WLP news - Wiener Landesverband für ...

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WLP news - Wiener Landesverband für ...
WLPnews
 2 I 2010    Zeitschrift des Wiener Landesverbandes für Psychotherapie

 Psychotherapie
      für Kinder
und Jugendliche

 WLPWiener Landesverband für Psychotherapie              www.psychotherapie.at/wlp
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                                                        2 I 2010

                                                        Editorial   2

                                                                    u
                                                        Brief der stv. Vorsitzenden   3
                                                                                      u
                                                  u4    Stand und Perspektiven der psychotherapeutischen Versorgung
                                                        für Kinder und Jugendliche in Österreich

                                                        Eltern – Kleinkind – Therapie bei Regulationsstörungen   u8
                                                   10
                                                   u    Die Erlebnis- und Erfahrungswelt unserer Kinder
                                                            Bericht der 3. Internationalen Fachtagung für klienten-/person-
                                                            zentrierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

                                                   11 Buchrezension I
                                                  u

                                                            Kinder psychisch kranker Eltern

                                                        Von der Trauer zur psychischen Erkrankung      12

                                                                                                       u
                                                            „Ein Wegweiser für Trauernde“

                                                        PsySoMed Tagung „Für immer jung?“         14

                                                                                                  u
                                                           Ankündigung des BLP

                                                   15   Tag der Seelischen Gesundheit
                                                  u

                                                        Dialogtreffen der Fachspezifika
                                                        „Seeliges Wien“ NEU

                                                        Aktuelles aus den Bezirken       16
                                                            Berichte, Termine
                                                                                         u
                                                                                          18
                                                        Einrichtungen stellen sich vor
                                                            Verein P.A.S.S.
                                                                                              u
                                                   20   Buchrezension II
                                                  u u

                                                           Neue Bindungen wagen

                                                   21 Informationsecke
Impressum:                                                  Unsere neuen Mitglieder
Medieninhaber und Herausgeber:                              NEU: WLP-Plakate
Wiener Landesverband für Psychotherapie WLP
ZVR Nummer: 910346914
DVR Nummer: 3003139
Löwengasse 3/5/6, 1030 Wien
T: ++43.1.890 8000
                                                  u
                                                  22    Pin-Board
                                                            Veranstaltungskalender
F: ++43.1.512 70 90-44
E: wlp@psychotherapie.at                                    Inserate
www.psychotherapie.at/wlp

Chefredakteur: Dr. Hermann Spielhofer
Redaktion: Leonore Lerch, Dr. Gerhard Pawlowsky
                                                  u
                                                  23    Das WLP-Team
                                                            WLP-Vorstand
Anzeigen: Mag.a (FH) Michaela Napier
Grafische Gestaltung: Mag.a Gisela Scheubmayr/              LFO-Delegierte
www.subgrafik.at
Coverfoto: © iStockphoto                                    Informationsstelle, Beschwerdestelle, Projekte
Druck: Remaprint, 1160 Wien
Auflage: 1.000 Stück
                                                            Rechnungsprüferinnen
Verlagspostamt: 1010 Wien
WLP NEWS
2

Editorial
                                                                 Präsidentin des ÖBVP, die sowohl als Psychologin an der
                                                                 heilpädagogischen Station der Univ. Kinderklinik Wien tätig
                                                                 war, wie auch an der Heilpädagogischen Station in der Hin-
                                                                 terbrühl und eine Lehrtätigkeit im Bereich der Sozial- und
                                                                 Sonderpädagogik ausgeübt hat, gibt in ihrem Beitrag einen
                                                                 Überblick über den „Stand und Perspektiven der psycho-
                                                                 therapeutischen Versorgung für Kinder- und Jugendliche in
                                                                 Österreich“. Darin werden die Bedarfszahlen für psychothe-
Liebe Kolleginnen und Kollegen!                                  rapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen auf-
                                                                 gezeigt und dem geringen Angebot an entsprechenden The-
Derzeit wird ein vom Bundesministerium für Wirtschaft,           rapieplätzen gegenübergestellt. Außerdem werden in diesem
Familie und Jugend ausgearbeiteter Entwurf für ein neues         Beitrag die Maßnahmen aufgelistet, die für eine Verbesse-
„Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2010 (B-KJHG 2010)“        rung der Situation notwendig sind.
beraten, bei dem es darum geht, die angemessene Entfaltung       Agnes Salomon berichtet in ihrem Artikel über Belastungen
und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu fördern.         der Eltern-Kind-Beziehung, die nicht primär durch die psy-
Dazu sollen neben einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit     chischen Probleme der Eltern entstehen, sondern durch frühe
vor allem die Eltern und Familien gefördert und unterstützt      „Regulationsstörungen“ des Kindes. Diese äußern sich in
werden, damit diese ihren Aufgaben bei der Erziehung bes-        Schlafschwierigkeiten, Hyperaktivität, exzessivem Schreien,
ser gerecht werden können.                                       Essproblemen u. dgl. und bedeuten meist eine enorme
Auf der anderen Seite kommt es im Rahmen der gegenwärtig         Belastung der Eltern, die bis zu einer posttraumatischen
noch immer vorherrschenden Wirtschafts- und Finanzkrise          Belastungsreaktion reichen kann. Die Autorin führt mögliche
vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich zu Einsparun-        Ursachen an und beschreibt entsprechende psychothera-
gen und Kürzungen. Dies betrifft nicht zuletzt auch die          peutische Interventionen, die zur Stützung der Eltern und zur
von Armut bedrohten oder bereits betroffenen Kinder und           Mobilisierung von Ressourcen beitragen sollen.
Jugendlichen. Derzeit leben über eine Viertelmillion Kin-             Gerhard Pawlowsky berichtet von einer internationalen
der und Jugendliche an oder unter der Armutsgrenze                       Tagung über Person-/Klientenzentrierte Kinderthe-
und etwa hunderttausend von ihnen befinden sich                             rapie, die am 24. und 25. April in Wien unter dem
in einer manifesten Armutslage – Tendenz stei-                                   Titel, „Die Erlebnis- und Erfahrungswelt unse-
gend.                                                                           rer Kinder“ stattfand hat. Dabei haben eine
Dies bedeutet für die Betroffenen nicht nur ge-                            Reihe von anerkannten Fachleuten aus dem deut-
sundheitliche Probleme durch ungünstige Wohn- und                       schen Sprachraum unterschiedliche Ansätze und
Lebensbedingungen wie Schlafstörungen, Nervosität,                   Forschungsergebnisse der Anwendung der Person-/Klien-
Übergewicht durch Fehlernährung usw., sondern auch ge-           tenzentrierten Psychotherapie bei verschiedenen Störungs-
ringere Lern- und Berufschancen. Außerdem werden sie so-         bildern bei Kindern vorgestellt und diskutiert. Außerdem
wohl medizinisch wie auch psychologisch schlechter betreut,      stellen wir in diesem Heft zum Thema „Kinder- und Jugend-
und bei Störungen oder Verhaltensauffälligkeiten werden          psychotherapie“ zwei Bücher vorgestellt.
später Maßnahmen ergriffen, wodurch Chancen auf erfolg-
reiche Behandlung reduziert werden, sofern überhaupt             Unter der Rubrik „Einrichtungen stellen sich vor“ wird über
Therapieplätze zur Verfügung stehen. Vor allem hier gälte es     den Verein P.A.S.S. berichtet, der sich mit der Betreuung und
anzusetzen, da Armut erwiesenermaßen das größte Gesund-          Behandlung von Suchtkranken beschäftigt. Es geht dabei um
heitsrisiko darstellt. Allerdings ist aufgrund der Erfahrungen   eine nachhaltige Betreuung und Behandlung, bei der neben
mit der Diskussion um die Mindestsicherung, die immer            der medizinischen und psychischen Betreuung auch das so-
wieder hinausgeschoben und deren Leistungen immer mehr           ziale Umfeld und insbesondere die Angehörigen einbezogen
gekürzt wurden, auch hinsichtlich des Kinder- und Jugend-        werden. Neu ist das Angebot für Kinder von Suchtkranken.
hilfegesetzes Skepsis angebracht und es ist wichtig, die
weitere Entwicklung zu beobachten und auf die Umsetzung          Vor 20 Jahren, am 7. Juni 1990, ist das Psychotherapiegesetz
zu drängen.                                                      vom Nationalrat beschlossen worden. Damit wurde Psycho-
                                                                 therapie erstmals als eigenständige, von der ärztlichen Tätig-
Das vorliegende Heft befasst sich aus diesem Anlass mit der      keit unabhängige, Disziplin anerkannt und auch die Aus-
Situation der Kinder und Jugendlichen hinsichtlich psycho-       übung auf eine rechtliche Basis gestellt (bis dahin durften nur
therapeutischer Behandlungsmöglichkeiten. Eva Mückstein,         ÄrztInnen Psychotherapie ausüben und alle übrigen ausge-
2 I 2010
                                                                                                                               3

