Für bessere Luft im Klassenzimmer - PRAXIS & METHODIK - Medien und Informatik ...
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PRAXIS & METHODIK Für bessere Luft im Klassenzimmer Wir bauen uns ein CO2-Messgerät von Mareen Przybylla und Stefan W. Huber Um Infektionszahlen zu verringern, wurden während entwickeln zu lassen (vgl. z. B. Stahmer, 2020; Burger der Covid-19-Pandemie in vielen Ländern Empfehlun- u. a., 2020; Umwelt-Campus Birkenfeld, 2020). Diese gen ausgesprochen, Innenräume regelmäßig zu lüften. können kreativ gestaltet werden und beispielsweise als Dabei wird häufig auch auf die Verwendung von CO2- Ampel, mit Warnton oder über eine Text-Benachrichti- Messgeräten verwiesen, um schlechte Luftqualität gung Auskunft über die Luftqualität geben. Dabei ler- frühzeitig zu erkennen. In diesem Beitrag wird die Ent- nen die Schülerinnen und Schüler grundlegende As- wicklung und Erprobung einer Unterrichtseinheit für pekte des Entwurfs eingebetteter Systeme in einem die Sekundarstufe I beschrieben, in der Schülerinnen fachübergreifenden Kontext kennen und beschäftigen und Schüler im Rahmen eines Physical-Computing- sich mit verschiedenen Aspekten des Entwurfspro- Projekts CO2-Messgeräte für ihr Klassenzimmer ent- zesses sowie der Implementierung. wickeln und dabei Informatikkompetenzen aus den Be- reichen Programmierung und Eingebettete Systeme er- werben. Didaktische Ziele An der Pädagogischen Hochschule Schwyz wurde in Der Kontext Kooperation mit der Projektschule Sek eins Höfe im Spätsommer 2020 ein Unterrichtsprojekt entworfen, in Gut belüftete Innenräume sind wichtig für das Wohl- dem solche Messgeräte für das Schulhaus entwickelt, befinden und die Gesundheit. Dies ist keine neue Er- programmiert und gestaltet werden sollten. Im Herbst kenntnis – der Einfluss der Raumluft auf die Übertra- konnte das Projekt dann im Unterricht mit Schülerinnen gung von Krankheiten rückt jedoch derzeit in Zusam- und Schülern einer siebten Klasse im Schulfach Medien menhang mit der SARS-CoV-2-Epidemie verstärkt in und Informatik erprobt und aufgrund dieser Erfahrun- den Fokus. Schlechte Luftqualität, zum Beispiel nach- gen überarbeitet werden. Mit dieser Unterrichtseinheit weisbar über einen hohen Kohlendioxidgehalt, führt sind die folgenden didaktischen Ziele verbunden: häufig zu Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrati- onsschwächen und kann darüber hinaus aufgrund der 䉯 Einfluss nehmen mit Informatik: in der Atemluft enthaltenen Aerosole (winzige Flüssig- Durch die Entwicklung des CO2-Messgeräts wird bei keitspartikel), die wiederum Träger für infektiöse Viren den Schülerinnen und Schülern das Bewusstsein ge- sein können, zur Infektion mit dem Corona-Virus oder schaffen, einen Beitrag zum Infektionsschutz leisten anderen Krankheiten führen (vgl. RKI, 2021, Abschnitt zu können. Damit wird das Selbstwirksamkeitsemp- ,,2. Übertragungswege“). Experten des deutschen Um- finden in Bezug auf ihre Informatikkompetenzen ge- weltbundesamts raten daher, Innenräume regelmäßig stärkt. zu lüften, insbesondere wenn sich viele Personen darin 䉯 Informatikkonzepte: befinden. Es wird empfohlen, CO2-Sensoren zur ra- Es werden grundlegende Konzepte der Programmie- schen Erkennung der Lüftungsnotwendigkeit einzuset- rung erlernt bzw. vertieft, wie Schleifen, Fallunter- zen (vgl. UBA, 2020). Entsprechende Messgeräte sind scheidungen, Vergleiche von Mess- und Schwellwer- momentan nicht immer leicht zu bekommen und au- ten. Bei der Verarbeitung von Sensorwerten und der ßerdem recht teuer, daher entstand an verschiedenen Ansteuerung von Aktoren wird außerdem zwischen Orten die Idee, mit einfachen Mitteln entsprechende analogen und digitalen Daten sowie Ein- und Ausga- Testgeräte von den Schülerinnen und Schülern selbst ben und Verarbeitungselementen unterschieden. LOG IN Heft Nr. 195/196 (2021) 90
PRAXIS & METHODIK 䉯 Fächerübergreifende Aspekte: 䉯 analoge und digitale Daten charakterisieren. Für die Programmierung ihrer Messgeräte machen 䉯 Sensoren und Aktoren an die korrekten Ein- und sich die Schülerinnen und Schüler mit den Grenz- Ausgänge (analog, digital) anschließen. werten guter bzw. schlechter Raumluft vertraut. An 䉯 ein Messgerät kalibrieren. dieser Stelle können leicht Bezüge zu anderen Un- 䉯 einfache Programme zum Auslesen von Sensoren terrichtsfächern hergestellt werden (vgl. Umwelt- (z. B. Helligkeit, Temperatur, Gaskonzentration) und Campus Birkenfeld, 2020): z. B. Physik (Sinkge- Ansteuern von Aktoren (z. B. LED, Display) ent- schwindigkeit und Reichweite von Tröpfchen), Biolo- wickeln, die z. B. Schleifen, Fallunterscheidungen und gie (Virusgröße, Bestandteile eines Virus, Einfluss Vergleiche von Mess- und Schwellwerten beinhalten. von CO2-Gehalt der Luft auf Hirnaktivitäten) oder Chemie (Aufbau und Funktion eines CO2-Sensors). Erweiterungen und Vertiefungen inhaltlicher Art Aber auch gestalterische Fächer wie Kunst oder sind in vielen Dimensionen denkbar. In der hier vorge- Technisches und Textiles Gestalten können einbezo- stellten Unterrichtsreihe werden viele Aspekte des gen werden, indem mit dort erlernten Techniken bei- Entwurfs eingebetteter Systeme implizit behandelt, die spielsweise die Gehäuse für die Geräte hergestellt aber auch explizit thematisiert werden