Geleitwort von Matthias Rückel - Reale Geschäfte mit dem virtuellen zweiten Leben? - Buecher.de

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Geleitwort
von Matthias Rückel

Reale Geschäfte mit dem virtuellen zweiten Leben?
Sie halten mit „Unternehmen in Second Life®“ das erste deutschsprachige
Buch in Händen, das seriös und in ganzer Breite funktionierende und
potenzielle Business- und Marketingcases in Second Life® vorstellt. Second
Life® kann man als die am schnellsten wachsende Internet-Community
bezeichnen – und die deutschsprachige Second-Life®-Community ist die
drittgrößte in der Virtuellen Welt.

Die kompetenten Fachautoren Dr. Christiane Gierke und Ralph Müller
setzen sich in diesem Buch jenseits der häufig kolportierten Boulevardthemen
„Sex und Gewalt“ ernsthaft mit den unzweifelhaft bestehenden Chancen und
Herausforderungen, die Virtuelle Welten für die Geschäftswelt haben, aus-
einander.

Durch die starke Präsenz und breite Diskussion von Second Life® in den
Medien sehen wir heute deutlich, dass das Internet in seiner jetzigen Form
nicht das Ende der Entwicklung globaler Informations- und Kommunika-
tionsmöglichkeiten ist. Wir stehen am Anfang der nächsten Veränderungs-
welle, die stark durch Social-Software-Tools (Web 2.0) und dreidimensio-
nale Welten geprägt ist.

Second Life® stellt als 3D-Umgebung augenblicklich die einzige offen zu-
gängliche globale Technologieplattform dar, in der im größeren Umfang Er-
fahrungen gesammelt werden können. Die Kombination aus 3D-Umgebung
mit physikalischer Simulation, User Generated Content, Micropayment,
freier Gestaltungsmöglichkeit des Avatars – der „Spielfigur“ in SLTM – in Ver-
bindung mit Text- und Sprachkommunikation ist einzigartig.

Es ist schon jetzt deutlich, dass eine offene und zugängliche Plattform wie
Second Life® neue Qualitäten für kommerzielle Anwendungen bietet. Vir-
tuelle Welten erlauben ein „Eintauchen“, diese Immersion in die Virtuelle

                                                                            9
Geleitwort

Welt wird die Erlebniswelt „Computer“ und „globale Kommunikation“ ra-
dikal verändern. Noch gibt es wenig erprobte Konzepte und Materialien. Die
bisherigen Erfahrungen zeigen Second Life® als eine Plattform für eine in-
tensive Kommunikation. Die sinnvolle Gestaltung von Geschäftsszenarien
steckt noch in den Kinderschuhen. Aber es ist offensichtlich, dass sich die
effektive Beschaffung von Dingen im Internetshop zu einem gemeinsamen
emotionalen Einkaufserlebnis weiterentwickelt werden wird.

In Anbetracht der neuen Möglichkeiten von 3D-Umgebungen erscheint die
Frage, ob sich Second Life® als Plattform durchsetzen wird, nebensächlich.
Der heute selbstverständliche E-Commerce zeigt, dass die Technologie zwar
den Rahmen bereitstellt, der zentrale Erfolgsfaktor aber konsequent umge-
setzte Geschäftskonzepte sind! Einen ähnlichen Verlauf prognostiziere ich für
Virtuelle Welten. Die zu entwickelnde Kernkompetenz wird die Konzeption
und Umsetzung von sinnvollen Geschäftsszenarien sein – auf welcher tech-
nologischen Plattform dies auch immer geschehen mag. Viele Unternehmer
und Unternehmen stehen Second Life® und anderen virtuellen 3D-Welten
noch skeptisch gegenüber. Ähnliche Stimmen wurden auch laut, als sich das
konventionelle Internet in den Startlöchern befand. Und heute? Nach einer
aktuellen Umfrage würde die Mehrheit der Deutschen eher auf das Fernse-
hen als auf das Internet verzichten!

Angesichts der rasanten Geschwindigkeit ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich
mit dem „virtuellen Business“ auseinanderzusetzen und die Erfolgschancen,
die Herausforderungen und die funktionierenden Konzepte kennenzulernen.
Dieses Buch ist der erste wichtige Schritt dazu – denn es beantwortet die
Fragen, die jeder Businessmensch an die Virtuellen Welten stellt.

Mit freundlichen Grüßen aus dem ersten und zweiten Leben

Matthias Rückel
SLTM-Name: Dia Diqui
Diplom-Pädagoge, E-Learning Senior Consultant
Expertenblog „Live Online Collaboration“

10
Vorwort der Autoren

„Überwiegend harmlos“ – Eingeweihte erkennen das sofort: So beschreibt
der intergalaktische Reiseführer im Kultbuch „Per Anhalter durch die Gala-
xis“ den gesamten Planeten Erde. Denn mehr Platz war einfach nicht im
Reiseführer – und das zu beschreibende Universum zu groß. Und vor genau
die gleiche Herausforderung fühlten wir als Autoren uns gestellt, als die Idee
in uns reifte, aus unserem spielerischen Engagement in Second Life® ein
ernsthaftes zu machen und die komplexe, bunte, gegenständliche, amorphe,
witzige, erstaunliche Galaxie Second Life® so zu untersuchen und vorzustel-
len, dass Sie als Leser mit unserem Buch wie mit dem Reiseführer navigieren
können. Dass Sie möglichst viel nutzwertige Information darüber erhalten,
wo es sich lohnen könnte, nachzuforschen, zu entwickeln, zu investieren.

Denn natürlich gibt es einfache Businesscases in Virtuellen Welten, wie die
Programmierung und den Verkauf immaterieller Güter. Wenn Sie aber schon
ein Business im Real Life – oder kurz RL – führen oder im Management
beschäftigt sind, werden Sie sich wohl kaum dafür interessieren, Schuhe im
Second Life® – oder kurz SLTM – zu programmieren und in einem selbst
gebauten oder gemieteten Schuh-Shop anzubieten. Sie wollen wissen, wie
andere Unternehmen es geschafft haben, ihr Engagement in Second Life®
zum Erfolg zu machen. Sie wollen wissen, was Innovationsführer ausprobie-
ren, um sich zukunftsfit zu machen. Sie wollen von ihren Erfahrungen und
dem Wissen der Early Adopters profitieren.

