Evaluation der präventiven Kurse der IKK Baden-Württemberg
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Evaluation der präventiven Kurse der IKK Baden-Württemberg Veröffentlicht in: Prävention - Zeitschrift für Gesundheitsförderung, Heft 1/2001 Klaus Riemann Kurt Gläser Zusammenfassung Die primär- und sekundärpräventiven Angebote der IKK Baden-Württemberg in den Bereichen Bewegung und Entspannung wurden in den Jahren 1998 bis 2000 längsschnittlich evaluiert. Für beide inhaltlichen Bereiche kamen Fragebogen zu Kursbeginn und zu Kursende zum Einsatz. Zur Beschreibung der Ergebnisqualität wurden die Ziele der Teilnehmer/innen zu Kursbeginn und deren Erreichung zu Kursende abgefragt. Darüber hinaus wurden eb enfalls zu beid en Zeitpunk ten in Anlehnu ng an den S F-36 Fra geboge n fünf Dimen sionen der gesundhe itli- chen Lebensqualität erhoben. Die Angebote werden primär von Personen mit niedrigen Bildungsabschlüssen wahrgenommen. Die Teilnehmer haben die selbstgesteck ten Ziele übe rwiegend e rreicht. “Besc hwerdenr ückgang” wird allerding s nur von de r Hälfte der Befra gten zu Ku rsende ang egeben. A lle Dimensio nen der ges undheitlichen Lebensq ualität verbesse rn sich im Kursverlauf - mit unterschiedlichen Schwerpunkten bei Bewegung und Entspannung - zum Teil erheblich. Zukünftige Untersuchungen zu späteren Zeitpunkten müssen klären, ob diese Effekte stabil bleiben. Schlüsselwörter: Praeven tion, Bewe gungsange bote, Entsp annungsang ebote, W irksamkeit, E valuation, ges undheitli- che Lebensqualität Summary: The IKK Baden-Württemberg has provided a variety of courses in the fields of physical activity or relaxation. Those courses have been evaluated between 1998 and 2000. Questionnaires were used at the beginning and at the end of each course. To describe the impact of the preventive activities before entering the course, the participants were asked to describe, which effects they personally expected. After finishing the course they were asked whether and to which extend their expectations were fulfilled. In addition both questionnaires measured five dimensions of health related quality of life, based on the Short Form 36-Questionnaire. The participants are mostly of lower education. Most of them were able to reach their aims, although only 50% achieved a decrease in their complaints. All dimensions of health related quality of life improved between, some even substantially. As would have been expected, the dimensions of health-related quality improving most were different depend ing on wethe r the peop le participate d in physical ac tivities or in relaxatio n. Whe ther the particip ation in preventive activities will have long-time effects, is to be proved in a follow up evaluation. Key-words: prevention , physical activity, rela xation, effectiven ess, evaluation , health related quality of life 1 Anlage der Untersuchung und Methoden Gegenstand der Untersuchung waren präventive Beratungen und Kurse in den Bereichen Bewegung und Entspannung der IKK Baden-Württemberg in den Jahren 1998 bis 2000. Diese Maßnahmen werden im Rahmen des Gesamtkonzeptes "IKKimpuls" für Einzelpersonen oder Gruppen zu den Themen Bewegung, Entspannung und Ernährung angeboten. Die Teilnahme wurde bis 1999 nur von der Krankenkasse finanziert, wenn die Teilnehmer/innen auf der Basis einer Präventions-Empfehlung von ihrem behandelnden Arzt in die Beratungen überwiesen wurden. Ab 2000 bietet die IKK ihren Mitgliedern auch wieder kostenfreie Kursangebote nach § 20 SGB V an (Primärprävention). Auf der Basis von § 43 SGB V (Sekundärprävention) gibt es weiterhin reine Gruppen- und reine Einzelbera- 1
