GLEICHSTELLUNG ALS REGIONALENTWICKLUNG - ZUR SITUATION DER KOMMUNALEN GLEICHSTELLUNGS ARBEIT IN LÄNDLICHEN RÄUMEN DEUTSCHLANDS - BAG ...

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GLEICHSTELLUNG ALS
REGIONALENTWICKLUNG
ZUR SITUATION DER KOMMUNALEN
GLEICHSTELLUNGSARBEIT IN
LÄNDLICHEN RÄUMEN DEUTSCHLANDS

Eine Studie der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG)
kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen

                                              Bundesarbeitsgemeinschaft
Liebe Leser*innen,

das Thema „Ländliche Räume“ hat in den letzten Jahren           erreichen sind, da überholte Rollenbilder mit allen Auswir-
an Aktualität nicht verloren. Bund, Länder und Kommu-           kungen für beide Geschlechter fester verankert sind und da
nen befassen sich auf unterschiedlichen Ebenen mit ihrer        eine gleichberechtigte Teilhabe an allen Lebensbereichen
Förderung, wie zum Beispiel mit dem Europäischen Land-          deutlich weniger realisiert wird.
wirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes
(ELER). Zu unterschiedlichen Themen werden vielfältige          Mit der vorliegenden Studie wird die Arbeit der kommuna-
Projekte initiiert und gefördert. Überwiegend handelt es        len Gleichstellungsbeauftragten ländlicher Räume erstmals
sich um Bereiche wie öffentlicher Personennahverkehr,           bundesweit beleuchtet. Sie zeigt auf, wie sich die Arbeit der
Gesundheitsversorgung, Infrastruktur und Ausbau der Breit-      Gleichstellungsbeauftragten gestaltet und welche Auswir-
bandversorgung, da die Kommunen qua Grundgesetz den             kungen sie auf das Leben der Bewohner*innen in ländlichen
Auftrag haben, die Daseinsvorsorge für die Bürger*innen         Räumen hat.
sicherzustellen und für gleichwertige Lebensverhältnisse auf
dem Land zu sorgen.                                             Wir, die Sprecherinnen der Bundesarbeitsgemeinschaft
                                                                (BAG) kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen,
Die Gleichstellung von Frauen und Männern und die gleich-       freuen uns sehr, dass mit der Studie eine Wissenslücke zur
berechtigte Teilhabe an allen Lebensbereichen wird von der      Gleichstellungsarbeit in ländlichen Räumen geschlossen
aktuellen Förderpolitik wenig bedacht. Damit sind wir bei der   werden kann. Wir bedanken uns bei den Kolleginnen, die
wichtigen Arbeit der kommunalen Gleichstellungsbeauf-           sich mit ihrer Expertise zur Verfügung gestellt haben, und
tragten: Sie sorgen gemeinsam mit vielfältigen Akteur*innen     besonders danken wir dem BMFSFJ, das die Durchführung
und Netzwerkpartner*innen dafür, dass die strukturelle Be-      der Studie ermöglicht hat.
nachteiligung von Frauen in ihrer ganzen Breite in den kom-
munalen Verwaltungen und in der Öffentlichkeit wahrge-          In der Hoffnung, dass die Ergebnisse dieser Studie ein Bau-
nommen wird. Sie engagieren sich für gesellschaftliche und      stein für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse
politische Veränderungen, damit Gleichstellung von Frauen       auf dem Land sind und die gleichberechtigte Teilhabe an
und Männern umgesetzt werden kann. Für Bürger*innen             allen Lebensbereichen für Frauen und Männer fördern, wün-
der ländlichen Räume ist das von besonderer Relevanz, da        schen wir Ihnen viel Freude beim Lesen – und einen großen
aufgrund mangelnder Mobilität Hilfsangebote schwerer zu         Erkenntniswert.

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INHALTSVERZEICHNIS
         Vorwort der Bundessprecherinnen..................................................................................................................................................................3
    1. „Die Transformation des Feminismus in den Dialekt“ .............................................................................................................6
    2. Verfassungsauftrag Gleichstellung ...............................................................................................................................................................8
         2.1 13 Länder, 30 Gesetze, aber eine Aufgabe – die Landesgesetzgebung................................................................................8
         2.2 Querschnittsziel Gleichstellung – die Europäische Union ...............................................................................................................9