Dafür haben wir dieses Buch geschrieben. Dafür sind wir wie – man darf
es wohl zitieren – Ford Prefect zu den unterschiedlichsten Punkten der Ga-
laxie Second Life® gereist und haben ermittelt, welche die Erfolgsfaktoren
für Unternehmen in Virtuellen Welten sind. Unternehmen kommt von „et-
was unternehmen“ – und das hat natürlich auch etwas mit „wagen“ zu tun.
Ein Unternehmen – im Sinne von Unterfangen – in Virtuellen Welten braucht
Wagemut und Spirit. Es braucht vielleicht deutlich weniger Kapital als eines
im Real Life! Aber es braucht sicher eine starke Vision, Neugierde und In-
novationsgeist. Denn letztlich basiert es auf zu Technologie gewordener
Fantasie.

                                                                           11
Vorwort der Autoren

Und bleiben Sie beim Geschäft! Denn Second Life® ist trotz aller animieren-
den Fantasie kein Spiel. Unserer Meinung nach sind Second Life® und eini-
ge der neueren, kommenden Virtuellen Welten, für die SLTM hier platzhaltend
steht, viel eher eine riesige soziale und ökonomische Simulation, ein sich
selbst fortschreibendes multiintelligentes Gebilde, das aus sich selbst heraus
wächst, neuen Content generiert, neue Sub- und Parallelsysteme gebiert.
Wenn man so will, ist es eine Galaxie von Simulationen, die zeitgleich unter-
schiedliche Optionen von „Welt“ durchspielen.

Mitte 2007 stürzten sich die deutschen Medien in einen wahren „Second
Life® ist tot“-Taumel. Angeheizt von tatsächlichen Problemen wie steigenden
Landpreisen, in der Community heftig kritisierten Geschäften, verwaisten
Einkaufszeilen, Glückspiel-
verbot, Finanzskandalen und
                                                  Gartner Group Hype Cycle für SL           TM

wachsenden pornografischen            Visibility
                                                             (Quelle: Gartner Group)

Inhalten in SLTM wurde das         (Sichtbarkeit)

Ende von SLTM und gleich                              Experte Clay Shirky bringt
auch aller anderen Virtuellen                           die Frage auf: ist SM
                                                         „Over-Hyped“(Jan. 07)
                                                                               TL

Welten vorausgesagt.
                                                                                         ????
                                                        1 Mio.
                                                        Mitglieder
Mit jetzt mehr als elf Mil-                             (Okt. 06)      7 Mio.
                                                                       Mitglieder
lionen angemeldeten Avata-                  Start von SM (2003)  TL
                                                                       (Jun. 07)
                                                                                                 Maturity
                                                                                                  (Reife)
ren (digitale Stellvertreter in
                                    Technology       Peak of       Trough of       Slope of      Plateau
SLTM, siehe auch Glossar in           Trigger        Inflated   Disillusionment Enlightenment of Produc-
                                                 Expectations                                      tivity
Kapitel 7) und einem Peak
                                        nach: http://www.susankish.com/susan_kish/vw_secondlife.html
von etwa 58.300 Avataren, die
gleichzeitig online waren im
Dezember 2007, muss man nicht zwangsläufig der Meinung folgen, dass
Second Life® kurz vor dem Aus steht. Das sehen ausländische Medien auch
teils ganz anders – dort schwappt die Welle gerade erst hoch! Indes betreiben
die deutschsprachigen Medien vielleicht zuweilen auch etwas Nabelschau
und fokussieren sehr stark auf den deutschsprachigen Teil von Second Life®:
Sie picken sich also einen Planeten aus dem Sonnensystem, zugegebener-
maßen einen recht großen, betrachten ihn unter der Feststellung, dass er nicht
rasant zu wachsen scheint – und schließen daraus, das Universum stehe still,
da sei das meiste schon gelaufen, der Kollaps drohe. Doch nicht nur das
renommierte Beratungshaus Forrester Research kam im Frühjahr 2008 zum
Ergebnis, dass innerhalb von fünf Jahren 3D-Umgebungen für die Arbeits-
welt so wichtig werden wie es heute das Internet ist.

12
Vorwort der Autoren

In diesem Buch kaprizieren wir uns auf Beispiele, Unternehmen und Unter-
suchungen aus der deutschsprachigen Community in Second Life®. Und wir
nutzen diese exemplarisch für die Beurteilung der Entwicklungstrends des
Internets. Denn es mag sein, dass Second Life® nicht die 3D-Welt ist, die sich
letztlich (in Businesscases) durchsetzen wird. Aber es ist die, deren Business-
und Marketingcases, deren Erfahrungen und Visionen zum jetzigen Zeit-
punkt am leichtesten auf Ihre Situation zu übertragen sind, und anhand de-
rer wir die Ideen und Möglichkeiten, aber auch die Fährnisse und Wagnisse
der neuen Trends deutlich machen können.

Es gibt Unternehmen und Unternehmer aus mehr als 100 Ländern in SLTM,
der weitaus größte Teil stammt aus den USA und England, während die
asiatischen Länder aufholen. Gehen Sie hinaus und erforschen Sie Ihre
eigene Galaxis!

Apropos Reisen: Wenn wir im Buch auf andere Seiten verweisen, tun wir das,
wie in SLTM auch, mit Landmarks und TPs: Das heißt, Sie können sich durch
schnelles Teleportieren (TP) auf die Landmark (Beschreibung der Lokation)
des entsprechenden Verweises im Buch „beamen“. Wenn wir einen SLTM-
typischen Begriff verwenden, der nicht direkt im Text erklärt wird, finden
Sie ihn auf jeden Fall im Glossar in Kapitel 7 und unter www.business-sl.eu
– denn dort ist unser Blog zum Buch mit vielen weiteren Informationen aus
Second Life® und anderen Virtuellen Welten.