tungen sowie Mischformen, bei denen zunächst einzeln beratene Klienten/innen später in Gruppen zusammengefasst werden (im Folgenden verwenden wir den Begriff “Kurse”). Im Bereich Bewegung werden Rückenschulen, Gymnastik- und Ausdauerprogramme angeboten, teilweise in Mischformen. Im Bereich Entspannung Angebote wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung sowie Kurse zu weiteren alltagstauglichen Stressmanagement-Methoden. Die sekundärpräventiven Angebote richten sich im Bewegungs- wie im Entspannungsbereich nach der Diagnosestellung des Arztes und berücksichtigen die individuellen Erfordernisse. Im Bereich Bewe- gung dominieren dabei eindeutig Probleme des Muskel-Skelett-Systems. Es gibt eine strikte Trennung der primär- und sekundärpräventiven Angebote, so dass eine Vermischung der Teilnehmer mit/ohne ärztliche Präventionsempfehlung ausgeschlossen ist. Ziel der Untersuchung war die Überprüfung der Qualität und Wirksamkeit der Angebote. Zum Einsatz kam das vom IKK-Bundesverband entwickelte Evaluationssystem für präventive Angebote. Es handelt sich vorerst um eine längsschnittliche Befragung zu zwei Zeitpunkten (Beginn und Ende der Kurse). Damit können Aussagen über die kurzfristige Wirksamkeit der Kurse gemacht werden, ein drittes Befragungsmodul ist derzeit in Arbeit. Langfristige Erfolge - insbesondere durch Beratungsinhalte, welche die Teilnehmer zu weiteren selbständigen Verbesserungen ihres Gesundheitszustandes befähigen sollen (Lernen von Übungen und Methoden) - können bisher noch nicht beurteilt werden. Das Evaluationssystem wurde als gemeinsames Verfahren für die Bereiche Bewegung und Ent- spannung entwickelt. Es hat den Anspruch, mit vertretbarem Aufwand - d.h. unter Beschränkung auf die wesentlichen Informationen - Daten größtmöglicher Härte zu liefern. Die jeweils nur zweiseitigen Fragebogen beschränken sich deshalb auf Informationen, die sich in zwei Gruppen unterteilen lassen: Jeweils nur einmal erhoben werden die folgenden Informationen: Kenntnis des Angebots, Hauptziele (Rückgang von Beschwerden/Vorbeugung/anderes), Alltags-Beanspruchungen, Beschwerden/Krank- heiten im Jahr vor der Teilnahme, subjektive Erfolgseinschätzung und Zufriedenheit, Bewertung von Strukturqualität (Rahmenbedingungen) und Prozessqualität (Berater/innen) sowie Sozialdaten. Kernstück der Evaluation sind die Inhaltsbereiche zur Ergebnisqualität, die sowohl vor Beginn als auch nach Beendigung der Kurse abgefragt werden, bei denen also Veränderungen gemessen werden können. Im Eingangsfragebogen wird eine Liste von 13 möglichen subjektiven Einzelzielen abgefragt, die mit der Teilnahme an den Kursen möglicherweise verfolgt werden. Die Erreichung dieser 13 Einzelziele wird im Schlussfragebogen in sprachlich leicht modifizierter Form erneut abgefragt. Der zweite Komplex, mit dem Veränderungen gemessen werden können, sind fünf Dimensionen zur gesundheitlichen Lebensqualität, die einer anerkannten sozialwissenschaftlichen Skala entnommen wurden (SF-36). Mit dieser Skala können Informationen zu den folgenden Dimensionen der gesund- heitlichen Lebensqualität erhoben werden: • körperliche Rollenfunktion (Einschränkungen aufgrund der körperlichen Gesundheit bei der Arbeit oder anderen alltäglichen Tätigkeiten im Beruf bzw. zu Hause), • körperliche Schmerzen (Stärke und Behinderung), • Vitalität (Schwung/Energie und Erschöpfung/Müdigkeit), • emotionale Rollenfunktion (Einschränkungen aufgrund der seelischen Gesundheit bei der Arbeit oder anderen alltäglichen Tätigkeiten im Beruf bzw. zu Hause), • psychisches Wohlbefinden (Nervosität, Niedergeschlagenheit, Entmutigung und Ruhe, Gelas- senheit, Glück). 2
