Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans - Ein Inszenierungsvergleich
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Didaktische FWU-DVD Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans Ein Inszenierungsvergleich Das Medieninstitut der Länder
Zur Bedienung Bezug zu Lehrplänen und Die didaktische DVD startet automa- Bildungsstandards tisch. Der Vorspann kann mit der Enter- Die Schülerinnen und Schüler oder der Skip-Taste der Fernbedienung • entwickeln Interesse für die Umset- oder durch einen Mausklick am PC zung eines klassischen literarischen übersprungen werden. Werks mit unterschiedlichen drama- Mit den Pfeiltasten der Fernbedienung tischen Mitteln, können Sie die Menüpunkte (z. B. Film, • gewinnen Einblicke in die Vielfalt Filmsequenz, Bild, Grafik, Karte etc.) von Interpretationsmöglichkeiten ansteuern und mit Enter starten. Auch durch den Vergleich der unterschied- die Buttons am unteren Bildschirmrand lichen Umsetzungen, steuern Sie mit den Pfeiltasten an und • werden angeregt, Schillers Johanna rufen diese mit Enter auf: von Orleans auf Basis zweier Auf- • Der Button „Hauptmenü/Main führungen unter Berücksichtigung Menu“ führt zurück zum Haupt- struktureller, sprachlicher und inhalt- menü. licher Merkmale zu erschließen, • Der Button „zurück/back“ führt • werden dazu motiviert, sich ein zum jeweils übergeordneten Menü. Drama durch Interpretation und Ge- • Stehen innerhalb eines Menü- staltung zu eigen zu machen, indem punktes mehrere Bilder, Grafiken sie selbst durch produktive Ausarbei- oder Karten zur Verfügung, können tung der Rollen Handlungsmotive Sie mit den Buttons „>“ und „
Zum Inhalt torischen Rankenwerk befreit und seine Beweisführung klar herausgearbeitet. Die Jungfrau von Orleans Das gelingt ihr zum anderen durch Inszenierung des Staatstheaters eine Bühne, die weniger Schauplatz als Stuttgart Diskussionsforum ist. Der Bühnenraum ist ein ebenes Karree mit gestuften Die Stuttgarter Inszenierung der Jung- Rändern, einem Beratungs- oder Ge- frau von Orleans macht mit Schillers richtssaal ähnlich, das vom Bühnen- Ideentheater ernst – sie ist von jedem licht präzise aus dem umgebenden Naturalismus weit entfernt, sie über- Dunkel herausgeschnitten wird, wobei setzt das Geschehen in sichtbare Re- die Finsternis ringsum bisweilen zum flexion, sie liefert eine Anatomie des leeren Weltall wird, in dem Johannas Stücks. Das gelingt ihr zum einen durch Verzweiflungsschreie verhallen. In glei- eine intelligente Straffung des Textes. ßendes Licht getaucht, schimmert diese Als würde man an einem überladenen Bühne metallisch kalt und lässt dann an Bildstock alles Dekor so weit abschla- einen Seziertisch denken. gen, dass die Hauptmotive offen zu Die Symmetrie der Bühne findet ihre Tage liegen, wird Schillers Text vom rhe- Entsprechung in der Schauspielerfüh- 3
rung. Die Akteure formieren sich auf der hen. Die Inszenierung wirkt auf diese Bühne, nehmen Positionen oder Stand- Weise der bei Schiller angelegten Ten- punkte ein, haben kaum Berührung denz entgegen, Johanna zu verklären miteinander, meiden den Blickkontakt. und in ein Erlöserschema zu pressen. Sie agieren meist unterkühlt, sparen mit Dem asketischen Stilprinzip dieser Auf- heftigen Bewegungen und wirken nicht führung entspricht der weitgehende selten wie Schachfiguren, die sich Zug Verzicht auf Requisiten. Neben Stüh- um Zug neu im Bühnenraum verteilen. len und Schwert ist hier nur Johannas Auch ihre einheitliche blau-schwarze, Fahne zu nennen, eine weiße Stoffbahn dezente Alltagskleidung macht deut- von der Größe der ganzen Bühne, die lich: Hier tritt alles Äußerliche hinter Johanna mal wie ein Leichentuch be- das Geäußerte zurück. Die einzige deckt, mal wie einen einbalsamierten Ausnahme bildet Johanna. Schon durch Toten umhüllt. Schließlich sei noch auf ihren hellgrauen Kapuzenpullover hebt die exakt kalkulierte Lichtführung hin- sie sich von den anderen ab. Sie ist gewiesen, die starke Stimmungseffekte auch die einzige, die den Körperkontakt erzeugt, und auf die sparsam einge- sucht, die ihre Mitspieler anblickt (und setzte Musik, die immer da dramatische durchschaut), die einem natürlichen Akzente setzt, wo es wenig zu sehen Bewegungsdrang nachgibt, die sich gibt. starken Gefühlsregungen überlassen Fazit: Die Stuttgarter Aufführung ist darf. Kurz: Johanna bringt – nicht nur in das Musterbeispiel einer Inszenierung, den Kampfszenen – Leben ins Gesche- die unter Absehung von allen natura- 4
listischen Elementen dennoch die Ab- dass hier mit Schillers Worten Eigenes sichten des Verfassers respektiert und gesagt werden soll. Es ist nur konse- verdeutlicht. quent, dass das Drama die Bezeich- nung „Die Jungfrau – nach Schiller“ trägt. Trotzdem kann der Vergleich bei- Die Jungfrau – der Inszenierungen des Dramenstoffs nach Friedrich Schiller von Schillers „Jungfrau“ als Bezugs- Inszenierung des Herzog- punkt erfolgen. Christian-August-Gymnasiums Wichtigstes Requisit ist ein Gerüst, mit Sulzbach-Rosenberg dem die Bühne, eine Art Metallsockel, nach hinten abschließt. Es steht für Teil 1 und Teil 2 den Zauberbaum in Johannas Heimat- Diese Schüleraufführung (Teil 1: Anfang dorf Domremy und ist Wohnstätte der bis 2/2, Teil 2: 2/6 bis Ende) geht andere Stimmen, die Johanna lenken; auch Wege als die Stuttgarter Inszenierung. Johanna selbst