bildeten PsychotherapeutInnen konnten offiziell nur unter        tungskatalog der Krankenkasse endlich verwirklicht werden,
dem Titel „psychologische Beratung“ tätig werden). Außer-        auch wenn dies derzeit unter dem „Diktat der leeren Kassen“
dem wurde im Sinne des Konsumentenschutzes die Aus-              schwierig erscheint. Aber wie aus mehreren Studien hervor-
bildung gesetzlich geregelt, um einen gewissen Standard zu       geht, sind die Folgekosten mangelnder psychotherapeuti-
gewährleisten. Es ist dem Engagement des damaligen Ge-           scher Versorgung aufgrund von vermehrten Krankenhaus-
sundheitsministers, Ing. Harald Ettl, zu verdanken, dass die-    aufenthalten, Krankenständen, Frühpensionierungen usw.
ses Gesetz, trotz Widerstand aus der Ärzteschaft, nach jah-                        wesentlich höher als die Kosten für Psy-
relangen zähen Verhandlungen beschlossen werden konnte.                            chotherapie. u
Nun muss es weiterhin darum gehen, die Position der Psy-
chotherapie im Rahmen des Gesundheitswesens zu stärken
und dafür zu kämpfen, dass die bereits 1992 in der 50. ASVG                                             Hermann Spielhofer
                                                                                                          für das Redaktionsteam
Novelle festgeschrieben Gleichstellung der Psychotherapie
mit der ärztlichen Tätigkeit und die Aufnahme in den Leis-

Brief der stv. Vorsitzenden
Liebe Kolleginnen und Kollegen,            Mag.a Sonja Ramskogler gegründete           gesehen, die brisanten Zukunftsthemen
                                           „Plattform für psychosoziale Gesund-        der Fachspezifka im Kreis der Aus-
                                           heit in Wien“ als Forum, das durch die      bildungsleiterInnen zur Diskussion zu
20 Jahre Psychotherapiegesetz in Öster-
                                           Vernetzung und den Zusammenschluss          bringen und darüber in Austausch zu
reich – ein Meilenstein in der Gesund-
                                           der in Wien maßgeblichen Einrichtun-        treten. Daher gibt es am 29. September
heitsversorgung, Best-Practice-Modell
                                           gen eine stärkere Lobby für Menschen        ein Dialogtreffen der Fachspezifika in
in der EU – Das ist ein Grund zum Fei-
                                           mit psychischen Erkrankungen schaf-         Wien, auf dem die Zielsetzungen für
ern!
                                           fen könnte. Das 2. Plattformtreffen fand    die Zukunft diskutiert und erarbeitet
Der ÖBVP begeht dieses Jubiläum am
                                           am 19. Mai mit über 50 AkteurInnen          werden. Auf diesem Treffen wird auch
12. November 2010 im Rahmen der
                                           statt. Ein weiteres Treffen ist für         die Neukonzeption der Veranstaltung
Festveranstaltung „20 Jahre Psycho-
                                           22. September geplant.                      „Seeliges Wien“ geplant, die der WLP
therapiegesetz“. Alle KollegInnen sind
                                                                                       von 2002 bis 2007 mit großem Erfolg
herzlich eingeladen mitzufeiern!           Anlässlich des internationalen World
                                                                                       organisiert hat, und die im Frühjahr
                                           Mental Health wirkt der WLP auch
                                                                                       2011 wieder stattfinden soll.
Obwohl durch das Gesetz eine bessere       heuer wieder mit beim „Tag der seeli-
psychotherapeutische Versorgung er-        schen Gesundheit“, der am 3. Septem-        Über die Landesversammlung sowie
reicht werden konnte, gibt es noch viel    ber im Wiener Rathaus stattfindet. Wir      die erstmals in Wien stattgefundene
zu tun: Erhöhung der Kostenzuschüsse,      freuen uns, wenn wieder zahlreiche          Briefwahl berichten wir ausführlich in
Gesamtvertrag, Ausbau des Behand-          KollegInnen die Psychotherapeutische        unserer kommenden Ausgabe.
lungsangebots in Institutionen, Erhö-      Beratung an unserem Informations-
                                                                                       Wir wünschen allen KollegInnen einen
hung der Anzahl an Therapieplätzen für     stand übernehmen. Ausbildungsverei-
                                                                                       schönen (und hoffentlich noch sonni-
Kinder und Jugendliche, Ausweitung         nen bieten wir die Möglichkeit, ihre Psy-
                                                                                       gen) Sommer sowie einen erholsamen
der Therapieangebote für Menschen          chotherapiemethode im Rahmen unse-
                                                                                                        Urlaub! u
mit Migrationshintergrund (mutter-         res Infostandes vorzustellen. Bei In-
sprachliche Therapie sowie Therapie        teresse ersuchen wir in beiden Fällen
mit DolmetcherIn) u.v.m. …                 um Kontaktaufnahme bis 30.7.2010 im
                                           WLP Büro.                                                          Leonore Lerch
Diese Ziele kann der WLP bzw. ÖBVP
                                                                                                                 stv. Vorsitzende
nicht alleine erreichen. Hier entwickelt   Im Ausbildungs- und Methodenforum
sich die von der Landtagsabgeordneten      des ÖBVP wurde dringender Bedarf

                                                                                          www.psychotherapie.at/wlp
WLP NEWS
      4

                   Stand und Perspektiven der psycho-
                   therapeutischen Versorgung für
                   Kinder- und Jugendliche in Österreich
                   Eva Mückstein

      Ausgangslage                               kann ein Kostenzuschuss in der Höhe      sundheitsberichterstattung in Österreich
                                                 von 21,80 Euro angesprochen werden.      zur psychischen Gesundheit/Krankheit
uuu   Die psychotherapeutische Behandlung        Der Kostenzuschuss stagniert seit 1992   weist auch der Kontrollamtsbericht
      ist der ärztlichen Tätigkeit gleichge-     und wurde von den Krankenkassen seit-    2008/2009 für Wien darauf hin, dass die
      stellt und seit 1. Jänner 1992 im Allge-   her weder erhöht noch indexangepasst.    Datenerhebung aufgrund inhomogener
      meinen Sozialversicherungsgesetz (50.      Parallel zur Einrichtung der Psycho-     Datenerfassung nicht vergleichbar und
      ASVG-Novelle) als Pflichtleistung der      therapiekontingente wurden von den       daher in Bezug auf Planungserforder-
      Krankenkassen aufgenommen. Alle, die       Kassen Psychotherapieverträge auch       nisse nicht aussagekräftig ist.
      es brauchen, sollen seelische Heilbe-      mit psychosozialen Einrichtungen (Ca-
      handlung durch PsychotherapeutInnen        ritas, Hilfswerk, möwe, Boje etc.) ab-   Epidemiologie und Indikation
      erhalten können. Im ASVG ist für die       geschlossen.                             zur Psychotherapie bei Kinder-
      psychotherapeutische Versorgung ein                                                 und Jugendlichen
      Gesamtvertrag analog zur ärztlichen        Problem fehlendes
      Versorgung (Kassenärzte und Wahl-          Datenmaterial                            Statistisch gesehen leiden rund 15–20 %
      ärzte) vorgesehen.                                                                  der Kinder und Jugendlichen in Euro-

  „
      Mangels Gesamtvertrag etablierten die      Es gibt in Österreich keine umfassende   pa an psychischen Erkrankungen, die
      Krankenkassen beginnend mit 1997           und zentrale Datenerfassung im Zu-       einschränkend wirken und daher als
      „private Versorgungsvereine“, die in der   sammenhang mit psychischen Erkran-       krankheitswertig und behandlungsbe-
      Übergangszeit bis zum Abschluss ei-        kungen. Unsere Überlegungen und Be-      dürftig zu bezeichnen sind (Quelle:
      nes Gesamtvertrages Sachleistungs-         rechnungen beruhen vorwiegend auf        WHO 2005, Kinder- und Jugendsurvey
      vorsorge sicherstellen sollen. Die kas-    den Ergebnissen internationaler, euro-   in D, ÖBIG 2002). Auf Basis des heuti-

