Bericht zum BER-Untersuchungsausschuss - Stefan Gelbhaar
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EINLEITUNG INHALT INHALT 2 Vorwort 43 „Der Lärmschutz am BER ist katastrophal“ 4 Die BER-Story 48 Und täglich grüßt die Baustelle: Wie geht es weiter 12 Das peinliche mit dem BER? Krisenmanagement am BER 54 Kann Berlin keine Großbauprojekte? 20 Who is Who am BER? 61 Chronologie – 29 Zahlen mit vielen Nullen: Der BER in Schlagzeilen Der BER, das Milliardengrab 64 D ie Aufklärer: 34 Alle möchten was Bündnisgrüne im BER- vom Kuchen: Der BER als Untersuchungsausschuss Goldgrube 65 Impressum 39 330 Stunden, über 60 Sitzungen, über 70 ZeugInnen, rund 1650 Akten: Der Untersuchungs ausschuss, ein Mammut projekt 2 1
VORWORT VORWORT VORWORT Liebe Berlinerinnen und Berliner, als am 8. Mai 2012 die Eröffnung des BER abgesagt wurde, hätte niemand aber auch über ein fragwürdiges Verständnis von gedacht, dass der Termin bis heute in den Sternen steht. Neben technischen Verantwortung erschrocken und uns wegen des man- Problemen haben Verantwortungslosigkeit, schlechtes Krisenmanagement gelnden Aufklärungswillens der SPD/CDU-Koalition und mangelnde Kontrolle – nicht zuletzt durch den Berliner Senat – den Start die Augen gerieben. immer wieder verzögert. Nun ziehen wir ein Fazit.1 Wir schildern, was zum Wenn ein Bauprojekt stockt, dann wird es für andere zur Goldgrube: Firmen Scheitern des Projekts führte, wer die Verantwortung drohen, die Arbeiten einzustellen, wenn zweifelhafte Rechnungen nicht be- trägt und was man künftig besser machen kann. zahlt werden. Korruption tritt auf, wenn Millionenaufträge zu ergattern sind. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre – und All das verlangt nach Strukturen, die dem vorbeugen. Am BER ist das bis uns allen, dass der Flughafen endlich fertig wird. heute nicht der Fall. Der Brandenburger Rechnungshof hat 2015 etliche Defizite am BER belegt. Herzlich Die Rechnungsprüfer kritisierten auch, dass die Prüfung von Haftungsan sprüchen gegen Vorsitzende, Aufsichtsräte und Geschäftsführer im Jahr 2013 beeinflusst war – nämlich von diesen Personen höchstselbst. Seit Ende 2012 haben wir im BER-Untersuchungsausschuss mehr als 70 Zeug Ihre Ramona Pop Innen angehört. Wir mussten erleben, dass Regierende und Manager die Fraktionsvorsitzende Schuld für das Desaster regelmäßig bei anderen verorteten. Doch wer, wenn nicht sie selber, verantworten die weit mehr als sechs Milliarden Euro, die für den Flughafen inzwischen veranschlagt werden? Wir haben zahllose Erkenntnisse gewonnen, wie sich Großbauprojekte besser 1 Dieser Abschlussbericht geht entsprechend den Verlautbarungen der FBB vom Versuch aus, den organisieren lassen und Steuergeld nicht verschwendet wird. Wir haben uns BER 2017 in Betrieb zu nehmen. Dies war bis Druckschluss völlig unklar. 2 3
DIE BER-STORY DIE BER-STORY DIE BER-STORY zudem seit Monaten eine logistische Meisterleistung der besonderen Art vorbereitet: In der Nacht vom 2. auf den 3. Juni wollte man in einer schier endlosen Kette von Lastwagen die komplette Ausrüstung des alten Flug- hafens Berlin-Tegel zum neuen Flug- hafen am südlichen Stadtrand Berlins überführen – ein Mega-Transport „Herr Kunkel, sagen Sie quer durch die Stadt, für den extra die Stadtautobahn gesperrt werden sollte. dem Bundespräsidenten ab.“ Anschließend sollte das milliarden- schwere Prestige-Projekt BER feier- lich in Betrieb genommen werden. So knapp könnte am 7. Mai 2012 der Geschäftsführer der Flughafengesellschaft Doch nicht durch profane Geschäfts- Berlin Brandenburg GmbH (FBB)1, Rainer Schwarz, seinen Pressesprecher und oder Ferienreisende, das wäre ja zu getreuen Adjutanten Ralf Kunkel angewiesen haben. Die Zeit drängte, weite- unspektakulär gewesen. Zur Premiere re unangenehme Telefonate waren zu erledigen. Der FBB-Aufsichtsratsvorsit- wurde die Maschine des Bundesprä zende Klaus Wowereit (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll- sidenten erwartet. Nach der Landung ten die höchst peinliche Angelegenheit nicht erst durch die Medien erfahren: sollte das Staatsoberhaupt feierlich Die Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld am Rande die Gangway herabschreiten. Offizielle Einladung: Die geplante Eröffnungsfeier Berlins war abgesagt worden – 26 Tage vor dem geplanten Start. Das größte für den neuen Hauptstadtflughafen platzte. und wichtigste Infrastrukturprojekt in Ostdeutschland war geplatzt. Nicht die erste Pleite Dabei hätte alles so schön werden sollen: Die pompöse BER-Eröffnungsfeier war minutiös geplant worden – nicht zuletzt vom Aufsichtsratsvorsitzenden und Aus alldem wurde bekanntlich nichts. Das Desaster des geplatzten Eröffnungs- damaligen Regierenden Bürgermeister Wowereit. Beim letzten Treffen der Auf- termins 2012 wurde vielmehr zu einem weiteren Tiefpunkt in der wechsel- sichtsräte am 20. April 2012 besprach man das Menü und legte den Sitzplatz vollen Geschichte des Flughafenprojekts BER. Denn Pleiten und Pannen gab es für die Kanzlerin fest. Eine riesige Party sollte es geben, an die die Gäste sich dort von Anfang an: Schon Jahre bevor man sich per sogenanntem „Konsens noch lange erinnern sollten. Sogar die Einladungen waren schon verschickt und beschluss“ zwischen Berlin, Brandenburg und der Bundesregierung auf den das Datum in den Terminkalendern der Honoratioren vermerkt. Fieberhaft wurde umstrittenen Standort Schönefeld einigte, waren für viel Geld massenhaft Grundstücke angekauft worden, die überhaupt nicht gebraucht wurden. Mit der Entscheidung für Schönefeld waren und sind hohe Erwartungen an Wirt schaftsimpulse für die Region verbunden. Doch ein Standort in Stadtnähe bedeutet viel Lärm für die Anwohner. Und die zahlreichen Naherholungs- wie 1 Im Folgenden wird die Flughafengesellschaft durchgängig mit der aktuellen Firmierung „FBB“ bezeichnet, obwohl der Name in der Vergangenheit mehrfach geändert wurde. Ebenso wird mit Wasserschutzgebiete werden durch Schadstoffemissionen beeinträchtigt. dem Namen „BER“ verfahren, ungeachtet dessen, dass der Flughafen zunächst „BBI“ (Berlin Auch das sorgte und sorgt für erheblichen Ärger mit Anrainern und Betroffenen. Brandenburg International) hieß. Der Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung des Großflughafens wurde 4 5
