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Produktion und Markt

Gewinn durch Verzicht
Kraftfutterarm erzeugte Milch hilft Betrieben und fördert die biologische Vielfalt –
Bericht aus einem aktuellen Forschungsprojekt

von Karin Jürgens

                  Von der kraftfutterreduzierten Milcherzeugung geht ein besonderer Gewinn für die Artenvielfalt im
                  Grünland aus. Das System hat nicht nur viele ökologische Vorteile, sondern es kann für Milcherzeu-
                  gungsbetriebe auch ökonomisch attraktiv sein. Das zeigen die ersten Zwischenergebnisse der breit
                  angelegten Forschungsarbeit des Kasseler Instituts für ländliche Entwicklung in Kooperation mit
                  der Universität Göttingen. Es gibt daher Gründe genug, warum die Politik aufgefordert ist, dieses
                  Produktionssystem über die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) in der Ersten und Zweiten Säule
                  effektiv zu fördern. Der vorliegende Beitrag stellt den vielfachen Nutzen kraftfutterreduzierter Milch­
                  erzeugung dar und macht konkrete Vorschläge, wie diese ökologisch und ökonomisch vorteilhafte
                  Produktionsform in Zukunft gefördert werden kann.

Bereits die 2016 vom Kasseler Institut für ländliche         schen Gesichtspunkten zu untersuchen.4 Denn Milch-
Entwicklung zusammen mit dem Breitwiesenhof                  viehbetriebe werden sich nur dann dazu entscheiden,
durchgeführte Untersuchung zeigte, dass kraftfutter-         ihre Flächennutzung und Grünlandbewirtschaftung
reduziert wirtschaftende ökologische Milchviehbe-            umweltgerechter auszurichten, wenn dies für sie auch
triebe wirtschaftlich genauso gut, wenn nicht sogar          eine dauerhaft ökonomische und sozial tragfähige
besser abschneiden als Milchviehbetriebe mit höhe-           Entwicklungsoption ist.
rem Kraftfuttereinsatz und dementsprechend höhe-                Im neuen Forschungsprojekt führt das Kasseler
ren Milchleistungen. Die Betonung einer vielseitigen         Institut für ländliche Entwicklung eine breit ange-
Grünlandbewirtschaftung ist bei diesen Betrieben ein         legte Datenerhebung bei mehr als 150 kraftfutterre-
wichtiger Hintergrund ihres wirtschaftlichen Erfolges        duziert wirtschaftenden Milchviehbetrieben in drei
gewesen.1 Dabei fußte ihr Produktionssystem sogar            typischen Grünlandregionen in Westdeutschland
auf einer geringeren Bewirtschaftungsintensität der          durch (Mitte, Nord, Süd). Die Universität Göttin-
Fläche. Die Ausweitung und Förderung extensiver,             gen (Professor Dr. Johannes Isselstein und Katharina
d. h. auf geringeren Viehbesatz und wenig bis keiner         Bettin) führte in derselben Zeit (Vegetationsperioden
Düngung aufbauende Grünlandbewirtschaftung mit               2018 und 2019) auf den Dauergrünlandflächen von
vielseitigen Bewirtschaftungstypen (Wiese, Weide,            insgesamt 56 Milchviehbetrieben zusammen 388 Ve-
Mähweide) gilt als Schlüsselfaktor zur Förderung der         getationserhebungen bei konventionellen und öko-
Artenvielfalt im Grünland.2 Grünlandlebensräume              logischen Milchviehbetrieben mit geringem/keinem
sind heute stark bedroht. Rund 40 Prozent – das ent-         Kraftfuttereinsatz und bei – unter gleichen Standort-
spricht 822 Arten – von den in Deutschland als gefähr-       bedingungen wirtschaftenden – benachbarten Milch-
det eingestuften Farn- und Blütenpflanzen haben ihr          viehbetrieben mit deutlich höherem Kraftfutterein-
Hauptvorkommen im Grünland.3                                 satz durch.
   Vor diesem Hintergrund startete das Kasseler Insti-
tut für ländliche Entwicklung Ende 2018 in Koopera-          Weniger Kraftfutter – mehr Artenvielfalt
tion mit der Abteilung Graslandwissenschaft der Uni-
versität Göttingen ein dreijähriges Forschungsprojekt,       Für die kraftfutterreduzierte Gruppe wurden nur
mit dem Ziel, das System der kraftfutterreduzierten          Betriebe ausgewählt, die in den Jahren 2014 bis 2016
Milchviehhaltung unter wirtschaftlichen und ökologi-         bis maximal 150 Gramm Kraftfutter pro Kilogramm

                                                                                                                     157
Der kritische Agrarbericht 2021

erzeugter Milch verfütterten. In Nord- und Mittel-       Weniger Kraftfutter – bessere Wirtschaftlichkeit
deutschland lag die Grenze bei konventionellen Be-
trieben bei maximal 200 Gramm. Auf jedem Betrieb         Für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der kraft-
wurden möglichst alle vorhandenen Bewirtschaf-           futterreduzierten Milchviehbetriebe wird im Projekt
tungstypen von der Weide über die Mähweide und           unter anderem der Vergleich mit den vom Bundes-
Wiese sowie Extensiv-Grünland untersucht. Zuver-         landwirtschaftsministerium (BMEL) erhobenen Test-
lässige wissenschaftliche Aussagen können bereits        betriebsdaten der spezialisierten Milchviehbetriebe
zur Gesamtartenvielfalt der untersuchten Grünland-       genutzt.7 Für die Vergleichsbetriebe aus der Agrar-
flächen gemacht werden, detailliertere Ergebnisse zur    statistik kann davon ausgegangen werden, dass sie
Artenzusammensetzung liegen jedoch erst bei Pro-         die durchschnittliche wirtschaftliche Lage von Milch­
jektabschluss vor.5                                      erzeugungsbetrieben repräsentieren und bei ihnen zu-
   Die Auswirkungen der gegenübergestellten Fütte-       dem eine herkömmliche Fütterung mit deutlich mehr
rungsstrategien und der Bewirtschaftungsweise (öko-      Kraftfutter praktiziert wird. Hier vorgestellt werden
logisch versus konventionell) wurden zunächst auf        die Zwischenergebnisse für die Untersuchungsregion
drei zentrale Parameter für die Artenvielfalt im Grün-   Süd mit Daten von 56 ökologischen und 21 konven-
land untersucht:                                         tionellen kraftfutterreduziert wirtschaftenden Milch-
                                                         viehbetrieben aus typischen Milchviehregionen Bay-
■   die mittlere Artenzahl pro Parzelle                  erns und Baden-Württembergs.8
    (Alpha-Diversität),                                     Die aus der Milch- und Rindererzeugung (ohne
■   die mittlere Artenzahl pro Betrieb                   Beihilfen) erzielten Gewinne der süddeutschen Un-
    (Gamma-Diversität) sowie                             tersuchungsbetriebe waren im Durchschnitt der
■   die botanische Zusammensetzung der                   Wirtschaftsjahre 2013/14 bis 2015/16 bei den konven-
    ­Dauergrünlandflächen (Beta-Diversität).             tionellen kraftfutterreduziert wirtschaftenden Milch-
                                                         viehbetrieben um fast ein Drittel höher als bei den
Die ersten Ergebnisse sind eindeutig:6                   Vergleichsbetrieben aus der Agrarstatistik und bei den
■ Die Artenvielfalt der untersuchten Grünlandflächen     ökologischen Betrieben sogar um das Siebenfache.9
  unterscheidet sich unabhängig von den Untersu-            Der verringerte Kraftfuttereinsatz von 99 Gramm
  chungsregionen signifikant zwischen den Betrieben      pro Kilogramm Milch bei den konventionellen bzw.
  mit geringem/keinem und höherem Kraftfutterein-        70 Gramm pro Kilogramm bei den süddeutschen
  satz bzw. zusätzlich im Zusammenhang mit dem           Ökobetrieben führte demnach zu keinen wirtschaft­
  Produktionssystem (ökologisch/konventionell).          lichen Nachteilen. Entscheidend für diese Ergebnisse
■ Die mittlere Artenzahl pro Betrieb und die botani-     ist ein anderes Verhältnis zwischen Betriebseinnah-
  sche Zusammensetzung ist auf den kraftfutterredu-      men und Betriebsaufwand10 und die sich dadurch
  ziert wirtschaftenden Betrieben signifikant höher      ergebende höhere wirtschaftliche Effizienz des kraft-
  als auf den Grünlandflächen mit höherem Kraftfut-      futterreduzierten Systems. Daraus resultiert auch ein
  tereinsatz.                                            besseres Einkommen pro Arbeitskraft.
■ Die Artenzahl pro Parzelle ist bei den konventio-         Dennoch kann ein Einkommen von nur 27.500
  nellen Milchviehbetrieben mit höherem Kraftfut-        Euro pro Arbeitskraft bei den konventionellen Unter-
  tereinsatz signifikant niedriger.                      suchungsbetrieben11 nicht darüber hinwegtäuschen,
                                                         dass auch sie mit einer schwierigen wirtschaftlichen
Auch unabhängig von den Untersuchungsregionen            Lage zu kämpfen haben. Im Wirtschaftsjahr 2015/16
zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den      (Milcherzeugerkrise) fielen die Milchauszahlungsprei-
Fütterungsstrategien und der Gesamtartenzahl im          se ins Bodenlose. Ihre Wirtschaftsstrategie verhalf den
Grünland. Gerade bei den konventionellen Milch-          untersuchten Betrieben aber, trotz einer geringeren
viehbetrieben gibt es einen
deutlichen Zusammenhang
zwischen der kraftfutterredu-       Tab. 1: Einkommen der Milchviehbetriebe im Vergleich12
zierten Fütterungsstrategie
                                    Durchschnitt der Wirtschaftsjahre TB-Bio* KF-arm-   TB-Kon*       KF-arm-
und der höheren Pflanzen-           2013/14 bis 2015/16, Region Süd             Bio*                   Kon*
artenzahl. Bei den ökologi-
                                    Einkommen (Gewinn + Personal)     39.127   63.688    24.518        35.723
schen Betrieben treten die          in Euro
Unterschiede aufgrund der           pro AK                             23.016  37.464     15.324       27.479
vorgegebenen strengeren Be-
                                    % Beihilfen im Einkommen            77 %    48 %       89 %         54 %
wirtschaftungsauflagen weni-
ger stark hervor.               * Erläuterung siehe Anm. 12.