sucht darin immer wie- Sie hat sich sogar eine eigene Fassung der Zuflucht. Weitere Requisiten dienen der „Jungfrau“ geschaffen: „Die Jung- vornehmlich der martialischen Ausge- frau – nach Schiller“. Sie unterwirft staltung bestimmter Auftritte. Neben Schillers Drama den Erfordernissen ei- Eisenkreuz, Fahne, Schilden und Eisen- ner eigen- sinnigen Interpretation, sie stangen ist hier der Helm zu nennen, geht durchaus auf Abstand zu Schiller. der als matt angeleuchtete Trophäe im So etwa, wenn sie das Schillersche Pa- Zauberbaum hängt, Symbol der Macht. thos mit den Mitteln der Parodie und Die Masken der Kämpfenden mit dem einer exaltierten Ausdrucksweise unter- roten Kreuzfahrerzeichen, die ihre Ge- läuft. Oder wenn sie einen Text bietet, sichter wie Totenköpfe erscheinen las- der nicht nur gekürzt, sondern auch sen. Nicht zu vergessen eine Schale mit neu arrangiert und teilweise zu einer roter Flüssigkeit, mit deren Hilfe sich Jo- Textkollage zusammengestellt ist. Oder hanna selbst einer Art Bluttaufe unter- wenn der historische Hintergrund hier zieht und mit der sie auch von anderen weitgehend ausgeblendet und nach ei- beschmiert wird. ner „gerechten Sache“ nicht ernsthaft Die Kostüme – teils einem Kabarettfun- gefragt wird. Schon diese Eingriffe las- dus entlehnt, teils filmischen Vorbildern sen keinen Zweifel daran aufkommen, nachempfunden – kennzeichnen die 5
Charaktere. Die männlichen Darsteller Schauspielerin verkörpert. Eine weitere tragen ihre Jacken auf nackter Haut, Zersplitterung ihrer Person erfolgt in was ihre Verletzlichkeit und die Brutali- der Szene, in der Johanna Montgome- tät des Kriegs unterstreicht, gleichzeitig ry begegnet – hier wird sie von einer aber auch die Inszenierung als Ganze synchron agierenden Geisterarmee, ei- kennzeichnet: Sie ist ausgesprochen ner todbringenden Phalanx ihrer Stim- körperbetont, es wird viel getanzt, men aus dem Zauberbaum vertreten. geturtelt, gekämpft, umarmt und um- Wie sehr diese grausamen Mächte sie klammert. Einzig Johanna erweist sich in ihrer Gewalt haben, wird auch dort von Anbeginn an als scheue Träumerin, deutlich, wo Johanna wie in Trance all die ihre Menschlichkeit und ihren Re- das nachplappert oder mitspricht, was alitätssinn in dem Maße einbüßt, wie ihre Stimmen reden. In der Montgo- sie den Einflüsterungen der Stimmen meryszene nehmen diese Stimmen den im Zauberbaum gehorcht, bis sie sich Charakter religiöser Wahnideen an. Jo- vollends in einen weiblichen Samurai hannas Kampfbegeisterung ist in dieser verwandelt. Inszenierung also auch Ausdruck einer Der auffälligste Regieeinfall ist si- religiösen Besessenheit. cherlich die Aufspaltung Johannas in mehrere Personen: Als unschuldige Fazit: Die Schüleraufführung ist ein Träumerin, als Kampfmaschine und als Beispiel für modernes Regietheater, von der Liebe besiegte Kriegerin wird das einem klassischen Stück Bezüge Johanna jeweils von einer anderen zur Gegenwart und eine Vielzahl von 6
Assoziationen abgewinnt, wobei sie sich zur Verdeutlichung der eigenen Aussagen vom Verfasser und dessen Vorgaben nicht einschränken lassen will, sodass eine eigene Textfassung zu den Konsequenzen dieses Vorgehens gehört. nen würde; wie von Ferne hört man das auf- und abschwellende Heulen Inszenierungsvergleich eines Sturms. Dann sieht man ihn, in an Beispielen rötliches Dämmerlicht getaucht, seine gefalteten Hände, sein Gesicht mit den Für den Vergleich wurden folgende fünf verschatteten Augen, einem Mönch Auftritte herangezogen: Prolog, 3. Auf- nicht unähnlich, und er setzt seinen tritt / 1. Aufzug, 3. Auftritt / 2. Aufzug, Bericht als Vortrag ans Publikum fort, 2. Auftritt / 3. Aufzug, 10. Auftritt / 4. in einem gleichbleibend ruhigen Ton- Aufzug, 1. Auftritt. Zusammengenom- fall, auf Einprägsamkeit bedacht. Die men erlauben diese Auszüge sowohl undramatische Vortragsweise verleiht den Vergleich der unterschiedlichen den Ereignissen eine umso größere Regiekonzepte als auch eine Analyse Dramatik; nur wo es an die Aufzählung der Hauptfiguren in ihrer jeweiligen der Völker geht, die sich dem Heer der Charakterzeichnung. Burgunder angeschlossen haben, ist der Stimme des Berichterstatters Erre- Prolog, 3. Auftritt gung anzumerken – und es klingt, als Stuttgarter Staatstheater habe sich die halbe Welt gegen Frank- Der ganze Auftritt wird hier reduziert reich verschworen. Hier zeigt sich, was auf den Lagebericht, den Bertrand nach Schillers poetische Sprache vermag: seinem Besuch in Vaucouleur liefert. Die Bedrohung Frankreichs wird in Der Berichterstatter spricht zunächst eine bildreiche Sprache übersetzt, so in undurchdringliches Dunkel hinein, kraftvoll, als könne sie die Katastrophe bedächtig, jedes Wort betonend, wie gleichzeitig beschwören und bannen. ein Erzähler seine Geschichte begin- Ein ungeheuer eindringlicher Auftakt. 7
