Gesunde Stadt - Wiener Gesundheitsförderung

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Gesunde Stadt - Wiener Gesundheitsförderung
Hat Corona unser Leben nachhaltig verändert?
                                 Homeoffice & Digitalisierung: die neue Arbeitswelt
WINTER 2020                            Bewusst und genussvoll leben ist im Trend
Österreichische Post AG, MZ 18Z041393 M, Wiener Gesundheitsförderung gemeinnützige GmbH – WiG, Treustraße 35–43, Stg. 6, 1200 Wien

Gesunde Stadt
DAS MAGAZIN DER WIENER GESUNDHEITSFÖRDERUNG

  Leben mit und nach Corona:
  Gesund bleiben
Gesunde Stadt - Wiener Gesundheitsförderung
Gesunde Stadt - Wiener Gesundheitsförderung
LIEBE LESERIN,
LIEBER LESER!

E
     in Kaffee um die Ecke mit lieben
     FreundInnen, mit der Familie ins
     Kino gehen oder gemeinsam mit
anderen im Yoga-Kurs schwitzen:
Die Sehnsucht nach Normalität,
der Zeit nach Corona und dem Leben,                                                    Ist Homeoffice die Zukunft?
wie wir es eigentlich kennen, ist groß.                                                Die Last tragen oft die Frauen. Seite 10
Im Sommer haben wir einen kleinen
Vorgeschmack darauf bekommen.
Umso härter trifft uns nun der Winter
und die Erkenntnis, dass uns das
Virus noch eine Weile begleiten wird.

Daher gilt mehr denn je die Prämisse:
Gesund bleiben! Bereits der erste                                                     INHALT
Lockdown hat uns viel abverlangt,
körperlich und seelisch an unsere
Grenzen gebracht. Wir mussten und
müssen uns immer noch an neue
                                                                                      04    Kurz notiert
                                                                                            Wiens neue Stadtregierung,
Situationen und Herausforderungen                                                           online Corona-Check und               Raus in die Natur – statt Fernreisen und
anpassen – ob beruflich, in der Schule                                                      Programm für gesunde Zähne            Fitnessstudio. Seite 16
oder privat. Was bedeutet das für die
Einzelne oder den Einzelnen? Was
macht es mit unserer Gesellschaft?                                                    06    Die Krise und ihre Folgen
Was können und wollen wir für die
Zukunft mitnehmen? Aber vor allem:
                                                                                            Soziales Leben, Mobilität,
                                                                                            Wohnen: Corona hat
                                                                                                                                  17      Service

Wie bleiben wir gesund? Diesen und                                                          tiefgreifende Auswirkungen.
anderen Fragen gehen wir in der
aktuellen Ausgabe der Gesunden
                                                                                                                                  18      Bewusst konsumieren
                                                                                                                                          Nachhaltigkeit und Qualität
Stadt nach.                                                                           09    Umfrage
                                                                                            Wie wird Corona unser Leben
                                                                                                                                          werden beim Einkaufen
                                                                                                                                          immer wichtiger.
 Ich bin zuversichtlich, dass wir                                                           langfristig verändern?
 als solidarische Gemeinschaft die
­Herausforderungen der kommenden                                                                                                  20      Risikogruppen
 Monate meistern. Denn gemeinsam
 ist zwar nicht alles, aber vieles
                                                                                      10    Arbeitswelt 2.0
                                                                                            Kaum Meetings, dafür
                                                                                                                                          Die Last der Corona-Maßnah-
                                                                                                                                          men ist ungleich verteilt.
ein­facher. Daher: Bitte nutzen Sie                                                         Homeoffice und einsames                       Wer trägt besonders schwer?
die vielen Unterstützungsangebote,                                                          Arbeiten
die unsere Stadt zu bieten hat.
                                                                                                                                  22      Rettungsanker Kultur
Viel Freude beim Lesen und bleiben
Sie gesund!
                                                                                      12    Krisen-Essen
                                                                                            Muss das Weihnachtsessen
                                                                                                                                          Wie Musik, Literatur und
                                                                                                                                          Kunst durch die Krise helfen –
Für ein gesundes Leben in einer                                                             heuer ausfallen?                              aber live trotzdem besser sind.
gesunden Stadt.

                                                                                      14    Ohne Schule geht’s nicht
                                                                                            Auch wenn Schule oft nervt:
                                                                                                                                  24      Aus den Bezirken

                                                                                            Ohne sind Jugendliche und
                 Dennis Beck,                                                               Kinder ganz schön einsam.             26      Termine
                                          Fotos: WiG/Klaus Ranger, Getty Images (2)

                 Geschäftsführer
                 Wiener Gesundheits-
                 förderung – WiG                                                      16    Neues Biedermeier
                                                                                            Zuhause ist es am schönsten:
                                                                                                                                  27      Kolumne
                                                                                                                                          Barbara Kaufmann über
                                                                                            Freizeit, Liebe, Sex und Corona               Stolz und Freundschaft

                                                                                                                                                                       3
Gesunde Stadt - Wiener Gesundheitsförderung
Gesund im Job
                                                                                              für Frauen
                                                                                              GESUNDER BETRIEB

                                                                                              D
                                                                                                    ie Lebens- und Arbeitsbedingun-
Robert Bacher (Fonds Soziales Wien), Herbert Pichler (Österreichischer Behindertenrat),             gen von Frauen und Männern
Ulrike Klein (VertretungsNetz), Dennis Beck (Wiener Gesundheitsförderung),                          ­unterscheiden sich we-
Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, Oswald Föllerer (Selbstvertretungszentrum Wien)             sentlich – und somit auch die
sowie Moderatorin Sabine Schuster (v. l.)                                                     Auswirkungen auf Gesund-
                                                                                              heit und Krankheit. Frauen
„Respekt ist Teil der Lösung“                                                                 leisten mehr unbezahlte
                                                                                              Arbeit, arbeiten öfter in
                                                                                              ­
SELBSTHILFE & EMPOWERMENT                                                                     Teilzeit und in Niedriglohnsektoren.
                                                                                              Das neue Handbuch „Betriebliche Frau-

G
      rundgedanke der Veranstaltung          Dabei ging es um e­ inen Erfahrungsaus-          engesundheitsförderung“ informiert
     „JedeR für JedeN“ der Wiener            tausch und um die Auswirkungen der               fundiert und praxisnah darüber, wie
      Gesundheitsförderung ist seit
      ­                                      Sicherheitsmaßnahmen in Wohn- und                Betriebe frauensensible Arbeitsbedin-
vielen Jahren, den Austausch zwischen                                                         gungen schaffen und damit die
Menschen mit und ohne Behinderung                          „Wir ermöglichen den               Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen
                                                                                              ­

                                                                                                                                          Fotos: Wiener Gesundheitsförderung/Andrew Rinkhy, David Bohmann, Getty Images, PID/David Bohmann, WiG/Karin Gruber
zu ermöglichen und das gegenseitige                        Austausch zwischen                 nachhaltig fördern können.
Verständnis sowie den Respekt für die                      Menschen mit und ohne
Bedürfnisse der jeweils anderen zu för-                    Behinderung.“                      So geht’s richtig. Zielgruppe des
dern. So auch in diesem Jahr – allerdings                  Peter Hacker,                      Handbuchs sind alle, die sich für die
coronabedingt etwas anders. Die Ver-                       Gesundheitsstadtrat                Förderung, den Erhalt oder die Wie-
anstaltung konnte erstmals via                                                                derherstellung der Gesundheit von
Livestream verfolgt werden und steht          Pflegeeinrichtungen. Gesundheits-               Mitarbeiterinnen einsetzen. Das sind
auch on demand zur Verfügung.                 stadtrat Peter Hacker unterstreicht:            zum Beispiel Führungskräfte, Perso-
                                            „Wir müssen dem Virus mit Respekt                 nalverantwortliche und BetriebsrätIn-
Auftakt. Am Beginn stand eine Podi-           ­begegnen. Respekt ist es, der uns vor-         nen sowie ArbeitsmedizinerInnen und
umsdiskussion mit Livestream zum
Thema „Spezielle Herausforderungen
                                              sichtig sein lässt. Auch wenn es für
                                              viele nicht leicht ist, wir werden das
                                                                                              BeraterInnen.
                                                                                              Gratis-Download unter: gesundheitsziele.
                                                                                                                                      •
für Menschen mit Behinderungen in
Corona-Zeiten“ auf dem Programm.
                                             ­gemeinsam meistern.“
                                             wig.or.at, sus-wien.at
                                                                                      •       wien.gv.at/site/handbuch-betriebliche-
                                                                                              frauengesundheitsfoerderung

          So sexy kann Schule sein                                                            Für die erste Liebe gibt’s keine
                                                                                              Anleitung. Aber Infos helfen, wenn es
          GESUNDE SCHULE                                                                      um Themen wie Verhütung geht.

