wollen
                                                                                  Axel Springer verfolgt eine Strategie des
1 Wir sind und bleiben ein Verlag, also ein Haus des Journalismus
                                                                                  profitablen Wachstums. Unsere Mehrheits-
2 Wir wollen unsere Leser unabhängig und besser als andere informieren,           aktionärin sichert unsere Unabhängigkeit.
  beraten und unterhalten                                                         Wir sind ein börsennotiertes Unternehmen
                                                                                  und als solches den Effizienz- und Transpa-
3 Wir sind und wir wollen wirtschaftlich erfolgreich sein                         renzanforderungen des Kapitalmarktes ver-
                                                                                  pflichtet. Wir beschränken unser Selbstbild
4 Wir gestalten die Digitalisierung aktiv und sehen darin unsere                  aber nicht auf wirtschaftlichen Erfolg allein.
  große Chance
                                                                                  Wir wissen: Gewinn ist nicht alles, aber
5 Wir tun das, was wir tun, mit Leidenschaft und versuchen ständig                ohne Gewinn ist alles nichts.
  besser zu werden
                                                                                  Wir wollen Wert schaffen. Materiellen
6 Wir ziehen Individualisten an und fördern sie wirklich
                                                                                  und ideellen Wert.
7 Wir stärken Freiheit, Demokratie und Weltoffenheit
                                                                                  Wir wollen den Unternehmenswert steigern.
                                                                                  Neben dem operativen Ergebnis (EBITDA)
                                                                                  ist das Ergebnis pro Aktie die entscheiden-
Sinn und Seele des Unternehmens Axel Springer ist der Journalismus. Mit           de Kennziffer, an der wir uns messen und
unabhängiger und kritischer Information und Beratung sowie guter Unterhaltung     messen lassen. Gleichzeitig wollen wir durch
                                                                                  unsere journalistische Arbeit die Werte Frei-
dienen wir unseren Lesern. Mit unseren publizistischen Angeboten leisten wir
                                                                                  heit, Demokratie, Rechtsstaat, Wettbewerb,
einen Beitrag zur Stärkung von Freiheit und Demokratie. Voraussetzung dafür ist   Eigentum, Menschenrechte, Weltoffenheit
unser wirtschaftlicher Erfolg. Wir arbeiten täglich an der Verbesserung unserer   und Toleranz stärken.
journalistischen, technologischen und kaufmännischen Kompetenz.
                                                                                  Unser Verlag ist den Werten seines Gründers
                                                                                  Axel Springer verpflichtet. Er stand zualler-
Unsere Mission:                                                                   erst für Freiheit. In diesem Sinne sind die fünf
                                                                                  Präambeln des Unternehmens definiert: die
Die erfolgreiche Etablierung von unabhängigem Journalismus
                                                                                  Vertiefung der deutschen und europäischen
in der digitalen Welt.                                                            Einheit, die Unterstützung der Lebensrechte
                                                                                  des israelischen Volkes, die Solidarität in der
                                                                                  freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den
Unser Ziel:
                                                                                  Vereinigten Staaten von Amerika, die
Wir wollen der führende digitale Verlag werden.                                   Verteidigung der freien sozialen Marktwirt-
                                                                                  schaft und die Ablehnung jeglicher Art von
                                                                                  politischem Totalitarismus. Diese Werte
                                                                                  schreiben keine Unterstützung irgendeiner
                                                                                  Ideologie, Regierung oder politischen Partei
                                                                                  vor, vielmehr ermög­lichen und benötigen sie,
                                                                                  wie jede echte Loyalität, auch ehrliche Kritik.

10             4/2013
Unternehmen

Kritik und Selbstkritik gehören auch zur         Axel Springer ist ein internationales Un-         Wir wollen schnell und unbürokratisch arbei-
Unternehmenskultur insgesamt.                    ternehmen. Unser Kernmarkt ist Europa.            ten. Wer unternehmerische Risiken eingeht,
Drei Werte sind dabei entscheidend:              Auch in Wachstumsmärkten wie Indien,              wird dafür belohnt, auch wenn er dabei
Kreativität, Unternehmertum, Integrität.         Brasilien, Asien und den Vereinigten Staaten      Fehler macht.
                                                 von Amerika wollen wir erfolgreich sein. Wir
Die digitale Transformation der Gesellschaft     betreiben grundsätzlich keine Geschäfte in        Wir fördern Vielfalt der Geschlechter, der
und unseres Geschäftes sehen wir als             nicht demo­kratischen Ländern.                    Nationalitäten, der Religionen, der sexuellen
Chance und gestalten sie aktiv: ohne Angst                                                         Orientierung, des Lebensalters und der
vor Selbstkannibalisierung und ohne Teilung      Wir wollen im Umgang untereinander das le-        Persönlichkeiten.
in analoge und digitale Silos. Alle Mitarbei-    ben, was wir als gesellschaftspolitische Ziele
ter sind für die erfolgreiche Digitalisierung    insgesamt definiert haben. Freiheit erfordert     Wir behandeln jeden Mitarbeiter so, wie
verantwortlich.                                  eine Kultur des Vertrauens, nicht der miss­       wir selbst behandelt werden wollen:
                                                 trauischen Kontrolle. Wir messen den Erfolg       respektvoll und warmherzig.
Unser Unternehmen gliedert sich in drei          unserer Mitarbeiter an den Ergebnissen,
Segmente, die in unterschiedlicher               nicht an der Präsenz. Wir fördern Unterneh-       Axel Springer ist ein Wirtschaftsunterneh-
Intensität auf Journalismus basieren             mer im Unternehmen. Wir organisieren den          men, in dem sich Individualisten wohlfühlen,
oder vom Journalismus profitieren.               Verlag als operative Holding – so zentral         weil sie die Freiheit für eigene Entscheidun-
                                                 wie nötig und so dezentral wie möglich. Alle      gen und zum eigenständigen Gestalten ha-
 1 Bezahlangebote Dies sind alle                 Marken, Geschäftsbereiche und Dienstleis-         ben. Eine Art „United Artists“. Artists – egal
Geschäftsmodelle, die überwiegend durch          tungen werden zu eigenständigen Gesell-           ob Reporter oder Softwareentwickler – sind
zahlende Leser refinanziert werden.              schaften, die bei aller Unterschiedlichkeit zu-   eigenständig, unterschiedlich und manchmal
                                                 sammenhalten wie Mitglieder einer Familie.        kompliziert. Das dürfen und sollen sie, so-
 2 Vermarktungsangebote Dies sind                                                                  lange sie exzellent sind und, wenn es darauf
alle Geschäftsmodelle, die überwiegend           Technologiekompetenz wird in einem                ankommt, zusammenhalten – United.
durch zahlende Anzeigenkunden refinanziert       digitalen Verlag immer wichtiger. Daher
werden.                                          fördern wir innovative Technologie, blei-         Wir sind leidenschaftlich und haben Lust,
                                                 ben im Kern aber ein Haus des Journa-             Neues zu entdecken, uns zu verändern und
 3 Rubrikenangebote Dies sind alle               lismus.                                           uns zu verbessern. Wir wollen Erfolg haben,
Geschäftsmodelle, die überwiegend durch                                                            Gutes tun und Spaß haben.
zahlende Stellen-, Immobilien- oder Autoan-      Was wir tun, tun wir für unsere Leser und
zeigenkunden refinanziert werden.                Kunden. Aber Leser- und Kundenorientie-           Und wir wissen, dass alles, was hier
                                                 rung bedeutet nicht Gefälligkeitsjournalismus     definiert ist, ein Ziel beschreibt, aber
In dieser Struktur spiegeln sich die traditio-   oder Anbiederung.                                 leider noch nicht immer und überall die
nellen Erlöse eines Verlages. So wie früher                                                        Wirklichkeit. Das wollen wir ändern.
eine Zeitung von Abonnenten, Anzeigenkun-        Wir verteidigen redaktionelle Unabhängig-
den und Rubrikenanzeigenkunden finanziert        keit als unser höchstes Gut. Unabhängiger,
wurde. Der führende digitale Verlag sind wir     kritischer, also glaubwürdiger Journalismus
dann, wenn wir in unseren jeweiligen Markt-      ist der beste Dienst an allen Lesern und          Mehr online im inside.net
segmenten und in den Ländern, in denen wir       Kunden.                                           Die „Homepage“ von Axel Springer steht zum Download
aktiv sind, die Nummer eins sind.                                                                  bereit unter: insidenet/go/homepage