DIE BER-STORY Kanzlerin dann eigentlich ausgeladen? Hatten die Handwerker ihre Schrau- benzieher, Zollstöcke und Arbeitshandschuhe nicht weggeräumt und Beton krümel hinterlassen? Waren noch Fensterscheiben des Terminals zu putzen oder die umgebenden Grünanlagen zu pflegen? Täglich grüßt das Terminal Nein, bei den restlichen zehn Prozent des Terminals ging es vermutlich um anderes. Zum Beispiel um die funktionsuntüchtige Entrauchungsanlage, aber nicht nur. Die überbelegten Kabelkanäle bedeuteten ein ständiges Sicherheits- risiko. Zudem standen zum Zeitpunkt der Absage weder Informations- und Ticketschalter im Check-In-Bereich noch die Gepäckanlage Abflug zur Verfü- gung. Auch das Zugangskontrollsystem, die Gebäudefunktionssteuerung, das Flight Information Display System sowie das elektroakustische Notfallwarn- system funktionierten weder vollständig noch stabil. Nur 26 der 102 Gates hätten genutzt werden können. Ein Jahr vor der geplanten Eröffnung: Die BER-Verantwortlichen weihen ein Werbeplakat ein. Warum wurde dennoch so lange am Eröffnungstermin im Frühsommer 2012 festgehalten? Wollte man etwa am 24. Mai eine bombastische Party mit vor Gericht letztlich erfolglos angefochten. Für mehr Akzeptanz sorgte das Bundeskanzlerin und Bundespräsident feiern und den Airport gleich nach Urteil nicht, im Gegenteil: Die erst 2010 der Öffentlichkeit bekannt gegebe- Inbetriebnahme am 2. Juni wegen umfangreicher Baumaßnahmen wieder nen Flugrouten vergrößerten nochmals die Zahl der Menschen, die von Lärm schließen? Oder wollten Flughafengesellschaft und Aufsichtsratschef Wowereit und Schadstoffemissionen betroffen sein werden – wenn der Hauptstadt- den Passagieren und dem BER-Personal allen Ernstes eine Baustelle zumuten? flughafen denn irgendwann einmal eröffnet haben wird. Geplant wurde das BER-Terminal von den Architekten, die schon Anfang der Sabotage? 1970er Jahre mit einem Entwurf des Flughafens Berlin-Tegel überzeugt hat- ten. Der Plan, den BER im Rahmen einer Komplettvergabe errichten zu lassen, Seit vier Jahren wird nun am Projekt „Fertigstellung, wie viel Prozent auch im- ging gründlich schief. Stattdessen organisierte die Flughafengesellschaft mer“ gearbeitet. Vielleicht klappt ja die derzeit anvisierte BER-Eröffnung im den Bau kurzerhand selbst und brachte ihn auch fast zu Ende, aber eben nur Herbst 2017. Der gegenwärtige FBB-Geschäftsführer Karsten Mühlenfeld und fast. Bei den Start- und Landebahnen, einigen technischen Gebäuden, dem Aufsichtsratschef Michael Müller, gleichzeitig Regierender Bürgermeister unterirdischen Bahnhof sowie Hotels und Parkhäusern blieb man einigermaßen von Berlin, äußern sich zum neuen Eröffnungstermin vorsichtig optimistisch. im Zeitplan. Beim Herzstück des BER, dem Terminal, dagegen nicht. Es könnte 2017 klappen, aber nur unter der Voraussetzung, dass nichts mehr schief geht. Wie bitte? Sechs Jahre Bau plus fünf Jahre Nachbesserungen Die operative Betriebsfähigkeit des BER hätte im Mai 2012 bei 56 Prozent für ein verhältnismäßig simples Terminalgebäude auf der grünen Wiese? gelegen, stellte der Landesrechnungshof Brandenburg 2015 fest, während Da stimmt was nicht. Hat der BER ein Karma-Problem? Oder sabotiert da jemand Ex-Geschäftsführer Schwarz wenige Wochen nach der Absage behauptete, die Eröffnung? Wer profitiert eigentlich von der auffällig langen Dauer der das Terminal sei zu 90 Prozent fertig. Warum wurden Bundespräsident und Restarbeiten? 6 7
DIE BER-STORY Der Untersuchungsausschuss Fragen über Fragen. Der Untersuchungsausschuss BER, den wir Bündnisgrünen 2012 gemeinsam mit den anderen Oppositionsfraktionen im Berliner Abge- ordnetenhaus beantragten, suchte nach Antworten. Nach der Befragung von über 70 ZeugInnen und dem Studium von rund 1650 Aktenordnern rundet sich das Bild inzwischen ab: Danach war und ist die Bauherrin FBB selbst das größte Problem. Aufsichts- rat und Geschäftsführer der FBB waren der Aufgabe von Anfang an nicht gewachsen. Nach dem Misslingen der Komplettvergabe wurde das Terminal in Eigenregie errichtet und der Großauftrag dafür zunächst in 7, später über 30 Lose aufgeteilt. Das sollte das Projekt kostengünstiger machen, war aber eine Fehlein- und Selbstüberschätzung. Für die Bewältigung kleinerer Projekte der bestehenden Flughäfen Tegel und Schönefeld (Alt) mochten Personal und Organisationsstruktur der FBB genügt haben. Für ein Milliardenprojekt wie den BER hat sich diese Struktur jedoch als katastrophaler Fehlgriff erwiesen. Nichts los am BER: Die Restarbeiten dauern auffällig lange für ein verhältnismäßig einfaches Dazu gehört auch die Beauftragung eines einzigen Architektenbüros mit Terminalgebäude. Entwurf, Planung und Bauüberwachung. Der Projektsteuerer, in dessen Aufga- benbereich die Organisation von Prozessen und Ausschreibungen fiel, konnte die Defizite der Bauherrin auch nicht ausgleichen. oft nicht gegen die ästhetischen Vorstellungen der Star-Architekten aus dem Büro gmp durchsetzen. Hinzu kam, dass die Bauherrin FBB einen geordneten Ablauf des Vorhabens, nämlich erst zu planen und dann mit dem Bau zu beginnen, nicht konsequent Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist es ein Wunder, dass der von Ex- durchsetzte. Im Gegenteil: Mit der mehrfachen Änderung ihrer Vorstellungen Geschäftsführer Schwarz auf 90 Prozent bezifferte Fertigstellungsgrad über- über die Nutzung der Bruttogeschossflächengröße während des Planungs- haupt bis 2012 erreicht wurde. Der Aufsichtsrat der FBB unter dem lang und Bauprozesses verhinderte die Flughafengesellschaft selbst die termin jährigen Vorsitzenden Wowereit, der kurzzeitig vom ehemaligen Brandenburger gerechte Fertigstellung: Bis 2010 verursachten Umplanungswünsche der FBB Ministerpräsidenten Matthias Platzeck abgelöst wurde, verfügte nicht über massives Planungschaos nebst Kostensteigerungen und Zeitverzug. Die mit das Know-how, den Bau eines Großprojekts zu begleiten. Mangelnde Exper immer neuen Planänderungen konfrontierten Architekten gerieten in Zeitnot. tise des Aufsichtsrats, Defizite in der FBB-Führungsebene sowie strukturelle Probleme in der Projekt-Organisation – damit wurde der BER sprichwörtlich Die schwierige Situation wurde zudem durch unklare Schnittstellen zwischen in den märkischen Sand gesetzt. Planung und Bauüberwachung verschärft. Probleme wurden offenbar zu spät erkannt und behoben. Darüber hinaus sah sich der Projektsteuerer mit seinem Berichtswesen mit einer Bauherrin konfrontiert, die Erfolgsmeldun- Bauernopfer gen und keine schlechten Nachrichten (etwa über Bauverzüge) hören wollte. Der technische Geschäftsführer war überdies mit seiner Doktorarbeit be- Im Untersuchungsausschuss machten sich einige Zeugen gegenseitig für fasst und dem Vernehmen nach eher projektscheu. Konflikte entstanden fer- Versäumnisse oder hilfsweise ungünstige Umstände für die Probleme beim ner bei der technischen Gebäudeausstattung. Deren Planer konnten sich BER verantwortlich, keiner hatte Fehler einzuräumen. Insbesondere nicht die 8 9
