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Galleria Messe Frankfurt Magazin 4.2003 We make markets. Worldwide. Faszination China Im Osten geht die Sonne auf Der neue Messe-Verbund International Frankfurt Beauty Week 15 Jahre Tigerpalast Ein Chinese auf dem Schlappseil
Vier Stunden Schlaf. Chef geduzt. Rückflug fast verpasst. Aber der beste Kongress seit Jahren. Tagen im Zentrum Europas Congress Center Messe Frankfurt, Messe Frankfurt GmbH, Postfach 15 02 10, D - 60062 Frankfurt am Main Fon +49 69 75 75 - 30 00, Fax +49 69 75 75 - 30 01, congresscenter@messefrankfurt.com, www.congresscenter.de
Galleria 4.2003 Editorial 03 Faszination China Liebe Leserinnen und Leser, Nichts symbolisiert die ra- sante Aufholjagd Chinas so anschau- zehn Jahre ist es her, dass sich die lich wie die Hochhaus-Projekte, die Messe Frankfurt in China zu engagie- in Shanghai im Wochenrhythmus ren begann. Wir starteten aus kleins- bezugsfertig werden und den Bran- ten Anfängen mit einer Vertretung chen der Gebäude- und Energie- durch das China Council for Promo- technik das dortige Marktpotenzial tion of International Trade (CCPIT) in vor Augen führen. Natürlich ist nicht Peking. Daraus haben sich inzwi- alles Gold, was glänzt. Den Boom- schen zwei Tochtergesellschaften regionen Chinas stehen Armenhäu- mit chinesischem Mitarbeiterstab ser gigantischen Ausmaßes gegen- entwickelt, die von Hongkong und über. Aber die Entwicklung kennt seit Shanghai aus Messen nach Frank- Jahren durch alle Krisen hindurch furter Standards in China organisie- nur eine Richtung: aufwärts. ren. Im Juni dieses Jahres ist eine Niederlassung in Peking hinzuge- Im kommenden Jahr organi- kommen, die insbesondere wirt- sieren wir die Interstoff Asia Spring, schaftspolitische Kontakte in der die Intertextile Beijing, die Douguan chinesischen Hauptstadt pflegt. Spring Fair, die Cinte Techtextil und die Auto South China. Mit der Teil- weise der „Chinese Pop“ mit seinen Uns ist es gemeinsam mit den nahme an diesen Veranstaltungen knallbunten Farben und plakativen beteiligten Ausstellern gelungen, im machen Sie sich auch ein Stück Motiven nicht zu übersehen. Sich mit chinesischen Markt das Marketing- unabhängiger von der konjunktu- China, seiner Wirtschaft und Kultur instrument Messe als Medium für rellen Entwicklung in Europa. vertraut zu machen ist so wichtig Absatz wie Beschaffung zu veran- wie der Blick nach Amerika. kern und in kürzester Zeit für unsere Die Galleria stellt China in den Brands und deren Branchen bedeu- Mittelpunkt. Der langjährige deut- Bleibt mir noch, Sie zum tende Handelsplätze zu installieren. sche Botschafter in Peking, Dr. Kon- Jahresausklang zu unserem traditio- Mit dazu beigetragen haben unsere rad Seitz, fragt nach Chancen und nellen Orgelkonzert einzuladen. Es regelmäßigen China-Tage am Stand- Risiken. Seitz’ Buch „China – eine findet am 7. Dezember um 18 Uhr in ort Frankfurt, die dem Erfahrungs- Weltmacht kehrt zurück“ gehört in- der St. Bonifatius-Kirche, Holbein- austausch der ausstellenden Unter- zwischen zur Pflichtlektüre des Ma- straße 70 in 60596 Frankfurt am nehmen beim Markteintritt dienten. nagements. Das immer noch schwie- Main statt. Prof. Edgar Krapp an der Für die Automobilindustrie, die Tex- rige Thema des Schutzes von geisti- Orgel und das Bach-Trompetenen- tilindustrie bis hin zur Musikbranche, gem Eigentum wird in diesem Heft semble München unter der Leitung der Konsumgüterindustrie oder ebenso behandelt wie die interkultu- von Arnold Mehl bringen Advents- der Sanitär- und Heizungswirtschaft rellen Unterschiede im Umgang der und Weihnachtsmusik aus Italien zu öffnen wir die Tore zu dieser Welt- Vertragspartner miteinander. Es wird Gehör. Es würde mich freuen, Sie marktregion. aber auch sichtbar, dass wir aus dort begrüßen zu können. China Impulse erhalten, die unsere Ihr Wir verstehen uns als Marke- Konsumgewohnheiten, unser Ge- tingpartner unserer Aussteller und sundheitsverständnis, unsere Ein- unterstützen gerade mittelständische richtungsstile, unsere Essgewohn- Unternehmen dabei, die für die Ex- heiten, ja sogar unser Kunstver- portnation Deutschland so wichtigen ständnis erheblich erweitern. Auf Märkte zu erschließen. der Tendence Lifestyle war beispiels- Michael von Zitzewitz
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Galleria 4.2003 Inhalt 05 Inhalt 03 Editorial: Michael von Zitzewitz Feature 07 Konrad Seitz: China: Wettbewerbsbedrohung und Chance 10 Jürgen Thomsen: Ein Lächeln hat 317 Bedeutungen 13 Bernd-Uwe Stucken: Patentrezepte vom Profi 16 Edy Brunner: Im Osten geht die Sonne auf 18 Dieter Sieger: Geht nicht gibt’s nicht in China 18 Harro von Senger: Listenreich China 20 Prüss & Ochs: Shanghai Contemporary 22 Karin Weis: West meets East: Feng-Shui Insight 25 Geschäftsbeziehungen auf Chinesisch: Jutta Seliger Faszination China | 7 – 26 27 Messetermine Der Galleria-Schwerpunkt zum Reich 28 Fascination – Asiatische Konsumgüter-Fachmesse der Mitte. Patentrezepte von Profis für 29 Der Weg zur neuen Unternehmensstruktur das China-Business. Z.B. Ex-Botschafter 30 International Frankfurt Beauty Week Dr. Seitz über Chancen und Bedrohun- gen, Harro von Senger über das Listen- Outlook reich China. Karin Weis erklärt Feng- 32 Global Player: Albert Speer Shui. Jutta Seliger begleitet Aussteller 34 Garten des Himmlischen Friedens bei ihrem Markteinstieg. Star-Designer 36 Global denken – lokal lernen: Internationale Schule Dieter Sieger ist begeistert von der 37 Ein Chinese auf dem Schlappseil Service-Orientierung in China. 38 Service 39 Impressum Passione | 30 Passione ist die erste internationale Fachmesse, die das Thema Persönlichkeit exklusiv in den Fokus nimmt. Passione ist eingebettet in die International Frankfurt Beauty Week, den neuen Messe-Verbund rund um die schönsten Ansichten des Lebens. Garten des Himmlischen Friedens | 34 „Wenn du dieses Tor durchschreitest, so hast du einen anderen Himmel über dir und eine andere Erde unter deinen Füßen.” So werden die Besucher des Chinesischen Gartens in Frankfurt für das Erlebnis dieses ein- zigartigen Landschaftsgartens sensibi- lisiert. Frankfurt ist nicht zuletzt wegen der Messen am Standort wie in Hongkong, Shanghai und Peking eine der wichtigen Brücken für dem Handel zwischen den Kulturen.
