Gemeinde Engelskirchen - Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts
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Dipl.-Volksw. Angelina Sobotta Dipl.-Geogr. Timo Grebe Köln, Februar 2021 Geschäftsführende Stadt- und Regionalplanung Gesellschafter: Dr. Jansen GmbH Dipl.-Geogr. Ursula Mölders Neumarkt 49 Stadt- und Regionalplanerin SRL 50667 Köln Dipl.-Ing. Dominik Geyer Stadtplaner AK NW, Bauassessor Fon 0221 94072-0 Stadt- und Regionalplaner SRL Fax 0221 94072-18 Gesellschafter/Seniorpartner: info@stadtplanung-dr-jansen.de Dr. Paul G. Jansen www.stadtplanung-dr-jansen.de
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 1.1 Aufgabenstellung 1 1.2 Methodisches Vorgehen und Bearbeitungsablauf 2 2 Übergeordnete Rahmenbedingungen 5 2.1 Rechtliche Vorgaben 5 2.1.1 Bauplanungsrecht 5 2.1.2 Landesrecht Nordrhein-Westfalen 5 2.2 Allgemeine Entwicklungstendenzen im Einzelhandel und Onlinehandel 7 2.2.1 Entwicklungen auf der Nachfrageseite 7 2.2.2 Entwicklungen auf der Angebotsseite 8 2.2.3 Auswirkungen auf die Stadtentwicklung 14 2.3 Untersuchungsrelevante Rahmenbedingungen am Standort Engelskirchen 15 2.3.1 Lage im Raum und regionalplanerische Einstufung 15 2.3.2 Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung 16 2.3.3 Wirtschaftsstruktur und Arbeitsplätze 18 3 Einzelhandelsstandort Engelskirchen 21 3.1 Einzelhandelsausstattung und Leistungsfähigkeit 21 3.2 Verteilung des Einzelhandels im Gemeindegebiet 24 3.3 Struktur und Verteilung großflächiger Einzelhandelsbetriebe 25 3.4 Bereinigte Einzelhandelsausstattung der Gemeinde Engelskirchen 25 3.5 Einzugsbereich und Kaufkraft 26 3.6 Zentralität des Engelskirchener Einzelhandels 29 4 Zentrenkonzept für die Gemeinde Engelskirchen 31 4.1 Grundsätzliche Anmerkungen 31 4.1.1 Zentrenkonzept als räumliches Steuerungsinstrument 31 4.1.2 Abgrenzungskriterien für zentrale Versorgungsbereiche 32 4.1.3 Bedeutung des Status „Zentraler Versorgungsbereich“ 33 4.2 Zentrenhierarchie in Engelskirchen 34 4.2.1 Hauptzentrum Ortskern Engelskirchen 35 4.2.2 Versorgungslage Ortskern Ründeroth 43 4.2.3 Versorgungslage Ortskern Loope 46 4.3 Veränderungen der Zentrenhierarchie seit 2012 49 4.4 Engelskirchener Sortimentsliste 49 5 Nahversorgungssituation 53 6 Sonstige Standorte 58 Gemeinde Engelskirchen – Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts
7 Ziele der Einzelhandelsentwicklung und -steuerung 60 7.1 Übergeordnete Zielsetzungen 60 7.2 Empfehlungen zur Einzelhandelssteuerung 61 7.3 Ansiedlungsleitlinien 62 8 Zusammenfassung der Untersuchung 65 Wir verwenden in dem nachfolgenden Text eine gendersensible Sprache. Sollten keine genderneutralen Formu- lierungen verwendet werden können, nutzen wir das Gender-Sternchen*. Falls aus Versehen eine geschlechts- spezifische Formulierung in diesem Dokument verwendet sein sollte, bitten wir um Nachsicht. Selbstverständ- lich sind für uns alle Geschlechter, männlich, weiblich und divers gleichzeitig, gleichgestellt und chancengleich angesprochen. Dieses Gutachten unterliegt dem Urheberrecht. Vervielfältigungen, Weitergabe oder Veröffentlichung des Gutachtens in Teilen oder als Ganzes sind nur nach vorheriger Genehmigung und unter Angabe der Quelle erlaubt, soweit mit den Auftraggebenden nichts anderes vereinbart ist. Alle Fotografien, Pläne und Skizzen, die nicht gesondert gekennzeichnet sind: © Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH
1 Einleitung 1.1 Aufgabenstellung kraftpotenzial, die anzustrebende Ausstattung mit Die ca. 19.300 Einwohner zählende Gemeinde Einzelhandelsflächen und sinnvolle Veränderungen Engelskirchen liegt im Westen des Oberbergischen bzw. Ergänzungen der Sortimente sowie der Kreises in Nordrhein-Westfalen. Ihr wird von der Standorte zu treffen. Das Konzept gibt damit so- Landesplanung eine mittelzentrale Versorgungs- wohl der Gemeinde Engelskirchen als auch Inves- funktion zugewiesen. toren und Betreibern Handlungsempfehlungen für eine städtebaulich ausgerichtete Standortpolitik. Die ländlichen Siedlungsmuster des Bergischen Landes haben auch die Entwicklung der einzelhan- Im September 2020 hat die Gemeinde Engelskir- delsbezogenen Versorgungsstruktur beeinflusst, chen den Auftrag zur Fortschreibung des Einzel- ebenso wie der Verlauf des Flusses Agger und handels- und Zentrenkonzepts (folgend synonym dessen historische Bedeutung für die Siedlungs- Einzelhandelskonzept oder als Abkürzung EHZK) an entwicklung: Neben dem Ortskern Engelskirchens Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH ver- haben sich in den Ortsteilen Loope und Ründeroth geben. weitere Versorgungsstandorte entwickelt. Die Bearbeitung findet damit zu einer Zeit statt, die Seitdem im Jahr 2012 das Einzelhandels- und Zen- für viele Einzelhändler verschiedene existenzielle trenkonzept für die Gemeinde Engelskirchen vor- Problemlagen mit sich bringt. Gerade für Gemein- gelegt wurde, haben sich die Einzelhandelsstruktu- den und Städte in der Größenordnung wie Engels- ren in der Gemeinde fortentwickelt. Bundesrechtli- kirchen setzen sich die negativen Wettbewerbs- che und landesplanerische Vorgaben wurden aktu- wirkungen durch den Onlinehandel fort. Der Fach- alisiert, u. a. auch hinsichtlich des Begriffsinhalts einzelhandel in den kleineren Kommunen verliert sowie der Abgrenzungsmethodik zentraler Versor- fortschreitend Marktanteile, sodass eine Verringe- gungsbereiche, auf die in Kapitel 4 detailliert ein- rung des Einzelhandelsangebots nahezu in allen gegangen wird. Des Weiteren stehen die überge- entsprechenden Kommunen deutlich wird. Dies ordneten Angebots- und Nachfragestrukturen des betrifft in erster Linie die Anzahl der Einzelhan- Einzelhandels unter dem Einfluss gesellschaftlicher delsbetriebe und den Branchenmix. Die Verluste Entwicklungen sowie des dynamischen Markts des der Verkaufsfläche wiederum werden oftmals E-Commerce. Zwischenzeitlich überlagern die durch eine Vergrößerung der ohnehin dominieren- Auswirkungen der Corona-Pandemie alle zuvor den und leistungsfähigen Anbieter aufgefangen, genannten Entwicklungen. Das Ausmaß der Wir- insbesondere von Lebensmittel-SB-Betrieben. kungen für den örtlichen Einzelhandel ist heute kaum absehbar. Im Jahr 2020 kommen die für den Einzelhandel verheerenden Wirkungen der Corona-Pandemie Das Einzelhandels- und Zentrenkonzept aus dem bzw. der damit einhergehenden politischen Be- Jahr 2012 stellt aufgrund dieser Rahmenbedingun- schlüsse hinzu. Auf einen Lockdown im Frühjahr gen kein geeignetes Instrumentarium zur Steue- 2020 folgte ein Teil-Lockdown im November 2020 rung des Einzelhandels mehr dar, sodass mit dem und nun zum Ende des Jahres der Beschluss für hier vorliegenden Dokument eine Fortschreibung erneute Geschäftsschließungen. vorgenommen wird. Die Wirkungen dieser Einschränkungen für den In Bezug auf die zukünftige Einzelhandelsentwick- örtlichen Einzelhandel sind derzeit noch nicht ab- lung soll eine Umsetzungsstrategie aufgezeigt wer- sehbar. Sicher ist, dass die oben beschriebenen den, die für alle perspektivisch erforderlichen han- Prozesse sich fortsetzen werden. delsbezogenen und bauleitplanerischen Entschei- dungen herangezogen werden kann. Dabei sind Aussagen über das künftig zu erwartende Kauf- Gemeinde Engelskirchen – Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts 1