    3. Methodik und Vorgehensweise ...........................................................................................................................................................................11
    4. Einflüsse auf die kommunale Gleichstellungsarbeit ...............................................................................................................14
         4.1 Gleichstellung in der Diaspora? – soziale Kontextfaktoren ..........................................................................................................14
             Persönlicher Kontakt......................................................................................................................................................................................................14
             Rollenbilder in ländlichen Räumen .....................................................................................................................................................................15
             Zugang zur Bevölkerung .............................................................................................................................................................................................15
                   Exkurs I: Landflucht – wer geht? ........................................................................................................................................................................ 16
         4.2 So individuell wie die Kommune – strukturelle Kontextfaktoren..............................................................................................18
             Gesetzliche Grundlagen ..............................................................................................................................................................................................18
             Stellenausgestaltung .....................................................................................................................................................................................................18
                Ohne Geld geht es nicht – das Budget ..................................................................................................................................................19
                Wie mit der Gießkanne – die Eingruppierung ...................................................................................................................................19
                Als Einzelkämpferin unterwegs – die personelle Unterstützung ...................................................................................... 20
                Gleichstellung braucht ihren Raum – die Arbeitsplatzsituation......................................................................................... 20
                Wie viel für gute Arbeit? – die Arbeitszeit ......................................................................................................................................... 20
                Alles on top? – die weiteren Aufgaben ...................................................................................................................................................21
                Entscheiden, was wichtig ist – der Handlungsspielraum .........................................................................................................22
                   Exkurs II: Gleichstellungsarbeit im Ehrenamt ....................................................................................................................................... 22
                   Verwaltungsstrukturen ................................................................................................................................................................................................24
                      Geächtet oder geschätzt? – die Strukturelle Einbindung in die Kommunalverwaltung ..................................24
                      Ins kalte Wasser – der Einstieg in die Arbeit ....................................................................................................................................24
                      Ein weites Feld – die Bedeutung von Gebietsreformen ..........................................................................................................25
          4.3 In Teilen unerreichbar – die Infrastruktur................................................................................................................................................... 26
              Soziale Infrastruktur ......................................................................................................................................................................................................26
                  Einsatz erforderlich – Gesundheit & Pflege .......................................................................................................................................26
                  Luft nach oben – Frauenhäuser und Beratungsstellen ............................................................................................................. 27
                  Der Putz bröckelt – soziale Orte ................................................................................................................................................................ 27
                  Wichtige Partnerinnen vor Ort – Bildungseinrichtungen .........................................................................................................28
                  Wesentlich für Vereinbarkeit – die Kinderbetreuung ...................................................................................................................28
                  Hier so, da anders – Wohnraum auf dem Land...............................................................................................................................29
              Technische Infrastruktur ........................................................................................................................................................................................... 30
                  Stillstehen oder vorankommen? – der ÖPNV ................................................................................................................................ 30
                  Internet an jeder Milchkanne – der Breitbandausbau ............................................................................................................... 30
                  Für Frauen prekär – der Arbeitsmarkt .....................................................................................................................................................31
          4.4 Fazit – Gleichstellungsarbeit ist individuell ..............................................................................................................................................31

4
5. Themen und Arbeitsschwerpunkte ........................................................................................................................................................... 32
       5.1 Eine persönliche Sache – Gewalt gegen Frauen & häusliche Gewalt ............................................................................... 33
       5.2 Parität erreichen – politische Partizipation und Repräsentation ............................................................................................. 33
       5.3 Wege finden – Frau & Beruf ................................................................................................................................................................................ 34
       5.4 Möglichkeiten ausschöpfen – Vereinbarkeit von Familie und Beruf .................................................................................. 35
       5.5 Das Bewusstsein schärfen – Rollenbilder ................................................................................................................................................. 35
       5.6 Überall ankommen – Mobilität........................................................................................................................................................................... 36
       5.7 Das Dorf beleben – Infrastruktur, Daseinsvorsorge und Demografie ..................................................................................37
       5.8 Mehr als Personalfragen – interne Gleichstellungsarbeit .............................................................................................................37
       5.9 Fazit – Gleichstellung muss gestärkt werden.........................................................................................................................................39
                 Exkurs III: Gleichstellung als Querschnittsaufgabe............................................................................................................................40

6. Strategien erfolgreicher Gleichstellungsarbeit ............................................................................................................................ 42
       6.1 Zusammen stärker sein – Vernetzung untereinander ..................................................................................................................... 42
       6.2 Lokale Bündnisse bilden – Kooperation in der Kommune ........................................................................................................... 43
                 Exkurs IV: Rechte Akteur*innen in ländlichen Räumen ................................................................................................................. 44
       6.3 Gleichstellung sichtbar machen – Öffentlichkeitsarbeit in ländlichen Räumen ........................................................ 45
       6.4 Fazit – Gleichstellungsarbeit strategisch angehen .............................................................................................................................47

7. Gleichstellung in ländlichen Räumen stärken – Handlungsansätze.................................................................. 48
8. Gleichstellung lohnt sich!........................................................................................................................................................................................ 52

Hinweis zum Anhang .....................................................................................................................................................................................................................54
Impressum ...............................................................................................................................................................................................................................................54