                                                                                                                            4/2013                  11
„Wir müssen
              alle selber
              brennen“
              Am Rande des Führungskräftetreffens          das erreichen? Und natürlich stand vor
                                                           allem die Frage im Mittelpunkt: Wel-
              am 9. Dezember führte inside.tv ein          che Rolle spielt bei uns Journalismus? Ich
                                                           glaube, das waren Fragen, die auch im Un-
              Interview mit dem Vorstandsvor-
                                                           ternehmen viel diskutiert wurden und die
              sitzenden. In dem Gespräch ordnet            geklärt werden mussten.

              Mathias Döpfner ein, warum die               Warum ist es wichtig, den strategischen
              „Homepage“ gerade jetzt wichtig ist          „Standort“ für Axel Springer gerade jetzt
                                                           zu bestimmen?
              und über welche Veränderungen er             Ich glaube, dass in den vergangenen Mona-
                                                           ten einige Ereignisse dieses Unternehmen
              mit den Führungskräften gesprochen           erschüttert haben, positiv und negativ. Ich
              hat. Lesen Sie hier Auszüge:                 glaube, dass insbesondere der geplante Ver-
                                                           kauf der Regionalzeitungen, der Programm-
                                                           und Frauenzeitschriften einen Schock aus-
              Sie haben den Führungskräften ein            gelöst hat und dass damit die Frage aufkam:
              Grundsatzpapier für Axel Springer            Welche Rolle spielt Journalismus überhaupt
              vor­gestellt. Worum geht es darin?           noch? Welche Werte gelten bei uns noch? Im
              Mathias Döpfner: Wir haben – und ich         Zusammenhang mit unserer Prüfung einer
              glaube, dass man das von Zeit zu Zeit tun    Beteiligung an der Scout-Gruppe wurde die-
              sollte – uns gefragt: Was sind wir und was   se Frage noch deutlicher: Ist das die Zukunft
              wollen wir? Wo stehen wir heute? Wo wollen   und nicht mehr der Journalismus?
              wir hin? Mit welchen strategischen Zielen
              wollen wir das erreichen? Mit welchen un-    Der Satz: „Sinn und Seele des Unterneh-
              ternehmenskulturellen Werten wollen wir      mens ist Journalismus“ ist ein besonders

12   4/2013
Unternehmen

                                                                                                             Foto: Christian Kielmann
Im Gespräch am Rande des Management-Meetings 2013: Mathias Döpfner und Bianca-Maria Brandt

bemerkenswerter Satz in dem Grundsatz­-      zahlenden Leser, der ein Abo bestellt hat
papier. Gilt er denn nur für Journalisten?   oder an den Kiosk gegangen ist, durch den
Oder was sagen Sie zu den digitalen          zahlenden Anzeigenkunden, der eine Anzei-
Beteiligungen – beziehungsweise den          ge geschaltet hat, und durch die vielen Tau-
Mitarbeitern dort?                           send Kleinanzeigenkunden für Wohnungen,
                                             Jobs, Autos! […] Damals wie heute arbeitet
                                             eine deutliche Mehrheit in diesem Unter-
                                             nehmen nicht direkt mit journalistischen
                                             Mitteln. Zwei Drittel der Mitarbeiter waren
  Ohne jour-                                 auch früher schon entweder in der Anzeigen-
                                             vermarktung, bei der Kleinanzeigenabtei-
 nalismus hat                                lung, im Controlling, im Vertrieb, in der IT
                                             oder in der Druckerei beschäftigt. Obwohl
dieses unter-                                sie keine Journalisten waren, haben diese
                                             Mitarbeiter für Journalismus und die weltan-
nehmen keinen                                schaulichen Werte, die dieser vermittelt hat,
                                             gebrannt. Sie waren motiviert und haben
     sinn.                                   dadurch dazu beigetragen, dass das Modell
                                             erfolgreich ist. Und so wünsche ich mir das
                                             auch heute.

                                             Das heißt, eigentlich ist diese Verortung
In der Struktur eines klassischen Verlages   gar nicht so neu, sondern geht es vielmehr
in der analogen Welt hat Journalismus        um eine Besinnung – ist das richtig?
den Wesenskern ausgemacht, der auf drei      Sie können sagen, diese Standortbestim-
Wegen monetarisiert wurde: durch den         mung manifestiert einen alten Standpunkt.

                                                                                             4/2013     13
Es ist einerseits etwas, was sehr viel mit Un-   natszeitschrift sein wird und die sich vor       dass die im Grundsatzpapier, in der
ternehmenstradition zu tun hat, und auf          allen Dingen mit investigativer Recherche        „Homepage“, gesetzten Ziele auch erreicht
der anderen Seite glaube ich, dass es ein fast   profilieren möchte. Wir haben heute au-          werden, und was erwarten Sie von den
avantgardistischer Ansatz ist, der im Moment     ßerdem die hundertprozentige Übernahme           Kollegen im Haus?
in vielen digitalen Zeitgeist-Zirkeln noch       des Fernsehsenders N24 und die enge Ko-          […] Wenn wir gemeinsam Spaß an der
nicht à la mode ist. Ich würde aber heute        operation dieses Senders mit der WELT-           Arbeit haben und motiviert sind, dann wer-
davon ausgehen, dass wir recht haben mit         Gruppe angekündigt und die beiden neuen          den wir – wie in einem Schneeballsystem –
der Behauptung, dass unabhängiger, mar-          Mitglieder des Unternehmens, den Ge-             auch andere Mitarbeiter und Kollegen, die
kengebundener Journalismus auch in der           schäftsführer Torsten Rossmann und den           mit uns zusammenarbeiten, motivieren und
digitalen Welt wichtig ist und etwas wert ist,   Chefredakteur Stefan Aust willkommen ge-         anzünden. Man kann auch sagen: Wer nicht
und dass wir von der Verwirklichung dieser       heißen. Ich glaube, es hat viele gefreut, dass   selber brennt, kann auch keine anderen Men-
These überproportional profitieren werden.       wir mit diesen beiden Transaktionen auch ein     schen anzünden. Aber wir müssen alle selber
Ich muss Ihnen aber auch ganz ehrlich sa-                                                         brennen, damit wir andere anzünden, damit
gen: Wir gehen dieses Risiko gerne ein, denn                                                      wir diese Fackel weitertragen und sagen:
eine echte Alternative haben wir nicht. Wenn                                                      Wir haben hier wirklich eine wichtige Auf-
ich sage: „Sinn und Seele des Unternehmens                                                        gabe. Wir wollen dafür sorgen, dass Jour-
ist der Journalismus“, dann kann ich Ihnen                                                        nalismus nicht an das Zeitungspapier ge-
auch andersherum formuliert sagen: „Ohne                                                          bunden bleibt – damit werden wir übrigens
Journalismus hat dieses Unternehmen kei-
nen Sinn.“ Wir brauchen Axel Springer
                                                     Wir müssen                                   noch lange Jahre Freude haben –, sondern
                                                                                                  dass Journalismus auch in der digitalen Welt
nicht, wenn er nicht vor allem für Journalis-
mus steht. Wenn Axel Springer nämlich eine
                                                    noch besser                                   eine Zukunft hat und funktioniert. Darauf
                                                                                                  freue ich mich. Ich werde alles dafür tun
Internet-Unternehmens-Beteiligungs-Firma
wird, dann kann ich nur sagen: Davon gibt es
                                                     erklären.                                    und möglichst tolle Leute ans Unternehmen
                                                                                                  binden, die Menschen mit Klarheit in der
Hunderte und Tausende auf der Welt, davon                                                         Strategie und in den Vorgaben motivieren,
gibt es größere als wir, und vor allen Dingen                                                     gute Transaktionen finden und verhandeln,
viele, die viel besser sind als wir.                                                              wirtschaftlich diszipliniert bleiben und mög-
                                                                                                  lichst viel erklären, damit das auch verstan-
Über welche konkreten Veränderungen                                                               den wird. Manchmal habe ich das Gefühl:
haben Sie heute mit den Führungskräften          klares Bekenntnis zum Journalismus gemacht       Für uns ist das alles schon so selbstver-
gesprochen?                                      haben, und zwar in einem sehr ursprüng-          ständlich, warum weiß es noch nicht jeder?
Wir haben vor allen Dingen über ein paar         lichen Sinn hin zum Nachrichtenjournalis-        Vielleicht, weil wir es noch besser erklären
neue Transaktionen, ein paar neue Mitglie-       mus, zum investigativen Journalismus. In-        müssen.
der der Unternehmensfamilie Axel Springer        sofern arbeiten wir an der Einlösung meiner
gesprochen, zum Beispiel über die deut-          Wette, dass der Journalismus bei Axel Sprin-     Das Gespräch führte Bianca-Maria
sche Ausgabe von BILANZ, die der „ma-            ger in fünf Jahren eine größere Rolle spielen    Brandt.
nager magazin“-Redakteur Klaus Boldt als         wird als heute.
Chefredakteur leiten wird, die der WELT                                                           Mehr online im inside.net
beiliegen wird und damit eigentlich vom          Sie sagen, „Wir wollen alle besser werden.“      Das vollständige Videointerview mit Mathias Döpfner
Start weg Europas größte Wirtschafts-Mo-         Was werden Sie denn dazu beitragen,              finden Sie hier: insidenet/go/homepage