DIE BER-STORY DIE BER-STORY Aufsichtsratsmitglieder: Sie nahmen für sich in Anspruch, „alles richtig ge und sonstigen Beteiligten anzubieten, Fehler offenzulegen und gemeinsam das macht“ zu haben. Das operative Geschäft des Bauens sei allein Aufgabe der Projekt zu beenden. Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft hat sich 2012 Geschäftsführung gewesen, man habe das Personal ausgesucht und ihm ver- anders und falsch entschieden. Die Entlassung des Generalplaners warf den traut, fabulierten sie. Dabei ist ein Aufsichtsrat als Kontrollgremium selbst- BER sofort um Jahre zurück. Innensenator Frank Henkel (CDU), ein weiterer verständlich für seine falsche Personalpolitik und Milliardenschäden verant Berliner Vertreter im FBB-Aufsichtsrat, gab im Untersuchungsausschuss an, wie wortlich. Bei der FBB herrschte offensichtlich ein anderes Selbstverständnis, man ihm versichert habe, die Arbeiten am BER könnten trotz der Kündigung und dies ließ man sich durch ein Haftungsgutachten bestätigen, welches des Generalplaners nahtlos weitergehen. Dass die im Bau unerfahrenen Auf- keine Pflichtverletzung der Aufsichtsratsmitglieder feststellte. Der bereits sichtsräte dieses Märchen wirklich glaubten, macht ihren Amateurstatus einmal angeführte Landesrechnungshofbericht Brandenburg bemängelte bei dem mehr deutlich. Gutachten die fehlende Unabhängigkeit und bezweifelte, dass eine erneute Prüfung zum gleichen entlastenden Urteil kommen würde. Mindestens Übrigens mischten sich die Aufsichtsräte um Klaus Wowereit, die angeblich mit 6.000.000.000,00 Euro dem Bauen gar nichts zu tun hatten, in einer Panikreaktion im Mai 2012 leb- haft in die Diskussion um die weitere Zusammenarbeit mit dem Generalplaner Der BER geriet spätestens im Juni 2012 in große Turbulenzen. Verschiedene ein. Aus plötzlicher Urteilskraft über den Stand von Planungen oder etwa über Geschäftsführer mit bunten Ideen durften sich ausprobieren: Der Techniker die Softwareentwicklung bei der Firma Bosch? Kaum. Es ging darum, die eigene Horst Amann wollte in Ruhe die Baustelle untersuchen und kämpfte derweil Haut zu retten. Am 16. Mai 2012 war das mediale Interesse an der ersten Auf- um den Chefposten. Den erhielt jedoch Hartmut Mehdorn, Ex-Bahn-Chef sichtsratssitzung nach der Eröffnungsabsage riesig. Vor dutzenden Fernseh und Aktionist, der lieber gleich mit dem Bau loslegen als nach Fehlern suchen kameras wurden Statements der Aufsichtsräte erwartet. Die Öffentlichkeit wollte. Sein viel belächeltes SPRINT-Team kostete einen riesigen Haufen Geld, verlangte Aufklärung, warum der Eröffnungstermin des milliardenschweren trug zur Lösung technischer Probleme jedoch wenig bei. Umso schlagkräfti- Projekts kurzfristig abgesagt wurde. Tiefgründige Analysen wurden nicht in die ger ging Mehdorn gegen interne Kritiker vor, die im Zweifel das Unternehmen Mikrofone gesprochen, aber man zeigte sich tatkräftig und entschlossen. Ver- verlassen mussten. Mit dem aktuellen Geschäftsführer Mühlenfeld ist ein antwortliche hätten Konsequenzen zu tragen und Köpfe sollten rollen. Damit wenig mehr Ruhe und Zielstrebigkeit auf der BER-Baustelle eingezogen. war natürlich nicht der kontrollierende Aufsichtsrat gemeint. Es traf die Planer Ob das reicht, wird sich im Sommer 2016 erweisen, wenn das Terminal fertig und den FBB-Technikchef Manfred Körtgen. Ein paar Bauernopfer also. gebaut ist und der Probebetrieb beginnen soll. Der BER wird dann bereits an die sechs Milliarden Euro gekostet haben – mehr Krisenmanagement als doppelt so viel wie ursprünglich geplant. Ein großer Teil dieses Geldes wurde für Umbauten verwendet, deren Notwendigkeit zumindest umstritten Wenn öffentliche Großprojekte in Schieflage geraten, muss man auch an das ist. Und möglicherweise auch für Rechnungen, denen keine Leistung zugrunde „Wie weiter?“ denken. Vielleicht nehmen verantwortliche Politiker und die Ge- lag. Der Verdacht drängt sich auf, dass Firmen wie Imtech oder Siemens das schäftsführung wegen des öffentlichen Drucks ihren Hut und werden durch Durcheinander bei der FBB sowie ihre eigene Stellung als Großauftragnehmer Personen mit mehr Engagement und Know-how ersetzt. Auf Projektebene sind ausnutzten und überhöhte Rechnungen ausstellten. Andere Auftragnehmer Verantwortlichkeiten in der Regel definiert, schlechte Arbeit wird sanktioniert. weigerten sich, Werkverträge abzuschließen und setzten auf lukrativere Dienst Wer einen Werkvertrag unterschreibt, ist verpflichtet zu liefern oder für Ersatz leistungsverträge mit hohen Stundensätzen. All das sind die Folgen des Orga- zu sorgen. Im Konfliktfall führt das zu zeitraubenden Rechtsstreitigkeiten, nisationsversagens der FBB. Gesellschafter, Aufsichtsräte und Geschäftsführer die zum Beispiel mit einer Art Kronzeugenregelung vermieden werden könnte. haben über Jahre hinweg nicht nur viel Geld verschwendet, sondern neben dem Im Interesse einer zügigen Fertigstellung wäre denkbar, den Auftragnehmern eigenen Ruf auch den der Region und des ganzen Landes schwer beschädigt. 10 11
PEINLICHES KRISENMANAGEMENT PEINLICHES KRISENMANAGEMENT DAS PEINLICHE Flughafenbauern – wurden von den Gesellschaftern unterschätzt. Über KRISENM ANAGEMENT schätzt haben sie dagegen ihre eigene Kompetenz. AM BER Wer bauen will, plant gründlich. Spä tere Änderungen sind teuer. Derlei Überlegungen waren den BER-Verant- wortlichen fremd. Der Bau des Termi- nals war schon im vollen Gange, als durch immer neue Planänderungen die Bruttogeschossfläche um 80 Pro- zent vergrößert wurde. Die logische Folge waren Verzögerungen im Bau- „Zuerst hatten wir kein ablauf, die Kosten des Terminals ver Glück, und dann kam auch doppelten sich fast. Schon 2010 war absehbar, dass der BER nicht wie ge- noch Pech dazu.