                                                                                                                   “
          Statistisch gesehen leiden rund 15–20 % der Kinder und
          Jugendlichen in Europa an psychischen Erkrankungen …
      senfinanzierte Psychotherapie ist stark    päischer und insbesondere deutscher      gen Wissens über Ätiologie, therapeu-
      kontingentiert und unterliegt in den       und schweizer Studien. Aus der Sicht     tische Beeinflussbarkeit und Verlauf
      Bundesländern unterschiedlichen Re-        des ÖBVP wäre daher vorrangig und        von psychischen Störungen kann davon
      gelungen. Die Kontingente an kassen-       dringend die politikbezogene Erfassung   ausgegangen werden, dass das Gros
      finanzierten Behandlungseinheiten de-      und Analyse von (Verwaltungs-)Daten      der psychischen Störungen erfolgreich
      cken etwa 10 Prozent des Bedarfs ab        im Bereich des Gesundheitswesens         psychotherapeutisch behandelbar ist.
      und sind in einigen Bundesländern oft      zu fordern. Nur so kann sich eine auf    (Mattejat, 2004; Schmidt, M.H. 2004).
      schon in der ersten Jahreshälfte aus-      Wissen basierende Gesundheitspolitik     Auf spezifische Risiken in Bezug auf die
      geschöpft. Für alle anderen Psychothe-     und Gesundheitsplanung etablieren.       psychische Gesundheit von Kindern und
      rapien im niedergelassenen Bereich         Exemplarisch für die mangelnde Ge-       Jugendlichen in Österreich weist bei-
2 I 2010
                                                                                                                                    5

spielsweise der Bericht der OECD (Or-       rungen spät, stationär und teuer be-           derzeit nicht konsensfähig. Das ÖBIG
ganisation für wirtschaftliche Zusam-       handelt.“                                      schlägt in seiner Studie 2007 eine Be-
menarbeit und Entwicklung) 2009 hin.        Die empirische Literatur belegt, dass          darfsfestlegung in der Bandbreite zwi-
Besorgniserregend sei laut OECD etwa        die Nicht-Durchführung bzw. Nicht-             schen 0,6 % und 2,1 % vor.
der exzessive Alkoholkonsum von Ju-         Miteinschließung von Psychotherapie            Der ÖBVP ging deshalb bei seinen
gendlichen, der in Österreich über-         in das Versorgungssystem teuer sein            aktuellen Berechnungen davon aus,
durchschnittlich verbreitet zu sein         kann. Den Milliardenkosten (geschätzt          dass in einem ersten Ausbauschritt
scheint. Einen überdurchschnittlichen       2,8 Mrd. Euro laut AK; Arbeiterkam-            zu-mindest 1 % der Kinder- und Ju-
Wert stellte die OECD zudem bei der         mer, Juli 2008, http://www.arbeiter-           gendlichen psychotherapeutische Be-
Sterblichkeitsrate fest, die bei den 15-    kammer.at/online/studie-krankma-               handlung erhalten soll.
bis 19-jährigen Burschen im Vergleich       cher-und-was-sie-45771.html), die in           Laut ÖBIG-Studie 2007 behandeln etwa
zu Deutschland um 40 Prozent höher          Österreich von psychischen Störungen           1.100 PsychotherapeutInnen auch Kin-
liegt. Ein Mitgrund dafür sei das Risiko-
verhalten der männlichen Jugendlichen        Altersgruppe              Österreich            Bedarf 5 %            Bedarf 1 %
und die vergleichsweise hohe Selbst-
                                             0–4                          399.215                 19.961                  3.992
mordrate in dieser Altersspanne. Laut
der Studie weist Österreich nach Neu-        5–9                          423.263                 21.163                  4.233
seeland, Finnland, Norwegen, Kanada          10 – 14                      481.429                 24.071                  4.814
und Irland die höchste Selbstmordrate
                                             15 – 18                      370.087                 18.504                  3.701
unter den 15- bis 19-jährigen aus.
Auch Mobbing in der Schule erweist                                      1.673.994                 83.699                16.740
sich als ein spezifisch österreichisches
                                            Bevölkerung im Jahresdurchschnitt 2006 (Statistik Austria: Bevölkerungsdaten aktuell)
Problem. Während im OECD-Schnitt elf
Prozent angeben, kürzlich gemobbt
worden zu sein, liegt dieser Wert in        jährlich verursacht werden, stehen             der und Jugendliche im Rahmen der
Österreich mit 16 Prozent deutlich da-      Aufwendungen der Kassen für Psycho-            freien Praxis oder einer Institution. Es
rüber.                                      therapie von rund 45 Millionen Euro ge-        ist jedoch nicht bekannt in welchem
                                            genüber.                                       zeitlichen Ausmaß sie dies tun. Etwa
Volkswirtschaftliche Kosten                                                                12,5 % der PsychotherapeutInnen ge-
                                            Bedarf an Psychotherapie,                      ben Spezialisierungen auf Kinder, etwa
Psychische Störungen gehören zu den         Behandlungsangebote und                        18 % auf Jugendliche an. Ein Bedarf
größten Kostenverursachern im Ge-           Versorgungsgrad                                von 1 % der Bevölkerung würde etwa
sundheitswesen. Dabei lässt sich in                                                        1.500 VollzeitpsychotherapeutInnen er-
den Industriestaaten einschließlich         Die psychotherapeutische Behandlung            fordern, die auf dem Gebiet der Kinder-
Deutschland und der Schweiz ein Trend       ist bei psychischen Erkrankungen nicht         und Jugendlichenpsychotherapie spe-
zur Zunahme der Kosten aufgrund psy-        nur eine – mittlerweile über jeden ver-        zialisiert sind. Dieses Angebotsvolumen
chischer Störungen beobachten. Der          nünftigen Zweifel hinaus belegte –             wird derzeit nicht erreicht.
aktuelle Stand der Forschung zu den         wirksame Behandlungsmethode, ihr               Aufgrund fehlender Daten greift das
gesundheitsökonomischen Aspekten            wird auch von den Betroffenen in ho-           ÖBIG in seiner Studie 2007 in Bezug auf
wird etwa in Margraf, Kosten und Nut-       hem Ausmaß vertraut und von den Pa-            die Inanspruchnahme von Psychothe-
zen der Psychotherapie, Springer 2009       tientInnen ein sehr gutes Zeugnis aus-         rapie durch Kinder und Jugendliche
aufgearbeitet. Psychische Störungen         gestellt.                                      bzw. deren Familien auf eine Studie
sind wiederkehrend und chronifizieren,      Die Metaanalysen internationaler Stu-          zur ambulanten Versorgung von 1997 (!)
wenn sie unbehandelt bleiben (vgl. auch     dien des ÖBIG (2002) sprechen dafür,           zurück. Danach sind Kinder unter zehn
Baltesberger & Grawe, 2001). Margraf        dass der Bedarf an psychotherapeuti-           Jahren im Vergleich zur übrigen Psy-
fasst die epidemiologischen Daten, v. a.    scher Behandlung zwischen 2,1 % und            chotherapieklientel wesentlich unter-
der Angststörungen und Depressionen,        5 % der Bevölkerung liegt. Das sind            repräsentiert. Bezogen auf die Bevölke-
mit den Kostendaten in Deutschland          jene Personen, die krankheitswertige           rung kommen laut ÖBIG schätzungs-
und der Schweiz mit dem Merksatz            psychische Störungen aufweisen und             weise 0,4 Prozent der Kinder und Ju-
zusammen: „Statt früh, ambulant und         zur Behandlung motiviert wären. Diese          gendlichen bis zum vollendeten 19.
kostengünstig werden psychische Stö-        Bedarfsschätzung scheint in Österreich         Lebensjahr in den Genuss einer Psy-

                                                                                              www.psychotherapie.at/wlp
WLP NEWS
6

                                           Der Wiener Kontrollamtsbericht 2008/      u Möglichst frühzeitig einsetzende um-
                                           2009, der in einigen Wiener Institutio-     fassende psychotherapeutische und
                                           nen Wartezeiten für Kinderpsychothe-        soziale Hilfe.
                                           rapie erhebt, ergibt durchschnittliche
                                                                                     u Vernetzung verschiedener Versor-
                                           Wartezeiten von über einem Jahr. Man-
                                                                                       gungsbereiche, Multiprofessionali-
                                           che Institutionen haben wegen Über-
                                                                                       tät, multidisziplinäre Zusammenar-
                                           lastung und mangelndem Angebot so-
                                                                                       beit fördern: Integrierte kinderpädia-
                                           gar Aufnahmesperren ausgesprochen.
                                                                                       trische, kinderpsychiatrische, psy-
                                           Die Erhebungen des Schweizer Ge-
                                                                                       chotherapeutische, psychologische
                                           sundheitsobservatoriums legen nahe,
                                                                                       und soziale Versorgung.
                                           dass Personen mit psychischen Stö-
                                           rungen zu 2/3 ambulante Behandlung        u Qualitätssicherung: Der ÖBVP hat für
                                           und zu 1/3 stationäre Behandlung auf-       die Weiterbildung in Säuglings-, Kin-
                                           suchen.                                     der- und Jugendlichenpsychothera-
                                                                                       pie Qualitätsstandards erarbeitet.