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Produktion und Markt

                                                                                   als die Vergleichsbetriebe in der
  Tab. 2: Viehbesatz und Flächennutzung im Vergleich                               Agrarstatistik. Sie nutzen nicht
  Durchschnitt der Wirtschaftsjahre   TB-Bio    KF-arm-   TB-Kon      KF-arm-      nur eine größere Dauergrün-
  2013/14 bis 2015/16, Region Süd                 Bio                   Kon        landfläche für jedes Rind, das
  Rinder-Großvieheinheit (RGVE)         57        60        73           55        Dauergrünland stellt auch rund
  LF in Hektar (davon Futterfläche)   47 (40)   51 (50)   49 (37)     37 (34)
                                                                                   90 Prozent der Futterfläche. Da-
                                                                                   bei stechen die konventionellen
  Viehbesatz pro Hektar/ LF            1,23      1,20      1,53         1,51
                                                                                   kraftfutterreduziert wirtschaf-
  Dauergrünland                         34        46        27           31        tenden Betriebe besonders posi-
  Ackerfutterfläche                     6         4         10           3         tiv heraus, da sie trotz kleinerer
    davon Silomais                      1         0          7           1         Milchkuhherden sogar rund
  Dauergrünlandanteil
                                       83 %      92 %      61 %        89 %
                                                                                   vier Hektar mehr Dauergrün-
  an Futterfläche in Prozent                                                       land bewirtschaften. Allein, dass
  Rinder-Großvieheinheit (RGVE)
                                       1,39      1,20      1,68        1,57        Dauergrünland genutzt und da-
  pro Hektar Futterfläche                                                          rüber erhalten wird, ist eine ers-
  Rinder-Großvieheinheit (RGVE)
                                       1,68      1,30      2,74        1,77        te Grundvoraussetzung für den
  pro Hektar Dauergrünland
                                                                                   Erhalt und die Förderung der
                                                                                   Artenvielfalt im Grünland.
Milchanlieferungsmenge, diese sehr kritische finanzi-          Als ein Maß der Intensität der Grünlandnutzung
elle Phase besser zu überstehen (Tab. 1). Dabei spielt     dient die Besatzdichte [Rinder-Großvieheinheiten
auch eine Rolle, dass sie sich ihre Fütterungsstrategie    (RGVE) pro Hektar Hauptfutterfläche je Betrieb]. Bei
arbeitsextensiver organisieren können als die Ver-         höherer Besatzdichte wird mehr Futter von den Flä-
gleichsbetriebe aus der Agrarstatistik.                    chen gebraucht, d. h. die Schnitthäufigkeit steigt, die
   Die ökologischen Milcherzeugungsbetriebe hinge-         Weiden werden intensiver genutzt und der Nährstof-
gen erlebten in den Untersuchungsjahren eine sehr          feintrag in die Grünlandflächen ist höher. Kraftfutter-
stabile und zudem sich positiv entwickelnde Preis­         reduzierte Milchviehbetriebe bewirtschafteten sowohl
situation. Die in der Untersuchung erfassten ökolo-        ihre Gesamt- als auch ihre Futterfläche mit etwas ge-
gischen Milchviehbetriebe mit kraftfutterreduzierter       ringerer Intensität als die Vergleichsbetriebe in der
Wirtschaftsstrategie haben deutlich größere Milch-         Agrar­statistik. Während die Nutzungsintensität bei
viehherden als die ökologischen Vergleichsbetriebe         den ökologischen Betrieben beider Fütterungsstrate-
in der Agrarstatistik und deshalb eine deutlich ge-        gien mäßig bzw. extensiv ist (1 bis 1,4 RGVE je Hektar
ringere Arbeitskräfteanzahl pro Kuh. Zusammen mit          Futterfläche)13, gilt dies bei einem Durchschnittswert
den deutlich höheren Gewinnen pro Kuh und Jahr             von 1,57 RGVE pro Hektar für die konventionellen
machen diese Faktoren einen großen Anteil an dem           kraftfutterreduzierten Milchviehbetriebe in der Re-
sehr markanten Einkommensvorsprung dieser Be-              gion Süd nicht mehr. Das kraftfutterarme System
triebe aus. Beiden Betriebsformen gemeinsam ist eine       erleichtert es ihnen aber, Teilflächen für eine exten-
erkennbar größere Unabhängigkeit von den Beihilfen         sivere Bewirtschaftung des Grünlandes freizuhalten.
als Einnahmequelle.                                        Bei 40 Prozent der 21 ausgewerteten konventionellen
                                                           kraftfutterreduzierten Betriebe liegt die Nutzungs­
Grünlandkühe geben Grünlandmilch                           intensität bei einem Wert unter 1,4 RGVE pro Hektar
                                                           und damit wäre für sie eine Förderfähigkeit im Rah-
Über die in der Tabelle 2 erfassten Strukturindika-        men von Maßnahmen zur extensiven Nutzung von
toren lassen sich auch erste Aussagen zur Umwelt-          Dauergrünland gegeben.14
verträglichkeit der verglichenen Milchproduktions-             Im Unterschied zum Gras, steht das Kraftfutter in
systeme ableiten. Im Vergleich zu den Testbetrieben        direkter Konkurrenz mit Ackerflächen für die Lebens-
(TB) bewirtschaften die kraftfutterreduzierten ökolo-      mittelversorgung. Bei einem hohen Kraftfuttereinsatz
gischen Milchviehbetriebe (KF-arm) nur zwei Drittel        wird weitaus mehr Ackerfläche gebraucht, als den
und die konventionellen sogar weniger als ein Drittel      Betrieben innerbetrieblich zur Verfügung steht. Das
der Ackerfutterfläche. Silomaisanbau spielt bei den        Kraftfutter, welches zur Milcherzeugung von »außen«
ökologischen Milchviehbetrieben beider Fütterungs-         zugekauft wird, wird auf außerbetrieblichen Acker-
strategien und bei den kraftfutterreduzierten konven-      flächen angebaut und deshalb auch als Schattenfläche
tionellen Milchviehbetrieben, wenn überhaupt, nur          bezeichnet.15 Das kraftfutterreduzierte System hat den
eine sehr untergeordnete Rolle. Die kraftfutterredu-       Vorteil, vergleichsweise sehr wenig außerbetriebliche
zierten Milchviehbetriebe sind strukturell deutlich        Schattenfläche für die Milcherzeugung zu verbrau-
stärker auf die Nutzung von Dauergrünland angelegt         chen. So liegt der Flächenbedarf für die eingesetzte