Galleria 4.2003 Konrad Seitz | Feature 07 Dr. Konrad Seitz, Ex-Botschafter und China-Kenner, zeigt die Perspektiven China: Wettbewerbsbedrohung und Jahrhundertchance „Unternehmen in China, von denen du nie gehört hast, werden im nächsten Jahrzehnt als gigantische Konkurrenten auftreten, die deine Firma in ihrer Existenz bedrohen. China ist sehr viel mehr als ein Markt. Es ist in rapidem Tempo dabei, ein massiver Wettbewerbs- gegner zu werden“, schreibt Jack Welch (General Electric) in seiner 1999 erschienenen Autobiographie. Nun, das ist nicht das Bild, das sich Malaysia, Mexiko wandert Produk- die meisten Deutschen von China tion nach China ab. Im vierten machen. Für sie ist China weit weg, Quartal 2002 verloren die Maquilla- ist Billigwarenexporteur und „Zu- dores in Mexiko, die an der Grenze kunftsmarkt“. Jedoch, China ist nicht zu Kalifornien für den amerikani- mehr „Zukunft“. Es hat bereits be- schen Markt fertigen, 15.000 Arbeits- gonnen, unsere Wirtschaft wesent- plätze an China. China wird insbe- lich zu beeinflussen. Mit einem sondere, zusammen mit Taiwan, die Sozialprodukt von 1,6 Billionen „IT-Fabrik“ der Welt, die die Com- Dollar in diesem Jahr ist China die puter- und Telekommunikations- viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Hardware fertigt. In China entstehen Und rechnet man das chinesische gegenwärtig auch die neuen großen Sozialprodukt nicht nach den gelten- Chip-Fabriken der Welt. den Wechselkursen in Dollar um, sondern nach der Kaufkraftparität, so Als Fabrik der Welt fertigt steht China schon heute vor Japan China Produkte, die in anderen Län- an zweiter Stelle in der Weltwirt- dern erdacht und entwickelt wurden. schaft. 2015 wird China auch die Und so hatten wir uns ja bisher Dr. Konrad Seitz war von 1995 bis 1999 deut- USA überholen – wenn es so weiter- unsere Zukunft auch vorgestellt: Die scher Botschafter in China. Im September geht. Dass es so weitergeht, ist kei- einfacheren Produkte geben wir an 2000 erschien sein Buch „China – eine Welt- macht kehrt zurück“ (Siedler Verlag), das neswegs sicher, denn den ungeheu- die Entwicklungsländer ab und wir inzwischen in 5. Auflage (April 2003) in einer ren Wachstumskräften Chinas stehen selbst schreiten zu immer neuen auf den neuesten Stand gebrachten Fassung ungeheure Probleme gegenüber; Hochtechnologieindustrien weiter. vorliegt. doch es ist wahrscheinlich. Damit Doch – leider für uns – so stellt sich stellt sich die Frage: Was bedeutet auch China die Zukunft vor. Zwar der Aufstieg Chinas für uns? wird es dank seines ungeheuren Re- servoirs an billigen Arbeitskräften Die Wettbewerbsbedrohung die Werkbank der Welt bleiben. Aber es steigt zugleich zu einer eigenstän- Zuerst: China ist dabei, zum indus- digen Hochtechnologiemacht auf, triellen Fertigungszentrum der Welt die nach dem Willen der Regierung zu werden: zur „Fabrik der Welt“. um 2020 Japan und Europa überho- Dorthin verlagern Japan, die USA, len wird. Europa die Produktion von Industrie- gütern und bauen modernste Fa- Basis für diesen Aufstieg sind briken auf. Aber selbst aus den die riesige Zahl von Studenten im Niedriglohnländern wie Thailand, Lande und die von den amerikani-
8 Feature | Konrad Seitz Galleria 4.2003 Hier zeigt sich die Kraft der konfuzianischen Kultur. Über zwei Jahrtausende hin konnte man im alten China nur durch akademische Leistung aufsteigen. Es gab keinen Geburtsadel wie in Europa, sondern allein einen Leistungsadel humanistisch gebildeter Beamter. schen Elitehochschulen und For- Die Chance: Außerordentliche Chancen schungslabors zurückkehrenden Chi- Teilnahme an Chinas Wachstum bietet der chinesische Markt auch nesen. unseren Dienstleistungsunterneh- Doch China ist nicht nur Wettbe- men, und auch diese sind am Ball. Derzeit studieren an Chinas werbsbedrohung, es ist zugleich Lufthansa hat bei den Chinaflügen Hochschulen und Fachhochschulen Chance. Mit seinem hohen Wachs- eine absolut herausragende Stellung weit über 6 Millionen Studenten, tum ist es zu einem Motor der Welt- unter den europäischen Fluglinien. rund die Hälfte von ihnen Natur- und wirtschaft geworden. Und dies gera- Metro ist in China bereits mit 15 Ingenieurwissenschaften. Strenge de für die deutsche Wirtschaft. Wir Märkten vertreten. OBI eröffnete im Auswahl, ein enormer Leistungs- sind der wichtigste Investitionsgü- Juli 2000 einen ersten Baumarkt in druck und eine enorme Leistungs- terlieferant der Welt. Der industrielle Shanghai, bis Ende 2002 entstanden bereitschaft – dies kennzeichnet ins- Aufbau Chinas kommt daher unserer zwei weitere Märkte, im Jahr 2013 besondere die chinesischen Elite- Wirtschaft in besonderer Weise zu- soll es mehr als 100 OBI-Märkte in hochschulen. Hier zeigt sich die Kraft gute. In der Tat, unsere Exporte nach China geben. der konfuzianischen Kultur. Über China stiegen im Jahr 2000 um zwei Jahrtausende hin konnte man 35 Prozent, im Jahr 2001 um 28 Pro- Fassen wir zusammen: Von im alten China nur durch akademi- zent, im letzten Jahr um 20 Prozent. China geht eine ernste Wettbewerbs- sche Leistung aufsteigen. Es gab kei- China ist heute – vor Japan – unser bedrohung für viele unserer Unter- nen Geburtsadel wie in Europa, son- größter Handelspartner in Asien. nehmen aus. China aber bietet unse- dern allein einen Leistungsadel ren Unternehmen zugleich enorme humanistisch gebildeter Beamter. Die deutsche Wirtschaft Chancen für Wachstums- und Ge- Die 300 Studenten, die aus anfäng- nimmt am chinesischen Wachstum winnsteigerung. Bisher dürften die lich Millionen im dritten, dem kaiser- zugleich durch massive Direktinves- Chancen die Gefahren überstiegen lichen Examen übrig blieben, wur- titionen teil. China bietet uns preis- haben. Dies kann auch in Zukunft so den landesweit gefeiert und ihre günstige Fertigungsstätten, mit bleiben. Aber Voraussetzung ist, Namen in den Tempeln in Stein ge- deren Hilfe wir auf den Weltmärkten dass Politik und Gesellschaft endlich meißelt. Wer keines der Examina konkurrenzfähig bleiben. Es bietet die Kraft aufbringen, unseren Wirt- schaffte, und sei es der Sohn eines uns aber zugleich einen Anteil an schaftsstandort Deutschland wieder Provinz-Gouverneurs, stieg wieder seinem riesigen, schnell wachsenden in Ordnung zu bringen. in das gemeine Volk ab. Diese zwei- Markt. Volkswagen, BASF, Siemens, Konrad Seitz tausendjährige Erfahrung machte Thyssen/Krupp und andere Groß- aus den Chinesen ein geradezu unternehmen haben diese Chance lernbegieriges Volk. bereits mit aller Macht ergriffen und eine starke Position in China aufge- In China also entstehen die baut, die ihre Stellung auf den Welt- natur- und ingenieurwissenschaft- märkten stützt. Aber auch Hunderte lichen Leistungseliten, die die Welt unserer mittelständischen Unter- für den weiteren technologischen nehmen produzieren inzwischen – Fortschritt braucht. Und so haben und meistens mit großem Erfolg – in die westlichen und japanischen China, sowohl für den Export wie für Hochtechnologiekonzerne wie z. B. den chinesischen Markt. Noch in die- Microsoft, IBM, Matsushita, Alcatel sem Jahrzehnt könnte so manches begonnen, große Labors für Tochterunternehmen in China größer Spitzenforschung in China aufzu- als die mittelständische Mutter in bauen. Deutschland werden.