könnten. Dies werden. Wer Zugang zu 3-D-Druckern, Lasercuttern bietet sich vor allem an, wenn die Schülerinnen und oder auch einer Holzwerkstatt hat, kann dieses Pro- Schüler bereits ausreichende Vorkenntnisse in der Pro- jekt ebenfalls gut nutzen. grammierung haben, sodass andere Inhalte in den Vor- dergrund rücken können. Architektur eingebetteter Systeme Vorkenntnisse Typischerweise enthalten eingebettete Systeme einen Prozessor (z. B. Mikroprozessor oder Mikrocontroller und Unterrichtsinhalte mit zusätzlicher Peripherie) und je nach konkreter An- wendung optional zusätzliche Prozessor(en) oder an- Aus informatischer Perspektive steht die Gestaltung wendungsspezifische integrierte Schaltungen (ASIC) eines einfachen eingebetteten Systems im Vordergrund. zur Erhöhung der Rechenleistung. Im Physical Com- Dabei können je nach Zielgruppe unterschiedliche puting werden oft Prototyping-Boards mit Mikrocon- Aspekte betont werden. In diesem Beitrag bewegen trollern verwendet, die zusätzliche Peripheriegeräte wir uns auf grundlegendem Niveau und setzen nur mi- enthalten, um die Kommunikation mit dem Controller nimale Vorkenntnisse voraus. Es ist hilfreich, wenn die und dessen Programmierung zu erleichtern und einen Lernenden bereits mit blockbasierter Programmierung einfachen Zugang zu den Ein-/Ausgabepins zu ermögli- (z. B. SCRATCH) vertraut sind. In dieser Unterrichtsrei- chen. Zusätzlich zu den Benutzungsschnittstellen gibt he werden algorithmische Grundstrukturen und Varia- es Schnittstellen zu Sensoren, die Veränderungen in blen nicht mehr explizit eingeführt, sondern nur bei der Umgebung erfassen, z. B. Geräuschpegel, Bewe- Bedarf in Erinnerung gerufen. gung oder Temperatur und Aktoren wie Leuchten, Ser- Stattdessen wird der Fokus auf das Thema Physical vomotoren oder Lautsprecher, die zur ständigen Inter- Computing gelegt, das am Beispielprojekt der CO2- aktion mit der Umgebung des Systems genutzt werden Messgeräte vertieft wird. Beim Physical Computing (vgl. Bringmann u. a., 32018, S. 4 ff.). geht es darum, auf kreative Weise interaktive, physi- Im hier vorgestellten Projekt wird als ,,Kernstück“ sche Objekte zu gestalten und entwickeln, die über ein Prototyping-Board (Arduino Uno) mit einem Luft- Sensoren und Aktoren mit ihrer Umwelt interagieren qualitätssensor MQ135 zur Erfassung der Gaskonzen- (vgl. Przybylla, 2018). In der Unterrichtsreihe lernen tration in der Luft und verschiedenen Aktoren (z. B. die Schülerinnen und Schüler, wie man mit Sensorik RGB-LED, LCD, Summer) zur Ausgabe der Messwerte Umweltdaten erfassen und auf einem Mikrocontroller und entsprechender Warnungen verwendet. verarbeiten kann, um mithilfe von Aktoren verschiede- ne Ausgabemöglichkeiten zu nutzen. Dabei schlüpfen sie in die Rollen von Erfindern und Entwicklern, bear- Datenerfassung beiten Rechercheaufgaben und führen Untersuchun- gen im Schulhaus durch, bevor sie schließlich ihre Ge- Bezüglich der Datenerfassung unterscheidet man im räte bauen, programmieren und gestalten. Allgemeinen zwischen zeitkontinuierlichen Systemen, Konkret werden die folgenden Lern- und Kompe- die Signale kontinuierlich verarbeiten, und diskreten tenzziele verfolgt: Die Schülerinnen und Schüler kön- Systemen, die ereignis- oder zeitgesteuert sind und dis- nen … krete Signale verarbeiten, die möglicherweise durch Abtastung aus zeitkontinuierlichen Signalen gewonnen 䉯 Fachbegriffe korrekt verwenden, z. B. Sensor, Aktor, wurden (vgl. Lee/Seshia, 22017, S. 44 f.). analog, digital, Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe, Kali- Im hier vorgestellten Projekt werden die Sensorda- brierung, Messwert, Referenzwert. ten zeitgesteuert erfasst, dabei bestimmen die Schüle- 䉯 die Bestandteile eines digitalen Systems den Katego- rinnen und Schüler, wie zeitnah zur Überschreitung der rien Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe zuordnen. Grenzwerte gehandelt werden muss (siehe auch nach- 䉯 Beispiele für Sensoren und Aktoren nennen. folgendes Thema ,,Echtzeitanforderungen“). Es wer- LOG IN Heft Nr. 195/196 (2021) 91
PRAXIS & METHODIK Bild 1: Prototyping-Plattform Arduino Uno mit Seeed Studio Grove. den diskrete Werte erfasst, da der Sensor zwar über chemische Reaktionen sei- nen Widerstand ändert und somit ein analoges Signal liefern könnte, aber durch die Analog-Digital-Wand- lung nur eine diskrete Men- ge an Werten erfassbar ist (Auflösung 10 Bit, also 1024 Herausforderungen und Entwurfsmetriken Werte). Der Entwurf von eingebetteten Systemen bringt eini- ge technische Herausforderungen mit sich, die immer Echtzeitanforderungen wieder auftreten und aus denen sich typische Methoden und Konzepte zur Problemlösung ableiten lassen. Dazu Abhängig von ihrem jeweiligen Zweck müssen ein- gehören Verlässlichkeit und Verfügbarkeit der Systeme, gebettete Systeme strenge Anforderungen erfüllen, z. B. Nebenläufigkeit realweltlicher Prozesse, die in einer se- Echtzeitanforderungen, um korrekte Ergebnisse in ei- quenziellen Semantik abgebildet werden müssen oder ner vorgegebenen (meist sehr kurzen) Zeit zu liefern, auch die Heterogenität eingebetteter Systeme, die die mit Sicherheit vorhersagbar ist (vgl. Vahid/Givargis, schwieriger zu analysieren und zu entwerfen sind als 2002, S. 69 ff.). Dies ist insbesondere in sicherheitskriti- homogene