Gedanken für morgen Das Magazin zum HARTMANN Zukunftsforum 2018
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Gedanken für morgen Das Magazin zum HARTMANN Zukunftsforum 2018 Meinungen, Diskussion und Trends zu den aktuellen Herausforderungen unseres Gesundheitssystems
Unser Gesundheitssystem braucht neuen Antrieb. Packen wir es an! Liebe Leserinnen und Leser, unsere Gesundheitsversorgung steht vor massiven Herausforderungen. Wir müs- sen Antworten auf drängende Themen wie die Digitalisierung, den demografi- schen Wandel, die Globalisierung oder den Fachkräftemangel finden. Und damit sehen auch wir bei HARTMANN uns in der Pflicht, denn wir sind ein Teil dieses Gesundheitssystems. Aus diesem Grund haben wir am 13. Juni 2018 zum ersten Mal das HARTMANN Zukunftsforum veranstaltet – als Plattform und Impulsgeber zugleich. Mehr als 400 Vertreter aus Apotheken, Kliniken, Pflege, Ärzteschaft und Politik haben in Heiden- heim mit Top-Experten der Branche sehr rege über die Zukunft des Gesundheitswe- sens in Deutschland diskutiert: Rückt der Fokus auf ökonomische Ziele die Ethik der Patientenversorgung in Kliniken in den Hintergrund? Ist das klassische Altenheim ein Auslaufmodell? Wie lassen sich die Online- und Offline-Welt der Apotheken sinnvoll miteinander verbinden? Mit welchen Maßnahmen können wir junge Ärzte motivie- ren, sich auf dem Land niederzulassen? Und wie lässt sich der aktuelle Pflegenot- stand lindern? Zu diesen und weiteren spannenden Fragen haben die Teilnehmerinnen und Teil- nehmer intensive Gespräche geführt, die sicher viele von ihnen zum Weiterdenken animiert haben. Genau das wollen wir nun mit diesem Magazin erreichen – auch für Branchenkenner, die nicht dabei sein konnten. Wir haben viele Themen, die beim Forum zur Sprache kamen, vertieft und um neue Aspekte ergänzt. Sei es die Rolle von Humor im Krankenhaus, die Chancen von Medical Food, der Postbote als Pflegedienst oder der Medibus als mobile Arztpraxis: Auf den folgenden Seiten fin- den Sie innovative Gedanken für morgen. Für ein Gesundheitssystem, das uns gut tut. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. Andreas Joehle Dr. Chima Abuba Chief Executive Officer Senior Vice President der HARTMANN GRUPPE HARTMANN Deutschland 2 | Gedanken für morgen
4 6 10 Rettet das Gesund- „Der unsterbliche Ökonomie versus heitswesen! Aber nicht Mensch ist heute Medizin? Deutsche dieses – ein Gastbeitrag schon am Leben“ – Kliniken brauchen von Eckart von Hirsch- ein Interview mit beides! hausen Sven Gábor Jánszky 14 18 22 Neue Lebensmodelle Die Apotheke muss Krank auf dem Land: erfordern neue dort sein, wo der Hausärzte entlasten Versorgungsformen Kunde sie braucht und für den Beruf werben 26 30 Illusion oder Perspek- Pflege neu denken: Impressionen und Berichte tive? Die Pflege steht Wir brauchen Smart vom HARTMANN Zukunftsforum genau dazwischen Innovations! Ein Beitrag 2018 auch online unter https:// von Andreas Joehle zukunftsforum.hartmann.info Das Magazin zum HARTMANN Zukunftsforum 2018 | 3
Rettet das Gesundheitswesen! Aber nicht dieses … Früher war man ohne Arzt oft besser dran als mit. Das hat sich geändert. Aber heute sind die Ärzte und die Patienten schlecht dran ohne Pflege! Was wir gewinnen, wenn wir das Humane zurück in die Humanmedizin holen. Ein Gastbeitrag von Dr. Eckart von Hirschhausen E s war bezeichnenderweise ein Patient, der etwas an sich selber beobachtete und ins Rollen brachte. Der US-Journalist Norman Cou- Aber wenn die Pflege streikt, kommt keiner mehr vom Bett aufs Klo. Und nach zwölf Stunden ist jedem klar, was schlimmer ist. sins litt unter einer rheumatischen Erkrankung Alle reden von „personalisierter Medizin“, spa- der Wirbelsäule, die stationär behandelt wurde. ren aber gleichzeitig am Personal. Lärm, Neon- Von ihm stammt die wichtige Beobachtung: „Ein licht, Zeitdruck und schlechtes Essen – man muss Krankenhaus ist kein guter Ort für kranke Men- schon ziemlich gesund sein, um im Krankenhaus schen.“ Er buchte sich gegenüber der Klinik ein zu überleben, sowohl als Patient als auch als Mit- Hotelzimmer, lud abends, wenn die Therapien arbeiter. Im Gesundheitswesen arbeiten mehr vorbei waren, Freunde ein und schaute seine Menschen als in der Automobilindustrie – zynisch liebsten Videos von den Marx Brothers. Dabei könnte man die Automobilindustrie als einen bemerkte er, dass er nach dem gemeinsamen Zulieferer bezeichnen. Wir haben eines der bes- Lachen weniger Schmerzmittel brauchte. Das teilte ten und teuersten Gesundheitssysteme der Welt. er seinen Ärzten mit. Seine Biografie „Der Arzt in 2008 gründete von In den vergangenen Jahren hat sich daraus eine uns selbst“ wurde zum Bestseller – und zum Start- Hirschhausen die Industrie entwickelt, die versprach, immer effizi- schuss für den gezielten Einsatz von Humor im Stiftung HUMOR enter und ökonomischer zu handeln. Dabei hat HILFT HEILEN. Gesundheitswesen. sie sich aber von den Bedürfnissen der Patienten Sie bringt Clowns Der erste echte Klinikclown war Michael Chris- in Krankenhäuser, abgekoppelt: Es wird geröntgt und nicht geredet, tensen vom New Yorker Big Apple Circus. Eine setzt sich für die es wird operiert statt abgewartet, es werden teure seiner Mitarbeiterinnen, Laura Fernandez, brachte Weiterbildung von Medikamente entwickelt, statt dafür zu sorgen, diese Idee vor gut 20 Jahren nach Deutschland. Ärzten, Pflegekräf- dass Prävention in den Lebenswelten Krankheiten Inzwischen ist sie die künstlerische Leiterin meiner ten und Clowns verhindert. ein und fördert bundesweiten Stiftung HUMOR HILFT HEILEN. das therapeutische Lachen. Auch in Ein absurder Kreislauf seinen Büchern Die Ärzte in den Krankenhäusern sind frustriert, Alle reden von „personalisierter kombiniert von weil sie mehr oder minder direkt angehalten Medizin“, sparen aber gleichzeitig Hirschhausen Me- sind, Umsatz zu machen. Die Patienten fühlen am Personal dizin mit Humor. sich verloren, weil sie immer schneller durch die Maschine geschleust werden. Und die Pflege- Je länger ich die Humorarbeit unterstütze, desto kräfte und Menschen in anderen therapeutischen wichtiger werden mir die Pflegekräfte. Ausgerech- Berufen gehen auf dem Zahnfleisch, weil man an net die Idealistischen und Hochmotivierten bren- ihnen am einfachsten sparen kann. Zuerst geht nen am schnellsten aus, wenn ihre Ansprüche und die Motivation flöten, dann verlassen alle, die die Realität aufeinanderprallen. Und die Flexiblen eine andere Option haben, fluchtartig das System. und Mehrfachbegabten wechseln das Terrain, Deutsche Ärzte und Pflegekräfte wandern in die weil sie keine Aufstiegs- und Entwicklungschan- Schweiz und nach Skandinavien ab, weil sie hier cen sehen. Wenn Lokführer oder Piloten streiken, für sich keine Perspektive sehen. Dafür werben wir kommt man ein paar Tage nicht von A nach B. mühsam wieder Personal in Osteuropa, Spanien 4 | Gedanken für morgen