                                                                                                                                                                                                                                                              5
1. „DIE TRANSFORMATION
       DES FEMINISMUS IN DEN
       DIALEKT“

    Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland lebt in          jedoch nicht hergestellt. Auch Programme zur Struktur-
    Klein- und Mittelstädten oder in Dörfern auf dem Land. Der       förderung lassen das Thema Gleichstellung vermissen.
    Strukturwandel der letzten Jahrzehnte hat zwischen Regio-        Die Evaluationsberichte des Johann Heinrich von Thünen-
    nen eine tiefe Kluft entstehen lassen, die sehr unterschiedli-   Instituts zum europäischen ELER-Förderprogramm für
    che Lebensverhältnisse zur Folge hat: Während einige Regi-       fünf Bundesländer aus den Jahren 2007 bis 2013 belegen
    onen wachsen und prosperieren, stehen andere vor großen          das: Das Querschnittsziel Gleichstellung wird von den
    Herausforderungen im Zusammenhang mit Strukturschwä-             EU-Förderrichtlinien vorgegeben, jedoch ohne Angabe
    che und dem demografischen Wandel. Fördergelder aus               von Maßnahmen oder Kontrollmechanismen. Die Berichte
    EU, Bund und Ländern fließen daher in ländliche Regionen,         bescheinigen den meisten Bundesländern Erfolge vor allem
    um sie zu stärken und als eigenständige Lebens- und Wirt-        bei der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt. Diese
    schaftsräume zu erhalten. In diesem Zusammenhang hat             aber stärke in der gegenwärtigen Form vor allem strukturelle
    zuletzt die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“        Geschlechterunterschiede und prekäre Arbeitsverhältnisse,
    unter Vorsitz des Bundesministeriums des Innern, für Bau         wie zum Beispiel Minijobs und befristete Arbeitsverhältnisse,
    und Heimat (BMI), des Bundesministeriums für Ernährung           und wirke Gleichstellung eher entgegen.1
    und Landwirtschaft (BMEL) und des Bundesministeriums
    für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) politi-        Dabei ist die Gleichberechtigung der Geschlechter unab-
    sche Maßnahmen entwickelt, um Ressourcen gerechter zu            dinglich für eine nachhaltige gesellschaftliche und wirt-
    verteilen und damit strukturschwache Regionen in ganz            schaftliche Entwicklung – das wird vor allem im Kontext
    Deutschland zu stärken.                                          internationaler Entwicklungszusammenarbeit immer wieder
                                                                     betont.2 Zudem hat Deutschland sich in verschiedenen inter-
    Ländliche Entwicklung bzw. Regionalentwicklung hat jedoch        nationalen Abkommen, insbesondere dem Übereinkommen
    auch eine gleichstellungspolitische Dimension, die in der        zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
    Agenda für den ländlichen Raum meist zu kurz kommt.
    In dem Bericht vom BMEL zur ländlichen Entwicklung in
                                                                     1   Vergl. Thünen (2016): Ex-post-Bewertung. PROFIL – Programm zur
    Deutschland aus 2016 finden die Themen Gleichberechti-                Förderung im ländlichen Raum Niedersachsen und Bremen 2007 bis 2013.
    gung und Gleichstellung beispielsweise keine Erwähnung.              Braunschweig: Thünen, 306.
    Zwar werden weibliche Abwanderung, Ehrenamt von Frauen           2 Vergl. z.B. Franke, Silke / Schmid, Susanne (Hrsg.) (2013): Ohne Frauen ist
                                                                       kein Staat zu machen. Gleichstellung als Motor für nachhaltige Entwicklung.
    und Frauen als Fachkraftpotenzial für den Arbeitsmarkt
                                                                       München: Hanns Seidel Stiftung. Und: UN Women (2014): World Survey
    thematisiert, ein Zusammenhang zwischen Gleichstellung             On The Role Of Women In Development 2014. Gender Equality and
    als Querschnittsaufgabe und ländlicher Entwicklung wird            Sustainable Development. United Nations.