                                                                                                                  159
Der kritische Agrarbericht 2021

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   Tab. 3: Zugekaufte Schattenfläche für Milcherzeugung im Vergleich                    Jahr. Aus dem gesamten Grund-
   Vergleichs­gruppen Süd               TB-Bio     KF-arm      TB-Kon      KF-arm-      futter  (Grünland plus Feld- und
                                                     Bio                      Kon       Kleegras, Luzerne oder Mais) ha-
   Kilogramm Milch                                                                      ben die Untersuchungsbetriebe
                                       205.568     254.946     298.923      237.318
   pro Betrieb und Jahr                                                                 beachtliche 5.451 Kilogramm er-
   Gramm Kraftfutter                                                                    molken. Aus dem Kraftfutter wie-
                                         150          70         275           99
   je Kilogramm Milch                                                                   derum stammen nur zwölf Prozent
   Verfüttertes Kraftfutter                                                             (760 Kilogramm), wobei der Anteil
                                          31          18          82           23
   in Tonnen pro Jahr                                                                   der Kraftfuttermilch bei den Biobe-
   Flächenbedarf (in Hektar)             8,8         5,1        18,0          5,1       trieben eine etwas geringfügigere
   Innerbetriebliche Kraftfutter-                                                       Bedeutung hat als bei den konven-
                                          1,7        0,8         1,7          1,6
   Futterbaufläche in Hektar                                                            tionellen Betrieben. Zudem setzten
   Genutzte Schattenfläche                                                              die Biobetriebe beim zusätzlichen
                                         7,1         4,3        16,3          3,5
   für Kraftfutter (in Hektar)                                                          Grundfutter überwiegend auf Klee-
   Für Milcherzeugung insgesamt                                                         gras und Luzerne, während die
   genutzte Futterfläche (inkl.          32,3        39,8        37,9         27,1      konventionellen Untersuchungs-
   Grundfutter- u. Schattenfläche)                                                      betriebe auf Maissilage zurückgrei-
   Flächenproduktivität Milch­
                                        6.361       6.400       7.896        8.756      fen. Die Flächenleistung (Grobfut-
   erzeugung (Kilogramm/Hektar)                                                         terfläche für Milchkühe) liegt bei
                                                                                        7.772 Kilogramm Milch pro Hektar.
Futtermenge bei den ökologischen Untersuchungs-                         Die Ermittlung der Grundfutterleistung erfolgte
betrieben fast drei Hektar und bei den konventionel- anhand der von Edmund Leisen von der Landwirt-
len Betrieben um fast 14 Hektar niedriger als bei den schaftskammer NRW entwickelten Anteilsmethode.18
Testbetrieben. So werden weniger für die Lebensmit- Bei dieser wird über die Differenz zwischen der für
telproduktion geeignete Flächen für die Milcherzeu- die Erhaltung und für die Milchleistung notwendigen
gung verbraucht (Tab. 3).                                            Gesamtenergie die aus den verschiedenen Futterarten
   Insbesondere die konventionell wirtschaftenden erzeugte Milchmenge ermittelt.
kraftfutterarmen Milchviehbetriebe erreichen mit
8.756 Kilogramm Milch (ECM, energiekorrigierte Kostensparendes und ressourcenschonendes
Milch) pro Hektar eine deutlich höhere Flächenpro- Low-Input-Management
duktivität als die Durchschnittsbetriebe in der Agrar-
statistik. Je höher die Flächenproduktivität ist, desto Das Verhältnis zwischen der genutzten Dauergrün-
ressourceneffizienter und standortangepasster ist das land- und Ackerfutterfläche entscheidet über den
jeweilige Milchproduktionssystem.16                                  Verbrauch von mineralischen Dünger- und Pflan-
                                                                     zenschutzmitteln, Energie und Zukauffuttermitteln
Beachtliche Grundfutterleistungen                                    auf den Milchviehbetrieben. Dieser wiederum steht in
                                                                     einem Zusammenhang mit dem Ressourcenverbrauch
Ganze 82 Prozent der von den Untersuchungsbetrie- und auch der Artenvielfalt auf den landwirtschaft­
ben Süd erzeugten Milchmenge stammt allein aus lichen Flächen. Im Projekt wurden zwar keine direk-
Gras bzw. vom Grünland. Die Grünlandleistung der ten Messungen zur Einsatzmenge dieser Betriebsmittel
konventionellen und ökologischen Untersuchungs- durchgeführt, aber die in den Buchführungsunterlagen
betriebe unterscheidet sich kaum und liegt bei rund dokumentierten Kosten für Energie, mineralischen
                                                                     Dünger, Pflanzenschutzmittel und zugekauftes Futter
                                                                     bringen hier ebenfalls sehr wichtige Hinweise.
     Tab. 4: Herkunft der Milch                                         Das Fütterungssystem in Milchviehbetrieben be-
                                               Untersuchungs­        einflusst deren Energieverbrauch. Messbar ist dieser
                                               betriebe SÜD17        an den Ausgaben für direkte und indirekte Energie-
   Milchleistung in Kilogramm ECM                        6.211       träger (Treibstoffe, Elektrizität und fossile Brennstoffe
      davon Kraftfuttermilch                        760 (12 %)       wie Gas und Heizöl sowie externe Inputs wie zuge-
   Grundfuttermilch in Kilogramm ECM,            5.451 (88 %)        kauftes Futter, Mineraldünger und Pflanzenschutz)
      davon aus                                                      pro Hektar und Kilogramm erzeugter Milch.
      Grünlandmilch (Weide, Heu, Grassilage)      5.094 (82 %)          Auch hier stechen gerade die konventionellen
      Kleegras/Luzerne                               177 (3 %)       Milchviehbetriebe mit kraftfutterreduzierter Fütte-
      Maissilage                                     180 (3 %)
                                                                     rung besonderes heraus: Sie hatten in den drei Wirt-

160
Produktion und Markt

                                                                                   Milcherzeuger/-innen erleben es
  Abb. 1: Ausgaben für direkte und indirekte Energieträger im Vergleich            jedoch als unausgewogen, dass
                                                                                   sie zwar mit mehr und mehr
                                                                                Anforderungen hinsichtlich der
                                                                                Klima- und Umweltverträg-
                                                                                   lichkeit ihrer Milchproduktion
        
                                                                                   konfrontiert werden, dennoch
  Kosten in Euro/Hektar

                                                                                aber für die Betriebe keine Aus-
                                                                                sicht auf ein angemessenes Ein-
                                                                                kommen und eine entsprechend
                                                                                   höhere Bezahlung der von
        
