Wie Medienvielfalt zukunftsfest machen? - Anja Zimmer - Bibliothek der ...

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Anja Zimmer

Wie Medienvielfalt
­zukunftsfest machen?
Bausteine für eine konvergente
Medienregulierung
Wie Medienvielfalt zukunftsfest machen? - Anja Zimmer - Bibliothek der ...
FES diskurs
März 2022

Die Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) wurde 1925 gegründet und ist die traditionsreichste
politische Stiftung Deutschlands. Dem Vermächtnis ihres Namensgebers ist sie bis heute
verpflichtet und setzt sich für die Grundwerte der Sozialen Demokratie ein: Freiheit,
­Gerechtigkeit und Solidarität. Ideell ist sie der Sozialdemokratie und den freien Gewerk-
 schaften verbunden.
Die FES fördert die Soziale Demokratie vor allem durch:
– politische Bildungsarbeit zur Stärkung der Zivilgesellschaft;
– Politikberatung;
– internationale Zusammenarbeit mit Auslandsbüros in über 100 Ländern;
– Begabtenförderung;
– das kollektive Gedächtnis der Sozialen Demokratie mit u. a. Archiv und Bibliothek.

Die Abteilung Analyse, Planung und Beratung der Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Abteilung Analyse, Planung und Beratung der Friedrich-Ebert-Stiftung versteht sich als
Zukunftsradar und Ideenschmiede der Sozialen Demokratie. Sie verknüpft Analyse und
Diskussion. Die Abteilung bringt Expertise aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft,
Verwaltung und Politik zusammen. Ihr Ziel ist es, politische und gewerkschaftliche Ent-
scheidungsträger_innen zu aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu beraten und
progressive Impulse in die gesellschaftspolitische Debatte einzubringen.

FES diskurs
FES diskurse sind umfangreiche Analysen zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Auf
Grundlage von empirischen Erkenntnissen sprechen sie wissenschaftlich fundierte Hand-
lungsempfehlungen für die Politik aus.

Über die Autorin
Dr. Anja Zimmer ist Medien- und Netzexpertin, Moderatorin und Rechtsanwältin, sie berät
in politischen und strategischen Fragen. Zuvor war sie Direktorin der Medienanstalt Berlin-
Brandenburg. p twitter.com/glossatorin.

Für diese Publikation ist in der FES verantwortlich
Dr. Johanna Niesyto, Abteilung Analyse, Planung und Beratung
Wie Medienvielfalt zukunftsfest machen? - Anja Zimmer - Bibliothek der ...
INHALT
   4     1. EINLEITUNG: VIELFALTSSICHERUNG IST DEMOKRATIEPOLITIK

   5     2. ANALYSE: DATEN, DATEN, D
                                   ­ ATEN

   5     2.1 Aktuelle Marktsituation: Alles im grünen Bereich?

   7     2.1.1 Anteile von Medienkonzernen am Meinungsmarkt

   7     2.1.2 Entwicklungen einzelner Mediengattungen im Bundesgebiet

   8     2.2. Trends in der Marktsituation: Neue Vielfaltssicherung gefragt!

   9     2.2.1 Medienintermediäre und P­ lattformen

   10    2.2.2 Lokale Medien

   12    3. RECHTSLAGE: SICHERUNG VON MEDIENVIELFALT

   12    3.1 Konzentrationskontrolle

   14    3.2 Missbrauchskontrolle

   17    3.3 Ausblick: Europäisches Recht

   19    4. BAUSTEINE FÜR EINE KONVERGENTE MEDIENREGULIERUNG

   24    Literaturverzeichnis

   26    Abbildungsverzeichnis

   26    Abkürzungsverzeichnis

FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG                                                       3
Wie Medienvielfalt zukunftsfest machen? - Anja Zimmer - Bibliothek der ...
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EINLEITUNG: VIELFALTSSICHERUNG
IST DEMOKRATIEPOLITIK

Die Frage, wie Medienvielfalt effektiv gesichert werden          cke (noch) nicht füllen. Oder im Digitalen: Angebote gibt
kann, beschäftigt die Medienpolitik von Beginn an. Denn          es dort zwar zuhauf. Aber längst nicht alles wird im Wett-
ohne Vielfalt kann eine gelebte Demokratie nicht existie-        bewerb um Aufmerksamkeit gefunden. Zudem kann die
ren. Medienvielfalt bildet das Fundament für eine Öffent-        Macht großer Plattformen vielfaltsbegrenzend wirken. Die
lichkeit, in der sich Bürger_innen eine informierte eigene       kartellrechtlichen Verfahren zum Google News Showcase
Meinung bilden, sich verständigen und an Gesellschaft            oder zur Privilegierung von Informationen des Bundesge-
teilhaben können. Oder wie das Bundesverfassungsgericht          sundheitsministeriums zeigen, wie sehr ein marktbeherr-
sagen würde: Vielfalt ist unerlässlich für demokratische         schender Anbieter auf digitale Medienvielfalt Einfluss neh-
Willensbildung, Zusammenhalt und Toleranz.                       men kann. Dies belegt auch die jüngste Feststellung des
    Die Trias aus Unabhängigkeit der Medien, Schutz              Bundeskartellamts, wonach Google eine „überragende
von Presse- und Meinungsfreiheit und Medienvielfalt              marktübergreifende Bedeutung“ zukommt. Gleiches dürfte
bildet die Grundvoraussetzung für politische und kulturel-       beispielsweise für Facebook gelten. Soziale Medien haben
le Vielfalt und damit letztlich für eine pluralistische Ge-      zudem eine überragende Bedeutung bei der Auswahl, Auf-
sellschaft, in der unterschiedliche Meinungen gehört wer-        findbarkeit und Qualität von Informationen. Wie lässt sich
den, Bürger_innen sich frei und unbehindert informieren          Vielfalt hier zeitgemäß und zukunftsfest sichern?
können und das Verständnis gesellschaftlicher Gruppen                 Medienentwicklung, Mediennutzung und Medienviel-
füreinander gefördert wird. Denn eine hohe Zahl unter-           falt sind zusammenzudenken. Die Reformdebatten der
schiedlicher Anbieter auf dem Medienmarkt fördert eine           letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass die Digitalisierung
Vielfalt von Inhalten, Perspektiven und Meinungen – so           eine echte vielfaltspolitische Wende in der Regulierung er-
weit die Theorie.                                                fordert, bei der Europa-, Bundes- und Länderebenen einer-
                                                                 seits und bisher getrennte Rechtsgebiete, wie das Kartell-
                                                                 und das Medienrecht, andererseits stärker zusammenge-
                                                                 dacht werden müssen. Es ist allerhöchste Zeit für eine
                                                                 zeitgemäße Regulierung, die alte Zöpfe abschneidet und
          Wir brauchen                                           neue Themen schnell mit ausreichenden Ressourcen an-
     neue Konzepte, die zu                                       geht.
                                                                      Mit dieser Publikation möchte die Friedrich-Ebert-­
     mehr ­V ielfaltssicherung                                   Stiftung die Verantwortlichen darin bestärken, die Weiter-
        führen, quasi eine                                       entwicklung der Vielfaltssicherung noch mutiger als bis-
                                                                 lang zu gestalten: ganzheitlich, medienkonvergent und an
    vielfaltspolitische Wende                                    den Nutzer_innen orientiert. Diese Analyse bietet in ihrem
                                                                 Fazit Bausteine für eine konvergente Medienregulierung,
             einleiten.                                          die auf Vielfaltssicherung abzielt und über den Tellerrand
                                                                 hinausblickt: Regulierung ist nur so gut wie ihre Durchset-
                                                                 zung. Daher wird eine „effiziente Rechtsdurchsetzung“ mit
                                                                 den dazu notwendigen Ressourcen und Reformen gefor-
      Wie ist es aber aktuell um die Vielfalt bestellt? In       dert. Im 21. Jahrhundert muss Regulierung zudem wis-
Deutschland eigentlich ganz gut. Der mit Unterstützung           sensbasiert erfolgen. „Flächendeckende Studien zum
der EU herausgegebene Media Pluralism Monitor des                ­L okaljournalismus“ sind genauso wichtig wie eine enge
­C entre for Media Pluralism and Media Freedom prüft              Zusammenarbeit zwischen Regulierung und Wissenschaft.
 ­Pluralismus unter anderem anhand von Marktvielfalt.             Dies sind nur einige der vorgeschlagenen Bausteine. Mit
  Deutschland wird ein mittleres Risiko (37 Prozent) bei der      den hier erarbeiteten Empfehlungen hoffen wir dem Aus-
  Marktvielfalt bescheinigt (Holznagel/Kalbhenn 2021: 8).         tausch zwischen Medien- und Digitalpolitik, Wissenschaft,
  Noch sieht es also einigermaßen gut aus auf dem Medien-         Medien und Zivilgesellschaft weiteren Schwung zu verlei-
  markt. Allerdings müssen wir sicherstellen, dass das so         hen. Denn wir brauchen neue Konzepte, die zu mehr
  bleibt. Und hier lauern einige Herausforderungen. Bei-          Vielfaltssicherung führen, quasi eine vielfaltspolitische
  spielsweise im Lokalen: Insbesondere durch die Krise der        Wende einleiten.
  Tageszeitungen nimmt die Zahl originärer lokaler Angebo-
  te immer weiter ab. Blogs oder Podcasts können diese Lü-