und Griechenland an, das sich hier schwertut. Ein absurder Kreislauf, der dazu führt, dass bald keiner mehr da ist, der Deutsch als Muttersprache spricht. Und das, obwohl sich alle einig sind, wie wichtig Zuhören, Sprechen und Kommunikation im Team für eine erfolgreiche Behandlung sind. Im Gegensatz zur Ärzteschaft hat die Pflege zu wenig Standesvertreter und politisches Gewicht Es braucht Wissen und Motivation, Teamentwick- lung und Führungskultur. Das geht aber nicht, wenn jeden Tag neue Leute einspringen, weil Stel- len chronisch unterbesetzt sind. Im Gegensatz zur Ärzteschaft hat die Pflege zu wenig Standesvertre- ter und politisches Gewicht. Deshalb finde ich es richtig, eine Bundespflegekammer zu etablieren, die Ausbildung zu akademisieren und aufzuwerten und öffentlich mehr Druck zu machen, sich die- sem großen Zukunftsthema anzunehmen, denn früher oder später sind wir alle davon abhängig, dass sich jemand um unsere Eltern, unsere Kinder oder um uns selber kümmert. Humor macht den Stress erträglich „Pflegezeit ist Lebenszeit!“ – Das sollte für beide Seiten, für Pflegebedürftige und Pflegekräfte, gel- ten. Im Krankenhaus spielen für die Atmosphäre auf Station untereinander und für die Beziehung zu kleinen und großen Patienten Humor und Spontaneität eine große Rolle. Viel davon lässt sich lernen und üben. Es geht nicht darum, sich zu verstellen oder sich lächerlich oder zum Clown zu machen – im Gegenteil. Die Wahrheit und die Situation sind oft viel komischer, wenn man sich traut, damit umzugehen. Humor heißt nicht, sich und den Anderen nicht ernst zu nehmen. Sondern den Stress erträglich zu machen. Humanmedizin heißt auch, dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, nicht perfekt zu sein, nicht zu funktionieren, Hilfe zu brauchen. Die Men- schen leiden manchmal mehr an den zu großen Erwartungen an das Leben als am Leben selbst. Es kann entlasten, wenn wir anerkennen, dass man eben nicht alles in der Hand hat. Und dass der Tod keine Beleidigung der medizinischen Kunst darstellt, sondern dass ein würdiges Sterben Arzt, TV-Moderator, Komiker, Autor und zum Leben und zur Medizin dazugehört. Mein Gründer der Stiftung HUMOR HILFT HEILEN: Lieblingscartoon dazu stammt von den Peanuts. Dr. Eckart von Hirschhausen vereint alles in einer Person. Am 13. Juni moderierte er in Hei- Charly Brown ist deprimiert und sagt: „Eines Tages denheim das HARTMANN Zukunftsforum 2018. werden wir alle sterben.“ Und Snoopy kontert: „Stimmt – aber an allen anderen Tagen nicht!“ Das Magazin zum HARTMANN Zukunftsforum 2018 | 5
Sven Gábor Jánszky ist Journalist, Politikwissen- schaftler, Gründer und Chairman von 2b AHEAD, einem deutschen Think-Tank und Trendinstitut. Er war einer der Referenten beim HARTMANN Zukunftsforum 2018. Im Interview spricht er über die Chancen von Medical Food und das menschliche Streben nach Selbstoptimierung. Sie haben beim HARTMANN Zukunfts- das Ergebnis eines falschen Lebensstils forum 2018 Ihren Vortrag mit der Pro- sind – werden seltener. gnose eröffnet, dass wir uns in Rich- Wir Zukunftsforscher gehen davon aus, tung Unsterblichkeit bewegen. Welche Und mithilfe dieser Technologien wer- dass beim Datenschutz der Zukunft Technologien können das ermöglichen den wir bald 150 Jahre alt. ein Computersystem genau erkennen und wie? Davon gehe ich aus. Hinzu kommt kann, welche Bedürfnisse ich habe. Fünf Technologien sind wichtig, wovon noch die fünfte Technologie: die Künst- Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ein die ersten vier medizinisch sind. Die liche Intelligenz. Es wird schon an der anderes Datenschutzbedürfnis haben erste ist die Genanalyse – die individu- Nachbildung des menschlichen Hirns als ich, ist sehr hoch. Denn das ist elle Sequenzierung einer menschlichen in einem Computer geforscht. Wenn sehr individuell. Technologie kann das DNA, mit der ich mein persönliches es in den nächsten 110 bis 120 Jahren erkennen und entsprechend reagieren. Genom bestimmen kann. Die Kosten möglich sein sollte, mein Bewusstsein Vermutlich werden aber diejenigen, die dafür werden voraussichtlich 2019 auf auf einem Rechner zu speichern, ist der keine Daten preisgeben, häufiger krank unter 100 Euro sinken. In spätestens erste Mensch, der unsterblich wird – und sterben früher – weil sie eben ihr fünf Jahren kann das jeder Mensch für nicht mit seinem Körper, aber im Com- Verhalten nicht anpassen können. Der sich nutzen. Die zweite Technologie ist puter – schon heute am Leben. Nutzen, zehn bis 20 Jahre länger zu das Genediting – das Bearbeiten und leben, steht dem Risiko gegenüber, Reparieren einer DNA mit dem Ziel, Welches werden die größten Heraus dass die Krankenversicherung vielleicht Gendefekte herauszuschneiden. Das forderungen sein, denen sich die zehn Euro mehr im Jahr kostet. Für was Instrument dazu, das CRISPR / Cas-Sys- Gesundheitsbranche stellen muss – entscheiden Sie sich? Diese Abwägung tem, funktioniert ja bereits. In zehn bis und inwiefern werden Innovationen trifft jeder für sich. Meine Prognose ist 20 Jahren wird es massentauglich sein, dabei eine Rolle spielen? aber: Der Nutzen wird so hoch sein, ich kann also bei Bedarf meine Gene Die größte technologische Herausfor- dass die Menschen sich darauf ein- optimieren. Als Drittes ist die Ersatzteil- derung sind Echtzeitdaten. Der Patient lassen, selbst wenn es zehn Euro im produktion zu nennen. Dabei nimmt wird künftig jederzeit wissen, zu wie Monat mehr kostet. man einige Zellen aus dem Körper, viel Prozent er vom Normalzustand vervielfältigt diese – und daraus ent- abweicht. Mit dieser Information geht Ihrer Meinung nach wird das stehen per 3D-Druck die gewünschten er nicht zum Arzt, sondern in seine „Predictive Hospital“ das Krankenhaus Organe. Mit Adern hat das schon Küche – und nimmt etwas zu sich, was der Zukunft sein. Was bedeutet das geklappt. Es ist sehr wahrscheinlich, diese Abweichung auflöst, ihn gesund konkret? dass in 20 bis 30 Jahren bezahlbare macht. Womit wir wieder beim Medi- Die Logik dahinter ist einfach: Alles, Produkte existieren. Die vierte Techno- cal Food wären. Die Nahrungsmittel- was gemessen werden kann, kann logie ist Medical Food, medizinische branche wird in die Gesundheitsbran- auch prognostiziert werden. In all Nahrung. Anhand meiner eigenen che einbrechen und viele Nutzen und diesen Daten kann ich Muster erken- Genanalyse kann ich ableiten, wie der Funktionen übernehmen. Darauf muss nen und sie voraussagen – also auch ideale Bakterienmix in meinem Darm sich Letztere einstellen und ein neues den Zustand eines Körpers in naher sein muss, damit die in mir angelegten Selbstverständnis finden. Zukunft. Genauso lassen sich die Pro- Krankheiten nicht ausbrechen. Ich kann zesse in einem Krankenhaus prognosti- also künftig jeden Tag die Abweichung Wie ist diese zunehmende Bedeu- zieren. Wo brauche ich Werkzeug A, zu zum Idealzustand korrigieren. Die typi- tung von aktuellen Echtzeitdaten mit welcher Uhrzeit und wo muss Patient schen Lifestyle-Krankheiten – all jene, unserem Streben nach Datenschutz B stehen? Wenn ich das mit einer Soft- die nicht genetisch angelegt, sondern vereinbar? ware mache – in Supermärkten ist das Das Magazin zum HARTMANN Zukunftsforum 2018 | 7