6
der Vereinten Nationen, und im Rahmen der nachhaltigen                        ƒ Welche Stärken und Schwächen weist kommunale
Entwicklungsziele zur Gleichstellung der Geschlechter ver-                      Gleichstellungsarbeit in ländlichen Räumen auf?
pflichtet. Durch europäische Abkommen und nicht zuletzt                        ƒ Gibt es Unterschiede zwischen einzelnen Regionen?
durch das Grundgesetz besteht der Auftrag, Geschlechter-                      ƒ Sind für den ländlichen Raum spezifische Gleichstel-
gerechtigkeit umzusetzen. In der Fachliteratur zu ländlichen                    lungsthemen auszumachen?
Räumen wird zunehmend ein Augenmerk auf die Situation                         ƒ Und vor allem: Welche Voraussetzungen benötigen
von Frauen und Chancengleichheit gelegt. Auch hier werden                       kommunale Gleichstellungsbeauftragte in ländlichen
meist die Erwerbssituation und die Abwanderung in den                           Räumen, um Gleichstellung erfolgreich umzusetzen?
Mittelpunkt gestellt. Europäische Studien zur Abwanderung
junger Menschen aus ländlichen Räumen zum Beispiel                            Die Studie hebt die zentrale Rolle der kommunalen Gleich-
verdeutlichen, dass deren Entwicklung eine starke ge-                         stellungsarbeit vor allem für Frauen und Familien hervor
schlechtsspezifische Dimension hat. Die Veröffentlichungen                     – in strukturschwachen wie in strukturstarken Kommunen.
zur Gesamtsituation von Frauen in ländlichen Räumen sowie                     Gleichzeitig stellt sie die Frage nach dem Potenzial kom-
zur Gleichstellung in der Regionalentwicklung bleiben aber                    munaler Gleichstellungsarbeit für ländliche Räume. Sie
übersichtlich.                                                                betrachtet soziokulturelle und strukturelle Kontextfaktoren
                                                                              und untersucht deren Einfluss auf die Gleichstellungsarbeit
Hier kommt die kommunale Gleichstellungsarbeit zum                            in den einzelnen Kommunen. Sie beleuchtet außerdem die
Tragen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) kommunaler                        konkreten Handlungsfelder von Gleichstellungsarbeit in
Frauenbüros und Gleichstellungsstellen hat in den vergan-                     ländlichen Räumen.
genen Jahren immer wieder Hinweise auf Unterschiede
zwischen der Gleichstellungsarbeit in urbanen und der                         Die Studie basiert auf den Erfahrungen der kommunalen
in ländlichen Räumen erhalten. Es ist festzustellen, dass                     Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten mit ihrer Arbeit in
Gleichstellungsbeauftragte3 aus ländlichen Räumen häufig                       Kommunen und Landkreisen ländlicher Räume. Diese sind
eingeschränkte Möglichkeiten haben, Angebote von Land                         nicht repräsentativ, aber sie machen die komplexe Situation
und Bund zu nutzen. Dafür haben sie zum Beispiel viele                        kommunaler Gleichstellungsarbeit deutlich und decken re-
unmittelbare, persönliche Kooperationsbeziehungen, die                        levante Aspekte für die Gleichstellungsarbeit in ländlichen
in Städten aufgrund der Vielfalt von Akteur*innen so nicht                    Räumen auf. Im Rahmen von Exkursen werden Phänomene
möglich sind. Es liegen jedoch bisher keine Studien vor,                      von besonderer gleichstellungspolitischer Relevanz nä-
die diese Erfahrungswerte belegen. Eine Befragung der                         her erläutert. Dazu gehören die Abwanderung von Frauen
BAG zur Situation kommunaler Gleichstellungsstellen und                       und rechte Akteur*innen in ländlichen Räumen, aber auch
Frauenbüros aus dem Jahr 2013 beleuchtet zwar allgemein                       Gleichstellung im Ehrenamt und Gleichstellung als Quer-
die Bedingungen kommunaler Gleichstellungsarbeit in                           schnittsaufgabe. Auf der Grundlage der Ergebnisse können
Deutschland,4 unterscheidet aber nicht zwischen urbanen                       anschließend gleichstellungspolitische Anliegen aufgezeigt
und ländlichen Räumen.                                                        und Handlungsansätze zu deren Stärkung in ländlichen
                                                                              Regionen geliefert werden. Denn die Verwirklichung von
Die Forschung zur kommunalen Gleichstellungsarbeit allge-                     Gleichstellung in ländlichen Räumen – die eine Studien-
mein in Deutschland ist begrenzt. Hier setzt die vorliegende                  teilnehmerin treffend als „Transformation des Feminismus
Studie an – als eine bundesweite qualitative Erhebung unter                   in den Dialekt“ bezeichnet – ist eine nach wie vor aktuelle
kommunalen Gleichstellungsbeauftragten. Sie betrachtet                        Herausforderung.
die Arbeit kommunaler Gleichstellungsbeauftragter in länd-
lichen Räumen näher und stellt folgende Fragen:

3 Die Begrifflichkeiten unterscheiden sich hier je nach Bundesland, es gibt
  Frauenbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte, Chancengleichheitsbe-
  auftragte und darüber hinaus Frauenbüros und Gleichstellungsstellen.
  In einigen Bundesländern gibt es auch Frauen- und Gleichstellungsbe-
  auftragte, die jeweils andere Aufgaben haben. Für alle Begrifflichkeiten
  gibt es nachvollziehbare Begründungen. Im Rahmen dieser Studie wird
  von Gleichstellungsbeauftragten gesprochen, da dies die inzwischen am
  weitesten verbreitete Bezeichnung ist.
4 Vgl BAG (2013): Zur Situation der kommunalen Gleichstellungsstellen und
  Frauenbüros – Eine Diskussionsgrundlage. Berlin: BAG.