14              4/2013
Unternehmen

               Führender digitaler Verlag
                       Unte r ne hme nsstra te gie

         Bezahl-                  Vermarktungs-                   Rubriken-
        angebote                    angebote                      angebote

                            Journalismus

      Kreativität             Unternehmertum                      Integrität

                          Unte r ne hme nsw e rte
                               Pro f itab ilität
Aus der Standortbestimmung ergibt sich eine neue Bereichssegmentierung, die sich an der
traditionellen Erlösstruktur eines Verlags orientiert

                                                                                          4/2013     15
10 Jahre

     Eine Start-up-
      Geschichte
16    4/2013
INTERVIEW

Vor zehn Jahren brachte Axel Springer sein
BILD-Konzept nach Polen. Das Ergebnis: FAKT.
Nach zwei Wochen Marktführer. Nach drei Wochen
die auflagenstärkste Tageszeitung im Land – was
sie bis heute geblieben ist. Anlässlich des Jubiläums
sprach Journalistenschülerin Karina Mößbauer für
inside.mag mit dem Chefredakteur Grzegorz Jankowski
und dem Geburtshelfer Kai Diekmann über die
Erfolgsstory von FAKT.

                                             4/2013          17
Welche Erinnerungen haben Sie beide an            zum nächsten Tag. Als ich die Ausgabe sah,
                                    den 22. Oktober 2003, den Tag, an dem             dachte ich mir: Kai hatte recht. Es war die ab-
                                    FAKT auf den Markt kam?                           solut falscheste erste Seite überhaupt. Noch
                                    Kai Diekmann: Am Vorabend gab es eine             heute schäme ich mich für diese Ausgabe so
                                    große Launch-Party. Daran durfte unser            sehr, dass ich sie aus meinem Büro aus der
                                    BILD-Team, das seit mehreren Tagen vor Ort        Sammlung verbannt habe.
                                    war, allerdings nicht teilnehmen. In der pol-
                                    nischen Öffentlichkeit sollte auf keinen Fall
                                    der Eindruck entstehen, bei FAKT handle es
                                    sich um eine deutsche Zeitung. Als ich dann
                                    am nächsten Morgen im Hotel den Fernse-
                                    her einschaltete, berichtete ein Reporter aus
                                    Warschau im Zusammenhang mit FAKT
                                    über den angeblich peinlichsten Moment für               Ich habe
                                    den Springer-Verlag. Es hieß, in der ganzen
                                    Stadt sei keine einzige Zeitung erhältlich.             alles von
                                    Ich war total geschockt. Zum Glück stellte
                                    sich später heraus, dass das Blatt schlichtweg
                                    ausverkauft war. Wegen der großen Nach-
                                                                                           kai gelernt.
                                                                                                   Grzegorz Jankowski
                                    frage haben wir FAKT dann sogar in Berlin-
                                    Spandau drucken und nach Polen einfliegen
                                    lassen.
Zwei Fotos, zwischen denen zehn     Grzegorz Jankowski: Ich erinnere mich an
Jahre liegen: Kai Diekmann (r.)     eine wirkliche Katastrophe. Am Tag zuvor
und Grzegorz Jankowski bei einer    philosophierten wir über die passende Auf-
Redaktionssitzung für FAKT (oben)   macher-Geschichte. Mein Favorit: eine alte        Die ersten Prototypen von FAKT kamen in
und bei der Geburtstagsfeier im
November 2013
                                    Dame, die an Krebs litt. Mit der Zeile: ‚Muss     Tests beim Leser nicht so gut an. Was hat
                                    ich sterben, weil ich arm bin?‘ Kai riet mir      Kai Diekmann Ihnen in dieser Situation
                                    davon ab: ‚Hör mal, ich glaube, das ist nicht     geraten?
                                    unbedingt die beste Aufmacher-Story für die       Grzegorz Jankowski: Ich habe alles von Kai
                                    allererste Ausgabe. Vielleicht solltest du bes-   gelernt! Einfach alles ...
                                    ser etwas Leichteres nehmen.‘ Ich lehnte ab.      Kai Diekmann: Das stimmt doch gar nicht.
                                    Ich war überzeugt von der Geschichte. Bis         Grzegorz ist der Mann, der FAKT geschaf-

18              4/2013
INTERVIEW

                                                                        en
                                                                         Erste Ausgabe: 22.10.2003
                                                                         Auflage: 689.685 Exemplare

                        Mit einer großen
                        Gala, die auch im
                        polnischen Fernse-
                        hen zu sehen war,
                        wurde im Novem-
                        ber in Warschau
                        gefeiert. Auch
                        unter den Gästen:
                        Präsident Bronislaw
                        Komorowski

                                                22.10.2003        bis   31.08.2013    1.916.185.468
                                                                                      Exemplare
                                                                                      (Zahl der Gesamtauflage)