10 Feature | Jürgen Thomsen Galleria 4.2003 Wer auf Chinas Business-Parkett glänzen will, braucht mehr als Offenheit Ein Lächeln hat 317 Bedeutungen Die Geschichte drang 1986 bis nach Europa: Chinesische Polizisten hatten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking einen Franzosen verhaftet, der durch einen Tob- suchtsanfall und obszöne Beleidigungen auffällig wurde. Überwältigt und ins nächste Flugzeug nach Europa ver- frachtet, verbrachte er dort längere Zeit in einem Sana- torium. So war es später zu lesen. Was war passiert? Der Franzose hatte fast ein Jahr mit bende und undurchschaubare Ver- Vertretern des chinesischen Wirt- handlungsstil der Asiaten für den schaftsministeriums über den Bau Misserfolg verantwortlich gemacht. einer Fabrik verhandelt – mühsam, In Wahrheit ist es oft die mangelnde mit häufig wechselnden Ansprech- Fähigkeit der Westeuropäer, sich an- partnern und vielen Unterbrechun- gemessen auf ausländische Ge- gen. Nach Unterzeichnung des Deals schäftspartner einzustellen und lan- Jürgen Thomsen, war die Freude über den Abschluss destypische Besonderheiten zu be- Executive Director aber nur kurz. Seine Verhandlungs- achten. Asia, AirPlus partner machten den Mann darauf aufmerksam, dass für sein Projekt Geschäftsleute müssen sich eine zusätzliche Genehmigung des auf das Reich der Mitte einstellen – Finanzministeriums erforderlich sei. in jeder Beziehung: Entgegen dem Der Mann fiel aus allen Wolken – das weltweiten Trend konnte China 2002 hätte eine komplette Neuverhand- erneut ein starkes Wirtschaftswachs- lung des Bauprojekts bedeutet. tum verbuchen. Der Außenhandel Zu viel für das Nervenkostüm des stieg auf 604 Milliarden Dollar. Damit Franzosen. ist China die fünftgrößte Handels- macht weltweit. Die Vergabe der Sicher ein Extrembeispiel, Olympischen Sommerspiele 2008 an aber ein Szenario, das westlichen Peking sowie der Zuschlag für die Geschäftsreisenden mit China-Er- Weltausstellung 2010 in Shanghai fahrung bekannt vorkommt. Schnell sind nur weitere Anzeichen für die wird in solchen Fällen der zermür- zunehmende internationale Inte-
Galleria 4.2003 Jürgen Thomsen | Feature 11 Insgesamt, so heißt es, kennen Chinesen 1000 Höflichkeitsformeln – und genau das macht es für den westlichen Geschäftsmann so schwer, Regeln für die Etikette aufzustellen. gration. Hohe Zuwachsraten der pri- schnell zur Irritationen. Wer die tradi- Zug gestaltet sich mittlerweile recht vaten Nachfrage machen China zu tionellen Stäbchen ablehnt, muss komfortabel. Hier wurde die „klas- einem der interessantesten Export- mit Minuspunkten rechnen. Aber senlose Gesellschaft“ den neuen und Absatzmärkte. Umso wichtiger auch, wer die Nahrungsaufnahme Verhältnissen angepasst: Zwar gibt ist es, Reisende auf ihren China-Trip mit Stäbchen beherrscht, kann an es keine erste und zweite Klasse, vorzubereiten. der Tücke der Technik scheitern. Der dafür aber harte und weiche Sitze – Gast sollte sein Stäbchen niemals zu unterschiedlichen Preisen, ver- Kontakte rund um den Erdball senkrecht in seine Reisschale legen – steht sich. sind zwar mittlerweile alltäglich. Bei das ist nur bei Beerdigungen üblich. aller Globalisierung aber gehen Un- Wer bei aller Konzentration fürchtet, Insgesamt, so heißt es, ken- ternehmen zu leicht davon aus, dass ein Stäbchen aus Versehen fallen zu nen Chinesen 1000 Höflichkeits- ihre Manager weltoffen sind und lassen, kann ganz beruhigt sein: Das formeln – und genau das macht es sich problemlos auf ein Land wie gilt als gutes Omen. für den westlichen Geschäftsmann China einstellen können. Ein Trug- so schwer, Regeln für die Etikette schluss: Weltoffenheit und Sprach- Europäischen Geschäftsrei- aufzustellen. Eine einmal erfolgreich kenntnisse allein reichen nicht aus. senden muss in jeglicher Situation aufgesagte Begrüßungsformel kann Konkretes Wissen über die Spiel- klar sein: Die Wahrung des eigenen in einer Situation, die nur für den regeln auf dem Business-Parkett ist Gesichts – und das des Gegenübers Gast scheinbar vergleichbar wirkt, gefragt. In China kennt man für ein – ist in China zentrales Verhaltens- eine verheerende Wirkung haben. Lächeln mindestens 317 verschiede- muster. Aus diesem Grund bringen Hier gilt es, die Wertsysteme und ne Bedeutungen – da muss sich Chinesen nur schwerlich ein „Ich Verhaltenscodes der eigenen und auch der weitgereiste Weltenbumm- weiß nicht“ über die Lippen. Statt fremden Kultur zu kennen. Das ler schlau machen, wo die Fett- zuzugeben, dass sie etwa eine Route bedeutet aber auch, vorgefertigte näpfchen stehen. nicht kennen, schicken Einheimische Bilder abzubauen. Und natürlich darf Fremde gerne mal auf Verdacht in die Beschäftigung mit Asien nicht China gilt von jeher als Land irgendeine Richtung. Folgenschwe- erst auf dem Weg vom Airport zum der Höflichkeit. Gerade die Höflich- rer kann dies in Verhandlungen sein, Termin einsetzen. „Reisen bildet“ – keit ist es aber, die bei europäisch- an denen Dolmetscher teilnehmen. aber jede Minute, die vorab in die chinesischen Kontakten immer wie- Aus Furcht vor Ansehensverlust wer- Vorbereitung auf die Sitten und Ge- der für Missverständnisse sorgt. So den die Übersetzer im Zweifelsfall bräuche, Verbote und Tabus inves- gilt der westliche Geschäftsmann eher etwas erfinden als zusätzliche tiert wird, zahlt sich aus. schnell als gierig, wenn er einer Erläuterungen zu erbitten. Einladung zum Business-Lunch Vielleicht hat sich der wüten- pünktlich folgt. In China gehört dage- Weniger Schwierigkeiten hat de Franzose vom Platz des Himm- gen eine halbe bis eine Stunde der Business-Traveller dagegen beim lischen Friedens diese Vorbereitung Verspätung zum guten Ton. Sitzt Thema Reisen und Bezahlen. Flug- nicht gegönnt. Vielleicht war er stets man dann zu Tisch, beginnt für den tickets beispielsweise können bei auf den augenscheinlichen Chef sei- Europäer die eigentliche Bewäh- Airlines und Reisebüros problemlos ner Verhandlungspartner konzen- rungsprobe. Denn Tischsitten gehö- über Kreditkarte abgerechnet wer- triert. Fataler Fehler: Nicht immer ist ren zu den elementarsten Bestand- den. In größeren Städten ist an dieser der Ranghöchste. Lebensalter teilen der chinesischen Kultur, Tabu- Geldautomaten die lokale Währung und persönliche Beziehungen zählen brüche führen hier besonders erhältlich. Auch das Reisen mit dem in China oftmals mehr als ein Titel.