Systeme, da sie dynamische, physikalische schen Bereichen relevant, z. B. bei automatisch betrie- Prozesse beinhalten, die nie vollständig vorhersehbar benen Zugsystemen oder in der computergestützten sind (vgl. Lee/Seshia, 22017, S. 15). Zusätzlich gibt es bei Chirurgie. Bei Echtzeitsystemen wird zwischen harter der Entwicklung eingebetteter Systeme sogenannte und weicher Echtzeit unterschieden, d. h. ob ein Über- Entwurfsmetriken zu berücksichtigen, z. B. Entwick- schreiten des Zeitlimits als Systemfehler angesehen lungs- und Produktionskosten, Größe, Leistung, Ener- wird oder bis zu einem gewissen Grad tolerierbar ist gie oder Flexibilität. Diese Metriken stehen in Konkur- (vgl. Lee/Seshia, 22017, S. 327). Während im ersten Fall renz zueinander (vgl. Vahid/Givargis, 2002; Bringmann ein Fehler katastrophale Folgen haben kann (z. B. das u. a., 32018). So führt eine höhere Leistung oft zu einem Ende von Menschenleben), beeinträchtigt er im zwei- höheren Stromverbrauch und damit zu einer geringe- ten Fall nur die Qualität des Systems (z. B. kurze Unter- ren Energieeffizienz. Systeme, die sehr wenig Strom brechungen eines Videostreams). In der Literatur wird verbrauchen, können möglicherweise die Echtzeitan- manchmal noch eine dritte Kategorie von moderaten forderungen nicht erfüllen usw. Entwickler müssen also Echtzeitanforderungen beschrieben: Wenn die Frist Argumente, z. B. für und gegen schnell berechnete, aber nicht eingehalten wird, führt dies zwar nicht zu einem ungenaue und langsamer berechnete, aber genaue Er- unmittelbaren Schaden, aber die Ergebnisse der Be- gebnisse, sorgfältig abwägen und entsprechende Ent- rechnung sind unbrauchbar (vgl. Wörn/Brinkschulte, scheidungen treffen (Trade-Offs – vgl. Wolf, 2009, S. 89). 2005, S. 321 f.). Die Laufzeit kann also kritisch werden Beim Entwurf der CO2-Messgeräte soll beispielsweise und die Funktion eines Systems beeinflussen, nicht nur beachtet werden, dass das entworfene System in jedem die Leistung oder die Benutzungsfreundlichkeit (vgl. beabsichtigten Fall und zu jeder Zeit das gewünschte Er- Lee/Seshia, 22017, S. xii). gebnis liefert, also morgens zu Schulbeginn im Klassen- In typischen Physical-Computing-Projekten werden zimmer genauso, wie nachmittags in der Turnhalle, egal harte Echtzeitanforderungen nur selten gestellt; auch ob Sommer oder Winter, hell oder dunkel usw. Parallel im hier vorgestellten Projekt sind die Anforderungen stattfindende Prozesse sollen nicht zu völligem Stillstand eher weich, da leichte Verzögerungen tolerabel sind (Deadlocks) führen, und die Antwortzeit des Systems auf und nicht sofort zu körperlichen Schäden der Personen Nutzereingaben soll möglichst gering sein. Die Schülerin- im Raum führen. Anders wäre es beispielsweise bei ei- nen und Schüler können in diesem Zusammenhang nem Rauchmelder, da eine entsprechende Rauchkon- Überlegungen darüber anstellen, wie viel Antwortzeit- zentration binnen weniger Atemzüge tödlich sein kann. verzögerung noch akzeptabel ist, ab wann es als störend Mit den Schülerinnen und Schülern kann diskutiert wahrgenommen wird und wie man das Problem algorith- werden, wie oft Sensorwerte erfasst werden sollen und misch lösen kann. Es ist beim Entwurf der Geräte auch welche Auswirkungen dies beispielsweise auf die Ak- nicht zu hundert Prozent klar, in welchen Umgebungsbe- kulaufzeit der Geräte hat, ob sich dann die Nutzung ei- dingungen sie letztlich eingesetzt werden. Beispielsweise nes Netzteils anbietet, was bei Stromausfall passiert könnten gewisse Parameter, wie Temperatur und Luft- usw. (siehe auch folgendes Thema ,,Herausforderungen feuchtigkeit, mit weiteren Sensoren erfasst und einbezo- und Entwurfsmetriken“). gen werden, andere werden bewusst vernachlässigt (bei- LOG IN Heft Nr. 195/196 (2021) 92
PRAXIS & METHODIK Aus dem Datenblatt des Sensors lässt sich die folgende Bild 2: Programmierumgebung Snap4Arduino. Potenzfunktion ableiten: KonzentrationCO2 = a × (RS/R0)b a und b sind hierbei empirisch ermittelte Parameter, spielsweise anders zusammengesetzte Atemluft in einem die für die Messung des CO2-Gehalts mit Chemieraum). Auch bezüglich der Entwurfsmetriken a = 116.6020682 und können die Schülerinnen und Schüler bewusste Ent- b = 2.769034857 scheidungen treffen: In unserem Projekt haben wir zum Beispiel aus Kostengründen einen Luftqualitätssensor angegeben werden. RS ist der veränderliche Sensorwi- genutzt, statt einen deutlich teureren CO2-Sensor, was derstand, über den die Gaskonzentration in der Luft aber die Genauigkeit der Messung negativ beeinflusst – bestimmt wird. R0 ist der Referenzwiderstand, der für dies wird bewusst und begründet in Kauf genommen. die Kalibrierung auf einen bestimmten Wert verwendet wird. Eine genauere Erklärung zur Ermittlung dieser Werte findet sich beispielsweise im Blog von Davide Gironi (vgl. Gironi, 2014). Experimentell konnten diese Werte als gut passend und für eine Schätzung des CO2- Gehalts als ausreichend genau bestätigt werden. Technische Vorbereitungen Als Prototyping-Board nutzen wir den Arduino Uno. Für die Ausgabeseite unseres Beispielprototyps verwen- und Unterrichtswerkzeuge den wir eine Flüssigkristallanzeige (LCD) mit RGB-Hin- tergrundbeleuchtung. Dies kann (und soll) natürlich im Verwendete Hardware