4                                                              WIE MEDIENVIELFALT Z­ UKUNFTSFEST MACHEN?   MÄRZ 2022   FES diskurs
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 ANALYSE:
 DATEN, DATEN, D
               ­ ATEN

   Die gute Nachricht: Medienvielfalt ist messbar. Dazu gibt            ­ aten daher nicht unbedingt als Grundlage für Regulie-
                                                                        D
   es unterschiedliche Methoden, qualitativ und quantitativ,            rungsentscheidungen geeignet sind, zeigen sie doch Ten-
   nutzungs- oder gattungsspezifisch, bezogen auf informie-             denzen und Entwicklungen. Die folgende Analyse kann
   rende Nutzung oder jeden Medienkonsum, durch reprä-                  also helfen, ein besseres Bild der aktuellen Medienmarkt-
   sentative Befragung oder Ermittlung der Eigentumsver-                situation zu geben.
   hältnisse oder Marktstärke. Bei Letzterer können auch kar-
   tellrechtliche Überlegungen eine Rolle spielen.
       Die schlechte Nachricht: Es bleibt kompliziert. Die un-          2.1 AKTUELLE MARKTSITUATION: ALLES
   terschiedlichen Messmethoden sind kaum miteinander                   IM GRÜNEN BEREICH?
   vergleichbar und beantworten sehr unterschiedliche Fra-
   gen. Der Medienvielfaltsmonitor der Landesmedienanstal-              Der Media Pluralism Monitor fragt nach der Nachrichten-
   ten erhebt zweimal im Jahr die Anteile von Medienkonzer-             konzentration. In der Terminologie der Medienanstalten
   nen am Meinungsmarkt (zuletzt MVM 2021-I). Dabei wer-                wäre das Pendant die informierende Nutzung.2 Um hier
   den verschiedene Studien und Marktforschungstools mit-               etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, fragen die Lan-
   einander verzahnt.1 Allerdings ist es nicht einfach, so die          desmedienanstalten Nutzer_innen, wie sie sich informie-
   aktuelle Marktsituation tatsächlich zu erfassen. Dazu fehlt          ren3 und was sie subjektiv für ihre wichtigste Informati-
   es schlichtweg an medienübergreifenden Standards. Die                onsquelle halten (MVM 2021-I). Anhand einer Kombina-
   Zahlen der Zuschauer_innen, Zuhörer_innen, Nutzer_­                  tion aus Zuschauer_innen- und Reichweitenzahlen, der
   innen und Leser_innen werden nach unterschiedlichen                  informierenden Tagesreichweite und der subjektiven Be-
   Messmethoden erhoben. Das macht die Ermittlung von                   deutung einer Gattung als Informationsquelle wird dann
   Medienkonzentration für einen Gesamtmarkt schwierig                  die Meinungsbildungsrelevanz einzelner Medienunterneh-
   (kritisch dazu Stark/Stegmann 2021). Auch wenn die                   men und ihrer Eigentümer ermittelt (zum Ganzen siehe

   1 Die Ergebnisse der Mediendatenbank der Landesmedienanstalten und verschiedener Reichweitenermittlungen (AGF/GfK, ma Audio, ma
   Pressemedien und Nielsen) werden zueinander in Bezug gesetzt und entsprechend ihrer Bedeutung für die Meinungsbildung gewichtet. Das
   Meinungsbildungsgewicht wird durch die GIM-Mediengewichtungsstudie ermittelt.
   2 Gemeint sind damit Informationen über das Zeitgeschehen in Politik, Wirtschaft und Kultur.
   3 Frage: „Haben Sie gestern … Tageszeitung gelesen / eine oder mehrerer Zeitschriften, Nachrichtenmagazine oder Wochenzeitungen /
   ferngesehen / Radio gehört / das Internet genutzt und dabei Informationen …?“ (MVM II: Folie 13).

FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG                                                                                                                  5
ABB. 1

    Meinungsbildungsgewicht der Medien im Trend
    Die Online-Medien bauen ihren Vorteil gegenüber den klassischen Medien weiter aus. Aktueller Zugewinn
    geht vor allem zulasten von Radio. Tageszeitung und Zeitschriften vergleichsweise stabil.

     40
            35,7
                                                                                                                                         33,5         Internet

     30                                                                                                                                  30,6         Fernsehen

            22,3
            20,7
     20                                                                                                                                               Radio
            18,7                                                                                                                          17,1
                                                                                                                                         15,7         Tageszeitung
     10

             2,6                                                                                                                            3,1       Zeitschriften*
      0

                2016-I     2016-II     2017-I     2017-II     2018-I     2018-II     2019-I    2019-II      2020-I    2020-II      2021-I

    Angaben in Prozent. * Zeitschriften, Wochenzeitungen oder Nachrichtenmagazine; die Daten beziehen sich jeweils auf die letzten beiden Halbjahre
    (2021-I = 2. Halbjahr 2020 und 1. Halbjahr 2021).
    Quelle: Mediengewichtungsstudie 2021-I der Landesmedienanstalten, GIM; Basis: 70,635 Mio. Personen ab 14 Jahre in Deutschland, n=3.660;
    Medienvielfaltsmonitor 2021-I

    ABB. 2

    Anteile der Medienkonzerne am Meinungsmarkt – 1. Halbjahr 2021 (2021-I)
    Gleiche Top 5 vorne wie zuletzt. In den Top 15 ist SWMH neu dabei. In Summe beläuft sich der Anteil
    der Öffentlich-Rechtlichen am Gesamtmarkt auf 29,6 % (zzgl. Deutschlandradio mit 0,5 %).

                                                                       – 0,1*                                +0,4*
           Top 16–30                                                                                                                 Top 5

          DvH Medien                                        1,5                                                                    ARD                                 21,4
          Discovery                                         1,2                                                                    Bertelsmann                         11,5
          Regiocast                                         1,0                                 53,9                               ZDF
                                                                                                                                   Springer
                                                                                                                                                                        7,8
                                                                                                                                                                        6,8
          ddvg                                              1,0
          Disney                                            0,9                                                                    KKR                                  6,4
          Verizon Communications                            0,9
                                                                                                                         +0,7*
          Presse-Druck                                      0,9         23,2       13,1   26,6                                       Top 6–15
          Rheinisch-Berg. Verlags-Ges.                      0,9                                                                    ProSiebenSat.1                       5,7
          Comcast                                           0,8                                                                    Burda                                3,8
          Fazit-Stiftung                                    0,8                                                                    Funke                                2,7
          Verlagsgruppe Ebner Ulm                           0,7                                                                    United Internet                      2,4
          Müller Medien                                     0,7                                                                    Medien Union                         2,3
          ZHH Zeitungsholding Hessen                        0,7                                                                    Madsack                              2,2
          ZVD Mediengesellschaft                            0,6        sonstige
                                                                                                                                   Bauer                                2,2
          Nordwest-Medien                                   0,6         – 0,1*                                                     SWMH                                 2,0
                                                                                                                                   Ströer                               1,8
                                                                                                                                   F. Wolff & Sohn                      1,5

    * Veränderung 2021-I zu 2020-II in Punkten
    Angaben in Prozent. Hinweis: Die Summe der zurechenbaren Anteile beträgt mehr als 100 %, da Beteiligungs-
    anteile von ≥ 25 % dem Unternehmen jeweils voll zugerechnet werden.
    Die Reihenfolge bei gleichen Anteilen ergibt sich aus den ausgeblendeten Nachkommastellen.
    Medienvielfaltsmonitor 2021-I

6                                                                                           WIE MEDIENVIELFALT Z­ UKUNFTSFEST MACHEN?                     MÄRZ 2022    FES diskurs
ABB. 3

    Top 30 Medienangebote im Meinungsmarkt gesamt in Deutschland
                          ZDF
                ARD Das Erste                                                                                            3,8             4,5
          BILD DEUTSCHLAND                                                                                  3,0
                           RTL                                                                 2,3
                         SAT.1                                            1,6
                          VOX                                           1,5
                       web.de                                     1,2
                    ProSieben                                   1,2
                      gmx.net                                 1,1
                       chip.de
                                                                            Das ZDF (Hauptprogramm) ist (nach wie vor)
                                                             1,1
                   t-online.de                               1,1            das relevanteste Einzelangebot im gesamten
                   radio NRW                                1,0             Meinungsmarkt vor Das Erste und BILD. Mit RTL,
                    Kabel Eins                             1,0              SAT.1, VOX und ProSieben platzieren sich weitere
                       ZDFneo                        0,8
                     Bayern 1                       0,8
                                                                            vier Fernsehprogramme in den Top 10. Insgesamt
               NDR Fernsehen                       0,8                      15 TV-Programme in den Top 30.
                     RTL ZWEI                      0,8                      In den Top 10 sind zudem die Online-Portale
               WDR Fernsehen                       0,8
                NDR 1 Gesamt
                                                                            web.de und chip.de mit ihren (teilweise)
                                                  0,8
                      focus.de                    0,7                       publizistischen Angeboten. Die Relevanz von
                        SWR3                     0,7                        Webportalen bestätigen gmx.net (9. Rangplatz)
                        WDR 2                    0,7                        und t-­online.de (11). Als weitere Online-Angebote
            SWR/SR Fernsehen                   0,6
                        WDR 4                  0,6                          schaffen es focus.de und computerbild.de in die
               MDR Fernsehen                   0,6                          Top 30 der relevantesten Angebote.
                 BR Fernsehen                 0,6
              computerbild.de                 0,6                               Internet        Fernsehen   Radio   Tageszeitung
     WAZ (Funke Medien NRW)                   0,6
            ANTENNE BAYERN                    0,6                           Marktanteile in Prozent
                       RTLplus                0,6                           Medienvielfaltsmonitor 2021-I