Vier medizinische Technologien, die uns laut Automatisierung: Etwas Analoges zu digitalisieren, damit die Abwicklung Sven Gábor Jánszky der Unsterblichkeit näherbringen schneller geht. Das muss passieren und das tut es auch, aber das ist nicht das Wesen von Digitalisierung. Digitalisie- 1 rung bedeutet, Daten zu erheben, die eine Prognose über künftige Zustände zulassen, und so Prozesse und Pro- dukte besser zu machen, sie an den Gen- + A T G C analyse Kunden anzupassen. Wenn ich die Pro- gnose habe, dass mein Körper heute Individuelle Abend fünf Prozent kränker sein wird, Sequenzie- als er jetzt ist, werde ich nicht bis dahin rung der warten, sondern direkt etwas tun, um mensch- das zu verhindern. Ich bekomme also lichen DNA die Möglichkeit, mein Verhalten per- manent zu optimieren. GENALANYSE schon Realität – werden die Prozesse die eigentlich ein Mensch mir geben In naher Zukunft werden Computer so verändert. InSequenzierung Individuelle Unternehmenderkann man menschlichen könnte. DNA schlau sein wie wir Menschen. Schon damit 30 Prozent Kosten sparen. Für mich ist das die Frage nach Alter- jetzt können Quantencomputer mehr nativen. Auch mir wäre es am liebsten, als der Supercomputer Watson, der Die Gesundheitsbranche gilt als starker wenn jeder Kranke oder jeder, der zum Beispiel Krebs diagnostizieren Treiber der Digitalisierung, weil sie dort gepflegt werden muss, 24 Stunden am kann. Wo wird Künstliche Intelligenz einen großen Nutzen hat. Sie gehen Tag einen anderen Menschen um sich den Menschen ersetzen – und wo sind davon aus, dass die Branche bereits in herum hätte. Aber das ist nicht realis- ihre Grenzen? zehn Jahren komplett digitalisiert sein tisch. Was ist besser – allein sein oder In zwei Bereichen wird mittelfristig eine wird. Wie stellen Sie sich dann etwa einen digitalen Assistenten haben? Substitution stattfinden. Das eine sind den Alltag einer Pflegekraft vor? Ich glaube Letzteres. Routinetätigkeiten wie Autofahren Ich glaube, dass sich an der Hauptauf- oder eine Maschine bedienen: Immer gabe, der Hinwendung zum Patienten, Ist die Digitalisierung auch die Lösung gleiche Muster folgen bestimmten nichts ändern wird – außer, dass die für den derzeit viel diskutierten Regeln. Aber auch Expertenberufe Pflegekraft mehr Zeit dafür hat. Tätig- Pflegenotstand? lassen sich ersetzen, denn Computer keiten wie schweres Heben werden Natürlich können wir nicht alle Pflege- werden in ein paar Jahren schlicht Roboter übernehmen. Die größte Ver- kräfte abschaffen und durch Digita- mehr Wissen gespeichert haben und änderung ist, dass die Pflegekraft mehr les ersetzen, aber wir können ihnen besser damit umgehen können als das Daten vom Patienten hat. Nicht nur maschinenmachbare Arbeit abnehmen menschliche Hirn. Was nicht Krankheitsdaten, auch Informationen und ihnen mehr Zeit geben für das, verschwindet, sind Tätigkei- zum Emotionszustand – was bisher nur was zählt: das Menschliche. Das wird 2 mithilfe von Erfahrungswerten oder nicht das Pflegeproblem an sich dem eigenen Bauchgefühl gedeutet lösen, aber es kann ein Teil werden konnte. Die Arbeit der Pflege- der Lösung sein. kraft wird sich dadurch verbessern. Außerdem wird sie natürlich nicht rund Wo ist der Unterschied Ersatzteil- um die Uhr bei einem Patienten sein. zwischen Digitalisierung produktion Dieser wird einen digitalen Assistenten, und Automatisierung? eine digitale Pflegekraft haben, mit der In den allermeisten Bran- Organe per er auch problemlos sprechen kann. chendiskussionen treffe ich 3D-Druck auf den Irrglauben, dass nachbauen Dazu gibt es auch kritische Stimmen Digitalisierung bedeuten wie die von Eckart von Hirschhausen. würde, man muss jedem Der Vorwurf: Es sei nicht mehr sinnstif- ein Tablet in die Hand tend, wenn ein Computer sich mit mir drücken und alle Zettel unterhält und mir die Zuwendung gibt, einscannen. Aber das ist 8 | Gedanken für morgen ERSATZTEILPRODUKTION Organe per 3D-Druck nachbauen
nachvollziehen puterchip in meine Hand implantieren können, wird das lassen. Kostenpunkt: 100 Euro. Damit Leben menschlicher. kann ich Türen öffnen, wenn das Haus Ich glaube, wir werden eine entsprechende Schließanlage hat, einen besseren Zugang und wichtige Daten speichern. Die 3 zu unseren Emotionen kann ich auslesen, indem ich sie an finden und sie vielleicht ein Handy halte. Bald wird man damit sogar besser steuern auch bezahlen können. Und irgend- können. wann werden die Chips Körperdaten Genediting nicht nur speichern, sondern auch Was ist mit all jenen, die selbst messen. So kennen Menschen Bearbeiten & Reparieren einer DNA GENEDITING sich diese neuen Techno- ständig die Echtzeitdaten ihres Körpers Bearbeiten ung Reparieren einer DNA logien nicht leisten können? Wird nicht und können darauf reagieren. ten, die mit Zuwendung zu tun haben nur ein kleiner Teil der Gesellschaft – und alles, was anderen Menschen etwa von einer Genanalyse profitieren? Aber es wird auch Menschen geben, Identität gibt, etwa Coaching-Berufe: Digitale Technologie folgt einer expo- die das alles nicht mitmachen wollen. den anderen verstehen, ihn begleiten, nentiellen Entwicklung: Spätestens alle Ja, das wird zwar eine Minderheit ihn dazu bewegen, sich zu verändern zwei Jahre verdoppelt sich die Qualität sein, aber es wird sie geben. Diese und neue Wege zu gehen. und halbiert sich der Preis. All diese Menschen werden sich gegen Ende Technologien werden also irgendwann dieses Jahrhunderts wohl ihre eigenen Dieses Bedürfnis der Menschen, sich in den Cent-Bereich rutschen. Zudem technologiefernen Ressorts geschaf- zu optimieren, schafft Raum für neue sind die allermeisten der Technologien fen haben. Wir kennen das aus der Geschäftsmodelle. Wo sehen Sie die nur dann sinnvoll für Hersteller, wenn Geschichte von Klöstern, Ökodörfern, größten Wachstumschancen? sie diese in den Massenmarkt bringen. Gated Communities in den USA oder An den Trend zum Medical Food schlie- Natürlich werden die Industrieländer dem spießig-deutschen Blumenau ßen „Geschäftsmodelle der Unsterb- am ehesten davon profitieren – aber im brasilianischen Urwald. In Zukunft lichkeit“ an. Das Streben des Menschen langfristig gilt das für alle. Die Produk- werden sich solche Communities der nach ewigem Leben ist seit Urzeiten in tion von Ersatzteilorganen hat zuge- Allmacht der