Diese Skala zur gesundheitlichen Lebensqualität wurde methodisch außerordentlich sorgfältig und aufwendig validiert und wird auch in den Nationalen Gesundheitssurveys eingesetzt. Der Bezug zu einer repräsentativen deutschen Normstichprobe ermöglicht Vergleiche mit hoher Aussagekraft. Die Auswahl der o.g. fünf Dimensionen (von insgesamt acht im SF-36) erfolgte gezielt für Bewegungs- und Entspannungsangebote. Die Daten wurden von der IKK jeweils im ersten bzw. letzten Kurstreffen erhoben und auf der Basis eines anonymisierten Codes zusammengeführt. Es gelangten 753 Fragebogen-Paare in die Aus- wertung. Es wurden Grundauszählungen und Kreuztabellen für verschiedene Tabellenköpfe gerechnet. Für die Daten zur gesundheitlichen Lebensqualität wurden alters- und geschlechtsstandardisierte Vergleiche mit der deutschen Normstichprobe des SF-36 gebildet, so dass sowohl der Gesundheits- zustand zu beiden Messzeitpunkten als auch die Veränderungen zu einer alters- und geschlechtsver- gleichbaren Stichprobe in Beziehung gesetzt werden können. Im Folgenden werden hauptsächlich Daten zur Ergebnisqualität dargestellt. 2 Ergebnisse 2.1 Beschreibung der Teilnehmer/innen Die Mehrheit (69%) der 753 Befragten hat an Beratungen auf der Basis des § 43 SGB V, also mit ärztlicher Präventions-Empfehlung teilgenommen. Die Teilnehmer an primärpräventiven Massnahmen haben bis Ende 1999 die Kursgebühren eigenfinanziert. Eine differenzierte Ergebnisauswertung dieser beiden Teilgruppen wurde vorgenommen; aus Gründen der Übersichtlichkeit werden im Folgenden nur die Gesamtergebnisse dargestellt und es wird lediglich auf markante Unterschiede hingewiesen. Es beteiligten sich 19 von 30 Regionaldirektionen der IKK Baden-Württemberg an der Evaluation. Es handelte sich zu zwei Dritteln um reine Gruppenberatungen/Kurse, in 10% um Einzelberatungen und in 22% um Mischformen. Tabelle 1 zeigt, dass überwiegend Frauen und Personen mit Haupt- und Realschulabschluss erreicht werden. 3
Tabelle 1: Stichprobenbeschreibung Gesamt Bewegung Entspannung weiblich 69% 66% 86% männlich 31% 34% 14% - 24 Jahre 6% 5% 10% 25 - 34 Jahre 17% 16% 26% 35 - 44 Jahre 21% 20% 28% 45 - 54 Jahre 14% 15% 8% 55 - 64 Jahre 26% 27% 20% 65 Jahre u.m. 14% 15% 3% Durchschnittsalter 475 485 405 Hauptschulabschluss 56% 56% 50% Realschulabschluss 27% 26% 33% Abitur 8% 8% 7% anderes/k.A. 9% 10% 10% berufstätig 56% 56% 50% Hausfrau/-mann 22% 22% 21% Rentner/in 11% 12% 9% in Ausbildung 3% 2% 8% k.A. 8% 8% 12% Basis N=753 n=655 n=98 An den Entspannungskursen nehmen mehr Frauen und jüngere Personen teil. Auffällige Unterschiede ergab die Datenanalyse in Bezug auf die Beteiligung niedergelassener Ärzte. Teilnehmer mit einer ärztlichen Präventionsempfehlung • sind durchschnittlich acht Jahre jünger, • sind häufiger Männer, • haben häufiger einen Hauptschulabschluss (63%/40%). Abbildungen 1 und 2 zeigen die Hintergründe der Teilnahme an den Kursen, die aktuellen Alltags- beanspruchungen und aktuelle Beschwerden/Krankheiten zum Zeitpunkt des Kursbeginns: 4
Abbildung 1: Aktuelle Krankheiten/Beschwerden (Auszug) Abbildung 2: Aktuelle Alltagsbeanspruchungen (Auszug) Als Motivation für die Teilnahme können überwiegend aktuelle Beschwerden im Rückenbereich bei beiden Angeboten und Erschöpfungszustände oder psychische Probleme bei den Entspannungs- angeboten angesehen werden (Abbildung 1). Das wird bestätigt durch die Beantwortung der Frage nach dem Hauptziel der Teilnahme, das für 77% darin liegt, etwas gegen aktuelle Beschwerden tun zu wollen (Abbildung 2). 5