1.2 Methodisches Vorgehen und Als Verkaufsfläche wird die für Kunden und Besu- Bearbeitungsablauf cher zugängliche Fläche definiert (gemäß Urteilen Im Oktober/November 2020 wurde durch Mitar- vom BVerwG vom 24.11.2005, 4 C 10.04 und OVG beiter*innen von Stadt- und Regionalplanung Dr. NRW AZ 7 B 1767/08 vom 06. Februar 2009), die Jansen GmbH eine flächendeckende Erfassung des der verkaufsorientierten Warenpräsentation oder Einzelhandels in der Gemeinde Engelskirchen dem Kundenlauf dient, einschließlich der einsehba- durchgeführt. ren Fläche von Bedienungsabteilungen, jedoch ohne die für Kunden nicht begehbaren Nebenflä- Als Einzelhandelsbetriebe begriffen werden i. d. R. chen (z. B. Lagerräume, Vorbereitungs- und Zube- solche Betriebe, die ihren Warenverkauf in erster reitungsräume, Büroflächen, Produktionsflächen). Linie an den privaten Endverbraucher richten. Flächen vor den Pfandrücknahmeautomaten sind Hierzu zählen u. a. Kauf- und Warenhäuser, Ver- ebenso wie Schaufensterflächen, Umkleiden, Kas- brauchermärkte, Fachmärkte, Fachgeschäfte und senzonen, Vorkassenzonen sowie Eingangsberei- Factory-Outlets. In Abgrenzung dazu werden bspw. chen gemäß Rechtsprechung ebenfalls der Ver- Schuh- und Schlüsseldienste, Frisöre und Kosme- kaufsfläche eines Einzelhandelsbetriebs zuzurech- tikstudios mit Verkaufsregalen oder Tintenshops nen. Treppen, Rolltreppen und Aufzüge, die ver- (Auffüllstationen für Druckerpatronen) nicht als schiedene Ebenen miteinander verbinden, werden Einzelhandelsbetriebe erfasst, da ihre Umsatz- je zur Hälfte der Etagenverkaufsfläche zugerech- schwerpunkte im Service liegen und i. d. R. nur net, unabhängig davon, ob sich die Flächen inner- sehr geringe Einzelhandelsanteile aufweisen. Eben- halb oder außerhalb des Betriebsgebäudes befin- falls unberücksichtigt bleiben Wochenmärkte und den. Flächen, die nur temporär zur Warenpräsen- Betriebe, die nur über sehr unregelmäßige bzw. tation genutzt und bei Geschäftsschluss einge- geringe Öffnungszeiten an Werktagen verfügen räumt werden, bspw. in Form von Außenaufstel- sowie Autohäuser, deren Standortstruktur sich lern, zählen nicht zur Verkaufsfläche. maßgeblich von den hier im Fokus stehenden Ein- zelhandelsnutzungen unterscheidet. Bei den meisten textlichen, tabellarischen und kartografischen Darstellungen des Einzelhandels- Von allen Einzelhandelsbetrieben wurden vor Ort bestands im Rahmen der Berichtslegung werden Name, Adresse, Branche und Verkaufsfläche erho- diese Sortimente in den nachfolgend genannten ben. Die Verkaufsfläche wurde mittels Messgerä- neun Warengruppen zusammengefasst: ten aufgezeichnet und teilweise durch Heranzie- hung der Baugenehmigungen überprüft. Es erfolg- Nahrungs- und Genussmittel te eine detaillierte Aufgliederung nach neun Bran- Gesundheit, Körperpflege chen und rund 50 Sortimentsgruppen (vgl. Tabel- Blumen, Zoobedarf le 1). Im Hinblick auf die Rechtsprechung (vgl. Ur- Bücher, Schreibwaren, Büro teil vom 29.01.2009 – BVerwG 4 C 16.07 – BVerwG Bekleidung, Schuhe, Schmuck 133, 98 Rn. 13 m. w. N.) ist eine solche Feindiffe- Sport, Freizeit, Spiel renzierung in der Bestandserfassung erforderlich. Elektrowaren Bspw. kann auf diese Weise sichergestellt werden, Möbel, Einrichtung dass alle relevanten Nebensortimente eines Be- Bau-, Gartenbedarf, Autozubehör triebs berücksichtigt werden, die ergänzend zu den Kernsortimenten zentrenprägende Funktionen In der Beschreibung kleinerer Einzelhandelslagen übernehmen. Auch wenn diese Nebensortimente werden die Warengruppen Bedarfssparten zuge- i. d. R. Produkte enthalten, die das Kernsortiment ordnet. Tabelle 1 listet Sortimente und ihre Zuord- ergänzen und somit in einer engen Nutzungsbezie- nung zu übergeordneten Warengruppen und Be- hung zum Kernsortiment stehen, können diese darfssparten auf. Randsortimente an nicht geeigneten Standorten schädliche Auswirkungen auf die Funktionsfähig- In Ergänzung der Betriebe des Einzelhandels und keit von zentralen Versorgungsbereichen haben. Ladenhandwerks nehmen publikumsorientierte Dienstleistungen, kulturelle Einrichtungen und eine 2 Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH
Reihe weiterer Nutzungen Einfluss auf die Attrakti- Neben Komplementärnutzungen, die sich meist vität eines Standorts und seine Zentralität. Sie sind förderlich auf die Attraktivität und Frequentierung daher auch bei der Abgrenzung der zentralen Ver- von Einzelhandelslagen auswirken, wurden im sorgungsbereiche von Bedeutung und wurden im Rahmen der Vor-Ort-Recherchen in den ausge- Rahmen der Bestandsaufnahme innerhalb der wählten Einzelhandelslagen auch Vergnügungsstät- wesentlichen siedlungsstrukturell integrierten ten und Leerstände aufgenommen. Diese beein- Einzelhandelslagen aufgenommen, jedoch nicht trächtigen oft die Standortqualität und sind als weitergehend analysiert und damit ausschließlich Indikatoren rückläufiger Versorgungsbedeutung zu im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Komplementär- werten. funktionen zum Einzelhandel bewertet. Vergnügungsstätten sind dabei in der BauNVO nicht vom Verordnungsgeber definiert, können Für diese Komplementärnutzungen erfolgte eine jedoch als gewerbliche Nutzungsarten verstanden Zuordnung zu folgenden sieben Gruppierungen: werden, „die sich in unterschiedlicher Ausprägung (wie Amüsierbetriebe, Diskotheken, Spielhallen) Publikumswirksame Dienstleistungen unter Ansprache (oder Ausnutzung) des Sexual-, Dienstleistungen mit i. d. R geringerer Kun- denfrequenz Spiel- und/oder Geselligkeitstriebs einer bestimm- ten gewinnbringenden Freizeit-Unterhaltung wid- Öffentliche Einrichtungen/Dienstleistungen men“ (Quelle: Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung- Bildung Kommentar, 13. Auflage 2018). Da die Einzelhandels- Gesundheit thematik im Vordergrund der Bearbeitung stand, Kultur/Freizeit wurde auf die Ermittlung der Nutzflächen von Gastronomie/Hotellerie Komplementärnutzungen, Vergnügungsstätten und Leerständen verzichtet. Gemeinde Engelskirchen – Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts 3