Computer ergeben und uns angelegt. Auch ohne die Digitali- gebenermaßen nicht viel mit digitaler akzeptieren, dass diese schlauer sind sierung ist die Lebensspanne des Men- Technologie zu tun. Das Klonen von – in ihrem Ressort aber die Nutzung schen wahnsinnig gestiegen – alle zehn Gewebezellen ist am Anfang noch von Handys verbieten. Die Mehr- Jahre um zwei bis 2,5 Jahre. Techno- teuer. Da ist es eine Frage des Sozial- heit der Menschen wird das jedoch logien, die dem Menschen ein längeres systems, alle über die Krankenversiche- nicht machen, sondern versuchen, Leben ermöglichen, werden extrem rung daran teilhaben zu lassen. die intelligenteste Spezies der Welt zu wertvoll sein und große Wachstums- bleiben. Sie werden es als Teil der nor- chancen für die Wirtschaft und den Welche neuen Möglichkeiten würden malen Evolution sehen. Das ist keine gesamten Gesundheitsbereich bringen. Sie auch selbst nutzen? Science-Fiction. All die Dinge, die ich genannt habe. 4 Während des Zukunftsforums war Wenn ich dadurch länger leben und immer wieder die Rede davon, dass in meine Kinder und Enkelkinder länger Medical Food der Medizin zunehmend die Mensch- erleben darf, finde ich das Dank spezieller lichkeit verloren geht. großartig. Spannend ist für Nahrung zum Das halte ich für ein großes Miss- mich vor allem diese Frage: idealen Bakterien- verständnis. Meiner Meinung nach Was tun wir mit unserem Kör- mix im Darm ist genau das Gegenteil der Fall. Die per, wenn wir irgendwann zur Digitalisierung macht den Menschen zweitintelligentesten Spezies menschlicher. Das hängt natürlich geworden sind, wenn Compu- auch von Ihrer Definition von Mensch- ter intelligenter sind als Men- lichkeit ab. Wenn Sie glauben, dass schen? Akzeptieren wir das und der Mensch trotz seinen Limitationen lassen die Computer einfach jetzt schon im Idealzustand ist, wird machen? Ich glaube nicht. Wir die Welt unmenschlicher. Wenn Sie werden diese Computertechnik aber das Streben nach einem länge- in unsere Körper hineinlassen. Ich ren Leben, nach Selbstverwirklichung habe mir vor Kurzem einen Com- Das Magazin zum HARTMANN Zukunftsforum 2018 | 9 MEDICAL FOOD Dank spezieller Nahrung zum
Ökonomie zustellen. Gute Pflege benötigt eben auch die entsprechenden finanziellen Mittel. Das gilt für private Einrichtun- versus Medizin? gen genauso wie für öffentliche und konfessionelle. Deutsche Kliniken Falsche Anreize aus der Politik brauchen beides! Ebenfalls einig waren sich Holzinger und Mörsberger darin, dass die Politik seit Jahren falsche Anreize gibt. Sie wirke „nicht positiv gestaltend auf einzelne Krankenhäuser, sondern ver- Rückt der Fokus des Krankenhausmanagements folgt das eindimensionale Ziel der kurzfristigen Kostensenkung, meist auf ökonomische Ziele die Ethik der Patienten- über Eingriffe in das Entgeltsystem. Die versorgung wirklich in den Hintergrund? Kannibalisierung von Krankenhäusern ist die Folge und das gewollte Ergebnis Nein – denn ökonomischer Erfolg ist eine der Politik“, kritisierte Mörsberger mit notwendige Voraussetzung für qualitativ hoch- Blick auf das seit 2004 praktizierte leis- tungsorientierte und pauschalierende wertige Pflege. Und das gilt für alle Träger. Vergütungssystem G-DRG (German Diagnosis Related Groups), mit dem stationäre sowie mitunter teilstationäre I m Klinikalltag arbeiten Ärzte und Pflegekräfte im Spannungsfeld zwi- schen medizinischen, regulatorischen in deutschen Krankenhäusern deut- lich zugenommen. 707 waren es nach Angaben des Statistik-Portals statista Krankenhausleistungen nach diagnose- bezogenen Fallgruppen abgerechnet werden. und ökonomischen Aspekten der Pati- im Jahr 2016 – das sind 221 mehr Krankenkassen bezahlen die Kliniken entenversorgung. Private Träger wer- als noch 16 Jahre zuvor. Im gleichen also nicht nach Liegezeit und indivi- den oft mit dem Vorurteil konfrontiert, Zeitraum ist die Anzahl der freige- duellem Aufwand für die Patienten, sich primär an ökonomischen Zielen meinnützigen (von 912 auf 674) und sondern nach den durchschnittlichen statt an Patienten- und Personalbedürf- öffentlichen (von 844 auf 570) Einrich- Behandlungskosten für ihre Krank- nissen zu orientieren. Als Indikatoren tungen gesunken. Private Träger haben heit. Diese Fallpauschalen haben in hierfür gelten etwa die unterstellte unrentable Kliniken übernommen mit Krankenhäusern zu einer strikten Öko- Konzentration auf Hochkostenpatien- dem Ziel, diese wieder wirtschaftlich nomisierung geführt – je kürzer ein ten, Zielvereinbarungen und Erfolgs- zu machen – was in vielen Fällen auch Patient auf Station ist, desto höher der beteiligungen mit Chefärzten, Out- gelungen ist. Professionelles Manage- Ertrag. Den vom Statistischen Bundes- sourcing von Dienstleistungen oder die ment und die gesteigerte Effizienz amt veröffentlichten Grunddaten der Arbeitsverdichtung in der Pflege. haben zum Erfolg beigetragen. Aber auch freigemeinnützige und Wird das Krankenhaus der Zukunft öffentliche Träger geraten zunehmend also durch eine ökonomische Orien unter Rechtfertigungsdruck. Ihnen wird tierung geprägt sein – nicht zuletzt, vorgeworfen, wirtschaftliche Aspekte weil die knappen Ressourcen einen zu wenig zu berücksichtigen, auch patientenorientierten Fokus kaum noch unwirtschaftliche Häuser weiterzu- möglich machen? führen, sich bei Unterfinanzierung aus Die Klinikvertreter Stephan Holzinger öffentlichen Geldern quer zu finan- und Andreas Mörsberger sehen keinen zieren und nur in ethisch-moralischen Gegensatz zwischen Ökonomie und Kategorien zu denken. Medizin. Beides muss Hand in Hand Über die Zukunft der deutschen Kliniken gehen, um den größten Herausforde- diskutierten beim HARTMANN Zukunfts Private Träger übernehmen rungen im Gesundheitswesen – demo- forum 2018 Stephan Holzinger, Vor- unrentable Kliniken standsvorsitzender der RHÖN-KLINIKUM grafischer Wandel, Fachkräftemangel AG, und Andreas Mörsberger, Vorstand Fakt ist: In den vergangenen Jahren hat und Digitalisierung – zu begegnen und Finanzen der Paul Gerhardt Diakonie gAG. die Anzahl der privaten Trägerschaften auch künftig das Patientenwohl sicher- 10 | Gedanken für morgen