zur Sensordatenerfassung Unterricht durch die Schülerinnen und Schüler beliebig variiert werden. Generell ist es für den Informatikunter- Für die Projektdurchführung haben wir uns aus prag- richt aufgrund der dabei entstehenden Fehlerquellen und matischen Gründen für die Verwendung eines Luftquali- zusätzlichen Schwierigkeiten im Allgemeinen nicht emp- tätssensors MQ135 entschieden. Dieser misst zwar nicht fehlenswert, Sensoren und Aktoren mittels Litzen und ausschließlich den CO2-Gehalt der Luft, sondern gibt Lochrasterplatinen selbst zu verdrahten. Stattdessen nut- Auskunft über die Konzentration verschiedener Gase in zen wir im Projekt Prototyping-Kits mit vorgefertigter der Atemluft und könnte somit zur Detektion von Gas- Sensorik und Aktorik, bei der herkömmliche Steckver- lecks oder Rauch genutzt werden, dafür ist er aber deut- binder zum Einsatz kommen, sodass keine über die Un- lich günstiger in der Anschaffung als reine CO2-Senso- terscheidung von digital oder analog angesteuerten ren. Geht man davon aus, dass in Klassenzimmern die Komponenten hinausgehenden Kenntnisse der Elektro- Konzentration anderer Giftgase gleich gering bleibt, nik erforderlich sind. Um eine große Vielfalt an Sensoren kann man zudem den CO2-Gehalt rechnerisch ermitteln. und Aktoren anbieten zu können, wird im hier vorge- CO2-Messgeräte geben üblicherweise den Anteil an stellten Setting die weit verbreitete und vielseitige Platt- CO2 in der Atemluft in ppm (= parts per million) an. form Seeed Studio Grove verwendet (siehe Bild 1, vorige Der hier verwendete Sensor liefert jedoch nicht diesen Seite). Wert, sondern besitzt je nach Gasteilchendichte der Luft einen anderen Widerstand, der beispielsweise mit einem Mikrocontroller ausgelesen werden kann. Zur Verwendete Programmierumgebung: Snap4Arduino Ermittlung der für dieses Projekt interessanten CO2- Konzentration ist es nötig, den ausgelesenen Sensor- Die hier beschriebene Unterrichtsreihe richtet sich wert des Luftqualitätssensors MQ135 umzurechnen. an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I (ab LOG IN Heft Nr. 195/196 (2021) 93
PRAXIS & METHODIK der siebten Klasse), und es werden nur geringfügige Programmierkenntnisse vorausgesetzt. Dementspre- chend sollte die verwendete Programmierumgebung möglichst intuitiv erfassbar sein und an potenzielle Vorkenntnisse aus der Primarstufe anknüpfen. Daher fiel der Entscheid auf Snap4Arduino, eine blockbasier- te Programmierumgebung, die sich einfach mit zusätzli- chen Blockbibliotheken erweitern lässt, um die ge- wünschten Sensoren und Aktoren verwenden zu kön- nen (siehe Bild 2, vorige Seite). Zur didaktischen Reduktion haben wir uns für diese Zielgruppe entschieden, die Blöcke sowohl zur Kali- brierung als auch zur Messung bereits zur Verfügung zu stellen und nicht durch die Schülerinnen und Schüler selbst implementieren zu lassen, da die Hintergründe der Berechnungen kognitiv sehr anspruchsvoll sind (siehe Bild 3). Für höhere Altersstufen wäre es aber durchaus denkbar, diesen Teil im Unterricht zu erarbeiten. Auch hier bietet es sich wieder an, fächerverbindend zu den- Bild 3: Aufbau (oben) und Verwendung (unten) des ken. Kalibrierungsblocks in Snap4Arduino. Ein Nachteil der Verwendung von Snap4Arduino ist, dass die Kommunikation mit dem Mikrocontroller via USB realisiert wird. Das hat zur Folge, dass das ent- wickelte Gerät permanent per USB mit dem Computer verbunden bleiben muss, auf dem es programmiert wird. Möchte man dies vermeiden, muss man auf eine andere Programmierumgebung ausweichen. Notwendige Vorbereitungen Um die beschriebene Hardware und Program- mierumgebung in Kombination nutzen zu können, sind Beispielprototyp – einige Vorbereitungen nötig. Zunächst muss der Ar- duino mit einer angepassten Firmata-Version bespielt Aufbau und Programm werden, die die Steuerung des Mikrocontrollers über USB basierend auf serieller Kommunikation über- Der Beispielprototyp (siehe Bild 4, nächste Seite) ist nimmt. Für Arduinos gibt es eine Standardimplemen- sehr minimalistisch gehalten: Wir verwenden Arduino tierung des Kommunikationsprotokolls Firmata. Diese Uno, ein Grove-Shield, ein Grove RGB-Backlight- mit der Arduino-IDE gelieferte Standard-Firmata ge- LCD (angeschlossen an I2C) und den MQ135-Luftqua- nügt zwar, um die Standardbefehle in Snap4Arduino litätssensor (angeschlossen an A0). Für den Sensor zu nutzen, jedoch sind für einige der verwendeten muss im Vorfeld ein Grove-Anschlusskabel beschafft Sensoren und Aktoren Zusatzbibliotheken nötig, die oder hergestellt werden. in die angepasste Firmata-Version eingebunden wer- Das Programm besteht aus zwei Teilen: der Kalibrie- den und die Ansteuerung mit speziellen Blöcken sei- rung und der dauerhaften Überwachung der Luftquali- tens Snap4Arduino ermöglichen. Der Upload erfolgt tät. Für die Kalibrierung muss zunächst der Referenz- über die Arduino-IDE. Es reicht prinzipiell, wenn die wert in ppm angegeben werden, auf den das Gerät kali- Lehrperson diese auf ihrem Rechner installiert und briert werden soll. Diesen kann man entweder mit ei- alle Boards einmal bespielt. Die bespielten Boards nem bereits kalibrierten Gerät bestimmen, das man di- werden dann per USB mit den Schülercomputern ver- rekt neben den Sensor stellt, oder aber an frischer