                                           Perspektiven, Maßnahmen und               u Angebote für Kinder mit Multimor-
                                           Entwicklungserfordernisse                   bidität und schwersten Beeinträch-

„
                                                                                       tigungen, vor allem aus sozial be-
chotherapie. Aus der Sicht des ÖBVP        u Zentrale Erfassung und Analyse von        nachteiligten Schichten, sind derzeit
erscheint aber auch diese Schätzung          Daten für den Bereich psychische          noch nicht in ausreichendem Aus-
noch wesentlich überhöht. Bezogen auf        Gesundheit.                               maß vorhanden.
die geschätzte Personenanzahl, die         u Ausweitung der quantitativen Ver-       u Im Rahmen des „Nationalen Aktions-
sich aktuell in Psychotherapie befindet,     sorgung durch einen Gesamtvertrag         plans für die Rechte von Kindern und

    Gute Zugänglichkeit und Niederschwelligkeit ohne geographische,

                                                                                                              “
    soziale und finanzielle Barrieren muss erreicht werden .
würde ein Anteil von 13,5 Prozent an         für Psychotherapie auf zumindest          Jugendlichen“ der Österreichischen
Kindern und Jugendlichen (Schätzung          1 % der Kinder und Jugendlichen in        Bundesregierung wurde ein „Kinder-
ÖBIG 2007) 5.845 Personen ausma-             Österreich.                               gesundheitsplan des BMG“ erstellt.
chen, das sind etwa 0,3 % der Kinder                                                   Dieser enthält Vorschläge zur sozial-
                                           u Gute Zugänglichkeit und Nieder-
und Jugendlichen in Österreich.                                                        pädiatrischen (sozialpsychiatrischen)
                                             schwelligkeit ohne geographische,
                                             soziale oder finanzielle Barrieren        Versorgung von Kindern und Jugend-
Stationäre, institutionelle,                 muss erreicht werden. Der ÖBVP hat        lichen. Darin ist auch die psychothe-
sozial-psychiatrische und                    für den ambulanten Bereich ein            rapeutische Behandlung als Versor-
ambulante Angebote, die psy-                 Best-Practice-Modell vorgelegt, das       gungsangebot erwähnt. Eine genaue
chotherapeutische Behandlung                 davon ausgeht, dass 50 % der psy-         Problemanalyse für diesen Bereich
und Beratung für Kinder und                  chotherapiebedürftigen Kinder und         fehlt jedoch. Bei der Erstellung von
Jugendliche und deren Ange-                  Jugendlichen nach diagnostischen          Versorgungs- und Gesundheitsplä-
hörige beinhalten:                           Kriterien (Schwere der Beeinträchti-      nen wäre künftig die Einbeziehung
                                             gung) Sachleistungsvorsorge (vollfi-      aller Professionen, die Gesundheits-
Auch dazu gibt es in Österreich keine
                                             nanzierte Psychotherapie) und 50 %        leistungen anbieten, zu fordern.
zentrale Datenerfassung und daher
auch keine aussagekräftige Daten-            Kostenerstattung in der Höhe von        u Der ÖBVP schließt sich der Initiative
grundlage. Selbst die Anzahl der Kinder      etwa 40 Euro pro Behandlungsein-          der politischen Kindermedizin nach
und Jugendlichen, die im institutionel-      heit, anstatt bisher nur einen Zu-        kostenfreien Therapien für Kinder
len und im ambulanten Bereich kas-           schuss von Euro 21,80 erhalten.           und Jugendliche an. Derzeit wird bei
senfinanzierte oder bezuschusste Psy-      u Ausbau der stationären und institu-       den ambulanten Kindertherapien von
chotherapie erhalten, ist nicht bekannt.     tionellen Versorgung.                     den Krankenkassen meist nur teil-
2 I 2010
                                                                                                                                                               7

                     weise Kostenbeteiligung geleistet.       würde fraglos in vielen Fällen nicht nur       den. Das sollte garantieren, dass die
                     Das führt dazu, dass sich viele Fami-    eine Alternative zur psychopharmako-           psychopharmakologische Behandlung
                     lien die für die weitere gesunde Ent-    logischen Behandlung darstellen, son-          nicht leichtfertig und nicht unnötig er-
                     wicklung ihrer Kinder und Jugend-        dern sie wäre, da in der Psychotherapie        folgt. u
                     lichen notwendigen Therapien nicht       grundlegend an der Problemanalyse,
                     leisten können.                          -bewältigung und Verbesserung der              Literatur:
                                                                                                             Baltesberger, B.C. & Grawe, K. (2001). Psychothe-
                                                              Entwicklungsbedingungen eines Kin-
                                                                                                              rapie unter gesundheitsökonomischem Aspekt.
                                                              des gearbeitet wird, auch aus Gründen
                   Psychopharmaka-Konsum                                                                      In: Zeitschrift für Klinische Psyhologie und Psy-
                                                              der Nachhaltigkeit sowie aus ethischen          chotherapie, 30 (1), 10–21,
                   bei Kindern und Jugendlichen
                                                              Gesichtspunkten vorzuziehen. In man-
                   und Alternativen                                                                          Margraf, J. (2009). Kosten und Nutzen der Psy-
                                                              chen Fällen ist die psychopharmakolo-           chotherapie. Eine kritische Literaturauswertung.
                   Laut Hauptverband der Sozialversiche-      gische Behandlung unverzichtbar und             Springer, Berlin

                   rungsträger sind die Verschreibungen       tatsächlich indiziert. In diesen Fällen        Mattejat, F. (2004). Perspektiven einer entwick-
                   für Antidepressiva für die Altersgruppe    kann die psychotherapeutische Pa-               lungsorientierten Psychotherapie. In: Mattejat, F.;
                                                                                                              Lehmkuhl, U. & Lehmkuhl G. (Hrsg.), Frühe psy-
                   von 5 bis 19 Jahren vom Jahr 2006 auf      rallelbehandlung die medikamentöse
                                                                                                              chische Störungen und ihre Behandlung. Van-
                   das Jahr 2007 um 11.461 gestiegen,         Behandlung abkürzen. Alle Kinder und            denhoeck & Ruprecht, Göttingen
                   auch im Bereich der Anxiolytika (Tran-     Jugendliche, die mit Psychopharmaka
                                                                                                             ÖBIG (2007). Ambulante psychotherapeutische Ver-
                   quilizer) ist in dieser Altersgruppe ein   behandelt werden, sollten künftig ver-          sorgung in Österreich. Wien
                   Anstieg innerhalb eines Jahres um          pflichtend sowohl einer kinderpsychi-
                                                                                                             Schmidt, M.H. (2004). Verlauf psychischer Störun-
                   1.916 Verschreibungen zu verzeichnen.      atrischen als auch einer psychothera-           gen bei Kindern und Jugendlichen. In: Deutsches
                   Die psychotherapeutische Behandlung        peutischen Abklärung zugeführt wer-             Ärzteblatt 101, 38.
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                                                                                                                                   !
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                               " ( 32 455 36 61

                                                                                                                 www.psychotherapie.at/wlp
WLP NEWS
      8

                                                                                                                         Illustrationen: Karin Isopp
                  ELTERN – KLEINKIND – THERAPIE
                  bei Regulationsstörungen
                  Agnes Salomon

                                                Mit jedem Menschen ist etwas Neues in die Welt gesetzt,
                                                was es noch nicht gegeben hat,
uuu   D  urch neuere Untersuchungsmetho-
                                                etwas Erstes und Einziges.
                                                                                                    Martin Buber, 1934
      den ist seit den 70er Jahren experi-
      mentell belegt, wie bereits ein Säug-
      ling seine Welt wahrnimmt – nämlich
      sehr viel ganzheitlicher, einheitlicher
      und koordinierter, als man sich dies in
      früheren Theorien1 vorgestellt hat, die
      aus der bloßen Rekonstruktion patho-
      logischen Verhaltens bei Erwachsenen
      entstanden.

      Durch die (auch pränatale) Säuglings-
      beobachtung wissen wir, dass Babies
      bereits vor der Geburt Geräusche und
      Licht wahrnehmen, sie können schlu-
      cken, schmecken, lächeln, sie entwi-
      ckeln bevorzugte Körperpositionen und
      spielen mit der Nabelschnur.
      Ein Baby ist also kein passiver Emp-
      fänger externer Stimuli, sondern viel-
      mehr ein Lebewesen, dass sein Selbst
      auf seine persönliche Eigenart kon-
      struiert und dies bereits während sei-
      nes intrauterinen Lebens.