Wir freuen uns über Ihren
– virtuellen – Besuch!

Dr. Christiane Gierke
SLTM-Name: Shira Lytton
E-Mail: c.gierke@text-ur.de

Ralph Müller
SLTM-Name: Sagan Amat
E-Mail: mueller@kapete.de

                                                                            13
1. Virtuelle Welten:
   Multiversen
   für die Wirtschaft?

Wir stehen an der Schwelle zu einem technologischen und sozialen „Rollout“:
Es gibt eine neue Technologie mit weitreichenden sozialen und ökonomi-
schen Implikationen, die Handeln, Denken und Forschen, Kooperieren und
Kollaborieren, Recherchieren und Publizieren, Lernen und Lehren verändern
werden. Dabei handelt es sich um die dreidimensionale, oft – aber nicht
immer – mimetische Repräsentierung menschlicher Wesen und Darstellung
virtueller Räume im Internet. 3D-Internet, „geronnen“ in Virtuellen Welten,
verknüpft mit Kommunikationstools und Netzwerkanwendungen, wie sie
heute unter dem Schlagwort Web 2.0 zusammengefasst werden, schafft vor
allem eine riesige Matrize, auf der sich Gesellschaft und Handel, Wirtschaft
und Politik, Privates und Intimes ausprägen – fast wie im richtigen Leben.
Und so heißt die bekannteste dieser Virtuellen Welten nicht ohne Sinn Second
Life® oder abgekürzt SLTM – also: das zweite Leben.

Second Life® – das zweite Leben ist nur eine Wahl
Kurzporträt Second Life®

„Second Life® is a 3D digital world imagined and created by its Residents.“
                                         Quelle: www.secondlife.com

■ Betreiber und Entwickler: Linden Lab® – kurz LL –, San Francisco, Ca
■ Währung: Linden-Dollar (L$); wird gehandelt an der Inworld-Börse Lin-
  deX, Kurs etwa 270 L$ für 1 US-Dollar
■ Stichtag 05.12.2007 von LL angegebene Zahl an Residents, also Nutzern:
  11.258.066

14
Second Life® – das zweite Leben ist nur eine Wahl

■ Stichtag 05.12.2007 angegebene Inseln, die bis Ende November 2007 er-
  stellt wurden: 11.265. Inseln, die allein im Monat November dazukamen:
  etwa 400
■ Der Grundeintrag (Basic Account) ist kostenfrei.
■ Premium Accounts, benötigt zum Landerwerb, kosten von 9,95 US-Dol-
  lar aufwärts.
■ Landnutzungsgebühr startet mit 9,95 US-Dollar pro Monat für eine Par-
  zelle von 512 Quadratmetern.
■ Aktive Bewohner in den letzten 60 Tagen, Stichtag 05.12.2007: 1.495.561
■ US-Dollar-Ausgaben in den letzten 24 Stunden, Stichtag 05.12.2007:
  1.278,765 US-Dollar
■ LindeX-Transaktionen in den letzten 24 Stunden, Stichtag 05.12.2007:
  241.459 US-Dollar
■ Einzelnutzer mit einem „positiven monatlichen Linden-Dollar-Flow“,
  Oktober 2007: 49.156
■ Einzelnutzer, die mehr als 5.000 US-Dollar erwirtschaftet haben, Oktober
  2007: 157
■ Zahl der Residents, die inworld Geld ausgegeben haben, Oktober 2007:
  318.742

                                                Quelle aller statistischen Daten:
                              http://secondlife.com/whatis/economy_stats.php

a) Millionen Quadratmeter                    b) Millionen Stunden

Abbildung 1
In SLTM verkauftes Land (a) und Nutzerstunden (b, Quelle: http://secondlife.com/whatis/
economy-graphs.php).

                                                                                     15
1. Virtuelle Welten: Multiversen für die Wirtschaft

Casestudies: Business und Marketing

Business- und Marketingcases in Virtuellen Welten wie Second Life® –
das kann eine große Varietät an Aktivitäten umfassen, die in diesem
Buch vorgestellt und mit Fallbeispielen und Interviews illustriert wer-
den. Nicht alles trifft auf jede der vielen entstehenden Virtuellen Welten
und Weltmodelle zu. SLTM hat insofern aus drei Gründen eine Sonder-
rolle inne: Zum Ersten hat es eine kritische Masse erreicht, um eine (flo-
rierende) Binnenwirtschaft zu etablieren. Diese beruht zum Zweiten auf
der eigenen Währung, dem Linden-Dollar (L$), der zum freien Wechsel-
kurs an der Inworld-Börse Linden-Dollar-Exchange (LindeX) in US-Dol-
lar getauscht werden kann. Drittens entstehen in Second-Life® ständig
Inhalte, die – zumindest sehen es die Bestimmungen des Second-Life®-
Betreibers Linden Lab® noch so vor –, den Verfassern, Kreateuren, Pro-
grammierern dieser Inhalte gehören. Die Nutzungsrechte an diesem User
Generated Content können vermarktet werden – was nicht in allen Welten,
etwa bei einigen Game-Worlds, der Fall ist. Im Folgenden wird also zu-
sammenfassend aufgelistet, was im weiteren Sinne zur „Volkswirtschaft“
Virtueller Welten am Beispiel von SLTM zu zählen ist. Dabei vermischen sich
die Paradigmen: Einige Leistungen werden inworld erbracht und „fak-
turiert“, einige beziehen sich auf Earnings und Spendings im Real Life
oder kurz RL:

■ User Generated Content: Reuters führt eine Statistik an, nach der im Som-
  mer 2007 bereits über zehn Millionen Objekte in SLTM von den Nutzern
  erstellt worden waren und monatlich etwa 230.000 Objekte verkauft
  werden.
■ Kollaboration („collaborative work“)und Kooperation: Zusammenarbeit
  an (Unternehmens-) Projekten innerhalb eines virtuellen Unternehmens
  beziehungsweise virtuellen Teams eines Unternehmens oder zwischen Te-
  ams unterschiedlicher Unternehmen, Forschung und Entwicklung, inter-
  disziplinäre Teamarbeit, Wissenschaft, Design, Architektur, Kunst
■ Recruiting: Inworld-Recruiting von technologieaffinen High Potentials
  für RL-Firmen, sowohl durch die Firmen selbst (Recruiting Center von
  großen Unternehmen in SLTM) als auch durch spezialisierte SLTM-Recrui-
  tingfirmen und Ausrichter virtueller Jobbörsen in SLTM
■ Angebot jeder Art nützlicher Dienstleistung wie Beratung, Building, Skrip-
  ting, Training, Coaching, Sprachkurse, virtuelle Rundreisen, die in SLTM
  durchgeführt werden

16
Second Life® – das zweite Leben ist nur eine Wahl

■ Inworld-Beratung bezüglich Dienstleistungen, die in RL durchgeführt
  werden: etwa Agenturgeschäft, Bankberatung, Versicherungsberatung
■ Realty: Verkauf von und Handel mit „Land“. Dass damit Geld zu verdie-
  nen ist, beweisen die hochgehypten Storys um Anshe Cheung, der in RL
  zum Dollarmillionär durch SLTM-Immobilientransaktionen wurde.
■ Verkauf realer und/oder virtueller Güter durch RL-Unternehmen: Dazu
  zählen unzählige Shops von bekannten Marken aus RL.
■ Promotion und Marketing von Marken und Unternehmen aus RL, Image-
  transfer, Innovationsführertum, neue USPs, neue Märkte entdecken, neue
  Modelle anbieten wie Personalisierung/Customizing von SLTM-Produkten,
  die dann im RL gekauft werden können (Kleidung, Schuhe).
■ Targeting von Kunden, Research, Marktstudien und so weiter
■ inworld: Shops und Verkauf von virtuellen Gütern durch Residents; „pri-
  vater“ Erwerb durch Campen, Tanzen, Promotion von Locations oder
  Events und so weiter
■ inworld: Ausrichtung von Events und Promo-Aktivitäten, Marketing und
  Werbung
■ inworld: Finance und Börse
■ Das ursprünglich lukrative Thema „Glücksspiel“ – durchaus ein Wirt-
  schaftsfaktor – ist seit Ende Juli 2007 mittels Nutzungsbedingungen seitens
  Linden Lab® verboten („Gambling Ban“), damit hinfällig.

First Mover oder Last Chance
Es mag sein, dass die Zahl der realen Nutzer die Zahl der Ende Oktober 2007
laut Linden-Lab®-Statistik angemeldeten SLTM-Avatare – über elf Millionen –
bei Weitem nicht erreicht. Und sicher ist es so, dass stets „nur“ zwischen rund
35.000 und 45.000 Nutzer zeitgleich online sind, mehr würde das System
allerdings auch bei der momentanen technischen Performanz kaum ertra-
gen – auch so schon ist es öfters mal „laggy“ (verzögerte Darstellung). Doch
ist auch klar, dass SLTM immer noch im zweistelligen Bereich wächst und sich
ständig weiter ausdifferenziert. Gerade die deutschsprachige Gemeinschaft ist
sehr stark in SLTM, größer sogar als die US-amerikanische; immerhin die Hei-
mat von Linden Lab®. Angesichts von aktuell mehr als 40 Millionen Inter-
netnutzern in Deutschland und stetig wachsender Bandbreiten steigt auch die
Zahl derjenigen, die über kurz oder lang mit der möglichen Nutzung von
dreidimensionalen Virtuellen Welten in Berührung kommen werden. Und
die Gruppe der über 45-Jährigen ist die am schnellsten wachsende Nutzer-
gruppe in SLTM. Obwohl ihr momentaner Anteil nach Aussage des AvaStar

                                                                            17
1. Virtuelle Welten: Multiversen für die Wirtschaft

vom 26.10.2007 nur 14 Prozent ausmacht, dürfte sich das mit den immer stär-
ker aufkommenden „Seniorenprojekten“ bald weiter ändern: So halten die
Geronauten Vorlesungen über SLTM und bieten SLTM-Trainings für ihre fort-
geschrittenen Mitglieder an, und die „Red Hat Society“ für Ladys über 50 ist
schon seit Längerem in SLTM aktiv. Auf seiner Website weist Linden Lab® dar-
auf hin, dass die weit über elf Millionen Residents (Ende Oktober 2007) aus
über 100 Ländern kommen und sich zu 60 Prozent aus Männern, zu 40 Pro-
zent aus Frauen zusammensetzen. Die Altersstruktur reicht von 18 bis 85
Jahren, doch ist der Schnitt noch recht jung. Statistiken aus dritten Quellen
bescheinigen SLTM-Nutzern zudem oft eine überdurchschnittliche Ausbil-
dung, doch sind solche Aussagen angesichts der „laschen Identifizierungs-
politik“ mit Vorsicht zu genießen. Was man wohl sagen kann, ist, dass es sich
im Allgemeinen um ein technologie- und technikaffines Publikum handelt;
viele Residents, die dort über längere Zeit aktiv sind, kann man wohl auch als
open-minded, kulturell aufgeschlossen und als „Weltenbummler“ bezeich-
nen. Lingua franca ist Englisch; es gibt jedoch sehr viele heimatsprachliche
Landescommunitys.