                                                                                        2 4
fen hat. Er war genau der Richtige für diese
Aufgabe.                                        Durchschnittliche Anzahl der Seiten
Grzegorz hatte in der Entwicklungsphase von
FAKT einfach nur schlechte Berater an seiner
Seite. Ich besuchte ihn zu dieser Zeit mal in
Warschau und wir gingen bei McDonald’s
einen Kaffee trinken. Außerhalb der Redak-
tion berichtete mir Grzegorz, wie viele Din-
ge schiefliefen. Zum Beispiel die Sache mit     Start der Regionalausgaben
den Druckverträgen. Die ersten FAKT-Sei-
ten sollten schon um elf Uhr morgens gelie-
fert werden.                                    Poznań (Posen)                                         Trójmiasto
                                                20.12.2004                                              (Danzig)
                                                                                                        03.10.2005
Wie muss man sich das vorstellen?
Kai Diekmann: Sie machen eine Ta-                                                                       Warszawa
geszeitung und kurz nach der Themen-                                                                    (Warschau)
konferenz müssen die ersten Seiten raus.
Nach unserem Gespräch rief ich sofort           Wroclaw (Breslau)
Mathias Döpfner an. Wir beschlossen,            01.09.2005
die bisherigen Berater rauszuschmeißen
und stattdessen ein BILD-Team nach                        Katowice (Kattowitz)                          Lód ź (Lodz)
Warschau zu schicken. Die Idee war, dass                           01.06.2005                           01.12.2005
für jede Schlüsselposition bei FAKT ein
deutsches Redaktionsmitglied nach Polen
reist. Ungefähr 14 Leute zogen kurz danach
in die Warschauer Redaktion ein und knüpf-
ten sich das Blatt vor der Markteinführung
noch mal richtig vor. ‚Die One-Week-Re-
volution‘, wie unsere polnischen Kollegen
es nannten. Grzegorz wusste genau, was
FAKT von BILD übernehmen und was dem
Markt angepasst werden musste. Und für uns
war es einfach total spannend, in einer

                                                Vor dem Start der ersten Regionalausgabe in 2004
                                                rund 120 Mitarbeiter – heute sind es rund 160 Kollegen

                                                                                               4/2013                   19
Redaktionssitzung in
                          Warschau. Mit seinem
                          Team macht Grzegorz
                          Jankowski (2. v. r.) die
                             gedruckte Ausgabe
                          von FAKT – aber auch
                          das Onlineportal fakt.
                               pl mit mehr als 2,5
                         Millionen Unique Usern
                                        im Monat

fremden Sprache Zeitung zu machen. Worte             ganze Strukturierung des Arbeitstages. In Po-   Sie sind mit FAKT zu einer schwierigen Zeit
sind für Journalisten ja das wichtigste Werk-        len haben wir dadurch eine Revolution ange-     auf den Markt gekommen. Tageszeitungen
zeug.                                                stoßen. Mittlerweile arbeiten alle polnischen   verloren Leser und Anzeigenkunden. Warum
                                                     Blätter nach diesem Prinzip. Man kann           hat es dennoch funktioniert?
Wie eignet sich die polnische Sprache für das        sagen, wir haben das moderne Zeitungma-         Kai Diekmann: Das Erfolgsrezept waren
Zeilen-Machen?                                       chen aus Deutschland importiert.                Grzegorz’ gute Nerven.
Kai Diekmann: Auf Polnisch knackige Zei-             Kai Diekmann: Ihr habt euch aber nicht          Grzegorz Jankowski: Keiner in Polen
len zu texten ist verdammt schwer. Die besten        nur für unsere Konferenzstrukturen, sondern     glaubte an das, was wir taten.
Zeilen macht man auf Englisch. Zum Bei-                                                              Kai Diekmann: Nur du! Grzegorz glaubte
spiel: ‚Two jets crashed‘. Auf Deutsch muss                                                          an das Konzept. Er hatte außerdem eine
man schon sagen: ‚Zwei Düsenflugzeuge                                                                bahnbrechende Idee. Er widmete die Mittel-
zusammengestoßen‘. Wenn du den gleichen                                                              seiten einem einzigen großen Essay. Schlug
Sachverhalt auf Polnisch beschreiben willst,                                                         man die Zeitung auf, fand man in der Mitte
brauchst du ein paar Seiten.
Grzegorz Jankowski: Das stimmt!                          Grzegorz                                    ein 800 Zeilen langes Stück.

Kai Diekmann: Wir haben uns damals
auch andere polnische Blätter ganz intensiv              glaubte an                                  FAKT wurde gerade in der Anfangsphase oft
                                                                                                     als polnische BILD, also deutsche Zeitung,
angeschaut. Dafür mussten wir sie vorher                                                             abgestempelt.
natürlich übersetzen lassen. Aber die Mühe              das konzept.                                 Grzegorz Jankowski: Das stimmt – und
hat sich gelohnt: Wir fanden heraus, dass                                                            auch wieder nicht. Wir haben zwar von den
                                                                    Kai Diekmann
in den meisten Beiträgen ganz viel Meinung                                                           Deutschen gelernt, wie man Zeitung macht,
des Autors steckte, die eigentliche Nach-                                                            aber es gab niemals einen direkten Einfluss
richt aber immer erst zum Schluss kam. Das                                                           auf das Blatt. Dazu muss man wissen, dass
galt auch für die ersten FAKT-Artikel. Also                                                          allen Polen während des Kommunismus
führten wir die polnischen Kollegen an die                                                           in den Schulen eingehämmert wurde, dass
nachrichtliche Schreibweise heran.                   auch für unser Seite-1-Mädchen interessiert.    BILD eine Zeitung ist, die unser Land wie
Grzegorz Jankowski: Es war auch vollkom-             2003 hatte diese Rubrik noch einen festen       Posen und Breslau zurückhaben will. Die
men neu für mich, als ich dich das erste Mal         Platz auf der BILD-Titelseite. Polen ist je-    weitverbreitete Meinung war also, BILD ist
dabei beobachtete, wie du Blatt machst und           doch ein sehr katholisches Land. Ihr wusstet    eine böse Zeitung.
an den Zeilen feilst. Wir haben dann die             genau, dass ihr so was nicht auf der ersten     Kai Diekmann: Viele Leute befürchteten,
Arbeitsweise der BILD übernommen: The-               Seite drucken könnt. Also habt ihr euch für     dass FAKT nur ein verlängerter Arm der
men-, Foto-, Schlagzeilenkonferenzen – die           die letzte Seite entschieden.                   deutschen Außenpolitik sein würde. Um die-

20              4/2013
INTERVIEW

                                                                                                                  Zwei besondere FAKT-
                                                                                                                  Titelseiten aus den
                                                                                                                  vergangenen zehn
                                                                                                                  Jahren

se Skepsis zu zerstreuen und Respekt zu er-      Ist Polen bereit für die Digitalisierung?      aber die Leute waren hungrig danach. Das
langen, wollten wir schnellstmöglich den an-     Grzegorz Jankowski: Ich glaube schon. Die      BILD-Konzept – in seiner an den Markt
gesehensten Politiker Polens als Kolumnisten     Leute hier sind hungrig nach Modernität. Als   angepassten Form – war genau das richtige.
gewinnen. Das war zu dieser Zeit Władysław       FAKT vor zehn Jahren kreiert wurde, ging       Außerdem hatten wir einfach ein großartiges
Bartoszewski, der ehemalige Außenminister.       es darum, das Blatt aufzubauen. Print first.   Team in Polen. Unsere Mitarbeiter haben
Also fragten wir Helmut Kohl, einen engen        Aber jetzt konzentrieren wir alle Kräfte auf   sehr schnell dazugelernt. Und nicht zu ver-
Freund Bartoszewskis, ob er für ein gemein-      die Digitalisierung. Vor etwa zwei Monaten     gessen die tolle Unterstützung aus Deutsch-
sames Abendessen nach Warschau kommen            haben wir unsere Website relauncht. Die        land. Das Know-how des deutschen Teams
könnte. Kohl sagte sofort zu, und so gelang es   Klickzahlen sind seitdem rasant gestiegen.     war unerlässlich für die erfolgreiche Umset-
uns, Bartoszewski von unserer Idee zu über-                                                     zung.
zeugen.                                                                                         Kai Diekmann: Um auf den Start-up-
Grzegorz Jankowski: Ich erinnere mich                                                           Charakter zurückzukommen: Am Anfang
auch daran, wie Jaroslaw Kaczynski an die                                                       eines Start-ups stehen immer eine brillante
Macht kam und Kriegsentschädigungen                                                             Idee und überschaubare finanzielle Ressour-
wieder Thema wurden. FAKT hat in einer
Schlagzeile Wiedergutmachungen von den             Die leute                                    cen. Unter diesen Bedingungen ist auch
                                                                                                FAKT gegründet worden. Erschwerend kam
Deutschen für den Zweiten Weltkrieg gefor-
dert. Alle wunderten sich, wie eine Zeitung,     waren hungrig                                  hinzu, dass Polen vor zehn Jahren in einer
                                                                                                Zeitungskrise steckte und kaum jemand