      Der Bedarf einer besseren emotionalen
      Versorgung in der frühen Kindheit war
      erkannt und führte (forschungs- und
      bindungstheoretisch gestützt) zu einem
      regelrechten Boom auf dem Gebiet der
      Säuglings- und Kleinkind-Interventio-
      nen – „Schreiambulanzen“ entstanden
      und präventive Programme wie z.B.
      „B.A.S.E. ® Babywatching“ oder „SAFE –
      Sichere Ausbildung für Eltern “.
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                                                                                                                                         9

Für die hier vorliegende Kurzdarstel-         einerseits Probleme, die zuerst auf     u die Stärkung der Intuition (z. B. durch
lung werden die sogenannten frühkind-         einem Verdacht beruhen, der in der         Differenzierung „Was fühle ich, ist
lichen Regulationsstörungen heraus-           Folge durch weitere Untersuchun-           richtig für mein Baby“ versus „Was
gegriffen, da sie als häufiger Zuwei-         gen bestätigt wird;                        sagen Andere/Ratgeber sei das
sungsgrund aufscheinen bzw. diesbe-           andererseits die psychosomatischen         Beste“)
züglich betroffene Eltern professionelle      Folgen eines nicht-bestätigten Ver-
                                                                                      u Hilfe zur Selbsthilfe durch Zentrie-
Hilfe suchen. Es sind hierbei Auffällig-      dachts oder einer unsensiblen Wort-
                                                                                         rung und Erdung (Körperübungen,
keiten in den Bereichen Schlafen, Füt-        wahl/Weitergabe medizinischer Halb-
                                                                                         Atemschulung) und
tern und Untröstlichkeit („Schreibabies“)     informationen durch Pflegepersonal
gemeint.                                      oder Ärzte selbst.                      u Ressourcenarbeit (z. B. Auffinden von
Durch das spezielle Verhalten oder                                                       bisher ungenützten Unterstützungs-
                                            u einer schwierigen Geburt: wie Kai-
Temperament des Kindes kommt eine                                                        möglichkeiten und persönlichen
                                              serschnitt, sehr lange Wehen, Saug-
enorme Belastung auch auf jene Eltern                                                    Kraftquellen).
                                              glocken- oder Zangengeburt
zu, die vorerst über ausreichende in-
nerpsychische und soziale Ressourcen        Weiters kann die Intaktheit der Eltern-   Solche Art früher Intervention zeigt eine
verfügen. In der Folge sind individuelle    Kind-Beziehung beeinträchtigt sein        große Wirkkraft – aus persönlicher Er-
Bewältigungsmechanismen erschöpft           durch:                                    fahrung sind meist 3 – 5 Sitzungen aus-
und es gilt präventiv sekundären psy-       u eine frühe Trennung von Mutter und      reichend, um für eine Familie eine ge-
chischen Beeinträchtigungen vorzu-            Kind (z. B. durch notwendigen Auf-      wünschte Verbesserung zu erzielen3.
bauen.                                        enthalt des Kindes auf einer Inten-     Dazu trägt sicherlich die hohe Motiva-
Es geht hier also nicht primär um die         sivstation oder einem weiteren sta-     tion durch den aktuellen Leidensdruck
Gefährdung einer sicheren Bindung             tionären Aufenthalt der Mutter)         und die große Veränderungsbereit-
durch eine vorbelastete Entwicklungs-       u hohe Erwartungen seitens der Mut-       schaft der KlientInnen bei, aber natür-
geschichte der Eltern (und ihr dadurch        ter – Diskrepanz zwischen Wunsch-       lich auch die angeborenen, selbstregu-
vorgeprägtes Bindungs- und Fürsorge-          vorstellung und Realität: z. B. Spon-   latorischen Anpassungsfähigkeiten des
verhalten), sondern um das Stützen und        tangeburt versus Kaiserschnitt, ru-     Kindes und der Eltern, die oft nur einen
Begleiten der gesamten Familie in             higes Baby versus untröstliches         kleinen „therapeutischen Anstoß“ be-
einer akut belastenden Situation, die         Baby, Harmonie zu dritt versus Paar-    nötigen, um wieder auf dem Weg zur
bis zu Symptomen einer posttrauma-            krise und Überforderung                 Selbstheilung zu sein. u
tischen Belastungsreaktion führen kann
                                            u wenig, keine oder falsche Unterstüt-                                  Agnes Salomon
(was sich dann wiederum auf die
                                              zung durch Partner und Familie
Eltern-Kind-Beziehung und die emo-
                                                                                      Psychotherapeutin (IG), Klinische Psychologin und
tionale und kognitive Entwicklung des       u Themenkreis Rollenfindung (vom          Gesundheitspsychologin, ehem. Mitarbeiterin der
Kindes auswirken könnte).                     Paar zur Elternschaft, Identität als    Nachsorgeambulanz für Frühgeborene (NSA), der
                                              Mutter/Vater)                           Heilpädagogischen Station der Kinderklinik des
Die erwähnten Verhaltensauffälligkei-                                                 Allgemeinen Krankenhauses (AKH) in Wien und
                                            u Unsicherheiten bezüglich den Be-        im G. v. Preyer‘schen Kinderspital auf der Intensiv-,
ten des Kleinkindes (wie exzessives                                                   der Frühgeburten-Station und der dortigen Baby-
                                              dürfnisse des Babys versus den
Schreien, Irritierbarkeit, Schlafschwie-                                              Care-Ambulanz; in freier Praxis seit 2002
                                              eigenen Bedürfnissen und
rigkeiten, Essprobleme, Ängstlichkeit,
Hyperaktivität oder Zurückgezogenheit)      u Psychosomatische Beschwerden des
                                                                                      1 Siehe z. B. Begriffe in der Psychoanalyse wie
können Folgen sein von:                       Kindes (wie Koliken, Durchfall, Hau-      „Autismus“, wobei gemeint war, dass ein bis zu
u Vorgeburtlichen Traumen2: z. B. eine        tekzeme …)                                2 Monate altes Baby sich selbst genüge, oder
                                                                                        „Symbiose“, wonach ab dem 2. Monat das Kind
   ungewollte Konzeption, Familienkri-
                                            Psychotherapeutische Interventionen         eine Dyade mit seiner Mutter bilde, ohne Unter-
   sen (Trennung, Todesfälle, Krank-                                                    scheidung von Innen und Außen (M. Mahler „Die
                                            gehen auf oben genannte Punkte ein
   heiten, finanzielle Not, Krankheiten                                                 psychische Geburt des Menschen“ 1999).
                                            und achten dabei besonders auf
   oder Vergiftungen der Mutter), kör-                                                2 Diese und weitere Nennungen von möglichen
                                            u die Förderung des „Gewahrseins“ –
   perlicher oder sexueller Missbrauch,                                                 Ursachen sind weder vollständig noch als not-
                                              die eigene Wahrnehmung und die            wendigerweise traumatisch anzusehen.
   Wunsch nach Abtreibung, vorgeburt-
                                              des Kindes betreffend – mit Ziel ei-
   licher Tod eines Zwillings;                                                        3 Wo eine vorbelastete Entwicklungsgeschichte
                                              nes (wenn notwendig) verbesserten
                                                                                        der Eltern / eines Elternteil vorliegt, gestaltet
u Medizinischen Komplikationen in der         Kontakt- und Kommunikationsver-           sich die psychotherapeutische Arbeit naturge-
  Schwangerschaft:                            haltens zwischen Elternteil und Kind      mäß umfassender.

                                                                                          www.psychotherapie.at/wlp
WLP NEWS
      10

                  Die Erlebnis- und Erfahrungswelt
                  unserer Kinder
                  Bericht der 3. Internationalen Fachtagung für klienten-/
                  personzentrierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