          A
                 uch ohne Life Ball muss der sexu- schulen Aktionstage rund um die
                 ellen Gesundheit vonseiten der ­sexuelle Gesundheit der SchülerInnen.
                 Stadt Wien große Beachtung ge- Unter strengen Corona-Sicherheitsauf-
           schenkt werden. Deshalb haben wir die lagen durchliefen die 13- bis 15-Jähri-
          Wiener Gesundheitsförderung damit gen fünf Stationen, bei denen sie sich
           beauftragt, hier gute und qualitäts­ zu ­Themen wie Geschlechter-Identitä-
          gesicherte Angebote zur Verfügung zu ten, Rollenbilder, Verhütung und Safer
          stellen“, sagt Gesundheitsstadtrat Sex, Sexting und Pornografie infor-
          ­Peter Hacker.                           mieren und viele Fragen auch zu medi-
                                                   zinischen und rechtlichen Themen
          Workshops. Unter dem Titel „Sex in stellen konnten. Danach standen für
           the City“ veranstaltete die WiG Ende alle Klassen vertiefende Workshops auf
          September an drei Wiener Mittel­ dem Programm.                                  •
    4
Gesunde Stadt - Wiener Gesundheitsförderung
Rot und Pink für Wien: Vizebürgermeister
                                                                     Christoph Wiederkehr (l.) und
                                                                    Bürgermeister Michael Ludwig

Virtuelle                                               Wiens neue
Vernetzung                                              Stadtregierung
GESUNDER KINDERGARTEN                                    GESUNDE STADT

D                                                       S
     ie Netzwerktreffen „Gesund im                            PÖ und NEOS haben sich auf die          Ausbau von Kindergärten und Schulen
     Wiener Kindergarten“ erfreuen                            Eckpunkte einer neuen Stadtkoa-        – Stichwort Chancengerechtigkeit –,
     sich normalerweise großer Be-                            lition geeinigt. „Es ist eine Fort-     die Schaffung von weiteren Primär­
liebtheit. Coronabedingt waren sie                       schritts-Koalition. Soziales, Arbeits-       versorgungszentren und mehr Trans-
heuer aber nicht in üblicher Form als                    markt und leistbares Wohnen sind uns
echte Treffen möglich. Darum fanden                      genauso wichtig wie Nachhaltigkeit          „Mit der ersten sozial-liberalen
zwei kostenlose Webinare mit mehr als                    und Digitalisierung“, so Bürgermeis-         Koalition geht die Bundes-
zweihundert TeilnehmerInnen statt.                       ter Michael Ludwig. Der neue Vize­           hauptstadt den Schritt voran –
Ende November stand das Thema                            bürgermeister Christoph Wiederkehr           wir werden sicherlich
Krisenmanagement im Umfeld Kin-
­                                                        sagt: „Wir haben gemeinsame Ideen            Nachahmer finden.“
dergarten auf dem Plan. Das zweite                       und Visionen für die Stadt und brin-         Bürgermeister Michael Ludwig
Webinar fand am 9. Dezember statt                        gen beide Zukunfts-Kompetenz mit.“
und beschäftigte sich intensiv mit dem
Thema Resilienz.                         •               Inhaltliche Schwerpunkte. Zu den            parenz. Außerdem soll die Stadt bis
netzwerk.kindergarten@wig.or.at                          Schwerpunkten der Arbeit zählen der         2040 CO2-neutral sein.                 •

Im Team für gesunde Zähne
GESUNDE SCHULE
                                                                                                     Corona oder
M
          it den Comicfiguren Zahndra,       konnte die VS Einsiedlergasse den
          Jonazahn und Kari-Ex macht         Preis für die beste Schule einheimsen,                  Schnupfen?
          das Zähneputzen richtig Spaß!      im 15. Bezirk die Oskar Spiel Schule.
  Sie begleiten die Kinder durch den                                                                 GESUNDE STADT
 ­Pilot-Schulwettbewerb „Wiener Zahn-         Gesund im Mund. Der Zahnpass

                                                                                                     F
   pass“. Volksschulkinder in Margareten      wurde im Rahmen des Programms                               ieber, Husten, Kratzen im Hals –
   und Rudolfsheim-Fünfhaus waren im         „Tipptopp. Gesund im Mund und rund-                          einige Symptome des Coronavirus
  vergangenen Schuljahr dabei. Für            herum“ entwickelt, das aus Mitteln des                      sind denen der Grippe sehr ähn-
­jeden zahnärztlichen Kontrolltermin          Wiener Landesgesundheitsförde-                         lich. Für eine erste Einordnung steht
gab es in der Ordination einen Stempel        rungsfonds finanziert wird. Mit 40 Ex-                 jetzt ein Online-Tool zur Verfügung,
  in den Zahnpass und natürlich wurden        pertInnen für Mundgesundheit wer-                      der Symptom-Checker.
dabei auch die Zähne untersucht. Je           den in dem gemeinsamen Projekt der
  mehr Zahnpässe in der Klasse oder           WiG und der Österreichischen Gesund-                     Risikoeinschätzung. Über einfache
  Schule gesammelt wurden, desto              heitskasse pro Schuljahr mehr als                      Ja/Nein-Fragen wird ermittelt, ob sich
  ­höher die Gewinnaussicht. Im 5. Bezirk     110.000 Kinder betreut.                 •                aufgrund der Symptome oder einem
                                                                                                       möglichen Kontakt zu positiv geteste-
                                                                                                       ten Personen ein Verdacht auf eine
  GewinnerInnen des Schulwettbewerbs im 15. Bezirk mit ihrer
                                                                                                      ­Corona-Infektion verstärkt. Die Fragen
  Direktorin Nina Ratschiner (r.), Claudia Canaris von der Bildungsdirektion
                                                                                                       können direkt am Smartphone oder
  für Wien (l.), Gemeinderätin Claudia Laschan (2. v. l.) und Dennis Beck
                                                                                                       am Computer beantwortet werden.
                                                                                                     Am Schluss steht – wenn das Risiko
                                                                                                     ­einer Corona-Erkrankung besteht – die
                                                                                                       Empfehlung, eine Teststraße aufzu­
                                                                                                       suchen oder es wird unmittelbar eine
                                                                                                     Testung zu Hause veranlasst. Das
                                                                                                      entlastet die telefonische Gesundheits-
                                                                                                       beratung 1450.
                                                                                                      coronavirus.wien.gv.at
                                                                                                                                            •
                                                                                                                                        5
Gesunde Stadt - Wiener Gesundheitsförderung
Wer sich im
 Alltag an die
       Corona-
  Sicherheits­
   regeln hält,
      hilft, die
­Pandemie zu
     bremsen.

         6
Gesunde Stadt - Wiener Gesundheitsförderung
SCHWERPUNKTTHEMA: LEBEN MIT UND NACH CORONA

                                    Das Leben                                                                              1. MINDESTENS EINEN
                                                                                                                           METER ABSTAND VON
                                                                                                                           PERSONEN HALTEN,
                                                                                                                           MIT DENEN MAN NICHT

                                    nach Corona
                                                                                                                           ZUSAMMENLEBT

                                    NACH CORONA? SCHON JETZT BEGLEITET UNS DAS
                                    VIRUS LÄNGER, ALS VIELE DACHTEN. ABER WIR
                                    HABEN GELERNT: VERZICHT IST NICHT GLEICH                                               2. AUF HÄNDE­
                                                                                                                           SCHÜTTELN VERZICHTEN
                                    VERLUST. UND GUTE NACHBARiNNEN SIND WICHTIGER
                                    ALS EIN NEUES OUTFIT.                       Christine Oberdorfer

                                    J
                                                a, es nervt. „Aber wenn wir     Oder sich eine Freundin findet, die den
                                                so tun, als gäbe es Corona     Buben in den Kindergarten bringt, weil
                                                nicht, geht es davon auch       man selbst nicht aus der Wohnung
                                                nicht schneller weg. Ganz      darf. Da ist es dann auch völlig egal, ob
                                                im Gegenteil“, sagt Umwelt-    die Jeans nicht mehr so modern sind.
                                                mediziner Hans-Peter Hut-      Dafür reicht jetzt endlich die Zeit, den    3. IN ÖFFENTLICHEN
                                                                                                                           GESCHLOSSENEN
                                    ter. Er hat seit dem Frühjahr alle Hände   Kaffee mit der alten Espressokanne zu-      RÄUMEN MUND-NASEN-
                                    voll zu tun: Er erklärt den Menschen,       zubereiten. Das dauert zwar fünf           SCHUTZ TRAGEN
                                    warum Abstand halten wichtig ist, wie      ­Minuten länger, dafür entsteht kein
                                    Hände waschen richtig geht und wie
                                    der Mund-Nasen-Schutz wirkt. Dass                       „So schwer ist es
                                    die Menschen müde sind und die Nase                     wirklich nicht:
                                    voll haben von den Einschränkungen                      Abstand halten,
                                    ihres sozialen und beruflichen Lebens,                  Maske tragen,
                                    versteht er. „Die Last, die Maßnahmen                   Hände waschen.“
                                    mitzutragen, ist sehr ungleich verteilt.                Hans-Peter Hutter,
                                    Familien in beengten Wohnsituatio-                      Umweltmediziner
                                    nen sind besonders betroffen. Die sozi-
                                    ale Ungleichheit wird weiter verstärkt.“  unnötiger Kapsel-Müll. Die Umwelt            4. HÄNDE MEHRMALS
                                                                                                                           TÄGLICH GRÜNDLICH
                                                                              scheint überhaupt eine der „Gewinne-         WASCHEN
                                    Aus der Krise lernen. Hutter kann der rinnen“ dieser Pandemie zu sein.
                                     Krise aber auch etwas Positives ab­ Allein der umweltbelastende Flugver-
                                    gewinnen: „Die Schwachstellen der kehr ist phasenweise um bis zu
                                    ­Gesellschaft – die unwürdigen Lebens- 70 Prozent gesunken.
                                     umstände von Arbeiterinnen und Ar-
                                     beitern in Fleischfabriken, um nur ein Wien in der Pandemie. Aktuell sieht
Fotos: Andrew Rinkhy, Bubu Dujmic