gen Karls resignative Grundstimmung. Nicht, dass den König das Schicksal von Orléans kalt lassen würde. Er ist betrof- fen, aber unfähig, sich zu einem Ent- schluss aufzuraffen, er hockt auf dem Bühnenboden wie das Kaninchen vor der Schlange, ratlos, hilflos. Dabei wirkt er keineswegs unsympathisch – fast Schüleraufführung könnte man Mitleid mit diesem gutmü- Die Schüleraufführung bietet hier eine tigen, etwas tapsigen Mann haben, der Textkollage aus Bertrands Bericht seine Ratlosigkeit ehrlich eingesteht, und Dunois’ Schilderung der Bedro- dem es auch nicht an gutem Willen hung von Orleans. In die Traumwelt mangelt. Aber es fehlt ihm der Glaube des spielenden Narrenkönigs bricht an sich selbst. Die Mutlosigkeit ist seine die Wirklichkeit in Form von drei be- größte Schwäche. fremdlich bürokratischen Nornen ein, Schicksalsgöttinnen im grauen Kostüm Schüleraufführung von Chefsekretärinnen, aber mit wild Auch hier bleibt vom 3. Auftritt nicht zerzauster Hexenfrisur. Sie wachsen aus viel übrig. Immerhin wird auch hier dem Boden, reihen sich auf Stühlen vor deutlich, wie König Karl in dieser Insze- dem Publikum auf, winkeln die Beine nierung aufgefasst wird: als verspielter an, schlagen ihre Mappen auf und er- romantischer Narr, dem das Schicksal statten abwechselnd Bericht. seines Reichs ziemlich gleichgültig ist. Dieser König ist durch die Realität 1. Aufzug, 3. Auftritt nicht zu beeindrucken, und mit ihm tut Stuttgarter Staatstheater auch die Inszenierung den historischen Der Auftritt wird hier äußerst verknappt Hintergrund als unerheblich ab. So viel dargeboten. Dunois hat letzte Anstren- steht fest: Dieser König ist nicht ernst gungen gemacht, Karl den Ernst der zu nehmen – er nimmt sich selbst nicht Lage vor Augen zu führen, hat ihm auf ernst. Vor allem aber muss es als unsin- der Landkarte am Bühnenboden erregt nige Idee erscheinen, für einen solchen demonstriert, in welcher Gefahr Or- König kämpfen und womöglich sterben léans schwebt, ist jedoch machtlos ge- zu wollen. 8
2. Aufzug, 2. Auftritt Stuttgarter Staatstheater In den Disput der englischen Feldherrn mit dem Herzog von Burgund platzt Isabeau – langes, glattes Haar, elegante Hose, sportlicher Pullover, ein Marlene- Dietrich-Typ, energisch im Auftreten, entschieden im Reden, das mondä- ne Gegenstück zu Johanna. Sie ist im spielt zum Schluss souverän ihre Weib- Machtpoker geübt, sie versteht es, Part- lichkeit aus und verabschiedet sich mit ner gegeneinander auszuspielen oder beißendem Spott. auch Zerstrittene zum Zweckbündnis Das kühle Bühnenlicht unterstreicht, zu überreden, mal spitzzüngig, mal als dass sich jeder hier von Machtkalkül Stimme der reinen Vernunft, immer gei- leiten lässt; die Aufstellung der Akteure stesgegenwärtig, immer schlagfertig. im Raum macht ihre Schwäche deut- Wenn sie schmeichelt, wenn sie stichelt lich: Sie stehen vereinzelt, blicken und oder droht, verfällt sie in den Wiener reden aneinander vorbei, sie haben un- Dialekt, der wie kein anderer geeig- terschiedliche Motive, es verbindet sie net ist, Niedertracht durchscheinen zu nichts als der gemeinsame Feind. Bei lassen. Diese Frau ist abgründig – und aller Überlegenheit hinterlässt Isabeau schon deshalb den Männern nicht ge- in dieser Szene den Eindruck einer ein- heuer. Als sie sich zur Gegen-Jungfrau samen, einer tragischen Person. aufwirft, erfährt sie eine Abfuhr; die englischen Feldherren wollen nicht Schüleraufführung „durch Weiber siegen“, die englischen Isabeau ist hier zunächst stumme Zu- Soldaten nicht für ein hasserfülltes und hörerin beim Disput der Feldherren. obendrein aus ihrer Sicht unmoralisches Dann fährt sie dazwischen, mit sprü- „Weib“ kämpfen. Von der Zurückwei- hendem Temperament. Leidenschaft- sung getroffen, verwandelt sich Isa- lich in ihren Gefühlsäußerungen, um beau in eine scharfzüngige Rächerin. Anzüglichkeiten nicht verlegen, gibt Zwischen offener Wut und eisiger Kälte sie die femme fatale, die ‚lüsterne Mut- schwankend, liest sie den Männern die ter der Kompanie’. Ihr Aussehen passt Leviten, nennt sie Lügner und Räuber, dazu – das aufgelöste, wilde Haar, der 9
mitte – das Licht der Erkenntnis fällt auf Johanna und Lionel. Und beide er- starren im Licht dieser Erkenntnis. Wie geblendet, wie gelähmt stehen sie sich lange Zeit bewegungslos gegenüber. Und fallen beide im selben Augenblick zu Boden – von der Liebe bezwungen, noch bevor es zum ersten Schwert- Pelzmantel, die Perlenketten –, und ge- streich gekommen ist. Johanna stößt nauso ihre aufreizende Körpersprache, einen Schrei des Entsetzens aus. Sie die oft genug Verachtung für diesen geht auf Lionel zu, legt ihr Schwert ab, Haufen geschlagener und zerstrittener kniet ihm zur Seite nieder, sie wimmert Männer ausdrückt. Diese Isabeau wird und fleht, unfähig, das Geschäft der handgreiflich, sie packt die Wider- Götter weiter zu betreiben. Zunächst strebenden, sie zerrt sie mit sich, sie entzieht sie sich noch der Berührung wäscht ihnen den Kopf – und fährt aus durch Lionel, dann lässt sie sich doch der Haut, als sie zurückgewiesen wird. von ihm packen, sinkt wieder kraftlos Am Boden sitzend, bricht sie in Hassti- zu Boden und robbt schließlich auf dem raden gegen ihren Sohn aus, fängt sich Bauch hinter ihm her. In der eindrucks- dann wieder, macht Lionel Avancen vollsten, spannungsgeladensten Szene und geht schließlich hohnlachend ab. dieser Aufführung erleben wir hier den Hier wird uns also eine Frau vorgeführt, völligen Zusammenbruch der gottge- die ihre Erotik, ihre Triebhaftigkeit un- sandten Retterin. geniert ins Feld führt. Sie bildet den lebensbejahenden Gegenpol zu einer Schüleraufführung Johanna, die der Sexualität und dem Lionel stürmt die Bühne und fordert Leben als Frau mit eigenen Wünschen Johanna zum Kampf. Und nun kommt abgeschworen hat. die dritte Johanna-Darstellerin ins Spiel. Sie steigt vom Gerüst herab, sie verlässt 3. Aufzug, 10. Auftritt den Zauberbaum und die Gesellschaft Stuttgarter Staatstheater ihrer Geister und kämpft. Da greifen Statt des bläulichen Dämmerlichts hier erneut die Geister ein. Sie krallen sich eine strahlend hell erleuchtete Bühnen- Lionel, halten ihn fest und ziehen ihm 10