“ plant in Betrieb genommen werden konnte. Kurzerhand verlegte man den anfänglichen Eröffnungstermin von November 2011 auf den 3. Juni 2012. Dieses berühmte Zitat stammt von einem ehemaligen Bundesliga-Fußball- spieler. Aber es könnte auch von den BER-Machern sein. Sie wollten einen Dies verschaffte der als Generalpla- Flughafen bauen und scheinen irgendwie auf Glück gesetzt zu haben. Wer nerin engagierten Planungsgemein bauen will, beauftragt eigentlich Experten – sonst kracht das Haus zusammen. schaft Berlin Brandenburg Interna Das Dauerproblem am BER: Am Hauptstadtflughafen dachte man lange Zeit anders. Heute müssen die tional (pg bbi) mit den Architekten Die nicht funktionierende Entrauchungsanlage. Steuerzahler wegen dieser Selbstüberschätzung die Rechnung zahlen. Hubert Nienhoff und Hans-Joachim Paap an der Spitze (beide aus dem Planungsbüro gmp) etwas mehr Zeit. Doch Die Wurzel des Problems: Die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) ist sie reichte nicht. Die für die Planung der Technischen Gebäudeausrüstung kein Bauunternehmen. Sie ist als Betreiberin der Verkehrsflughäfen Tempelhof (TGA) verantwortliche Partnergesellschaft war insolvent gegangen. Also (THF, seit 2008 geschlossen), Tegel (TXL) und Schönefeld-Alt (SXF) konzipiert. übernahmen die Architekten neben ihren anderen Aufgaben auch die TGA und Für komplexe Bauvorhaben war man weder organisatorisch noch personell beauftragten entsprechende Fachplaner. aufgestellt. Kein guter Start für den BER also, eines der größten Verkehrsinfra- strukturprojekte in Deutschland. Doch die Überarbeitung der TGA-Pläne hinkten dem Terminplan hoffnungslos hinterher. Den Verantwortlichen hätte bewusst sein müssen, dass die gravie Die Privatisierung scheiterte ebenso wie der Plan, zumindest das Terminal renden Planungsänderungen nicht zuletzt auch Schwierigkeiten mit der TGA von einem Generalübernehmer bauen zu lassen. Dass der BER schließlich in verursachten. Probleme mit der Brandmelde- und Entrauchungstechnik gehö- Eigenregie errichtet wurde, war eine Notlösung. Doch die damit verbundenen ren jedoch zu den entscheidenden Schwachstellen beim Bau eines Flughafen- Anforderungen – dazu gehört unabdingbar die Einbindung von erfahrenen Terminals und gefährden seine Inbetriebnahme. 12 13
PEINLICHES KRISENMANAGEMENT Keiner kennt sich mit der heiklen Technik aus Doch weder im Aufsichtsrat noch in den FBB-Leitungsebenen gab es Erfahrung im Umgang mit komplizierten technischen Projekten – geschweige denn mit elektrotechnischen Anlagen samt der komplexen Software zur Steuerung tau- sender Klappen, Fenster, Türen und Nachströmöffnungen. Die Bauherrin war nicht imstande, Ausmaß und Folgen der Probleme kompetent zu beurteilen. Die TGA sei eben die Achillesferse eines jeden Bauprojektes, erklärte Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) 2013 vor dem BER-Untersuchungsausschuss. Die Aussage des damaligen FBB-Aufsichtsrats- chefs macht seine Hilflosigkeit bei dem „aus dem Ruder gelaufenen“ Terminal- bau deutlich. Dass Wowereit schon 2010 Kenntnis von der besonderen TGA- Problematik hatte und die Arbeit des Aufsichtsrats darauf ausrichtete, ist nicht feststellbar. Der Aufsichtsrat tagte weiterhin viermal im Jahr. Projekt- und Finanzausschuss nickten die Vorlagen der Geschäftsführung ab. Heikle Technik: War diese historische Aufnahme etwa Vorbild für die BER-Planer? Doch die Aufsichtsräte wurden nicht etwa hellhörig, als Geschäftsführung und Projektsteuerer Ende 2011 erhebliche technische Probleme und weitere Kos- tensteigerungen andeuteten. Die Versicherung, die Eröffnung am 3. Juni 2012 sei nicht gefährdet, stellte zufrieden. Bei der Flughafengesellschaft wusste man Begleitung der vermeintlichen Schlussphase des Bauvorhabens sowie früh- da bereits, dass eine reguläre Inbetriebnahme kaum möglich sein würde. Inte- zeitige Überlegungen für einen Plan B im Fall einer gescheiterten Inbetrieb- rimslösungen wurden diskutiert. Der Eklat zeichnete sich immer deutlicher ab. nahme im Juni 2012 hätten auf dem Aufgabenzettel der Aufsichtsräte stehen müssen. Schließlich liefen überall Vorbereitungen für den geplanten Eröff- Die Verantwortlichen setzten trotzdem weiter auf Glück statt auf ein verant- nungstermin. Mieter und Pächter der Gewerbeflächen hatten schon Personal wortungsvolles Krisenmanagement. Zeugen versicherten im Untersuchungs- eingestellt und Waren geordert. ausschuss, bis Mai 2012 fest an die Flughafeneröffnung geglaubt zu haben. Schließlich sei bei Bauvorhaben Hektik in der Schlussphase üblich. Und in an- Auch in dieser Phase rächte sich, dass Flughafengesellschaft und Aufsichtsrat deren Bundesländern seien kriselnde Großprojekte auch genehmigt worden für die Begleitung des Großbauvorhabens BER nicht ausreichend qualifiziert – mit Interimslösungen, auch ohne funktionierende Entrauchungsanlagen. waren. Den Wahrheitsgehalt der von der Geschäftsführung vorgelegten Lage- Im Fall BER war die Aussage eines Mitarbeiters im Bauordnungsamt jedoch berichte ließen die Aufsichtsräte nicht von unabhängigen Sachverständigen plausibel: dass zur Sicherheit von Passagieren und Mitarbeitern die Betriebs- überprüfen. Ein realitätsnahes Bild vom Baufortschritt verschaffte sich das Kon- genehmigung des Terminals auch von einem funktionierenden Brandschutz trollgremium ebenfalls nicht. Erst Ende Juli 2014, acht Jahre nach Baubeginn abhängig gemacht werde. des Terminals, sah sich der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Wowereit ver- anlasst, in seiner Senatskanzlei zur Unterstützung seiner BER-Aktivitäten die Dieses verantwortungsvolle Vorgehen hätte man sich auch vom Aufsichtsrat Stelle eines Referenten ausschreiben zu lassen. Kenntnisse in Planungs- und gewünscht. Doch der träumte weiter von der pompösen Eröffnungsfeier Bauprozessen, im Vergaberecht sowie in der Nachtragsbearbeitung wünschte und stellte die Schönfärberei der Geschäftsleitung nicht infrage. Eine enge man sich von ihm. Eine reichlich späte Erkenntnis. 14 15
PEINLICHES KRISENMANAGEMENT Der Eröffnungstermin ist nicht mehr zu halten Anfang 2012 verdichteten sich die Anzeichen des Scheiterns. Die am BER tätige Unternehmensberatung McKinsey meldete im März: Man hinke dem Plan zur Inbetriebnahme deutlich hinterher, der Zeitverlust von vier Mona- ten sei nicht aufholbar. Zeugen beschrieben die Führung der Flughafenge- sellschaft in dieser Zeit als eine Gemeinschaft unter Druck und schilderten ein Klima der Angst. Erst kurz nach der April-Aufsichtsratssitzung 2012, sechs Wochen vor der geplanten Flughafeneröffnung, gestanden sich Generalplaner und Flugha- fengesellschaft ein, dass eine Inbetriebnahme zum 3. Juni nicht möglich sei. Der Aufsichtsrat hatte soeben erst weitere Beschleunigungsmaßnahmen in Millionenhöhe bewilligt. Doch der zeitliche Rückstand bei der Installation der Brandmelde- und der Entrauchungsanlage war zu groß, eine ordnungsge- mäße Abnahme des Terminals zu schaffen. Eröffnung abgesagt: Flughafenchef Rainer Schwarz, Bundesverkehrsstaatssekretär Rainer Bomba, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit nach der Sondersitzung des Aufsichtsrats. Zeugen im Untersuchungsausschuss konnten nicht erklären, warum diese Erkenntnis so spät kam, denn es gab vorgeschriebene zeitliche Prüfabläufe. Offenbar musste zum Jahreswechsel 2011/2012 die Notlösung „Mensch- Maschine-Schnittstelle“ für die problematische Brandschutztechnik herhal- Auf der Pressekonferenz am 8. Mai entrüstete sich Aufsichtsratschef Wowereit ten. Danach hätten im Brandfall Türen, Rauchgasabführung und Lüftungs- und sein Stellvertreter, Brandenburgs damaliger Ministerpräsident Matthias klappen manuell betätigt werden müssen. Eine gefährlich provisorische Platzeck (SPD), grantelte: „Ich bin stocksauer!