                                     Beispiel zu nennen – sind jetzt deutlich es so aus, als wäre eine wirkungsvolle
                                     sichtbar. Ich gebe die Hoffnung nicht Impfung der einzig dauerhafte Ausweg
                                     auf, dass wir lernfähig sind.“ Was viele aus der Corona-Krise. Bis dahin wer-
                                     Menschen schon gelernt haben: In den aber wohl noch Monate vergehen.
                                     Quarantäne ist es Gold wert, wenn der Das Tückische am Corona­        virus ist,      5. NIESEN UND HUSTEN
                                     Nachbar die Einkäufe mit erledigt. dass es sich so unterschiedlich aus-               IN DIE ARMBEUGE ODER
                                                                                                                           IN EIN TASCHENTUCH
                                    gesunde stadt – winter 2020
Gesunde Stadt - Wiener Gesundheitsförderung
wirkt. So können Kinder nur ganz harmlosen grippalen Infekt, eine
     leichte oder gar keine Symptome zei- Grippe oder tatsächlich um Corona                  INTERVIEW
     gen. Einer hat Husten, die nächste Fie- handelt. Einen Beitrag zur Entlastung
     ber – und rund ein Prozent der Infizier- der Spitäler leistet auch die kostenlose Hans-Peter Hutter,
     ten braucht intensivmedizinische Grippe-Impfung. Und natürlich ist So- stellvertretender Leiter der Abteilung für
     Betreuung. „Wir dürfen nicht an den lidarität mit den gefährdeten Gruppen Umwelthygiene und Umweltmedizin am
     Punkt kommen, an dem die Intensiv- gefragt. „Jede und jeder von uns ist Zentrum für Public Health der
                                                    aufgerufen, einen Beitrag zu leisten. Medizinischen Universität Wien
        „Menschen, die wegen Corona im              Bitte halten Sie sich an die Regeln –
        Spital sind, sind meist über 60 Jahre       auch wenn es manchmal schwer fällt. Was unterscheidet das Corona­virus
        alt. Darum müssen wir ältere                Wir sind als Gesellschaft verpflichtet, von anderen wie SARS – die ja lange
        Menschen besonders schützen.“               niemanden zurück zu lassen.“             nicht so schwerwiegende gesell-
        Peter Hacker, Gesundheitsstadtrat                                                    schaftliche und gesundheit­liche
                                                    Das wird neu. Auch Hutter beschäftigt Auswirkungen hatten?
                                                    sich mit der Frage, welche langfristigen Corona macht einen Menschen nicht
     betten überlastet sind“,­appelliert Ge- Auswirkungen die Corona-Pandemie zwangsläufig krank. Wenn man hohes
     sundheitsstadtrat Peter Hacker. Dann auf unseren Alltag haben wird. „In der Fieber hat, es einem schlecht geht,
     müssen ÄrztInnen entscheiden, wem Fachrichtung Innenraum-Klima­tologie bleibt man automatisch zu Hause –
     sie helfen. „Das ist nicht zumutbar.“          sagen wir schon lange, dass zum Bei- und kann auch kaum jemanden an­
                                                    spiel für Schulklassen eine mechani- stecken. Wenn ich aber keine Ahnung
     Solidarität. Diese Triage würde nicht sche Lüftungsanlage Sinn macht.“ habe, dass ich angesteckt und damit
     nur COVID-19-PatientInnen treffen. Auch werden bei neuen Bauvorhaben infektiös bin, verbreite ich die Viren
     Unfallopfer, Herzinfarkt- oder Schlag- Räumlichkeiten fürs Homeoffice einge- etwa am Arbeitsplatz, in der U-Bahn,
     anfall-PatientInnen sind ebenso auf plant. „Ich würde es auch für sinnvoll beim Einkaufen und wenn ich Freun-
     die Intensivmedizin angewiesen. Ha- halten, die Arbeitszeiten zu staffeln, dinnen und Freunde treffe. Daher
     cker: „Unser oberstes Ziel ist es, eine ­damit nicht alle Menschen gleichzeitig ­sollen wir eben alle vorsichtig sein.
     Überlastung des Gesundheitssystems die U-­Bahnen nutzen“, erklärt der
     zu vermeiden. Ein wichtiger Schritt Umwelt­             mediziner. Ihm ist die ver- Können Sie der Krise auch etwas
     war der Antigen-Test, der in 30 Minu- stärkte Kfz-Nutzung wegen der damit Positives abgewinnen?
     ten Klarheit bringt.“ Seit November verknüpften Lärmbelastung, Umwelt- Die Pandemie zeigt die Schwach­
     wird er in den Schulen eingesetzt. verschmutzung und Bewegungsarmut stellen unserer Gesellschaft, Probleme,
     Auch alle Einrichtungen für SeniorIn- ein Dorn im Auge. Luftverschmutzung die vorher schon da waren, die man
     nen wurden durchgetestet. Hacker: steht auch in direktem Zusammenhang jetzt aber kaum mehr übersehen kann:
    „Menschen, die wegen Corona im Spital mit dem Infektionsrisiko: Sind die zum Beispiel problematische Arbeits-
     sind, sind meist über 60. Darum müs- Atemwege angegriffen, können sie Vi- bedingungen, die ungerechte Vertei-
     sen wir ­ältere Menschen besonders ren schlechter abwehren. Und so lung von Ressourcen und die fehlende
     schützen.“ In der ganzen Stadt gibt es schwingt sich Hutter täglich aufs Rad – Wertschätzung für manche Berufe.
     außerdem Schnupfen-Checkboxen. So ein echter Luxus, wie er findet.
     ist schnell klar, ob es sich um einen coronavirus.wien.gv.at
                                                                                         •   Was mir Sorgen macht: Wenn wir
                                                                                             schon die einfachen Maßnahmen zur
                                                                                             Einbremsung eines Virus nicht schaf-
                                                                                             fen – wie wollen wir dann so etwas
                                            Die Umwelt profitiert von den Einschränkungen    Komplexes wie die Klimakrise jemals
                                               als Folge der Pandemie. Allein der Flughafen  in den Griff bekommen?
                                       Wien verzeichnete im ersten Halbjahr 2020 zwei
                                                       Drittel weniger PassagierInnen.
                                                                                                                                      Fotos: David Bohmann, Michael Fritscher/picturedesk.com, Katrin Bruder (5)

                                                                                             Was kann jede und jeder Einzelne
                                                                                             zusätzlich tun, um die Verbreitung
                                                                                             des Virus einzudämmen?
                                                                                             Tröpfcheninfektion ist die wahr-
                                                                                             scheinliche Verbreitungsart. Ich finde
                                                                                             das Schlagwort „Social Distancing“
                                                                                             schrecklich. Denn gerade jetzt sollten
                                                                                             wir alle zusammenstehen – aber eben
                                                                                             mit physischem, „körperlichem“,
                                                                                             Abstand. Ich weise also immer wieder
                                                                                             Menschen darauf hin, dass sie bitte
                                                                                             etwas zurücktreten sollen oder frage
                                                                                             nett, ob sie ihre Maske vergessen
                                                                                             haben. Nach dem Motto: Keep it
                                                                                             simple und höflich.