   Berghofer 2021: 28; MVM 2021-I: Folie 8 ff.; zur Methodik                          Dies gilt noch viel mehr, wenn einzelne Medienangebo-
   siehe unter 3.1). Und hier kann Entwarnung gegeben wer-                        te betrachtet werden. Hier dominieren ZDF und Das Erste
   den.                                                                           mit 4,5 Prozent und 3,8 Prozent Anteil am Meinungs-
                                                                                  markt. Bild Deutschland liegt mit 3,0 Prozent auf Platz 3.
   2.1.1 ANTEILE VON MEDIENKONZERNEN                                              Andere Tageszeitungsverlage spielen eine deutlich geringe-
   AM MEINUNGSMARKT                                                               re Rolle.
   Laut Medienvielfaltsmonitor erreichen die Top-5-Konzer-
   ne ARD, Bertelsmann, ZDF, Springer und Kohlberg Kravis                         2.1.2 ENTWICKLUNGEN EINZELNER MEDIEN-
   Roberts (KKR) zusammen einen Marktanteil von rund                              GATTUNGEN IM BUNDESGEBIET
   53,9 Prozent.4 Der mit Abstand größte Anteil kommt dabei                       Die Marktanteile steigen, wenn man einzelne Mediengat-
   mit knapp 30 Prozent den öffentlich-rechtlichen Sendern                        tungen in den Blick nimmt. Dabei muss dann aber immer
   zu. Keines der Unternehmen kommt dabei in die Nähe ei-                         auch die Bedeutung der jeweiligen Mediengattung für die
   ner kartellrechtlich bedenklichen Grenze. Selbst eine Fu-                      Meinungsbildung mitgedacht werden.
   sion von Bertelsmann und Springer, der beiden größten
   privaten Player, würde (nur) zu einer Meinungsmacht von                        Fernsehen und Video
   deutlich unter 20 Prozent führen. Der Trend ist zudem seit                     Bewegtbild ist nach wie vor das am längsten genutzte Me-
   2015 fast unverändert. Auf dem Gesamtmarkt ist eine                            dium. Personen ab 14 Jahren verbringen täglich im Durch-
   medienkonzentrationsrechtliche Gefahr folglich der-                            schnitt 222 Minuten mit dem Anschauen bewegter Bilder.
   zeit nicht ersichtlich.                                                        Das lineare Fernsehen ist mit 71 Prozent immer noch die
                                                                                  wichtigste Nutzungsart (ARD/ZDF Forschungskommission

   4 Der Medienvielfaltsmonitor geht aufgrund von Zurechnungen allerdings von einer Grundgesamtheit von 116,4 Prozent aus. Beteiligungen
   ab 25 Prozent können mehrfach zugerechnet werden. Um die Problematik zu verdeutlichen, hilft ein Blick auf die Bild: Sie wird Springer und
   dann noch einmal KKR zugerechnet, da KKR mehr als 25 Prozent der Anteile von Springer erworben hat. Ohne diese Zurechnung wären die
   Anteile deutlich kleiner. Die Top 5 etwa lägen rein rechnerisch nur bei 46,3 Prozent.

FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG                                                                                                                        7
2021a). Immerhin können sie dabei ein großes Angebot                   gerügt (siehe zum Beispiel Röper 2020: 331 ff.). Konzent-
nutzen: Nach letzter Zählung sind auf dem Fernsehmarkt                 rationstendenzen sind vor allem im Lokalen erkennbar
21 öffentlich-rechtliche und rund 202 private Anbieter                 (siehe dazu unter 2.2.2).
bundesweit tätig (KEK 2022, 88).5 Insbesondere den
­öffentlich-rechtlichen Sendern kommt mit Zuschauer_­                  Online-Medien
 innenanteilen von 31,9 Prozent (ARD) und 23,5 Prozent                 Die Bedeutung von Online-Medien für die Meinungs-
 (ZDF) eine starke Stellung zu, gefolgt von den Sendern der            bildung steigt kontinuierlich. 2021 wurden sie täglich
 Bertelsmann-Gruppe (21,3 Prozent) und von ProSieben-                  136 Minuten genutzt (Personen ab 14 Jahren, ARD/ZDF
Sat.1 (16,1 Prozent) (MMV 2021-I: Folie 12).                           Forschungskommission 2021b). Die informierende Nut-
     In den letzten beiden Jahren hat der öffentlich-recht-            zung ist von 20,6 Prozent im Jahr 2015 auf mittlerweile
liche Rundfunk seine Dominanz stetig ausgebaut. Dies                   33,5 Prozent gestiegen (GIM Mediengewichtungsstudie
sollte der Gesetzgeber im Blick behalten, allerdings nicht             2021-I: Folie 34). Die Medienkonzentration ist gering.
auf Grundlage des Medienkonzentrationsrechts. Das Au-                  Größter Anbieter ist Bertelsmann mit einem Marktanteil
genmerk sollte hier einerseits der Erhaltung der Binnen-               von zehn Prozent. 36,3 Prozent des Meinungsmarktes tei-
pluralität und andererseits der Definition von Auftrag und             len sich Unternehmen mit weniger als einem Prozent
Struktur sowie der Finanzierung gelten.                                Marktanteil (Spittka 2020: 37). Suchmaschinen und soziale
                                                                       Medien bleiben dabei allerdings außen vor, da sie selbst
Radio und Audio                                                        keine Inhalte anbieten (siehe dazu unter 2.2.1).
Auch Audioangeboten kommt eine große Bedeutung bei
der Mediennutzung zu. Die tägliche Nutzung liegt im                    Keine Konzentrationstendenzen
Durchschnitt bei 177 Minuten, das lineare Radio ist dabei              Die Medienlandschaft in Deutschland ist – insbesondere
mit 75 Prozent die wichtigste Nutzungsart (ARD/ZDF For-                wenn man aus der Vogelperspektive das Bundesgebiet in
schungskommission 2021a). Das bestätigen die Studien der               den Blick nimmt – vielfältig. Zwar gibt es einige größere
Medienanstalten. 94,7 Prozent der Bevölkerung hören                    Medienunternehmen, allen voran die öffentlich-rechtli-
­R adio (Landesmedienanstalten/Kantar 2021: Folie 35).                 chen Sender und einige größere private Anbieter wie Ber-
 70 Prozent nutzen regelmäßig Online-Audioangebote,                    telsmann und der Springer-Konzern. Im Gesamtmarkt
 also Musikstreaming, Webradio, Podcasts oder Hörbücher                lassen sich derzeit aber keine besorgniserregenden
 (BLM et al. 2021: Folie 4). Audio ist damit ein wichtiger             Konzentrationstendenzen erkennen. Tatsächlich befin-
 Faktor für die Vielfalt.                                              det sich Deutschland hier im „grünen Bereich“.
     Der Hörer_innenmarkt ist durch plurale Eigentümer-                    Das ist eine wichtige Erkenntnis bei der Beantwortung
 strukturen und eine Vielzahl regionaler Anbieter geprägt.             der Frage, auf welche Gebiete sich Medienregulierung kon-
 Insgesamt ist er recht vielfältig aufgestellt. Allerdings do-         zentrieren sollte. Medienkonzentration auf einem bundes-
 minieren auch hier die öffentlich-rechtlichen Sender mit              weiten Gesamtmarkt gehört nicht dazu. Gerade bei knap-
 einem Marktanteil von 51,8 Prozent sehr deutlich. Größter             pen Ressourcen verlangen andere Bereiche dringender
 privater Anbieter ist die Regiocast mit 5,9 Prozent                   nach Aufmerksamkeit. Dies gilt insbesondere für Plattfor-
 (MVM I: Folie 21). Das Programmangebot ist in den letz-               men und für das Lokale.
 ten 10 Jahren enorm gewachsen auf mehr als 400 UKW
 Sender, 300 DAB+ Sender und über 1000 Webradios (KEK
 2022: 113). Trotz Verflechtungen innerhalb der Branche                2.2. TRENDS IN DER MARKTSITUATION:
 und auch gattungsübergreifend mit Fernseh- und Tageszei-              NEUE VIELFALTSSICHERUNG GEFRAGT!
 tungsanbietern sind Gefahren für die Vielfalt im Bundes-
 gebiet nicht ersichtlich.                                             Marktvielfalt setzt einen funktionierenden Medienmarkt
                                                                       voraus, der zum Beispiel durch geringe Nachrichtenkon-
Presse                                                                 zentration und keine zu großen Einflüsse von Online-Platt-
Ganz anders stellt sich dagegen die Nutzung von Textan-                formen gekennzeichnet ist. Der Media Pluralism Monitor
geboten dar, sie werden im Durchschnitt nur 52 Minuten                 identifiziert unter anderem den Einfluss von Plattformen
täglich genutzt. Gedruckte Zeitungen und Zeitschriften                 und ihre Tendenz zu Monopolen als Problem. Dementspre-
erreichen dabei pro Tag 19 Prozent der Menschen. Etwas                 chend werden für den Medienpluralismus im Digitalen ten-
mehr, nämlich 20 Prozent, lesen Text im Internet. Insbe-               denziell höhere Risiken ausgewiesen (Holznagel/Kalbhenn
sondere bei jüngeren Menschen sinkt das Zeitbudget für                 2021: 19). Unabhängigkeit ist aber auch eine Frage der Fi-
Text langsam, aber kontinuierlich (ARD/ZDF Forschungs-                 nanzierung. Nur finanziell gut aufgestellte Unternehmen
kommission 2021a).                                                     können auf Dauer politische und wirtschaftliche Einfluss-
   Auch hier scheinen keine allzu großen Gefahren für die              nahmen abwehren. Auch hier schneidet Deutschland der-
Vielfalt zu lauern. So kommt dem größten Anbieter Sprin-               zeit noch gut ab (Holznagel/Kalbhenn 2021: 8). Insbeson-
ger (und damit KKR) zwar ein Marktanteil von derzeit                   dere im Lokalen wird die Finanzierung aber schwieriger.
21,6 Prozent zu, dieser ist aber recht stabil. Dennoch wer-            Deshalb werden im Folgenden diese beiden Themenberei-
den bei Tageszeitungen seit Jahren Vielfaltsgefährdungen               che (Digitales und Lokales) näher beleuchtet.