Virtuelle Welten in Entwicklung und Aktion
SLTM wird häufig fälschlicherweise als Game, als Spiel bezeichnet. Dabei feh-
len dieser 3D-Welt alle wesentlichen Merkmale eines Spiels wie Regelwerk,
Rahmenhandlung und Siegbeschreibung sowie das Spielziel. Es ist ebenso
wenig noch eine der bereits vielzahlig existierenden Internetplattformen für
spezifische Zielgruppen und ihre Ansprüche (Handel, interner Geschäfts-
austausch, interaktive Rollenspiele), es ist auch keine Rückzugsplattform für
kommunikationsgehemmte Sonderlinge. Im Gegenteil ist SLTM eine techni-
sche Infrastruktur für eine 3D-Welt, die von einer so kreativen, bunten,
divergenten, weltweiten, vernetzten, kommunikativen und zukunftsorien-
tierten Bevölkerung besiedelt ist wie kaum eine zweite. Second Life®, und
damit der Anbieter Linden Lab®, erlaubt dieser weltweiten Community,
den größten Teil der Virtuellen Welt geografisch, grafisch-designerisch, sozi-
al und inhaltlich innerhalb eines gewissen Regelwerks auf dieser technischen
Plattform selbst zu gestalten. Damit kann man Second Life® sicher zuallererst
als Metaversum, als Nachbildung eines realistischen Universums bezeichnen.
Doch ist in diesem Metaversum physikalisch viel mehr möglich als in der re-
alen Welt: Man kann Geschöpfe erschaffen und ihnen virtuelles Leben ein-
hauchen. Avatare fliegen durch die „Luft“ von Kontinent zu Kontinent, von

18
Virtuelle Welten in Entwicklung und Aktion

Sim zu Sim, stürzen ab ohne Blessuren, laufen unter Wasser, ohne atmen zu
müssen und werden von TH (Telehub) zu TH portiert, „gebeamt“, ohne den
kleinsten Molekularschaden zu erleiden. Es gibt keine Ressourcenprobleme
– außer der Serverkapazität –, es wird kein Öl gebraucht, kein Wasser ver-
schwendet, keine Luft verpestet, kein Abwasser vergiftet – selbst Kinderarbeit
scheint unbekannt, da – im Gegensatz zu RL – eben nicht lukrativ. Unter
diesen paradiesischen Umständen entwickeln viele Avatare ein neues sozia-
les Bewusstsein und ein interaktives Netzwerk. Kreativität fließt in den Auf-
bau möglichst schöner, faszinierender oder geheimnisvoller Landschaften, in
kollaborative Arbeitsprojekte, in vernetzte Kunstansätze, in den Aufbau sozi-
aler Gemeinschaften, die ein gemeinsames Anliegen verfolgen, aber auch
schlicht in das Kennenlernen von vielen anderen Avataren und damit Men-
schen aus aller Welt. Und es entwickeln sich Handel und Wirtschaft – inworld
in Second Life® und „crosslife“ mit Bezügen zum Real Life.

Kategorisierung: die virtuelle Geografie
Second Life® ist nicht die einzige 3D-Welt, die eine große Faszination auf die
Digital Natives und Digital Immigrants ausübt. Es ist momentan nur die
größte und in ihrer Vielfalt vielleicht komplexeste von allen und dient hier als
Beispielvorlage, um mögliche Entwicklungen auf der Matrize von Virtuellen
Welten zu beschreiben. Kein vernünftiger Zweifel kann zum jetzigen Zeit-
punkt daran bestehen, dass der dreidimensionalen Internetdarstellung und
damit Virtuellen Welten die Zukunft gehört. Das muss aber nicht gleichbe-
deutend mit SLTM sein, denn bereits seit einiger Zeit bilden sich zielgruppen-
spezifische Virtuelle Welten heraus, die teils komplett dem Spiel, teils sozia-
lem Netzwerken und teils reinen Businessanwendungen wie Conferencing
oder Kollaboration gewidmet sind.

Die Abbildung 2 zeigt eine mögliche Klassifizierung dieser Modelle und ihre
Schnittmengen. Dazu einige Erläuterungen: Zu den MMORPGs (Massively
Multiplayer Online Role Playing Games) zählen die Spielewelten. Metaversum
beschreibt die fantasievollen „Allroundwelten“, die sowohl soziale wie auch
Businessanwendungen ermöglichen. Paraversen bilden die Vermischung
mit der realen Welt, vor allem in Ansätzen der fotorealistischen Darstellung
von Landschaften, Städten, Gebäuden oder Menschen als Grundlage der
Online-Aktion. Von der Seite des Real Life „ragen“ hier Anwendungen der
Augmented Reality herein, bei der zum Beispiel in die reale 3D-Welt digitale
Zusatzinformationen, Oberflächen oder Orientierungsanweisungen einge-

                                                                             19
1. Virtuelle Welten: Multiversen für die Wirtschaft

blendet werden. Mit Intraversum werden analog zum Intranet 3D-Anwen-
dungen bezeichnet, die als Plattform innerhalb eines großen Unternehmens
oder innerhalb von kooperativen Zusammenschlüssen abgetrennte Einhei-
ten zu eigenen (Business- oder Lern-)Zwecken bilden. MMOLEs (Massively
Multi-Learner Online Learning Environments) können sich als Online-Lern-
umgebungen, ähnlich den Serious Games, darstellen oder auch quasi als
3D-Erweiterungen von Systemen, die virtuellen Klassenzimmern (Virtual
Classrooms) oder Webconferencing-Anwendungen nahekommen. MMOLEs
bieten klare Business Opportunities für Unternehmen: Hier lassen sich so-
wohl verkäufliche Produkte und Konzepte entwickeln als auch große Sum-
men durch die Nutzung dieser Angebote im Unternehmen einsparen.