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Gesunde Stadt - Wiener Gesundheitsförderung
SCHWERPUNKTTHEMA: LEBEN MIT UND NACH CORONA

                                                                         Wie wird Corona
                                                                         unser Leben
                                                                         langfristig verändern?
                                                                         UMFRAGE IM SCHLOSSPARK SCHÖNBRUNN
                                                                         Marion Pruckner

Ich bin Familientherapeutin und sehe, dass die Verein-
samung zunimmt. Überkorrektheit, Isolation und Ein-
schränkung der Sozialkontakte führen zu depressiven
Stimmungen. Für Jugendliche ist es eine riesige Her-
ausforderung, sie sind abgeschnitten vom Leben und
es wird zurzeit verstärkt „Jugendbashing“ betrieben.
Social Media & Co ersetzen in keinster Weise Berüh-
rung, Kontakt und direkte Gespräche. Dazu kommt
noch der finanzielle Aspekt. Die massiven Auswirkun-
gen werden uns noch länger begleiten.
Ina Manfredini, 60 Jahre, mit Hund Balu

                                                                                               Ich bin Schüler der Tourismusschule Modul im 19. Es ist
                                                                                            schwierig im Homeschooling, war selbst schon zwei Mal in
                                                                                             Quarantäne. Es fordert mich heraus. Ich glaub, es wird ein
                                                                                           harter Winter werden. Trotzdem sehe ich der Zukunft positiv
                                                                                                            entgegen, es wird sich aber einiges ändern.
                                            Ich hoffe, dass es keine                                                         Matthias Schuch, 20 Jahre
                                        langfristigen Auswirkungen
                                            geben wird, aber das ist
                                        wohl unrealistisch. Ich hoffe,
                                           die Krise wird „nur“ eine
                                              Erinnerung bei meiner
                                         Tochter sein. Derzeit ist die
                                            schulische Entwicklung
                                                   nicht abschätzbar.
                                              Nina Schmidt, 48 Jahre

                                        Wer weiß das schon – wir
                                        haben sowas ja noch nie
                                        gehabt! Die Auswirkungen
                                        sind altersabhängig. Bei
                                        mir wirkt sich das nicht                                                                Ich hoffe, es entwickelt
                                        groß­artig aus. Ich bin Pensi-                                                    sich eine größere Solidarität
                                        onist und muss keine Angst                                                             unter den Altersgruppen.
                                        vor einem Jobverlust haben                                                                   Die Auswirkungen
                                        und kann die meisten                                                               werden langfristige Arbeits-
                                        Sachen machen, die ich                                                               losigkeit und (noch) mehr
                                        mir vorgenommen habe.                                                                       Digitalisierung sein.
                                        Gerhard Engl, 66 Jahre                                                                    Brigitte Elias, 71 Jahre
Gesunde Stadt - Wiener Gesundheitsförderung
Schöne neue
Arbeitswelt?
HOMEOFFICE, DIGITALISIERUNGSSCHUB, KURZARBEIT: DIE CORONA-KRISE HAT DIE
ARBEITSWELT AUF DEN KOPF GESTELLT. DAS BIRGT RISIKEN, ABER AUCH CHANCEN,
DIE SINNVOLL GENUTZT WERDEN KÖNNTEN.                        Sylvia Simanek

SCHWERPUNKTTHEMA: LEBEN MIT UND NACH CORONA

       D
                   ie Maßnahmen zur Eindäm-              „Alle sollten die            Im Allgemeinen befürwortet die arbei-
                   mung der Corona-Pande-                 Freiheit ­haben,            tende Bevölkerung in Österreich,
                   mie haben nicht nur zu Ver-           so zu arbeiten,             gewisse Änderungen beizubehalten,
                                                                                     ­
                   änderungen in der Freizeit,           wie sie es möchten.“         wie mehr Flexibilität und Autonomie
                   im Sozialleben und bei der            Frank Eilers,                in Bezug auf Homeoffice und Arbeits­
                                                                                                                               Fotos: Getty Images, Daniel Mühlebach, BAK/Sebastian Philipp, IBG

                   persönlichen Freiheit ge-             New-Work-Experte             zeiten sowie unbürokratischere Ver-
        führt. Sie haben auch erhebliche Ver-                                         fahren bei Krankenstand und weniger
        änderungen im Arbeitsalltag vieler                                            externe Termine. Das ergab eine Befra-
       Menschen mit sich gebracht. Mit Stammtisch – Zeit gewonnen wurde              gung der Universität Wien zu den
       ­Ex­tremwerten in puncto Homeoffice, und eine Entschleunigung stattfand“,     ­gesellschaftlichen Folgen der Corona-
       Kurzarbeit und Kündigungen. Neue erklärt New-Work-Experte Frank Eilers.        Pandemie, die vom Wiener Wissen-
       Arbeitsformen wurden innerhalb we- „Das ist wie Yin und Yang. Das eine         schafts- und Technologiefonds geför-
        niger Tage umgesetzt und die meisten ­ermöglicht das andere.“ Fakt ist: Im    dert wurde. Allerdings wurde eine
       von uns haben sich erstaunlich schnell Homeoffice ersetzt die elektronische    klare Abgrenzung zwischen Beruf
        angepasst. „Das wurde möglich, weil Kommunikation die Präsenzkultur           und Privatleben und keine verstärkte
       durch das Wegfallen vieler Dinge – der und das persönliche Miteinander.        Kon­trolle durch ArbeitgeberInnen
       Weg zur Arbeit, ins Fitnessstudio, zum Doch so ungewohnt das für viele war:    gewünscht.

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Homeoffice und LehrerInnen-Ersatz:
                                          Das geht auf Dauer nicht gut zusammen.

                                          wesentlich.“ Gerhard Klicka, Ge-
                                          ­                                                    „Die Sozialisolation
                                          schäftsführer von IBG (Innovatives Be-               im Homeoffice ist eine
                                          triebliches Gesundheitsmanagement),                  ernsthafte psychische
                                          sieht die Sozialisolation im Home­                   Bedrohung.“
                                          office als psychische Bedrohung. „Zu-                Gerhard Klicka,
                                          sammenarbeit, Sinnfindung, Erfolgs-                  Geschäftsführer IBG,
                                          erlebnisse und Wertschätzung bleiben                 Innovatives Betriebliches
                                          auf der Strecke.“ Homeoffice sei das                 Gesundheitsmanagement
                                          Gegenteil von Teamarbeit, der soziale
                                          und gesundheitsfördernde Zusam-
                                          menhalt gehe verloren. „Wenn die Rah- Bereichen benach­teiligt: Einkommen,
                                          menbedingungen bei den Arbeitenden Pensionen, Aufstiegschancen, Auftei-
                                          passen, sind aus arbeitspsychologi- lung von bezahlter und unbezahlter
                                          scher Sicht zwei Home­office-Tage pro Arbeit. Corona hat diese Problematik
                                          Woche eine gute Orientierung.“         verstärkt“, so Renate Anderl.

                                           Arbeitszeit. Für Berufe zum Beispiel Flexibilität. Für Frank Eilers sind
                                           im Bereich Gesundheit oder anderen Flexibilität und Querdenken nötig, um
                                           systemrelevanten Berufen ist Homeof- für die berufliche Zukunft – ob als Pri-
                                           fice kein Thema. Sie haben in der Krise vatperson oder als Firma – gerüstet zu
                                           deutlich mehr Arbeitsstunden geleis- sein. „Vielleicht brechen Einkommens-
                                           tet als vor der Pandemie. Sie spüren zweige weg, dafür werden sich andere
                                           noch mehr Leistungsdruck. Die Belas- ent­wickeln. Auf neue Ideen kommen
Regeln fürs Homeoffice. Bei allen          tungen in den Bereichen Pflege, Bil- wir, wenn wir es zulassen, dass Men-
Vorzügen von Homeoffice – wie entfal-      dung und Einzelhandel sind gestiegen, schen anders denken.“ Als Beispiel
lende Anfahrtswege und flexibleres         zeigt eine Umfrage der Arbeiterkam- nennt er Autohersteller, die aktuell
Arbeiten: Es birgt auch Risiken. Für       mer Wien. Mehr als die Hälfte gibt an, Beatmungsgeräte produzieren.
Renate Anderl, Präsidentin der Arbei-      dass dieselbe Arbeitsmenge wie vor
terkammer Wien, ist wichtig, dass es       der Krise jetzt mit weniger Personal er- Fortschrittsbeschleuniger Corona?
freiwillig bleibt. „Es muss klare Rege-    ledigt werde. Im Gegensatz dazu arbei- Wie die Arbeitswelt nach Corona aus-
lungen zum Arbeitnehmerinnen- und          ten ganz allgemein 43 Prozent der sehen wird, ist unklar. „Müssen wir zu-
                                           Menschen jetzt deutlich weniger als rück zu Präsentismus und ,9 to 5‘?“,
            „Corona hat uns                vor dem Lockdown (Stand 08/2020). fragt sich Eilers. „Oder gibt es Wege,
            in puncto Gleichstellung       Und das entspricht dem Wunsch vieler produktiver zu ­arbeiten, und können
            zurück­geworfen.“              Menschen, ergab eine weitere Befra- wir den digitalen Schub dafür nützen?
            Renate Anderl,                 gung der Universität Wien. Mehr als Müssen Meetings 1,5 Stunden dauern
            Präsidentin der                die Hälfte der Vollzeitarbeitenden oder reichen 30 Minuten? Und können
            Arbeiterkammer Wien            wünscht sich eine reduzierte Arbeits- wir uns dafür sinnvolleren Dingen
                                           zeit. Eine Debatte um eine widmen?“ Die C               ­ orona-Krise bietet die
 Arbeitnehmerschutz geben, etwa hin-      ­Arbeitszeitverkürzung, wie sie auch Gelegenheit, über vieles nachzuden-
 sichtlich Arbeitszeit. Und Kranken-       Anderl fordert, ist angesichts der Krise ken und manches auszuprobieren. Für
 stand muss auch im Homeoffice Kran-       wohl unumgänglich.                       Eilers ist klar, dass es eine Einstel-
 kenstand sein.“ Voraussetzung sei                                                  lungssache ist, wie die Zukunft wird:
 auch das Vertrauen der Vorgesetzten,      Frauen haben Nachteile. Viele Frauen Ist das Glas halb voll oder halb leer?
 etwa bei der Arbeitszeitaufzeichnung.     mussten ihre Arbeitszeit wegen Be- „Sehen wir in der aktuellen Situation
„Beschäftigte dürfen nicht 24 Stunden      treuungspflichten verringern. Und im nur das Negative oder können wir
 überwacht werden.“ Sie warnt auch
 davor, Homeoffice zu idealisieren.
 ­
                                           Zuge der Krise haben Frauen öfter ih- Positives daraus mitnehmen?“
                                           ren Job verloren als Männer. „Frauen wien.arbeiterkammer.at, ibg.at,
                                                                                                                         •
„Der soziale Kontakt im Büro ist           waren schon ohne Corona in vielen einfach-eilers.com, univie.ac.at

gesunde stadt – winter 2020
                                                                                                                              11
SCHWERPUNKTTHEMA: LEBEN MIT UND NACH CORONA