Galleria 4.2003 Bernd-Uwe Stucken | Feature 13 Gewusst wie: Der Schutz des geistigen Eigentums in China Produkte, Piraten und Patentrezepte vom Profi Der Schutz des geistigen Eigentums ist für ausländische Investoren eines der größten Pro- bleme bei einem Investment in China. Die Furcht vor Raubkopien stellt viele vor die Frage, wie sie ihre Produkte schützen können oder gar, ob sie deshalb von einem Gang auf den chinesischen Markt absehen sollten. Die Angst ist nicht unbegründet, aber nur zum Teil. In Deutschland wird vielfach die de Strategie zum Schutz des geisti- Rechtsanwalt Dr. Bernd-Uwe Stucken, Ansicht vertreten, dass China keine gen Eigentums für ihre Produkte zu MBA Haarmann wirkungsvollen Gesetze zum Schutz entwickeln. Hemmelrath, geistigen Eigentums kennt oder Shanghai dass diese so unvollständig sind, Registrierung von Marken, dass vorrangig die Interessen chine- Patenten und Urheberrechten sischer Produzenten berücksichtigt Unabdingbare Grundlage eines werden. Das trifft jedoch so nicht effektiven Schutzes in China ist die mehr zu. Die Volksrepublik hat eine Registrierung von Marken und Pa- Reihe von Anstrengungen unternom- tenten bereits vor einem Marktein- men, nicht zuletzt im Zusammen- stieg. Nach den bestehenden Ge- den. Das Verfahren umfasst eine hang mit dem Beitritt zur WTO, um setzen ist es ohne Problem möglich, Prüfung beim chinesischen den Schutz von Warenzeichen, Warenzeichen, Patente, Gebrauchs- Markenamt, die Veröffentlichung im Patenten, Urheberrechten etc. zu ver- muster und Geschmacksmuster zu Warenzeichenblatt sowie die bessern. Es wurden Rechtstexte zum registrieren. Daneben können auch Ausstellung der Markenurkunde. Schutz geistigen Eigentums erlassen, Urheberrechte und Computersoft- Ebenso ist eine internationale Re- die im Wesentlichen auf der Linie ware registriert werden. Zwar wer- gistrierung über die WIPO (World In- internationaler Standards liegen. Zu den Urheberrechte im Einklang mit tellectual Property Organisation) nennen sind hier das Markengesetz, internationalen Konventionen bereits durch Erstreckung einer bereits in das Urhebergesetz und das mit Entstehen der geistigen Leistung Deutschland vorhandenen nationa- Patentgesetz sowie Gesetze und und nicht erst mit der Registrierung len Registrierung möglich. Verordnungen, die zum Beispiel den begründet, doch ein staatliches Zer- Schutz von Computer-Software, tifikat über die Registrierung hilft bei Wichtig ist, dass bei Regis- Domain-Namen, so genannten „well- drohender Verletzung. So konnte trierung zweier identischer oder ähn- known trademarks“ oder „trade durch die Registrierung der Blau- licher Marken das internationale secrets“ betreffen. China ist nahezu pausen von Architekten das unbe- Prinzip des Vorrangs der ersten An- allen bedeutenden internationalen rechtigte Abkupfern chinesischer meldung gilt. Schon aus diesem Vereinbarungen zum Schutz des Architekturinstitute behindert werden. Grund ist eine sorgfältige Marken- geistigen Eigentums beigetreten. recherche, die vom Trademark Warenzeichen können entwe- Search Center des chinesischen Allerdings reicht dieser der in China oder international Markenamtes durchgeführt werden Regelungsrahmen allein zum Schutz angemeldet werden. Eine nationale kann, angeraten. Marken sind für 10 vor Produktpiraterie nicht aus. Ein Registrierung von Waren- und Jahre geschützt und die Schutzdauer ausländischer Investor muss weitere Dienstleistungszeichen durch einen kann um weitere 10-Jahres-Fristen Maßnahmen ergreifen, um seine Ausländer oder ein ausländisches verlängert werden. Im Übrigen ist Rechte auch wirkungsvoll zu vertei- Unternehmen beim chinesischen noch darauf hinzuweisen, dass China digen. In der Praxis raten wir unse- Markenamt muss von einer autori- spezielle Vorschriften zur Registrie- ren Mandanten dazu, eine umfassen- sierten Agentur durchgeführt wer- rung von Markenlizenzverträgen hat
14 Feature | Bernd-Uwe Stucken Galleria 4.2003 Der Schutz geistigen Eigentums und das Investment in China schließen einander nicht aus. China ist nahezu allen bedeutenden internationalen Vereinbarungen zum Schutz des geistigen Eigentums beigetreten. Wie sich Investoren richtig schützen, weiß Dr. Stucken. und bei einer fehlenden Registrie- die Verwendung einer Kombination ist dann auch möglich, über die rung dies die Löschung der Marke von versteckten, halbversteckten und Gerichts- und Verwaltungsorgane zur Folge haben kann. offenen Schutzmaßnahmen erreicht. gegen den Verletzer vorzugehen. Insbesondere die Durchführung Patente können von Auslän- Marketing und Marktbeobachtung einer Razzia ist eine wirksame Maß- dern oder ausländischen Gesellschaf- Ein geeigneter Marketing-, Werbe- nahme. Diese muss mit Bedacht ten ohne dauernden (Wohn-) Sitz nur und PR-Plan kann die Strategie zum vorbereitet werden, um zu verhin- unter Einschaltung einer autorisierten Schutz geistigen Eigentums unter- dern, dass der Kopierer vorzeitig Agentur angemeldet werden, andern- stützen. Der Schwerpunkt sollte gewarnt wird. Spezielle Verwaltungs- falls können Patente auch direkt beim dabei auf der Information der Konsu- maßnahmen, wie die Anordnung zur Patentamt angemeldet werden. Das menten liegen; zum Beispiel, worin Beendigung von Fälschungshand- Patentrecht schützt Erfindungspa- der Mehrwert des Originals gegen- lungen oder die Konfiszierung illega- tente, Gebrauchsmuster und Ge- über der Kopie liegt oder welche ler Einnahmen, können teilweise schmacksmuster. Die Schutzdauer Händler zum Vertrieb des Produktes relativ zügig eine Verletzung unter- beträgt für Erfindungspatente 20 Jah- berechtigt sind. Chinesische Stu- binden. re, für Gebrauchs- und Geschmacks- denten sind z.B. bei bestimmter muster 10 Jahre. Auch die rechtzeiti- Markenkleidung in der Lage, anhand Alle Maßnahmen können das ge Registrierung einer