die Maske ab. Angezogen und abgesto- ßen zugleich, flieht Johanna zwischen dem Zauberbaum und Lionel hin und her, berührt ihn, umarmt ihn, klam- mert sich an ihn – und zieht sich dann doch in den Schutz des Geisterbaums zurück. Statt eines inneren Konflikts er- lebt Johanna hier also die Aufspaltung in eine dritte Person. Die vorherigen gewichen. Sie ist sehend geworden, sie Erfahrungen werden nicht mit dieser hat verstanden, was sie getan hat, und neuen in Verbindung gebracht; so kann jetzt hadert sie mit ihrem Geschick, be- es weder zu einer Erkenntnis noch zu klagt ihre Erwählung, sehnt sich nach einer Entwicklung eines Individuums ihrer alten Unschuld als Schäferin zu- Johanna kommen – für die Johanna rück. Gebrochen aber ist diese Johan- dieser Inszenierung bleibt es bei einer na nicht, und ein Rest von Stolz ist zu Bewusstseinsspaltung. verspüren, wenn sie Anklage gegen die Schicksalsmächte erhebt, denen sie so 4. Aufzug, 1. Auftritt lange vertraut hat, denen sie sich so Stuttgarter Staatstheater vollständig preisgegeben hat. Die Bühne ist in schwaches, gelbliches Licht getaucht, die Anwesenden zeich- Schüleraufführung nen sich nur als Schemen ab. Am hin- Zuerst allgemeiner Siegesjubel des teren Bühnenrand haben Karl und sein gesamten „Zauberbaumpersonals“, Gefolge Platz genommen. Im Einzelnen das Teile des Monologs „Die Waffen unkenntlich, verharren sie dort wäh- ruhn…“ zunächst unter sich aufteilt. rend Johannas Monolog bewegungslos Eine ungeheuere Erleichterung macht wie die Mitglieder eines Tribunals. Vor sich in mädchenhaftem Herumalbern ihnen liegt Johannas Fahne als schmut- Luft. Die Königskrone wird herumge- ziges Häufchen am Boden. Und in der reicht wie Spielzeug auf einem Kin- Bühnenmitte steht Johanna, aufrecht, dergeburtstag, bis sie in den Händen und trägt mit brüchiger Stimme ihr von Agnes Sorel landet. Dann Szenen- Klagelied vor. Das bisherige Triumph- wechsel. Auf abgedunkelter Bühne gefühl ist einer Verwirrung der Gefühle entsteigt die erste Johanna, die un- 11
schuldige Träumerin, dem Zauberbaum gleich besser unterrichtet als Voltaire: und baut sich mit ihrem Eisenkreuz vor Gerade zehn Jahre, bevor er sich des dem Gerüst auf. Die zweite Johanna, Themas annimmt, sind erstmals die die blutbefleckte, gnadenlose Kriegerin Gerichtsprotokolle des Jeanne- d’ Arc- verharrt oben im Zauberbaum, und die Prozesses veröffentlicht worden, und dritte, von der Liebe besiegte Johanna Schiller kennt sie, er bedient sich daraus liegt geschlagen am vorderen Bühnen- – etwa, wenn er das Thema des Zau- rand. Die drei teilen sich in eine Kurz- berbaums in ihrem Heimatort Domrémy fassung von Johannas Klagelied – die aufgreift. Auch Jeannes erster Auftritt erste stimmt es an, die zweite setzt es am Hof Karls VII. entspricht in etwa den fort, die dritte beschließt es. In welcher Zeugenaussagen, und selbst für Johan- Gestalt auch immer – Johanna zieht nas Begegnung mit Lionel, Dreh- und eine erschütternde Bilanz ihres Wirkens. Angelpunkt des Stücks, findet sich ein historischer Anhaltspunkt in Jeannes Hintergrundinformationen liebevoller Sorge um einen tödlich ver- letzten Engländer nach der Schlacht Zum Spielball dichterischer Phantasie von Patay. war Jeanne d’ Arc schon früher gewor- Letztlich jedoch gibt die historische den: Gut 60 Jahre vor Schiller hatte Vol- Jeanne d’Arc nicht genug her für das, taire sie zur Heldin seines provokanten, was Schiller im Sinn hat. Letztlich be- pornographisch gefärbten Romans „La nutzt er die Dokumente nur als Inspira- Pucelle“ gemacht. Allerdings ist Schiller tionsquelle für ein Stück, das strecken- über die historischen Vorgänge un- weise ein dramatisierter Traktat über 12
ein moralisch-psychologisches Problem zen, muss sie auch selbst zum Schwert ist. Und dieses Problem lautet: Heiligt greifen: Wer ihr im Gefecht begegnet, die „gerechte Sache“ alles, was der ist des Todes. Die Frage nach ihrer per- Held in ihrem Namen unternimmt, oder sönlichen Verantwortung stellt sich Jo- gelten auch für ihn die Maßstäbe ei- hanna zunächst nicht. Solange sie sich ner persönlichen Ethik? Kann der Held durch ihre göttliche Mission gerechtfer- seine Willensfreiheit gegen die Schick- tigt fühlt, schlägt sie als Werkzeug des salsmächte, mit denen er sich einlässt, Schicksals zu,– eine gnadenlose Erlö- behaupten – oder wird er notwendig serin, Tod bringend in ihrer Unschuld, zum Getriebenen, der sich schuldig durch den Jubel ihrer Umgebung im macht, ohne dass seine Taten im mo- Glauben an ihre Auserwähltheit be- ralischen Sinne seinem eigenen Willen stärkt. entspringen? Erst in dem Moment, da der Anblick Die Handlung folgt Schillers Argumen- von Lionels unverhülltem Gesicht sie tationskette, sie besitzt kaum drama- bis zur Liebe rührt, wird sie sich ihres tisches Eigenleben. Um ihr dennoch Dilemmas bewusst. Denn im Licht der Anschaulichkeit zu verleihen, arbeitet Liebe betrachtet ist auch ihr göttlich Schiller mit den denkbar stärksten Kon- inspiriertes Rettungswerk schuldhaft, trasten. Die