                                                    danach.
die zu einem deutschen Verlag gehört, so eine                                                   an den erfolgreichen Start eines Boulevard-
Aufmacher-Geschichte machen kann.                                                               blatts glaubte. Begrenztes Startkapital, ein
Kai Diekmann: Und wir antworteten: „Jetzt                    Grzegorz Jankowski
                                                                                                komplizierter Markt, nicht die allerbesten
drehen die Polen durch!“                                                                        externen Berater: Die Ausgangsbedingungen
Grzegorz Jankowski: Wir Polen beneiden                                                          waren eher suboptimal. Mit jeder Menge
euch Deutsche wirklich um euren Humor!                                                          Mut, Kreativität und Innovationsgeist – und
Wir haben sogar einen Beamer in der Re-                                                         der temporären Unterstützung aus Deutsch-
daktion, auf dem wir täglich verfolgen, was                                                     land – ist aus FAKT dennoch in kürzester
Bild macht.                                      Was macht FAKT zu einer Start-up-              Zeit die größte Zeitung Polens geworden.
Kai Diekmann: BILD kann aber auch viel           Erfolgsstory?                                  In der Start-up-Branche würde man sagen,
von FAKT lernen. FAKT macht großartige           Grzegorz Jankowski: Mehrere Faktoren           Gregorz und sein Team haben damals „the
Illustrationen und Grafiken. Außerdem liebe      haben perfekt zusammengespielt. Entschei-      next big thing“ entwickelt.
ich die Titelseiten von Grzegorz. Die zum        dend war natürlich die gute Idee, die ge-
Irak­krieg oder zu Johannes Paul II. haben       nau zum richtigen Zeitpunkt kam. Es gab        Das Gespräch führte Karina Mößbauer.
mich besonders beeindruckt.                      bis dahin keinen Boulevardjournalismus,

                                                                                                                    4/2013               21
Bea Peters an ihrem Arbeits-
     platz im Berliner Axel-Springer-
                                        Foto: Matti Hillig

     Haus. Sie ist viel unterwegs,
     Schreibtischarbeit bleibt aber
     auch nicht aus

22               4/2013
Beruf: Reporter

Sparleuchten
im Scheinwerfer-
Schein
SERIE        In der Serie „Beruf: Reporter“ schreiben Journalisten von Axel Springer regelmäßig über spannende
Recherchen, die sie nie vergessen werden. In dieser Ausgabe berichtet Bea Peters, Ressortleiterin Gesellschaft/
Unterhaltung bei B.Z. und BILD Berlin, warum ihr Job so außergewöhnlich ist.

W
                    as macht das Klatschmäd-     ins Gespräch zu kommen. Er steigt drauf ein
                    chen hier?? An diesem        und wenige Minuten später zeigt er mir sein
                    Platz sollten honorige       Hinterzimmer. Und seine Abgründe. Hier,
                    Reporter ihre Scoops er-     im Labor, habe er Iman (17) übernachten las-   Beatrice-Viviana Peters, geboren in
zählen. Solche, die etwas bewegen, Journa-       sen. Eine dunkelhaarige Schönheit, die seine   Temeschwar/Rumänien und aufgewachsen in
listenpreise abräumen, oder zumindest eine       blonde Sprechstundenhilfe für einen flotten    der Walachei, kam 1997 nach Deutschland.
Ehrennadel vom örtlichen Kleingärtnerver-        Dreier aus einem Bordell kommen ließ. 130      2005 machte sie ein Praktikum bei BILD und
ein … berechtigter Gedanke! Aber bohrende        Euro. Kurz drauf zog „das Mädchen“, dem        wechselte dann in die BILD-Außenredaktion
Fragen beantworte ich später.                    er, wie er sagt „nur helfen wollte“, in der    nach Köln. Zeitgleich bewarb sie sich an der
        Erst mal zu Bohrern, Saugern und Be-     Dentalwerkstatt ein. Wenige Wochen später      Axel-Springer-Journalistenschule und startete
handlungsliegen als Kulisse für wilde Sex-       klingelte die Polizei an – Hausdurchsuchung!   dort 2006 mit Stammredaktion BILD Unter­
partys. Mein Ex-Zahnarzt, vermutlich in der      „Das Mädchen“ hatte ihn angezeigt, unter       haltung. 2008 wurde sie Chefreporterin bei
Midlife-Crisis, Praxis in bester Kölner City-    anderem, weil er während der Sprechstunde      „Frau im Spiegel“ in München, kam wenig spä-
Lage. Hübsche Arzthelferin, Mitte 20. Ko-        Kokain schnupfte.                              ter aber nach Berlin zurück. Einige Monate freie
misch kam mir schon vor, dass in seinem War-             Warum er mir das alles erzählt hat,    Mitarbeit, unter anderem bei der B.Z., führten
tezimmer, anstatt Karius und Baktus, eine rote   habe ich erst viel später verstanden. Früher   sie zurück zu Axel Springer. 2009 wurde Bea
Ducati-Maschine stand. Als es in der Nachbar-    galt: Je naiver ich mich gab, desto mehr be-   Peters erneut Chefreporterin. Seit Mitte 2012
schaft von einer Razzia gerüchtet, überrenne     kam ich raus. Dirty Doc hat noch für mich      ist sie Ressortleiterin Gesellschaft bei der B.Z.
ich als Notfall den gut aussehenden Doktor.      posiert mit seinem Blondie. Der Aufma-         und jetzt auch bei BILD Berlin.
        Während er mit der Sonde bei mir         cher „Sex, Koks und Karies – Deutschlands
rumstochert, versuche ich die Lage zu sondie-    versauteste Zahnarztpraxis“ ist legendär in
ren. „Ploblem mi dem Motalad“ oder so ähn-       meinem persönlichen Poesiealbum. Später
lich, presse ich raus, um möglichst beiläufig    erfuhr ich, dass man bei ihm das Koka-

                                                                                                                    4/2013                     23
Zwei von vielen B.Z.-
                  Schlagzeilen, die Bea
                 Peters recherchiert hat

                                                                                       Bea Peters bei der Arbeit: Hier trifft sie Michail
                                                                                       Gorbatschow bei einer Veranstaltung

