Gute Löhne für alle oder mehr Ungleichheit - lässt sich die Spaltung auf dem Arbeitsmarkt verringern? Hamburg 23. Januar 2019
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Institut Arbeit und Qualifikation Gerhard Bosch Gute Löhne für alle oder mehr Ungleichheit – lässt sich die Spaltung auf dem Arbeitsmarkt verringern? Hamburg 23. Januar 2019 Prof. Dr. Gerhard Bosch Universität Duisburg Essen Institut Arbeit und Qualifikation Forsthausweg 2, LE, 47057 Duisburg Telefon: +49 (0)203 / 379-1339; Fax: +49 (0)203 / 379-1809 Email: gerhard.bosch@uni-due.de; www.iaq.uni-due.de
Gliederung 1. Wachsende Einkommensungleichheit in DE 2. Ursachen der Umverteilung 3. Rolle von Mindestlöhnen und Tarifverträgen 4. Schlussfolgerungen
1.1 Entwicklung der realen Stundenlöhne nach Dezilen in Westdeutschland (alle abhängig Beschäftigten) – Mit BIP pro Arbeitsstunde als Vergleich 180 GDP per hour worked 170 D9 160 D5 D1 150 140 130 120 110 100 90 80 Quelle: Eigene Berechnung mit dem SOEP v32.1; Bruttoinlandsprodukt pro Arbeitsstunde preisbereinigt, bis 1991 Westdeutschland ab 1992 Deutschland gesamt: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
1.2 Entwicklung des realen Bruttostundenlohns von abhängig Beschäftigten nach Dezilen (1995-2015) Quelle: Bundesregierung, Armuts- und Reichtumsbericht 2017 auf Basis SOEP v32.
1.3 Entwicklung der Haushaltseinkommen vor staatlicher Umverteilung nach Dezilen (Bevölkerung im Erwerbsalter 25 bis u. 65 Jahre) 1983–2014 und Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (alle Angaben inflationsbereinigt) (bis 1990 West-DE, nach 1990 DE) 180 GDP per capita D9 160 D5 D1 140 120 100 80 60 40 20 0 Quelle: Eigene Berechnung mit dem SOEP v32.1; BIP: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnung
1.4 Anteil der Mittelschicht vor und nach staatlicher Umverteilung 1983 - 2014 (Gesamtbevölkerung und Erwerbshaushalte) (äquivalenzgewichtetes Einkommen von 60 bis 200 % des Medianeinkommens der Haushalte Quelle: SOEP v32.1; Erwerbshaushalte haben einen Vorstand zwischen 25 -und u. 65 Jahren und zudem Einkommen aus Erwerbstätigkeit.
1.5 Niedriglohnrisiko abhängig Beschäftigter nach Einkommensschichten (vor Umverteilung) 1995 bis 2014 80 70 60 Bottom 50 Lower middle 40 Intermediate middle 30 Total 20 Upper middle 10 Top 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: SOEP v32.1, eigene Berechnung. Niedriglohnrisiko und Haushaltseinkommen der Schichten beziehen sich auf die genannten Jahre, nicht auf das Vorjahr.
2.1 Ursachen der Umverteilung Primärverteilung: Erosion der Tarifbindung - Deregulierung von Produktmärkten - Erosion des autonomen Lohnsystems - Zunehmende Nutzung prekärer Beschäftigungsformen - Deregulierung des Arbeitsmarktes (Hartz-Gesetze) - Beibehaltung des alten Familienmodells (Anreize für kurze Erwerbstätigeit des Zweitverdieners ) Sekundärverteilung: - Absenkung der Progression und Senkung der Unternehmensteuern - Absenkung des Renteniveaus (Wirkung in nächsten 40 Jahren sichtbar)
2.2 Unterschätzte Rolle von Produktmarktde- regulierungen ……. research “provides evidence that product market deregulation … leads to an easing of bargaining institutions, as measured by a decrease in the principal component of union density and union coverage. Thus, from a political economy perspective, product and labor market deregulation can be classified as "complements “ ….. A related implication is that sequencing reforms to deal first with product markets could make it easier to overcome political opposition to labor market deregulation later on…” * *Fiori u.a. (2007): Employment Outcomes and the Interaction Between Product and Labor Market Deregulation: Are They Substitutes or Complements?, IZA DP No. 2770, Bonn: 26-27
2.3 Tarifbindung 1998 – 2017: Kein Ende der Abnahme in Sicht – Sogwirkung des Niedriglohnsektors
2.4 Negative Lohndrift
2.5 Polarisierung der Arbeitszeiten – Wichtige Ursache sozialer Ungleichheit Jahresarbeitszeit nach Eink om m ensschichten vor Um verteilung Quelle: IAQ Forschung 03/2017
2.6 Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung in % des Bruttohaushaltseinkommens 2015 Quelle: Bach et al. (2016:1212)
2.6 Reformen zur Verringerung der Ungleichheit - Pflegeversicherung - Neues Familienmodell (Elterngeld, Ausbau der Kinderbetreuung und Ganztagsschulen) - Kurzarbeit in der Finanzkrise - Mindestlohn Nominales Wachstum des vertraglichen Stundenlohns über zwei Jahre nach Dezilen 1998 - 2016 (Burauel u.a. 2017 DIW)
2.7 Anteil der Verringerung der individuellen Arbeitszeit an der Verringerung des gesamten Stundenvolumens (2008-9) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Quelle:: http://www.conference-board.org/economics/database.cfm (EUROSTAT).