Internet- der Nähte das Original von der Risiko von Fälschungen in China nie domain sollte angedacht werden. Kopie zu unterscheiden. Nur das ganz verhindern, sondern nur mini- Insbesondere seit der Freischaltung teure Original verleiht Status. mieren. Dies sollte indessen kein der Endung „.cn“ bietet sich dieses Grund sein, sich von China abzuwen- Marketinginstrument an. Auch die richtige Preisstra- den oder schlicht zu resignieren. tegie kann den Kauf von Fälschun- Wichtiger ist es, eine Schutzstrategie Investitionsstruktur und gen für die Zielgruppe unattraktiv zu entwickeln, in deren Rahmen Personalmanagement machen. Diese Strategie wird bei- gezielt alle verwertbaren Maßnah- Eine weitere Maßnahme ist die Ent- spielsweise gezielt in der Film- und men gesammelt und einer Kosten- wicklung einer geeigneten Investi- Musikbranche zur Abwehr von Raub- Nutzen-Analyse unterzogen werden. tionsstruktur. Eine wesentliche Rolle kopien im DVD-Markt genutzt. Erst wenn man die Kosten einer spielt dabei die sorgfältige Auswahl Maßnahme den möglichen positiven sowohl der chinesischen Partner als Von essenzieller Wichtigkeit Auswirkungen auf Umsatz und auch der Mitarbeiter. Es ist leider häu- ist die Marktbeobachtung. Investoren Ertrag gegenüberstellt, zeigt sich, fig der Fall, dass Produktpiraterie erst vernachlässigen es allzu oft, den chi- welche Instrumente wirtschaftlich durch das illoyale Verhalten von Part- nesischen Markt sorgsam zu prüfen. Sinn machen. Dieser Prozess einer nerunternehmen und Mitarbeitern Bei größeren Unternehmen bietet Strategieentwicklung kann am besten ermöglicht wird. Neben rechtlichen sich die Einrichtung einer Anti-Fäl- in einem Workshop durchgeführt Instrumenten wie Geheimhaltungs- schungs-Arbeitsgruppe an, die dann werden, in dem die potenziellen klauseln helfen auch Maßnahmen wie unter anderem die Aufgabe hat, Risiken analysiert, verfügbare die Aufteilung von Know-how auf Konkurrenten, Lieferanten, Vertreiber Instrumente in einem Brainstorming unterschiedliche Wissensträger. und Einzelhändler zu beobachten und gesucht und sodann nach einer den eigenen Güterfluss zu verfolgen. Kosten-Nutzen-Analyse in einer Design und Strategie zusammengeführt werden. Anti-Fälschungs-Technologien Rechtsschutz So vorbereitet wird ein Investment in Besonderes Augenmerk sollte auf Vor allem mit dem Instrument der China auch in Bezug auf den Schutz die Forschung und Entwicklung von Marktbeobachtung können Ver- des geistigen Eigentums nicht zum Produktionsdesign und Anti-Fäl- letzungen des geistigen Eigentums unkalkulierbaren Abenteuer. schungs-Technologien gerichtet sein. durch das Unternehmen nicht nur Bernd-Uwe Stucken Maximaler Schutz wird dabei durch schnell erkannt werden, sondern es
Im Osten geht die So Aufbruch Fernost. Shanghai ist der Ort der Auferstehung des neuen China. Selbstbewusst, gierig nach Zukunft, atemberaubend, in jeder Hinsicht ein Superlativ. Dagegen sieht der Rest der Welt irgendwie blass aus. Edy Brunner ist mit seiner Panoramakamera dort gewesen. Er hat die farbenfreudige Stadt in Schwarzweiß getaucht und die 16 Millionen-Metropole in den frühen Morgenstun- den fast menschenleer abgelichtet. Brunner wollte so von deren Geheimnis eine Ahnung bekommen, die Kräfte sehen und spüren, die diese Stadt anzieht wie keine andere. Den Augenblick erleben, wenn eine Weltmacht zurückkehrt auf die Bühne der Weltge- schichte: am Bund, dem Uferboulevard des Huangpu, wo die Traditionsbauten aus der Kolonialzeit mit der Science- Fiction-Kulisse von Pudong kontrastieren.
Edy Brunner hat nne auf viele Berufe. Er hat Messe-Konzepte für Großkonzerne ent- wickelt und kom- plette Länderpavil- lons realisiert. Ge- lernt hat er Retou- cheur, arbeitete als Grafiker in der le- gendären Basler Werbeagentur GGK unter Karl Gerstner. Seit den 60er Jahren beschäftigt er sich mit Konzeptkunst und Fotografie. Von Basel über Dresden bis New York, Vene- dig und Zürich zei- gen Galerien und Ausstellungshäuser seine Arbeiten, zu- nehmend Fotogra- fien. Seit 1982 geht er mit seiner Pano- ramakamera auf Reisen, zum Beispiel nach Shanghai. Shanghai, der Bildband ist zum Preis von 75 Euro zzgl. Versandkosten erhältlich bei: Concept + Design Einsiedlerstr. 34 CH-8820 Wädenwil Fax: +41-1-780 25 44
18 Feature | Dieter Sieger Galleria 4.2003 Erfahrungen mit China. Das Gespräch mit Dieter Sieger auf der ISH Geht nicht gibt’s nicht Wir treffen Dieter Sieger mit seiner Frau Fransje auf der ISH zum Kaffee. Es ist übrigens die 15. ISH-Beteiligung für den internationalen Star-Designer. Heute kommen die beiden fürs Handshaking und den Smalltalk an den Main, denn das Tagesgeschäft liegt bei den Söhnen Christian und Michael, die das Designzepter auf Schloss Harkotten im grünen Münsterland übernommen haben. Galleria: Wie sind Ihre Eindrücke von men“ müssen in ein Gleichgewicht China? gebracht werden. Auf Ihre Frage, ob Sieger Design auch in China tätig ist, Dieter Sieger: Unglaublich, was dort kann ich dieses nur bejahen. Wir passiert. China wird nicht nur zur sind über Hongkong in diesen Markt Fabrik der Welt, sondern China eingestiegen, wo unsere Partner ein schließt in allen Bereichen in einem sehr weit gespanntes Kontaktnetz atemberaubenden Tempo auf, auch aufgebaut haben. Dieter Sieger, im Design, wir werden uns warm Sieger Design, anziehen müssen. Galleria: Was machen Sie in China? Schloss Harkotten Galleria: Design aus China? Dieter Sieger: Wir arbeiten dort mit großen Unternehmen zusammen, Dieter Sieger: Wir sollten uns die die nach unseren Entwürfen und westliche Arroganz gegenüber ei- Modellen Produkte entwickeln, die nem „Entwicklungsland“ so schnell auf internationalen Märkten vertrie- es geht abschminken. Wer mit China ben werden. Besonders im Table- Ramschprodukte und Billigwaren ware-Bereich können die Chinesen assoziiert, liegt völlig