“ Der Auftritt und Platzecks An- Lösung, die von der Genehmigungsbehörde kritisch gesehen wurde – ähn- kündigung, die Eröffnung werde im August 2012 stattfinden, beweist aber- lich wie die als letzte Rettung des Eröffnungstermins angestrebte Inbe- mals die Ahnungslosigkeit oder aber Chuzpe der Aufsichtsräte. Das hinderte triebnahme des Airports „vor Fertigstellung“ nach der Brandenburgischen sie nicht daran, auf einer Sondersitzung am 16. Mai nunmehr Entschlossenheit Bauordnung. zu demonstrieren – und die Planer sowie den technischen Geschäftsführer Manfred Körtgen zu entlassen. Während der Abgang Körtgens keine sonder- lich große Lücke hinterließ, sah es bei den Planern anders aus. „Ich bin stocksauer!“ Und wer trägt Doch niemand bedachte die bösen Folgen dieser Bauernopfer – immerhin die Verantwortung? arbeiteten für die pg bbi 170 Fachleute, vor allem Architekten und Ingenieure. Dies dämmerte den Aufsichtsräten erst viel später. Auch der Umstand, dass Am 7. Mai 2012 unterschrieb der verantwortliche Planer Hans-Joachim Paap mit Kündigung der pg bbi auf vertraglich vereinbarte Leistungen verzichtet den Antrag zur Inbetriebnahme vor Fertigstellung nicht. Der Traum von der wurde, die bis heute mit teuren Dienstverträgen erkauft werden müssen, BER-Eröffnung im Juni 2012 platzte. Paap sprach offensichtlich als Erster aus, spielte keine Rolle. Die schriftliche Warnung des gekündigten Architekten was vor ihm niemand eingestehen mochte. So sicherte er sich (sowie der pg Meinhard von Gerkan („Die ausgesprochene Kündigung bedroht nicht uns, bbi) die Rolle des Schwarzen Peters. aber mit Sicherheit den Projekterfolg“) schlug Klaus Wowereit im Mai 2012 16 17
PEINLICHES KRISENMANAGEMENT PEINLICHES KRISENMANAGEMENT noch locker in den Wind. Nach Zeu- Aus dem Aufsichtsrat war damals zu hören, dass man im Prinzip beide feuern genaussagen ging man in der Unter- müsse. Gewählt wurde schließlich eine elegantere Lösung: Bis man sich mit nehmensspitze damals davon aus, dass ihm verglich, degradierte man Amann kurzzeitig mit 300.000 Euro Jahressalär die Arbeiten in wenigen Wochen abge- zum Chef einer nicht wirklich aktiven Flughafengesellschaftstochter. Derweil schlossen sein würden. erntete Mehdorn Spott, der mit seinem Programm SPRINT vollmundig wenigs- tens eine schnelle Teileröffnung ankündigte („Schnecken sprinten nicht“).1 Ähnliches könnte aus dem Geschäfts- Im Frühjahr 2015 verließ auch Mehdorn den BER. Die Verlautbarungen seines bericht der Flughafengesellschaft für Nachfolgers Karsten Mühlenfeld klingen zurückhaltender. Die Rede ist nicht das Jahr 2011, dem der Aufsichtsrat mehr von einem internationalen Drehkreuz, sondern von einem abgespeckten im April 2012 zustimmte, geschluss- „Hauptstadtflughafen light“. Damit verbunden war die Hoffnung, diesen we- folgert werden: „Terminal, Fluggast- nigstens Ende 2017 eröffnen zu können. brücken, Straßenanbindung und Si- Tausende Kilometer Kabel, offene Decken und eine cherheitsgebäude sind bereits zu weit Technik, mit der sich niemand auskennt. über 90 Prozent fertig gestellt.“ Das ist Immer wieder Ärger mit der Technik angesichts der im Herbst 2012 bereit- gestellten 1,2 Milliarden Euro und weiteren 1,1 Milliarden Euro, die 2014/2015 Und wie sieht es heute auf der BER-Baustelle aus? Weiter wird an der Technik aus den öffentlichen Haushalten nachgeschossen werden sollten, klar falsch. im Terminal gearbeitet. Nach der Degradierung von Amann musste ein neuer Technikchef her und wurde mit Jochen Großmann gefunden. Dieser über- Weder die Befragung der beiden damaligen Geschäftsführer noch des Projekt- nahm nicht nur die gesamte Planungskoordination, sondern attestierte Teilen steuerers im Untersuchungsausschuss konnte die Frage klären, ob in der der Entrauchungsanlage, sie seien bereits funktionsunfähig geplant worden. Flughafengesellschaft überhaupt jemand realistische Einschätzungen zum Insbesondere betreffe dies die Anlage 14, von Großmann das „Monster“ ge- Arbeitsstand auf der BER-Baustelle hatte. Vielleicht hatte wirklich niemand einen nannt: Ihre Aufgabe ist die Entrauchung des Untergeschosses, der Gepäck Überblick. förderanlage und der Räume im Terminal-Zentrum. Die Zusammenarbeit mit dem Planer der umstrittenen Anlage, Alfredo di Mauro, wurde daraufhin be- Nach der Entlassung von pg bbi und Technikchef Körtgen versuchte das BER- endet. Di Mauro diskreditierte zudem, dass der Mann sich zu Unrecht als Diplom- Krisenmanagement sein Glück mit dem neuen Technikchef Horst Amann. Der Ingenieur bezeichnet hatte. beschäftigte sich angesichts vielfältiger Mängel mit einer Analyse des Bauwerks und der installierten Technik. Die für den 27. Oktober 2013 angekündigte Er- Kurz darauf war die Stelle des Technikchefs abermals vakant. Großmann wurde öffnung wurde bald wieder abgesagt, zu umfangreich war die Liste ausstehen- wegen Korruption entlassen. Sein Nachfolger ist Jörg Marks. Moment, aber der Arbeiten. Amanns Bestandsaufnahme war laut Bauexperten ohne Alterna- der war doch früher für Siemens am BER tätig und verantwortlich für die Ent- tive. Sie dauerte den Verantwortlichen aber zu lange, Aktionismus war gefragt. rauchungssteuerung? Ja, das sei wie bei Fußballspielern, erklärte Marks dem Untersuchungsausschuss. Einen Verein könne man wechseln, und jetzt schieße er eben für die andere Mannschaft die Tore. Für Marks ist das kein Problem. „Schnecken sprinten nicht“ Er hätte beim BER stets auf Probleme hingewiesen und sei für die geplatzte Eröffnung nicht verantwortlich, meinte er. Jetzt will Marks also Tore für die Dafür stand Hartmut Mehdorn, der den BER im Frühjahr 2013 als neuer Ge- Flughafengesellschaft schießen. Ob er trifft? schäftsführer mit einer Unternehmensberatung im Schlepptau übernahm. Es folgten heftige Auseinandersetzungen zwischen Mehdorn und Amann, die sich laut Medienberichten gegenseitig als „Blender“ und „Bremser“ beschimpften. 1 Quelle: Tagesspiegel vom 03.09.2013 18 19