Hintergrund dafür dürften Alltagsbeanspruchungen wie einseitige Körperhaltung und schwere körper- liche Arbeit bei den Bewegungsangeboten, sowie Hektik/Zeitdruck und Überforderung bei den Entspannungsangeboten sein. Die präventiven Kurse und Beratungen der IKK Baden-Württemberg werden also von der überwiegen- den Mehrheit der Teilnehmer/innen sekundärpräventiv genutzt, d.h. bei schon manifesten Beschwer- den/Krankheiten. 2.2 Struktur- und Prozessqualität Zur Erfassung der Strukturqualität wurden die Teilnehmer/innen gebeten, die folgenden Aspekte der Kurse zu benoten: Räumlichkeiten, Wochentag/Uhrzeit, Organisation, Atmosphäre in der Gruppe und schriftliche Materialien. Zur Bewertung der Prozessqualität wurden Bewertungen der Berater/innen zur Durchführung der Kurse abgefragt: Eingehen auf Fragen, Verständlichkeit, Fachkenntnis und Freund- lichkeit. Sowohl Struktur- als auch Prozessqualität wurden hervorragend bewertet. Der Notendurchschnitt (Schulnoten-System von 1 bis 6) liegt bei 1,6 (Strukturqualität) bzw. 1,2 (Prozessqualität). 2.3 Ergebnisqualität I: Ziele und Erfolge der Kurse Die subjektiven Ziele und Erfolge der Teilnahme wurden zum Teil allgemein formuliert (“Beschwer- den gehen zurück/verschwinden”) zum Teil aber auch speziell für die Angebote formuliert (“besserer Umgang mit körperlichen Belastungen” bzw. “besserer Umgang mit nervlichen Belastungen”). Alle Ziele bzw. Erfolge wurden aber in einem einheitlichen Fragebogen für beide Präventionsbereiche abgefragt. Grundsätzlich handelt es sich bei dieser Form der Frage um eine “weiche Evaluation”, die Beantwortung unterliegt möglicherweise dem Effekt sozialer Erwünschtheit. In Tabelle 2 werden die Ziele zu Kursbeginn und die Erfolge zu Kursende nebeneinandergestellt. Dabei ist zu beachten, dass in allen Fällen - also auch bei den Erfolgen - auf die Grundgesamtheit aller Teilnehmer prozentuiert wird. Die Ergebnisse in Tabelle 2 liegen auf verschiedenen Ebenen: • Die meisten Probanden haben ihre ursprünglich gesetzten Ziele erreicht. • Das Ziel des Rückgangs von Beschwerden wird bei Kursende nur von etwa der Hälfte dieser Befragten erreicht. Andererseits gibt es Ziele, die unerwartet erreicht werden: der Wissenszuwachs und die bessere Einschätzung der eigenen Bedürfnisse. • Je nachdem, um welches Angebot es sich handelt, werden unterschiedliche Zielschwerpunkte gesetzt (z.B. nervliche Belastungen bei Entspannungs-, körperliche Belastungen bei Bewegungs- angeboten), aber diese spezifischen Ziele werden von kleinen Gruppen auch bei den jeweils anderen Kursen angeführt und zum Teil auch erreicht. 6
Tabelle 2: Ziele und Erfolge Gesamt Bewegung Entspannung besserer Umgang mit körperlichen Belastungen 49% 51% 39% Ziel nach Kursende erreicht 54% 57% 34% besserer Umgang mit nervlichen Belastungen 19% 14% 53% Ziel nach Kursende erreicht 16% 10% 58% Lernen von Übungen/Meth. zur Vorbeugung 67% 72% 37% Ziel nach Kursende erreicht 61% 65% 36% beweglicher werden 34% 37% 11% Ziel nach Kursende erreicht 30% 34% 4% bessere Körperhaltung 47% 52% 17% Ziel nach Kursende erreicht 40% 44% 16% eigene Bedürfnisse besser erkennen 10% 8% 18% Ziel nach Kursende erreicht 18% 17% 26% besser entspannen können 33% 28% 70% Ziel nach Kursende erreicht 33% 28% 66% Beschwerden gehen zurück 56% 55% 61% Ziel nach Kursende erreicht 27% 27% 28% mehr Wissen 34% 35% 23% Ziel nach Kursende erreicht 49% 52% 32% Basis N=753 n=655 n=98 Die genauere Analyse zeigt, dass vor den Kursen durchschnittlich 4.0 angestrebte Ziele, nach Kursen- de 3.6 erreichte Erfolge genannt werden. Die geäußerten Erfolge sind größtenteils erwartet worden (Ziel wurde vor dem Kurs genannt), treten aber auch unerwartet ein. Die Zahlen der nicht erreichten Ziele und der unerwarteten Erfolge halten sich in etwa die Waage. Teilnehmer mit Präventions-Empfehlung haben häufiger Erfolge in den Bereichen "Wissen", "Lernen von Übungen und Methoden" und "Umgang mit Belastungen". 