                                                                                                                                   Foto: Robert Religa
                  Gerhard Pawlowsky

uuu   A   m 24. und 25. April 2010 trafen in    Hochschule Berlin, die unter dem
      Wien über 200 personzentrierte Psy-       Thema „Neue Bindungen wagen“ zum
      chotherapeutInnen und BeraterInnen        Trauma, zur Bindung und zur Behand-
      aus dem deutschsprachigen Raum zu         lung der Kinder- und Jugendlichenpsy-       Kind, ein emotional instabiler Ju-
      einer Fachtagung für klienten- und per-   chotherapie bei sexueller Traumatisie-      gendlicher oder sei es auch eine Fa-
      sonzentrierter Kinder- und Jugendli-      rung sprach.                                milie mit einem psychosomatisch
      chentherapie zusammen, die von APG        Dazwischen lagen insgesamt 20 Vor-          erkrankten Kind.
      mit den Sektionen Forum und IPS,          träge und Workshops, deren Themen
      ÖGWG und VRP organisiert wurde.           von Forschungen und ihren Ergebnis-
                                                                                          u Der Blick reicht nun vom behandel-
                                                                                            ten Kind oder Jugendlichen nicht nur
      Die Tagung – die dritte internationale    sen über die Anwendung personenzen-
                                                                                            zur Familie, sondern auch in Über-
      Veranstaltung nach einer Tagung 2007      trierter Psychotherapie bei verschiede-
                                                                                            legungen, Pilotprojekte und Modelle
      in Stuttgart und 2008 in Potsdam – war    nen Störungsbildern bis zu präventiven
                                                                                            zur Prävention oder frühzeitigen
      umrahmt von zwei Vorträgen. In einem      Modellen reichte.
                                                                                            Erkennung von Störungsumwelten
      Eröffnungsvortrag zum Thema „Wach-        Professor Stefan Schmidtchen, der seit
                                                                                            hinein.
      sen und sich Verändern“ legte Michael     über 20 Jahren zu Themen der Kinder-
      Behr, Fachhochschule Schwäbisch-          und Jugendlichenpsychotherapie ver-       Die Tagung – ergänzt durch unzählige
      Gmünd, einen neuen Entwurf zum Pro-       öffentlicht, wurde mit dem erstmals       Gespräche in den Pausen und ein fest-
      zess der Wahrnehmung und zur Bil-         verliehenen Virginia-Axline-Preis für     liches Rahmenprogramm mit Musik,
      dung des Selbst in der Symbolisierung     seine Beiträge geehrt.                    Gesang und Tanz – machte Mut darauf,
      auf neuropsychologischer Ebene vor;       Zwei Tendenzen waren in dieser Tagung     sich mit neuem Engagement auf die
      ein Beitrag, der sowohl die Verände-      durchgehend spürbar:                      emotional berührende und manchmal
      rungen in der Therapie wie die Bildung    u Jede klienten- bzw. personenzen-        auch anstrengende Arbeit mit Kindern
      der Strukturen des Selbstkonzepts in         trierte psychotherapeutische Arbeit    und Jugendlichen einzulassen.
      den ersten Lebensjahren beschrieb.           beruht auf der Entwicklung einer       Die Hauptvorträge sind unter
      Am Ende der Tagung stand ein ermuti-         Beziehung zum Klienten, sei es ein     „http://members.chello.at/consult-
      gender Vortrag von Silke Gahleitner,         misshandeltes oder autistisches        wakolbinger/kindertherapietagung-
                                                                                                               WIEN.at“
      Vortragende und Workshop-LeiterInnen:     Bettina Jenny, Bubikon
                                                                                                               abrufbar.
                                                Stephan Jürgens-Jahnert, Wetter
      Michael Behr, Stuttgart                   Margret Katsivelaris, Wien                                     Ein Tagungs-
      Silke Birgitta Gahleitner, Berlin         Iris Marchart-Fasching, Tulln                                  band wurde für
      Else Döring, Gelnhausen                   Christiane Monden-Engelhardt, Eschborn                         2011 angekün-
      Christian Fehringer, Wien                 Gerd Naderer, Gmunden
                                                                                                               digt. Die Folge-
      Klaus Fröhlich-Gildhoff, Freiburg         Gerhard Pawlowsky, Wien
                                                Chantal Résibois-Kemp, Hellange
                                                                                                               tagung wird,
      Andrea Hammer, Wien
      Curd Michael Hockel, München              Klaus Riedel, Bielefeld                                        vermutlich 2012,
      Theresia Hollerer, Wien                   Werner Wascher, Linz                                           in der Schweiz
      Dagmar Hölldampf, Schwäbisch Gmünd        Sabine Schlippe-Weinberger, Erbendorf                          stattfinden. u
      Dorothea Hüsson, Ostfildern               Kerstin Zebiri, Zeuthen
2 I 2010
                                                                                                                                   11

      Buchrezension I

      Albert Lenz: Kinder psychisch kranker Eltern
      Hogrefe 2005

uuu   D   as Erleben und die Schicksale der       Das Buch ist eine Fundgrube an For-        Kommunikation, sei es mit Großeltern,
      Kinder von Eltern, die unter psychi-        schungsergebnissen. Davon einige he-       mit Kindern / Jugendlichen mit einem
      schen Beeinträchtigungen leiden, wer-       rausgegriffen, stoßen wir auf Befunde,     ähnlichen Erfahrungshintergrund, oder
      den neuerdings häufiger aufgegriffen.       die uns aus der Erwachsenentherapie –      auch in einer Psychotherapie.
      Es beginnt sich ein Gesamtblick auf die     Jahre später – durchaus geläufig sind:
      Familie zu etablieren, in der ein Fami-     u Kinder spüren beginnende psychi-         Wer soll dieses Buch lesen? Jede/r Kin-
      lienmitglied nicht fit ist. Hat die Fami-      sche Beeinträchtigungen eines El-       der- und Jugendlichenpsychotherapeu-
      lientherapie das System Familie, die           ternteils als Rückzug aus der Be-       tIn. Es ist leicht zu lesen, obwohl es
      Symptomträger und das Leiden der               ziehung, oder, wenn sich die Beein-     einen hohen wissenschaftlichen An-
      ganzen Familie schon lange untersucht,         trächtigungen in elterlichem Streit     spruch hat. Nicht selten stehen Schwie-
      so werden nun die Auswirkungen der             zeigen, als Loyalitätskonflikte,        rigkeiten von Kindern ja auch im Zu-
      psychischen Krankheit von Eltern auf        u Gefühle von Angst und Verlassenheit      sammenhang mit Beeinträchtigungen
      ihre Kinder in den Blick genommen.            verstärken sich, wenn ein Elternteil     der Eltern. Daher kann man es auch
      Dies steht im Zusammenhang mit wei-           in die Klinik muss,                      allen PsychotherapeutInnen mit einem
      tergehenden Fragen einer chronischen                                                   genetischen Therapieansatz empfeh-
                                                  u und: bei Kindern im Schulalter bis
      Krankheit in der Familie oder auch der                                                 len, soll heißen: in deren Therapie die
                                                    nach der Pubertät treten Schuld-
      Auswirkungen einer Behinderung ei-                                                     Kindheit und Familie eine Rolle spielen.
                                                    gefühle auf, an der Erkrankung der
      nes Kindes auf Geschwister und Eltern.                                                 Auch in dieser Thematik erfahrene Psy-
                                                    Mutter oder des Vaters beteiligt (ge-
      Albert Lenz, Professor für klinische                                                   chotherapeutInnen werden in diesem
                                                    wesen) zu sein.
      Psychologie und Sozialpsychologie an                                                   Buch Neues finden. u
      einer Fachhochschule in Nordrhein-          Kinder suchen, wie Erwachsene, nach                          Gerhard Pawlowsky
      Westfalen, gibt in diesem Buch einen        subjektiven Erklärungen für das Uner-
      umfassenden Überblick über die Me-          klärliche im Verhalten der Eltern. Sol-
      thoden und Ergebnisse der Risiko-           che Erklärungsmuster können auf be-
      forschung, der Resilienz- und Bewälti-      lastende Lebensereignisse hinweisen,
                                                                                                               Preis: Euro 30.80
      gungsforschung und der Vulnerabili-         sie können somatischer Natur sein,                           Seiten: 227
      tätsforschung.                              oder auch auf familiären Zusammen-                           Auflage: 2005
                                                  hängen beruhen. Die meisten Bewäl-                           Verlag: Hogrefe
      Die Risikoforschung versucht Gruppen                                                                     ISBN 13:
                                                  tigungsstrategien bauen auf diesen                           978-3-8017-1872-5
      mit hohem Erkrankungsrisiko zu er-          Erklärungsmustern auf, wobei hier zwi-
      fassen und zu beschreiben, die Resi-        schen passiv-vermeidenden und kon-
      lienzforschung fragt danach, warum          struktiv-bearbeitenden Strategien un-
      manche Personen trotz hoher Belas-          terschieden werden kann.
      tungen gesund bleiben und andere, die
      unter vergleichbarer Belastung stehen,      Manche Kinder können nur den Rück-
      psychisch krank werden. Die Vulnera-        zug ins Alleinsein wählen, besonders
      bilitätsforschung versucht, durch die       wenn die psychische Erkrankung der
      Erfassung von frühen Anzeichen psy-         Mutter / des Vaters sehr mit Schamge-
      chischer Erkrankungen der Kinder            fühlen oder mit einem familiären Tabu
      Ansätze für präventive Maßnahmen zu         besetzt ist. Grundsätzlich hilfreich ist
      finden.                                     dagegen Information, Austausch oder