Tabelle 1: Sortimente, Warengruppen und Bedarfe Fristigkeit Warengruppe Sortimente Fristigkeit Warengruppe Sortimente Lebensmittel Elektrogroßgeräte Nahrungs- und Getränke, Spirituosen, Tabak Elektrokleingeräte Genussmittel Backwaren Leuchten Fleischwaren, Reformwaren, sonst. spez. Lebensm. Unterhaltungselektronik Elektrowaren Drogeriewaren Bild- und Tonträger Überwiegend kurzfristiger Parfümeriewaren, Kosmetik Computer und Zubehör Bedarf Gesundheit, pharmazeutische Artikel Telefone Körperpflege Sanitätswaren/Orthopädie Foto Optik, Hörgeräte Hausrat, Glas, Porzellan, Keramik Blumen, Blumen Wohnaccessoires Zoobedarf Zoobedarf, Tiernahrung Haus- und Heimtextilien, Gardinen und Zubehör Überwiegend Zeitschriften, Zeitungen langfristiger Bettwaren, Matratzen Bücher, Schreib- Bedarf Papier-, Büro-, Schreibwaren, Büroartikel Möbel, Einrichtung Matratzen und Lattenroste waren, Büro Bücher Abgepasste Teppiche Bekleidung, Wäsche Möbel (ohne Küchen) Schuhe Küchen Bekleidung, Lederwaren/Taschen/Koffer Kunst/Antiquitäten, Bilder(-rahmen) Schuhe, Schmuck Sportbekleidung, Sportschuhe Baumarktsortiment Überwiegend mittelfristiger Uhren, Schmuck Maschinen, Werkzeuge Bedarf Großteilige Camping- und Sportgeräte Baustoffe, Bauelemente Bau-, Gartenbedarf Kleinteilige Camping- und Sportartikel Sicht- und Sonnenschutz und Autozubehör Fahrräder und Zubehör Gartenartikel und -geräte, Pflanzgefäße Sport, Freizeit, Freizeit, Spielwaren Pflanzen, Samen Outdoor Spiel E-Bikes, Pedelecs Kfz-Zubehör Musikalien Waffen, Jagd Quelle: Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH 2020 4 Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH
2 Übergeordnete Rahmenbedingungen 2.1 Rechtliche Vorgaben Am 25.01.2017 wurde schließlich der vollständige Landesentwicklungsplan NRW im Gesetz- und Ver- 2.1.1 Bauplanungsrecht ordnungsblatt des Landes NRW veröffentlicht und Auf bundesrechtlicher Ebene übernimmt das BauGB ist gemäß Art. 71 Abs. 3 der Landesverfassung am in Verbindung mit der BauNVO eine Steuerungs- 08.02.2017 in Kraft getreten. funktion bei der kommunalen Standortfindung für Einzelhandelsbetriebe. Die im Sachlichen Teilplan Großflächiger Einzelhan- del unter den Ziffern 1 bis 10 formulierten Ziele und Die §§ 2 bis 9 BauNVO regeln bei einer entspre- Grundsätze finden sich nun in Abschnitt 6.5 „Groß- chenden Gebietsausweisung per Bebauungsplan die flächiger Einzelhandel“ des Landesentwicklungs- regelmäßige und ausnahmsweise Zulässigkeit von plans und werden nachfolgend zusammengefasst Einzelhandelsbetrieben. dargestellt. Für Einkaufszentren und großflächige Einzelhan- Gemäß Ziel 1 dürfen Kerngebiete und Sondergebie- delsbetriebe (Grenze zzt. bei 800 m² Verkaufsfläche te für Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO und 1.200 m² Geschossfläche) wird durch den § 11 nur in regionalplanerisch festgelegten Allgemeinen BauNVO eine spezielle Regelung formuliert. Diese Siedlungsbereichen dargestellt und festgesetzt sind nur in Kerngebieten (§ 7 BauNVO) oder in spe- werden. zifisch ausgewiesenen Sondergebieten gem. § 11 Abs. 3 BauNVO zulässig. Ziel 2 legt fest, dass großflächige Einzelhandelsbe- triebe mit zentrenrelevanten Kernsortimenten nur Die Notwendigkeit eines Einzelhandelskonzepts im an Standorten in bestehenden und neu geplanten Sinne der späteren bauleitplanerischen Umsetzung zentralen Versorgungsbereichen ausgewiesen wer- (= städtebauliches Konzept i. S. v. § 1 Abs. 6 Nr. 11 den dürfen. Die zentrenrelevanten Sortimente sind BauGB) ist in verschiedenen Urteilen des OVG der Anlage 1 des Sachlichen Teilplans zu entneh- Münster nochmals hervorgehoben worden: Denn men: „erst solche konzeptionellen Festlegungen, die dann gem. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB n. F. (früher: § 1 Papier/Bürobedarf/Schreibwaren Abs. 5 Satz 2 Nr. 10 BauGB) auch bei der weiteren Bücher Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen Bekleidung, Wäsche sind, lassen in aller Regel die Feststellung zu, ob das Schuhe, Lederwaren Angebot bestimmter Warensortimente an be- Medizinische, orthopädische, pharmazeutische stimmten Standorten in das städtebauliche Ord- Artikel nungssystem der jeweiligen Gemeinde funktionsge- Haushaltswaren, Glas/Porzellan/Keramik recht eingebunden ist.“ Spielwaren Sportkleidung, Sportschuhe, Sportartikel (ohne Die Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts für Teilsortimente Angelartikel, Campingartikel, die Gemeinde Engelskirchen empfiehlt sich somit Fahrräder und Zubehör, Jagdartikel, Reitartikel bereits aus den Vorgaben auf Bundesebene. und Sportgroßgeräte) Elektrogeräte, Medien (Unterhaltungs- und 2.1.2 Landesrecht Nordrhein-Westfalen Kommunikationselektronik, Computer, Foto – Am 13.07.2013 trat nach Beschluss der Landesre- ohne Elektrogroßgeräte, Leuchten) gierung und Zustimmung des Landtags der Sachli- Uhren, Schmuck che Teilplan Großflächiger Einzelhandel für den Nahrungs- und Genussmittel (gleichzeitig nah- Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen in versorgungsrelevant) Kraft. Gemeinde Engelskirchen – Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts 5
Gesundheits- und Körperpflegeartikel (gleich- Zusätzlich hat Grundsatz 6 zum Inhalt, dass der zeitig nahversorgungsrelevant) Umfang der zentrenrelevanten Randsortimente Weitere von der jeweiligen Gemeinde als zen- eines Sondergebiets für Vorhaben im Sinne des § 11 trenrelevant festgelegte Sortimente (ortstypi- Abs. 3 BauNVO mit nicht zentrenrelevanten Kern- sche Sortimentsliste) sortimenten außerhalb von zentralen Versorgungs- bereichen 2.500 m² Verkaufsfläche nicht über- Gemäß Ausnahmeregelung zu Ziel 2 dürfen Sonder- schreiten darf. gebiete für Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO mit nahversorgungsrelevanten Kernsorti- Abweichend von den Festlegungen 1 bis 6 dürfen menten auch außerhalb zentraler Versorgungsbe- gemäß Ziel 7 vorhandene Standorte von Vorhaben reiche dargestellt und festgesetzt werden, wenn im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO außerhalb von nachweislich zentralen Versorgungsbereichen als Sondergebiete gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO dargestellt und festge- eine Lage in den zentralen Versorgungsberei- setzt werden. Dabei sind die Sortimente und deren chen aus städtebaulichen oder siedlungsstruk- Verkaufsflächen in der Regel auf die Verkaufsflä- turellen Gründen, insbesondere der Erhaltung chen, die baurechtlichen Bestandsschutz genießen, gewachsener baulicher Strukturen oder der zu begrenzen. Wird durch diese Begrenzung die Rücksichtnahme auf ein historisch wertvolles zulässige Nutzung innerhalb einer Frist von sieben Ortsbild, nicht möglich ist, Jahren ab Zulässigkeit aufgehoben oder geändert, die Bauleitplanung der Gewährleistung einer sind die Sortimente und deren Verkaufsflächen auf wohnortnahen Versorgung mit nahversor- die zulässigen Verkaufsflächenobergrenzen zu be- gungsrelevanten Sortimenten dient und grenzen. Ein Ersatz zentrenrelevanter durch nicht zentrale Versorgungsbereiche von Gemeinden zentrenrelevante Sortimente ist möglich. Aus- nicht wesentlich beeinträchtigt werden. nahmsweise kommen dabei auch geringfügige Er- weiterungen in Betracht, wenn dadurch keine we- Nach Ziel 3 dürfen durch die Darstellung und Fest- sentliche Beeinträchtigung zentraler Versorgungs- setzung von Kerngebieten und Sondergebieten für bereiche von Gemeinden erfolgt. Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO mit zentrenrelevanten Sortimenten zentrale Versor- Nach Ziel 8 haben die Gemeinden dem Entstehen gungsbereiche von Gemeinden nicht wesentlich neuer sowie der Verfestigung und Erweiterung beeinträchtigt werden. bestehender Einzelhandelsagglomerationen außer- halb AIIgemeiner Siedlungsbereiche entgegenzu- Gemäß Grundsatz 4 soll bei der Darstellung und wirken. Darüber hinaus haben sie dem Entstehen Festsetzung von Sondergebieten für Vorhaben im neuer sowie der Verfestigung und Erweiterung Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO mit nicht zentrenre- bestehender Einzelhandelsagglomerationen mit levanten Kernsortimenten der zu erwartende Ge- zentrenrelevanten Sortimenten außerhalb zentraler samtumsatz der durch die jeweilige Festsetzung Versorgungsbereiche entgegenzuwirken. Sie haben ermöglichten Einzelhandelsnutzungen die Kaufkraft sicherzustellen, dass eine wesentliche Beeinträchti- der Einwohner der jeweiligen Gemeinde für die gung zentraler Versorgungsbereiche von Gemein- geplanten Sortimentsgruppen nicht überschreiten. den durch Einzelhandelsagglomerationen vermie- den wird. Ziel 5 legt fest, dass Sondergebiete für Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO mit nicht zentrenre- Regionale Einzelhandelskonzepte sind gemäß levanten Kernsortimenten nur dann auch außerhalb Grundsatz 9 bei der Aufstellung und Änderung von von zentralen Versorgungsbereichen dargestellt Regionalplänen in die Abwägung einzustellen. und festgesetzt werden dürfen, wenn der Umfang der zentrenrelevanten Sortimente maximal 10 % Schließlich sind gemäß Ziel 10 Vorhabenbezogene der Verkaufsfläche beträgt und es sich bei diesen Bebauungspläne für Vorhaben im Sinne des § 11 Sortimenten um Randsortimente handelt. Abs. 3 BauNVO, soweit von § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB kein Gebrauch gemacht wird, nur zulässig, 6 Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH
wenn sie den Anforderungen der Festlegungen 1, 7 2.2.1 Entwicklungen auf der Nachfrageseite und 8 entsprechen; im Falle von zentrenrelevanten Maßgeblich verantwortlich für diese Entwicklung Kernsortimenten haben sie zudem den Festlegun- sind die Nachfrager. Weniger als die demografi- gen 2 und 3, im Falle von nicht zentrenrelevanten schen Prozesse und Strukturen ist es die Verände- Kernsortimenten den Festlegungen 4, 5 und 6 zu rung des Nachfrageverhaltens mit einer Nutzung entsprechen. von Kommunikations- und Informationsmedien auch zum Einkauf, die dem stationären Handel den 2.2 Allgemeine Entwicklungstendenzen im Umsatz entzieht. Einzelhandel und Onlinehandel Die Entwicklung des Einzelhandels und der Stadt- In der Vergangenheit wurden zudem erfolgte und strukturen beeinflussen einander. Einzelhandel perspektivische Bevölkerungsrückgänge als eher bewirkt in integrierten Lagen oftmals Baudichte, negative Einflussgrößen auf die Einzelhandelstätig- Passantenfrequenz sowie Nutzungsmischung und keit angenommen. Für die mittelfristige Bevölke- ist eine wichtige Voraussetzung für Urbanität und rungsentwicklung erscheinen Prognosen zu einer eine „vitale Stadt“. Umgekehrt verbessern attrakti- Fortsetzung der Schrumpfungstendenzen jedoch ve städtebauliche Rahmenbedingungen die Anzie- derzeit überholt. Das Statistische Bundesamt erwar- hungskraft von Einzelhandelslagen. tet auf Basis ihrer „14. koordinierten Bevölkerungs- vorausberechnung“ voraussichtlich mindestens bis Beeinflusst durch Einzelhandelsansiedlungen an 2024/2025 ein Bevölkerungswachstum, vermutet verkehrsgünstigen Standorten sowie dynamisch anschließend jedoch eine Trendumkehr. wachsende Marktanteile des Onlinehandels hat sich die stadtbildende Funktion des Einzelhandels in der In der Entwicklung der Konsumausgaben spiegelten Vergangenheit vielerorts deutlich reduziert. Dabei sich die demografischen Schrumpfungsprozesse der zeichnet sich der zunehmende Wettbewerbsdruck deutschen Bevölkerung der jüngeren Vergangenheit durch den Onlinehandel durch eine fehlende Mög- nicht wider. So steigen die vom Bundesamt für lichkeit der städtebaulichen Regulierung aus, sodass Statistik erhobenen Ausgaben jedes Jahr; seit 1995 eine gezielte Steuerung des stationären Einzelhan- ist insgesamt ein Zuwachs von rund 615 Mrd. € bzw. dels im Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwick- rund 60 % (zu jeweiligen Preisen) zu konstatieren. lungspolitik weiterhin eine hohe Bedeutung behält. Auch preisbereinigt ist ein Ausgabenzuwachs um rund 35 % zu erkennen. Bemerkenswert allerdings ist, dass die einzelhandelsrelevanten Ausgabeantei- le an den Konsumausgaben in den letzten zehn Jahren stagnieren. Dagegen zeigt sich insbesondere der Bereich „Übrige Ausgaben“ als Wachstumsträ- ger. Hierzu zählen u. a. Gesundheitspflege, Bil- dungswesen, Körperpflege, persönliche Gebrauchs- gegenstände, Dienstleistungen sozialer Einrichtun- gen sowie Versicherungs- und Finanzdienstleistun- gen. Tendenziell zunehmend ist zudem die Bedeu- tung des Bereichs Beherbergung und Gaststätten, jedoch auf einem gegenüber dem Einzelhandel vergleichsweise niedrigen Niveau. Gemeinde Engelskirchen – Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts 7