Luft, bunden. indem man beispielsweise den auf der Webseite Anschließend muss die Blockbibliothek mit den Er- https://www.co2.earth/ weiterungen zur Ansteuerung der verwendeten Senso- ren und Aktoren in die Programmierumgebung Snap4- angegebenen Wert als gültig für den eigenen Standort Arduino importiert werden. Dies kann einfach per annimmt. Ist der Referenzwert bestimmt und eingetra- Drag-and-drop der XML-Datei auf den Bühnenbereich gen, wird die Taste ,,c“ (calibrate) gedrückt, an- oder aber über das Menü erfolgen. schließend sollte man die Kalibrierung laufen lassen, Alle benötigten Dateien sowie dazugehörige detail- bis sich die Werte stabilisieren, und danach mit der lierte, bebilderte Anleitungen werden am Ende des Leertaste den Kalibrierwert abspeichern. Grundsätz- Beitrags auf der unter ,,Material“ angegebenen Web- lich ist zu beachten, dass die Sensoren sich erst ein- seite zum kostenfreien Herunterladen zur Verfügung brennen müssen und laut Herstellerangaben zunächst gestellt. 24 bis 48 Stunden dauerhaft laufen sollten. Unsere Er- LOG IN Heft Nr. 195/196 (2021) 94
PRAXIS & METHODIK fahrungen zeigen, dass die Sensoren aber auch nach ca. Das Programm zur Messung wird in unserem Bei- 10 bis 15 Minuten Laufzeit bereits stabile Werte liefern. spiel dann mit der Taste ,,r“ (run) gestartet und läuft Es schadet jedoch nicht, nach längerer Laufzeit einen fortan kontinuierlich. In einer Dauerschleife wird die erneuten Kalibrierungsdurchgang zu starten. aktuelle CO2-Konzentration der Umgebungsluft be- Bild 4: Aufbau und Programm des Beispiel-Prototyps (ohne Gehäuse; links grün ,,Alles super!“, rechts rot ,,Schnell den Raum verlassen!“). LOG IN Heft Nr. 195/196 (2021) 95
PRAXIS & METHODIK stimmt. Um Ausreißern in der Messung entgegenzuwir- oder in einem Tutorial vorgestellt, benötigte Program- ken, wird dabei der Durchschnittswert aus 100 Messun- me werden installiert, konfiguriert und ausprobiert. gen herangezogen. Dieser Wert wird auf der Bühne in Die Ziele dieser ersten Lektion bestehen darin, den der Programmierumgebung ausgegeben und anschlie- Lernenden einen Einblick in das Themenfeld Physical ßend ausgewertet. Je nach CO2-Konzentration erfolgt Computing zu geben und sie die nötigen technischen dann eine Ausgabe auf der Bühne und dem Display. Vorbereitungen für das Stationenlernen und die an- Das Display zeigt zudem mit seiner Hintergrundfarbe schließende Projektarbeit treffen zu lassen. an, wie gut die Luft zu interpretieren ist (von gut nach In der sich anschließenden Stationenarbeit findet schlecht: grün, gelb, orange, rot). Nach fünf Sekunden dann eine detaillierte Einführung in Physical Compu- Pause springt das Programm an den Beginn der Schlei- ting, die genutzten Werkzeuge und Bauteiltypen sowie fe zurück, und die nächste Messung wird durchgeführt. die entsprechenden Programmelemente statt. Unter- stützt durch eine Folienpräsentation wird der Ablauf erklärt. Die Lernenden arbeiten zu zweit an den ver- schiedenen Stationen, die Lehrkraft unterstützt, wenn nötig. Jede Schülerin und jeder Schüler erhält einen ei- genen Laufzettel zum Abarbeiten der Stationen, auf Aufbau der Unterrichtsreihe dem die Ergebnisse der Stationenarbeit in Stichpunk- ten festgehalten und der eigene Lernfortschritt einge- Die Unterrichtsreihe gliedert sich in drei Phasen: schätzt werden. Nach jeder bearbeiteten Station be- Zunächst werden in den ersten Lektionen die allgemei- richten die Schülerinnen und Schüler der Lehrperson nen Grundlagen im Bereich Physical Computing ge- und führen ggf. Programmelemente vor. Wenn alles zu- schaffen. Anschließend setzen sich die Schülerinnen friedenstellend erledigt wurde, wird die Station auch und Schüler vertiefend mit der Messung der CO2-Kon- von der Lehrperson als abgeschlossen gegengezeichnet. zentration in der Luft sowie den technischen Aspekten Je nach Vorkenntnissen sollten hierfür mindestens ein der Entwicklung eigener CO2-Messgeräte auseinander. bis zwei Doppellektionen eingeplant werden. Dies mündet dann in Projektarbeit, in der diese Geräte durch die Lernenden erstellt, programmiert und gestal- tet werden. Zweite Phase: Bestimmung der Luftqualität, Im konkreten Szenario wurde die Unterrichtseinheit technische Eigenschaften von CO2-Messgeräten in neun Lektionen à 45 Minuten durchgeführt, wobei es sich jedoch empfiehlt, etwas mehr Zeit einzuplanen In der zweiten Phase der Unterrichtsreihe setzen und – wenn möglich – in Doppellektionen zu unterrich- sich die Lernenden vertiefend mit der Messung der ten (oder bereits gefestigtere Grundkenntnisse der CO2-Konzentration in der Luft sowie den technischen Programmierung sowie im Umgang mit dem Computer Aspekten der Entwicklung eigener CO2-Messgeräte vorauszusetzen). auseinander. Hierzu recherchieren sie angeleitet durch ein Arbeitsblatt zunächst anhand von Leitfragen zu Die Lektionen im Überblick: verschiedenen Aspekten der Messung von Luftqualität: 䉯 Lektion 1: Einführung, erster Einblick in Hard- ware und Software (Demo/Tutorial). 䉯 Inwiefern kann die CO2-Konzentration der Luft et- 䉯 Lektion 2 und 3: Stationenarbeit. was über die Luftqualität aussagen? 䉯 Lektion 4 und 5: CO2-Messungen, Recherchearbeit, 䉯 Welche Faktoren beeinflussen die CO2-Konzentrati- Kalibrierung von Geräten. on in Innenräumen besonders stark? 