Genuss: Zurück
zur Natur
     DIE CORONAKRISE HAT AUCH POSITIVE FOLGEN:
     ES WIRD ÖFTER FRISCH GEKOCHT, AUCH GEMEINSAM
     MIT DEN KINDERN. DIE KÜCHE WIRD ZU EINEM ORT
     FÜR KREATIVITÄT UND GEMEINSCHAFT.                            Wolfgang Wonesch

     A
                    uf Weihnachten freuen ­     sicherzugehen, empfehlen einige
                   sich vor allem jüngere V     ­ irologInnen für die Zeit vor den Feier­
                   Kinder schon ein ganzes tagen eine „Vorquarantäne“, in der die
                   Jahr über: gemeinsam auf Kontakte zu haushaltsfremden
                   den Christkindlmarkt ge­ Menschen minimiert werden.
                   hen, Kinderpunsch trin­
       ken und Langos essen. Dann kommen Verändertes Essverhalten. „Unser
       Oma und Opa zu Besuch und die Eltern ganzes Leben und damit auch unser
       platzieren heimlich die Geschenke Essverhalten hat sich während der
       unter dem Christbaum. Nach der ­Coronakrise verändert“, stellt Jürgen
       ­
     ­Bescherung gibt’s Karpfen oder Gansl, König, Departmentleiter im Institut                          „In Krisensituationen
       für manche gehört auch der Besuch der für Ernährungswissenschaften der                            greifen Menschen
                                                Universität Wien, fest. Für eine Studie                  gerne auf das zurück,
                    „Unser ganzes Leben und     wurden zwischen April und Juli 2020                      von dem sie sicher sind,
                    damit auch unser Essver-     800 Menschen befragt. Dabei stellten                    dass es ihnen schmeckt.“
                    halten hat sich während der die ExpertInnen fest, dass der erste                     Karin Lobner,
                    Coronakrise verändert.“     Lockdown das Essverhalten der Men­                       Ernährungswissenschafterin
                    Jürgen König,               schen teilweise sogar verbessert hat.                    und Psychotherapeutin
                    Departmentleiter             Obst- und Gemüsekonsum sind deut­
                    im Institut für              lich angestiegen, es wurde verstärkt       „­Zurück zur Natur“ auf der Hand:
                    Ernährungswissenschaften     bei regionalen AnbieterInnen einge­         „Man hatte auf einmal die Zeit, Natur­
                    der Universität Wien         kauft. „Die Menschen kochen jetzt            produkte wie Erdäpfel weich zu
                                                ­öfter mit frischen Zutaten“, so König.       kochen und musste nicht auf die
      Christmette dazu. Dieses traditionelle Dadurch wären sie auch offen für bis             Kroketten aus dem Tiefkühler zurück­
      Brauchtum muss im Coronajahr 2020 dato noch unbekannte Produkte. „Des­                  greifen.“
       zwar nicht komplett, aber anders als halb hat es uns auch nicht gewundert,
     gewohnt ausfallen. Wie aber soll man dass die Lieferung von Gemüsekistln               Gemeinsam kochen. Ein weiteres
       feiern, ohne zu feiern? Müssen um rund 30 Prozent angestiegen ist“,                  ­Resultat der Studie: „Zwei Drittel der
      ­Kuscheltiere als Abstand­halter an den so Ernährungswissenschafterin und              von uns befragten Personen haben an­
       Esstisch gesetzt werden? Oder müssen Leiterin der Studie Petra Rust. Für             gegeben, dass sie die Zeit genutzt ha­
       Oma und Opa zu ihrem eigenen Schutz ­Ernährungswissenschafterin Karin                 ben, um mit ihren Kindern zu kochen“,
      sogar ausgeladen werden? Um ganz Lobner liegt der Grund für dieses                     so Rust. Nach dem gemeinsamen Früh­

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Wenn Daheimbleiben die
                                                                                                                                                                     sicherste Wahl ist, bekommt
                                                                                                                                                                        das gemeinsame Kochen
                                                                                                                                                                         einen neuen Stellenwert.

                                                                         stück stand bei Erwachsenen ihre                  „Da die hochwertigen           Mahlzeiten der Schule und des Kinder­
                                                                         ­ rbeit vor dem Bildschirm auf dem
                                                                         A                                                 Mahlzeiten der Schule        gartens mit einem Schlag wegfielen
                                                                         Programm und für Kinder der Lern­                 wegfallen, hat sich            und es für sie daheim keinen gleich­
                                                                         stoff aus der Schule. Zu Mittag traf              für ­einige Kinder die        wertigen Ersatz gab“, so Veronika Mayr.
                                                                          man sich in der Küche – die Erwachse­            Essensqualität                Bei Erwachsenen hat sich der Alkohol­
                                                                          nen machten den Teig, die Kleinen be­            verschlechtert.“               konsum erhöht und auch das Körper­
                                                                          legten die Pizza. Die Küche wurde zu             Veronika Mayr,               gewicht ist bei zwanzig Prozent der in
                                                                         einem Ort der Kreativität und Gemein­             Ernährungsexpertin           der Uni-Wien-Studie befragten Perso­
                                                                         schaft. Dieser Ansatz würde sich auch             in der WiG                     nen angestiegen. Der Grund: Man ver­
                                                                          auf die Ernährungsbildung im All­                                               bringt mehr Zeit daheim, bewegt sich
Fotos: Getty Images, Philipp Schönauer, Alice Schnür, Christine Bauer

                                                                         gemeinen übertragen lassen: Um mehr „Schlau sein – Gesund essen“ wird in        weniger, der Kühlschrank ist jederzeit
                                                                         Bewusstsein für Lebensmittel zu schaf­ Wiener Volksschulen mit Koch- und       ­erreichbar. „Auch der aufgrund von
                                                                          fen, empfehlen ExpertInnen, den The­ Verkostungs-Workshops und bei Mit­       Zukunftsängsten produzierte Stress
                                                                          menbereich Ernährungsbildung in der tagsbuffets das Ernährungswissen der       spielt dabei eine Rolle“, so Lobner.
                                                                         Schule stärker als bisher auszubauen. Kinder – aber auch der Eltern und des     ­Einerseits sollten das Immunsystem
                                                                        „Gesundheitsfördernde Aktivitäten in pädagogischen Personals – gestärkt.         stärkende Nahrungsmittel aufgenom­
                                                                         der Schule fangen im Kleinen wie der                                             men werden, andererseits verlangt ein
                                                                         ­Einführung der ,Gesunden Jause‘ an, Coronaspeck. Die Pandemie brachte         gestresster Körper nach Zucker und
                                                                          können jedoch weit darüber hinaus­ auch Negativeffekte mit sich. „Für          Kohlenhydraten. „Weil in Krisen­
                                                                         gehen“, so Veronika Mayr, Ernährungs­ manche Kinder hat sich die Essenssitu­    situationen Menschen gerne auf das
                                                                         expertin der Wiener Gesundheits­ ation jedoch verschlechtert, da im              zurückgreifen, von dem sie sicher sind,
                                                                          förderung. Im Rahmen des Projekts Lockdown die qualitativ hochwertigen        dass es ihnen schmeckt.“               •
                                                                        gesunde stadt – winter 2020
                                                                                                                                                                                                    13
Warum die Schule
immer Sinn macht
       HOMESCHOOLING ODER GANZ NORMALER UNTERRICHT? RISKIEREN WIR DIE
       GESUNDHEIT UNSERER KINDER UND DAMIT AUCH UNSERE EIGENE, WENN WIR
       SIE IN DIE SCHULE SCHICKEN? EXPERTiNNEN SAGEN NEIN.                             Stephanie Tobeitz