in entdeckt hat, es endete mit Berufsverbot.     Veranstalter schillernder Dinnerpartys, Mann       vor allem als David noch sagte: „Zum Glück
Zahnprobleme habe ich übrigens bis heute.        der großen Gesten. Er kam, sah und zahlte.         haben die Diebe unsere Champagnervorräte
        Bleiben wir bei Halbseide. Nicht         Und mixte dabei seinen eigenen Cocktail aus        nicht entdeckt.“
Zahnseide, sondern teilweise halbseidenes Fei-   Macht mit Glamour.                                         Der Spaß hörte auf, als am übernäch-
ervolk, dazu die feinen Seidengerüschten und             Hausbesuch in St-Tropez. David hatte       sten Tag, ich zurück in Berlin, mein Tele-
eine Überdosis Doppel-D- bis Z-Prominenz –       im Juli/August 2009 ein Luxus-Anwesen mit          fon klingelte. Einer der Oscar-Jungs. Bernd
willkommen in der Berliner Gesellschaft.         Pool (im fünfstelligen Euro-Bereich Wochen-        Eichinger habe ihn in St-Tropez angerufen
        Klaus Wowereit ist auch ein wich-        miete) für seine Freunde angemietet. Darun-        und zwei Minuten ohne etwas zu sagen
tiger Teil – hätte er nicht derart ausdauernd    ter die beiden Berliner Oscar-Produzenten          laut-hämisch in den Hörer gelacht. „Bea,
erzählt, was für eine sexy Metropole Berlin      mit ihren jeweiligen Sommermädchen, Ber-           was hast du uns angetan?“ – ein Satz, der bis
ist, würde es der Rest der Welt nicht so glau-   lins coolste blonde Brille sowie ein Telenove-     heute sirrt. Mit der Schlagzeile hätte ich sie
ben. Udo Walz gehört dazu, der Friseur, der                                                         alle zur Lachnummer gemacht, diskreditiert,
dem einen oder anderen Star vor einem Auf-                                                          verarscht sowieso, es sei nie die Rede gewe-
tritt die Haare föhnen darf und damit ein                                                           sen von einem Bericht, auch noch so einem
Star-Friseur ist. Und Modemacher Micha-                                                             großen, Eichinger würde die Zusammenar-
el Michalsky, der als international gefragter                                                       beit aufkündigen … Blablablubb. Die natür-
Designer gilt – zumindest im Grill Royal.
Minu Barati, wunderschöne Ministergattin
                                                      Bea, was                                      lichen Reflexe, so nenne ich es mittlerweile.
                                                                                                            An diesem Tag beschloss ich, frei nach
a. D. und Ein-Film-Produzentin, spielt eine
tragende Rolle.
                                                     hast du uns                                    Oscar Wilde, lieber einen guten Freund zu
                                                                                                    verlieren als eine gute Geschichte. Sieben wa-
        Früher war noch David Groenewold
dabei (heute hat er als ziemlich bester Freund
                                                      angetan.                                      ren es da, auf einen Streich. Und viele kamen
                                                                                                    später dazu. Auf Partys treffen mich Blicke
von Christian Wulff ein Dauer-Abo auf                                                               wie hochprozentiges Zyankali. Oft bin ich
                                                               Anonymer Promi
schlimme Schlagzeilen und wird nur noch                                                             überrascht, dass ein Prominenter mich nicht
am Katzentisch platziert). Mehr noch, der                                                           grüßt, und muss eine Weile in meinem Kopf-
Filmfinancier war mittendrin.                                                                       Archiv wühlen, womit ich den wohl ange­
                                                                                                    pikst haben könnte.
        Rückblende in die                                                                                   Je besser ich mich mit jemandem ver-
        Lehrjahre 2007 bis 2010                  la-Träumchen, das David aktuell bespaßte.          stehe, desto tiefer der Fall. Die Leute gehen
        „Eine Runde für alle“, rief der große,            Die Clique erzählte von einem Über-       wohl davon aus, dass sie aus Sympathie eine
gegelte Groenewold durchs Borchardt, Grilli      fall in der Nacht zuvor. Einbrecher stahlen        Art Hofberichterstattung bekommen. Aber
oder die Sylter Sansibar, verteilte Handküsse    ihnen Rolex-Uhren, Laptops und Bargeld im          hey, dafür bin ich nicht da! Prominente sind
und Schulterklopfer, saß in der größten,         vierstelligen Bereich. Mein Lieblingsfotograf      Produktionsmasse und Kontakte sind Arbeit,
VIPsten Tafelrunde. Liebling der Society,        war dabei, irgendwie fanden es alle lustig,        egal ob ich jemanden mag.

24              4/2013
Beruf: Reporter

                                                    Kurzes Interview beim Echo:
                                                    Bea Peters und Robbie
                                                    Williams

                                                                                                        „Hello, is it me you´re looking
                                                                                                        for?“ Sänger Lionel Richie zu
                                                                                                        Besuch in Berlin – und neben
                                                                                                        Bea Peters. Oben: Eine weitere
                                                                                                        Schlagzeile von der Klatschre-
                                                                                                        porterin

        Klingt das abgebrüht? Nee, die Socie-       bekomme. Im Nachthemd, mit zerzaustem             es auch!!), über Kompaktstress in Instant-
ty darf halt kein Streichelzoo sein für Alpha-      Haar, kommt Kurras zur Tür. Er gibt zu, dass      konzentration klagen, über Aua-Füße wegen
tiere, wo Reporter/Kolumnisten rumsitzen            er Mitarbeiter der Stasi war, und zeigt sich      Party-Marathon in Shit-High-Heels. Oder
wie in der Muppet Show und die Prominenz            reu- und furchtlos: „Ich habe kein schlechtes     Magenknurren wegen ewiger Häppchen-
Phrasen drischt, so abgestanden wie das             Gewissen. Das kann man sich auf den Hin-          knappheit, oder dass fast nur noch Kopfweh-
Buffet backstage bei der Fashion Week …             tern klatschen.“ Am nächsten Tag, Kurras          Prosecco ausgeschenkt wird, seit der Finanz-
        Gute Geschichten erfährt man auf            macht Mittagsschlaf, schaffe ich es, dass seine   krise. Und erst recht nicht jammern, dass ich,
dem roten Teppich selten, das Auflagen erigie-      Frau über das verpfuschte Leben auspackt:         wegen nächtlichem Dauer-Registrierblick wie
rende „Ich habe mich getrennt/bin schwanger/        „Er tut nur so groß. In Wirklichkeit ist er ge-   an der Scannerkasse, mittlerweile Brille zum
neu verliebt/gehe fremd, aber das weiß noch         brochen.“ Danach haben sie nie wieder mit         Abendkleid trage, oder – noch schlimmer –
keiner“ entlocken lässt sich kaum noch einer,       jemandem darüber gesprochen.                      dieser Job so gar nicht Freund-freundlich ist
in Zeiten von Deals mit Illustrierten. Aber                                                           und überhaupt, dass alles hyperunterschätzte
die Gnade der Nachricht ereilt mich meistens                                                          Schwerstarbeit ist, die ich leiste. Nee, passt
auch nicht im Bett oder Büro. Deswegen gilt:                                                          schon! In jeder Suppe findet sich ein Haar,
Wer bleibt, schreibt. Ich erinnere mich da ger-                                                       wenn man nur lange genug sucht. Und sucht
ne an unsere Enttarnung von Katja Riemann                                                             man noch länger, auch eine ganze Perücke.
und ihrem Lover mit der bewegten Film-
Vergangenheit (um es unjustiziabel auszudrü-
                                                                    Viel                                      Wo wir gerade bei Weisheiten im Stil
                                                                                                      von Professor Dr. Binse sind, meine wich-
cken), morgens 4.30 Uhr beim Filmpreis.
        Halt!!! Stopp!!!! Bevor ich alle Klatsch-
                                                                    hilft                             tigste: Viel hilft viel! Ich bin überzeugt, dass
                                                                                                      meine guten Geschichten meist so easy funk-
kolumnisten-Klischees totreite, vom Gicksi-
Gacksi-Glucksi-Glück, wenn einem beim
                                                                    viel!                             tionieren, weil ich mich für jedes Ding auf-
                                                                                                      schrabbele bis zum Anschlag. Wäre nur lang-
Feiern eine News entgegentorkelt, ein kurzer                         Bea Peters                       weilig, darüber zu referieren – mein Job ist
Kulissenwechsel – zur Selbstbeweihräuche-                                                             aber Unterhaltung! Dafür muss ich nicht mit
rung.                                                                                                 gezücktem Stift schnappatmend übers Party-
        Ein Mehrfamilienhaus in Span-                                                                 Parkett stöckeln. Der Trick ist, so zu tun, als
dau. Ich, in meiner kurzen Zeit als B.Z.-                                                             würde ich wie alle anderen feiern. Sinnent-
Allzweckreporterin, klingele bei Karl-Heinz                                                           leert werden das viele finden. Aber Hand aufs
Kurras, damals 81, der 1967 den Studenten                   Bei Licht betrachtet, eine Sache, die     Herz, lesen Sie nicht auch, und schmunzeln,
Benno Ohnesorg erschossen hat und jetzt,            mir in den Schoß fiel, nicht wirklich Mühe        was im schönen Scheinwerfer-Schein so für
42 Jahre später, als Stasi-Agent enttarnt wur-      gekostet hat. Aber ich will halt nicht mit        Sparleuchten irrlichtern?
de. Die erste Geschichte, für die ich außer-        endlos-quälenden Fällen oder komplexen,                   Ohne Show-Reporter, wäre alles nur
halb meines Mikrokosmos Anerkennung                 kräftezehrenden Recherchen angeben (ja, gab       Show … Und Glam wäre nur noch Gääähn!