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2. VERFASSUNGSAUFTRAG
       GLEICHSTELLUNG

       „ Männer und Frauen sind                                  2.1 13 Länder, 30 Gesetze,
           gleichberechtigt. Der Staat                               aber eine Aufgabe –
           fördert die tatsächliche                                  die Landesgesetzgebung
           Durchsetzung der Gleich-                              Wie die Gleichstellungsarbeit auf kommunaler Ebene ge-
           berechtigung von Frauen                               staltet wird, liegt in der Hand der Bundesländer. Seit den
                                                                 1990er-Jahren haben diese nach und nach gesetzliche
           und Männern und wirkt auf                             Regelungen zur Umsetzung des Gleichstellungsauftrags für
           die Beseitigung bestehender                           den öffentlichen Dienst beschlossen. Diese sind die Grund-
           Nachteile hin.
           Art. 3, Abs. 2 GG
                               “                                 lage der kommunalen Gleichstellungsarbeit und haben das
                                                                 Ziel, die berufliche Gleichstellung der Geschlechter in der
                                                                 Verwaltung sowie die allgemeine Gleichstellung der Ge-
                                                                 schlechter im öffentlichen Leben der Kommune zu fördern.
    Die Grundlage kommunaler Gleichstellungsarbeit in            Sie bedingen die Wirksamkeit der Gleichstellungsarbeit, da
    Deutschland ist in Art. 3, Abs. 2 des Grundgesetzes fest-    sie die Rahmenbedingungen für die Ausstattung, Rechte
    geschrieben: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“      und Pflichten der Gleichstellungsstellen setzen. In den 13 an
    Mit diesem Satz wurde das Gleichstellungsgebot 1949 an       der Studie beteiligten Bundesländern gibt es insgesamt 30
    prominenter Stelle im Grundgesetz der Bundesrepublik         Gesetze, die Regelungen zur Gleichstellungsarbeit auf Ge-
    verankert. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung           meinde- und Landkreisebene beinhalten. Die einzelnen Lan-
    wurde der Artikel 1994 um folgenden Satz ergänzt: „Der       desgleichstellungsgesetze, Kommunalverfassungen, Ge-
    Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleich-      meinde- und Landkreisordnungen etc. legen Rahmenbedin-
    berechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die        gungen fest – und unterscheiden sich grundlegend.5
    Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Die Gleichstellung
    der Geschlechter ist somit als Verfassungsauftrag für den    5 Die wichtigsten relevanten Punkte dieser uneinheitlichen Standards werden
    Staat im Grundgesetz festgelegt, dessen Verwirklichung im      hier kurz erläutert. Weitere Informationen zur Gleichstellungsgesetzgebung
    Kontext der kommunalen Selbstverwaltung auch Aufgabe           der Länder finden sich in: Gleichberechtigung und Vernetzung e.V. (Hrsg.)
                                                                   (2013): Landesgleichstellungsgesetze – Stand und Perspektiven. 2. Auflage.
    der Landkreise und Gemeinden ist.
                                                                   Hannover. Und: Stiegler, Barbara et.al. (2015): Mehr Geschlechter-
                                                                   gerechtigkeit durch Landesgesetze. 10 Bausteine einer erfolgreichen
                                                                   Gleichstellungspolitik. Eine Handreichung. Berlin: FES.