WHO IS WHO AM BER WHO IS WHO AM BER WHO IS WHO AM BER? Bayr, Michael bis 2008 Leiter der Brandenburger Planfeststellungsbehörde, 2013 Nach- Ministerialrat im Brandenburger folger von gMatthias Platzeck als Ministerium für Stadtentwicklung, stellvertretender FBB-Aufsichtsrats- Wohnen und Verkehr. Konnte be vorsitzender. Räumte vor dem Unter- stätigen, dass die Flugsicherung die suchungsausschuss ein, dass die Flughafengesellschaft 1998 infor- absehbar vom Fluglärm betroffenen Politiker, Architekten und eine Menge Diplom-Ingenieure: Am BER miert hatte, dass bei gleichzeitigen Bürger nicht umfassend von der FBB haben viele Menschen ihre Spuren hinterlassen, aber in all den Jahren Abflügen von den geplanten beiden informiert wurden. konnte keiner einen eröffneten Flughafen präsentieren (Stand: Früh- Startbahnen ein Abstand von 15° jahr 2016). Doch wer waren und sind die wichtigsten Protagonisten auf erforderlich sei (im Gegensatz zu pa Deutschlands berühmtester Baustelle? Ein kleiner Überblick – das rallelen Starts bedeuten 15° Abstand Bomba, Rainer (CDU) Personalkarussell dreht sich bestimmt weiter. abknickende Flugrouten und weitere vom Fluglärm betroffene Gebiete). Staatssekretär im Bundesverkehrs- Sein Ministerium habe die Flughafen- ministerium, 2010 FBB-Aufsichtsrat. gesellschaft vergeblich aufgefordert, Fühlte sich im Nachhinein nicht um- Amann, Horst Scheiterte wegen der zeitlichen Dau- den Hinweis ernst zu nehmen. fassend informiert („Vielleicht hätten er seiner Bestandsaufnahme (es wir mal den einen oder anderen Bau- Bauingenieur, von August 2012 bis waren einfach zu viele Mängel) und arbeiter in die Aufsichtsratssitzung November 2013 Geschäftsführer im Machtkampf mit dem mächtigen Bretschneider, Rainer (SPD) holen sollen“). Erfolglos liebäugelte Technik auf der BER-Baustelle. Woll- Geschäftsführer gHartmut Mehdorn, er Ende 2014 nach Medienberichten te das Baustellenchaos mit dem Er- der Amann vor die Nase gesetzt Staatssekretär im Brandenburger In- mit der Nachfolge von gMehdorn als stellen einer Mängelliste beseitigen. wurde. frastrukturministerium und von 1999 FBB-Geschäftsführer. 20 21
WHO IS WHO AM BER WHO IS WHO AM BER Diepgen, Eberhard (CDU) G., Francis Körtgen, Manfred Korkhaus, Joachim Ehemaliger Regierender Bürger- Ehemals Prokurist der FBB, erhielt Architekt, 2004 Leitung des Bereichs Diplom-Ingenieur, 2008 Nachfolger meister, setzte zusammen mit Ex- offenbar von der Firma Imtech Planung und Bau der FBB, 2008 Ge- von gKörtgen als Leiter des Bereichs Bundesverkehrsminister Matthias 150.000 Euro Bestechungsgeld für schäftsführer Technik. Fand als Ge- Planung und Bau der FBB. Unter- Wissmann (CDU) gegen den Wider- die fälschliche Bestätigung nicht schäftsführer Zeit zur Promotion zum schrieb mit Geschäftsführer gRainer stand von Manfred Stolpe (SPD), beziehungsweise nicht vollständig Thema „Optimierungsansätze zur Schwarz die Kündigung der pg bbi Ex-Ministerpräsident in Branden- erbrachter Leistungen. prozessorientierten Abwicklung kom- und wurde später von Technikchef burg, den nach dem durchgeführten plexer Baumaßnahmen unter Einsatz gAmann innerhalb der FBB versetzt. Raumordnungsverfahren am we neuer Informations- und Kommuni- Hatte nach eigener Aussage – wie nigsten geeigneten Standort Schöne- Großmann, Jochen kationssysteme“. Sieht keinen Anlass alle anderen auch – keinen umfas- feld für den neuen Großflughafen zur Selbstkritik. Planungsänderun- senden Überblick über die Großbau- durch. Ingenieur, 2013 FBB-Technikchef, zu- gen und Schlechtleistungen des Pro- stelle. Nach der Eröffnung im Juni ständig unter anderem für die Pla- jektsteuerers WSP/CBP hätten für 2012 sei geplant gewesen, ungefähr nungskoordination und die umstrit- Probleme am BER gesorgt. Wurde im ein halbes Jahr bei laufendem Betrieb Dahlitz, Andreas tene Entrauchungsanlage, die er zu- Mai 2012 als Erster gefeuert. den BER fertig zu bauen: Also tags- mindest in Teilen für funktionsuntüch- über zu fliegen und nachts zu bauen. Diplom-Ingenieur, seit 2004 mit der tig geplant hielt. Wurde 2014 wegen BER-Brandschutztechnik befasst. Bestechlichkeit und Betrug entlassen. Findet die rund 40 Anlagen kompli- Loge, Stephan (SPD) ziert, die zudem immer wieder an die erheblichen baulichen Verände- Henkel, Frank (CDU) Landrat Landkreis Dahme-Spreewald, rungen im Terminal angepasst wer- Chef der für den BER zuständigen den mussten. Kritisierte das Krisen- Innensenator und FBB-Aufsichtsrat. Bauordnungsbehörde in Lübben. Sei- management, am Ende habe bei der Hat sich nach eigenem Bekunden in- ne Mitarbeiter ließen sich im Früh- Mängelbeseitigung nichts funktio- tensiv mit den Inhalten der Aufsichts- jahr 2012 nicht auf die Notlösung niert. ratssitzungen befasst – etwa andert- „Mensch-Maschine-Schnittstelle“ an- halb bis drei Stunden. stelle der funktionsuntüchtigen Ent- rauchungsautomatik am BER ein. Fölster, Heike Lobt die Zusammenarbeit mit dem Herberg, Götz neuen FBB-Führungsduo Mühlenfeld/ Seit 2013 FBB-Geschäftsführerin Marks, denen Loge die Eröffnungs Finanzen. Medien berichten Ende Von 1994 bis 2002 FBB-Geschäfts- reife des BER zutraut. 2015 von erheblichen Konflikten führer. Bestätigte, dass er abknicken- mit Geschäftsführer gMühlenfeld, in de Flugrouten den AnwohnerInnen denen es unter anderem um fach gegenüber nicht thematisiert habe – Manninger, Christian liche Kompetenzen und die weitere warum auch? Geradeaus war immer. Strategie der FBB gegangen sein Niemand habe auf etwas anderes Architekt / Betriebswirt, von 2004 bis soll. hingewiesen. 2014 für den Gesamtprojektsteuerer 22 23