䉯 Lektion 6 und 7: Projektarbeit. 䉯 Welche Auswirkungen kann schlechte Luftqualität 䉯 Lektion 8 und 9: Fertigstellung der Projekte auf Menschen haben? (finales Kalibrieren, Testen, 䉯 Wofür steht die Maßeinheit ,,ppm“ und was bedeutet ggf. Korrigieren letzter Fehler), dieser Wert? Abschlusspräsentationen. 䉯 Welche CO2-Werte (ca.) misst man üblicherweise an frischer Waldluft, in Städten, in Innenräumen? 䉯 Was sind ,,gute“, ,,akzeptable“ und ,,schlechte“ Werte Erste Phase: Einführung in Physical Computing und wann sollte man unbedingt Maßnahmen ergrei- fen? Die Gestaltung der ersten Unterrichtsphase erfolgt mit Materialien, die für den Berliner Zusatzkurs Digi- Zusätzlich zu diesen Leitfragen bietet sich an, je tale Welten entwickelt wurden (siehe Abschnitte ,,Mate- nach Zielgruppe bestimmte Webseiten als Anlaufstel- rialien“ und ,,Weiterführende Internetquellen“). Den len anzugeben oder eventuell auch Material gezielt Schülerinnen und Schülern wird zunächst kurz das The- auszuarbeiten. mengebiet vorgestellt. Sie erhalten anhand realweltli- Parallel zu dieser Recherchearbeit erhalten die Ler- cher Beispiele eine kurze Einführung in eingebettete nenden den Auftrag, mit professionellen CO2-Messge- Systeme, Mikrocontrollerprogrammierung und Physi- räten ausgestattet die Luftqualität an verschiedenen cal Computing, und es werden Fotos von beispielhaften Orten in der Schule zu überprüfen. Dabei sollen sie – Schülerprojekten zum Abstecken des Rahmens der je nach Anzahl verfügbarer Messgeräte in der Schule – Möglichkeiten gezeigt. Die Hardware und die Pro- in Gruppen den CO2-Gehalt der Luft an mindestens grammierumgebung werden mit einer kurzen Demo fünf verschiedenen Orten im Schulgebäude und auf LOG IN Heft Nr. 195/196 (2021) 96
PRAXIS & METHODIK repräsentativ für gute, mäßige oder schlechte Raumluft stehen. Während an frischer Waldluft etwa ein CO2- Gehalt von ca. 400 ppm zu erwarten ist, sind es in Städ- ten im Schnitt schon etwa 500 ppm. In Innenräumen werden Werte von 700 bis 800 ppm noch als gute Luft interpretiert; ab 1000 ppm wird die Luftqualität je nach Quelle bereits als grenzwertig erachtet, manche Publi- kationen sehen auch erst 1400 ppm oder 2000 ppm als kritisch an. In der Diskussion können die Schülerinnen und Schüler nun festlegen, welche Grenzwerte sie in ihren Projekten verwenden werden und begründen dies anhand fundierter Argumente. Im Anschluss daran beschäftigen sich die Lernenden dann mit der Kalibrierung der Messgeräte. Hierzu wird zunächst im Klassengespräch allgemein erarbeitet, wozu eine Kalibrierung nötig ist und wie diese funktio- nieren kann. Dann wird das entsprechende Programm für den verwendeten Luftqualitätssensor MQ135 ge- meinsam analysiert (siehe Bild 3, Seite 94). Dritte Phase: Projektarbeit Die Phase der eigentlichen Projektarbeit kann je nach Vorkenntnissen und verfügbarem Zeitrahmen un- terschiedlich frei gestaltet werden und, wie oben be- schrieben, auch unterschiedlich detailliert verschiedene Herausforderungen im Design eingebetteter Systeme aufgreifen. Es ist auch denkbar, das Projekt mit Ele- menten agiler Methoden zu unterstützen (vgl. Brichzin u. a., 2019) und somit insbesondere die Entwicklung von frühen Prototypen zu fördern, was den Ideen des Physical Computing entgegenkommt. Bild 5: Puzzleteile und rudimentäres Grundgerüst In der hier geschilderten Umsetzung wird insbeson- eines Programms für ein CO2-Messgerät. dere aufgrund der knapp bemessenen zeitlichen Res- sourcen ein Vorgehen gewählt, indem die Schülerinnen und Schüler angeleitet durch ein hilfestellunggebendes Video in Zweiergruppen ihre Programme für die eige- dem Schulhof bestimmen und dabei möglichst unter- nen CO2-Messgeräte erstellen. Dabei werden ihnen im schiedliche Bedingungen erfassen. Die Messergebnisse Sinne des Scaffoldings die Bestandteile eines rudimen- und mögliche Besonderheiten, die die Luftqualität be- tären Beispielprojekts erklärt (siehe Bild 5), d. h. der einflussen könnten (z. B. viele Personen im Raum, Lernprozess wird durch die Bereitstellung einer ersten Fenster geöffnet usw.), werden in einer übersichtlichen Orientierungsgrundlage in Form bestimmter Hilfestel- Tabelle dokumentiert und im Anschluss die Ergebnisse lungen unterstützt, und sobald die Lernenden fähig aller Gruppen zusammengeführt und unter Einbezug sind, eine bestimmte Teilaufgabe eigenständig zu bear- der Rechercheergebnisse interpretiert. beiten, entfernt man dieses ,,Gerüst“ schrittweise wie- Hieraus können dann auch Schlussfolgerungen für der. Die Aufgabe der Lernenden ist hier, das Beispiel- die Projektarbeit gezogen werden: Zunächst sollte den projekt zu durchdringen und mit ihren eigenen Ziel- Lernenden bewusst werden, dass regelmäßiges Lüften vorstellungen dann in ein funktionsfähiges Programm sinnvoll und wichtig ist, da schlechte Luftqualität bei- für ihr eigenes Gerät zu überführen, das neben dem spielsweise zu Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzen- Luftqualitätssensor mindestens zwei verschiedene Ak- trationsschwächen führen kann und aufgrund der in toren enthält und somit auf unterschiedliche Weise si- der Atemluft enthaltenen Aerosole Infektionen mit gnalisiert, wie die aktuelle Umgebungsluft zu beurtei- dem Corona-Virus oder anderen Krankheiten begüns- len