                                                                                   ihnen produzierten Milch be-
                                                                                steht. Eine kraftfutterreduzierte
                                                                                  Milchviehhaltung würde dage-
                 TB-kon        KFarm-kon                 TB-bio       KFarm-bio
                                                                                   gen nicht nur den wachsenden
            Von unten nach oben:                                                   und vielfältigen Umweltansprü-
               Treib-und Brennstoffe, Strom Futterzukauf    Dünger       PSM       chen Rechnung tragen, sondern
                                                                                   auch wirtschaftlich tragfähig
                                                                                   für Milchviehbetriebe sein. Ein
schaftsjahren bis 2015/16 pro Hektar landwirtschaft- verringerter Kraftfutteraufwand trägt zur Milchmen-
licher Nutzfläche 28 Prozent geringere Ausgaben für genreduktion bei und stabilisiert auf diese Weise die
direkte und indirekte Energieträger (Abb. 1). Der ge- Erzeugerpreise.
ringere Gesamtenergieverbrauch ergibt sich aus der              Eine Milchproduktion mit wenig Kraftfutter wird
Nutzung des Dauergrünlandes als Hauptfutterquel- derzeit nur von wenigen Milchviehbetrieben in
le, längeren Weide- und kürzeren Stallperioden und Deutschland umgesetzt. Mit einer solchen Umstellung
­einem geringeren Anteil Ackerfutterbau (hier insbe- eines Milchviehbetriebes auf ein kraftfutterreduziertes
 sondere Mais, vgl. Tab. 2).                                  System verbinden sich betriebliche Umstrukturierun-
    Abbildung 1 zeigt die im Vergleich deutlich niedri- gen und wirtschaftliche Risiken. Zur erfolgreichen
 geren Ausgaben für Mineraldünger (minus 46 Prozent) Umstellung gehört ein gutes Weidemanagement, eine
 und Pflanzenschutzmittel (minus 85 Prozent). Dies vielfältige Grünlandnutzung mit extensiven und in-
 lässt auf weitere positive Umwelteffekte neben der För- tensiven Flächenanteilen, mit der eine quantitativ und
 derung der Artenvielfalt (Luft-, Wasser- und Boden- qualitativ hochwertige Grundfutterversorgung gesi-
 qualität) schließen. Angesichts der in den letzten Jah- chert wird, sowie hohe Grundfutterlebensleistungen
 ren sehr stark gestiegenen Input- und Energiepreise19 bei mittleren Milchleistungsniveaus und Tiergesund-
verschaffen sich die Untersuchungsbetriebe hier zudem heit. Lange Weideperioden fördern das Tierwohl.
wirtschaftliche Vorteile durch eine größere Unabhän-            Aktuell macht Grünland weniger als ein Drittel
 gigkeit von den externen Ressourcen.20 Das kraftfut- der landwirtschaftlich genutzten Fläche aus.22 Milch-
 terreduzierte System verändert auf jeden Fall das Ver- viehbetriebe nutzen den größten Anteil der Dauer-
 hältnis zwischen dem, was in den Betrieb hineinkommt grünlandflächen. Allein diese Tatsache erfordert und
 (den Inputs), und dem, was den Betrieb wieder verlässt rechtfertigt es, ein eigenständiges politisches Maßnah-
 (den Outputs). Deshalb kann die Reduktion des Kraft- menpaket für Milchviehbetriebe einzurichten, um so
 futteraufwands in der Milchproduktion voraussicht- die notwendige Transformation zu einem nachhalti-
 lich auch eine mögliche Strategie zur Verringerung des gen Milchproduktionssystem effektiv voranzutreiben.
 Nährstoffaustrags (Stickstoff und Phosphat) sein.21          Die von der kraftfutterreduzierten Bewirtschaftungs-
                                                              weise ausgehenden zusätzlichen Umwelt- und Klima-
 Politik für Milch aus Gras                                   schutzwirkungen rechtfertigen darüber hinaus eine
                                                              deutliche - über den klassischen Nachteilsausgleich
 Die Stimmen nach einem Systemwechsel in der Mil- für zusätzlich entstandene Kosten hinausausgehen-
 cherzeugung werden immer lauter. Die EU-Kom- de – finanzielle Förderung. Das Kasseler Institut für
 mission legte im Mai 2020 mit der Farm-to-Fork- ländliche Entwicklung hat hier gemeinsam mit der
 Strategie ein anspruchsvolles Programm für ein nach- Universität Göttingen konkrete Vorschläge für die
 haltiges Lebensmittelproduktions­system vor. Ohne kommende GAP gemacht (Tab. 5).
 Zweifel werden auch Milchviehbetriebe zukünftig
 immer mehr herausgefordert sein, ihre Wirtschafts- ■ In der Ersten Säule ist ein spezifisches Eco-Sche-
 weise umwelt- und klimabezogen anzupassen. Viele me einzurichten, über das Betriebe gefördert wer-

                                                                                                                 161
Der kritische Agrarbericht 2021

   Tab. 5: Förderung des Übergangs zur kraftfutterreduzierten Milchviehhaltung mit Eco-Schemes

   Förderziel                     Verpflichtung                     Zahlungshöhe            Zahlungsziel             Begleit­
                                                                    pro ha Futterfläche                              maßnahmen
   D. Maximierung der             Kombinierbare                     AUKM – Zahlungen        Top Up

                                                                                                                       Investitionsförderung und AUKM
   Umwelt- und Klima­leistungen   AUMK-Verpflichtungen

                                                                                                                         Komplementärförderung über
                                                                                                                         Wissenstransfer und Beratung
   C. Zusatz­verpflichtung        2000 Quadratmeter                 100 Euro                Freiwillige Leistung
   Weidehaltung                   Weidefläche/Milchkuh
   B. Bei­behaltung               Grundanforderung:                 250 Euro                Leistungszahlung
                                  80 % Futtertrockenmasse aus                               Umwelt +
                                  Grundfutter, davon 50 % Futter-                           Klimavorteile
                                  fläche aus Dauergrünland.
   A. Einstieg                                                      500 Euro                Anreiz­zahlung
                                  20 % extensiv bewirtschaftete
                                                                                            Transformation
                                  Dauergrünlandflächen
   Basis                          Konditionalität                   Direktzahlung           Einkommensstützung

den, deren Milchviehfutter überwiegend aus Grund-                   und Stallsysteme, Saatgut- und Übersaattechniken zur
futter besteht. Mindestens die Hälfte ihrer Futter-                 Förderung der Artenvielfalt und Trockenheitsresis-
flächen sollten dabei aus Dauergrünland bestehen                    tenz der Grünlandbestände).
und sich mit verschiedenen Bewirtschaftungs­typen                   ■ Die Weideperioden und Weidetage sind bei kraft-

und einer extensiven Grünlandnutzung verbinden.                     futterreduziert wirtschaftenden Milchviehbetrieben
Das genaue Verhältnis zwischen Wiese, Weide und                     bereits vergleichsweise lang, weil die Weide als Fut-
Mähweiden und auch Naturschutzgrünland ist da-                      tergrundlage dient. Vor diesem Hintergrund schla-
bei regionalspezifisch zu definieren.                               gen wir eine spezifische weitere Förderung vor: eine
■ Das vorgeschlagene Eco-Scheme ist eine gezielte                   mit hohen Anreizprämien versehene »Premium«-
Fördermaßnahme zum Ausbau des kraftfutterredu-                      Weideprämie, bei der mindestens 200 Weidetage bei
zierten Systems und zur Förderung des Übergangs zu                  15 Weide­stunden und über 3.000 Quadratmeter Wei-
einer insgesamt nachhaltigen Milcherzeugung. Für                    defläche pro Milchkuh vorgehalten werden.
einstiegsbereite Milchviehbetriebe ist eine deutliche               ■ Der Flächenbedarf ist bei der kraftfutterreduzierten,

finanzielle Unterstützung gerade in der Umstellungs-                grünlandbasierten Milcherzeugung grundsätzlich er-
phase wichtig. Um die gewünschten umwelt- und                       höht. Aufgrund der sich häufenden Trockenphasen
klimabezogenen Effekte zu erzielen, muss die Maß-                   in den letzten Jahren ist zukünftig von einem wach-
nahme längerfristig angeboten werden.                               senden Flächenbedarf für die Grundfutterversorgung
■ Die Zusatzförderung zur Weidenutzung ist so aus-                  auszugehen. Hier muss den Betrieben für das Ziel, ihre
gerichtet, dass diese vom Umfang her tatsächlich als
Futtergrundlage für die Milchkühe dient.
                                                                       Folgerungen        & Forderungen
Der Trend, die Produktionssysteme in der Milchvieh-
haltung weiter zu intensivieren und zu spezialisieren,                 ■    Kraftfutterreduzierte Systeme der Milcherzeugung –
ist längst nicht gestoppt. Die Bewirtschaftung des                          ob bio oder konventionell – fördern die Artenvielfalt
Grünlands und die Weidehaltung werden zugunsten                             im Grünland und verbessern die Wirtschaftlichkeit
höherer Milchleistungen und Stallhaltung weiter zu-                         von Milchviehbetrieben.
rückgefahren. Für einen substanziellen Ausbau und                      ■    Von der kraftfutterreduzierten Wirtschaftsweise
auch für die Maximierung der vorteilhaften Umwelt-                          gehen zugleich vielfältige positive Umwelt- und
und Klimaeffekte des kraftfutterreduzierten Systems                        ­K limaleistungen aus.
muss deshalb seine Wettbewerbsfähigkeit gezielt ge-                    ■    Im Rahmen der neuen GAP muss durch konkrete
fördert werden. Dafür sollte die Fördermaßnahme                             politische Maßnahmen über die Eco-Schemes und
clever mit weiteren spezifischen Agrarumwelt- und                           die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der Weg
Klimamaßnahmen (AUKM) kombiniert werden:                                    zur Ausweitung dieses Systems unter Milchvieh­
                                                                            betrieben geebnet werden.
■ Über wettbewerbsfördernde investive Fördermaß-                       ■    Parallel dazu bedarf es der Bündelung des vorhan-
nahmen in der Zweiten Säule können finanzielle An-                          denen Wissens zu diesem innovativen Ansatz und
gebote zur Optimierung der Grünlandbewirtschaf-                             dessen breiten Bereitstellung für verschiedenste
tung und Betriebsinfrastruktur gemacht werden (z. B.                        Akteursgruppen im Bereich der Milchproduktion.
Grundfutterbergung und -lagerung, passende Weide-