5 2018 waren es noch 170 Anbieter (KEK 2018). Die Zahl ist damit deutlich gestiegen.

8                                                                   WIE MEDIENVIELFALT Z­ UKUNFTSFEST MACHEN?   MÄRZ 2022   FES diskurs
ABB. 4

    Tagesreichweite informierende Nutzung Intermediäre – DE/Welt und lokal (2021-I)

                    DE/Welt           lokal

              Facebook     11,9 11,7
            Instagram       8,6 5,4
                Twitter     2,9 1,4
                LinkedIn    1,2 0,6
                TikTok*     1,2 0,6
               Snapchat     0,7 0,5
                   XING     0,9 0,4
               Pinterest    0,8 0,2
                 Tumblr     0,1 0,1
            Stayfriends     0,1 0,1
               Sonstige     1,5 0,8
            WhatsApp        4,6 3,2
               Telegram     0,8 0,6
         FB Messenger       0,6 0,5
               Sonstige     1,7 1,0
               YouTube     12,1 3,4
           Dailymotion      0,1 0,1
              Twitch.tv*    0,4 0,2
                 Vimeo      0,2 0,1
               Sonstige     0,7 0,1
                Google     32,7 21,3
                   Bing     1,6 0,6
              AOL Suche     0,5 0,4
                 Yahoo      0,9 0,6                                            Angaben in Prozent; Tagesreichweite = Nutzung gestern, * erstmals 2020-II
                                                                               abgefragt / Twitch.tv oder eine andere Videoplattform für Gamer
               Ask.com      0,2 0,1                                            Basis: 70,635 Mio. Personen ab 14 Jahre in Deutschland, n=3.660; 2020-II:
                                                                               n=4.455; 2020-I: n=4.294
               Sonstige     5,0 2,5
                                                                               GIM Mediengewichtungsstudie 2021-I

    2.2.1 MEDIENINTERMEDIÄRE UND                                        per, denn ihre Algorithmen haben maßgeblich Einfluss da-
   ­P LATTFORMEN                                                        rauf, welche Inhalte wir zu sehen bekommen. Dabei wer-
   Der Media Pluralism Monitor hat ausgesprochen, was wir               den sie immer häufiger für Informationen über Politik und
   subjektiv schon lange wissen. Bei der Frage nach der Mei-            Zeitgeschehen genutzt. Während die Meinungsmacht von
   nungsmacht kommt Medienintermediären, häufig um-                     Rundfunk und Tageszeitungen angesichts schwindender
   gangssprachlich auch Plattformen genannt, eine ganz ent-             Auflagen und zurückgehender Nutzung sinkt, wächst die
   scheidende Rolle zu. Dabei handelt es sich um Anbieter,              Bedeutung von Medienintermediären erheblich. Mehr als
   die Zugang zu Inhalten vermitteln, aber bisher meist keine           jede_r Zweite nutzt das Internet, um sich zu informieren
   eigenen Inhalte anbieten. Sie können und sollten daher               (GIM Mediengewichtungsstudie 2021-I: Folie 16), dies er-
   auch nicht der Regulierung für Inhalteanbieter unterlie-             folgt immer mehr über soziale Medien (siehe Gewich-
   gen. Ebenso wenig können sie medienkonzentrationsrecht-              tungsstudie Intermediäre und Meinungsbildung 2021-I;
   lich den Marktanteilen von Inhalteanbietern zugerechnet              Zimmer/Kunow 2020: 45 ff.).
   werden, jeder Versuch würde im Bereich des Spekulativen                  Soziale Medien sind nicht nur ein Schauplatz politi-
   landen.6                                                             scher Debatten, sondern auch ein Ort für Desinformation
       Insbesondere Suchmaschinen und soziale Medien sind               und Hass (Knuth/Nezik 2021: 23). Nach einer Datenana-
   einerseits Gateopener, verschaffen sie doch Zugang zu ei-            lyse von Correctiv sind YouTube und Facebook die am
   ner neuen Vielfalt von Angeboten, andererseits Gatekee-              häufigsten gemeldeten Plattformen für Falschinformatio-

   6 Das hat die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) in der Vergangenheit zwar durchaus anders gehandhabt
   und Rundfunkprogrammen eine vermeintliche Meinungsmacht von Plattformen wie Deutsche Telekom oder KDG/Vodafone zugerechnet (zum
   Beispiel KEK-Beschluss, KEK 915/2017, Ziffer 2.3). Methodisch ist das aber nur schwer zu begründen, zudem lässt sich kaum gerichtsfest
   bestimmen, welche Meinungsmacht der Plattform durch die Weiterverbreitung eines Programms tatsächlich zukommt.

FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG                                                                                                                                   9
nen (Echtermann 2021).7 (Bewusste) Falschinformationen                lokalen Radio- oder Fernsehsender gibt, von lokaler
und Verschwörungstheorien können toxische Wirkungen                   ­Medienvielfalt ganz zu schweigen. Das Internet hilft hier
für die Meinungsfreiheit haben. Und auch wenn Interme-                 wenig. Originäre lokale Angebote, die sich wirtschaftlich
diäre diese Informationen nicht selbst bereitstellen, son-             tragen, sind dünn gesät (vgl. Kunow 2019: 39). Gleichzeitig
dern nur an ihrer Verbreitung mitwirken, kommt ihnen                   ist das Informationsbedürfnis der Bevölkerung hoch. An
eine große Verantwortung für den demokratischen Diskurs                einem Durchschnittstag informieren sich 71,6 Prozent der
zu.                                                                    Bevölkerung über das lokale Zeitgeschehen (Kunow/Mey-
    39 Prozent der 14- bis 29-Jährigen können für einzelne             er-Tippach 2021: 41).
Informationen nicht mehr präzise sagen, wo sie diese ge-                   Trotz des großen Interesses befinden sich lokale Me-
lesen oder gehört haben. Mehr als jede_r zehnte Nutzer_in              dien in einer seit Jahren andauernden wirtschaftlichen
nennt als Quelle einen Intermediär und nicht den eigent-               Krise. Die Rubrikenmärkte sind schon lange ins Internet
lichen Urheber oder die Urheberin der Inhalte (Zimmer                  abgewandert, auch die Werbung verlagert sich immer mehr
2021b). Das zeigt, wie sehr wir publizistische Relevanz neu            zu Unternehmen wie Facebook und Google. Pay-Modelle
denken müssen. Das hat Auswirkungen auf die Medien-                    haben es schwer. Die Abonnementzahlen von Zeitungen
vielfalt. Und der Disruptionsprozess wird weitergehen.                 gehen dramatisch zurück. Zwar steigt gleichzeitig die Nut-
Ohne Gegenmaßnahmen wird sich Journalismus wahr-                       zung der Online-Angebote, allerdings die Zahlungsbereit-
scheinlich nicht behaupten können. Zu diesem Ergebnis                  schaft nicht im gleichen Maße. Kostenpflichtige digitale
kommt auch die Bundesregierung in ihrem Medien- und                    Produkte können die Abo- und Werberückgänge (noch)
Kommunikationsbericht (Bundesregierung 2021: 28).                      nicht auffangen. In vielen Bereichen wird daher der Ruf
                                                                       nach Förderung immer lauter. Die Probleme zeigen sich in
                                                                       fast allen Mediengattungen:
  Der Medienstaatsvertrag (MStV) unterscheidet zwischen
  Medienplattformen und Medienintermediären, sie werden               — Der Lokalfernsehmarkt ist vergleichsweise schwach
  in Artikel 2 MStV definiert. Umgangssprachlich – und auch               ausgeprägt. Zwar sind mehr als 200 regionale und loka-
  im Kartellrecht – wird der Begriff „Plattform“ als Oberbe-              le private Anbieter lizenziert.8 Sie senden häufig nur
  griff für beides verwendet, so auch in diesem Text.                     stundenweise und verfügen oft über eine eher geringe
                                                                          Reichweite und auch keine hohe Resonanz bei den Zu-
  Medienplattformen                                                       schauer_innen (Meinungsbildungsgewicht 12,7 Pro-
  Bei Medienplattformen handelt es sich um Angebote, die                  zent, GIM Mediengewichtungsstudie lokal 2021-1: Folie
  Rundfunk, rundfunkähnliche Telemedien und andere Tele-                  10 f.; siehe auch Kunow/Meyer-Tippach 2021: 42). Die
  medien zu einem Gesamtangebot zusammenfassen. Typi-                     Veranstalter sind teilweise von Förderungen, nicht zu-
  sche Beispiele sind das digitale Kabelangebot von Voda-                 letzt der Landesmedienanstalten, abhängig.
  fone oder Magenta TV der Deutschen Telekom.
                                                                      — Wichtiges Medium sind nach wie vor die Tageszeitun-
  Medienintermediäre                                                      gen und ihre digitalen Angebote (Meinungsbil-
  Als Medienintermediäre werden Anbieter verstanden, die                  dungsgewicht 28,8 Prozent, GIM Mediengewichtungs-
  (journalistisch-redaktionelle) Informationen aggregieren,               studie lokal 2021-1: Folie 10 f.; dazu kommt die große
  selektieren und allgemein zugänglich präsentieren. Von                  Bedeutung der digitalen Angebote, die ein wichtiges
  Medienplattformen unterscheiden sie sich durch ihre Zu-                 ­Informationsmedium sind; siehe auch Kunow/Meyer-
  gangsoffenheit – oder wie der Medienstaatsvertrag sagt:                  Tippach 2021: 44). Hier zeigen Langzeitstudien einen
  Informationen werden nicht zu einem Gesamtangebot zu-                    massiven Rückgang an Vielfalt durch Redaktionsschlie-
  sammengefasst. Beispiele sind Suchmaschinen und soziale                  ßungen und Kooperationen und Zulieferungen von
  Medien (Facebook, Twitter, YouTube).                                     ehemaligen Wettbewerbern, die zu identischen, zumin-
                                                                           dest aber weitgehend identischen Lokalteilen führen.
                                                                           Lokaljournalismus wird so zu einem raren Gut (Röper
2.2.2 LOKALE MEDIEN                                                        2020: 331).
Auch auf lokaler Ebene sieht es für die Medienvielfalt nicht
überall rosig aus. Während über 100 Fernsehkanäle und                 — Die insgesamt höchste Nutzung, wenn auch nicht die
zahlreiche überregionale Tages- und Wochenzeitungen                       subjektiv höchste Relevanz kommt dem Internet zu
über das Zeitgeschehen in Deutschland und der Welt be-                    (Meinungsbildungsgewicht 32,5 Prozent, GIM Medien-
richten, ist man im Lokalen an vielen Orten froh, wenn es                 gewichtungsstudie lokal 2021-1: Folie 10 f.). Diese Zahl
überhaupt noch eine Lokalausgabe der Zeitung oder einen                   ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Häufig wird

7 Allerdings sind zumindest bei YouTube-Empfehlungen Falschinformationen deutlich zurückgegangen. Eine Studie im Auftrag verschiedener
Medienanstalten und der Berliner Senatskanzlei vom Februar 2021 kommt zu dem Ergebnis, dass die untersuchten YouTube-Empfehlungen
kaum desinformative Inhalte verbreiten, auch wenn diese durchaus vereinzelt sichtbar gemacht wurden (Kantar 2021). Laut Correctiv spielt
auch Telegram eine große Rolle bei der Verbreitung von Falschinformationen, allerdings werden sie wohl nur selten gemeldet (Echtermann
2021).
8 Regional sind sie vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und in den ostdeutschen Bundesländern tätig.

10                                                                  WIE MEDIENVIELFALT Z­ UKUNFTSFEST MACHEN?       MÄRZ 2022     FES diskurs
ABB. 5

    Wichtigstes Informationsmedium lokal – Marktanteile
    Tageszeitung und Internet liegen bei der subjektiven Bedeutung für lokale Infos mit deutlichem Abstand
    auf Platz 1 und 2. Sie vereinen zusammen knapp drei Viertel auf sich. Das Radio liegt auf Platz 3.

                                                                                                                   2,8
                                                                                                                              7,5     6,8
            Fernsehen                 6,3
                                                                                                                                                  11,7
                  Radio                   10,8
                                                                                                                                     100% =
               Internet                                   31,1
                                                                                                                                 100 % =
                                                                                Umgerechnet auf
                                                                                                                               wichtigstes
         Tageszeitung                                        34,5                 100 % ohne                37,4
                                                                                 „Keines davon“                               Informations-
        Zeitschriften*             2,6                                                                                           medium

     Anzeigenblätter                     7,0
                                                                                                                                                  33,7
        Keines davon                  6,1

    Gewicht für die lokale Meinungsbildung
    Aufgrund der hohen subjektiven Relevanz sind Internet und Tageszeitung auch insgesamt mit Abstand am
    „gewichtigsten“ für die lokale Meinungsbildung.

           Marktanteil Tagesreichweite
                                                           18,5                 25,2                      31,2                       20,2         3,2   2,8
        informierende Mediennutzung
                                                     +
                 Marktanteil wichtigstes
                                                    6,8          11,7             33,7                               37,4                   2,8   7,5
                   Informationsmedium
                                                  = 25,3
                                                  25,3 : 2
                                 Mittelwert

        Potenzielles Gewicht für die
                                                      12,7              18,4                 32,5                           28,8             3,0 4,7
            Meinungsbildung lokal

     Angaben in Prozent; * Zeitschriften,
     Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
     Basis: 70,635 Mio. Personen ab 14 Jahre in
     Deutschland, n=3.660
     GIM Mediengewichtungsstudie 2021-I              Fernsehen          Radio   Internet   Tageszeitung      Zeitschriften*        Anzeigenblätter

       eine bereits anderweitig veröffentlichte Information so                             ­R egel erfolgreich. Allerdings finden sich häufig Ver-
       auf einem weiteren Verbreitungsweg zum Nutzer ge-                                   flechtungen mit anderen Mediengattungen. In Bayern
       bracht, neue Quellen sind dagegen selten. Weiter zu                                 und Nordrhein-Westfalen (NRW) lassen sich durch
       nimmt die Nutzung von Wikipedia (Folie 37 ff.).                                     eine enge Verbindung mit den Tageszeitungen Konzen-
                                                                                           trationstendenzen erkennen (KEK 2018). Diesen wird
   — Wirtschaftlich stabil ist der Radiomarkt. Die Bedeutung                               teilweise regional gegensteuert. Am weitesten geht
       von Radioangeboten für die lokale Information darf                                  NRW. Ein Zweisäulenmodell, das gesellschaftlichen
       nicht unterschätzt werden (18,4 Prozent Meinungsbil-                                Gruppen über Veranstaltergemeinschaften die Pro-
       dungsgewicht, GIM Mediengewichtungsstudie lokal                                     grammentscheidungen zuweist, soll den Einfluss von
       2021-1: Folie 10 f.), auch wenn sie deutlich hinter der                             Tageszeitungsverlegern im Lokalfunk begrenzen. Ob
       von Tageszeitungen und dem Internet liegt. Radiosen-                                dies in Zeiten der Digitalisierung noch der richtige
       der sind schon immer eher regional aufgestellt. Insbe-                              Weg ist, wird in den nächsten Jahren geprüft werden
       sondere wer über eine UKW-Frequenz verfügt und von                                  müssen.
       einem der beiden großen Vermarkter vermarktet wird,
       war in der Vergangenheit auch wirtschaftlich in der

FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG                                                                                                                                      11
3
RECHTSLAGE:
SICHERUNG VON
MEDIENVIELFALT