                                                                                                PARAVERSE
                                                                                    ■   Überkreuzung mit der realen Welt
                                                                                             ■ Verknüpfung mit Google

                   MMORPG                                                                          Earth Street View
                                                                 METAVERSE
■   konventionelle Fantasy-Themenwelten,                         ■ zeitgenössische
    in denen die Mitglieder die Rollen                             Struktur oder Fantasy
    fiktionaler Charaktere übernehmen        Währung             ■ dezentralisierte Struktur – nicht
                                                                   hierarchisch oder level-orientiert
■   hierarchischer Aufbau
    der Levels oder                        Immersion
    des erreichbaren                                      ■ informelle
                        ■ zielorientiert
    Status                                                  Kommunikation
                        ■ vorgeschriebene/
                                                          ■ soziales
                          vorentwickelte                                                INTRAVERSE
                                                            Netzwerken
                          Szenarios
                                                                                        ■ internes Metaversum
                                     ■   Schulungsumfeld
                                                                                          (in Unternehmen)
                                     ■   soziales Netzwerken,
                                                                                        ■ in Analogie
                                         um informelles Lernen
                                                                                          zu Intranets
                                         zu unterstützen
                                             MMOLE

Abbildung 2
Virtuelle Geografie (Quelle: Susan Kish, First Tuesday AG,
von ihr zitiert in http://www.lunchoverip.com/2007/10/Second-Life-vir.html)

Immer breiteren Einsatz finden auch die sogenannten Serious Games: Com-
puterspiele, die Unterhaltungswert mit Nutzen- und/oder Lernorientierung
verbinden. Spielerisch-motivierend lassen sich auch abstrakte Inhalte leicht
vermitteln, Anwendungsszenarien simulieren und Ergebnisse anschaulich
darstellen. Spieletechnologien kommen auch bei zunächst fachfremd anmu-
tenden Anwendungen zum Einsatz wie zum Beispiel Bildung („Game-based
Learning“), Wirtschafts- und Unternehmenssimulationen, Maschinen- oder

20
Virtuelle Welten in Entwicklung und Aktion

Anlagenplanung und -steuerung, Qualitätssicherung, Flug- und Verkehrssi-
cherheit, Logistik, Finanzen, Fachtrainings aller Art, Koordinations- und Mo-
toriktrainings sowie Schulungen differenzierter Zielgruppen.

Die Welten der Spiele: Game Worlds
Im Gegensatz zu Second Life®, das hier als eine riesige „Sozialsimulation“
– und nicht als Spiel – betrachtet wird, gibt es einige Virtuelle Welten, die
wirklich komplett dem Spielen entstammen und zum Teil ehemals sozial-
verklemmte „Single-Computerspiele“ in faszinierende riesige „Game-Uni-
versen“ mit fantasievoller Grafik und hochkomplexen Spielregeln verwandelt
haben.

World of Warcraft
An erster Stelle ist hier das MMORPG World of Warcraft (WOW)zu nennen.
Gut zehn Millionen (Stand März 2008) zahlende Nutzer tummeln sich in die-
ser extrem erfolgreichen 3D-Welt, die der Anbieter Blizzard Ende 2004 als
Online-Rollenspiel auf den Markt brachte. WOW ist allerdings keine Platt-
form für externes Business und kommerzielle Anbieter; das Geschäftsmodell
von Blizzard liegt darin, dass schlicht alle Nutzer zahlen, auch die, die nicht
aktiv spielen.

iEVE
Eve Online hat rund 150.000 Nutzer und ist eine der am schnellsten wach-
senden Welten auf IBM-Blade-Servern. Das Geschäftsmodell ist dem von
WOW ähnlich: CCP Games bietet ein 14-tägiges Probespiel an, danach wer-
den monatliche Abo-Gebühren fällig.

RuneScape
„RuneScape ist ein Online-Rollenspiel für Tausende von Spielern (MMORPG)
und der Name einer Virtuellen Welt, in der man Monster besiegen, Abenteuer
abschließen und Schätze finden kann. RuneScape ist mehr als nur ein Spiel, es
ist eine sich ständig entwickelnde Welt mit erstaunlicher Spieltiefe und Flexibi-
lität. Die Spieler kontrollieren einen Charakter, der trainiert werden kann, um
talentierter und mächtiger zu werden. Man kann sich aber auch dafür ent-
scheiden, seine Fertigkeiten gar nicht zu verbessern, sondern ein Händler zu wer-
den, der seine Geschäfte auf den vielen Marktplätzen von RuneScape abschließt.
Keine der Handlungen in RuneScape ist vorbestimmt, es liegt ganz allein an
euch, welche Richtung ihr einschlagen wollt.“             Quelle: www.jagex.com

                                                                              21
1. Virtuelle Welten: Multiversen für die Wirtschaft

Was Betreiber Jagex Ltd. auf seiner Website über die RuneScape-Welt
schreibt, soll hier hier nicht bewertet, nur zitiert werden, da es prototypisch
steht für Systematik und Spielansatz mehrerer virtueller Game-Welten. Kre-
ation und Destruktion, Aufbau und Kampf, Monster und Magie, Technik und
Technologie, Universum und Mikroversum, Besiedlung und Zerstörungs-
schlacht, soziale Utopie und „Zeitalter des Krieges“ – alles ist möglich, alles
wird auch „gelebt“. Auch das Businessmodell von RuneScape gleicht anderen:
Eine abgespeckte Version ist kostenfrei im Internet zugänglich, momentan
können über 20 Abenteuer ohne Zahlung und persönliche Identifikation ge-
spielt werden. Wer mehr will, mehr Ausrüstung und mehr „Quests“ (Rätsel,
Aufgaben, Abenteuer), der muss zahlen.

Auswahl weiterer Spielewelten

■ Lineage II
■ Entropia Universe
■ Star War Galaxies

Virtuelle Lern- und Entwicklungswelten
Es gibt Ansätze, Virtuelle Welten mit einem im weiteren Sinne Entwicklungs-
oder Lerncharakter zu etablieren.

Als „OLIVE“, On-Line Interactive Virtual Environment, bezeichnet Anbieter
Forterra Systems seine Plattform und die Technologie zur Erstellung Vir-
tueller Welten (www.forterrainc.com). Kollaboration, Entwicklung, E-Lear-
ning, Teamtraining, Forschung, Medizinalsektor, Verteidigung und innere
Sicherheit – es gibt kaum einen Bereich, zu dem in Forterra nicht „private
secure worlds“ für die Online-Simulation entwickelt werden können. Zu
dieser Kategorie können auch die Lernumgebungen als Subsysteme in Second
Life® und Teen Second Life® gezählt werden sowie im weiteren Sinne Meta-
place (www.metaplace.com), Active Worlds (www.activeworlds.com) und
Whywille (www.whywille.net). In der extrem bunten 2D-Whywille-Welt
können erfolgreich lernende und spielende Kids Clamshells (Inworld-Wäh-
rung) verdienen.