falsch. Hieß es auf einer sehr alten Tradition aufbau- früher vielleicht „kopieren geht über en und sind in der Lage, Porzellan- studieren“, so hat sich dieses Thema teile zu liefern in hoher Qualität zu sehr gewandelt. Seit China der einem hervorragenden Preis. Auch World Trade Organisation (WTO) bei- in der zeitlichen Abwicklung haben getreten ist, verändert sich die Lage wir gute Erfahrungen gemacht, man täglich. Der Handel mit China ist ist dort in der Lage, in einem Drittel nicht länger eine Einbahnstraße: der Zeit Entwürfe in Modelle umzu- Chinesen überfluten den Markt mit setzen, und durch die heutigen ihren Produkten, weltweit. China Transportmöglichkeiten (Über-Nacht- könnte zur neuen Lokomotive für die Service und Datentransfer) spielt die Weltwirtschaft werden, wenn die große Distanz keine Rolle mehr. Chinesen verstärkt unsere Produkte Modellentwicklungen, die sich in kaufen. Das entspräche auch der Deutschland über Monate hinziehen, konfuzianischen Lebensphilosophie, realisieren die Chinesen in wenigen die im Kern besagt, dass jeder jedem Tagen. Auch Produkte, die unsere etwas schuldig ist, „Geben und Neh- Partner selber nicht produzieren kön-
Galleria 4.2003 Dieter Sieger | Feature 19 Chinesische Firmen sprechen immer mehr europäische Designer an. Den Weg des Kopierens haben diese Firmen schon lange verlassen und sind eher interessiert, europäisches Design zu produzieren. nen, geben sie weiter an befreundete bzw. kommen zum Großteil wieder sind. Wir entwerfen nicht nur die Unternehmen, so dass für uns die zurück nach Italien und sind so auch Produkte, sondern wir begleiten sie Lieferantensuche entfällt. Aussagen als europäische Unternehmen welt- auf den Weltmärkten durch PR-Maß- wie in Deutschland „Das geht nicht“ weit erfolgreich. Ich würde sagen, zur- nahmen und gestalten auch für die haben wir in China noch nicht ge- zeit erleben wir einen Neubeginn in meisten die Verpackungen und Pro- hört. Auch im Computerbereich puncto Design. In den 80er Jahren ist spekte. Auch die Messestände, auf haben wir hervorragende Erfahrun- vieles produziert worden, was auch denen unser Design präsentiert wird, gen gemacht. Momentan sind wir für zum Teil aus Asien kam, das heute sind oft aus unserem Hause. Ich glau- einen großen Möbelhersteller tätig der Markt nicht mehr aufnimmt. be, dass man als international agie- und begeistert über das Know-how Interessant ist z.B., dass die Men- rendes Büro mit 30 Mitarbeitern dieses Unternehmens. schen sich wieder auf Werte besin- einen Fullservice anbieten muss, da nen, und hierfür möchte ich für viele allein der Entwurf des Designs für Galleria: Finden Sie, dass europäi- die Firma Knoll International nennen, eine weltweite Vermarktung nicht sches Design billiger werden muss, die mit ihrem zum Teil 50 Jahre alten ausreicht, und so reisen wir durch die um gegenüber Konkurrenten wie Klassikern einen riesigen Relaunch- Welt, um unseren Kunden das Pro- China zu bestehen? Erfolg erlebt. Man sieht allerdings, dukt näher zu bringen, und ich kann dass chinesische Firmen immer mehr mich an Zeiten erinnern, wo ich Dieter Sieger: Dies ist eine schwieri- europäische Designer ansprechen wochenlang in verschiedenen Län- ge Frage. Ich glaube, dass man in Zu- und dass man den Weg des Kopie- dern bei Händlern unsere Produkte kunft in Europa nur noch sehr hoch- rens schon lange verlassen hat und vorgestelt haben. Heute leiten meine wertige Produkte herstellen kann, man sehr interessiert ist, europäi- beiden Söhne Christian und Michael siehe unser Kunde Dornbracht, der sches Design zu produzieren. Darin das Büro und meine Frau und ich heute die Nummer eins für Luxus- liegt natürlich eine große Gefahr. Zu haben Harkotten verlassen und leben armaturen weltweit ist und es ver- den Preisen, wie in China produziert jetzt in Münster. Endlich komme ich standen hat, einen Mythos aufzubau- wird, sind wir in Europa nicht mehr in dazu, einen großen Traum von mir zu en. Es ist Dornbracht gelungen, mit der Lage. Daher kann ich den europä- verwirklichen, und zwar exklusive unseren Produkten in die absolute ischen Firmen nur empfehlen, mit Produkte ohne den Druck der In- Spitzenklasse der Welt einzusteigen. chinesischen Partnern zusammenzu- dustrie zu entwickeln und diese als Ich komme gerade von einem Ge- arbeiten, was sicherlich nicht ganz limitierte Auflage zu vertreiben. Es spräch mit der Mandarin-Gruppe, der einfach ist, weil die Mentalitäten handelt sich hierbei um hochwertige wohl exklusivsten Hotelkette, die natürlich sehr unterschiedlich sind. Möbel, Leuchten und Silberkollek- momentan 14 neue Luxushotels baut, tionen. Auch im Schmuckbereich unter anderem in New York, Tokio, Galleria: Wie sind Sie zum Design werde ich in Zukunft einige Teile auf Hawaii, und sich hier für Dornbracht gekommen? den Markt bringen. Sicherlich wird entschieden hat. Man wäre sicherlich auch hier das ein oder andere Stück, in der Lage, ein bedeutend preiswer- Dieter Sieger: Ich habe Architektur ich denke z.B. an meine Silberkol- teres Produkt einzubauen, aber man studiert, viele Jahre international lektion, in China produziert werden will das Beste und so nimmt man die gebaut und in den 70er Jahren für müssen, weil es in Deutschland im Armatur „Tara“ von Dornbracht. zwei Amsterdamer Werften das Prinzip keinen Silberschmied mehr Auch die großen Modefirmen wie Interieur und Exterieur von Luxus- gibt. Unsere nächste Reise nach beispielsweise Armani, Chanel und jachten gestaltet. Durch diese Arbeit Asien ist geplant, im November wer- Prada haben es verstanden, diesen ergab sich eine Zusammenarbeit mit den wir verschiedene Partner von uns Mythos aufzubauen, und produzieren der Sanitärindustrie, für die wir seit dort aufsuchen, um über neue Pro- nur zum Teil in asiatischen Ländern den 80er Jahren als Designer tätig jekte zu verhandeln.