ist und ob es bereits notwendig ist, den Raum zu tigt werden können. Aus den Messungen im Schulge- belüften. Nebst der Programmierung ist auch die Auf- bäude und der Recherche erkennen sie zudem, in wel- gabe der Schülerinnen und Schüler, für ihre Geräte ge- chen Bereichen es besonders wichtig ist, darauf zu ach- eignete Gehäuse zu basteln und zu gestalten (siehe ten und sich ggf. durch ein entsprechendes Gerät daran Bild 6, nächste Seite). erinnern zu lassen – beispielsweise in Räumen, in de- In der letzten Doppellektion erhalten die Schülerin- nen sich viele Personen befinden, die besonders klein nen und Schüler noch die Gelegenheit, ihren Projekten sind, in denen viel geschwitzt oder Deodorant benutzt den letzten Feinschliff zu geben und die Geräte ggf. er- wird. Über die Rechercheergebnisse und die Messun- neut zu kalibrieren. Als Abschluss der Unterrichtsreihe gen entwickeln sie ein Gefühl dafür, welche Messwerte präsentieren sie anschließend ihre Projekte, erklären LOG IN Heft Nr. 195/196 (2021) 97
PRAXIS & METHODIK Bild 6: Beispielprojekte der Schülerinnen und Schüler. Reflexion der Erfahrungen aus dem Unterricht besondere Eigenschaften und reflektieren die Projekt- arbeitsphase. In der Umsetzung ihrer Projekte zeigten sich die Schü- lerinnen und Schüler kreativ: Einige nutzten beispiels- weise rote und grüne LED-Lämpchen, um zu signalisie- Lernkontrollen ren, wann gelüftet werden soll, andere verwendeten LCDs auf denen der aktuelle Wert in ppm ausgegeben Zur Überprüfung des Lernstands bietet sich an ver- wurde, wieder andere setzten Summer ein, um auch aku- schiedenen Stellen an, formative Lernkontrollen durch- stisch zu warnen. Ebenfalls hat die Gestaltung der Ge- zuführen. In der konkreten Umsetzung haben wir zu häuse ihnen viel Freude bereitet, und von Joghurtbe- Beginn der vierten Lektion mit einem Online-Test mit chern über Popcorn-Schachteln bis hin zu Geschenkkar- Microsoft Forms überprüft, inwiefern die Schülerinnen tons wurden viele Dinge für diesen Zweck genutzt. und Schüler in der Lage waren, die bisher kennenge- Im Nachgang haben wir die Schülerinnen und Schüler lernten Fachbegriffe korrekt zu verwenden, die ver- in einer Online-Umfrage zu ihrer Wahrnehmung des Un- schiedenen Sensoren und Aktoren ihren Funktionen terrichts sowie bezüglich ihrer Selbsteinschätzung zum sowie der Eingabe und Ausgabe zuzuordnen, Unter- Kompetenzerwerb und Wissenszuwachs befragt. Insge- schiede zwischen analogen und digitalen Signalen zu er- samt zeigte sich ein positives Bild: Die Schülerinnen und fassen und entsprechende Bauteile zuzuordnen sowie Schüler hatten nicht nur den Eindruck, ihr konkretes einzelne Prozesse des Inputs, der Verarbeitung und des Programm durchdrungen zu haben, sondern sahen sich Outputs eines beispielhaften Messgeräts in die korrek- überwiegend auch in der Lage, andere Physical-Compu- te Reihenfolge zu bringen. Vor der sechsten Lektion ting-Projekte umzusetzen (genanntes Beispiel: Lichter- fand eine erneute formative Lernkontrolle zur Prüfung kette aus LEDs, deren Farben regelmäßig wechseln). Sie des aktuellen Wissens- und Kompetenzstands statt, hatten den Eindruck, viele wichtige Dinge gelernt zu ha- diesmal gestaltet als Quiz mit Kahoot! (einer kosten- ben und Programmierung und ,,Coden“ nun besser zu freien spielebasierte Lernplattform, die von der gleich- verstehen (Freitextantworten). Während die Einstiegs- namigen Firma betrieben wird) und insbesondere in lektionen von der überwiegenden Anzahl der Schülerin- Hinblick auf neu gelernte Konzepte und Fachbegriffe in nen und Schüler noch als leicht, teilweise sogar zu leicht Zusammenhang mit der Kalibrierung von Messwerten. empfunden wurden, wurden die späteren Lektionen 4 Zum Abschluss der Unterrichtsreihe wurden die und 5 (CO2-Messung, Recherche, Kalibrierung) bzw. 6 Lernenden in einer mündlichen Prüfung zur Umset- und 7 (Projektarbeit) als deutlich anspruchsvoller wahr- zung ihrer Projekte befragt und sollten dabei erklären, genommen. Die meisten Schülerinnen und Schüler fan- den sie machbar oder schwierig, vereinzelt wurden sie 䉯 welche Bauteile sie nutzten und warum. auch als ,,zu schwierig“ empfunden. Gleichzeitig waren 䉯 welche Funktion die einzelnen Befehle in ihren Pro- dies aber auch die Lektionen, die von ihnen als ,,am grammen haben. lehrreichsten“ wahrgenommen wurden. Die letzte Dop- 䉯 warum sie bestimmte Befehle verwenden und nicht pellektion zeigte dann wieder ein ausgewogenes Bild mit andere. Ausschlägen in beide Richtungen. 䉯 wie sie ihre Skripte ändern könnten, ohne die Ausga- Rückblickend und zusammenfassend betrachtet hat be zu verändern. die Unterrichtsreihe gut funktioniert, allerdings mit ei- 䉯 welcher Teil des Skripts für bestimmte Funktionalitä- nigen Einschränkungen: ten zuständig ist. 䉯 welche Rolle bestimmte Variablen im Skript spielen. 䉯 Wir hatten die Möglichkeit, den Unterricht in Dop- 䉯 was passieren würde, wenn bestimmte Dinge geän- pellektionen abzuhalten. Dies hat uns deutlich gehol- dert oder gelöscht würden. fen, denn andernfalls wäre durch das Zusammensu- chen der benötigten Bauteile am Stundebeginn und Diese mündliche Prüfung wurde für die Bewertung das Aufräumen am Ende viel Zeit verloren gegan- der Unterrichtsreihe genutzt. gen. Leider ist das nicht die gängige Praxis im Fach LOG IN Heft Nr. 195/196 (2021) 98