The Sims OnlineTM
The Sims OnlineTM kann man als soziales Rollenspiel mit Entwicklungs-
charakter bezeichnen. 2002 von Electronic ArtsTM ins Leben gerufen, hat

22
Virtuelle Welten in Entwicklung und Aktion

sich diese 3D-Online-Welt schnell zum Publikumsliebling entwickelt. Die
ersten 14 Tage sind kostenfrei, danach werden 9,95 US-Dollar pro Monat
fällig. Jeder Avatar erhält virtuelles Land, das er bebauen kann. Hier geht es
darum, sich fortzuentwickeln, soziale Netzwerke aufzubauen, schöne Häuser
zu schmücken und seinen kleinen Reichtum aufzubauen.

Die Welten der Gemeinschaft:
virtuelle soziale Netzwerke (Metaversen)
Den virtuellen sozialen Netzwerken wird als veritablen Nachfolgern der heu-
tigen Web-2.0-Community-Ansätze die Zukunft gehören, denn Millionen
von Jugendlichen weltweit sind in diesen Netzwerken schon organisiert. Für
diese wahren Digital Natives sind Kommunikation, Freundefinden, Cliquen-
bilden und Kollaboration in virtuellen 2D- oder 3D-Welten bereits völlig
selbstverständlich geworden – eine Generation, die mit diesen Medien um-
geht wie ihre heute noch besorgten – und häufig technisch und evaluativ völ-
lig überforderten – Eltern mit Handy und Navigationssystem. Im Folgenden
kann nur eine Auswahl berücksichtigt werden.

Twïnity
Die Marke mit den zusammengerutschten „i-Pünktchen“ will die Realitäts-
mimese auf die Spitze treiben – und das zeigt sie gleich im Namen an: Twï-
nity setzt sich aus den englischen Wörtern „twin“ (Zwilling) und „unity“ (Ge-
meinschaft) zusammen. Trotz der englischen Ansprache auf der erläuternden
Homepage – twïnity soll erst Ende 2008 eröffnet werden – verbirgt sich
dahinter eine deutsche Firma mit dem äußerst passenden Namen Metaver-
sum. Die Berliner legen Wert auf „Identitätsstiftung“: Gewicht, Größe und ein
Foto können von den Nutzern zur Gestaltung ihres Avatars herangezogen
werden – die Avatare tragen Real- statt Fantasienamen wie in SLTM.

Maquari
Noch mehr Welten in dieser Art stehen kurz vor dem Urknall. Als Beispiel sei
hier Maquari genannt. Auch hier beruht das Konzept auf dem Angebot des
Aufbaus und der Einrichtung persönlicher virtueller Räume, in die man
Freunde – als Avatare – einladen, in denen man sich präsentieren und – ähn-
lich wie bei Myspace, Facebook, Friendster – gewissen Ruhm erlangen kann.
Zusätzlich kann man die eigenen Räume auf Maquari in die eigene Website
einbinden, was natürlich im Idealfall für eine virale Ausbreitung dieser Wel-
tenidee sorgen soll. In zielgruppengemäßer Sprache bewirbt Maquari sich

                                                                           23
1. Virtuelle Welten: Multiversen für die Wirtschaft

selbst: „Hol Dir Deine ID in 3D. Style Deinen Avatar. Pimp Deinen 3D-
Space. Binde Maquari überall ein“.

Der Entwickler StageSpace aus Karlsruhe bietet solche javabasierten und
plattformunabhängigen 3D-Lösungen dem breiten Markt an. Das Beson-
dere daran: Im Gegensatz zu Second Life® und anderen müssen hier keine
Softwarepakete mehr heruntergeladen und ausgeführt sowie regelmäßig
aktualisiert werden, diese Technologie wird einfach über den Internetbrow-
ser ausgeführt.

Secret City
Die Düsseldorfer Coolspot AG betreibt diese sehr kommunikationsstarke
kostenlose virtuelle 3D-Chat-Welt. Interessant für dieses Buch ist sie vor
allem wegen ihres Businesscases und ihres Marketingmodells – des Cross-
World-Marketings: Auf der Startseite finden sich stets viele attraktive und
wechselnde Real-Life-Porträts von Nutzern, die „vor Kurzem in der Stadt
gesehen“ wurden und die so zum einen zur Stärkung der Glaubwürdigkeit
dieser Virtuellen Welt, zum anderen als Kristallisationspunkt und Promo-
toren für Neuanmeldungen und neue Netzwerkaufbauten dienen. Mit einem
Fanshop wird der Real-Life-Kult um die Marke Secret City befeuert, und
von Anfang an ist mit Secret City Radio ein lizenziertes Web-Radio an den
Start gegangen, das den Transfer von der virtuellen in die reale Welt unter-
stützt. Außerdem wendet sich der Betreiber gleich auf der Startseite unter
„Businesskunden-Info“ an Unternehmen, denen Secret City als „attraktiver
Platz für lukrative Geschäfte“ angeboten wird. Bis Ende 2008 sollen rund
eine Million Nutzer in dieser Welt shoppen, Events besuchen und neugierig
auf die Werbung der teilnehmenden Unternehmen sein. Businesspartnern
wird in jedem Fall eine „maßgeschneiderte Lösung“, ein Partnerschaftspro-
gramm mit einem Sharingmodell, angeboten, wobei (momentan noch) stark
auf die Eröffnung virtueller Shops gesetzt wird, die auf einer noch recht über-
schaubaren Übersichtsseite gelistet sind.