                                                                                                www.psychotherapie.at/wlp
WLP NEWS
      12

                  Von der Trauer zur
                  psychischen Erkrankung
                  Leonore Lerch

uuu   D   as Wort „trauern“ (mittelhoch-         fühlen. Es gibt keine „genormte“ Trau-      Bedrohung des eigenen Lebens oder
      deutsch „truren“) bedeutet „den Kopf       erreaktion. Trauer wird individuell und     des Lebens anderer Menschen bein-
      sinken lassen, Augen niederschlagen,       sehr verschieden erlebt.                    haltet und in der weder Flucht noch
      Achtsamkeit nach innen richten“. Unter                                                 Kampf möglich sind. Plötzliche Todes-
      Trauer versteht man seelische und kör-     ForscherInnen schätzen, dass ca. 20 %       fälle durch Unfälle, Gewaltverbrechen,
      perliche Reaktionen sowie Verhaltens-      aller Trauernden eine erschwerte Trau-      Selbsttötung, technologische Desaster
      weisen, die nach dem Tod eines nahe-       erreaktion aufweisen. Laut Statistik        (z. B. Zugunglück od. Flugzeugabsturz),
      stehenden Menschen auftreten können.       Austria betrug in Österreich 2009 die       Naturkatastrophen, Krieg und Kriegs-
      Sie werden beeinflusst von den per-        vorläufige Anzahl der Sterbefälle 75.629    folgen, sind für die Hinterbliebenen
      sönlichen Einstellungen zum Tod, von       (Wien 15.629). Wenn jede/r Verstorbene      in der Regel schwerer zu betrauern
      kulturellen bzw. religiösen Vorstellun-    im Durchschnitt vier Trauernde zurück-      als Todesfälle, denen eine Vorwarnung
      gen und dem Umgang des sozialen Um-        lässt, käme man auf ca. 60.500 Men-         oder Vorbereitungszeit (z. B. durch
      felds mit Trauer und Tod.                  schen (Wien ca. 12.500), die jährlich       Krankheit) vorausging. Traumatische
                                                 unter einer erschwerten Trauerreak-         Aspekte des Todes können die Trauer-
      Trauer ist keine Krankheit, sondern        tion leiden (vgl. Shear et al., 2005). Es   arbeit erschweren oder verhindern und
      eine angemessene Reaktion auf einen        sind also nicht wenige Menschen, die        die Symptome intensivieren, die für je-
      erlebten Verlust. Sie ergreift den gan-    professionelle Hilfe bei der Verarbei-      den der beiden Bereiche typisch sind
      zen Menschen. Nichts ist mehr, wie es      tung ihrer Trauer benötigen würden,         (vgl. Kathleen O. Nader, 1997). So lösen
      war. Der Tod zerreißt Beziehungen und      vor allem, wenn man die gesundheitli-       Gedanken an die verstorbene Person
      stellt die Identität in Frage. Manche      chen Beeinträchtigungen bedenkt, die        oftmals Flashbacks aus. Auch können
      Menschen setzen sich verstärkt mit dem     als Reaktion auf den Tod eines nahe-        Gefühle von posttraumatischer Ent-
      eigenen Leben und Tod auseinander.         stehenden Menschen auftreten können:        fremdung und Einsamkeit den Trauer-
      Trauer ist ein Teil des Abschieds von      u.a. Angst- und Depressionserkrankun-       prozess belasten.
      einem Menschen, der für die eigene         gen, Belastungsstörungen, Suchter-
      Existenz eine wichtige, oft zentrale Be-   krankungen, erhöhte Suizidrate und          Trauer um Kinder – Trauer
      deutung hat und trägt zur Verarbeitung     ganz allgemein eine erhöhte Sterblich-      bei Kindern
      des Verlusts bei. Zu den mit Trauer ver-   keit (Silverman et al., 2000). Ob es sich
      bundenen Gefühlen gehören Verlas-          bei der erschwerten Trauer (auch be-        In Österreich starben laut Statistik Aus-
      senheit, Einsamkeit, Hilflosigkeit, Be-    zeichnet als pathologische, kompli-         tria 2008 insgesamt 698 Kinder und
      klemmung, Wut, Angst, Schuldgefühle,       zierte oder traumatische Trauer) um         Jugendliche vor Erreichen des 20. Le-
      Zorn, aber auch Gefühllosigkeit und Er-    ein eigenes Krankheitsbild handelt, ist     bensjahres – 287 Kinder vor dem ersten
      leichterung (z. B. bei Tod nach schwerer   umstritten.                                 Lebensjahr während der Schwanger-
      Krankheit). Körperlich kann sich Trauer                                                schaft, an Komplikationen bei der Ge-
      in Müdigkeit, Schlafstörungen, Über-       Trauer und Trauma                           burt, Fehlbildungen oder durch plötz-
      empfindlichkeit gegen Lärm, Muskel-                                                    lichen Kindstod. Allein 325 von 411 Kin-
      schwäche, Magenschmerzen, Atemnot,         Trauma wird als ein Ereignis defininiert,   dern und Jugendlichen starben zwi-
      Schüttelfrost uvm. äußern. Trauer be-      in dem ein Mensch plötzlich in eine         schen dem 1. und 20. Lebensjahr durch
      deutet nicht zwingend, sich traurig zu     Situation gerät, die eine existenzielle     Unfälle und Verletzungen. Weitere To-
2 I 2009
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desursachen: Krankheit, Drogenmiss-             Situation schwerer verbalisieren,            nach dem Tod einer Bezugsperson
brauch, Selbsttötung und Gewaltver-             sind oft „sprachlos“ und können sich         besonders wichtig („Wer sorgt für
brechen.                                        nicht so leicht Unterstützung holen          mich?“). u
Der Tod eines Kindes stürzt Eltern, Ge-         wie Erwachsene. Sie sind häufig da-
schwister und sonstige Hinterbliebene           rauf angewiesen, was ihnen von den        Literaturangaben:
meist in eine persönliche und familiäre         Erwachsenen „gesagt“ wird.                Ennulat, G. (1998). Kinder in ihrer Trauer begleiten.
Krise. Aus Untersuchungen geht her-                                                         Ein Leitfaden für Erzieherinnen. Herder, Frei-
                                              u Kinder verfügen über weniger Wis-           burg.
vor, dass verwaiste Eltern eine be-
                                                sen und Verständnis bezüglich des
sonders gefährdete Gruppe unter den                                                       Lothrop, H. (1998). Gute Hoffnung, jähes Ende –
                                                Todes. Je nach Alter und Entwick-           Fehlgeburt, Totgeburt und Verluste in der frühen
Trauernden darstellen. Das soziale Um-
                                                lungsstand machen sich Kinder völ-          Lebenszeit, Kösel, München.
feld steht der Situation meist hilflos ge-
                                                lig unterschiedliche Vorstellungen        Nader, K. O. (1997). The Interaction of Trauma and
genüber. Die Familien fühlen sich häu-
                                                vom Tod. Es fällt ihnen schwer, die         Grief. In: Figley et. al. Death and Trauma. Wa-
fig unverstanden und reagieren mit                                                          shington & London.
                                                Endgültigkeit und Universalität des
Rückzug. Für die zurückbleibenden Ge-                                                     Riedler-Singer, R. (1998). Angesichts des Todes.
                                                Todes zu begreifen.
schwisterkinder stellt der Verlust des                                                       Trauerarbeit im Systemischen Kontext. In:
Bruders oder der Schwester meist eine         u Gefühle und Gefühlsregungen sind             Brandl-Nebehay, A. et.al. (Hrsg.): Systemische
                                                                                             Familientherapie. Grundlagen, Methoden und
große Belastung dar. Häufig bleiben sie         nicht so konstant wie bei Erwachse-          aktuelle Trends. Facultas, Wien.
in ihrem Schmerz jedoch ungenügend              nen. Kinder leben mehr in der Ge-
                                                                                          Rothmann, J. C. (1998). Wenn ein Kind gestorben
beachtet. Nicht selten fühlen sie sich          genwart. Beim Spielen und Lachen            ist – Trauerbegleiter für verwaiste Eltern. Her-
am Tod ihres Geschwisters unbewusst             „vergessen“ sie vorübergehend Trau-         der, Freiburg.
schuldig. Auch erleben sie die Reaktio-         er und Schmerz. Sie äußern Wut und        Shear, K.; Frank, E.; Houck, P.R.; Reynolds, C.F.
nen der Erwachsenen, die selbst von             Zorn als Reaktion auf den Verlust           (2005). Treatment Of Complicated Grief. A Ran-
                                                                                            domised Controlled Trial. In: The Journal of the
Trauer überwältigt sind, mitunter als           direkter.
                                                                                            American Medical Association, Jg. 2005, Vol.
verunsichernd und unverständlich.                                                           293, S. 2601–2608
                                              u Häufig erfolgt eine erneute Aus-
                                                einandersetzung und Beschäftigung         Silverman, G.K.; Jacobs, S.C.; Kasl, S.V.; Shear,
Grundsätzlich durchlaufen Kinder und                                                         M.K.; Maciejewski, P.K.; Noaghiul, F.S.; Priger-
                                                mit dem Tod in späteren Entwick-             son, H.G. (2000). Quality Of Life Impairments
Jugendliche ähnliche Trauerprozesse
                                                lungsstufen.                                 Associated With Diagnostic Criteria For Trau-
wie Erwachsene, dennoch gibt es Un-
                                                                                             matic Grief. In: Psychological Medicine, Jg. 2000,
terschiede:                                   u Die Alltagsroutine und Sicherstel-           Vol.30, S. 857–862
u Kinder und Jugendliche können ihre            lung alltäglicher Bedürfnisse sind