8
Die meisten Landesgesetze machen für kreisangehörige                         unbestimmt, es ist zum Beispiel von „Maßnahmen und
Kommunen die Ernennung von hauptamtlichen Frauen-,                           Beschlüssen, die Auswirkungen auf die Gleichstellung von
Gleichstellungs- bzw. Chancengleichheitsbeauftragten oder                    Frau und Mann haben“11 die Rede. Die Formulierung von
die Einrichtung vergleichbarer Maßnahmen an der Zahl                         Teilnahmerechten an und Initiativrechten in Gremien variiert
der Einwohner*innen fest. Die niedrigste Schwelle liegt bei                  ebenfalls. Sanktionsmöglichkeiten, wie ein Widerspruchs-
10.000 Einwohner*innen in NRW und Mecklenburg-Vor-                           recht mit aufschiebender Wirkung oder ein Klagerecht bei
pommern, die höchste bei 50.000 in Baden-Württemberg6.                       Missachtung der Gleichstellungsbeauftragten, sind nicht in
Einige Länder wie das Saarland und Rheinland-Pfalz machen                    allen Landesgesetzen verankert.
die Bestellung interner Frauenbeauftragter auf kommunaler
Ebene an der Beschäftigtenzahl einer Dienststelle fest.7                     Personelle und sachliche Mittel sind die Grundvorausset-
Kreisfreie Städte und Landkreise sind in der Regel in allen                  zung für die Arbeitsfähigkeit der Gleichstellungsstellen.
Bundesländern zur Bestellung einer Gleichstellungsbeauf-                     In den meisten Gesetzen ist lediglich eine unbestimmte
tragten verpflichtet. In Bayern sind nur kreisfreie Städte und                Formulierung der notwendigen und/oder angemessenen
Landkreise dazu verpflichtet, kreisangehörige Gemeinden                       Ausstattung enthalten,12 konkrete Angaben sind selten. In
wiederum nicht.8 Gemeinden, die nicht zu einer haupt-                        einigen Gesetzen wird dieser Aspekt gar nicht erwähnt. In
amtlichen Bestellung verpflichtet sind, müssen in einigen                     Brandenburg soll wiederum die Ausstattung der Gleich-
Bundesländern dennoch eine Gleichstellungsbeauftragte                        stellungsbeauftragten per Satzung geregelt werden.13
bestellen, entweder im Neben- oder im Ehrenamt. Grund-                       Die Bestellung einer offiziellen Vertretung der Gleichstel-
sätzlich können aber alle Gemeinden als so genannte frei-                    lungsbeauftragten ist ebenfalls unterschiedlich geregelt.
willige Leistung eine Gleichstellungsbeauftragte einsetzen.                  Einige Länder verpflichten zur Bestellung einer ständigen
Haupt- und Nebenamt sind in den Ländern nicht einheitlich                    Vertretung oder einer Abwesenheitsvertretung. Andere
definiert. Die Gleichstellungsbeauftragte wird entweder                       Länder (z. B. Niedersachsen) wiederum eröffnen nur die
von den Gemeindevertretungen bzw. dem Kreistag bestellt                      Möglichkeit einer Bestellung oder machen keine Vorgaben
oder – im internen Bereich – durch die zumeist weiblichen                    (wie Brandenburg und Baden-Württemberg).14 Qualifikation
Beschäftigten gewählt. Die Wahl erfolgt immer befristet,                     und Vergütung der Gleichstellungsbeauftragten sind in der
während die Bestellung meist unbefristet ist. Mehrheitlich                   Regel nicht näher beschrieben.
ist in den Gesetzen festgeschrieben, dass nur Frauen als
Gleichstellungsbeauftragte ernannt werden können. Aus-                       In den vergangenen Jahren wurde die Gleichstellungsgesetz-
nahmen sind Bayern, Hamburg und Thüringen.9 Innerhalb                        gebung in mehreren Bundesländern reformiert. Die rechtli-
der Länder gelten zum Teil unterschiedliche Regeln für                       chen Grundlagen kommunaler Gleichstellungsarbeit haben
Landkreise und Kommunen, die für die Bestellung der jewei-                   sich aber auch nach den Reformen nur minimal angenähert.
ligen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten wiederum                       Alle Gleichstellungsbeauftragten sind zwar derselben Aufga-
unterschiedliche Voraussetzungen schaffen.                                   be verpflichtet, aber mit teils sehr unterschiedlichen Möglich-
                                                                             keiten zur Umsetzung ausgestattet. In der Konsequenz wird
Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte sind in der Regel                     der Verfassungsauftrag des Staates auf der kommunalen
innerhalb und außerhalb der Verwaltung tätig und in vielen                   Ebene nicht einheitlich und flächendeckend erfüllt.
Fällen direkt an die Verwaltungsleitung angegliedert. In
einigen Bundesländern, so in Hessen und Rheinland-Pfalz,                     2.2 Querschnittsziel Gleichstellung
sind diese Tätigkeiten rechtlich getrennt, können aber un-
ter bestimmten Voraussetzungen verbunden werden.10 Die                           – die Europäische Union
Beauftragten sind in der Regel in der Wahrnehmung ihrer                      Die Gleichstellungsarbeit in Deutschland wird darüber hinaus
Aufgaben nicht weisungsgebunden, damit sie bei der Um-                       im Rahmen der europäischen Integration auch von der EU
setzung des Gleichstellungsauftrages unabhängig sind. Dies                   beeinflusst, die ein wichtiger Motor für Gleichstellung in ihren
gilt jedoch nicht immer für die externe Gleichstellungsarbeit                Mitgliedsstaaten ist. Zu Beginn befasste sie sich vor allem
und damit auch nicht für die Öffentlichkeitsarbeit. Rechte                   aus wirtschaftlichen Gründen mit der Lohnungleichheit zwi-
und Pflichten der Gleichstellungsbeauftragten sind sehr                       schen Männern und Frauen, dann wurde mit dem Vertrag von
unterschiedlich ausformuliert. Zum Teil sind die Formulie-                   Amsterdam 1997 Gender Mainstreaming als EU-Strategie
rungen sehr konkret, das Personalwesen und die Teilnahme                     verbindlich festgelegt. Mit ihren Richtlinien, Verordnungen
an Einstellungsgesprächen werden zum Beispiel häufig                          und Förderprogrammen, die Gleichstellung seitdem als
erwähnt. In anderen Ländern bleiben die Formulierungen                       Querschnittsziel berücksichtigen müssen, fördert die EU die
                                                                             Gleichstellung der Geschlechter in ihren Mitgliedsstaaten.
6 Vgl. §5, Abs.2 GO NRW, §41, Abs.1 KV M-V und §24, Abs. 1 ChancenG.
7   Vgl. §21, Abs. 1 LGG Saarland und § 18 Abs. 1 LGG Rheinland-Pfalz
8 Art. 20, Abs. 1 BayGlG                                                     11 § 18, Abs. 3 BbgKVerf
9 3. Teil BayGlG / §18, Abs.1 HmbGleiG / §15, Abs. 2 Thüringer Gleichstel-   12 Vgl. z.B. § 19, Abs. 2 SächsFFG
  lungsgesetz                                                                13 § 18, Abs. 3 BbgKVerf
10 § 15, Abs.1 HGlG/ §18, Abs.5 LGG Rheinland Pfalz                          14 Vgl. § 8, Abs.2 NKomVG, §18 BbgKVerf und Abschnitt 4, §24-27 ChancenG