2.4 Ergebnisqualität II: Gesundheitliche Lebensqualität In Anlehnung an den SF-36 wurden auch zwei Fragen zur allgemeinen Gesundheitswahrnehmung übernommen, die zu Kursbeginn und zu Kursende gestellt wurden. Die Ergebnisse sind für beide Angebotsarten ähnlich und können daher gemeinsam dargestellt werden (Teilnehmer/innen der Entspannungskurse haben in beiden Fällen etwas schlechtere Werte). Abbildung 3 zeigt, dass der Anteil der Teilnehmer/innen, die ihren Gesundheitszustand als “schlecht” und “weniger gut” bezeichnet, sich von 43% zu Kursbeginn auf 22% zu Kursende halbiert. Interessanter für eine längsschnittliche Befragung ist die zweite Frage “Im Vergleich zum vergangenen Jahr, wie würden Sie Ihren derzeitigen Gesundheitszustand bezeichnen?”. Zu beiden Befragungszeit- punkten wird also ein “individuelles Benchmarking” mit dem vergangenen Jahr verlangt. Da Kurse üblicherweise nicht über den Jahreswechsel hinaus durchgeführt werden, kann also davon ausgegangen werden, dass es sich in etwa um den gleichen zeitlichen Orientierungspunkt handelt. Abbildung 4 zeigt, dass dieser Vergleich positiv ausfällt. Vor dem Kurs war die Bilanz der Befragten mit besserem (20%) und schlechterem (33%) Gesundheitszustand als vor einem Jahr leicht negativ, nach Kursende geben 54% eine Verbesserung im Vergleich zum letzten Jahr an, nur noch 13% eine Verschlechterung. 7
Abbildung 3: Aktueller Gesundheitszustand Abbildung 4: Gesundheitszustand im Vergleich letztes Jahr In Anlehnung an den SF-36 wurden nur fünf der insgesamt acht Dimensionen der gesundheitlichen Lebensqualität in beide Fragebogen aufgenommen. Die Ergebnisse werden getrennt für Bewegungs- (Abbildung 5) und Entspannungskurse (Abbildung 6) und als Abweichungen von der deutschen Normstichprobe dargestellt, gemessen in Standardabweichungen (die Null-Linie entspricht den Werten einer alters- und geschlechtsgleichen Teilstichprobe der deutschen Normstichprobe): 8
Abbildung 5: Gesundheitliche Lebensqualität (Bewegung) Abbildung 6: Gesundheitliche Lebensqualität (Entspannung) Die Dimensionen der gesundheitlichen Lebensqualität zeigen ein ähnliches Bild bei beiden Kurs- angeboten: vor dem Kurs z.T. erheblich schlechtere Werte im Vergleich zur Normstichprobe, die sich nach dem Kurs verbessert haben. Für den Bewegungsbereich sind diese Verbesserungen am deutlichsten in den Dimensionen "Schmerz", "Vitalität" und "psychisches Wohlbefinden". Nur schwach ausgeprägt ist dieser Trend in der Dimension körperliche Rollenfunktion. Das bedeutet, dass die körperlichen Beschwerden - trotz stark ausgeprägter Schmerzwerte - nur selten zu Einschränkungen bei der Erfüllung alltäglicher 9
Pflichten im Beruf oder zu Hause führen. Auch die Dimension emotionale Rollenfunktion (Ein- schränkungen aufgrund der seelischen Gesundheit) zeigt bei schon zu Kursbeginn unauffälligen Werten keine interpretierbaren Veränderungen. Teilnehmer/innen der Entspannungskurse weisen in allen Dimensionen zu Kursbeginn schlechtere Werte auf als die der Bewegungskurse. Die Verbesserungen nach den Kursen sind ebenfalls in allen Bereichen erheblich. Im Gegensatz zu den Bewegungskursen zeigen sich diese Ergebnisse auch in den auf den psychischen Zustand bezogenen Dimensionen “emotionale Rollenfunktion” und “psychisches Wohlbefinden”. Es fällt auf, dass sowohl die Schmerzwerte als auch die der körperlichen Rollenfunktion bei Teilneh- mern/innen der Bewegungskurse unauffälliger ausgeprägt sind, obwohl Rückenbeschwerden bei ihnen häufiger sind. Teilnehmer/innen mit Präventionsempfehlung, die also von einem Arzt in die Kurse überwiesen wurden, haben deutlich schlechtere Anfangswerte in allen Dimensionen der gesundheitlichen Lebens- qualität und ebenso deutlich größere Verbesserungen. Dies belegt eine gesonderte Auswertung, in der die "freiwilligen" Kursteilnehmer den Personen mit ärztlicher Empfehlung gegenübergestellt wurden (ohne Abbildung). 