162
Produktion und Markt

Grundfutterflächen ausweiten zu können, dringend                            prüfungen teil und konnten deshalb nicht in die Wirtschaftlich-
mehr Flexibilität zugestanden werden; dafür müssen                          keitsanalysen einbezogen werden.
                                                                        9   Jürgens et al. (siehe Anm. 7), S. 6 f.
die aktuellen Vorschriften zum Erhalt des Ackerstatus
                                                                       10   Betriebsaufwand für Betriebszweig Milch und Rind ohne zeit-
verändert werden. Zudem sollten gezielte ökonomi-                           raumfremde Aufwendungen.
sche Anreize für eine Umwandlung hofnaher Acker-                       11   Für die Bestimmung der Anzahl der Arbeitskräfte wurden von
flächen in Grünland geschaffen und geprüft werden,                          den Untersuchungsbetrieben der Arbeitsaufwand (Arbeits-
unter welchen Bedingungen sie den Aufwuchs von                              stunden für die Milcherzeugung, Familien-AK) erfragt, die
                                                                            Angaben zu den Fremd-AK mit dem in der Buchführung erfass-
ökologischen Vorrangflächen als Grundfutter bzw.                            tem Personalaufwand abgeglichen. Die Berechnung der AK
Weide nutzen dürften.                                                       erfolgte anhand derselben Parameter wie auch im Testbe-
                                                                            triebsnetz. Es handelt sich also um Schätzwerte.
Die kraftfutterreduzierte Wirtschaftsweise wird bis-                   12   TB= Testbetriebe, TB-Kon bzw. TB-Bio = gewichteter Durch-
                                                                            schnitt aller konventionellen bzw. ökologischen Milchviehbe-
her nur von sehr wenigen Milcherzeugungsbetrieben
                                                                            triebe in Baden-Württemberg und Bayern, KF-arm-Kon und
praktiziert. Bei ihnen liegt das Know-how und sie                           KF-arm-Bio= Untersuchungsbetriebe.
haben die Kompetenzen entwickelt, die kraftfutter-                     13   Vgl. N. Schoof et al.: Auswirkungen der neuen Rahmenbedin-
reduzierte Wirtschaftsweise wirtschaftlich erfolgreich                      gungen der Gemeinsamen Agrarpolitik auf die Grünlandbezo-
in ihr Betriebskonzept zu integrieren. Für einen Kurs-                      gene Biodiversität. BfN -Skript 540. Bonn 2019, S. 71.
                                                                       14   Ebd.
wechsel hin zu einer kraftfutterreduzierten Milch­                     15   P. Thomet, M. Stettler und D. Weiß: Methode zur Berechnung
erzeugung ist deshalb nicht nur eine mutige politische                      der Flächenleistung Milch. Workshop 2/ Effizienz in grasland-
Unterstützung gefragt. Es bedarf ebenso eines umfas-                        basierten Milch- und Fleischproduktionssystemen. Schweize­
senden Wissenstransfers. Dafür sollten neue Koope-                          rische Hochschule für Landwirtschaft SHL. Zollikofen o.J.,
rationen zwischen Praxis, Beratung, Ausbildung und                          S. 95–98.
                                                                       16   P. Thomet, M. Stettler und D. Weiß: Methode zur Berechnung
Wissenschaft geschaffen werden.                                             der Flächenleistung Milch. (Mitteilungen der Arbeitsgemein-
                                                                            schaft Grünland und Futterbau). 2008. Für die Abschätzung der
                                                                            Schattenfläche und Flächenproduktivität wurden pauschale
Anmerkungen                                                                 Annahmen zum Kraftfutteraufwand der Testbetriebe gemacht.
 1 Vgl. K. Jürgens, O. Poppinga und U. Sperling: Wirtschaftlichkeit         Der Flächenbedarf für das an die Milchkühe verfütterte Kraft-
   einer Milchviehfütterung ohne bzw. mit wenig Kraftfutter.                futter wurde anhand statistisch erfasster durchschnittlicher
   ­F orschungsbericht zur Studie im Auftrag der Internationalen            Getreide- und Eiweißpflanzenerträge in ökologischen und kon-
    Forschungsgemeinschaft für Umweltschutz und Umweltein-                  ventionellen Milchviehbetrieben errechnet (Testbetriebsnetz
    flüsse auf Mensch, Tier, Pflanze und Erde e.V. (Arbeitsergebnis-        BMEL und Landessortenversuche LfL).
                                                                       17   In der Untersuchungsgruppe Süd sind weitere sieben Milch-
    se 08/2016). Kasseler Institut für ländliche Entwicklung. Glei-
                                                                            viehbetriebe erfasst, die sich zwischen 2014 und 2016 in der
    chen und Konstanz 2016.
                                                                            Umstellung auf den Ökologischen Landbau befanden.
 2 Vgl. hierzu Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik beim BMEL:
                                                                       18   E. Leisen, H. Spiekers und M. Diepolder: Notwendige Änderun-
   Perspektiven für das artenreiche Grünland – Alternativen zum
                                                                            gen der Methode zur Berechnung der Flächenleistung (kg
   Rückfall in die Belohnung einer Überschussproduktion bei
                                                                            Milch/ha und Jahr) von Grünland- und Ackerfutterflächen mit
   Milch. Kurzstellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats für
                                                                            Schnitt oder Weidenutzung. 2015.
   Biodiversität und Genetische Ressourcen beim Bundesministe-
                                                                       19   Allein die Einkaufspreise für zugekaufte Futtermittel stiegen in
   rium für Ernährung und Landwirtschaft. Berlin 2015.
                                                                            den letzten 15 Jahren um 55 Prozent, die Preise für Dünger um
 3 Vgl. Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Grünlandreport: Alles im
                                                                            84 Prozent und für Energie um 37 Prozent (vgl. Destatis: Preis-
   Grünen Bereich? Bonn 2014.                                               indices für landwirtschaftliche Betriebsmittel).
 4 Das Projekt »Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2020:           20   Siehe hierzu Jürgens et al. (siehe Anm. 7), S. 10.
   Perspektiven und Empfehlungen für eine Verbesserung der             21   Bis zum Projektabschluss 2020 sollen unter anderem noch die
   Grünlandbiodiversität über kraftfutterreduzierte Produktions-            Nährstoffbilanzen bei Stickstoff und Phosphat der kraftfutter-
   strategien in der Milchviehhaltung« wird gefördert vom Bun-              reduziert wirtschaftenden Milchviehbetriebe ermittelt werden.
   desamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministe­              Weiterhin sollen aus allen erfassten Untersuchungsbetrieben
   riums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.                   heraus die Produktionstypen identifiziert werden, welche
 5 Z. B. regional spezifische Kennarten für artenreiches Grünland,          unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit, dem Erhalt
   Artengruppen mit besonderen Vorteilen für Bestäubungssyste-              und der Förderung der Artenvielfalt und weiterer Umwelt­
   me, High-Value-Nature (HVN)-Arten.                                       kriterien am vorteilhaftesten sind.
 6 K. Bettin et al.: Grassland phytodiversity in dairy farming sys-    22   Vgl. Bundesamt für Naturschutz (siehe Anm. 3).
   tems with different feeding strategies. In: Grassland Science in
   Europe. 2020.
 7 K. Jürgens et al.: Für mehr Artenvielfalt im Grünland: Die Wett-
   bewerbsfähigkeit der kraftfutterreduzierten Milchviehhaltung
   stärken! (Arbeitsergebnisse 14). Kasseler Institut für ländliche
   Entwicklung, Gleichen und Konstanz 2020.
 8 An der Befragung im Süden haben sich fast 100 kraftfutter­                               Dr. Karin Jürgens
   reduziert arbeitende Milchviehbetriebe beteiligt, aber nur                               Kasseler Institut für ländliche Entwicklung e.V.
   von 87 liegen vollständige Daten für die drei Wirtschaftsjahre                           Projektbüro Gleichen
   von 2013/14 bis 2015/16 vor. Nicht alle Betriebe unterlagen
   der Buchführungspflicht bzw. nahmen an den Milchleistungs-                               kj@agrarsoziologie.de