                                                                                                                                                        9
Die Verankerung von Gleichstellung als Querschnittsziel gilt              In der Theorie müssen folglich alle Programme und Maß-
     auch für die Förderpolitik der EU-Strukturfonds. Die EU spielt            nahmen unter den Strukturfonds das Querschnittsziel
     im Kontext der ländlichen Entwicklung eine wichtige Rolle:                Gleichstellung entsprechend beinhalten. Die Praxis ländlicher
     Ein großer Teil der Entwicklungsprogramme in Deutschland                  Entwicklung in Deutschland wird dem jedoch oft nicht in aus-
     wird über EU-Gelder finanziert. Dafür stehen u. a. der Euro-               reichendem Maße gerecht. Das Thünen-Institut für ländliche
     päische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des länd-                Räume stellt in seinen Evaluationen von ELER-Entwick-
     lichen Raums (ELER), der Europäische Fonds für regionale                  lungsplänen für den ländlichen Raum fest: „Trotz des för-
     Entwicklung (EFRE) und der Europäische Sozialfonds (ESF)                  derpolitisch begrenzten Potenzials des ELER zur Umsetzung
     zur Verfügung.                                                            gleichstellungspolitischer Ziele gibt es Ansatzpunkte, Gleich-
                                                                               stellungsaspekte zukünftig stärker zu berücksichtigen.“16 Ob
     In einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des                   dies in der Zukunft geschehen wird, ist jedoch fraglich. Denn
     Rates vom 20.12.2013 heißt es: „Die Mitgliedstaaten und                   im Zuge der Umstrukturierung der Strukturfonds für die neue
     die Kommission stellen sicher, dass die Gleichstellung von                Förderperiode 2021-2027 werden von der EU wieder mehr
     Frauen und Männern und die Berücksichtigung des Gleich-                   Kompetenzen an die Mitgliedsstaaten, in Deutschland an
     stellungsaspekts während der gesamten Vorbereitung und                    Bund und Länder, übertragen. Dies wirkt sich laut der Agentur
     Umsetzung der Programme auch in Bezug auf Begleitung,                     für Querschnittsziele im ESF auch auf das Querschnittsziel
     Berichterstattung und Bewertung berücksichtigt und geför-                 Gleichstellung aus, das in Folge der Umstrukturierung deut-
     dert werden.“15                                                           lich geschwächt werden wird. 17

                                                                               16 Thünen (2016): Ex-post-Bewertung. Entwicklungsplan für den ländlichen
                                                                                  Raum des Landes Hessen 2007 bis 2013. Braunschweig: Thünen, 309.
                                                                               17 Agentur für Querschnittsziele im ESF (2018): Empfehlungen für die
                                                                                  Implementierung und Konsolidierung der Querschnittsziele Gleichstellung
     15 EU (2013): Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments      der Geschlechter, Antidiskriminierung und Ökologische Nachhaltigkeit im
        und des Rates vom 17. Dezember 2013 Artikel 7. EU.                        Europäischen Sozialfonds in der Förderperiode 2021–2027. Berlin.