In der deutschen Rechtstradition wird die Konzentration      (BVerfGE 73, 118, 172 ff.; siehe auch Schulz/Held 2006:
von Medienunternehmen als publizistische Gefahr für die      9 f.).
Meinungsbildung gesehen. Dies geht unter anderem auf             Auf die Frage, wie mit Medienkonzentration und Me-
die Weimarer Republik und den Hugenberg-Konzern zu-          dienmacht umgegangen werden soll, gibt es viele über un-
rück, der durch die Parteinahme seiner Publikationen dem     terschiedliche Rechtsgebiete verteilte Antworten. Ange-
Nationalsozialismus Vorschub geleistet hat. Medienkon-       knüpft wird dabei entweder ganz allgemein an der starken
zentrationskontrolle gilt daher als unverzichtbar (siehe     Stellung eines Anbieters oder konkreter an bestimmten
Beckmann/Müller 2021: Rz. 19).                               Verhaltensweisen. In der digitalen Gesellschaft kommt da-
    Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfas-          bei – anders als zur Zeit der Entscheidung des Bundesver-
sungsgerichts hat der Gesetzgeber zwar einen weiten Er-      fassungsgerichts – Medienintermediären eine besondere
messensspielraum bei der Ausgestaltung der Rundfunkord-      Bedeutung zu. Sie werden, ebenso wie größere Medien-
nung. Allerdings muss er die notwendigen Vorkehrungen        unternehmen, von vielen Seiten kritisch begleitet.
treffen, um vorherrschende Meinungsmacht zu verhin-
dern. Was das konkret heißt, hat das Bundesverfassungs-
gericht in seinem vierten Rundfunkurteil von 1986 erläu-     3.1 KONZENTRATIONSKONTROLLE
tert: Verlangt werden effektive Maßnahmen zum Erhalt der
Meinungsvielfalt. Das können auch Vorabmaßnahmen             Wie mit Unternehmen umgegangen werden soll, denen
sein, da vorherrschende Meinungsmacht nur schwer wie-        eine zu große Macht zukommt, wird in der Medienregulie-
der rückgängig gemacht werden kann. Vorkehrungen sind        rung und im Kartellrecht adressiert. Medienkonzentrati-
insbesondere dann notwendig, wenn die Entstehung multi-      onsrechtlich wird dabei an die Rundfunkzulassung ange-
medialer Meinungsmacht droht. Das kann etwa dann der         knüpft, das Kartellrecht schaut sich Fusionen an. Beides
Fall sein, wenn Medienunternehmen aus verschiedenen          erfolgt ex ante, also vorab. Damit ist es – zumindest in der
Medienmärkten ihren Einfluss kombinieren. Strengere An-      Theorie – ein scharfes Schwert.
forderungen bestehen zudem im regionalen und lokalen
Bereich, weil hier bereits zahlreiche Monopolstellungen      Kartellrechtliche Fusionskontrolle, §§ 35 ff. GWB
von Zeitungsunternehmen entstanden sind. Daher ist hier      Das Kartellrecht ist hier breiter aufgestellt. Es knüpft an
der Gefahr eines »Doppelmonopols« entgegenzuwirken           die Stellung im Markt an. Ab einer Umsatzschwelle von in

12                                                         WIE MEDIENVIELFALT Z­ UKUNFTSFEST MACHEN?   MÄRZ 2022   FES diskurs
der Regel 500 Millionen Euro weltweit oder 50 Millionen                  recht Konzentrationstendenzen bei Medienunternehmen
   Euro im Inland sind Fusionen zu untersagen, wenn ande-                   wirksam begegnen kann.
   renfalls eine marktbeherrschende Stellung begründet oder
   verstärkt würde. Für Medienunternehmen existieren dabei                  Medienkonzentrationsrecht
   einige Sonderregelungen:                                                 Vielfaltssicherung ist die DNA der Medienregulierung. Ein
                                                                            wichtiger Aspekt ist dabei der Umgang mit Unternehmen,
   — Niedrigere Umsatzschwellen:                                            die großen Einfluss auf die Meinungsbildung haben. Auf
      Aufgrund der im Vergleich zu anderen Wirtschafts-                     Ebene der Inhalteanbieter soll das Medienkonzentrations-
      sparten kleineren Unternehmensgrößen, etwa aufgrund                   recht zu große publizistische Macht beschränken. Der Me-
      von Regionalisierung und Lokalisierung, wurde die                     dienstaatsvertrag der Länder will dies mittels eines fern-
      Aufgreifschwelle erhöht. Für Zeitungs- und Zeitschrif-                sehspezifischen Konzentrationsrechts erreichen, das sich
      tenverlage werden die tatsächlichen Umsätze mit dem                   vor allem am Anbieter orientiert. Es greift, wenn ein Un-
      Faktor 4 multipliziert, das Kartellrecht greift also be-              ternehmen (auch) Fernsehen anbietet (§§ 59 ff. MStV).
      reits bei einem Viertel der Umsätze ein.9 Im Rundfunk                 Ausgangspunkt ist der Zuschauer_innenanteil. Ab einem
      gilt sogar der Faktor 8, und das nicht nur für Werbe-                 Zuschauer_innenanteil von 30 Prozent auf dem Fernseh-
      und Aboeinnahmen von privaten Sendern, sondern                        markt bzw. von 25 Prozent, wenn gleichzeitig auf einem
      auch für Rundfunkbeiträge der Öffentlich-Rechtlichen.                 medienrelevanten verwandten Markt eine marktbeherr-
      Damit dürfte beispielsweise eine Fusion von ARD und                   schende Stellung besteht, wird vorherrschende Meinungs-
      ZDF ausgeschlossen sein (zum Ganzen Bechtold/Bosch                    macht vermutet. Der Zuschauer_innenanteil kann aber
      2021, § 38 GWB, Rz. 7 f.).                                            durch sogenannte vielfaltsichernde Maßnahmen, wie
                                                                            Drittsendezeiten oder einen Programmbeirat, reduziert
   — Sanierungsfusionen:                                                    werden. Eine Sonderregelung gilt für Nachrichtenpro-
      Eine Erleichterung oder, wie das Kartellrecht sagt, eine              gramme, die ab einem Zuschauer_innenanteil von zehn
      sektorspezifische Ausnahme, gibt es für die „Sanie-                   Prozent vielfaltsichernde Maßnahmen ergreifen müssen. In
      rung“ von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen. Markt-                 der Theorie ist die Regelung ziemlich effektiv, denn es dro-
      beherrschende Unternehmen sollen kleine oder mittle-                  hen mit dem Entzug der Zulassung und dem Verbot, weite-
      re Verlage übernehmen können, wenn diese Verluste                     re Programmbeteiligungen zu erwerben, harte Sanktionen.
      schreiben oder gar in ihrer Existenz gefährdet sind. Die                  In der Praxis kommt den Regelungen aber keine Rele-
      Anforderungen an den Sanierungsfall sollen dabei                      vanz zu. Die Zuschauer_innenanteile der Fernsehveran-
      nicht zu hoch angesetzt werden. Damit sollen vor allem                stalter liegen deutlich unter den Grenzen des Medien-
      Probleme lokaler Tageszeitungen gelöst werden, bei-                   staatsvertrags. Das einzige jemals erlassene Verbot, die Fu-
      spielsweise indem der Erstzeitung erlaubt wird, die                   sion von Springer und ProSieben.Sat1, haben die Verwal-
      Zweitzeitung zu übernehmen. Anders als ursprünglich                   tungsgerichte wieder aufgehoben. Derzeit einziger
      angedacht, enthält die Vorschrift keine Verpflichtung,                Anwendungsfall wäre eine Fusion von Bertelsmann und
      die redaktionellen Einheiten nach dem Zusammen-                       ProSiebenSat.1. Man darf aber davon ausgehen, dass eine
      schluss aufrechtzuerhalten (zum Ganzen Bechtold/                      solche Fusion auch kartellrechtlich nicht zulässig wäre und
      Bosch 2021, § 36 GWB, Rz. 53 ff.). Auf Grundlage die-                 daher sehr schnell vom Bundeskartellamt untersagt würde.
      ser Vorschrift hatte das Bundeskartellamt den Zusam-
      menschluss von FAZ und Frankfurter Rundschau ge-                         Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.1.2014 –
      nehmigt (BKartA, Fallbericht B6 – 9/13).                                 6 C 2.13 –, siehe dazu auch Schulz/Held (2006): Die KEK
                                                                               rechnete in ihrer Entscheidung die Marktanteile auf me-
   Das Bundeskartellamt will wirtschaftliche Macht verhin-                     dienrelevanten verwandten Märkten in Zuschauer_innen-
   dern. Prüfungsgegenstand des Kartellrechts sind immer                       marktanteile um, indem sie den Einfluss auf die Meinungs-
   Märkte. Geschützt wird nicht die Vielfalt, sondern zum                      macht im Vergleich zum Fernsehen gewichtete. Dies hatte
   Beispiel der Anzeigenmarkt oder der Lesermarkt (siehe                       vor Gericht keinen Bestand. Reinemann/Zieringer finden in
   Bechtold/Bosch 2021, § 18 GWB, Rz. 20). Maßstab ist re-                     einer neuen Untersuchung zur Meinungsmacht „erheb-
   gelmäßig die Austauschbarkeit von Produkten. Dabei kön-                     liche konzeptionelle, theoretische und empirische
   nen aber auch Verbraucherschutzthemen eine Rolle spie-                      ­Defizite“, die so gravierend sind, dass „der Nutzen der
   len, sodass das Bundeskartellamt in vielen Fällen zwar an-                   Maßnahmen im Hinblick auf die formulierten Ziele be-
   dere Prämissen anwenden, aber letztlich zum gleichen Er-                     grenzt ist“. Gerügt werden unter anderem begriffliche Un-
   gebnis kommen wird. Denn letztlich werden                                    schärfen, das Festhalten an einer einheitlichen Öffentlich-
   wirtschaftliche Macht und Meinungsmacht im Regelfall                         keit, die alleinige Fokussierung auf das Fernsehen, die un-
   zusammenfallen. Lediglich bei sehr kleinen Märkten oder                      terschiedslose Berücksichtigung aller Inhalte unabhängig
   bei internem Wachstum mögen die Ergebnisse voneinan-                         von ihrer politischen Relevanz oder die Verwendung frag-
   der abweichen. Insgesamt gibt es aber derzeit wenige bis                     würdiger Berechnungsmodelle (2021: 6).
   keine Fälle, in denen Zweifel bestehen, dass das Kartell-