PRAXIS & METHODIK Medien und Informatik, weswegen man bei einer er- Materialien Alle verwendeten Unterrichtsmaterialien, Installationsanleitungen und benötigten Dateien so- neuten Durchführung im normalen Unterrichtsset- wie weiterführende Internetquellen zu den Programmierumgebungen stellen wir auf der Web- seite ting mindestens 12 Lektionen einplanen sollte. https://mia.phsz.ch/Informatikdidaktik/CO2Messung 䉯 Trotz der Doppellektionen vergingen die Unter- kostenfrei zur Verfügung. richtsstunden wie im Flug. Teilweise war unsere Pla- nung zu ambitionistisch, sodass einige Dinge nicht in der Tiefe besprochen werden konnten, wie wir es gerne gehabt hätten. Auch hier gilt: Man sollte mehr Literatur und Internetquellen Zeit einplanen oder aber die Unterrichtsschritte re- duzieren. Brichzin, P.; Kastl, P.; Romeike, R.: Agile Schule – Methoden für den 䉯 Einige Materialien waren für die Zielgruppe zu Projektunterricht in der Informatik und darüber hinaus. Bern: hep – der textlastig; es fiel auf, dass sie eher ausprobierten, als bildungsverlag, 2019. Anleitungen zu folgen, und dann Fragen auftauch- Bringmann, O.; Lange, W.; Bogdan, M.: Eingebettete Systeme – Entwurf, ten, die beim Lesen der Anleitung hätten geklärt Modellierung und Synthese. Reihe ,,De Gruyter Studium“. Berlin; werden können. Hier eignet sich vermutlich, knapper Boston: De Gruyter Oldenbourg, 32018. gehaltene Challenge Cards zu verwenden und – wo Burger, G.; Fix, R.; Gollmer, K.-U.: Der CO2-Warner für die Schule. In: möglich – Textpassagen zu ikonisieren. MAKE:, 7. Jg. (2020) ; Heft 5, S. 10–17. 䉯 Es passierte relativ häufig, dass die Schülerinnen und https://www.heise.de/select/make/2020/5/2022015381334973804 Schüler bestimmte Teile (Sensoren, Aktoren) plötz- lich nicht mehr finden konnten, was den Unterrichts- Gironi, D.: Cheap CO2 meter using the MQ135 sensor with AVR AT- ablauf natürlich stört. In allen Fällen tauchten die mega. 25. Januar 2014. https://t1p.de/83y1 Teile später wieder auf, meist bei denselben Perso- nen. Hier wäre es daher sinnvoll, sich künftig eine Lee, E. A.; Seshia, S. A.: Introduction to Embedded Systems – A Cyber- geschickte Methode zur Arbeitsplatzorganisation zu Physical Systems Approach. Cambridge (MA, USA): MIT Press, 22017. überlegen, beispielsweise indem man auf jedem Pult Przybylla, M.: From Embedded Systems to Physical Computing – Chal- eine Fächerbox bereitstellt. lenges of the “Digital World” in Secondary Computer Science Educati- 䉯 Es hat oft einiges an Zeit gekostet, den Schülerinnen on. Potsdam: Universität Potsdam, 2018 (Dissertation). und Schülern bei ganz grundlegenden Dingen zu hel- https://publishup.uni-potsdam.de/frontdoor/index/index/docId/41833 fen, die mit dem eigentlichen Unterricht nichts zu tun haben: Wo ist meine Datei geblieben? Wie geht RKI – Robert Koch Institut: Epidemiologischer Steckbrief zu SARS- CoV-2 und COVID-19. Berlin: Robert Koch Institut, 2021. Drag-and-drop? Wie kann ich das Dokument herun- https://t1p.de/uxax terladen? Neben einer besseren Organisation der Bereitstellung der Programme und Materialien (wir Stahmer, V.: CO2-Ampel – Erfahrungsbericht aus der Schule. Hannover: nutzten hierfür die Plattform MS Teams) wäre es heise online, 2020. https://t1p.de/ep62 vielleicht auch denkbar, ein solches Projekt erst durchzuführen, wenn die Schülerinnen und Schüler UBA – Umweltbundesamt: Das Risiko einer Übertragung von SARS- im Umgang mit ihren Computern bereits vertrauter CoV-2 in Innenräumen lässt sich durch geeignete Lüftungsmaßnahmen sind und man nicht mehr so viel Unterrichtszeit für reduzieren – Stellungnahme der Kommission Innenraumlufthygiene am solche Dinge benötigt. Umweltbundesamt. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt, 2020. https://t1p.de/wkz6 Im Fazit: Wir würden den Unterricht auf sehr ähnli- Umwelt-Campus Birkenfeld: COVID-19 Prävention – CO2-Messung che Weise jederzeit wieder durchführen, allerdings ver- und bedarfsorientierte Lüftung. Trier: Hochschule Trier, 2020. mutlich erst ein Schuljahr später, da wir vermuten, dass https://t1p.de/brb8 dann viele der angesprochenen kognitiven und organi- Vahid, F.; Givargis, T. D.: Embedded System Design – A Unified Hard- satorischen Hürden nicht mehr bestehen. ware/Software Introduction. New York: Wiley, 2002. Wörn, H.; Brinkschulte, U.: Echtzeitsysteme. Reihe ,,eXamen press“. Berlin; Heidelberg: Springer, 2005. Prof. Dr. Mareen Przybylla Pädagogische Hochschule Schwyz Wolf, W.: Cyber-physical systems. In: Computer, Vol. 42 (2009), No. 3, Zaystrasse 42 S. 88–89. 6410 Goldau Schweiz Weiterführende Internetquellen: E-Mail: mareen.przybylla@phsz.ch Datenblatt des verwendeten Sensors: HW Electronics – TECHNICAL DATA MQ-135 GASSENSOR. https://t1p.de/3d1p Stefan W. Huber Sek eins Höfe Physical-Computing-Material für das Schulfach ,,Digitale Welten“: Schulhaus Weid https://github.com/maprzybylla/DW-PhysiComp Weidstrasse 20 8808 Pfäffikon Schweiz Alle Internetquellen wurden zuletzt am 18. Februar 2021 geprüft und können auch aus dem Service-Bereich des LOG IN Verlags E-Mail: Stefan.Huber@sekeinshoefe.ch (https://www.log-in-verlag.de/) heruntergeladen werden. LOG IN Heft Nr. 195/196 (2021) 99
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