                                                                                                                                        163
Der kritische Agrarbericht 2021

Notwendiger Blick auf das gesamte System
Erste Ergebnisse aus einem langfristigen Forschungsprojekt zur Gesamteffizienz
des Produktionssystems »Rinderhaltung«

von Leonhard Gruber, Johann Häusler, Georg Terler,
Margit Velik und Alfred Haiger

Die Leistung der Milchkühe ist in den vergangenen         haltung« durchgeführt. Es werden verschiedene Ras-
Jahrzehnten weltweit kontinuierlich gestiegen, was so-    sen mit Unterschieden in Milchbetonung, Nutzungs-
wohl auf züchterische Arbeit (Selektion und Kreuzung)     dauer und Lebendgewicht verglichen, ebenso unter-
als auch auf Verbesserung der Fütterung (Kraftfutter-     schiedliche Fütterungsintensitäten, und zwar sowohl
anteil, Grobfutterqualität, Fütterungsmanagement          bei den Milchkühen als auch bei den Maststieren.
etc.) sowie der Haltungsbedingungen (cow comfort,           Bei vier Rassen und vier Fütterungsintensitäten er-
Laufstall, Stallklima) zurückzuführen ist. Auf den ers-   geben sich 16 Untergruppen mit insgesamt 64 Tieren:
ten Blick scheint oft die Höhe der Milchleistung eines
Betriebes der wichtigste Gradmesser für dessen Ein-       ■   Vier Rassen: Fleckvieh kombiniert (FVKO), Hol-
kommens- und Wirtschaftlichkeitssituation zu sein.            stein Hochleistung (HOHL), Holstein Neuseeland
   Neben dem Ertrag aus der Milchleistung leistet             (HONZ), Holstein Lebensleistung (HOLL)
jedoch auch die Fleischleistung (bzw. der Ertrag aus      ■   Vier Fütterungsintensitäten der Milchkühe: Voll-
dem Kälberverkauf) und der Altkuherlös sowie der              weide (W0), 0 Prozent Kraftfutter (KF0), 20 Pro-
Zuchterlös einen nicht unbedeutenden Beitrag zum              zent Kraftfutter (KF20), 40 Prozent Kraftfutter
Einkommen aus der Rinderhaltung. Ganz entschei-               (KF40). Dabei erhielten die »Weidetiere« im Win-
dend auf das landwirtschaftliche Einkommen wirken             ter die gleiche Ration wie die Gruppe mit 0 Prozent
sich auch die Kosten aus. Hier spielen neben den Fix-         Kraftfutter: 30 Prozent Heu, 40 Prozent Grassilage
kosten die Kosten für Fütterung und Bestandsergän-            und 30 Prozent Maissilage (TM-Basis).
zung – und damit indirekt die Gesundheit und Lang-        ■   Zwei Fütterungsintensitäten der Maststiere: Zwei
lebigkeit der Tiere – eine sehr wichtige Rolle.               Grundfuttertypen (100 Prozent Maissilage, zwei
   Ungeachtet davon wird die Notwendigkeit der                Drittel Grassilage und ein Drittel Maissilage) kom-
Milchleistungssteigerung häufig vor allem ökono-              biniert mit zwei Kraftfutterniveaus (20 Prozent bzw.
misch, d. h. mit der Abnahme des Nährstoffaufwandes           40 Prozent Kraftfutter)
pro Kilogramm Milch, begründet. Der als »unproduk-
tiv« betrachtete Erhaltungsbedarf der Kuh rechnet sich    Das Projekt begann mit der Geburt der weiblichen
hier auf eine größere Produktmenge um. Ähnlich wird       Versuchstiere. Die Kälber wurden für alle Rassen und
auch bezüglich der Umweltwirkung der Milch- und           Fütterungsintensitäten einheitlich aufgezogen. Nach
Fleischerzeugung argumentiert: Höhere Leistungen          der ersten Abkalbung kamen die Tiere in den Milch-
reduzieren die Umweltbelastung pro Produkteinheit         vieh-Fütterungsversuch, wo sie bis zum Ende ihrer
(z. B. Methan, carbon footprint).                         Nutzungsdauer zur Feststellung ihrer Milchleistung
   Wirtschaftlichkeit und Umweltwirkungen dürfen          verblieben. Die männlichen Nachkommen wurden in
jedoch nicht allein auf Basis der Milchleistung be-       einem Mastversuch auf ihre Mast- und Schlachtleis-
trachtet werden. Zusätzlich in Rechnung zu stellen ist    tung bis zum Erreichen des Mastendgewichtes geprüft.
auch der dazu erforderliche Input und Flächenbedarf.      Nach Abschluss der Untersuchungen wurden die Pro-
Die Relation von Output zu Input, die sog. Effizienz,     duktionsdaten sowohl ökonomisch als auch hinsicht-
gewinnt daher an Interesse und Bedeutung.                 lich ihrer Umweltwirkung ausgewertet.
   Um den Einfluss dieser wichtigen Input- und Out-
put-Faktoren zu erfassen, wird seit 2012 an der Hö-       Kälber- und Kalbinnenaufzucht
heren Bundeslehr- und Forschungsanstalt (HBLFA)
Raumberg-Gumpenstein in der Steiermark/Österreich         Die Ergebnisse zur Gewichtsentwicklung und Futter-
ein umfassendes und langfristiges Forschungsprojekt       aufnahme in der Aufzuchtphase sind in Tabelle 1 ange-
zur Gesamteffizienz des Produktionssystems »Rinder-       führt. Die deutlichen Unterschiede zwischen den vier

164
Produktion und Markt

Rassen zeigen sich bereits beim Gewicht zum Zeit-                      günstigsten Besamungsindex auf (2,31 Besamungen
punkt der Geburt, das zwischen 35 und 50 Kilogramm                     pro Kalb) und Holstein Hochleistung den günstigsten
lag. Diese Unterschiede treten auch zum Zeitpunkt                      (1,60 Besamungen pro Kalb) – allerdings erreichten
der Belegung und der Abkalbung auf, bei der die Kal-                   bei den hochleistenden Holstein-Tieren 18 Prozent
binnen zwischen 621 und 752 Kilogramm Lebendge-                        der eingestellten Kälber nicht die erste Abkalbung,
wicht aufwiesen. Entsprechend unterschiedlich waren                    sondern fielen insbesondere durch Unfruchtbarkeit
die Zunahmen während der 27 Monate dauernden                           aus. Bei Fleckvieh und Holstein Neuseeland hingegen
Aufzucht der Tiere bis zur Abkalbung.                                  fielen nur etwa fünf Prozent der Kälber bzw. Kalbin-
   Absolut betrachtet war die Futteraufnahme der                       nen aus, von Holstein Lebensleistung hingegen kein
Fleckvieh-Kalbinnen am höchsten. Bezogen auf das                       einziges Tier.
Lebendgewicht weisen die milchbetonten Holstein-
Gruppen jedoch ein höheres Futteraufnahmevermö-                        Milchleistung und Gesundheit
gen auf, was durch ihr höheres Milchleistungspoten-
zial bedingt ist. Andererseits benötigten die Fleckvieh-               Tabelle 2 zeigt die wesentlichen Ergebnisse zur Milch-
Kalbinnen pro Kilogramm Zuwachs weniger Futter                         leistung sowie zur Gesundheit und Fruchtbarkeit der
bzw. Nährstoffe. Dies erklärt sich durch den geringeren                Kühe für die vier untersuchten Rassen. Die Milchleis-
Fett- und höheren Fleischanteil im Zuwachs der kom-                    tung wurde aus den Daten der Milchleistungskon­
binierten Zweinutzungs-Rinder gegenüber den milch-                     trolle errechnet. Erwartungsgemäß hatten die hoch-
betonten, fetteren Holstein-Typen (siehe auch Tab. 3).                 leistenden Holstein-Kühe die höchste Milchleistung,
   Große Unterschiede zwischen den Rassen zeigten                      die niedrigste wurde bei Holstein Lebensleistung fest-
sich hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit und Gesundheit,                  gestellt. Die Milchleistung von Fleckvieh und Holstein
und dies bereits in der Aufzuchtphase (siehe Zeile [17]                Neuseeland lag dazwischen und unterschied sich nicht
und [18] in Tab. 1). So wies Fleckvieh zwar den un-                    signifikant.