3.1 Rolle von Mindest- und Tariflöhnen - Die Linke / Scholz: Anhebung des Mindestlohns auf 12 € - IG BCE: Transfer-Mindestlohn: Anhebung des Mindestlohns auf 12 € (Differenz zwischen von dem Mindestlohnkommission festgesetzten Mindestlohn und 12 € durch Staatszuschüsse finanzieren – langsames Abschmelzen) Problem: Wenn man nur über den Mindestlohn redet, hat man schon vor der massiven Umverteilung kapituliert
3.2 Korrelation zwischen dem relativen Niveau der Mindestlöhne und dem Anteil der Niedriglohnbe- schäftigten 2014 Quelle: WSI Datenbank Mindestlohn, Eurostat, eigene Berechnungen
3.3 Tarifbindung vermindert Lohnungleichheit: Hohe Korrelation zwischen Tarifbindung und Anteil von Niedriglöhnern in der EU 2014 Korrelation: - 0,82 120 FR AT 100 FI SE BE NL DK IT ES 80 Tarifbindung in % PT SI MT DE 60 LU CZCY IE 40 RO BG SK EE HU 20 PL UK LT LV 0 0 5 10 15 20 25 30 Anteil der Niedriglohnbezieher in % Quelle: Visser 2015, Eurostat, eigene Berechnungen.
3.4 Verteilung der Monatseinkommen von Vollzeitbeschäftigten in Belgien 2016 Quelle: STATBel (https://statbel.fgov.be/nl/themas/werk-opleiding/lonen-en-arbeidskosten/gemiddelde-bruto-maandlonen)
3.5 Verteilung der Stundenlöhne im Vereinigten Königreich 2014 (über 25-jährige) Quelle/ Source:
3.6 Verteilung der Stundenlöhne in Ost- und in West-Deutschland Quelle:
3.7 Architektur der Lohnsystem wichtig Quelle: Eigene Grafik
3.8 OECD: Nicht notwendig zwischen Arbeitslosigkeit und Gleichheit zu wählen. Positive Beschäftigungs- effekte koordinierter Lohnsysteme Quelle. OECD Employment Outlook 2018:86
Schlussfolgerungen (I) • Beispiele anderer Länder zeigen, dass wachsende Ungleichheit keine Naturgesetz ist • Nur Erhöhung des Mindestlohns fordern = Kapitulation • Notwendig Erhöhung der Tarifbindung – schafft die ökonomische Grundlage für die Mittelschichten • Hierfür keine echte Reformagenda in DE • Vorschlag britischer Arbeitsrechtler*: „Industrial Commissions mit Schlichter vereinbaren allgemeinver- bindliche Tarifverträge“ in tariffreien Zonen – mit ähnlichem Model Erhöhung der Tarifbindung in Uruguay Erhöhung der Tarifbindung von unter 20% auf 96% *Ewing, K.D. /Hendy J. / Jones C. (2016): A Manifesto for Labour Law: towards a comprehensive revision of workers’ rights, Institute of Employment Rights, Liverpool
Schlussfolgerungen (II) - Polarisierung der Arbeitszeiten wachsende Bedeutung für soziale Ungleichheit Daher notwendig - Mindestarbeitszeiten: 20 Stunden, bei längerer als vertraglicher Arbeitszeit – Erhöhung der vertraglichen Arbeitszeit im Folgejahr - Neues Normalarbeitsverhältnis für Männer und Frauen mit finanzierter Elternzeit, öffentlicher Kinderbetreuung und Ganztagsschulen: Teilzeit wird zur Episode im Erwerbsverlauf
Zum weiterlesen: Bosch, Gerhard / Kalina, Thorsten (2017): Wachsende Ungleichheit in der Prosperität. Einkommensentwicklung 1984 bis 2015 in Deutschland. Internet- Dokument. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Forschung, Nr. 2017- 03 Gerhard Bosch (2017): Industrielle Beziehungen und soziale Ungleichheit in Deutschland, Internet-Dokument. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Forschung, Nr. 2017-06
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