Cyworld
Cyworld ist ein riesiges soziales Netzwerk, das in Asien und seit Kurzem
auch in den USA quasi das Äquivalent zu Myspace und Facebook bildet:
90 Prozent aller Koreaner unter 30 sollen bereits Mitglied sein, auch der
US-amerikanische Ableger wächst mächtig. Cyworld stellt seinen Nutzern
„Minihompys“, kleine eigene Websites, zur Verfügung, die als Räume gestal-
tet sind und in denen sie sich als konfigurierbare 2D-Avatare präsentieren

24
Virtuelle Welten in Entwicklung und Aktion

können. Jeder Nutzer kann seinen Raum mit virtuellen Möbeln ausstatten,
die kostenpflichtig sind. Hier handelt es sich nicht um eine 3D-Welt, sondern
um eine ausgefeilte 2D-Web-2.0-Netzwerk-Anwendung, mit der Cyworld
im Jahr 2007 dem finanzkräftigen Anbieter SK Telecom nach Presseberich-
ten etwa 110 Millionen US-Dollar Jahresumsatz beziehungsweise zwölf Mil-
lionen US-Dollar Gewinn gebracht hat.

Habbo
Die Virtuelle Teen-Welt Habbo-Hotel mit dem Untertitel „Hangout for
Teens“ hat über 30 Startseiten in vielen verschiedenen Sprachen, sodass
viele Teenies in ihrer Landescommunity einsteigen können. Habbo ist eine
der weltgrößten und am schnellsten wachsenden Virtuellen Welten und ge-
sellschaftlichen Networking-Services für Teenager. Hier ist eine Vielzahl von
jugendzentrierten Produzenten, Food-, Dienste- und Spieleanbietern vertre-
ten, sowohl mit Werbung als auch mit eigenen Erlebniswelten und commu-
nityorientierten Aktionen.

Weitere virtuelle Netzwerke

■ ZwinktopiaTM und WebkinzTM sollen im September 2007 4,4 Millionen be-
  ziehungsweise sechs Millionen Besucher gezählt haben. ZwinkyTM wirbt
  mit „A world of fun. All in one toolbar“. Beide Welten richten sich an ein
  sehr junges Publikum, das hier spielerisch die Sozialisation in Virtuellen
  Welten erfährt.
■ Auch Matell darf hier nicht fehlen, dessen „Barbie GirlsTM world“ die Her-
  zen und Computer speziell der kleinen Mädchen erobert.
■ Österreich entlässt mit Papermint eine weitere deutschsprachige SLTM-
  ähnliche Welt ins virtuelle Universum.
■ IMVU bezeichnet sich selbst als „a cool new way to hang out and have fun
  with your friends online“. Der 3D-Chat ist momentan sehr im Trend.
■ Kaneva wirbt mit dem Slogan „Step into a world of real friends and good
  times“ und bietet seinen Avataren schicke 3D-Wohnungen, Spiele und
  Kommunikationsmittel an.
■ Ein „Home“ beschert Sony den Käufern seiner PlayStation 3: Auch hier-
  bei handelt es sich um eine 3D-Welt, die viele Aspekte von Second Life®
  und anderen virtuellen sozialen Netzwerken vereint. Die persönlichen
  Avatare können konfiguriert und durch private wie öffentliche Räume
  navigiert werden. Neue Kleidung, Möbel und Accessoires sind mit weite-
  ren Spielen erhältlich.

                                                                          25
1. Virtuelle Welten: Multiversen für die Wirtschaft

■ MERU heißt das noch sagenumwobene Projekt, das im Internet als
  „Second-Life®-Killer“ herumgeistert: Gemeint ist damit eine Virtuelle
  Welt, die aus einem Projekt der Universität Stanford entstehen und frü-
  hestens Ende 2008 in einer Betaphase gelauncht werden soll.
■ Die chinesische Virtuelle Welt HiPiHi ist Second Life® in Ausstattung und
  Angebot sehr ähnlich.
■ „Meet me“ soll die kommende eigene SLTM-ähnliche Welt der Japaner
  heißen, da ihnen laut Pressemeldung Second Life® zu ungeregelt ist.
■ ThereTM.com ist vielleicht Second Life® am ähnlichsten: Rund 500.000
  Mitglieder bauen hier Avatare und „leben“ mit ihnen in einer bunten
  Kulisse.
■ Die National Football League wird eine eigene Virtuelle Welt eröffnen:
  Die „NFL Rush Zone World“ soll jeweils eigene Plätze für alle 32 Teams
  sowie maßgefertigte Avatare anbieten.
■ Nach bei Redaktionsschluss dieses Buches noch offiziell unbestätigten
  Gerüchten arbeitet außerdem Google an einem dreidimensionalen
  Google Earth mit Social-Networking-Funktionen und Video-Animation,
  das quasi die ultimative virtuelle Lebens- und Businessumgebung, die
  fotorealistische Überhöhung von Second Life®, darstellen wird.

Die Businesswelten
Natürlich – hier ist der Businesscase evident – entsteht auch bereits eine
Reihe von zielgruppenspezifischen Metaversen und Intraversen: Analog
zu Intranets sind das 3D-Welten, die innerhalb eines Unternehmens als
Kommunikations- und Kollaborationsumgebungen genutzt und nach au-
ßen abgeschottet werden. Sie genügen erhöhten Anforderungen seitens
Business und Branchen, zum Beispiel hinsichtlich Sicherheit und Sicherung,
Performanz (technische Leistungsfähigkeit), Angebot an kommunikativen
und weiteren Medien und Austauschräumen. Ambient Performance bei-
spielsweise propagiert die Private Virtual World in Europa: Zielgruppe
sind Finanzunternehmen, die hier Konferenzen veranstalten können. Und
Linden Lab® selbst bietet das Grid Unternehmen an, die damit ihre 3D-
Intranet-Anwendungen, Intraversen, gestalten können – die sie ans Main-
grid, also die eigentliche SLTM-Simulation, anschließen können, aber nicht
müssen.

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