Aussichtslosigkeit der Lage, mit den Augen der Liebe gesehen er- die Verzagtheit der Akteure auf franzö- scheinen auch ihre Heldentaten als sischer Seite werden drastisch heraus- Verbrechen gegen die Menschen, die gearbeitet – der Staat ist bankrott, der ihre Gegner sind. Gleichzeitig begeht König ein romantischer Träumer und sie mit der Entdeckung, dass auch der zur Kapitulation entschlossen. Johan- Feind liebenswert sein kann, Verrat an na hingegen wird als übernatürliches der Idee, in deren Namen sie bisher Wesen eingeführt, als Inkarnation des gekämpft und getötet hat. Der Au- vom Himmel gesandten Retters. Ob- genblick der Liebe ist der Augenblick wohl mit göttlicher Aura ausgestattet der Erkenntnis, und jetzt steht sie als – halb Muttergotteskriegerin, halb Pal- doppelte Versagerin da, nämlich als las Athene –, schickt Schiller sie in die jemand, der sowohl gegen ethisch- blutigen Niederungen der Schlacht, und menschliches Gebot als auch gegen das als würde ihr Anblick allein den Gegner ihrer himmlischen Auftraggeber versto- nicht schon in panische Angst verset- ßen hat – das tragische Motiv. 13
Von Selbstzweifeln gelähmt, muss Jo- Geschick, in der aus freien Stücken voll- hanna vollends verstummen, als ihr zogenen Identifikation mit der ihr vom eigener Vater die Frage nach ihrer per- Schicksal zugedachten Rolle. Erst wenn sönlichen Verantwortung aufwirft: Hat der Held sich sein Schicksal in einem sie nicht in Wirklichkeit aus Machtgier, freien Willensakt zu eigen macht, erst aus Eitelkeit, aus Hybris gehandelt? wenn er sich von der Selbsttäuschung, Darf der Mensch, der in die Geschichte ein blindes (und folglich unschuldiges) eingreift, das Ergebnis seiner Taten den Werkzeugs zu sein, befreit und sich Schicksalsmächten anlasten? Rechtfer- zur Verantwortung für seine Taten be- tigt die hehre Idee, der göttliche Auf- kennt, kann er von seinen Zweifeln trag, das Blutvergießen, oder muss man erlöst – und vom göttlichen Gericht sich auch als Diener der gerechten Sa- freigesprochen werden. Das setzt auch che nach den eigenen Motiven und der die Bereitschaft voraus, sich selbst zu eigenen Verantwortung fragen lassen? opfern. Dass hier der Held eine Heldin Bis auf ihren Verlobten Raimond von al- ist, überhöht den Konflikt insofern, len verlassen, durchschreitet Johanna in als das Kriegsgeschäft eine Frau noch der Köhlerszene die Nacht des Selbst- grausamer erscheinen lassen muss. zweifels – nur um geläutert daraus Was hier der Heldin also abverlangt hervorzugehen. Der Weg zurück in eine wird, ist die Zustimmung zum Tod der bürgerliche Existenz ist ihr verwehrt; di- anderen im Bewusstsein ihrer persön- ese Freiheit hat sie nicht mehr. Der Aus- lichen Verantwortung, die ihr trotz des weg aus dem Dilemma besteht vielmehr göttlichen Auftrags zukommt, sowie die in der bewussten Einwilligung in ihr Einwilligung in den – nun ebenso be- 14
wusst in Kauf genommenen – eigenen Verwendung im Unterricht Untergang, den Schiller in diesem Fall unverkennbar als freiwilligen Opfertod Schillers „Johanna“ gehört nicht zu entwirft, inklusive der Auffahrt in einen den Stücken, mit denen umstandslos gnädig gestimmten Himmel. an die Lebenswirklichkeit der Schüler Die letzten anderthalb Aufzüge des angeknüpft werden kann. Daher ist Stücks zeigen starke Anklänge an die es zunächst wichtig, dass die Schüle- Passionsgeschichte, angefangen mit Jo- rinnen und Schüler sich überhaupt auf hannas Schweigen in dem Verhör, dem Schillers Sprache und die merkwürdig der zürnende Vater sie unterzieht, bis anmutende Geschichte, in der sich hin zu ihrer Himmelfahrt. Historisches und Legendenhaftes zu Möglich, dass Schiller durch das Auftre- verbinden scheinen, einlassen. Dies ist ten Napoleons zu seiner „Johanna“ an- Voraussetzung dafür, die Intentionen geregt wird. Vor diesem zeitgeschicht- beider Umsetzungen des Dramenstoffs lichen Hintergrund liegt die Überlegung zu erschließen. nahe, er könne mit dem Jeanne-d’ Es darf nicht aus den Augen verloren Arc-Stoff auch eine vaterländische Bot- werden, dass die Inszenierung des schaft verbunden und die Deutschen Herzog-Christian-August-Gymnasiums angesichts der napoleonischen Gefahr nicht dem Originaltext von Schillers zu nationaler Geschlossenheit aufgeru- Jungfrau von Orleans gilt, sondern einer fen haben. Doch sieht Schiller offenbar eigenen Fassung dieses Texts unter dem keinen Grund, diese Fährte weiter zu Namen „Die Jungfrau – nach Friedrich verfolgen – wohl schon deshalb nicht, Schiller“. Da jedoch der Aufbau und weil sich die Aktionen Napoleons zur die Problemstellung des „Plots“, die Entstehungszeit des Stücks noch gar Figuren, ihre Konstellationen und Akti- nicht gegen die deutschen Staaten onen sowie Schillers Sprache in wesent- richten. lichen Teilen erhalten sind, wenngleich (Erweiterte Hintergrundinformationen Schillers Text mitunter als Steinbruch finden Sie im ROM-Teil der DVD unter verwendet, die Heldin als multiple Per- „Begleitheft“.) sönlichkeit gedeutet und das Ende der 15