WHO IS WHO AM BER WHO IS WHO AM BER WSP/CBP am BER tätig. Überraschte Di Mauro, Alfredo FBB-Geschäftsführer 2013 bis 2015. kurzzeitig verordnete Baustopp we- den Bauausschuss 2013 mit der Infor- Verdrängte den mit dem Erstellen gen Statikproblemen. mation, gegenwärtig werde am BER Technischer Zeichner, beteiligt an der einer BER-Mängelliste beschäftigten eine Bestandsaufnahme erstellt, was Konzeption der Lüftung und Ent- Amann. Behauptete, mit seinem unter gebaut worden sei. Sieht sich nicht rauchung vor und nach der geplatz- anderem aus externen Beratern der Müller, Michael (SPD) in der Verantwortung für die entstan- ten Eröffnung 2012. Plante insbeson- Firmen Roland Berger und Pricewater- denen Probleme, die lägen vor allem dere die berüchtigte Anlage 14. Die house Coopers zusammengestellten Berlins Regierender Bürgermeister bei der Generalplanerin pg bbi. Zusammenarbeit wurde von gMeh- SPRINT-Team zumindest eine Teil und FBB-Aufsichtsratvorsitzender. dorn beendet, weil die Anlage schon eröffnung schnell zu realisieren. Das Erbte von Amtsvorgänger gWowereit funktionsuntüchtig geplant worden Vorhaben scheiterte. die problembeladene BER-Baustelle. Marks, Jörg sei. Dagegen beteuert di Mauro, man Wie zu Wowereits Zeiten funktioniert habe seine Pläne lediglich nicht fer- auch unter Müller der Informations- Leiter des Siemens-Bereichs Gebäude- tig gebaut, der Beweis der Funktions- Mende, Bodo fluss in der FBB nicht reibungslos. technologie in der Region Ost. Seit unfähigkeit sei nicht erbracht. 2014 Zweifel an dem für 2017 avisierten 2014 FBB-Technikchef in der Nach- wurde öffentlich, dass er kein Diplom Mitarbeiter der Senatskanzlei, insis- Eröffnungstermin kamen auf, als Ge- folge gGroßmann/gAmann/gKork- als Ingenieur besitzt. tierte im Untersuchungsausschuss, schäftsführung und Projektausschuss haus/gKörtgen. War für die Firma mit dem (damaligen) Regierenden des Aufsichtsrates erst spät über Er- Siemens am BER tätig und für die Bürgermeister gKlaus Wowereit ste- gebnisse eines Statikgutachtens und Steuerung der Entrauchungsanlage Mehdorn, Hartmut he dem FBB-Aufsichtsrat ein Kenner einer Teilsperrung des Daches infor- verantwortlich. Besteht darauf, regel- der Materie vor. Den Hinweis, dass miert wurden. mäßig auf Probleme bei der Fertig- Diplom-Ingenieur, polarisierte durch der Flughafen dennoch bislang nicht stellung hingewiesen und keinen An- sein hemdsärmeliges Vorgehen als eröffnet sei, kommentierte Mende teil an der geplatzten Eröffnung Manager unter anderem bei der Deut- mit den Worten: „C'est la vie!“ Müller, Torsten 2012 zu haben. schen Bahn, bei Air Berlin – und als Informationselektroniker, 2009 Ober- Mühlenfeld, Karsten bauleiter der Objektüberwachung der pg bbi für das Fluggastterminal; Diplom-Ingenieur, 2015 FBB-Ge- 2014 Angestellter der FBB. Erklärte schäftsführer. Im Gegensatz zu sei- im Untersuchungsausschuss, das für nem Vorgänger gMehdorn fallen die Mängelerfassung von WSP/CBP seine betont bescheidenen Äuße- eingerichtete elektronische Mängel rungen auf: Kein bombastisches erfassungssystem nicht benutzt zu internationales Drehkreuz, sondern haben, weil ihm die Aufstellung per ein „Hauptstadtflughafen light“ sei Excel-Programm geläufiger war. Gilt das Ziel. Er hofft auf eine termin als Erfinder der „Mensch-Maschine- gerechte Eröffnung und schließt Schnittstelle“. Mit dieser Übergangs- nicht aus, dass man zuvor über das technik wäre der BER 2012 eröffnet eine oder andere größere Problem worden, doch das Bauordnungsamt stolpern werde: Wie etwa 2015 der stimmte nicht zu. 24 25
WHO IS WHO AM BER WHO IS WHO AM BER Nell, Knut und Ingenieuren geradezu ausge- bbi am BER tätig. Für ihn liegt die gewesen zu sein. Ignorierte, dass er plündert. Verantwortung für das Desaster nicht nur qua GmbH-Gesetz zur Architekt, 2008 Leitung der Bauüber- am BER bei der FBB. Ihr sei bereits Kenntnis aller relevanten Vorgänge wachung der pg bbi. Bereits im Okto- 2008 bewusst gewesen, dass der in der Firma verpflichtet war. Ver ber 2011 war nicht nur ihm klar, Nozon, Olaf (2010 verschobene) Eröffnungster- gaß auch, dass er spätestens seit dass es wegen Verzögerungen im min im Oktober 2011 kaum einzu- 2010 über die Probleme am BER in- Bauablauf keine weiteren zeitlichen Architekt, seit 1996 mit dem Projekt halten war. Die FBB habe die Fertig- formiert war. Kündigung 2013 wegen Puffer bis zur geplanten Inbetrieb- Großflughafen für die FBB befasst. stellung unter anderem dadurch einer im März 2012 dem Aufsichts- nahme 2012 mehr gab. Schuld an den Aus seiner Sicht erhöhten Schlecht- behindert, dass anfangs zu wenige rat zu spät überreichten Unterlage. Problemen am BER habe insbeson leistungen des Generalplaners pg bbi Bauleiter bewilligt worden seien. Weil die Kündigung erstens nicht dere die FBB, die auf Hinweise auf die Kosten des Projekts. Dennoch Wenn die Eröffnung 2012 behördlich zeitnah erfolgte und es zweitens Schlechtleistungen von Auftragneh- habe er gegen die Kündigung der pg abgesegnet worden wäre, hätte man Hinweise darauf gibt, dass die FBB mern nicht angemessen reagiert bbi im Mai 2012 wegen des abseh den BER im Prinzip gleich wieder diesen Prozess absichtlich verlieren habe, sagte Nell. Offenbar wurde die baren Verlusts an Know-how votiert. zumachen müssen, um ihn fertig zu wollte, gewann er die Anfechtung Verantwortung für Zeitverzüge und Die vollzogene Trennung von der pg bauen. der Kündigung und bekam eine Mil- mangelnde Leistungen nur hin- und bbi sei keine gute Idee gewesen. lion Euro zugesprochen. hergeschoben und nicht mit nötigem Nachdruck auf Vertragserfüllung be- Platzeck, Matthias (SPD) Wowereit, Klaus (SPD) standen. Olbert, Heinrich Früherer Brandenburger Ministerprä- Früherer Regierender Bürgermeister Einst bei der Deutschen Flugsiche- sident und stellvertr. FBB-Aufsichts- Berlins und langjähriger FBB-Auf- Nienhoff, Hubert rung, dort bis 2000 für die Bereiche ratsvorsitzender (kurzzeitig Vorsit- sichtsratsvorsitzender. Behauptete, Luftraum und Verfahren verantwort- zender des Gremiums). Gab 2013 im der Aufsichtsrat habe seine Kontroll- Architekt, zusammen mit gHans- lich. Befragt zu den umstrittenen Brandenburger Landtag zu, dass der pflichten intensiv und kritisch wahr- Joachim Paap als Chefplaner für die Flugrouten schloss er vor dem Unter- Zustand der BER-Baustelle schockie- genommen. Verantwortlich für die pg bbi am BER tätig. Für Paap und suchungsausschuss aus, dass Routen rend und ein Desaster sei – und ver- Berufung der Ex-Geschäftsführer ihn steht die FBB in der Verantwor- planfestgestellt werden könnten. band das Scheitern des Projekts mit gSchwarz und gKörtgen. Bestand tung. Von den 2015 bekannt gewor- Sonst müsste für jede Veränderung der Vertrauensfrage. Platzeck wurde auf der Feststellung, die Geschäfts- den Statikproblemen mit den zu der Routen ein neues Planfeststel- das Vertrauen ausgesprochen, er blieb führung habe ihm gegenüber versi- schweren Entrauchungsventilatoren lungsverfahren eingeleitet werden. noch einige Monate im Amt und am chert, Probleme auf der BER-Baustelle habe man seit 2010 gewusst, meinte Sinnvoll sei jedoch, frühzeitig bei BER wurde weiter gewerkelt. (insbesondere mit der Brandschutz- Nienhoff. Seit diesem Zeitpunkt sei der Flughafenplanung über Flugver- anlage) im Griff zu haben. Sah keine entgegen anders lautender Erklärun- fahren nachzudenken. Notwendigkeit, eine zweite Meinung gen klar gewesen, dass die Eröffnung Schwarz, Rainer von externen Experten einzuholen. 2012 lediglich eine Inbetriebnahme vor Fertigstellung sein würde. Seit der Paap, Hans-Joachim Betriebswirt, von 2006 bis 2013 Kündigung der Verträge mit der pg FBB-Geschäftsführer. Bestand im bbi im Mai 2012 werde die FBB mit Architekt, zusammen mit gHubert Untersuchungsausschuss darauf, mit Dienstleistungsverträgen von Firmen Nienhoff als Chefplaner für die pg der BER-Baustelle nicht befasst 26 27