     Tab. 1: Gewichtsentwicklung und Futteraufnahme der Tiere in der Aufzuchtphase1

                                                                      Fleckvieh     Holstein       Holstein        Holstein
                                                                     kombiniert   Hochleistung    Neuseeland    Lebensleistung
     Lebendgewicht
     [1] Geburt                               kg                        50             40             35             37 bc
     [2] Belegung                             kg                        461           444            394             396 b
     [3] Abkalbung                            kg                        752           696            636             621b
     Zeitraum (in Monaten)
     [4] Geburt bis Belegung                  Monat                     17,5          16,9           17,6            18,0
     [5] Belegung bis Abkalbung               Monat                     9,5           9,3            9,2             9,3 ab
     [6] Geburt bis Abkalbung                 Monat                     27,0          26,1           26,7            27,3
     Tageszunahmen
     [7] Geburt bis Belegung                  g                         772           791            677             657 c
     [8] Belegung bis Abkalbung               g                        1.009          891            867             792 b
     [9] Geburt bis Abkalbung                 g                         858           829            743             704 b
     Futter- und Nährstoffaufnahme
     [10] Grundfutter                         kg TM a/Tag               8,15          7,83           7,38            7,42
     [11] Kraftfutter                         kg TM/Tag                 0,40          0,40           0,39            0,37
     [12] Gesamtfutter                        kg TM/Tag                 8,55          8,24           7,77            7,78
     [13] Gesamtfutter relativ zu LG          kg TM/kg LG               1,92          1,97           2,01            2,05
     [14] Energie                             MJ b ME c/Tag             80,6          77,7           73,5            73,6
     Futter- und Nährstoffverwertung
     [15] Trockenmasse                        kg TM/kg Zuwachs         10,88         11,54          11,44            12,02
     [16] Energie                             MJ ME/kg Zuwachs         102,5         108,8          108,2            113,8
     Fruchtbarkeit und Gesundheit
     [17] Besamungsindex                      Anzahl                    2,31          1,60           1,90            2,12
     [18] Ausfälle während Aufzucht           %                         5,3           17,9           5,0              0,0
a   TM = Trockenmasse, b MJ = Megajoule, c ME = Umsetzbare Energie

                                                                                                                              165
Der kritische Agrarbericht 2021

   Bezieht man die Milchleistung auf das Lebend-             Parameter, wie Besamungsindex, Non-Return-Ra-
gewicht, dann zeigten sich hochsignifikante Unter-           te, Zwischenkalbezeit etc. (siehe Tab. 2, Zeile [7] bis
schiede zwischen den Rassen. Fleckvieh kombiniert            [16]). Die besten Fruchtbarkeitswerte erzielten Kühe
hatte – entsprechend der züchterischen Ausrichtung           des Typs Holstein Lebensleistung und Holstein Neu-
als kombinierte Zweinutzungsrasse – die geringste            seeland, gefolgt von Fleckvieh kombiniert. Die hohe
Lebendgewichtseffizienz, gefolgt von Holstein Le-            Fruchtbarkeit zeigt sich dann auch in einer längeren
bensleistung, Holstein Neuseeland und Holstein               Nutzungsdauer. Diese ist bei den extensiven Holstein-
Hochleistung. Bei ausschließlicher Betrachtung der           Gruppen Neuseeland und Lebensleistung signifikant
Milchleistung werden Rassen mit geringerer Leistung          höher als bei Holstein Hochleistung. Fleckvieh liegt
und Zweinutzungstiere wie das Fleckvieh negativ hin-         dazwischen.
sichtlich Produktivität und Umweltwirkung bewer-                Auf der Inputseite steht mit hohen Kosten die Füt-
tet. Ganz andere Resultate sind jedoch zu erwarten,          terung ganz oben. Hier zeigte sich – vergleichbar der
wenn in diese Bewertung auch die Fleischleistung und         Milchleistung – ein deutlicher Einfluss des »Futter­
Nutzungsdauer mit einbezogen werden. Eine Aussage            niveaus« auf die Kriterien Gesundheit und Fruchtbar-
hierzu wird erst nach Abschluss der Untersuchungen           keit. Die meisten Ausfälle zeigten sich in den Kraftfut-
möglich sein.                                                tergruppen KF40 mit 31,0 Prozent und in der Kraftfut-
   Was jedoch bereits heute gesagt werden kann ist,          tergruppe Null (KF0) mit 26,2 Prozent, wogegen die
dass sich diese Rangfolge umdreht, wenn die Faktoren         Ausfälle in den Gruppen KF20 mit 18,5 Prozent und
Gesundheit und Fruchtbarkeit betrachtet werden: Fast         Vollweide mit 16,8 Prozent deutlich seltener waren.2
jede dritte hochleistende Holstein-Kuh (31 Prozent)          Auch der Anteil fruchtbarer Kühe ist im Futterniveau
musste innerhalb der ersten drei Laktationen ersetzt         KF20 mit 92 Prozent am höchsten. In den weiteren
werden und erzeugte entsprechend hohe Kosten auf             Fruchtbarkeitsparametern schnitt das Futterniveau
der Inputseite für die Bestandsergänzung. Auch wa-           KF0 am ungünstigsten ab, also die Gruppe mit der
ren nur 82,5 Prozent der Kühe fruchtbar und damit            niedrigsten Energieversorgung.
wesentlich weniger als bei den anderen Rassen. Diese            Berücksichtigt man auch die Rasse in der Betrach-
Unterlegenheit der Holstein Hochleistungs-Kühe in            tung, waren die Ausfälle im hohen Futterniveau bei
der Fruchtbarkeit zieht sich durch alle einschlägigen        den niederleistenden Gruppen am höchsten (Holstein

     Tab. 2: Ergebnisse zu Milchleistung sowie Gesundheit und Fruchtbarkeit der Kühe3
                                                           Fleckvieh      Holstein       Holstein        Holstein
                                                          Kombiniert    Hochleistung    Neuseeland    Lebensleistung
     Milchleistung
     [1] Milchmenge                  kg/Laktation           5.415          6.679          5.375           5.097 a
     [2] Milchmenge (ECM)a           kg/Laktation           5.672          6.916          5.858           5.219 a
     [3] Milchfett                   %                       4,43           4,44           4,76           4,37 a
     [4] Milcheiweiß                 %                       3,39           3,19           3,45           3,20 a
     [5] Lebendgewicht               kg                      679            613            555            567 a
     [6] Milch pro Lebendgewicht     kg ECM/kg LG0,75        42,4           55,8           51,3           45,0 b
     Gesundheit und Fruchtbarkeit
     [7] Nutzungsdauer               Anzahl Laktationen      3,4ab          2,8b           4,2a            4,0a
     [8] Häufigkeit der Ausfälle     %                       21,7           31,0           20,1            19,7
     [9] Anteil fruchtbarer Kühe     %                       88,4           82,5           91,0            88,7
     [10] Besamungsindex
                                                             2,05           2,25           1,90            2,01
     (Basis fruchtbare Kühe)
     [11] Non-Return-Rate 2:1        %                       42,9           40,8           44,0            44,6
     [12] Non-Return-Rate 3:2        %                       61,3           46,7           53,1            49,8
     [13] Zwischenkalbezeit          Tage                    371            383            380             370
     [14] Rastzeit                   Tage                     62            68              68              65
     [15] Güstzeit                   Tage                     98            118            103             104
     [16] Erste Besamung
                                     Tage                     37            51              35              43
     bis effektive Besamung
a   ECM = Energiekorrigierte Milch

166
Produktion und Markt

Neuseeland und Lebensleistung), während umgekehrt
sich das niedrige Futterniveau bei Holstein Hochleis-     Abb. 1: Milchleistung, Anteil fruchtbarer Kühe
tung auf Gesundheit und Fruchtbarkeit am ungüns-          und Häufigkeit der Ausfälle der vier Rassen bei
tigsten auswirkte (Abb. 1).                               unterschiedlicher Fütterungsintensität
   Mit anderen Worten: Die niederleistenden Rassen
vertrugen das hohe Futterniveau mit 40 Prozent Kraft-                                                                                                Milchleistung ( Tage)
futter nicht. Sie setzten Fett an (Daten nicht gezeigt)                                             .
und mussten in der nächsten Laktation infolge von
Stoffwechselstörungen und Unfruchtbarkeit ausschei-