Geschichte stark gekürzt wird, kann telalterliche Menschen wie Johanna beim Vergleich beider Inszenierungen und ihre Zeitgenossen ein Eingreifen durchaus Schillers „Jungfrau von Or- Gottes in die Geschichte, dass Visionen leans“ als Bezugspunkt verwendet und eine göttliche Entsendung in die werden. Schlacht weit weniger befremdlich wa- Um den Zugang zum Dramengesche- ren, als für heutige Menschen: Von da- hen zu erleichtern, sollte in Grundzü- her sollte man sich auf Schillers Figuren gen der reale historische Hintergrund wie auf „wirkliche Menschen“ einlas- bekannt sein. sen. Das sind keine Märchenfiguren Stichpunkte: Hundertjähriger Krieg und keine Spinner. Ihre Konflikte sind zwischen England und Frankreich; ernst zu nehmen. Johanna, eine lothringische Bauern- tochter, tritt in einem Moment auf, als Den Zugang zur Sprache können sich der französische König Karl VII, der als die Schüler auf verschiedene Weise ver- Herrscher über ein in sich zerstrittenes schaffen: Land noch nicht gekrönt ist, den Krieg Wenn man die Geduld aufbringt, sich schon fast verloren hat. Johanna wird einzulesen, erschließt sich an vielen von Visionen dazu angetrieben, in den Stellen die Magie von Schillers Spra- Krieg einzugreifen; sie verhilft Karl zur che. Mit der vorliegenden DVD hat man Krönung und verschafft den Franzosen aber die wunderbare Möglichkeit, sich den Sieg. Am Schluss wird die histo- „einzuhören“. Hervorragend geeignet rische Johanna als Hexe und Ketzerin dafür: Prolog, dritter Auftritt in der Auf- hingerichtet, bei Schiller stirbt sie auf führung des Staatstheaters Stuttgart. dem Schlachtfeld. In dieser Passage wird der historische Ausgangspunkt von Johannas Auftre- Zugang zu den Personen: Anhand der ten in zwingender Sprache festgehal- Prozessakten kann man auch die reale ten, Spannung wird aufgebaut. Lebensgeschichte der Jeanne d’ Arc mit Und dann kann diesem sprachlichen den Schülern so genau erforschen, dass Ereignis die gleiche Passage in der Interesse an dieser zunächst so fremd- „Umsetzung“ durch das Schülertheater artigen Figur sowie ihren Gegenspie- gegenüber gestellt werden: weniger lern und dem König geweckt wird. „Sprachmagie“, „heutige“ Charakte- Hilfreich ist der Hinweis, dass für mit- re, deren fast allegorischer Charakter 16
herausgearbeitet werden kann. Dort gleich beider Aufführungen untersucht (Stuttgart) ein Berichterstatter, dem werden (arbeitsteilig). nur das Wort zu Verfügung steht, vor Wichtig sind darüber hinaus gehende dunklem Hintergrund, der nur durch Querschnittsaufgaben, z.B. mit The- die Macht von Geräuschen Gestalt ge- menstellungen, die die Entwicklung winnt, hier (Schülertheater) eine bunte, bestimmter Figuren oder Figurenkon- muntere Szenerie. stellationen verfolgen, auch hier treten Bei diesem Einstieg klingt schon vieles durch Inszenierungsvergleich überra- an, was die generellen Unterschiede schende Aspekte zu Tage (z.B. Erster beider Aufführungen ausmacht. Aufzug, dritter Auftritt: König Karl VII oder Zweiter Aufzug, zweiter Auftritt: Wie von diesem Ausgangspunkt aus Isabeau und die Fürsten). weiter gearbeitet wird, orientiert sich Sinnvoll ist es, bei der Charakterisie- an den Intentionen des Unterrichten- rung der Personen und Analyse der den bzw. der Schülerinnen und Schüler. Figurenkonstellationen immer wieder auch Schillers Text im Original heran- In arbeitsteiligem Vorgehen kann von zuziehen. einer Gruppe der vollständige „Plot“ des Schillerschen Dramas an den 5 Durch die unterschiedliche Charakte- Akten entlang erarbeitet und der risierung von Johanna und ihrer Ent- Klasse vorgestellt werden. Bei diesem wicklung im Fortgang des Stücks/der Arbeitsschritt sollte gleich mit erfasst Stücke gelangt die Arbeit mit der DVD und vielleicht mit Hilfe einer Skizze dar- an einen zentralen Punkt: den Konflikt gestellt werden, worin die wichtigsten der tragischen Heldin. Unterschiede zwischen „Die Jungfrau Die Stuttgarter Aufführung billigt Jo- von Orleans“ und „Die Jungfrau – nach hanna im Einklang mit Schiller Willens- Schiller“ im Hinblick auf Text und Auf- freiheit und Gewissen zu, weshalb sie bau bestehen. Auf diese Weise wird im Stande ist, ihren Konflikt auszutra- ein Grundstock gemeinsamen Wissens gen und für sich zu lösen. gewährleistet. Die Schüleraufführung spaltet Johanna in mehrere Persönlichkeiten auf – eine Anschließend können einzelne Akte Reaktion von eigener Logik auf das, und Aufzüge intensiver und unter Ver- was Schiller dieser Figur abverlangt: 17
Das unschuldige Mädchen vom Land ethische Entscheidung geht, enthoben. soll im Auftrag Gottes dem König ge- Man kann den Tod dieser „Johannen“ genüber treten, einen Krieg mit allen als Scheitern interpretieren, die „Him- blutigen Konsequenzen führen und auf melfahrt“ stellt dann eher eine Art Be- die Liebe zu einem Mann verzichten. lohnung für all das dar, was sie sich im Die Frage nach ihrer persönlichen Namen Gottes angetan haben. Verantwortung stellt sich Johanna Zur Erschließung des Konflikts eignen zunächst nicht. Sie ist eine Gesandte sich insbesondere 3. Aufzug, 10. Auf- Gottes. Aufgrund des Liebeserlebnisses tritt und darauf folgend 4. Aufzug, 1. mit Lionel wird sie jedoch an der bis Auftritt. Zielführend bei 3/10: die Analy- dahin vollzogenen fraglosen Befolgung sierung der äußeren und inneren Hand- ihres Auftrag irre, um sich schließlich lung. Untersucht werden – eventuell im Bewusstsein eigener Verantwortung von verschiedenen Schülergruppen, die frei für diesen Auftrag und den damit sich je eine Inszenierung vornehmen, verbundenen eigenen Untergang zu - die Interpretationen dieses Auftritts entscheiden. Durch diese freie Ent- in beiden Inszenierungen. Dem