20 Feature | Harro von Senger Galleria 4.2003 Harro von Senger entdeckte die Listen der Chinesen Den Tiger vom Berg in die Ebene locken Harro von Senger gehört zur Elite der westlichen China- forschung. Er hat dem Westen die 36 Strategeme der Chinesen enthüllt, eine systematische Lehre der Überlis- tungstechniken, mit denen Chinesen seit Jahrtausenden ihre Kontrahenten über den Tisch ziehen. Die Bücher von Professor Listig sind in alle Weltsprachen übersetzt, kurio- serweise auch ins Chinesische. Die Schweizer Armee hat sich diesen Kopf für die Generalstabs-Ausbildung verpflich- tet. Harro von Senger ist promovierter Jurist und lehrt Sinologie in Freiburg im Breisgau. Den Westen hält von Senger für sie von anderen unterscheidet. Harro nahezu hoffnungslos „listenblind“. von Senger nennt Listen „Strate- Ein Handicap der christlichen Kultur, geme“. Insgesamt gibt es 36 ver- die die Wahrhaftigkeit im Umgang schiedene Handlungsmuster, die oft miteinander zum Maßstab hat. Mit kombiniert zum Einsatz kommen und Professor Harro von Fallen, Finten und Finessen sein Ziel den Verhandlungspartner schach- Senger, Sinologe zu verfolgen gilt hierzulande als matt setzen. Ein Beispiel für Neu- und Jurist niederträchtig. Natürlich wird auch gierige: Als der damalige Bundesum- im Westen nur zu oft Wasser gepre- weltminister Klaus Töpfer bei einer digt und dann doch Wein getrunken. China-Reise in Peking die Einhaltung „Unser“ Niccolo Machiavelli wird der Menschenrechte einklagte, er- hinter vorgehaltener Hand bewun- hielt er zur Antwort: Menschenrechte dert, sonderlich gemocht aber hat wie den freien Reiseverkehr könne den europäischen Großmeister der man dem chinesischen Volk schon Führungsstrategien schon zu seinen gewähren. Aber sei Deutschland Lebzeiten niemand. Ganz anders bei auch bereit, rund 10 bis 15 Millionen den Chinesen. Dort gilt der Mensch Chinesen jährlich aufzunehmen und weder als gut noch als schlecht. Das zu versorgen? Dem „Spiegel“ entlastet und macht den Weg frei für gegenüber gestand Töpfer, dass ihn die Frage: Was tun? dieser Zynismus entwaffnet habe. Ganz pragmatisch steht im Natürlich gibt es selbst in der Zentrum, bei der Durchsetzung der Bibel Beispiele, wie sich das Gute eigenen Vorstellungen erfolgreich zu mit Hilfe einer List durchsetzt (David sein. Da die chinesische Kultur schon gegen Goliath). Selbst Jesus fordert seit Jahrtausenden eine Wissens- seine Gemeinde dazu auf: „Seid gesellschaft ist und nicht erst auf schlau wie die Schlangen.“ Märchen dem Weg dahin ist wie die unsrige, erzählen davon, wie beispielsweise hat China auch eine Sprache und – Hänsel mittels eines Knochens, den zugegebenermaßen – reichlich blu- er der Hexe hinstreckt, vortäuscht, mige Formeln dafür entwickelt, was sein Schlachtgewicht noch nicht er- eine List im Kern ausmacht und was reicht zu haben. Bei uns sind Strate-
Galleria 4.2003 Harro von Senger | Feature 21 Bitte ausschneiden und zwischen den Spalten knicken, an- Die 36 Strategeme schließend durch weiteres Knicken den Blattumfang so 1. Den Himmel (= den Kai- 21. Die Zikade entschlüpft reduzieren, dass die ser) täuschend das Meer überqueren (einer Situation), indem sie sich ver- 36 Strategeme in Ihr 2. (Die ungeschützte Haupt- wandelt und aus ihrer goldglänzenden Reiseportemonnaie passen. Auf dem stadt des Staates) Wei belagern, um Hülle steigt, die ihre Verfolger ablenkt Flug nach China (den durch die Streitmacht des Staates 22. Die Tür schließen und haben Sie genügend Zeit die Regeln zu Wei angegriffenen Bündnispartner) den Dieb fangen lernen. Zhao zu retten 23. Sich mit dem fernen 3. Mit dem Messer eines Feind verbünden, um den nahen Feind anderen töten anzugreifen geme in eine Moral verpackt, die das 4. Ausgeruht den erschöpf- 24. Einen Weg (durch Yu) Gute am Ende – nach einem Leidens- ten Feind erwarten für einen Angriff auf Guo ausleihen weg – gewinnen lässt. Im Unter- 5. Eine Feuersbrunst (als (um dann ebenfalls Yu zu erobern) schied zu China aber gibt es keine günstige Gelegenheit) für einen Raub 25. Die Tragbalken stehlen wertneutrale Sprache, die einen ausnutzen und die Stützpfosten austauschen (um Überblick über das gesamte Reper- 6. Im Osten lärmen, im etwas von innen auszuhöhlen) (Dieses toire der Kunstgriffe gibt, die im Falle Westen angreifen Strategem wird zum Beispiel bei einer eines Falles zur Anwendung kommen Begriffsentleerung oder beim heim- könnten. Von Senger kritisiert, dass 7. Aus einem Nichts etwas lichen Begriffswandel angewendet) bei uns Helden wie Harry Potter vor- erzeugen wiegend mit Hilfe der Magie überle- 26. Die Akazie scheltend 8. Sichtbar die Holzstege ben und selbst den gallischen Helden auf den Maulbeerbaum zeigen instand setzen, insgeheim nach Chen Asterix und Obelix im Ernstfall nur Cang marschieren 27. Verrücktheit mimen der Schluck aus dem druidischen 9. (Wie unbeteiligt) die (Harmlosigkeit vortäuschen), ohne Zaubertrank-Kessel einfällt. Den Feuersbrunst am gegenüberliegenden dabei das Gleichgewicht (und sein Europäern fehle ein McClever, der als Ziel aus den Augen) zu verlieren Ufer beobachten Vorbild gewieft genug wäre, kraft 28. Auf das Dach locken, 10. Hinter dem Lächeln den eigener Intelligenz zu obsiegen. um dann die Leiter wegzuziehen Dolch verbergen 29. Dürre Bäume mit 11. Den Pflaumenbaum Harro von Sengers Einsichten (künstlichen) Blumen schmücken anstelle des Pfirsichbaums verdorren sollen dabei helfen, Strategeme lassen 30. Die Rolle des Gastes in rechtzeitig zu erkennen. In China hat die des Gastgebers umkehren jedes Schulkind von den „36 Listen“ 12. Mit leichter Hand das (einem unerwartet über den Weg 31. Das Strategem der gehört. Sie sind dort „geflügelte laufende) Schaf (geistesgegenwärtig) schönen Frau (die den Feind in eine Worte“. Chinesen rechnen von vorn- wegführen Falle lockt) herein damit, dass die jeweils ande- ren ihre Interessen ebenfalls mit List 13. Auf das Gras schlagen, 32. Das Strategem der und Tücke verfolgen. Was denn um die Schlangen aufzuscheuchen leeren Stadt (einen Hinterhalt vor- sonst und – warum auch nicht? täuschen, der die eigene Schwäche 14. Für die Rückkehr der Daran ist nichts Ehrenrühriges, ganz verschleiert) Seele einen Leichnam ausleihen im Gegenteil. Schließlich ist man 33. Das Strategem des 15. Den Tiger vom Berg in klug genug, die Fremden für eben- Zwietrachtsäens die Ebene locken (wo er sich nicht ver- bürtig zu halten und keinesfalls für teidigen kann) 34. Das Strategem des Einwohner von Entwicklungsländern. leidenden Fleisches (eine Selbstver- 16. Will man etwas fangen, Deshalb versuchen sie vorausschau- letzung mobilisiert den Samariter- muss man es zunächst loslassen end die möglicherweise angewand- Reflex des Gegners oder das Mitleid 17. Einen Backstein hinwer- ten Listen zu durchschauen, um sie des Publikums) fen, um einen Jadestein zu erlangen ihrerseits zu durchkreuzen. Allein zu 35. Das Ketten-Strategem (das 18. Will man eine Räuber- wissen, dass das so ist, hilft jedem zwei oder mehrere Strategeme mitei- bande unschädlich machen, muss man Chinareisenden. Deshalb empfiehlt nander kombiniert) deren Anführer fangen es sich nicht erst im Flugzeug nach 36. (Rechtzeitiges) Weg- Shanghai der Blick in Harro von 19. Unter dem Kessel das laufen ist (bei völliger Aussichts- Sengers Bücher. Ein Tipp, um auch Brennholz wegziehen losigkeit) das Beste in China „mit leichter Hand das 20. Das Wasser trüben, um Schaf wegzuführen“, sprich den rich- die (ihrer klaren Sicht beraubten) Harro von Senger: Die Kunst der List tigen Augenblick zu erwischen und Fische zu fangen www.36strategeme.ch gebotene Chancen zu ergreifen.