Klinik Technik oder Menschen? Effizienz oder Zuwendung? Nur in Kombination werden Kliniken bestehen können. Krankenhäuser zufolge sind die Fallzahlen seit der der medizinischen Dienste. Zudem ent- Abrechnungsumstellung um rund 2,65 Millionen 2000 falle bei einer Selbstkostenerstattung auf zuletzt rund 19,45 Millionen gestiegen. Zwar der Pflegekosten jeder Anreiz zur effi 486 ist die Zahl der Pflegevollkräfte in Kliniken in den zienten Organisation der Pflege. vergangenen zehn Jahren schrittweise auf aktuell 844 328.500 gestiegen, dennoch verschärft der demo- Solide Investitions grafische Wandel die Situation: In den Klinikbetten 912 bedingungen nötig liegen zunehmend Multimorbide, Demenzkranke Für Stephan Holzinger sind die jüngs- und Schwerstpflegebedürftige. Als Konsequenz für ten politischen Entscheidungen ledig- alle deutschen Kliniken sieht Mörsberger den wei- 2016 lich „Heißluftballone“. Die Loslösung ter steigenden Rationalisierungsdruck und – damit der Pflege von anderen Gesundheits- einhergehend – die Notwendigkeit, Strategien an dienstleistungen widerspreche dem 570 707 ökonomischen Prämissen auszurichten. Ansatz eines umfassenden Gesund- Die Ankündigung von Union und SPD im Feb- heitssystems. Er wünscht sich von der ruar 2018, dass künftig „Pflegepersonalkosten 674 Politik ein anderes Vergütungssystem besser und unabhängig von Fallpauschalen vergü- und solide Investitionsbedingungen. tet“ werden sollen mit dem Ziel, dem Sparzwang Beides sei wegen der digitalen Trans- entgegenzuwirken, stieß zwar auf viel positive Zahl der Krankenhäuser formation dringender denn je erfor- Resonanz. Aber manche Experten sehen das Vor- in Deutschland derlich. „Schaffen wir diesen Wandel private haben auch kritisch. Nach Ansicht des Gesund- nicht, stehen angesichts des weiter freigemeinnützige heitsökonomen Prof. Dr. Boris Augurzky etwa öffentliche zunehmenden demografischen Drucks treibe die Politik damit einen Keil in die Teamarbeit spätestens ab 2024 wahre Horrorsze- Das Magazin zum HARTMANN Zukunftsforum 2018 | 11
narien am gesellschaftlichen Horizont. Wie Kliniken durch Vernetzung effizienter werden Durchaus denkbar ist dann die Ratio- nierung von Gesundheitsleistungen – Der Klinikverbund Südwest zeigt, zum Beispiel keine neuen Hüftgelenke dass Effizienz keine Domäne der Priva- mehr für Über-75-Jährige. Das wäre ein ten sein muss. Im Jahr 2006 schlossen ultimatives Armutszeugnis für eines der sich die Krankenhäuser in Böblingen, Calw, Herrenberg, Leonberg, Nagold reichsten Länder der Erde.“ und Sindelfingen zu einem der größten Investitionen halten beide Klinik- und leistungsfähigsten kommunalen vertreter für absolut notwendig, um Krankenhausverbünde in Baden-Würt- die Zukunft ihrer Häuser zu sichern. temberg zusammen. Er verfügt zudem Leonberg Die RHÖN-KLINIKUM AG sieht sich über ein verbundeigenes Therapie- hierfür dank einer hohen Eigen- zentrum und vier medizinische Versor- gungszentren. Aus den konkurrieren- auf. Vorsorge, Calw Sindelfingen kapitalquote gut aufgestellt und den Häusern hat sich ein erfolgreicher Behandlung, Böblingen treibt die digitale Transformation Klinikverbund mit mehr als 1.500 Plan- Rehabilitation voran, um Prozesse effizienter zu Herrenberg betten entwickelt, an dem jährlich rund und Pflege gestalten, Ärzte und Pflegekräfte 80.000 Patienten stationär und bis zu werden fließend zu entlasten und Patienten noch 300.000 ambulant behandelt werden. ineinander über- Nagold gehen. Auf einem besser zu behandeln. Am weitesten Wissensaustausch fördern Klinikgelände werden fortgeschritten ist das Medical Cock- Für die kommenden sechs Jahre sind ambulante und stationäre pit, eine intelligente Suchmaschine, die Investitionen in Höhe von mehr als Angebote sowie eine Vielzahl medizini- die Datenflut aus Arztbriefen, Röntgen- 700 Millionen Euro geplant. Um den scher Service- und Vorsorgeleistungen, befunden und OP-Berichten aufbereitet Wissensaustausch zwischen den Klini- die bisher räumlich und systemisch und dem behandelnden medizinischen ken zu fördern, Behandlungsstandards getrennt waren, miteinander verzahnt: festzulegen und den Patienten die Fort- der niedergelassene Facharzt, die Klinik, Personal auf einer Plattform einen schritte in der Medizin zeitnah zur Ver- die Rehabilitation und die Pflege. schnelleren, umfassenden Über- fügung stellen zu können, werden die blick ermöglicht. Ein Großprojekt der Kompetenzen in standortübergreifen- Digitaler Anamnesebogen RHÖN-KLINIKUM AG ist darüber hinaus den Fachzentren und Netzwerken ver- Die digitale Vernetzung aller Akteure der Campus Bad Neustadt (siehe Info- stärkt gebündelt. Solche Fachzentren – mit intelligenten IT-Lösungen und sind bereits in zwölf Behandlungssek Kommunikationssystemen für den ärzt- kasten) – ein Modell, das Holzinger toren etabliert, etwa in der Gastroente- lichen, pflegerischen und Verwaltungs- auch als Lösung für die medizinische rologie, Onkologie und Kardiologie. bereich – ist dabei unverzichtbar. Dazu Versorgung im ländlichen Raum sieht. Auf Synergien setzt auch die zählen die elektronische Patientenakte RHÖN-KLINIKUM AG. Der Klinikbe- oder ein digitaler Anamnesebogen, der „Wir können Pflegekräfte treiber errichtet in Bad Neustadt a. d. von allen Ärzten und Pflegekräften des weder backen noch Saale derzeit einen hochmodernen, Campus jederzeit abrufbar ist. Auch entführen“ vernetzten Medizinkomplex, den das Medical Cockpit – ein digitales Sys- Campus Bad Neustadt. Ziel ist, mit tem, das die relevanten Patientendaten Digitale Technologien wie intelligente diesem sektorenübergreifenden und zusammenfasst – soll den Behand- Pflegebetten, die mittels Sensorik die integrativen Ansatz die Gesundheitsver- lungsprozess beschleunigen. Auch Sicherheit und Mobilisation bettläge sorgung im ländlichen Raum zu sichern Technologien der Telemedizin werden riger Patienten überwachen, oder und Patienten eine wohnortnahe medi- eine wichtige Rolle spielen – etwa Car- zinische Versorgung anzubieten. Eine dio-Secur zur Unterstützung der Nach- Exo-Skelette – eine äußere Stützstruk- viertel Milliarde Euro hat das Unterneh- sorge kardiologischer Patienten oder tur, die Patienten als Geh-Assistenz men in das Projekt investiert. Anfang TeleStroke zur Übermittlung relevanter dient – können laut Holzinger auch die 2019 nimmt der Campus seinen Betrieb Daten von Schlaganfallpatienten noch Effizienz steigern. Gleiches gilt für die vor Eintreffen in der Klinik. Auslagerung von Tätigkeitsbereichen wie Wäscherei und Essensauslieferung, die keine examinierte Pflegekraft erfor- dern. Der Einsatz von Robotik oder Apps setze aber auch einen Kulturwan- del voraus. Beide Ansätze hätten letzt- lich auch das Ziel, das eigene Personal zu entlasten und zu unterstützen. Das ist dringend nötig, denn der Fachkräftemangel – insbesondere in der Pflege – stellt das Gesundheits- 12 | Gedanken für morgen