EINLEITUNG DER BER, DAS MILLIARDENGRAB ZAHLEN MIT VIELEN NULLEN: DER BER, DAS MILLIARDENGRAB Aktuell betragen die Kosten für den BER mindestens 6,3 Milliarden Euro. Das sind rund drei Milliarden Euro mehr gegenüber der Planung aus dem Jahr 2012. Allein Berlin musste als Anteilseigner (37 Prozent) der Flughafengesellschaft bislang 1,013 Milliarden Euro bereitstellen. Dafür hätte man 50 Schulen neu bauen können, die in den kommenden Jahren dringend benötigt werden. Zu verantworten haben diese Geldver- schwendung die Regierenden von Berlin, Brandenburg und dem Bund. 2017 soll es endlich klappen mit der BER-Eröffnung. Vier Jahre nach dem ge- platzten Termin gibt man sich in Flughafenkreisen verhalten optimistisch. Fest steht: Irgendwann werden Reisende am neuen Hauptstadtflughafen in Flugzeuge steigen. Zuvor werden es sich die Anteilseigner der Flughafen gesellschaft (FBB) nicht nehmen lassen, den mit öffentlichen Mitteln in Milliar- denhöhe errichteten Airport feierlich zu eröffnen. Möglicherweise weilt Ex- Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) unter den Festgästen und wird dutzenden Mikrofonen anvertrauen, was er schon 2012 landauf, landab zu verkünden pflegte: Der BER sei eine Erfolgsgeschichte. Sein Amtsnachfolger Müller (SPD) wird dann vermutlich heilfroh sein – musste er doch öffentlich eingestehen, dass auch die Eröffnung 2017 immer unwahrscheinlicher würde. 28 29
DER BER, DAS MILLIARDENGRAB DER BER, DAS MILLIARDENGRAB Ob und wann der BER nach Eröffnung schwarze Zahlen schreiben oder lang- Bund mit einer Bürgschaft auf erste Anforderung zu 100 Prozent gerade. Die fristig von finanziellen Zuwendungen der Anteilseigner abhängig sein wird, ausgereichten Kredite in Höhe von 2,4 Milliarden Euro plus 450 Millionen muss sich noch erweisen. Eine von den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen im Euro Eigenmittel der FBB plus 250 Millionen Euro für die Infrastruktur – die Berliner Abgeordnetenhaus, im Brandenburger Landtag sowie im Bundestag Fertigstellung des neuen Flughafens schien finanziell gesichert. Doch es in Auftrag gegebene Studie1 kommt zu einer düsteren Prognose: Die Refinan- kam anders. zierung der Investitionskosten durch den Flughafen wird ausgeschlossen – Mitte 2014 waren es mindestens rund 5,4 Milliarden Euro. Damit wenigstens die Betriebskosten des neuen Großflughafens gedeckt werden, müssten – Der BER wächst – verglichen mit dem Airport Tegel – die Einnahmen am BER um 50 Prozent ge- je größer, desto teurer steigert werden. Ein ambitioniertes Ziel. Wer den Bau einer Gartenlaube plant, muss wissen, dass das vorgesehene Bud- Beim Flughafenprojekt ist von Anfang an der Wurm drin. Anfang der 1990er get nicht für ein Mehrfamilienhaus reichen wird. Er wird sich vor Baubeginn Jahre wurden über eine abenteuerliche wie kostenintensive Konstruktion genau überlegen müssen, was errichtet werden soll und finanziert werden nicht benötigte Flächen für umgerechnet 250 Millionen Euro erworben. Be- kann, weil baubegleitende Umplanungen bekanntlich immense Zusatzkosten reits damals kritisierte der Landesrechnungshof Brandenburg die mangelnde verursachen und deshalb tunlichst zu vermeiden sind. Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats. Und über die Erkenntnisse des Bundesrechnungshofes berichtete „Der Spiegel“: „Bei ihren monatelangen Bei der Bauherrin FBB und dem Flughafenprojekt BER war dies etwas anders. Recherchen stießen die Beamten auf geschönte Zahlen, unkalkulierte finanzielle War 2005 für das Terminal eine Bruttogeschossfläche von 220.000 Quadrat- und ökologische Risiken und immer wieder auf schlampiges Geschäftsgebaren metern vorgesehen, beträgt sie nunmehr 360.000 Quadratmeter. Hinzugekom- der staatlichen Flughafen-Betreibergesellschaft“ („Geschlampt und geschönt“, men sind zwischenzeitlich unter anderem ein großer Einkaufsbereich für 13. Februar 2005). Reisende, ein spezieller Flugsteig für das Großraumflugzeug A380 und zwei Pavillons. Die Umplanungen verschlangen Unsummen, und die noch 2009 auf Der Versuch, den Flughafen privat errichten und betreiben zu lassen, schei- etwa 2,4 Milliarden Euro veranschlagten Gesamtkosten waren bald Makulatur. terte kläglich und schlug laut Medienberichten mit 41 Millionen Euro zu Buche. Der neue Großflughafen sollte nun in öffentlicher Regie gebaut wer- Für den ehemaligen FBB-Geschäftsführer Hartmut Mehdorn kein Problem: den – und dafür brauchte man Geld. Der Flughafen sei nun doppelt so groß und daher auch doppelt so teuer wie ursprünglich geplant, gab er im Juni 2014 vor dem Hauptausschuss des Ber- Zuerst wandelten Berlin, Brandenburg und der Bund 2005 ihre 224 Millionen liner Abgeordnetenhauses zu Protokoll. Im Übrigen brauche man für dessen Euro Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital der FBB um. Danach erhöhten Fertigstellung eben etwas mehr Zeit, er könne da keinen Skandal entdecken.2 sie zusätzlich das Eigenkapital um 430 Millionen Euro. Die Europäische Inves- Abgesehen von Mehdorns großzügiger Aufrundung der Terminalfläche (hin titionsbank beteiligte sich mit einem Darlehen in Höhe von einer Milliarde zugekommen waren knapp zwei Drittel mehr Fläche) greifen die Bestim- Euro an dem Projekt. Eine weitere Bank finanzierte die benötigten restlichen mungen des Haushaltsrechts auch beim BER: Vor Baubeginn muss eine aus- 1,4 Milliarden Euro. Für beide Darlehen stehen Berlin, Brandenburg und der gereifte Ausführungsplanung vorliegen.3 Die bereits angesprochene Studie 1 „Der Flughafen BER – Analyse der wirtschaftlichen Situation des Flughafens BER in ganzheitli- 2 Wortprotokoll der 62. Sitzung des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin, cher Betrachtung mit alternativen Szenarien“, Forschungsgruppe Luftverkehr, Technische Uni- 4. Juni 2014, S. 6 (Download unter: www.gruenlink.de/sr2) versität Chemnitz, Juni 2014 (Download unter: www.gruenlink.de/sr1) 3 § 54 Bundeshaushaltsordnung (§§ 24 und 54 LHO) 30 31
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