                                                          Milchleistung (kg ECM,  d)
                                                                                                         .
den. Im Futterniveau von 0 Prozent Kraftfutter fielen
23 Prozent dieser Rassen aus, während bei mittlerem
Kraftfutterniveau nur zwölf Prozent aus der Herde                                                   .
gingen. Hervorzuheben ist die geringe Ausfallsrate
der Weidetiere. Die hochleistenden Tiere hingegen
benötigten eine energiereiche, kraftfutterbetonte Fut-                                                .
terration, um gesund und leistungsstark zu bleiben.
Erwartungsgemäß ging daher die Ausfallsrate bei Hol-
                                                                                                   .
stein Hochleistung mit steigendem Kraftfutterangebot                                                                                       Voll-         KF        KF        KF
(d. h. Energieversorgung) zurück (50 Prozent in KF0,                                                                                       weide
31 Prozent bei KF20 und nur 20 Prozent bei KF40).
                                                                                                                                                     Anteil fruchtbarer Kühe
Auf die Ausfallrate hatte auch die Weidehaltung einen                                                                             
großen Einfluss: So fielen bei allen Holstein-Linien in
den Weide-Gruppen (W0) deutlich weniger Tiere aus
als bei den entsprechenden KF0-Gruppen. Im Gegen-                                                                                 
                                                                                      Anteil fruchtbarer Kühe ()

satz dazu hatte Fleckvieh hohe Ausfälle auf der Weide.
Hinsichtlich Kraftfutter reagierte Fleckvieh kombi-
niert in gleicher Weise wie Holstein Neuseeland und                                                                               
Holstein Lebensleistung: hohe Ausfälle bei hohem
Kraftfutterniveau.
                                                                                                                                  

Mast- und Schlachtleistung der Stiere

Für eine gesamtheitliche Betrachtung des Produk­                                                                                  
                                                                                                                                           Voll-         KF        KF        KF
tionssystems »Rinderhaltung« muss auch die Fleisch-                                                                                        weide
leistung der Tiere miteinbezogen werden. Tabelle 3
zeigt bisherige Ergebnisse. Hinsichtlich Zuwachs-                                                                                                    Häufigkeit der Ausfälle
leistung erreichte Fleckvieh erwartungsgemäß die                                                                                  
                                                                                      Ausfälle ( der Kühe, alle  Laktationen)

höchsten Tageszunahmen. Wie bei den Aufzucht-
tieren (Tab. 1) wies Fleckvieh aufgrund seines höhe-                                                                              
ren Lebendgewichts – absolut betrachtet – auch die
höchste Futteraufnahme auf sowie auch eine güns-
                                                                                                                                  
tigere Futterverwertung. Es ist bekannt, dass milch-
betonte Tiere relativ weniger Protein (= Fleisch) und
mehr Fett ansetzen, was pro Kilogramm Zuwachs zu                                                                                  
einem höheren Energiebedarf führt. Dies betrifft im
vorliegenden Versuch besonders Holstein Hochleis-                                                                                  
tung und Neuseeland (Ergebnisse nicht signifikant,
siehe Zeile [9]). Der höhere Fettanteil im Zuwachs
                                                                                                                                   
milchbetonter Tiere zeigt sich in mehreren diesbe-                                                                                         Voll-         KF        KF        KF
züglich angeführten Kriterien der Schlachtleistung                                                                                         weide
und Fleischqualität (Zeilen [12] und [15]. Entgegen
landläufiger Annahmen wurde daher die Fleischqua-                                                                                       Fleckvieh Kombiniert      Holstein Neuseeland
lität der Holstein-Stiere aufgrund höherer intramus-
kulärer Fettanteile, Zartheit und in der Verkostung                                                                                     Holstein Hochleistung     Holstein Lebensleistung
etwas besser beurteilt.

                                                                                                                                                                                            167
Der kritische Agrarbericht 2021

   Tab. 3: Ergebnisse zur Mast- und Schlachtleistung der Stiere4

                                                                           Fleckvieh        Holstein          Holstein           Holstein
                                                                          kombiniert      Hochleistung       Neuseeland       Lebensleistung
   Mastleistung
   [1] Anfangsgewicht                           kg                           181               176                  166             169
   [2] Mastendgewicht                           kg                           717a             659b                 598c            587c
   [3] Mastdauer                                Monate                      12,34             13,53                13,14           12,60
   [4] Schlachtalter                            Monate                      17,40             18,57                18,45           17,55
   [5] Tageszunahmen                            g                           1.427a           1.193b             1.101b            1.108b
   Futteraufnahme und Futterverwertung
   [6] Grundfutter                              kg TM                       5,97a             5,48ab               5,35ab          5,03b
   [7] Kraftfutter                              kg TM                       2,66a             2,48a             2,35bb             2,22b
   [8] Gesamtfutter                             kg TM                       8,63a             7,97b                7,71b           7,24b
   [9] Trockenmasse                             kg TM/kg Zuwachs             6,54              7,62                7,79            7,12
   Schlachtleistung
   [10] Schlachtgewichtkalt                     kg                           405a             351b                 323c            317c
   [11] Ausschlachtungkalt                      %                           56,5a             53,3b                52,9b           55,0a
   [12] Nierenfett                              %                            1,7b             2,0ab                 2,5a            2,5a
   [13] Fleischklasse (1 E, 5 P)                1 bis 5                      1,9c              4,0a                3,6ab            3,4b
   [14] Fettklasse (1 mager, 5 fett)            1 bis 5                      2,9               2,7                  3,0             2,8
   Fleischqualität
   [15] Intramuskuläres Fett                    %                            1,90              2,41                2,83            1,82
   [16] Scherkraftgegrillt (Zartheit)           kg                           3,75              2,98                2,97            3,16
   [17] Verkostung (Höchstnote 6)               1 bis 6                      3,8               4,2                  4,3             4,5

                                                                             2 Aus Platzgründen gibt es hier keine Tabellen zu den Ergebnis-
Fazit
                                                                                 sen. Sie können bei den Autoren erfragt werden.
                                                                             3 L. Gruber et al.: Einfluss von Genotyp und Futterniveau auf
Erwartungsgemäß zeigten sich zwischen den Ras-
                                                                                ­L eistung sowie Gesundheits- und Fruchtbarkeitsparameter von
sen deutliche Unterschiede in Aufzucht, Milch- und                               Milchkühen. 130. VDLUFA-Kongress (VDLUFA-Schriftenreihe
Fleischleistung, aber auch in Gesundheit und Frucht-                             75). Münster 2018, S. 305–316.
barkeit. Bestätigt wurde auch, dass zwischen Milch-                          4 M. Velik et al.: Milchbetonte Rindertypen in der Stiermast –
und Fleischleistung negative Beziehungen bestehen,                             ­L eistungsvermögen, Fleischqualität, Effizienz, Wirtschaftlich-
                                                                                keit und Umweltwirkung von 3 Holstein Friesian-Genotypen
jedoch auch zwischen dem Milchleistungsniveau und                               und Fleckvieh. Zwischenbericht des Dafne-Projektes Nr. 101068
der Nutzungsdauer. Zugleich zeichnete sich eine deut-                           im Auftrag des BMLRT, 2018.
liche Abhängigkeit der Ergebnisse von der Fütterungs-
intensität ab. Diese wirkt sich bei den einzelnen Rassen
und den untersuchten Parametern sehr unterschiedlich
aus (Milchleistung, Mastleistung, Fitnessmerkmale).
Mit anderen Worten: Für jede Betriebssituation und je-
des Produktionssystem müssen daher sowohl geeigne-
te Rassen als auch ein optimales Futterniveau gewählt
werden, um zu guten betrieblichen Gesamtergebnissen                                             Dr. Leonhard Gruber
                                                                                                Institut für Nutztierforschung der HBLFA
zu gelangen. Absehbar ist, dass auch die Umweltwir-                                             Raumberg-Gumpenstein
kungen und die Effizienz neu bewertet werden müssen,                                            A-8952 Irdning-Donnersbachtal
wenn diese nicht allein auf die Milchleistung, sondern                                          dr.leonhard.gruber@gmx.at
auf das Gesamtsystem »Rind« bezogen werden.
                                                                            Johann Häusler, Dr. Georg Terler, Dr. Margit Velik
                                                                            Institut für Nutztierforschung der HBLFA Raumberg-Gumpenstein
Anmerkungen                                                                 A-8952 Irdning-Donnersbachtal
 1 L. Gruber et al.: Einfluss von Tränkedauer und Fütterungsinten­sität
   auf die Aufzuchtleistung von weiblichen Rindern verschiedener            Professor i.R. Dr. Alfred Haiger
   Genotypen. 43. Viehwirtschaftliche Fachtagung, 16.–17. März              Institut für Nutztierwissenschaften
   2016, Bericht HBLFA Raumberg-Gumpenstein, S. 75–90.                      der Universität für Bodenkultur Wien

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