Klinik wesen vor massive Herausforderungen. Beide Klinikvertreter glauben nicht an Digitalisierung als Chance eine politische Lösung, sondern setzen auf Eigeninitiative und mutige Ansätze, um die Arbeitsattraktivität in ihren 60 % 58 % Häusern zu steigern. Sie bieten etwa der Klinikmanager setzen zur für ihr Personal Resilienz-Kurse an, in gehen von einer Ergebnisver- Eintrübung ihrer besserung auf denen durch Achtsamkeits- und Ent- wirtschaftlichen Digitalisierungs- spannungsübungen das Wohlbefinden Rahmenbedingungen maßnahmen … und die psychische Widerstandskraft aus gestärkt werden. Laut Holzinger muss das Problem des Fachkräftemangels im eigenen Land gelöst werden: „Wir kön- 40 % nen Pflegekräfte weder backen noch der Kliniken entführen. Deswegen setzen wir neben haben 2016 attraktiven Entwicklungsmöglichkeiten keinen Überschuss unserer Mitarbeiter auf interdiszipli- erwirtschaftet 31 näre, klinikübergreifende Zusammenar- % beit im Team – ein zentraler Bestandteil 17 unserer Personalstrategie.” % Für Mörsberger ist die derzeitige 2016 2017 Situation „nur die Spitze des Eisbergs“. … und erzielen Deutsche Kliniken seien auf den zuneh- zunehmend menden Anteil von Frauen in der medi- signifikante wirtschaftliche zinisch-pflegerischen Arbeitswelt oder 89 % Wertbeiträge veränderte Erwartungen von Mitarbei- tern unzureichend vorbereitet. Daher seien alle Krankenhäuser gleicherma- haben eine Digitalisierungsstrategie ßen gefordert, ihre Arbeitsbedingun- gen durch gute Arbeitsorganisation Quelle: Roland Berger Krankenhausstudie 2017. sowie Personalführungs- und -entwick- Befragt wurden Topmanager der 500 größten Krankenhäuser in Deutschland. lungsprogramme zu verbessern. Auch die Industrie könne als Wertschöp- fungspartner genutzt werden. Holzin- gungsqualität der Patienten, schaffen sie eigentlich verdient. Über Jahrzehnte ger sieht etwa große Potenziale in der durch Zeitgewinn einen messbaren hinweg sind die Ausgaben für das Zusammenarbeit bei der Implementie- Mehrwert für Fachkräfte und haben Gesundheitswesen als Prozentsatz vom rung von Robotik im medizinisch-pfle- einen positiven wirtschaftlichen Effekt. Bruttosozialprodukt konstant geblie- gerischen Alltag. ben. In der gleichen Zeit ist allerdings Was jedoch auch für smarte Inno- Drehen wir an den die Diagnostik fortgeschritten, Krank- vationen gelten muss: Sie sind einfach richtigen Schrauben? heiten haben sich verändert, die Liege- anzuwenden, leicht in den Arbeitsalltag Vielleicht hat Gesundheit in Deutsch- zeiten der Patienten wurden immer integrierbar, verbessern die Versor- land noch nicht den Stellenwert, den geringer und die Belastung wird immer höher. Die Qualität der Pflege ist abhängig Mit Pflegesoftware vom Erreichen ökonomischer Ziele. zum optimalen Workflow Wer nicht ökonomisch handelt, kann sich folglich auch keine Das Start-up NursIT Institute hat mit CareIT Pro eine höheren Löhne leisten, in mehr Software entwickelt, mit deren Hilfe Pflegekräfte nach eigenen Angaben 60 Minuten pro Patient und Personal investieren oder ein pro Tag sparen können. Die Software optimiert den attraktives Fortbildungsangebot Pflege-Workflow und reduziert die Dokumentation, machen. Das System ist nicht weil etwa der Pflegeplan und der Pflegekomplex- per se ineffizient – die Frage maßnahmen-Score automatisch generiert werden. lautet vielmehr: Drehen wir Mehr Infos unter http://nursit-institute.de an den richtigen Schrauben? Das Magazin zum HARTMANN Zukunftsforum 2018 | 13
Neue Lebensmodelle erfordern neue Versorgungsformen Pflegeeinrichtungen werden sich verändern. Das Angebot wird heterogener – mit kleinteiligeren und flexibleren Versorgungs formen. Die finanziellen Möglichkeiten der Pflegebedürftigen müssen dabei im Fokus bleiben. W ir leben immer länger, haben einen höhe- ren Lebensstandard und auch eine andere Vorstellung davon, wie wir unsere letzten Jahre meinnützigen Einrichtungen üblich. Dies verdeut- lichen die massiven Investitionen ausländischer Investoren in den deutschen Pflegeheimmarkt der verbringen möchten. Das liegt nicht zuletzt vergangenen Jahre. daran, dass die Erwerbsbiografie künftiger Rentner eine andere ist als die der Kriegs- 44 Klassisches Altenheim als Auslaufmodell? % generation. Der demografische Wandel erfor- dert neue Konzepte, damit Deutschland die Einer der großen Player in Europa ist die französi- Zunahme Pflegebedürftiger bewältigen kann. sche Orpea-Gruppe mit europaweit fast 800 Ein- Dabei geht es nicht nur um mehr Pflegeeinrichtun- richtungen. Orpea Deutschland gehört mit seinen In nur 16 Jahren gen, sondern auch um die Entwicklung neuer, fle- zehn Marken zu den größten privaten Anbietern stieg die Zahl der xibler Versorgungsformen. Denn die ältere Gene- deutschen Pfle- von Seniorenhäusern mit stationärer Pflege. Die ration möchte möglichst lange selbstbestimmt geheimplätze um 165 Einrichtungen tragen dabei individuelle, in der leben – und kommt auch immer später ins Heim. 44 %. Die meisten Region seit Langem bekannte Namen. Für CEO Durch den Wunsch nach Entscheidungsfreiheit entstanden bei Dr. Erik Hamann ist das klassische Altenheim privaten Trä- und einer an die individuellen Bedürfnisse ange- dennoch ein Auslaufmodell. Die jetzt alternde gern, deren Ange- passten Betreuung ist das Angebot heterogener bot um 118 % Generation brauche ein anderes Produkt – nicht geworden. Zudem sind aufgrund des Primats auf rund 360.000 zuletzt deshalb, weil „immer mehr Menschen „ambulant vor stationär“ neue Versorgungsformen Plätze wuchs. keine Angehörigen haben oder von diesen nicht wie Tages- und Kurzzeitpflege, Mehrgeneratio- (Quelle: GBE-Bund) erwarten (können), dass sie sie pflegen“. nenwohnen, Seniorenwohngemeinschaften und Der Trend geht zu sogenannten Campus- Pflegegruppen entstanden. Auch die Träger der Modellen oder dem Quartierwohnen – Kon- stationären Altenpflege haben ihr Versorgungs- spektrum um entsprechende Angebote erweitert. Doch welche Formen der vollstationären Alten- 118 zepte, die an einem Standort zahlreiche Zusatz- services über ambulante Pflege, Tagespflege % bis hin zu einer vollstationären Pflege anbieten. pflege werden wir in Zukunft noch brauchen – Das Pflegeheim als integraler Bestandteil einer und vor welchen Herausforderungen stehen die mehrstufigen, durchlässigen Versorgungskette. Träger dieser Einrichtungen? Etwa die Hälfte aller Auch für Hamann stehen solche Konzepte im Pflegeheime befindet sich in privater Trägerschaft. Vordergrund, wie das von Orpea in Dortmund Hier sind höhere Renditeerwartungen als in freige- geplante Campus-Modell an der Uferpromenade 14 | Gedanken für morgen