Abbildung 1: Entwicklung der privaten Konsumausgaben in Deutschland (in Mrd. € und %) Quelle: Statistisches Bundesamt 2019, Darstellung: Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH 2019/2020 Neben den demografischen Veränderungen sowie Orientierung im Einkaufsverhalten, das sich durch den stagnierenden Ausgabenanteilen des privaten neue technologische Möglichkeiten immer weiter Konsums für den Einzelhandel sind es auch sonstige verändert. Dank digitaler Endgeräte können Kon- gesellschaftliche Prozesse, die zu einem veränder- sumenten jederzeit und überall kaufvorbereitende ten Einkaufsverhalten führen. Einerseits ist das Informationen einholen, aber auch Käufe abschlie- Verbraucherverhalten durch eine „Discountorien- ßen – und damit Entscheidungen gegen den statio- tierung“ geprägt, andererseits werden aber auch nären Einzelhandel fällen. Erwartungen an eine Inszenierung der Waren, Emo- tionalität, Service und Individualität gestellt, die den Noch offen ist, wie sich die aktuellen Entwicklungs- „hybriden Kunden“ kennzeichnen. Zudem setzt sich prozesse einer Reurbanisierung, Klimawandel sowie konträr zur Discountorientierung auch vermehrt der die damit verbundene Nachhaltigkeitsdiskussion Trend fort, höhere Preise für qualitativ hochwertige mittel- und langfristig auf die quantitative und qua- Produkte zu akzeptieren. Dies ist insbesondere im litative Einzelhandelsentwicklung auswirken. Lebensmittelbereich erkennbar. 2.2.2 Entwicklungen auf der Angebotsseite Nicht nur in klassischen „Shopping“-Sortimenten Trotz dieser zunehmenden Bedeutung des Online- wie Bekleidung oder Schuhe, sondern auch im Le- handels hielt das Verkaufsflächenwachstum des bensmittel-Einzelhandel reagieren die Betreiber stationären Einzelhandels in Deutschland lange Zeit sowohl von Supermärkten als auch von Discountern an. Die durch das Statistische Bundesamt und den mit neuen Betriebs- und Flächenkonzepten, für die Handelsverband Deutschland für das Jahr 2018 eine aufwändige Architektur sowie helle und ge- ermittelte Gesamtverkaufsfläche von rund räumige Verkaufsflächen charakteristisch sind. 125,1 Mio. m² beschreibt zwar gegenüber dem Jahr 2007 ein Wachstum von rund 5 %, allerdings stag- Neben der Preis-Orientierung ist es darüber hinaus niert die Entwicklung in den letzten vier Jahren, auch die Pkw-Affinität der Kunden, die die Flächen- während die Steigerungsraten etwa bis zum Jahr und Standortansprüche des Einzelhandels lange Zeit 2011 bei rund 1 % p. a. lagen. mitbestimmt haben. Diese Bequemlichkeitsaspekte unterstützen allerdings auch die wachsende Online- 8 Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH
Abbildung 2: Verkaufsflächenentwicklung im Einzel- weiterhin, ihre Flächenleistungen zu steigern und handel 2000 bis 2018* (in Mio. m²) große zusammenhängende Verkaufsflächen zu belegen, um durch eine aufwändigere oder ausge- dehntere Warenpräsentation ihre Leistungsfähig- keit gegenüber der digitalen Konkurrenz zu de- monstrieren. Beispielsweise bei Elektrowaren zei- gen sich in Folge der dynamischen Marktprozesse jedoch auch bereits veränderte Flächennachfragen der Betreiber. Gerade für die im Branchenvergleich größten Anbieter ist eine Reduzierung der Filialgrö- ßen hinsichtlich der Verkaufsfläche erkennbar. Viele ehemals ausschließlich stationär agierende Händler erweitern ihre Vertriebskanäle, während der umgekehrte Weg der Onlinehändler in eigene stationäre Shops derzeit noch auf wenige Standor- Anm.: *Prognose te, meist in Großstädten, begrenzt bleibt. Diese Quelle: Datengrundlage handelsdaten.de 2019, Darstel- zunehmenden Verflechtungen zwischen stationä- lung Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH rem und digitalem Umsatz beeinträchtigen auch die 2019/2020 Belastbarkeit von Aussagen zu den aktuellen Marktpositionen und zur Entwicklung der jeweiligen Gleichzeitig ist für den Einzelhandel im engeren Sparte – insbesondere dann, wenn diese Daten für Sinne (ohne Kfz-Handel, Tankstellen, Brennstoffe Branchen und gegliedert nach Teilräumen ge- und Apotheken) ein wachsender Umsatz zu konsta- wünscht werden. tieren. Ein Einzelhandelsumsatz im Jahr 2019 von rund 543,6 Mrd. EUR beschreibt gegenüber einer Gleichwohl ist davon auszugehen, dass – aufbauend Umsatzleistung im Jahr 2017 von etwa 513,3 Mrd. auf Berechnungen des Handelsverbands Deutsch- EUR ein Wachstum um rund 6 % (nominal). land – der Onlinehandel im Jahr 2018 einen Markt- anteil von knapp über 10 % am gesamtdeutschen Da in diesen Gesamtumsätzen des deutschen Ein- Einzelhandel hält und für das Jahr 2019 ein weiterer zelhandels auch der Onlinehandel enthalten ist, Zuwachs erwartet wurde. Wie in der nachfolgenden kann der Einfluss der Verkaufsflächenstagnation auf Abbildung dargestellt, hat sich die Wachstumsdy- die Verkaufsflächenproduktivität nur unzureichend namik des Onlinehandels in den vergangenen Jah- eingeschätzt werden. Auch wenn für den gesamten ren bereits deutlich reduziert. Vor dem Hintergrund stationären Einzelhandel eher Rückgang oder Stag- der weiterhin ansteigenden Marktanteile ist jedoch nation angenommen werden kann, versuchen die nicht von einer Entzerrung des Wettbewerbs für jeweiligen Marktführer in den meisten Branchen den stationären Einzelhandel auszugehen. Gemeinde Engelskirchen – Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts 9
Abbildung 3: Nettoumsatz, Marktanteil und jährliche Entwicklung des Onlinehandels Anm.: *Prognose Quelle: Handelsverband Deutschland 2019, Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH 2019/2020 Der Wettbewerbsdruck durch den Onlinehandel Nahrungs- und Genussmittel variiert dabei zwischen den Branchen (vgl. Abbil- Ein Großteil der Einzelhandelsumsätze ist der Wa- dung 4). rengruppe Nahrungs- und Genussmittel zuzuord- nen, die durch eine häufige Bedarfsdeckung geprägt Dabei ist darauf hinzuweisen, dass andere Institute wird. Marktbestimmend war in den letzten Jahr- (z. B. Handelsverband Deutschland, Gesellschaft für zehnten das expansive Verhalten der Lebensmittel- Konsumforschung) teilweise abweichende Daten discounter, deren Standortwahlverhalten oftmals veröffentlichen, als in Abbildung 4 vom Handelsver- einer städtebaulich integrierten und wohnungsna- band Deutschland zitiert. Unterschiedliche Zuord- hen Versorgung der Bevölkerung entgegenstand. nungen von Sortimenten zu Branchen, fehlende Aktuell stagnieren die Marktanteile der Lebensmit- Differenzierungen von Unternehmensangaben im teldiscounter jedoch. Moderne und attraktive Be- Hinblick auf die Umsatzbedeutung der genutzten triebskonzepte der Supermärkte sowie eine ver- Vertriebswege usw. lassen es daher sinnvoll er- mehrte Fokussierung der Gesellschaft auf Frische, scheinen, eher Tendenzen als verbindliche Aussa- Gesundheit, Nachhaltigkeit, Fair Trade etc. begrün- gen bei der sich nachfolgend anschließenden bran- den ihrerseits Bedeutungsgewinne. Für beide Be- chenbezogenen Betrachtung aufzuzeigen. Die Ein- triebstypen gilt: die Anpassung der Verkaufskonzep- teilung der Branchen folgt der in Kapitel 1.2 erläu- te führt zu einem steigenden Flächenanspruch. terten Methodik. Ansiedlungsplanungen unterhalb der städtebau- rechtlich fixierten Großflächigkeit von 1.200 m² Geschossfläche bzw. 800 m² Verkaufsfläche sind heute seltene Ausnahmen und erfolgen nahezu ausschließlich in dicht besiedelten Räumen. 10 Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH
Abbildung 4: Marktanteile und Wachstumsrate des Onlinehandels nach Branchen * Anm.: = schnell drehende Produkte (Fast Moving Consumer Goods), hierzu gehören Lebensmittel, Getränke, Tabakwaren, Drogeriewaren; **Anm.: CE = Unterhaltungselektronik (Consumer Electronics) Quelle: Handelsverband Deutschland 2019, Darstellung Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH 2019/2020 Aufgrund der Verderblichkeit der Produkte und der trieben als zweitwichtigste Kategorie der nahver- häufigen Bedarfsdeckung ist die Lebensmittel- sorgungsrelevanten Anbieter etabliert. Nach der Branche bislang nur durch geringe Marktanteile des Insolvenz der Fa. Schlecker sind die branchenbezo- Onlinehandels gekennzeichnet, nach Angaben des genen Umsatzanteile der Lebensmittel-SB-Betriebe Handelsverbands Deutschland rund 1 % im Jahr gestiegen und der spezialisierte Markt wird durch 2018. Jedoch unterstützt durch Innovationen im zwei Anbieter (dm, Rossmann) dominiert, deren Bereich der Zustellung und der Warensystematik Flächenansprüche in den vergangenen Jahren stark wird die Branche gleichzeitig durch das höchste gestiegen sind – im Einklang mit den Lebensmittel- jährliche Wachstum des Onlinehandels zwischen SB-Betrieben. Dieser Flächenanspruch sowie die 2015 und 2018 geprägt (rund 20 %). Zielsetzung einer Ansiedlung im Standortverbund mit Lebensmittel-SB-Betrieben setzen oftmals nicht Gesundheit und Körperpflege städtebaulich integrierte Standorte in das Zentrum Die Warengruppe Gesundheit und Körperpflege der Expansionsplanungen. Sowohl aus Verbraucher- wird nach der Systematik von Stadt- und Regional- sicht als auch aus der Perspektive einer zentrenori- planung Dr. Jansen GmbH durch verschiedene An- entierten kommunalen Einzelhandelsentwicklung gebotsformen bestimmt. Prägend im Hinblick auf wird in Anlehnung an die ehemaligen Schlecker- Verkaufsfläche und Umsätze sind die Drogeriemärk- Filialen derzeit der Betriebstyp eines kleineren Dro- te, die von spezialisierten Anbietern wie Parfüme- geriemarkts vermisst. Ein Alleinstellungsmerkmal ist rien, Apotheken, Sanitätshäusern und Optikern/ dagegen für den Betriebstyp des Drogeriemarkts Akustikern ergänzt werden. Die letztgenannten Müller festzustellen, der zwar schwerpunktmäßig kleinteiligen Anbieter sind im Hinblick auf die raum- Drogeriewaren anbietet, darüber hinaus aber auch verträgliche Einzelhandelssteuerung im Regelfall bedeutende Flächenanteile mit Lebensmitteln, unproblematisch, da zumeist eine Orientierung auf Spielwaren, Schreibwaren etc. bereithält. kleine Einzelhandelsimmobilien in städtebaulich integrierten Lagen erfolgt. Die Drogeriemärkte je- Die Entwicklungstendenzen des Onlinehandels ver- doch haben sich neben den Lebensmittel-SB-Be- laufen ähnlich wie in der Branche Nahrungs- und Genussmittel. Die Marktanteile sind derzeit insge- Gemeinde Engelskirchen – Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts 11
samt noch gering, angeführt von Versandapotheken an städtebaulich integrierten Standorten vertreten und Onlineplattformen für den Brillenkauf, jedoch ist. Zudem bieten SB-Warenhäuser oder Sonderpos- durch starke Wachstumsraten gekennzeichnet. tenmärkte oftmals Büro-/Schreibwaren als Randsor- timente an. Als bundesweit vertretener Fachmarkt Blumen und Zoobedarf richtet sich Staples neben gewerblichen Kunden Deutlich geringere Marktanteile übernimmt die auch an Endverbraucher; regionale Filialisten wie Branche Blumen und Zoobedarf im gesamtdeut- z. B. Askania ergänzen ihr Angebot an Büro- und schen Einzelhandel. Das klassische Blumengeschäft Schreibwaren meist um die Bereiche Spiel, Sport, hat heute nur noch eine ergänzende Versorgungs- Freizeit und Hobby. funktion; Zoobedarf wird primär in spezialisierten, teilweise großflächigen Fachmärkten von Betreibern Bekleidung, Schuhe, Schmuck wie Fressnapf, Zoo & Co., Futterhaus sowie in Raiff- Bekleidung und Schuhe (inkl. Sportbekleidung/ eisenmärkten und als nahversorgungsrelevantes Sportschuhe) sowie Lederwaren und Schmuck sind Randsortiment (Tiernahrung, Kleintierbedarf) in die klassischen Innenstadtleitsortimente. Insbeson- Lebensmittel-SB-Betrieben und Drogeriemärkten dere in größeren Städten wird ein Großteil der 1-A- angeboten. Die großen Fachmarktbetreiber orien- Lagen in den Innenstädten durch diese Sortimente tieren ihre Standortplanung oftmals an bestehen- belegt. Daneben ist jedoch zu berücksichtigen, dass den oder geplanten Agglomerationsstandorten, um der Wettbewerb auch durch Anbieter geprägt wird, von Kopplungseffekten bzw. einer hohen Kunden- die man zunächst nicht mit dem Facheinzelhandel in frequenz zu profitieren. Die branchenbezogene Verbindung bringt. So zählen Aldi, Lidl und Tchibo Bedeutung des Onlinehandels ist anhand der Situa- zu den umsatzstarken Anbietern. tion der FMCG-Produkte (vgl. Abbildung 4) nachzu- vollziehen, sodass von einer „nachholenden“ Ent- Die Tendenz, dass Shopping-Center vermehrt auf wicklung mit hohen Wachstumsraten auszugehen innerstädtische Standorte abzielen und die „grüne ist. Wiese“ an Attraktivität verliert, hat direkten Einfluss auf die Standortsituation der Anbieter in der Wa- Bücher, Schreibwaren, Büro rengruppe Bekleidung/Schuhe/Schmuck. Diese bil- Auch in der Warengruppe Bücher, Schreibwaren, det üblicherweise auch den Angebotsschwerpunkt Büro ist eine Reduzierung der Fachgeschäfte bei eines Shopping-Centers, sodass dezentrale Ansied- einer gleichzeitig zunehmenden Filialisierung deut- lungen solcher Center direkt und primär in Wett- lich zu erkennen. In vielen Kommunen hat sich bei- bewerb mit den Haupteinkaufslagen einer Stadt spielsweise der Facheinzelhandel mit Büchern zu- getreten sind. Während dieser Wettbewerbsdruck rückgezogen, während die marktprägenden filiali- vielerorts nachlässt, nimmt die Marktbedeutung des sierten Anbieter wie Mayersche Buchhandlung oder Onlinehandels weiter zu. Marktanteile von rund Weltbild Anforderungen an Standorte und Einzugs- 28 % bei Fashion und Accessoires sowie rund 18 % gebiete formulieren, die insbesondere durch kleine- bei Uhren und Schmuck, ergänzt durch Wachstums- re Kommunen nicht erfüllt werden können. Zudem raten des Marktanteils von 8 % bzw. 12 % im Jahr zeigte sich im Buchhandel der E-Commerce von 2018, unterstreichen eine gleichermaßen hohe wie Beginn an wettbewerbsrelevant; derzeit liegt der ansteigende städtebauliche Relevanz des Online- Marktanteil nach HDE bei rund 27,5 %. Mit einer handels. Wachstumsrate von nur ca. 3,5 % des Marktanteils zwischen 2016 und 2018 ergibt sich jedoch eine Sport, Spiel, Freizeit deutliche Abnahme der Entwicklungsdynamik. Mit einem Marktanteil von fast 25 % ist der Online- handel auch bei Sport, Spiel, Freizeit von hoher Gleichermaßen übt der Onlinehandel im Bereich Wettbewerbsrelevanz für den stationären Einzel- Büro-/Schreibwaren mit einem Marktanteil von handel und lässt bei einer Rate von ca. 7 % weiter- rund 23 % im Jahr 2018 starken Wettbewerbsdruck hin wachsende Bedeutung erkennen. Allerdings auf den stationären Einzelhandel aus, der in spezia- konnten im Bereich der Sportartikel/Sportgeräte lisierter Form weiterhin primär kleinstrukturiert und durch die Expansion der Fa. Decathlon in den ver- 12 Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH
gangenen Jahren in vielen Regionen Angebotslü- Möbel/Einrichtung cken geschlossen werden. Viele Sortimente des Die Warengruppe Möbel/Einrichtung wird sowohl Filialisten wurden zuvor nur ausschnittsweise in durch das klassische Möbel-/Küchensortiment als konventionellen Sportgeschäften angeboten, deren auch durch ergänzende einrichtungsaffine Produkte Angebotsschwerpunkt meist bei Sportbekleidung/ gebildet. Während letztere (u. a. Glas/Porzellan/ Sportschuhen liegt. Da Decathlon auch in diesen Keramik, Haushaltswaren, Heimtextilien) in der Sortimenten große Flächenanteile in ihren Fach- Regel primär auf städtebaulich integrierte Lagen märkten belegt, korrespondieren unternehmensin- gelenkt werden, sind Möbelhäuser zumeist an Pkw- terne Standortprämissen oftmals nicht mit den orientierten Standorten außerhalb zentraler Lagen planerischen Zielsetzungen des Zentrenschutzes. zu finden. Für diese Möbelhäuser zeigen sich fort- setzende Konzentrationsprozesse, die durch Ver- Das Einzelhandelsangebot mit Spielwaren/Freizeit- kaufsflächengrößen von mehr als 40.000 m², einer sortimenten wird dagegen schon längerfristig einer- Marktbeherrschung weniger großer Anbieter und seits durch den kleinteiligen Facheinzelhandel, an- die Aufgabe inhabergeführter (ehemals „großer“) dererseits durch große Fachmärkte mit einem um- Möbelvollsortimenter auch mit 15.000 bis fassenden Sortiment geprägt (z. B. Smyths Toys). 25.000 m² Verkaufsfläche gekennzeichnet sind. Auch in diesem Segment ist der Onlinehandel ex- Durch den Betriebstyp des „Möbelpalasts“ (Möbel- pansiv. häuser mit einer Verkaufsfläche von mehr als 25.000 m²) werden, ebenso wie durch den Betrei- Elektrowaren ber des Einrichtungshauses IKEA, jedoch nicht nur Eine umfassende Produktpalette von Elektrowaren kleinere Möbeleinzelhändler unter Wettbewerbs- wird in der Regel durch die Elektrofachmärkte (Sa- druck gesetzt. Vielmehr führen diese „Möbelpaläs- turn, Media Markt, Medimax etc.) vorgehalten. te“ auch Randsortimentsverkaufsflächen in der Diese galten – und gelten grundsätzlich immer noch Größe mehrerer Fachmärkte, die zudem mit den – als Magnetbetriebe, sodass in der Einzelhandels- Anbietern von Leuchten, Haushaltswaren, Glas/Por- steuerung das Ziel verfolgt wurde, innerstädtische zellan/Keramik usw. in Wettbewerb treten. Standorte mit Elektrofachmärkten zu belegen. U. a. unter Einfluss der besonders starken Marktposition Eine Bedeutungszunahme ist für den E-Commerce des Onlinehandels hat sich das Expansionsverhalten für die Warengruppe Wohnen und Einrichten zu der marktführenden Betreiber jedoch in den ver- belegen. Aktuell liegt der Marktanteil bei rund 13 %; gangenen Jahren verändert. Das Standortnetz wur- die Entwicklungsdynamik ist überdurchschnittlich. de in der Tendenz verkleinert, die Verkaufsfläche reduziert, sodass sich insgesamt eine Bedeutungs- Bau-, Gartenbedarf, Autozubehör abnahme des stationären Einzelhandels mit Elekt- Ähnlich wie das Möbelsortiment wird auch das rowaren ergab. Angebot mit Bau- und Gartenbedarf primär in groß- flächigen Fachmärkten außerhalb von städtebaulich Weitere prägende Betriebstypen sind Fachanbieter integrierten Lagen angeboten. Teilweise, durch die für Elektrohaushaltswaren (Elektrogroß- und/oder Ergänzung mit Baustoffen, wird die Einzelhandels- -kleingeräte), Telefon- und Fotoshops oder Compu- funktion mit einem primär gewerblich orientierten terfachgeschäfte. Dabei zeigt der Markterfolg der Angebot verknüpft. Auch in diesem Segment ist ein Fa. Apple die gelungene Kopplung von zunehmen- erhöhter Verkaufsflächenbedarf der Betreiber zu der gesellschaftlicher Bedeutung moderner Infor- erkennen; die Marktführer belegen teilweise Flä- mations- und Kommunikationstechnologien und chen mit mehr als 20.000 m² Verkaufsfläche. Die Produktinnovationen sowie geschickter Markenfüh- Bedeutung des E-Commerce ist für Bau-/Garten- rung. Unterstützt wird die Demonstration dieser bedarf mit einem Marktanteil von fast 6 % bislang Marktbedeutung aktuell durch die Eröffnung von noch vergleichsweise gering. Eine Marktanteil- Flagship-Stores in 1-A-Lagen von Oberzentren, Wachstumsrate von ca. 8 % im vergangenen Jahr meist in prägnanten Schlüsselimmobilien. kennzeichnet jedoch auch hier eine nachholende Entwicklung. Gemeinde Engelskirchen – Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts 13
Das Sortiment Autozubehör zeigt sich weniger flä- bereichen. Aber die Forderung von Handelsunter- chenintensiv. Es wird als Randsortiment in Bau- nehmen nach großen zusammenhängenden Laden- märkten oder Sonderpostenhäusern angeboten; einheiten ist in vielen Zentren schwierig zu erfüllen. primär erfolgt der Verkauf jedoch über flächenmä- Vielfach fehlen notwendige Entwicklungsflächen für ßig kleinere Fachmärkte in Verbindung mit Werk- neue Handelsimmobilien oder Erweiterungen be- stätten, wie beim Marktführer A.T.U. oder den stehender Betriebe; Zuschnitte bestehender Laden- Facheinzelhandel für Autozubehör, der oftmals an einheiten entsprechen vielerorts nicht mehr den Kfz-Häuser angeschlossen ist. Der Onlinehandel ist aktuellen Ansprüchen. Die eigentümerübergreifen- mit ca. 6 % in seiner Marktbedeutung nachgeord- de Vergrößerung bestehender Ladeneinheiten stellt net. eine besondere Herausforderung dar. 2.2.3 Auswirkungen auf die Stadtentwicklung Neben der Vitalität der Innenstädte ist auch der Erhalt eines funktionsfähigen Nahversorgungsnet- Zwar hat die Konzentration auf periphere, Pkw- zes von Bedeutung. Diesbezüglich ist die Situation in orientierte Einkaufsorte in der jüngeren Vergangen- vielen Kommunen beeinflusst durch die Standortpo- heit wieder abgenommen (insbesondere wegen res- litik der Lebensmittel-SB-Betriebe. Leistungsfähige triktiver Auslegung des Planungsrechts); der Wett- Lebensmittelanbieter fragen heute kaum mehr bewerbsdruck für den stationären Innenstadt-Ein- Standorte mit 800 m² Verkaufsfläche, sondern oft- zelhandel befindet sich jedoch durch die anhalten- mals mit mehr als 1.200 oder 1.400 m² nach. In vie- den Marktanteilsgewinne des Onlinehandels wei- len kleineren Zentren konnten und können diese terhin auf einem hohen Niveau. Vielfach sind es nur Flächenansprüche nicht erfüllt werden, sodass Le- die bundesweit filialisierenden Anbieter, die ihre bensmittelmagnetbetriebe geschlossen wurden mit Angebote parallel über den Onlinehandel