SCHWERPUNKTTHEMA: LEBEN MIT UND NACH CORONA

       G
                  anz versteht die fünfjährige      zeitige Situation rund um das Corona-      Weitergabe weniger wahrscheinlich ist.
                  Marla noch nicht, was es          virus auf kindgerechte Art und Weise       Klar ist: Zeigt ein Kind Krankheitsan-
                  mit dem Coronavirus, von          zu erklären, ist wesentlich“, betont Da-   zeichen, sollte es nicht in den Kinder-
                  dem jetzt alle so viel reden,     niela Cochlár, Abteilungsleitung Wie-      garten oder in die Schule gehen – ob
                  so auf sich hat. Sie weiß nur,    ner Kindergärten. Unsicherheit ist der     nun mit Corona, Grippe oder Mandel-
                  dass es Menschen krank            Nährboden für Ängste und entsteht,         entzündung. Ein Gespräch mit dem
       machen kann und winzig klein ist. Und        wenn Ausnahmesituationen zu wenig          Gesundheits­  telefon 1450 oder der
       sie merkt, dass in ihrem Umfeld viele        besprochen werden. Eine gute Mög-          Symp­ tomchecker im Internet unter
       Personen nervös sind.                        lichkeit, mit den Jüngsten über dieses     coronavirus.wien.gv.at bringt rasche
                                                    Thema ins Gespräch zu kommen, ist          Aufklärung.
       Malen als Kommunikation. Wäh-                im Rahmen von kreativen Aktivitäten
                                                                                                                                         Fotos: Getty Images (2), Irene Nagel-Rohrmoser, Gerhard Schmolke

       rend der Lockdowns wurde zu Hause                                                Lernen auf Distanz. Natürlich: Kin-
                                                    daheim und im Kinder­garten. Cochlár:
       viel gezeichnet. Marla malt gerne ihren     „Damit kann man den ­                der vermissen ihre Schul- und Kinder-
                                                                              Kindern die
       Alltag, ihre F­ amilie und FreundInnen –     wich­tigen Maßnahmen – Abstandhal-  gartenkollegInnen, LehrerInnen den
       sie alle tragen in den Bildern Masken        ten, Maskenpflicht und Hygiene – gutnormalen Unterricht. E   ­ltern sind
       und halten Abstand. „Kindern die der-        und nachhaltig verständlich machen.“durch die Mehrfachbelastung manch-
                                                                                        mal überfordert. Aber Tools über das
                    „Man soll Kindern die       Alle können sich anstecken, aber … Internet helfen bei neuen Lernaufträ-
                    Maßnahmen rund um das       … Umsicht muss an den Tag gelegt gen. Die Bildungsdirektion für Wien
                    Coronavirus altersgerecht   ­werden. Und zwar unabhängig davon, hat bereits 2018 begonnen, einen stadt-
                    erklären.“                  ob Kinder als Superspreader gelten eigenen Bildungsserver aufzubauen.
                    Daniela Cochlár,            oder ob bei Jungen und Gesunden die Dieser stellt eine Sammlung von
                    Leitung Wiener Kindergärten Krankheit mild verläuft und eine Virus- kosten­losen Lernressourcen zur Verfü-

  14
In den Wiener Kindergärten finden zur
                                         Aufarbeitung des Corona-Themas auch
                                         gezielt kreative Aktivitäten statt.

             Schule bringt viel mehr
              als Bildung: Sie fördert
             das soziale Miteinander
                     und macht Spaß.

gung. Auch das Bildungsministerium                     „Erfolgserlebnisse sind       mie und sozialer Eingebundenheit –
und der ORF haben verschiedene Un-                     für Kinder und Jugendliche    besser erfüllt wurden. Diese Kinder und
terrichtsvideos zusammengestellt, die                  wichtige Lernmotivation.“    Jugendlichen waren motivierter als ihre
Distance Learning ermöglichen. Doch                    Christiane Spiel,            KollegInnen, die sich weniger wohlfühl-
bei allem digitalen I­ nput – die mentale              Bildungspsychologin          ten. Motivation ist die Voraussetzung
Gesundheit braucht persön­liche, ana-                                                für lebenslanges erfolgreiches Lernen
loge Auseinander­setzung. „Jugendli- lerInnen weitergeben. Weiter­bildungen          und muss trainiert werden. „Anfangs
che und Kinder benötigen wie Erwach- für LehrerInnen in den Bereichen Digi-          mit kleinen zu bewältigenden Aufga-
sene verschiedene Orte gleichermaßen: talisierung und Vernetzung – unterei­          ben, später, mit gewachsenem Selbstbe-
Lernorte mit Gleichaltrigen, die nander, mit Eltern sowie SchülerInnen –            wusstsein, mit größeren und eventuell
Schule, Orte für die Ruhephase, das werden ausgebaut. Außerdem müssen                mithilfe von Mentorinnen und Mento-
Zuhause, oder Orte zum Auspowern, Kinder Lernerfahrungen sammeln                    ren“, so Psychologin Spiel. Wenn es
Vereine“, so Christiane Spiel, Professo- ­können und herausfinden, wie sie am        nach der Bildungsdirektion für Wien
rin an der Universität Wien, Institut besten schulische Herausforderungen –         geht, soll in den Ferien weiter Gratisun-
für ­Bildungspsychologie. Ausschließ- auch im Distance Learning – meistern.         terricht und laufend Förderunterricht
lich die eigenen vier Wände vor Augen „Lerne ich beim Lautlesen, beim Schrei-       in der Schule oder an externen Standor-
zu haben und dort per Distanz zu ler- ben oder eher im Selbstgespräch? Kann         ten, etwa in Hotelräumen, angeboten
nen, ist auf Dauer zu wenig. Auch über ich mich nach dem Lernen mit einem           werden. Ebenfalls in Planung: das „Por-
den Ausbau der Ganztagsschulen Kinobesuch belohnen? All das sind                    tal Digitale Schule“ – eine digitale Platt-
sollte weiter diskutiert werden, denn Strategien, die möglich sind, aber indi-       form für alle zum Austauschen und
wenn SchülerInnen nach Hause kom- viduell erprobt werden müssen“, sagt              ­Lernen anstelle von zig verschiedenen
men, sollte der Bereich Lernen besten- Spiel. Gerade hat sie eine Studie mit        Tools. Spiel: „Ich kann nur dringend
falls hinter ­ihnen liegen.               25.000 SchülerInnen und StudentInnen      dazu anregen, die Schwächeren zu stär-
                                          zum Lernen unter COVID-19-Bedingun-        ken. Denn ohne gute Aus­bildung ist ein
Selbstorganisation ist gefragt. Die gen durchgeführt. Das Ergebnis: Vor              beruflicher Werdegang schwer. Und
Schule ist aufgefordert zu unterstützen, ­allem Selbstorganisation war gefordert,   was bedeutet das? Noch mehr Arbeits-
damit die neue Generation zwar com- die von jenen besser ­umgesetzt werden           losigkeit, die corona­bedingt sowieso
puterfit ist, aber auch die Grenzen der konnte, die sich individuell wohlge-        schon hoch ist, und eine schwache
digitalen Welt kennt. Lehrpersonen fühlt haben und deren psychologischen
sollten den Diskurs pflegen und unter- Grundbedürfnisse – Erfolgs- und Kom-
                                                                                    Wirtschaft.“
                                                                                    bildung-wien.at,
                                                                                                                            •
schiedliche Lernstrategien an die Schü- petenzerleben, Bedürfnis nach Autono-       lernencovid19.univie.ac.at

gesunde stadt – winter 2020
                                                                                                                                  15
SCHWERPUNKTTHEMA: LEBEN MIT UND NACH CORONA

Wenn Kino und
Partys ausfallen,
zieht es die
Menschen in
die Natur.

Corona nimmt
das Tempo raus
           GESCHLOSSENE SPORTSTÄTTEN, GASTRONOMIE- UND KULTUREINRICHTUNGEN
           SOWIE KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN ZWINGEN DIE MENSCHEN ZU EINER NEUEN
           ART DER FREIZEITGESTALTUNG.                        Sylvia Simanek