Alten- und Pflegeheime des Phoenix-Sees beweist. Auch dort wächst das Pflege, doch künftig seien flexible, ineinandergrei- Angebot mit den Anforderungen der Bewohner. fende Konzepte gefragt. Seiner Einschätzung nach Wichtig sind laut Hamann dabei Kriterien wie können sich 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung die die Architektur und Angebote wie Fitness- und Unterbringung auf einem Campus leisten. „Das Wellnesseinrichtungen oder ein Restaurant. Auch sind Menschen, die sich auch etwas gönnen wol- die Lage ist entscheidend – solch ein Campus len.“ Die Nachfrage habe sich geändert. müsse mitten im Leben stehen. „Als Paket muss Es muss jedoch gewährleistet sein, dass auch alles zusammen auch für aktive Senioren attraktiv finanziell Schwächere eine gute Pflegequalität sein, die nicht permanent mit Altwerden und Ster- erfahren. Vor allem in großen Städten können sich ben konfrontiert werden möchten“, so Hamann. pflegebedürftige Menschen in Deutschland die Dies bedeute zwar nicht das Ende der stationären ambulante oder stationäre Versorgung oft nicht „Call & Check“ – die Post als Pflegedienst Wir brauchen neue Ideen für die häusliche Medikamente oder Arzttermine erinnern. der die Infrastruktur eines Postdienst- Pflege, denn die Anforderungen der altern- Das Feedback der Kunden ist laut Dickin- leisters nutzt. Ein Dienst, der letztlich den Bevölkerung steigen. Joe Dickinson son sehr positiv. Das Gesundheitsamt von für die Gesundheits- und Sozialbehörden hatte 2013 eine solch innovative Idee – Jersey finanziert „Call & Check“ inzwischen. genauso bedeutend sein kann wie für das und machte den Praxistest auf der Kanalinsel „Call & Check“, zu dem auch ein eigenes Postwesen an sich, denn in Zeiten von Jersey mit seinem Service „Call & Check“: IT-System gehört, ist der erste soziale Dienst, E-Mails und Packstationen müssen auch Dort besuchen Zusteller der Jersey Post Postbetreiber ihre Dienstleistungen weiter- während ihrer normalen Touren ältere Men- entwickeln. „Call & Check“ hat das Potenzial, schen und fragen sie, wie es ihnen geht Kernelement eines neuen, kosteneffektive- und ob sie medizinische oder soziale Hilfe ren Pflegedienstes zu werden. Auch andere benötigen – täglich, wöchentlich oder nach Länder haben bereits Interesse signalisiert, individueller Vereinbarung. ähnliche Programme zu entwickeln – das Hat der Kunde ein Anliegen, leitet der „Call & Check“-Team berät sie dabei. Postmitarbeiter die Information an die pas- Mehr Informationen unter http://www. sende Stelle weiter: den Arzt, die Kirchenge- callandcheck.com und ein Beitrag der meinde oder einen ehrenamtlichen Dienst. BBC unter http://dpaq.de/OpAgr. Fragen Die Zusteller können zudem regelmäßige beantwortet Joe Dickinson auch per Mail: Verschreibungen liefern und Kunden an joe@callandcheck.com. Das Magazin zum HARTMANN Zukunftsforum 2018 | 15
mehr leisten, wie eine aktuelle Auswertung des habe hier einen großen Nachholbedarf, betonte Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) der Orpea-Manager und nannte als Beispiel die zeigt. In Großstädten bezieht rund ein Viertel der Einführung einheitlicher Softwarelösungen, um die Menschen, die gepflegt werden, die Sozialleistung Mitarbeiter zu entlasten – und damit auch mehr „Hilfe zur Pflege“ – Spitzenreiter ist Hamburg mit Zeit für die Betreuung der Bewohner zu erhalten. 25,6 Prozent, knapp dahinter folgen Essen, Frank- Der Entlastung der Mitarbeiter kommt eine furt am Main und Berlin. Im bundesweiten Schnitt hohe Bedeutung zu, denn zum einen wird die nehmen 12,2 Prozent derer, die gepflegt werden, Anzahl schwerstpflegebedürftiger Bewohner die Leistung in Anspruch. zunehmen, zum anderen wird sich der Kampf um Deswegen wird es auch in Zukunft „normale“ Fachpersonal verschärfen. Einrichtungen, die mehr Altenheime geben: „Auch wir haben Pflegeheime Gehalt zahlen und bessere Arbeitsbedingungen mit einem Anteil von 40 Prozent Sozialhilfeemp- bieten, werden dann die Gewinner sein. Auch der fängern“, sagte Hamann. Insbesondere dort sind gelernte Gesundheits- und Krankenpfleger Markus aus wirtschaftlicher Sicht zwei Themen wichtig: Mattersberger, der als Präsident von Lebenswelt Standardisierung und Digitalisierung. Die Pflege Heim rund 30.000 Beschäftigte in Österreich ver- tritt, setzt auf flexible Arbeitszeitmodelle, neue Ansätze in Führung und Management, aber auch technische Lösungen und wirtschaftliche Koopera- tionen, um Menschen für den Beruf zu begeistern. Das Pflegeheim als „soziales Hybridwesen“ Als „soziales Hybridwesen“ müsse ein Pflegeheim den Zwiespalt zwischen den Erfordernissen der Einrichtung und den Bedürfnissen der Bewohner meistern. Auf der einen Seite wollen Bewohner unabhängig sein, doch zugleich sei der Mensch ein soziales Wesen – und nur in einem Pflegeheim gebe es für ihn Sicherheit und soziale Interaktion Fit, aktiv und gut vernetzt im Quartier ohne das Gefühl, jemandem zur Last zu fallen. In der Diskussion liege der Fokus zu oft auf den Das Pilotprojekt „NetzWerk GesundAktiv“ (NWGA), ein sektorenüber- greifendes Hilfs- und Betreuungsnetzwerk im Hamburger Bezirk Eims- Kosten. Mattersberger will hin zu einer Qualitäts- büttel, möchte Senioren bis ins hohe Alter ein selbstbestimmtes Leben in diskussion. „Was möchten und können wir älteren den eigenen vier Wänden ermöglichen. Dazu verknüpft es vorhandene Menschen bieten?“ Seiner Ansicht nach müsse Strukturen im Quartier mit digitalen Anwendungen. Teilnehmen können auch die Wertschätzung gegenüber älteren Men- bis zu 1.000 Versicherte der beteiligten Krankenkassen TK, BARMER, schen in der Gesellschaft steigen. DAK-Gesundheit und KNAPPSCHAFT, die gefährdet sind, hilfs- und pfle- gebedürftig zu werden, oder bereits einen Pflegegrad haben. Geben alte Menschen ihre Würde tatsächlich, Zentrum des NWGA ist eine „Koordinierende Stelle“ am Albertinen- wie oft gehört, an der Tür des Pflegeheimes ab? Haus – Zentrum für Geriatrie und Gerontologie, wo Experten mithilfe Das verneinten beide Experten. Für Markus Mat- umfassender Untersuchungen und Mobilitäts-Tests die individuellen tersberger ist ein Umzug ins Heim zwar ein defini- Bedürfnisse der Teilnehmer erfassen – und darauf basierend den jewei- tiver Schritt, der letzte Wohnortwechsel und damit ligen Unterstützungsplan erstellen. Zu den Maßnahmen gehören: auch die Konfrontation mit der eigenen Endlich- Rehabilitation, Hilfen für Angehörige, Betreuung bei Demenz, technische Assistenzsysteme und Förderung der Gesundheitskompetenz. Behan- keit. Eigene Befragungen hätten jedoch gezeigt, delnde Hausärzte werden ebenso einbezogen wie andere Quartiersan- dass neun von zehn Bewohnern zufrieden sind. gebote. Darüber hinaus erhalten alle Teilnehmer einen Tablet-PC, mit Und Erik Hamann ergänzte: „Alle haben Angst vor dem sie Nachrichten senden und empfangen, Termine verwalten, mit dem Alter. Das kann man nicht trennen.“ Angehörigen per Videochat sprechen und Dienstleistungen wie „Essen auf Rädern“ bestellen können. Geplant sind weitere Funktionen wie ein Kundenwünsche im Fokus „Schwarzes Brett”, auf dem die Senioren Veranstaltungshin- weise abrufen oder eine Online-Sprechstunde mit den Ärz- Die größte Kontroverse dreht sich um die Frage: ten der „Koordinierenden Stelle” vereinbaren können. Das Ist es in Ordnung, in diesem Metier Geld zu ver- NWGA erhält eine Förderung in Höhe von maximal 8,9 dienen? Geht dabei Qualität verloren oder spiegelt Millionen Euro über vier Jahre aus dem Innovationsfonds der Pflegemarkt nicht einfach die normale Gesell- des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Mehr schaft wider? Rendite zu erwirtschaften muss Informationen unter https://netzwerk-gesundaktiv.de keineswegs zu sinkender Qualität führen. Wichtig 16 | Gedanken für morgen