„Ein Wegweiser für Trauernde“
Die Bestattung Wien GmbH hat als größtes österreichisches           Die Kontaktdaten aller KollegInnen mit dem
Bestattungsunternehmen gemeinsam mit dem Wiener Landes-             Arbeitsschwerpunkt „Tod, Trauerbeglei-
verband für Psychotherapie einen Wegweiser für Trauernde            tung“, die sich auf unsere Anfragen ge-
herausgegeben, den künftig alle KundInnen der Bestattung Wien       meldet haben, werden im Rahmen der
gratis bekommen.                                                    Informationsstelle des WLP weiterge-
In der 24-seitigen Broschüre ist kurz und verständlich alles zu-    geben.
sammengefasst, was Betroffene über Trauer wissen sollten. Die       Eine Liste dieser KollegInnen ist auch
erste Auflage von 5.000 Stück wurde bereits an Interessierte        als Online-Version auf unserer Website
weitergeleitet.                                                     www.psychotherapie.at/wlp abrufbar.
Obwohl das Angebot der Zusammenarbeit mit der Bestattung
                                                                    Pressemeldungen:
Wien sehr kurzfristig an uns herangetragen wurde – zwischen
                                                                    Neuer Ratgeber für Trauernde. ORF.at
dem Erstkontakt und dem Druck der Broschüre lagen weniger als
drei Wochen – freut es uns, dass die Gestaltung in dieser anspre-   Trauer, die krank macht. derStandard.at
chenden und informativen Weise gelungen ist und wir dazu bei-
                                                                    Bestattung Wien und Wiener PsychotherapeutInnen
tragen konnten, gesellschaftlich tabuisierte Themen wie „Tod und
                                                                    präsentieren ... APA OTS
Trauer“ aufzugreifen.
Herzlichen Dank an Dr.in Renate Riedler-Singer für die fachliche    Neue Infobroschüre – Psychotherapeuten und Bestattung
Unterstützung.                                                      helfen bei ... Krone.at

                                                                                              www.psychotherapie.at/wlp
WLP NEWS
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        Ankündigung des BLP

        PsySoMed Tagung
        Samstag, 9. Oktober 2010, 9.45 –15.45, Haus der Begegnung Eisenstadt

u u u Der Burgenländische Landesverband für Psychotherapie gibt           Gewalt und Aggression gegen ältere Menschen.
        Ihnen jetzt schon den Termin für die diesjährige PsySoMed         Dr. Josef Hörl, Univ. Professor für Gerontologie und
        Tagung bekannt, damit Sie ihn bei Interesse rechtzeitig in Ihre   Soziologie Wien
        Planung miteinbeziehen können:
                                                                          Tabuisierung von Intimität und Sexualität im Alter.
         Tagungsthema:                                                    Dr. Doris Bach, Klinische- und Gesundheitspsychologin,
                                                                          Psychotherapeutin, Wien
             Für immer jung?
             Alterszufriedenheit in einer                                 Mentale Gesundheit als Basis für Lebenszufriedenheit im
                                                                          Alter. Dr. Gerald Gatterer, Gerontopsychologe, Psycho-
             Gesellschaft des Jugendwahns                                 therapeut, Wien

        Es erwarten Sie spannende Vorträge und Diskussionen aus
                                                                          Tagungsgebühr 55,00 Euro (inkl. Mittagsbuffet und Kaffeejause)
        der Sicht von SoziologInnen, PsychologInnen/Psychothera-
                                                                          Für BLP Mitglieder 45,00 Euro
        peutInnen und Medizinern.
                                                                          Für StudentInnen 20,00 Euro

        Hier ein kleiner Vorgeschmack:
                                                                          Eine detaillierte Einladung erhalten Sie Anfang September.
                                                                          Wenn Sie sich schon jetzt Ihre Teilnahme sichern wollen,
        Altersbilder einst und jetzt und ihre Auswirkung auf das
                                                                          nimmt unser Büro gerne ab sofort Reservierungen entgegen.
        persönliche Altersverständnis. Dr. Franz Kolland,
                                                                          E: blp@aon.at
        Soziologe und Altersforscher Wien
                                                                          T: 02682 / 630 10 (Mo, Di, Do 8–13 Uhr) u

        Altern ist kein Schicksal – zur Plastizität des alternden
                                                                                                            Mit freundlichen Grüßen
        Gehirns. Dr. Johannes Pantel, Univ. Professor der
                                                                                                                  Eva Maria Melchart
        Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt
                                                                                                 BLP Vorstand / Tagungskoordinatorin
2 I 2009
                                                                                                                                   15

                                 Mitwirkung des WLP beim

                                 Tag der Seelischen Gesundheit
                                 Freitag, 3. September 2010, 10.00 –18.00 Uhr, Wiener Rathaus

         Die KollegInnen des WLP
         informieren und beraten bei Fragen          Information
         zur Psychotherapie.
                                                     Dialogtreffen der Fachspezifika
u u u Auf Initiative der Gesundheitsstadträtin
         Frau Mag.a Sonja Wehsely sowie der
                                                     Mittwoch, 29. September 2010, 10.00 –16.00 Uhr , Wien
         Landtagsabgeordneten und Psychothe-
         rapeutin Mag.a Sonja Ramskogler ver-
                                                     Im Ausbildungs- und Methodenforum des ÖBVP wurde dringender Bedarf gese-
         anstaltet der Wiener Krankenanstal-
                                                     hen, die brisanten Zukunftsthemen der Fachspezifka im Kreis der Ausbildungs-
         tenverbund in Kooperation mit den
                                                     leiterInnen zur Diskussion zu bringen und darüber in Austausch zu treten. Im Rah-
         Psychosozialen Diensten Wien auch
                                                     men des Dialogtreffens sollen Linien und Zielsetzungen für die Zukunft diskutiert
         heuer wieder den „Tag der Seelischen
                                                     und erarbeitet werden.
         Gesundheit“. Anlass für diese Veran-
         staltung ist der internationale „World
         Mental Health Day“ am 10. Oktober,         auf eine psychische Erkrankung zu-         zu den Themen „seelische Gesundheit“,
         der weltweit auf die Bedeutung der psy-    rückzuführen. Nach Schätzungen der         „Wohlbefinden und Prävention“, „Ver-
         chischen Gesundheit für die Bevölke-       WHO werden Depressionen im Jahr            sorgung in Wien“, sowie die Möglichkeit
         rung hinweisen soll.                       2020 die zweithäufigste Erkrankung         zu individuellen Gesundheits-Checks
                                                    darstellen.                                und Beratungen geboten. Ebenfalls
         Etwa jeder vierte Mensch erkrankt          Zahlreiche Einrichtungen in Wien bieten    wird ein künstlerisches Programm zur
         mindestens einmal in seinem Leben an       Hilfe an, aber Möglichkeiten der Vor-      Unterhaltung geboten.
         einer psychischen Störung oder ist von     beugung und Behandlung sind oft noch
         seelischen Problemen betroffen. Im         zu wenig bekannt.                          Der WLP ist mit einem Informations-
         Jahr 2009 sind 2,4 Millionen Fehltage –    Bei freiem Eintritt wird ein attraktives   stand vertreten.
         das ist jeder 16. Krankenstandstag –       Beratungs- und Informationsprogramm        Wir freuen uns, wenn wieder zahlreiche
                                                                                               KollegInnen die Psychotherapeutische
                                                                                               Beratung an unserem Informations-
          Ankündigung                                                                          stand für jeweils 2 Stunden überneh-
                                                                                               men würden. Ausbildungsvereinen, die

          „Seeliges Wien“ NEU                                                                  Mitglied im ÖBVP sind, bieten wir die
                                                                                               Möglichkeit, ihre Psychotherapieme-
                                                                                               thode im Rahmen unseres Infostandes
          Der WLP hat von 2002 bis 2007 jedes Jahr die Informationsveranstaltung „Seeli-
                                                                                               vorzustellen!
          ges Wien“ in Kooperation mit den Ausbildungsvereinen und Bezirkskoordinato-
                                                                                               Bei Interesse bzgl. Psychotherapeuti-
          rInnen organisiert. Wir arbeiten an einer Neukonzeption der Veranstaltung, die im
                                                                                               scher Beratung sowie Präsentation des
          Frühjahr 2011 stattfinden soll. Die Planung der Veranstaltung ist ein Diskussi-
                                                                                               Ausbildungsvereins ersuchen wir um
          onspunkt beim Dialogtreffen der Fachspezifika am 29. September 2010 in Wien.
                                                                                               Kontaktaufnahme bis 30.07.2010 im
          Alle Ausbildungsvereine sind herzlich eingeladen, Ihre Ideen und Vorstellungen       WLP Büro.
          einzubringen!                                                                        T: 01/8908000 oder
                                                                                               E: wlp@psychotherapie.at u

                                                                                                  www.psychotherapie.at/wlp
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