Fang Lijun, Ohne Ti- tel, 2002, Holzschnitt, 654 x 488 cm. Fang Lijun gehört zu den Künstlern, die das moderne China ver- Interkulturelle Pionierarbeit körpern. Shanghai Contemporary Wenn eine Stadt in Asien das Potenzial zu einem Meltingpot à la New York hat, dann Shanghai. Im Klima dieser Boom- town wächst eine provokationsfreudige Kunstszene heran, die Plattformen in China selbst braucht und nach Brücken zu anderen Kontinenten sucht. Der Frankfurter Galerist Lothar Albrecht hat mit seinen Partnern Jaana Prüss und Alexander Ochs (Berlin) und mit einem chinesischen Partner eine Kunstgalerie in der Stadt am Bund eröffnet: die „Shanghai Contemporary“. Zu den Stars der Galerie zählt auch Fang Lijun (Jahrgang 1963), der sich nach dem Massaker am Tiananmen eine Glatze schneiden ließ, die er seitdem intensiv pflegt. Glatzen stehen in China für Buddhismus, aber auch für Kriminelle und für männliche Impotenz. Seine Glatzenbilder sind inzwi- schen weltberühmt und zu Ikonen der zeitgenössischen, chinesischen Malerei geworden. Sie sind Sinnbilder einer Generation, von der ihr Schöpfer sagt: „Wir wollen nicht leben wie die gezüchteten Hühner... auch John Young, Sum- wenn die Leute denken, dass wir eine Generation sind, die erschossen wer- mer 2003, Digital- scan und Öl auf den müsste.“ Bundeskanzler Gerhard Schröder traf den Maler-Rebellen am Leinwand, 200 x 150 Rande seines Peking-Besuches, sein Superminister Wolfgang Clement cm. Dem Material- sprach mit Fang Lijun, als er anlässlich der Transrapid-Strecken-Eröffnung mix entspricht das Cross-over der Kul- mit großer Industriedelegation in Shanghai weilte. In der Galerie ließ sich turen. John Young, Clement mehrere Stunden Zeit, um über die gemeinsam von Fang Lijun mit in Hongkong gebo- Jörg Immendorff bestrittene Ausstellung der Shanghai Contemporary zu ren, lebt in Austra- lien und pendelt sprechen. Fang Lijun präsentiert seine Arbeiten mittlerweile auch im v-tv, zwischen den Kul- einem Pop-Format, das mit MTV vergleichbar ist, täglich von Millionen turen. Chinesen gesehen wird und Einfluss auf die junge Generation ausübt. Die Museumsszene für zeitgenössische Kunst beginnt sich in China gerade erst
Galleria 4.2003 Shanghai Contemporary | Feature 23 „Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“ Das wusste schon Johann Wolfgang von Goethe. Die junge Künstlergeneration in China ist längst Teil der globalisierten Weltkultur, hat die Brücken und die Brüche zwischen den Kulturen am eigenen Leib erfahren. zu entwickeln, so dass Galerien wie die Shanghai-Initiative der deutschen Galeristen geeignete Foren für die Künstler schaffen und dem Kunsthandel Kontakte erschließen – in beide Richtungen, für den Export von Kunst aus China wie für den Import internationaler Kunst nach China. Alexander Ochs bereiste 1992 das erste Mal China und war fasziniert. Diese Reise wurde zum Schlüsselerlebnis. Dann ging alles ziemlich schnell. Nach zahlreichen Ausstellungen und interdisziplinären Kunstprojekten grün- dete er 1997 gemeinsam mit Jaana Prüss die Galerie Asian Fine Art, die heu- tige Galerie Prüss & Ochs in Berlin. Die Galerie gilt als die führende europäi- sche Institution in der Vermittlung zeitgenössischer Kunst aus China, Japan, Korea, Indonesien und demnächst Indien. Alexander Ochs entwickelte sich zu einem der raren europäischen Kenner der zeitgenössischen Kunstszene Ostasiens und berät seitdem zahlreiche Biennalen, Museen und Sammler, die neugierig auf die internationalen Stars von morgen sind. „Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen“, wusste schon Johann Wolfgang von Goethe. Asien wird zur Fabrik der Welt. Immer mehr Die Galeristen Jaana Produkte kommen von dorther, aber nicht nur Produkte, sondern auch Prüss und Alexander Religionen, Philosophien beginnen in unserem Alltag eine Rolle zu spielen. Ochs in ihrer Galerie in Berlin-Mitte, Ob Akupunktur, Thai-Chi oder Feng-Shui, Esskultur, Mode- und Lifestyle- Sophienstraße. Trends bilden den Hintergrund für das „East meets West“ unserer Tage. Bei diesen Begegnungen aber dürfte immer auch klar sein, dass die anderen aus der fremden Kultur einen selbst anders sehen, als man sich selbst sieht. Die Engländer nennen den Umgang mit diesem Nichtidentischen „sense of humour“, also die Einsicht, dass diese Kluft mit bittersüßer Ironie zu über- brücken ist. Ein Beispiel für diesen ironischen Umgang mit dem Fremden ist der Maler John Young, den die Galerie ebenfalls vertritt. Young ist ein in Hong- kong geborener und aufgewachsener Chinese, der heute in Australien lebt und sich mit den „Zwischen“welten von Migranten beschäftigt. Young ver- weigert sich der in Australien wie auch in Europa geforderten Assimilation. In seinen Arbeiten kombiniert John Young die Techniken der Malerei auf Leinwand mit großformatigen Digitalprints vorgefundener Bilder. Er multi- pliziert und fragmentiert Bilder und Informationen, paart Abstraktion mit Fotorealismus, führt westliche und ostasiatische Bildvorlagen zusammen, um sie wieder zu trennen. John Youngs Werk weigert sich, nur eine Sache auf eine Weise von einem Künstler zu sein. In einem Grußwort über die Arbeit der Galerie sagt Wolfgang Clement: „Alexander Ochs und sein internationales Team helfen engagiert mit, den Kulturaustausch zwischen Asien und Europa, zwischen China und der Bundesrepublik Deutschland zu erweitern und auch die ökonomische Basis für die beteiligten Künstlerinnen und Künstler zu verstärken.“
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