vertrei- der Folge, die Funktionsfähigkeit ganzer Zentren zu ben. Für den inhabergeführten Einzelhandel hinge- gefährden. Der Verlust des Lebensmittelmagnetbe- gen steht der Aufwand zur Etablierung eines weite- triebs setzt i. d. R. einen Trading-down-Prozess in ren Vertriebskanals selten in angemessener Relati- Gang, in dessen Verlauf weitere Geschäfte aufgrund on zu den hierdurch möglichen Einnahmen, sodass fehlender Laufkundschaft schließen müssen. vielerorts eher standortbezogene Online-Aktivitäten unterstützt werden. Diese Entwicklung wird verstärkt, wenn sich auch andere Infrastruktureinrichtungen, z. B. Poststellen Die erfolgte Ausweitung von zentren- und nahver- oder Bankfilialen, aus den (ehemaligen) Versor- sorgungsrelevanten Sortimenten an nicht-inte- gungsschwerpunkten zurückziehen. grierten Standorten hat wichtige Magnetbetriebe aus den Zentren abgezogen und die dynamische Auch für viele Stadtteil- bzw. Nebenzentren ergibt Entwicklung des Onlinehandels zu weiteren Kauf- sich die Gefahr eines zunehmenden Bedeutungs- kraftverlagerungen geführt. Insbesondere in Innen- rückgangs, wenn nicht Einzelhandelsausstattung städten haben die Warenhäuser und der Fachhan- oder Identifikationspotenziale über Historie bzw. del als Leitbetriebe an Bedeutung eingebüßt. Die Städtebau zur Profilierung und Abgrenzung gegen- lang anhaltende Tendenz zu einer weiteren Filiali- über Nahversorgungszentren genutzt werden kön- sierung ist allerdings ungebrochen, insbesondere nen. internationale Ketten drängen in Groß- und Mittel- Die sich so ergebenden Versorgungsnetze wider- städte. Allerdings reduziert sich die Präsenz in Form sprechen dem stadtentwicklungspolitischen Ziel der der Zahl der Filialen in attraktiven Innenstadtlagen. „kurzen Wege“. Gleichermaßen wachsen die An- Die weitere Ansiedlung von Magnetbetrieben und sprüche der Betreiber an die Mantelbevölkerung im die Ergänzung des filialisierten Einzelhandels durch unmittelbaren Standortumfeld, sodass Standorte individuelle Betreiberkonzepte stellen weiterhin die auch aufgrund unzureichender Rentabilität aufge- wichtigsten Aufgaben für die kommunale Stadtent- geben werden. Betroffen von der „Ausdünnung“ wicklung und die kommunale Wirtschaftsförderung sind insbesondere immobile Bevölkerungsteile, die dar, insbesondere außerhalb von Oberzentren oder auf eine wohnungsnahe Grundversorgung angewie- großen Mittelzentren mit weitreichenden Einzugs- sen sind. Durch den demografischen Wandel wächst eben diese Bevölkerungsgruppe. 14 Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH
Diese übergeordneten Entwicklungen nehmen auch nen Ortsteilen zu überwindenden Entfernungen auf das Einzelhandelsgefüge der Gemeinde Engels- betragen teilweise bis zu 10 km Luftlinie. Aufgrund kirchen Einfluss. Eine konsequente, gesamtge- des Straßenverlaufs entlang der mäandrierenden meindliche Steuerung der Einzelhandelsentwicklung Täler ist die tatsächlich zu überwindende Wegstre- ist notwendig, um dem möglichen Bedeutungsver- cke noch größer. lust gewachsener Ortskerne und der Nahversorgung entgegenzuwirken. Engelskirchen verfügt gegenüber den Nachbarge- meinden in mehrfacher Hinsicht über eine überge- 2.3 Untersuchungsrelevante ordnete Stellung im Verkehrsnetz. Die Gemeinde ist Rahmenbedingungen am Standort über zwei Anschlussstellen an die Autobahn 4 zwi- Engelskirchen schen Aachen, Köln, Gummersbach und Olpe ange- schlossen, über die das Oberzentrum Köln in rund 2.3.1 Lage im Raum und regionalplanerische 30 km Entfernung erreicht werden kann. Die An- Einstufung schlussstelle Engelskirchen befindet sich nur wenige Die Gemeinde Engelskirchen liegt im Westen des Kilometer vom Ortskern Engelskirchens entfernt, Oberbergischen Kreises, eingebettet in die Mittel- die Anschlussstelle Bielstein an der östlichen Ge- gebirgslandschaft des Bergischen Landes. Sie grenzt meindegrenze. Neben der Autobahn bilden die im Norden an die Gemeinde Lindlar, im Westen an Landstraße 136 und 302 die Hauptverkehrsadern die Kreisstadt Gummersbach und im Süden an die des Gemeindegebiets. Die L 136 verläuft nahezu Stadt Wiehl. Zudem hat sie im Westen gemeinsame parallel zur Agger und verbindet die größten Ort- Grenzen mit der Stadt Overath im Rheinisch-Ber- schaften Loope, Engelskirchen und Ründeroth mit- gischen Kreis und im Südwesten mit der Gemeinde einander. In östlicher Richtung führt sie bis Gum- Much im Rhein-Sieg-Kreis. Die Gemeinde Engelskir- mersbach. Die L 299 verläuft von Engelskirchen aus chen ist dem Regierungsbezirk Köln zugeordnet und in nördliche Richtung nach Lindlar, die L 302 vom wird in der landesplanerischen Hierarchie als Mit- Autobahnanschluss Engelskirchen – ebenfalls in telzentrum eingestuft. Demnach wurde ihr sowohl nördlicher Richtung – durch das Leppetal Richtung eine Versorgungsfunktion für die hiesige Bevölke- Marienheide. rung mit Gütern und Dienstleistungen des kurz- und mittelfristigen Bedarfs als auch eine Versorgungs- Die Gemeinde Engelskirchen ist durch die Bahnhöfe funktion für eine Reihe umgebender Grundzentren Engelskirchen und Ründeroth an die Regional- beigemessen. Der Einkaufsstandort Engelskirchen bahn 25 zwischen Köln und Marienheide angebun- steht dabei insbesondere im Wettbewerb zu den den. Diese verkehrt halbstündlich in beide Richtun- nächstgelegenen Mittelzentren und Kreisstädten gen. Der Hauptbahnhof Köln ist in rund 50 Minuten Gummersbach und Bergisch Gladbach sowie zu dem und der Bahnhof Gummersbach in etwa 25 Minuten Oberzentrum Köln. Fahrtzeit erreichbar. Neben der Wettbewerbssituation wird die Entwick- Daneben sichern einige Buslinien die innerörtliche lung des Engelskirchener Einzelhandels u. a. durch Erreichbarkeit sowie die der angrenzenden Städten die Verkehrsanbindung und die topografische Situa- und Gemeinden. Vom Bahnhof Engelskirchen fah- tion beeinflusst. ren die Buslinien 331, 332 und 333 in die nördlich gelegenen oberbergischen Gemeinden Lindlar und Aufgrund der Topografie des Oberbergischen Lan- Marienheide sowie in die Stadt Wipperfürth. Von des ist die Gemeinde Engelskirchen durch einen Ründeroth aus verkehren zudem die Linien 312, hügeligen Charakter geprägt. Der Siedlungskörper 317, und 319 in südliche und östliche Richtung nach der Gemeinde orientiert sich vornehmlich entlang Much, Nümbrecht, Waldbröl, Wiehl und Gummers- der beiden Wasserläufe Agger und Leppe. Neben bach. den Hauptsiedlungsorten in den Ortsteilen Engels- kirchen, Ründeroth und Loope wird die Siedlungs- struktur durch eine disperse Verteilung kleiner Ort- schaften charakterisiert. Die zwischen den einzel- Gemeinde Engelskirchen – Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts 15
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