         F
                    itnessstudio, Kino, Kaffee­ und Tourismusforschung. „Betreu­                             „Die Umstände sind
                    haus, Party: Selbstverständ­ ungspflichtige Kinder wurden durch                          ideal, wenn man eine
                    liche Freizeitvergnügungen geschlossene Sportvereine vieler Mög­                         ­Lebenspartnerin oder
                    sind seit Corona phasen­ lichkeiten beraubt und alte Menschen,                           einen Lebenspartner sucht.“
                    weise gestrichen. Laut einer in Sorge um die eigene Gesundheit, ha­                     „Sexpertin“ Paula Lambert
                    Umfrage des Meinungsfor­ ben kaum Alternativen.“ Das ist einer
           schungsinstituts Gfk in Deutschland der Gründe, warum es Jung und Alt                  haben das mit einem „Corona-Buddy“ –
           haben sich die Aktivitäten in die eige­ jetzt verstärkt in die Natur zieht – das       etwa einer guten Freundin oder einem
           nen vier Wände verlagert, mit ausmis­ ist erlaubt, sicher und entspannend.             Freund – zum befristeten Zusammen­
                                                                                                  wohnen gelöst. Sogar in puncto Part­
              „Wie wollen wir künftig leben             Neue Prioritäten. Wer weniger Hek­ nerInnensuche gäbe es jetzt Vorteile,
              und was ist wirklich wichtig?“            tik erlebt und Zeit für sich hat, erkennt ist Sex-Expertin und TV-Moderatorin
              Peter Zellmann,                           vielleicht, dass Zeit wichtiger ist als Paula Lambert überzeugt: „Die Um­
              Leiter des Instituts für                  Geld. Zellmann: „Jetzt wäre die Chance, stände sind ideal, wenn man eine Le­
              Freizeit- und Tourismusforschung          darüber nachzudenken, wie man leben benspartnerin oder einen Lebenspart­
                                                        will und was einem wirklich wichtig ner sucht. Vorschlag: Zoom-Dates; und
           ten, heimwerken, Filme schauen. Sozi­        ist. Man könnte viel aus einer Krise jede bzw. jeder darf der bzw. dem ande­
           ale Kontakte werden über Skype und           lernen.“ Aber das tun erfahrungs­ ren etwas mit dem Lieferservice nach
                                                        ­
           Zoom gepflegt und Fitnesstraining            gemäß nur zehn bis 15 Prozent, so der Hause schicken – eine lustige Form,
           erfolgt via Online-Anleitung. Doch
           ­                                            Forscher. „Nachhaltige Veränderungen ­einander kennenzulernen. Studien zei­
           77 Prozent der Befragten wünschen          – etwa mehr Bewegung, mehr Naturer­ gen, dass Beziehungen länger dauern,
                                                                                                                                           Fotos: Getty Images, Privat, Cyroline

           sich, ihre Zeit wieder spontaner gestal­     lebnisse, Entschleunigung – brauchen wenn man erst einmal keinen Sex
           ten zu können und mehr Wahlmög­              mindestens eine Generation.“              hat.“ Man solle die Zeit zum Innehal­
           lichkeiten zu haben. Kinder und alte                                                   ten nützen. Lambert: „Welche Bedürf­
           Menschen haben die Einschränkungen           Single-Haushalte. Unfreiwilliges nisse will ich durch eine Beziehung
           besonders hart getroffen, so Peter Zell­    ­Alleinsein bekommen durch den Rück­ stillen? Die innere Einkehr ist ein toller
           mann, Leiter des Instituts für Freizeit-     zug manche Singles zu spüren. Einige Zeitvertreib.“                           •
    16
SERVICE
TIPPS, BÜCHER UND WEBSITES
Marion Pruckner

                                                                                                   Ist das noch gut oder muss das weg?
                                                                                                                 Tonnen von Lebensmitteln
                                                                                                                 landen im Müll. Lebensmittel­
                                                                                                                 verschwendung muss nicht
                                                                                                                 sein! Anne Iburg bietet in
                                                                                                                 ihrem Buch umfassende Infor­
Lokales Einkaufen                                 landschafftleben.at                              mationen an, wie’s geht: richtige Lagerung,
Unterstützung in der Corona-Krise: Infos zu       Der gemeinnützige Verein bietet Informationen    haltbar machen, verwerten von Resten mit
Wiener Klein- und Mittelunternehmen, die ihre     über Lebensmittel und behandelt Themen wie       Rezepttipps und Infos zu Mindesthaltbar­
Waren und Dienstleistungen anbieten, werden       etwa Lebensmittelverschwendung, Landwirt-        keit und Verderblichkeit von Lebensmitteln.
auf dieser Webseite laufend aktualisiert. Ge-     schaft und Klimawandel, Artenvielfalt, Lebens-   Ist das noch gut oder muss das weg? Alles über
sucht werden kann nach Bezirken oder Bran-        mittelkennzeichnung und vieles mehr. Was         Mindesthaltbarkeit, verdorbene Lebensmittel,
chen. Viele weitere Initiativen wie der Ab-Hof-   bedeutet die Bezeichnung gentechnikfrei,         richtige Lagerung und Resterezepte, Anne
Verkauf und die Zustellung von Wiener             wann hat eine Milchkuh ausgedient oder           Iburg, TOPP im frechverlag, 144 Seiten,
ProduzentInnen, die direkte Lieferung vom         warum ist Kren scharf? Info- und Schulmateri-    ISBN: 978-3-77247-191-9, Buch 15,50 €,
Markt, österreichische Onlineshops oder das       alien sind hier ebenso zu finden wie Podcasts    E-Book 11,99 €, topp-kreativ.de
Reparaturnetzwerk sind hier zu finden.            zu Tierwohl und Ethik, Konsumkompetenz
wien.gv.at/zusammen/einkaufen                     oder Ernährung.                                  Die Corona-Gesellschaft
                                                                                                                Die Pandemie hat die Welt
                                                                                                                momentan fest im Griff.
                                                                                                                Welche langfristigen Auswir­
                                                                                                                kungen sie für die Gesellschaft
                                                                                                                hat, ist Thema des Buchs. Die
                                                                                                    sozial- und kulturwissenschaftliche Sicht­
                                                                                                    weise auf die Pandemie ist wichtig, um
Soforthilfe Wien                                   facebook.com/gesundlebeninwien                   eine Strategie und eine Perspektive für die
Wer sich freiwillig engagieren möchte,            Auf der Facebook-Seite „Gesund leben in Wien“    ­Zukunft zu kultivieren.
kann sich bei der Soforthilfe Wien einfach         bietet die Wiener Gesundheitsförderung nütz­     Die Corona-Gesellschaft. Analysen zur Lage
und unkom­pliziert registrieren. Nach der          liche Informationen und praktische Tipps zu      und Perspektiven für die Zukunft. Hrsg.:
Registrierung bekommen die freiwilligen Hel-      den Themen Bewegung, Ernährung und seeli-         Michael Volkmer, Karin Werner, transcript
ferInnen per SMS oder E-Mail die Information,     sche Gesundheit. Angebote und Aktivitäten in     Verlag, 432 Seiten, ISBN: 978-3-8376-5432-5,
welche ­Organisation derzeit ihre akute Unter-    Schulen, Kindergärten oder SeniorInnenwohn-       Buch 24,50 €, E-Book 21,99 €,
stützung benötigt.                                 häusern werden hier regelmäßig aktualisiert.     transcript-verlag.de
wien.volunteerlife.eu                             ­Informationen zu den mehr als 260 Wiener
                                                  Selbsthilfegruppen sind ebenso zu finden.        Realitätsschock
                                                                                                                  Ist die Welt aus den Fugen
                                                                                                                  geraten? Sascha Lobo analy­
                                                                                                                  siert die Welt und die drasti­
                                                                                                                  schen Veränderungen: von
                                                                                                                  Demokratien, die nach rechts
                                                                                                                  kippen, über den Klimawan­
Kursprogramm online                                                                                 del bis zu Donald Trump und Brexit. Laut
Buntes Online-Programm zum Mitmachen:             awblog.at/ploetzlich-im-homeoffice                Lobo sind die meisten Krisen auf die Digi­
Auf dem Stundenplan der PensionistIn-               Der Jurist Michael Gogola beschreibt im         talisierung und Globalisierung zurückzu­
nenklubs stehen Yoga-, Smovey-, Tanz- und         A&W (Arbeit & Wirtschaft)-Blog von Arbeiter-      führen. Die neueste ­Ausgabe bietet das
Gymnastik-Einheiten. Die Workshops finden           kammer und Gewerkschaft die wichtigsten         Bonuskapitel zum ­Corona-Schock – mit
via „Zoom“, einer Videotelefonie-Plattform,       Aspekte zum Thema Homeoffice: Digitalisie-        gratis E-Book.
statt. Auf der Webseite gibt's eine genaue         rung und Datenschutz, Ausstattung, Arbeits-      Realitätsschock. Zehn Lehren aus der Gegen-
Anleitung zum Herunterzuladen.                    zeit oder allgemeine Rechtsfragen der             wart. Sascha Lobo, Kiepenheuer & Witsch
Infos unter Telefon 01/313 99-170 112.            ­modernen Arbeitswelt. Vor- und Nachteile        ­Verlag, 400 Seiten, ISBN: 987-3-46205-322-7,
pensionistenklubs.at/                              ­sowie rechtliche Herausforderungen von          Hardcover 22,70 €, E-Book 5,99 €,
mitmachen-neues-online-klubprogramm                 Homeoffice werden in den Beiträgen erörtert.    kiwi-verlag.de

gesunde stadt – winter 2020
                                                                                                                                         17
SCHWERPUNKTTHEMA: LEBEN MIT UND NACH CORONA

Bewusst, maßvoll,
nachhaltig
     DER ONLINE-HANDEL ERLEBT NEUE HÖHENFLÜGE.
     GLEICHZEITIG SPIELEN REGIONALITÄT UND
     NACHHALTIGKEIT EINE IMMER WICHTIGERE ROLLE.
     DER VERZICHT AUF LUXUS UND SEICHTE SHOPPING-
     ERLEBNISSE WERDEN POSITIV ERLEBT.                          Urike Krasa