                                                                                                                            4/2013                 25
Drei Monate
                                                     wurde
                                                vorbereitet.
                                               Hier arbeitet
                                                   Kollegin
                                                     Louise
                                                     Müller-
                                               Schönau am
                                                 Raumplan

     Gleich geht’s los: Redakteur
     Oliver Ohmann sitzt auf
     gepackten Kisten

                                    In der Nacht
                                     von Freitag
                                    auf Samstag
                                    ging es vom
                                       Ku‘damm
                                        ins Axel-
                                       Springer-
                                            Haus

                                                               Tina Przeslawska
                                                               bei der Arbeit. Die
                                                               Umzugskartons
                                                               stehen noch im
                                                               Hintergrund

26          4/2013
UNTERNEHMEN

    Es war ein anspruchsvolles Projekt. Innerhalb von
    nur drei Monaten wurde der Umzug der B.Z. vom
   Ku’damm ins Axel-Springer-Haus und die Planung
der gemeinsamen Redaktion mit BILD Berlin organisiert.
               inside.mag war live dabei.

T
                   ausende Kisten, Hunderte     redakteurs BILD: „Es macht Spaß – und es
                   Computer, ganz viele Mö-     macht beide Marken besser. Wir schöpfen
                   bel – wenn eine Medien-      einfach aus einem größeren Angebot, alle Re-
                   marke umzieht, muss eine     porter haben ihre Kontakte, ihre Ansprech-
                   ganze Menge mit. Und es      partner und vor allem ihre Kreativität mitge-
                   darf natürlich nicht lange   bracht. B.Z. wie BILD Berlin-Brandenburg
dauern. So wurde die B.Z. am Freitagabend,      haben dabei ihre unterschiedliche Tonalität
1. November 2013, noch am Kurfürsten-           behalten, alle, die eine Einheitssoße aus dem
damm produziert und am Sonntagmorgen            Axel-Springer-Haus erwartet haben, dürften
arbeiteten die Kollegen dann schon im 9.        bitter enttäuscht sein. Wenn man sieht, wie
Stock des Berliner Axel-Springer-Hauses.        die Konkurrenzmedien täglich Geschichten
Dort befindet sich der neue Newsroom von        von uns nachdrucken, ist das schon eine
B.Z. und BILD Berlin, der Nukleus der ge-       Freude. Eigentlich seltsam, dass wir nicht
meinsamen Redaktion. Das Herzstück ist der      schon viel früher auf die Idee des Schulter-
neue Balken – wegen der runden Form und         schlusses gekommen sind.“
der zentralen Position im Großraumbüro
auch „das Auge“ genannt. Die beiden Mar-               Von Anfang an mitdenken
ken arbeiten jetzt eng miteinander zusam-              Miriam Krekel, Stellvertretende
men und bündeln auf dem hart umkämpften         Chefredakteurin B.Z. und Redaktionsleiterin
Berliner Zeitungsmarkt ihre Kräfte. Vorallem    BILD Berlin-Brandenburg, ergänzt: „Bemer-
digital sollen B.Z. und BILD voneinander        kenswert ist, dass die Kollegen in allen Be-
profitieren und gemeinsam weiter wachsen.       reichen sowohl für die digitalen Plattformen
        Das erste Fazit von Peter Huth, Chef-   BZ.de und BILD.de als auch für die Print-
redakteur B.Z. und Stellvertreter des Chef-     Ausgaben von BILD Berlin-Brandenburg

                                                                                                4/2013     27
Stimmen der Kollegen

                          Hildburg Bruns,
                          Leiterin Kommunales:
                          „Positiv ist, dass ich mich neu erfinden
                          muss und kann. Negativ ist, dass wir
                          weniger Zeitungsseiten zwischen den Fin-
     gern haben. Der Vorteil der Zusammenarbeit: Jetzt hat wirklich
     immer jemand irgendeinen Draht. Es hilft aber sehr, die Claims
     abzustecken. Dadurch bleibt dann auch mehr Zeit für tiefere
     Recherchen. Denn man muss seine Geschichte mindestens
     dreimal denken: für BILD, für B.Z. – und online noch einmal
     länger.“

                          Lars Petersen,
                          Redaktion Lokales:
                          „Aus Konkurrenten werden Freunde. Ein
                          Prozess, der nicht immer leicht ist, aber    Miriam Krekel, ihr Stellvertreter Matthias
                          in dem alle auf ein gemeinsames Ziel         Bieder und Peter Huth (r.)
     hinarbeiten: unsere Stadt jeden Tag mit den interessantesten
     Geschichten zu versorgen.“

                           Katharina Metag,
                           stellvertretende Ressortleiterin            und B.Z. von Anfang an mitdenken. Es ist
                           Polizei:                                    wirklich beeindruckend, wie schnell sich
                           „Am schönsten finde ich, dass es im         zwei Redaktionen innerhalb kürzester Zeit
                           Polizeiressort keine Eitelkeiten zwischen   in einem so nie da gewesenen Modell zusam-
     den BILD- und B.Z.-Kollegen gibt, auch wenn es sicher noch        mengefunden haben. Viele Kollegen haben
     einige Zeit dauern wird, bis nicht mehr von ‚euch‘ und ‚uns‘      sich schon in der Vorbereitungszeit quasi
     gesprochen wird. Wo uns vorher die gegenseitige Konkurrenz        selbst überholt.“
     angespornt hat, ist es jetzt das Anliegen, gemeinsam besser
     und schneller zu sein als alle anderen. Das funktioniert bisher            Alle haben geholfen
     richtig gut und macht nebenbei auch noch Spaß.“                            Nach sechs Jahren im Kranzler-Eck
                                                                       am Ku’damm ist die B.Z. also zu den Wurzeln
                                                                       des Ullstein-Verlages im Berliner Zeitungs-
                                                                       viertel zurückgekehrt. Innerhalb von nur
                                                                       drei Monaten wurde der Umzug vorbereitet
                                                                       und umgesetzt. Die Kollegen der Technik
                                                                       aus dem Bereich Axel Springer Media Sys-
                                                                       tems arbeiteten auf Hochtouren und sorgten
                                                                       dafür, dass die Infrastruktur funktioniert.
                                                                       Raumpläne wurden erstellt, es fanden Schu-
                                                                       lungen für das Redaktionssystem InterRed
                                                                       statt, die Konferenzstruktur wurde verändert.