Alten- und Pflegeheime dabei ist, dass die Überschüsse aus täts-Credo: „Bieten Sie etwas an, wo dem Einpreisen von Zusatzangeboten Menschen freiwillig hinmöchten!“ entstehen und nicht aus der Einspa- rung von Pflegeleistungen. Auch Mat- Mehr Normalität, tersberger hat „nichts gegen Unter- Häuslichkeit und Teilhabe nehmen, die Geld verdienen möchten“ Konsens herrschte darüber, dass es – sofern die Qualität stimmt und die mehr Normalität, Häuslichkeit und Menschen genügend Zuwendung Teilhabe geben sollte, statt Menschen erfahren. zu institutionalisieren. Ein Teilnehmer Für Hamann schwingt bei diesem bemerkte, Teilhabe sei sowohl für Über neue Lebensmodelle und Versorgungs- Thema immer der Vorwurf mit, dass Bewohner als auch für das informelle formen diskutierten beim HARTMANN Zukunftsforum 2018 Dr. Erik Hamann, „die Leute nicht bekommen, was sie ambulante Pflegenetz wichtig, das mit CEO Orpea Deutschland, und Markus brauchen“ – dabei stehen für ihn die dem Umzug ins Pflegeheim zerstört Mattersberger, Präsident von Lebenswelt Wahlmöglichkeiten seiner Kunden, wird. Er plädierte für eine Teilhabever- Heim, dem Bundesverband der Alten- und Mieter und Bewohner im Fokus. Sein einbarung, nach der das Helfernetz Pflegeheime Österreichs. Unternehmen reinvestiere zudem alle auch im Pflegeheim aktiv sei, während Überschüsse in neue Einrichtungen. zugleich die „Profis“ dort bestimmte Modernisierung sei ein wichtiges Aufgaben übernehmen. Durch die denn ein Campus funktioniere eben Thema, denn mehr als 200.000 Pfle- Umwandlung von klassischen Wohn- nicht in einem Dorf mit 3.000 Einwoh- geheimplätze seien älter als 30 Jahre bereichen in Wohngruppen solle man nern. Zudem wird sich die jeweilige – zugleich würden bis zu 14.000 neue „institutionelle Mauern einreißen“. Versorgungsform an der finanziellen Plätze benötigt. „Bund und Länder Individuelle Lösungen werden wich- Leistungsfähigkeit des Einzelnen orien- können das bestimmt nicht besser als tiger – Wohngruppen und flexible tieren. Die Gesellschaft hat sich gewan- private Anbieter“, sagte er mit einem Hausgemeinschaftskonzepte mit Bezug delt, der Bedarf an maßgeschneiderten Seitenhieb auf Stuttgart 21 und den zum Quartier. Erik Hamann hat jedoch Lebensmodellen ist groß. Was wollen Berliner Flughafen. Hamanns Quali- Zweifel, ob das so kleinteilig klappt – wir und was ist auch finanzierbar? Selbstbestimmt leben dank ALADIEN Die Evangelische Heimstiftung möchte Pflege auch im digi- talen Zeitalter aktiv mitgestalten. Dafür hat sie erste Meilen- steine gesetzt: Die neuen WohnenPLUS-Residenzen sind eine automatische innovative Wohnform, die eine ambulante Alternative zum Licht- und Rollladen- klassischen Pflegeheim bietet und flexibel auf individuelle steuerung Anforderungen der Kunden reagieren kann. Ziel ist es, Men- schen trotz Pflegebedarf in der eigenen Häuslichkeit individu- ell zu versorgen, ihnen lange ein selbstbestimmtes Leben zu auto- ermöglichen und Teilhabe zu fördern. matische Dieses Konzept wird digital unterstützt durch „ALADIEN“: Herdab- schaltung Alltagsunterstützende Assistenzsysteme mit Dienstleistun- gen. Diese Technologie soll den Bürger-Technik-Profi-Mix koordinieren und wird zum Knotenpunkt eines Hilfsnetzwerks aus Angehörigen, Ehrenamtlichen und professionellen Dienst- Sturzsensoren leistern. Die Senioren steuern es mittels eines für ihre Bedürf- nisse optimierten Tablets. ts moderner rrangemen W o h n - und Pfegea blierte Hausnotruf Kombinierb a re refreie te öilm m it A LA DIEN: barrie hnen truf 77 Pflegewo che, Hausno ohn un ge nm it Einbaukü Mie tw iertes aftsdienst aft: teilmöbl nd Bereitsch u ute W o h n gemeinsch ag sbeg lei- 24-Stunden- t betre e, Allt 77 Ambulan W C , G em ei nschaftsräum Service Bad/ st Zimmer mit reitschaftsdien ng , Pfleg ek räfte und Be un g, Hau swirtschaft tu ien st e: Pfl ege, Betreu 8 bis 18 Uhr 77 Mobile D bis So nntag von e: Mo nt ag er und Bürger 77 Tagespfleg Tr ef fp un kt für Bewohn tref f: 77 Quartiers Das Magazin zum HARTMANN Zukunftsforum 2018 | 17
Die Apotheke muss dort sein, wo der Kunde sie braucht Der deutsche Apothekenmarkt befindet sich im Umbruch, an Altbewährtem lässt sich nur schwer festhalten. Es gilt, Online- und Offline-Welt sinn- voll miteinander zu verbinden – und dabei sicherzustellen, dass Patienten fundiert informiert und beraten werden. S ind Status und Rahmenbedingun- gen der deutschen Apotheken mit europäischem Recht vereinbar? Darü- lichen Krankenversicherung (GKV) im Jahr 2004 kann allerdings jeder Apo- theker neben seiner Hauptapotheke ber diskutiert die Branche bereits seit bis zu drei Filialapotheken im näheren Jahren. Kritiker der aktuellen Situation Umkreis betreiben. bemängeln, dass der stark regulierte In seinem Urteil vom 19. Mai 2009 deutsche Apothekenmarkt durch eine hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) atomistische Angebotsstruktur mit in Luxemburg bestätigt, dass das einer vergleichsweise hohen Apothe- Fremdbesitzverbot in Deutschland ein kendichte und einem sehr begrenzten Über die Bedrohung der deutschen zulässiges und wirksames Instrument Preiswettbewerb gekennzeichnet ist. Apotheken durch Europa diskutierten beim des Verbraucherschutzes ist. Die kont- HARTMANN Zukunftsforum 2018 Im Fokus steht dabei das deutsche roverse Diskussion ist damit aber nicht Dr. Klaus Michels, Vorstandsvorsitzender Fremd- und Mehrbesitzverbot, das von des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, beendet. manch europäischem Marktteilnehmer und Prof. Dr. Christian Franken, Chief als Wettbewerbshindernis gesehen Pharmaceutical Officer und Chefapotheker Mehr Filialapotheken, wird. der Versandapotheke DocMorris. doch die Gesamtzahl sinkt Das seit 1960 bundesrechtlich ver- Der Sachverständigenrat zur Begutach- ankerte Fremdbesitzverbot betont die tung der Entwicklung im Gesundheits- persönliche Verantwortung und Haf- wesen schlug 2014 vor, beide Verbote tung des frei- und heilberuflich tätigen orientierte Arzneimittelversorgung der aufzuheben. Ebenso gibt es Überle- Apothekers. Es schreibt vor, dass der Bevölkerung sichergestellt werden. Das gungen, die Apothekerhonorierung zu Betreiber einer Apotheke Pharmazeut eng mit diesem Gesetz verbundene reformieren, etwa durch Einführung sein muss. So soll eine ordnungsge- Mehrbesitzverbot hat ebenfalls bis apothekenindividueller Handelsspan- mäße, unabhängige und nicht aus- heute Bestand – seit Inkrafttreten des nen. Die Apotheken erhielten damit schließlich an Gewinnmaximierung Modernisierungsgesetzes der Gesetz- einen Wettbewerbsparameter, um mit 18 | Gedanken für morgen
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