   9 Ein Rechenbeispiel: Die kartellrechtliche Schwelle ist ein Umsatz von 50 Millionen Euro. Im Pressebereich wird der tatsächliche Umsatz mit
   dem Faktor 4 multipliziert. Die Eingriffsschwelle läge in diesem Beispiel bereits bei einem Umsatz von: 12,5 Millionen Euro = ¼.

FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG                                                                                                                          13
Im Kreis der Länder ist umstritten, wie künftig mit dem        — Überragende Marktmacht
Thema Medienkonzentration umgegangen werden soll.                     Große Plattformen können künftig als „Unternehmen
Zwar wird seit Jahren über ein Gesamtmarktmodell disku-               mit überragender marktübergreifender Bedeutung für
tiert, das andere Medienmärkte berücksichtigen soll. Bis-             den Wettbewerb“ (§ 19a GWB) bestimmt werden. Kri-
her ist es aber nicht gelungen, ein solches Modell sinnvoll           terien dafür sind unter anderem Marktbeherrschung,
so mit Leben zu füllen, dass tatsächlich auf dem Markt be-            Finanzkraft, Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten
stehende Probleme gelöst werden (siehe dazu unter 3.1).               und Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter. Das
Der Koalitionsvertrag der Regierung von Rheinland-Pfalz,              Bundeskartellamt hat das schnell aufgegriffen: Bereits
dem Land, das seit jeher den Vorsitz der Rundfunkkom-                 im Januar hat es die überragende Marktmacht von
mission innehat, wird nun die Bedeutung der Netz- und                 Google festgestellt (Fallbericht vom 5.1.2022, B7-
Plattformökonomie internationaler Medienkonzerne her-                 61/21). Und auch Facebook dürfte absehbar unter diese
vorgehoben, die – auch mithilfe von Algorithmen – Kon-                Kategorie fallen (Meldung vom 28.1.2021).
zentrations- und Monopolisierungstendenzen befördern.                 Wenn es die überragende Bedeutung eines Unterneh-
Diese Entwicklung mache „ein starkes Gegengewicht in                  mens festgestellt hat, kann das Bundeskartellamt weit-
der deutschen Medienlandschaft immer notwendiger“                     gehende Verbote verhängen. So kann es einem Unter-
(SPD et al. 2021). Das ist richtig. Allerdings stellt sich die        nehmen untersagen, eigene Angebote zu bevorzugen,
Frage, ob das Medienkonzentrationsrecht hier der richti-              andere Unternehmen beim Zugang zu behindern, eige-
ge – und durchsetzbare – Weg ist. Vieles spricht dafür, dass          ne Angebote zu koppeln, bestimmte Produkte vorzuins-
eine Kombination aus Kartellrecht und Missbrauchsregu-                tallieren oder die Interoperabilität zu verweigern. Auch
lierung zu besseren Ergebnissen führt.                                dürfen durch Daten keine Marktzutrittsschranken er-
                                                                      richtet oder andere Unternehmen behindert werden,
                                                                      etwa indem Nutzer_innen gezwungen werden, einer
3.2 MISSBRAUCHSKONTROLLE                                              weitreichenden Datennutzung zuzustimmen. Damit
                                                                      werden unter anderem die Verfahren des Bundeskar-
Auch zur Missbrauchskontrolle finden sich Regelungen im               tellamts gegen Amazon oder Facebook auf eine neue
Kartell- und Medienrecht. In beiden Fällen erfolgt sie ex             und bessere Rechtsgrundlage gestellt. Und auch für ein
post, also im Nachhinein. Eingriffe sind dadurch weniger              Missbrauchsverfahren gegen Google, in dem überprüft
schwerwiegend, betreffen sie doch nicht das gesamte Un-               wird, was das Unternehmen mit den Daten der Nutzer_
ternehmen, sondern im Regelfall nur bestimmte Aspekte.                innen macht, dürfte das relevant werden.
Gerade für Plattformen und Intermediäre mit ihrer Ten-
denz zu Monopolen ist die Missbrauchskontrolle ein wich-           — Überlegene Marktmacht
tiges Regulativ.                                                      Aber auch ohne dass eine überragende Marktmacht
                                                                      festgestellt wird, verbietet das Kartellrecht Diskriminie-
                                                                      rung und unbillige Behinderung durch Unternehmen
Kartellrechtliches Behinderungs- und Diskriminie-                     mit überlegener Marktmacht (§§ 19, 20 GWB). Mit der
rungsverbot                                                           10. GWB-Novelle sind einige zusätzliche Fallbeispiele
Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)                       dazugekommen. So wurde erstmals die Intermediati-
wurden in den letzten Jahren sehr weitgehende Änderun-                onsmacht geregelt, also der „Vermittler“ ins Visier ge-
gen beschlossen, die sehr deutlich Suchmaschinen und                  nommen. Er darf, wenn keine zumutbaren Ausweich-
­s oziale Netze adressieren. Der Rechtsrahmen soll so der             möglichkeiten bestehen, den Zugang unter anderem zu
 „digitalen Ökonomie angepasst werden (Bundestagsdruck-               Absatzmärkten nicht unnötig erschweren.
 sache 18/10207, 1). Die 9. GWB-Novelle 2017 adressiert
 erstmals ausdrücklich Netzwerkeffekte (§ 18 Abs. 3a               — gesund.bund.de
 GWB).                                                                Welche weitreichenden Folgen sich aus kartellrechtli-
                                                                      chen Verboten ergeben können, zeigen zwei Entschei-
                                                                      dungen des Landgerichts München, die es Google un-
  Netzwerkeffekte sind immer dann gegeben, wenn die                   tersagen, bei der Suche nach Krankheiten in prominent
  Anzahl der Nutzer_innen unmittelbare Auswirkungen auf               hervorgehobenen Infoboxen (sogenannten Knowledge
  die Nützlichkeit des Produkts hat (Bacher et al. 2021, § 18         Panels) ausschließlich Informationen des Bundesge-
  GWB, Rz. 62). Ein typisches Beispiel sind Suchmaschinen,            sundheitsministeriums anzuzeigen (Entscheidungen
  die von der Anzahl an Suchanfragen und vorhandenen                  vom 10.2.2021, 37 O 15721/20 und 37 O 15720/20).
  Daten profitieren, oder soziale Medien, deren Attraktivität         Das Gericht sieht darin, dass die bestmögliche Position
  sich unmittelbar aus der Anzahl von Nutzer_innen ergibt.            auf der Ergebnisseite der Google-Suche privaten Anbie-
                                                                      tern von Gesundheitsportalen von vornherein nicht zur
                                                                      Verfügung steht, eine Beschränkung des Wettbewerbs.
Noch weitreichender ist die im Januar 2021 in Kraft getre-
tene 10. GWB-Novelle. Der Gesetzgeber hat hier ganz be-            — Google News Showcase
wusst große Plattformen wie Google, Apple, Facebook und               Mit Google News Showcase wird ein weiteres, auch me-
Amazon (GAFA) ins Visier genommen.                                    dienregulatorisch relevantes Verfahren gegen ein