28                4/2013
UNTERNEHMEN

                                                                                                     Foto: Matti Hillig
Der neue Newsroom im 9. Stock des Berliner Axel-Springer-Hauses. Am so genannten
„Auge“ arbeiten Kollegen aus den verschiedensten Bereichen zusammen

Die gemeinsame Redaktion soll sich nun zu                 Zur Begrüßung gab es für die Kolle-
einer 24-Stunden-Redaktion entwickeln.            gen der B.Z. verschiedene Aktionen im Ber-
B.Z. und BILD Berlin-Brandenburg arbeiten         liner Axel-Springer-Haus. An den Eingängen
eng zusammen und produzieren gemeinsam            wurden Getränke verteilt, aufgeklebte Fuß-
– bleiben aber zwei komplett unabhängige          abdrücke zeigten den Weg in die neuen Bü-
Produkte. Florian Klages, Geschäftsführer         ros. In der Axel-Springer-Passage konnte sich
B.Z. Ullstein GmbH und General Manager            jeder Mitarbeiter seinen eigenen Smoothie
BILD OST, ist mehr als zufrieden: „Danke –        mixen.
ich glaube, das ist das Wort der Stunde. Die              Axel Lier, Ressortleiter Polizeiredak-
Art und Weise, wie wir von den Kolleginnen        tion BILD Berlin/B.Z., fasst die Stimmung
und Kollegen hier im Haus empfangen wur-          in der Redaktion zusammen: „Wir sind jetzt
den, hat uns beeindruckt. Unserem Ziel, die       ‚Berlins härteste Polizei-Redaktion‘. So steht
B.Z. erfolgreich, das bedeutet unter Realisie-    es auch auf unserem Logo, das Grafiker Jim
rung aller sinnvollen wirtschaftlichen Effekte,   Dick für uns entworfen hat. Und: So ist es
aber vor allem eben auch unter Wahrung von        auch! Wir sind hart in der Recherche, hart
Profil und Marktposition zu integrieren, sind     im Umgang mit der Konkurrenz und hart zu
wir entscheidend näher gekommen. Die Reise        uns selbst. Aber das Wichtigste ist, dass wir
geht weiter – aber die Punktlandung bei Um-       Spaß dabei haben. Weil wir ein noch größe-
zug und Redaktionssystem waren nur durch          res Reporter-Team sind und weil wir schon
eine unglaubliche Teamleistung möglich – ich      Monate vor dem offiziellen Start eng zusam-
freue mich auf die kommenden Etappen!“            mengearbeitet haben.“

                                                                                                   4/2013                 29
Sonderkommission

Rote Jacke an, Ausweis raus und los: Am 22. September trafen sich viele Kollegen in Berlin –
aber auch in Hamburg wurde an zahlreichen Türen geklingelt

Viele Sonntagshändler, Vertriebspartner, Mitarbeiter und Vorstandsmitglieder haben
am 22. September 2013 an zahlreichen Türen geklingelt und für die Sonntagszeitungen
von Axel Springer geworben. Carolin Hulshof Pol, Verlagsleiterin BILD am SONNTAG,
schreibt im inside.mag über ihre persönlichen Erfahrungen vom Bundeswerbesonntag.

J
      eden Sonntag sind rund 22.000 Sonn-          sind die Reaktionen wirklich? Während der        türen wohl freundlicher empfangen werden
      tagshändler für den Verkauf von BILD         Schulzeit habe ich zum Aufbessern des Ta-        würde, wenn man mit einem Hundewelpen
      am SONNTAG in ganz Deutschland               schengelds Handzettel verteilt. Vielleicht       auf dem Arm dort aufschlägt?!
      im Einsatz. Sie bringen ihren Stamm-         wird es hier ähnlich? Während ich darüber                Genug gequatscht, ab an die Haus-
      kunden die Zeitung direkt an die             nachdenke, fahre ich gerade zum Treffpunkt       türen. Rote Händlerjacke an, Zeitungen in
      Haustür. Wenn es nach meinen Wün-            nach Potsdam mit Schmackes in eine Radar-        die Taschen sortieren, im Kopf den Text zu-
schen ginge, klingeln sie darüber hinaus noch      falle. Das fängt ja gut an.                      rechtlegen: „Guten Tag, ich möchte Ihnen
an vielen weiteren Haustüren, um neue Le-                                                           heute gern eine Sonntagszeitung schenken.
ser für BILD am SONNTAG zu begeistern.                    Wie ein Klassenausflug                    Kennen Sie eigentlich auch den Nach-Hau-
Immer wieder frage ich daher die Kollegen                 Am Treffpunkt angekommen ist die          se-Service von BILD am SONNTAG? Sind
aus dem Vertrieb, was wir machen können,           Stimmung fröhlich, trotz freiwilligem Son-       Sie sicher? Das ist nämlich kein Abo, Sie
damit Neukunden noch aktiver geworben              dereinsatz der teilnehmenden Kollegen am         haben keine Vertragsbindung, sondern der
werden. Da muss doch noch was gehen!               Sonntagmorgen. Ich fühle mich ein wenig          Kiosk kommt einfach zu Ihnen nach Hause.
        Jetzt kommt der Realitätscheck am          an frühere Klassenausflüge erinnert. Alle sind   Das sollten Sie wirklich einmal ausprobieren
eigenen Leib. Wie ist es, an einem Sonntag         ein wenig aufgeregt und so beginnen wilde        …“. Dennoch, das erste Klingeln ist speziell
an einer fremden Haustür zu klingeln? Wie          Spekulationen, ob man an fremden Haus-           und deutlich weniger entspannt, als man sich

30              4/2013
VERTRIEB

Neuleser
                                                                  Auch unterwegs
                                                                  (v. l.): Andreas
                                                                  Wiele, Vorstand
                                                                  BILD-Gruppe
                                                                  und Zeitschriften,
                                                                  Carolin Hulshof Pol,
                                                                  Verlagsleiterin BILD
                                                                  am SONNTAG, und
                                                                  Jan Bayer, Vorstand
                                                                  WELT-Gruppe und
                                                                  Technik

                                                                                                     Sandra Balcke, Leitung Verkauf Sonntags-
      Sonntagshändler                                                                                markt Region Ost, im Einsatz
   Steven Grüner (l.) im
   Gespräch mit einem
     potentiellen Abon-
                 nenten

 seinen Sonntag um 10 Uhr im Allgemeinen         lich. Aber jemanden an der Haustür dafür          Haustür geliefert bekommen, natürlich
 so vorstellt. Ich befürchte, mein Gegenüber     zu begeistern, dass am nächsten Sonntag           gebe ich Ihnen dafür meine Daten“, das ist
 an der Haustür empfindet ähnlich.               direkt wieder ein Händler mit der Zeitung         WIRKLICH sehr schwer zu bekommen.
         Zu meiner Überraschung sind die         vor der Tür steht, das ist schon deutlich         Zum Glück war ich ja vorgewarnt und wuss-
 meisten potenziellen BamS-Festleser wirklich    schwieriger. Immerhin die Visitenkarte von        te, dass man an 30 bis 40 Türen gesprochen
 freundlich. Ich hatte mich dafür gewappnet,     unserem Vertriebsstellenleiter kann ich fast      haben muss, um einen neuen Festleser an der
 dass ich meinen Text gar nicht erst aufsagen    immer mit übergeben. Ob dort wirklich an-         Angel zu haben. Dass es wirklich so schwierig
 darf und mir jemand durchaus auch die Tür       gerufen wird, ist fraglich. Um ehrlich zu sein:   ist, und dass unsere Händler eine anspruchs-
 vor der Nase zuschlägt. Ja, ich werde auch      Vermutlich sind die angesprochenen Pots-          volle Aufgabe haben, das hat sich an diesem
 abgewimmelt, aber das in der Regel sehr         damer einfach nur froh, wenn ich endlich          Tag sicherlich bestätigt. Unser Argument,
 freundlich. Etwas geschenkt bekommen, ist       aufhöre zu reden.                                 dass man sich nicht auf Monate verpflichtet,
 ja per se erst einmal positiv und sicher noch                                                     sondern jederzeit abbestellen kann, hilft sehr.
 nicht die hohe Verkaufskunst. Aber vielleicht          Eine anspruchsvolle Aufgabe                Die Leute haben ganz offensichtlich Angst
 können wir genau mit diesem Schnupperan-               Mein persönliches Fazit: Wie be-           vor Vertragsbindungen. Die Reaktion auf die
 gebot begeistern. Und auch die entstehenden     fürchtet, ein echtes: „Ja, ich möchte jeden       Marke BILD am SONNTAG war in Summe
 Dialoge sind zum Großteil positiv und freund-   Sonntag die BILD am SONNTAG an die                erfreulich positiv.

                                                                                                                        4/2013                 31
Sie können auch lesen