     V
                iele Monate – länger jeden- von zehn wollen überhaupt auf den
                falls, als die meisten von Kauf von Prestige- und Luxusmarken              Bio kommt nach Hause: Nachhaltiger
                uns erwartet haben – leben verzichten. Eine von der Universität            und gesunder Genuss bekommt in
                wir nun bereits mit dem für Bodenkultur durchgeführte Befra-               Krisenzeiten einen höheren Stellenwert.
                Coronavirus. Es beeinflusst gung österreichischer Haushalte nach
                beinahe alle Lebensbereiche. Ende des ersten Lockdowns zeichnet
     Auch unser Konsumverhalten hat sich ein ähnliches Bild: 80 Prozent der Be-
     angepasst. Mit der Pandemie haben fragten h    ­ aben am Rückzug in die eige-
     sich die Prioritäten der Menschen ver- nen vier Wände auch positive Seiten          leben kann. „Dieser Suffizienzgedanke
     schoben. Luxusreisen, Lebensmittel- entdeckt. Von einem „Gefühl von Ent-            wäre auch für die Erreichung der
     verschwendung, Abendessen im schi- schleunigung, geistigem Wohlbefin-               Klimaziele nützlich“, so Riefler und
     cken Restaurant und Shopping als den und finan­zieller Entlastung durch             bestätigt, dass die Hälfte der Befragten
     Freizeitbeschäftigung gehören der Ver- weniger Ausgaben in Freizeit und Un-         sich auch vorstellen kann, in Zukunft
     gangenheit an. Ein Wandel zeichnet terhaltung“ b   ­ erichtet Petra Riefler, Lei-   für die Umwelt den eigenen Konsum
     sich ab. Eine Umfrage des Österreichi- terin des Instituts für Marketing und        zu reduzieren.
     schen Gallup-Instituts im Mai 2020 Innovation der Universität für Boden-
     zeigte bereits einen eindeutigen Trend kultur. Man habe erlebt, dass man            Schub für digital und regional. Ein-
     zu einem neuen Wertesystem: Bewuss- auch mit weniger gut oder sogar besser          käufe wurden eher im Voraus geplant,
     ter, maßvoller und nachhaltiger Kon-
     sum heißt jetzt das neue Leitbild. Acht
     von zehn KonsumentInnen beabsich­
     tigen, stärker auf regionale Herkunft
     der gekauften Produkte zu achten. Für
     zwei Drittel spielen Nachhaltigkeit
                                                                                                                                     Fotos: Getty Images, BOKU, Shutterstock, Florian Wieser

     und Qualität eine größere Rolle, neun

       „Menschen nehmen regionale
       Produkte als krisensicher wahr
                                                 Ich mach’s mir
       und wollen heimische Betriebe
                                                 schön: Heimwerken
       stärken.“
                                                 ist seit Corona
       Petra Riefler,
                                                 ­wieder im Trend.
       Leiterin des Instituts für
       Marketing und Innovation
       der Universität für Bodenkultur

18
mengenmäßig zu Großeinkäufen zu-    nung nach dem ersten Lockdown be-                     „Wer online nicht
 sammengefasst und es wird vermehrt  sonders gut besucht. Die Post vermel-                 vertreten ist, verschließt
 daheim gekocht. Regionale Direktver-dete ein Paketaufkommen ähnlich wie                   sich einer großen Anzahl
 markterInnen verzeichnen höhere Ab- zu Weihnachten. Mit der Möglichkeit                   von Konsumentinnen
 sätze. Genauso wie der Lebensmittel-von Bestellung und Lieferung haben in                 und Konsumenten.“
  Online-Handel – selbst bei mehrerender Krise mehr Haushalte Erfahrungen                  Margarete Gumprecht,
 Tagen Wartezeit auf die Lieferung.  gemacht und ein Teil davon wird dies                  Obfrau der Sparte Handel
„Die Corona-Phase hat einmal mehr    in Zukunft auch nutzen. Dies bedeutet                 der Wirtschaftskammer Wien
                                     nicht nur für den Einzelhandel, son-
 ­bestätigt, wie entscheidend die digi-
                                     dern auch für r­egionale Direktver- Handel habe außerdem einen entschei-
 tale Schlagkraft für die Händlerinnen
  und Händler ist“, weiß Margarete   markterInnen eine Chance. „Eine Rere- denden Vorteil: „Persönliche Beratung
 Gumprecht, Obfrau der Sparte Handel gionalisierung von Einkaufsgewohn- und Einkaufs­erlebnis: Produkte anzu-
 der Wirtschaftskammer Wien, und     heiten, als Reaktion auf die Pandemie, greifen, zu ­riechen und gleich mitzu-
 macht auf ein Problem aufmerksam:   ist sicherlich eine Chance für regionale nehmen, das geht online nicht“, meint
„Mehr als die Hälfte der Online-Um-  Betriebe insgesamt“, so Riefler. Frag- Gumprecht und ortet mit rund 600
                                     lich ist jedoch, ob dieser Trend auch Spezial­geschäften einen neuen Trend:
 sätze fließt derzeit ins Ausland. Kaufen
 Sie regional beim Geschäft ums Eck  nach der Pandemie bestehen bleibt. das Greißler-Comeback.
 oder bei heimischen Onlineshops!“   Schließlich sei das Einkaufsverhalten
 Die Wirtschaftskammer Wien unter-   durch Gewohnheiten, Bequemlichkeit Weniger ist mehr. Vielen wurde im
                                     und einem B
 stützt diese Initiativen, um den Unter-           ­ edürfnis nach Abwechs- Sommer bewusst, dass Zerstreuung
 nehmerInnen Perspektiven zu bieten. lung gekennzeichnet. „Gleichzeitig und Entspannung nicht immer mit
                                     werden Menschen bewusst im statio- Konsum einhergehen muss. Backen,
Fast wie Weihnachten. Renovieren, nären Handel einkaufen, dort, wo das Nähen, Reparieren und Sport helfen
Entrümpeln und Gartenarbeit wurden Einkaufen im Laden einen Mehrwert auch. Der Trend zum Konsumverzicht
intensiv betrieben. Daher waren Bau- hat, den sie im Internet nicht finden“, ist da. Der Trend zum verantwortungs-
märkte in der ersten Phase der Öff- ist sich Riefler sicher. Der stationäre vollen Genuss folgt.                   •
gesunde stadt – winter 2020
                                                                                                                        19
Schwere Prüfung
für die Seele
     DIE CORONA-KRISE WIRKT SICH AUCH AUF DIE PSYCHISCHE GESUNDHEIT AUS.
     BESONDERS BETROFFEN SIND SOZIAL SCHWACHE GRUPPEN UND ÄLTERE
     MENSCHEN.        Martina Stehrer

                                          S
                                                     eit März hat Corona Öster- Krise angeschlagen war, hat sich die
                                                     reich fest im Griff. Zur Situation nochmals verschlechtert.
                                                     Sorge um die eigene Ge- Georg Psota, Leiter des Psychosozia-
      „Die Krise birgt das Risiko für                sundheit gesellten sich mit len Krisenstabs der Stadt Wien und
      Angst- und Zwangserkrankungen                  den Lockdowns Zukunfts- Chefarzt der Psychosozialen Dienste
      sowie Depressionen. Nehmen                     ängste, Depressionen und in Wien, betont: „Soziale Faktoren
      Sie sich bewusst Zeit für sich,     Einsamkeit. Eine im Frühjahr vom ­haben enormen Einfluss auf die psy-
      reduzieren Sie Stress und Tempo.“   Meinungsforschungsinstitut SORA chische Gesundheit. Gerade in einer
      Georg Psota,                        durchgeführte repräsentative Studie Großstadt wie Wien bekommen wir
      Chefarzt der Psychosozialen         im Auftrag der Psychosozialen die Auswirkungen sozialer Ungleich-
      Dienste Wien                        Dienste bestätigt: Bei mehr als einem heit stark zu spüren. Das Schließen
                                          Viertel der WienerInnen hat sich die der Risikoschere zwischen Arm und
                                          psychische Gesundheit während der Reich muss daher im Zentrum der
                                                                                                                       Fotos: Getty Images (2), PSD-Wien, Sol Haring

                                          Corona-Krise verschlechtert. Beson- Maßnahmen gegen die psychosozia-
                                          ders betroffen waren Menschen, die len Folgen der Corona-Pandemie ste-
                                          an Corona erkrankt waren, sich in ei- hen.“ Als Beispiele nennt Psota etwa
                                          ner schwierigen finanziellen Situation Kindern zum Lernen einen Laptop zur
                                          befinden und/oder in beengten Wohn- Verfügung zu stellen oder finanzielle
                                          verhältnissen leben. Bei mehr als der Zuwendungen für Arbeitsuchende
                                          Hälfte der WienerInnen, deren psy- ­beziehungsweise Mindestsicherungs-
                                          chische Gesundheit schon vor der bezieherInnen.

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