sollte scheidung kann sie „erlöst“ werden, sich eine Analyse der Interpretationen ihr Sterben wird zur Himmelfahrt. von 4/1, in der Johanna eine persön- Bei Schiller ist dies die innere Leistung liche Retrospektive und Introspektive einer Person ganz im Sinne des Deut- vornimmt, anschließen. Die jeweiligen schen Idealismus. Abweichungen vom Schillerschen Text Die Stuttgarter Inszenierung hat die Fi- - und dessen sprachliche Untersuchung gur der Johanna nach Schillers Vorgabe – sind hier besonders aufschlussreich. als tragische Heldin angelegt. Dadurch, dass in der Aufführung bzw. Spätestens nachdem der zentrale der Textfassung des Herzog- Christian Punkt, worin die Tragödie der Heldin – August – Gymnasiums die Johanna besteht, von mehreren Seiten beleuch- in mehrere Personen aufgespaltet wird, tet wurde, können nun auch Ergebnisse ist sie jedoch der oben beschriebenen zusammen getragen werden, die Dis- Konfliktlösung, bei der es um ihre In- kussionen darüber zulassen, welche tegration aller widersprüchlichen und Ausdeutungen des Stücks von Schiller problematischen Erfahrungen und hinter den Konzeptionen beider Insze- Erlebnisse im Hinblick auf ihre gültige nierungen (bzw. hinter der neuen Text- 18
fassung des HCA- Gymnasiums) ste- Und natürlich sollte nun hier endlich hen, welche Aussagen damit getroffen die Frage in den Raum geworfen wer- werden sollen, welches Interesse der den, welche persönlichen Eindrücke Theatergruppen und ihrer Regisseure die Schülerinnen und Schüler aus den zum Ausdruck kommt, worauf die Zu- beiden Umsetzungen des Dramenstoffs schauer jeweils aufmerksam werden gewonnen haben, welche Erlebnisse sie sollen. bei der Begegnung damit hatten. Auch die einfache Frage nach Gefallen und Wie lassen sich die Unterschiede der In- Missfallen ist hier absolut berechtigt. szenierungen/Stücke begrifflich fassen? Fragen beispielsweise: Zum Schluss eine Erinnerung daran, Was könnte man als die Besonder- dass literarische Rezeption am be- heiten der Stuttgarter Inszenierung sten im eigenen Spiel gelingt. Ob nun bezeichnen? (Stichpunkte etwa: Nähe Schillers „Jungfrau von Orleans“ in zu Schillers Text, asketisches Stilprin- dem strengen intellektuellen Gewand zip, schachbrettartige Figurenkonstel- des Schauspielhauses Stuttgart die lationen auf leerer Bühne, Verzicht auf Schülerinnen und Schüler berühren Naturalismus, Verzicht auf Farbe, kühle konnte oder die teils drastisch blutige, Emotionalität, analytisches Herausar- teils lustvoll überbordende „Jungfrau beiten von Schillers Intentionen und – nach Schiller“: Am wichtigsten wäre Ideen, wenig Kürzungen am „Plot“.) doch die Anregung, jetzt eine eigene Interpretation einzelner Szenen oder Was zeichnet die Inszenierung und die auch nur Dialoge in Angriff zu nehmen Textfassung des HCA- Gymnasiums be- und wenigstens in der Klasse aufzufüh- sonders aus? ren sowie sich generell für das Theater (Stichpunkte etwa: neu arrangierter und seine Ausdrucksmöglichkeiten be- Text, Bezüge zur Jetztzeit, parodistische geistern zu lassen. Elemente, Körperbetontheit, rasante Emotionalität, Spielfreude, drastische und blutige Einfälle, Aufspaltung der Heldin in mehrere Personen, starke Kürzungen vor allem gegen Ende der Geschichte.) 19
Arbeitsmaterial rufen (PDF-Dokumente). Am unteren Im ROM-Teil der DVD stehen Ihnen Rand der aufgerufenen Seiten finden Hinweise zur Verwendung im Unterricht Sie Buttons („Inhaltsverzeichnis“, sowie Arbeitsblätter zur Verfügung (si- „Startseite“, „Erste Seite“), die Ihnen ehe Tabelle). Um die Arbeitsmaterialien das Navigieren erleichtern. Diese er- zu sichten und auszudrucken, legen Sie scheinen nicht im Ausdruck. die DVD in das DVD-Laufwerk Ihres Um die PDF-Dateien lesen zu können, Computers ein und öffnen Sie im Win- benötigen Sie den Adobe Reader (im dows-Explorer den Ordner „Arbeitsma- Ordner „Adobe“). terial“. Die Datei „Inhaltsverzeichnis“ Im Ordner „Arbeitsmaterial/Word_Da- öffnet die Startseite. Über diese können teien“ finden Sie die Arbeitsblätter sie bequem alle Arbeitsmaterialien auf- auch als Word-Dokumente. Ordner Materialien Verwendung im Unterricht Hinweise zum Einsatz der DVD im Unterricht Arbeitsblätter 4 Arbeitsblätter Begleitheft Begleitheft zur DVD Programmstruktur Übersicht über den Aufbau der DVD Weitere Medien Info zu weiteren FWU-Medien Links kommentierte Linksammlung zum Thema 20
46 02656 Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans - Ein Inszenierungsvergleich Didaktische FWU-DVD Inszenierung des Staatstheaters Stuttgart 46 02656 Prolog, 3. Auftritt 2:20 min Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans Ein Inszenierungsvergleich Erster Aufzug, 3. und 4. Auftritt 3:00 min Erster Aufzug, 10. und 11. Auftritt 9:00 min Zweiter Aufzug, 2. Auftritt 6:30 min Programmstruktur Zweiter Aufzug, 6., 7. und 8. Auftritt 9:00 min Hauptmenü Dritter Aufzug, 10. Auftritt 5:50 min Vierter Aufzug, 1. Auftritt 4:00 min Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans Vierter Aufzug, 3. Auftritt 2:20 min Ein Inszenierungsvergleich Vierter Aufzug, 10. und 11. Auftritt 6:30 min Inszenierung des Staatstheaters Stuttgart Fünfter Aufzug, 4., 5. und 6. Auftritt 7:10 min Fünfter Aufzug, 12., 13. und 14. Auftritt 4:10 min Inszenierung des Herzog- Christian- August- Gymnasiums Sulzbach-Rosenberg Die Jungfrau – nach Friedrich Schiller