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­ AFA-Unternehmen geführt. Das Bundeskartellamt
      G                                                                Erstmals spricht der Medienstaatsvertrag auch Public-
      überprüft ein neues Nachrichtenangebot von Google,               Value-Angebote an.
      das Presseverlagen die Möglichkeit gibt, ihre jeweiligen
      Inhalte in sogenannten Story-Panels in hervorgehobe-           — Google News Showcase
      ner Darstellung zu präsentieren. Geprüft wird, ob das            Plattformregulierung ist geübte Praxis der Medienan-
      fair passiert. Gesichtspunkte sind unter anderem eine            stalten. Künftig könnten aber auch Unternehmen wie
      mögliche Selbstbevorzugung Googles bzw. eine Behin-              Google in den Anwendungsbereich fallen, wenn sie
      derung konkurrierender Angebote Dritter. Das umfasst             zum Beispiel in einzelnen Bereichen ihres Angebots be-
      auch die Frage, ob ein diskriminierungsfreier Zugang             wusst einzelne Inhalteanbieter auswählen. Auch hier
      für Presseverlage gewährleistet ist. Dabei kommt auch            dient Google News Showcase als Präzedenzfall. Ur-
      Fragen des Leistungsschutzrechts große Bedeutung zu.             sprünglich unter dem Stichwort „Intermediärsregulie-
                                                                       rung“ gestartet, haben die Medienanstalten das Ange-
   Wie immer im Kartellrecht geht es bei alldem nicht um               bot letztlich als Plattform bewertet. Da redaktionell-
   Medien- oder Meinungsvielfalt. Im Vordergrund steht im-             journalistische Inhalte verschiedener deutscher Verlage
   mer die Frage, ob einem Anbieter ein Marktzugang er-                in einem personalisierten Newsfeed bereitgestellt wer-
   schwert wird. Ein solcher Anbieter kann aber, wie der Fall          den, handelt es sich um ein „geschlossenes Gesamtan-
   Google News Showcase zeigt, auch ein Medienunterneh-                gebot“. Noch wichtiger: Verlage erhalten für ihre Inhal-
   men sein, dessen wirtschaftliche Aktivitäten beeinträchtigt         te eine Vergütung. In einem Vertrag werden die Rah-
   werden. Auch wenn Auswirkungen auf die Informations-
   freiheit oder die Meinungsbildung dabei bestenfalls indi-
   rekt berücksichtigt werden, kann das Kartellrecht trotzdem
   sehr schnell zu einfach durchsetzbaren Ergebnissen kom-
   men. Die Medienregulierung wird in vielen Fällen nur
   nachgelagert tätig werden, dennoch kann sie andere Punk-              Im Vordergrund steht
   te aufgreifen und so zu wichtigen Erkenntnissen führen.              beim Kartellrecht immer
   Wie das Zusammenspiel funktioniert, wird anhand der
   beiden Google-Fälle illustriert.                                       die Frage, ob einem
   Plattform- und Intermediärsregulierung
                                                                       Anbieter ein Marktzugang
   Die Macht der Vermittler soll mithilfe einer medienregula-               erschwert wird.
   torischen Missbrauchskontrolle begrenzt und so mehr
   Chancengleichheit bei der Verbreitung hergestellt werden.
   Die Regelungen sind teilweise deutlich schwächer ausge-
   prägt, als dies im Kartellrecht der Fall ist. Teilweise scheint
   es hier an Vertrauen zu fehlen. Dennoch stellt der seit No-         menbedingungen, etwa Auswahl und Aktualisierungs-
   vember 2020 geltende Medienstaatsvertrag der Länder                 frequenz, geregelt. Das muss transparent und zu diskri-
   (MStV) für die europäische Medienregulierung ein Vorbild            minierungsfreien Konditionen erfolgen (siehe dazu die
   dar, das nun in Teilen von der EU-Kommission aufgegrif-             Kommission für Zulassung und Aufsicht [ZAK] vom
   fen wird. Der Medienstaatsvertrag unterscheidet zwischen            25.11.2021). Die Medienanstalten schauen sich hier
   Plattformen und Intermediären:                                      ebenso wie das Bundeskartellamt etwaige Diskriminie-
                                                                       rungen an. Allerdings kommt es hier weniger auf Leis-
   — Medienplattformen (§§ 78 ff. MStV)                                tungsschutzrechte oder Anzeigenmärkte an, entschei-
      Als Medienplattformen gelten Angebote, die über den              dend ist die Vielfalt. Damit müsste geprüft werden,
      Zugang von Rundfunk- und anderen Medienangeboten                 nach welchen Kriterien über die Nichtaufnahme von
      entscheiden. Sie unterliegen schon lange der Regulie-            Angeboten entschieden wird. Auch Chancengleichheit
      rung. Begründet lag dies in ihren knappen Ressourcen.            und der Umgang mit lokalen Angeboten dürften dabei
      Jahrzehntelang mussten die Medienanstalten über die              eine Rolle spielen. Auch wenn die Entscheidung dann
      Belegung zum Beispiel von Kabelnetzen entscheiden.               länger dauert, dass solche Fragen überhaupt geprüft
      Heute ist dies nur noch bei knappen terrestrischen Fre-          werden können, ist insbesondere in Zeiten schwieriger
      quenzen wie UKW oder DAB+ der Fall. So analog, wie               Finanzierung von journalistischen Angeboten ein wich-
      die Plattformen lange Zeit waren, ist auch die Regulie-          tiges Signal.
      rung. Nach Wegfall der Belegung durch die Medienan-
      stalten wurden sogenannte Must-carry-Verpflichtungen           — Medienintermediäre (§§ 91 ff. MStV)
      geschaffen, die bis heute gelten. Daneben tritt eine Zu-         Anders als Plattformen entscheiden Medienintermediä-
      gangsregulierung, die Diskriminierung und unbillige              re nicht über den Zugang, sondern aggregieren, präsen-
      Behinderung verbietet. Angeschaut werden sollen dabei            tieren und selektieren (auch) journalistisch-redaktio-
      zum einen Zugangsbedingungen und Entgelte und zum                nelle Inhalte. Das klingt nach wenig, dennoch darf ihre
      anderen die eingesetzte Technik. Sie soll so verwendet           Bedeutung für die Meinungsvielfalt nicht unterschätzt
      werden, dass sie ein vielfältiges Angebot ermöglicht.            werden. Algorithmen von Suchmaschinen und sozialen

FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG                                                                                                    15
ABB. 6

 Regulierung von Medienintermediären

                                                       Sicherung der
                                                      Meinungsvielfalt

         Informierte Teilhabe
                                                                                                 Verhinderung von
          an der öffentlichen
                                                                                                Ungleichbehandlung
           Meinungsbildung

                                                       Sachlich nicht
      Transparenz­verpflichtung                       gerechtfertigte
             § 93 MStV                             Abweichung von den
                                                                                               Verbot systematischer
                                                   Transparenzkriterien
                                                                                                  Diskriminierung
                                                                                                   journalistisch-
                                                                                               redaktioneller Inhalte
                                                     Keine unbillige                                 § 94 MStV
                                                  Behinderung durch die
                                                 angewendeten Kriterien

     Medien entscheiden nach eigenen Vorstellungen und                mit soll die Grundlage für die Diskriminierungsfreiheit
     vor allem Geschäftsmodellen darüber, welche der vie-             gelegt werden.
     len im Netz verfügbaren Inhalte wie gefunden werden              Verboten ist ferner die systematische Diskriminie-
     können. Für Intermediäre wurden daher mit dem neu-               rung journalistisch-redaktioneller Inhalte. Auch sie hat
     en Medienstaatsvertrag erstmals Mindeststandards ge-             zwei Facetten:
     schaffen, die allerdings nur deutlich abgeschwächte Re-
     gelungen enthalten. Neben Transparenz verlangt der            — Einerseits dürfen Intermediäre nicht systematisch und
     Medienstaatsvertrag ein Mindestmaß an Diskriminie-               ohne sachlich gerechtfertigten Grund von den veröf-
     rungsfreiheit (zum Ganzen Zimmer 2021a: 492 ff.).                fentlichten Transparenzkriterien abweichen, sie müssen
         Kernstück der Regulierung ist die Transparenzver-            sich also an ihre eigenen Aussagen halten. Nach wel-
     pflichtung. Sie verlangt, wesentliche Kriterien für Aus-         chen Kriterien sie gewichten, ist ihnen dabei zunächst
     wahl und Sortierung offenzulegen. Dabei hat sie zwei             freigestellt. Etwas polemisch kann man hier von einer
     Stoßrichtungen:                                                  Art „AGB-Kontrolle“ durch die Medienanstalten spre-
                                                                      chen.
— Zum einen sollen Nutzer_innen in die Lage versetzt
     werden, die algorithmische Entscheidungsfindung bes-          — Andererseits werden die Kriterien selbst einer rudi-
     ser zu verstehen. Ob das in der Praxis funktioniert, darf        mentären Kontrolle unterzogen, sie dürfen journalis-
     allerdings bezweifelt werden. Ein Großteil der Nutzer_           tisch-redaktionelle Angebote nicht systematisch unbil-
     innen wird die Transparenzhinweise kaum wahrneh-                 lig behindern, also beispielsweise Angebote exklusiv
     men. Laut einer Umfrage zu Datenschutzhinweisen                  besser platzieren.
     ­l esen beispielsweise 73 Prozent der Nutzer_innen von
      ­Internetdiensten die Datenschutzerklärungen nicht              Als zusätzliche Hürde hat der Gesetzgeber den Amts-
       (Allensbach 2019).                                             ermittlungsgrundsatz eingeschränkt. Die Medienanstal-
                                                                      ten dürfen nur auf Antrag eines Anbieters oder bei of-
— Zum anderen soll Anbietern journalistisch-redaktionel-              fensichtlichen Verstößen tätig werden.
     ler Inhalte die Möglichkeit eingeräumt werden, Funkti-               Trotz all dieser Hürden gibt es auch zur Intermedi-
     onsweisen von Medienintermediären zu erkennen. Da-               ärsregulierung eine erste Entscheidung. Die bereits

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