3 Diskussion Der Ansatz, mit dem IKK-Evaluationssystem gemeinsame Instrumente für Bewegungs- und Ent- spannungsangebote zu erarbeiten, wurde bestätigt. Bei den Zielsetzungen und Erfolgen aus subjektiver Sicht der Teilnehmer/innen werden zwar angebotsspezifische Schwerpunkte gesetzt, aber es gibt auch Gruppen, welche die Ziele von Entspannungsangeboten mit Bewegungskursen erreichen und umge- kehrt. Das ist darin begründet, dass es kaum noch Kurse gibt, die nicht Elemente des jeweils anderen Themas enthalten. Die Evaluation von Prävention ist äußerst schwierig und mit erheblichen methodischen Problemen belastet. Unser Evaluationsinstrumentarium baut darum darauf, zwar möglichst nur die notwendigsten Daten zu erheben, dies aber aus unterschiedlichen Perspektiven: neben der retrospektiven Angabe subjektiver Erfolge durch die Befragten wurden darum in Anlehnung an den SF-36 Dimensionen der gesundheitlichen Lebensqualität in die Fragebögen übernommen, bei denen Item-Listen abgefragt werden. So kann ein Effekt sozialer Erwünschtheit weitgehend ausgeschlossen werden. Ein Auswertungskriterium ist vor diesem Hintergrund, dass die Ergebnisse der verschiedenen Fragen- komplexe in die gleiche Richtung deuten. Das ist bei den vorliegenden Daten der Fall: die subjektiven Erfolge der Befragten hängen in hohem Maße mit den Veränderungen der gesundheitlichen Lebens- qualität zusammen. Es müssen jedoch zunächst noch Fragen offen bleiben: • Tragen die kurzfristigen Erfolge bei Kursende auch in der Zukunft? • Wie wird die Entwicklung bei den Teilnehmern/innen aussehen, die bei Kursende noch keine nennenswerten Verbesserungen des Gesundheitszustands erreichen, aber das “Rüstzeug” erhalten haben, um selbständig weiterzumachen? • Die dargestellten Veränderungen in Dimensionen der gesundheitlichen Lebensqualität sind Grup- penmittelwerte, hinter denen auch Teilgruppen stehen, die nur wenig Veränderungen oder auf 10
einzelnen Dimensionen auch Verschlechterungen aufweisen. Hier sind weitere Datenanalysen und gegebenenfalls auch Modifikationen der Angebote oder Zielgruppenansprache erforderlich. Bereits jetzt können aber abschließende Aussagen zur Zielgruppenerreichung gemacht werden. Die Angebote erreichen Personen mit Haupt- und Realschulabschluss. Von zentraler Bedeutung scheint der Zugang über die Vereinbarung mit niedergelassenen Ärzten zu sein, die ihre Patienten in die Kurse überweisen: Dadurch werden deutlich noch mehr Hauptschulabsolventen, mehr Männer und jüngere Personen erreicht, also Zielgruppen, die üblicherweise schwer zu erreichen sind. Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die Evaluation präventiver Angebote anhand von Elementen einer Skala zur gesundheitlichen Lebensqualität eine hohe Hürde ist. Dass diese Hürde bei Kursende von einem erheblichen Anteil der Teilnehmer genommen wird, legt eine positive Bewertung der Angebote nahe. Anschriften der Autoren: Klaus Riemann Kurt Gläser GESOMED IKK Baden-Württemberg St.-Erentrudis-Str. 14 Schlachthofstr. 3 79112 Freiburg 71636 Ludwigsburg 11
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