Teil 1 34 min Inszenierungsvergleich an Beispielen Teil 2 37 min Prolog, 3. Auftritt Staatstheater Stuttgart 2:20 min HCA Gymnasium 1:10 min Inszenierungsvergleich an Beispielen Erster Aufzug, 3. Auftritt Staatstheater Stuttgart 0:20 min HCA Gymnasium 0:50 min Arbeitsmaterial Zweiter Aufzug, 2. Auftritt Staatstheater Stuttgart 6:30 min (im ROM-Teil der DVD): HCA Gymnasium 3:20 min Legen Sie die DVD in das Verwendung im Unterricht Dritter Aufzug, 10. Auftritt Staatstheater Stuttgart 5:50 min DVDLaufwerk Arbeitsblätter HCA Gymnasium 4:50 min Ihres Computers und Begleitheft öffnen Sie im Windows-Explorer Programmstruktur Vierter Aufzug, 1. Auftritt Staatstheater Stuttgart 4:00 min den Ordner „Arbeitsmaterial“. Weitere Medien HCA Gymnasium 8:10 min Die Datei „Inhaltsverzeichnis“ Links öffnet die Startseite. 21 Didaktische FWU-DVD © FWU Institut für Film und Bild
Produktionsangaben Produktionsangaben zu den Inszenie- rungen Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans. Die Jungfrau von Orleans Ein Inszenierungsvergleich (DVD) Inszenierung des Staatstheaters Stuttgart 2005 Produktion FWU Institut für Film und Bild, 2009 Regie Tina Lanik DVD- Konzept Annegert Böhm Bühne Magdalena Gut DVD- Authoring und Design TV-Werk München Kostüme im Auftrag des FWU Institut für Film und Bild, Su Sigmund 2009 Musik Bildnachweis Rainer Jörissen 1. Die Jungfrau von Orleans Inszenierung des Staatstheaters Stuttgart: Die Schauspieler und ihre Rollen teamWERK. Die Filmproduktion GmbH, Sierk Radzei (Karl VII) / Pia Podgornik ( K ö - Stuttgart nigin Isabeau, seine Mutter) / Ute Hannig 2. Die Jungfrau – nach Schiller (Agnes Sorell, seine Geliebte) / Bernhard Bai- Inszenierung des Herzog-Christian-August- er (Philipp der Gute, Herzog von Burgund) / Gymnasiums Suzbach-Rosenberg Gottfried Breitfuß (Graf Dunois, Bastard von ZDF Orleans) / Jan Schreiber (La Hire, königlicher Offizier) / Reinhold Ohngemach (Erzbischof Arbeitsmaterial und Begleitheft v. Reims) / Christian Brey (Bote) / Ferdinand Leo Linder Dörfler (Talbot, Feldherr der Engländer) / An- dreas Schlager (Lionel, englischer Anführer) / Pädagogische Referentin im FWU Benjamin Grüter (Montgomery, ein Walliser) / Annegert Böhm Klaus Weiss (Thibaut d‘Arc, ein reicher Land- mann) / Hanna Scheibe (Johanna, seine Toch- 22
ter) / Michael Michalski (Raimond, ihr Freier) / Fernsehregie Britta Firmer (Schwarzer Ritter) Peter Schönhofer Produktion Kamera teamWERK Die Filmproduktion GmbH, Volker Schmidt, Martin Baer, Natasha Engel, Stuttgart Beate Häring, Karl-Heinz Nitschke, Ursula- Nicoline Zeyfang Bearbeitete Fassung (Szenenauswahl) und Herausgabe Herausgabe FWU Institut für Film und Bild, 2009 FWU Institut für Film und Bild, 2009 Die Jungfrau – nach Schiller Inszenierung des Herzog-Christian- August-Gymnasiums Sulzbach-Rosenberg Spielleitung Nur Bildstellen/Medienzentren: Winfried Steinl öV zulässig Die Schauspieler Stefanie Bachl, Birgit Ertl, Judith Hellmuth, © 2009 Rinje Hemala, Sandra Keller, Romana Kuhn, FWU Institut für Film und Bild Nicola Lang, Eva Lehner, Anna Maier, Maxi- in Wissenschaft und Unterricht milian Meeks, Melanie Päßler, Marina Pilho- gemeinnützige GmbH fer, Patrick Santy, Christina Schlögl, Johanna Geiselgasteig Schütz, Veit Stephan, Elisabeth Winter Bavariafilmplatz 3 D-82031 Grünwald Produktion Telefon (089) 6497-1 ZDF, 2005 Telefax (089) 6497-240 E-Mail info@fwu.de Redaktion vertrieb@fwu.de Jürgen Heimbach Internet www.fwu.de 23
46 02656 Didaktische FWU-DVD Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans Ein Inszenierungsvergleich Friedrich Schillers „romantische Tragödie“ ist eines der Hauptwerke der Weimarer Klassik. Mit seinen starken Frauengestalten und einer Vielfalt von Charakteren bietet es eine will- kommene Herausforderung für große Bühnen, aber auch für das Schülertheater. Auf die- ser DVD werden zwei Interpretationsansätze – der des Staatstheaters Stuttgart und der des Herzog-Christian-August-Gymnasiums Sulzbach-Rosenberg, nebeneinander sichtbar. Der Schüleraufführung liegt auch eine eigene Textfassung, „Die Jungfrau- nach Schiller“, zugrunde. Im Vergleich beider Aufführungen eröffnen sich den Schülern unterschiedliche Zugänge zu Schillers Drama als Basis einer individuellen Auseinandersetzung mit klas- sischer Dichtung. Erscheinungsjahr: 2009 Adressaten: Allgemeinbildende Schule (8-13), Laufzeit: 140 min Erwachsenenbildung Filmsequenzen: 21 Sprachen: Deutsch DVD-ROM-Teil: Unterrichtsmaterialien Schlagwörter: FWU Institut für Film und Bild Friedrich Schiller, Johanna von Orleans, Klassik, Romantik, Drama, Tragödie, in Wissenschaft und Unterricht Stuttgarter Staatstheater, Herzog-Christian-August-Gymnasium Sulzbach- gemeinnützige GmbH Rosenberg Geiselgasteig Systematik: Bavariafilmplatz 3 Deutsch Literatur Dramatik 82031 Grünwald Telefon +49 (0)89-6497-1 Telefax +49 (0)89-6497-240 info@fwu.de www.fwu.de Lehrprogramm GEMA Systemvoraussetzungen Alle Urheber- und Leistungs- bei Nutzung am PC: gemäß schutzrechte vorbehalten. Nicht erlaubte / genehmigte DVD-Laufwerk und DVD- Player-Software, empfohlen Nutzungen werden zivil- und § 14 JuSchG / oder strafrechtlich verfolgt. für Windows ME/2000/ XP/Vista 4602656010 www.fwu.de Bestell-Hotline: +49 (0)89-6497-444 Das Medieninstitut vertrieb@fwu.de der Länder
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