10
3. METHODIK UND
                                                VORGEHENSWEISE

                                             Forschungsgegenstand                                              Einzugsbereich und periphere Lage zu großen Zentren“.19
                                                                                                               Zweitens geht sie über den einfachen Gegensatz Stadt-Land
                                             Gegenstand der Forschung für diese Studie ist die kommu-          hinaus, bleibt dabei aber übersichtlich. Nach dieser Definition
                                             nale Gleichstellungsarbeit in ländlichen Räumen Deutsch-          machen die ländlichen Räume in Deutschland rund 91 % der
                                             lands, mit Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der            Fläche aus und beheimaten etwa 57 % der Gesamtbevöl-
                                             öffentlichen Verwaltung als zentralen Akteurinnen. Kommu-         kerung.20
                                             nale Gleichstellungsbeauftragte sind die Beauftragten der
                                             öffentlichen Verwaltung von Gemeinden und Landkreisen,            Für die Stichprobenauswahl der Studie wurde außerdem
                                             die für die Umsetzung des staatlichen Gleichstellungsauf-         anhand von Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und
                                             trages innerhalb der Verwaltung und/oder im öffentlichen          Raumforschung die sozioökonomische Entwicklung in die
                                             Leben der Gemeinde oder des Landkreises zuständig sind.           Kategorien wachsend, stagnierend und schrumpfend un-
                                             Wie auch aus einer früheren Erhebung der BAG hervorgeht,          terteilt, um die erheblichen Differenzen wirtschaftlicher und
                                             blickt ein Großteil der kommunalen Gleichstellungsbe-             gesellschaftlicher Entwicklung in den ländlichen Räumen
                                             auftragten in Deutschland auf eine langjährige Arbeitser-         Deutschlands abzubilden.21 Diese Faktoren bestimmen die
                                             fahrung zurück und besitzt eine vielfältige fachspezifische        Arbeitsbedingungen und Themenschwerpunkte kommuna-
                                             Expertise für diesen Bereich.18 Damit sind sie Expertinnen für    ler Gleichstellungsbeauftragter wesentlich. Schließlich kann
                                             Gleichstellungsarbeit in ihren Kommunen, und sie kennen           nur unter Berücksichtigung dieser Vielfalt der Heterogenität
                                             die besonderen Herausforderungen, die diese Arbeit mit sich       der ländlichen Räume Rechnung getragen und ein möglichst
                                             bringen kann.                                                     realistisches Bild der Gleichstellungsarbeit in ländlichen
                                                                                                               Räumen gezeichnet werden.
                                             Stichprobenauswahl
                                                                                                               Forschungsprozess
                                             Um die Zielgruppe einzugrenzen, wurde für die Studie eine
                                             Abgrenzung des Begriffs „Ländlicher Raum“ vorgenommen.            Die Datenerhebung erfolgte in einem zweistufigen qualita-
                                             Das Thünen-Institut für ländliche Räume hat eine Typologie        tiven Forschungsprozess und wurde von einer quantitativen
                                             entwickelt, die zwischen sehr ländlichen, eher ländlichen und     Erhebung der Rahmendaten ergänzt. Die Befragten hatten
                                             nicht-ländlichen Räumen unterscheidet. Aus zwei Gründen           den Spielraum, ihre Lebenswelt in eigenen Worten zu
                                             eignet sich diese besonders: Erstens basiert sie auf einer        beschreiben und das zu schildern, was für sie von Bedeu-
                                             weiter gefassten Definition von Ländlichkeit und berück-           tung ist. Auf diese Weise können zentrale Arbeitszusam-
                                             sichtigt nicht lediglich die Siedlungsdichte. Ländlichkeit wird   menhänge erfasst werden. Eine solche offene Methode
                           www.flaticon.com
                             w.flaticon.com

                                             definiert als „eine Kombination räumlicher Merkmale in             ist insbesondere deshalb relevant, da die kommunale
                                             Bezug auf geringe Siedlungsdichte, lockere Wohnbebauung           Gleichstellungsarbeit ein weites Feld von variierenden The-
Icon: made by Freepik from www.

                                             und eine Prägung der Landschaft durch land- und forstwirt-
                                             schaftliche Flächen sowie eine geringe Einwohnerzahl im           19 Küpper, Patrick (2016): Abgrenzung und Typisierung ländlicher Räume.
                                                                                                                  Thünen Working Paper 68. Braunschweig: Thünen, 4.
                                                                                                               20 Ebd., 27.
                                                                                                               21 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (2017):
                                                                                                                  Wachsen und Schrumpfen von Kreisen und Kreisregionen im Zeitintervall
                                             18 Vgl. BAG (2013)                                                   2010 bis 2015 im bundesweiten Vergleich. Bonn: BBSR.

                                                                                                                                                                                          11
menschwerpunkten und Arbeitsbedingungen darstellt. Aus                                                                 Zur Datenerhebung wurden im ersten Schritt explorative
     Erfahrungswerten der BAG im Umgang mit Kolleginnen der                                                                 Tiefeninterviews mit acht kommunalen Gleichstellungsbe-
     ländlichen Räume lagen folgende Annahmen der Studie zu-                                                                auftragten durchgeführt, darunter fünf Kommunen und drei
     grunde: ein allgemeiner Ressourcenmangel, die Problematik                                                              Landkreise. Die Interviews dienten dazu, das Feld „Kommu-
     von Gleichstellung im Ehrenamt, die Spezifizität themati-                                                               nale Gleichstellungsarbeit“ abzustecken und anhand der Da-
     scher Schwerpunkte für ländliche Räume, die Notwendigkeit                                                              ten ein Kategoriensystem für die zweite Stufe zu entwickeln.
     thematischer Schwerpunktsetzung sowie der variierende                                                                  Die Auswahl der Interviewpartnerinnen erfolgte vor allem
     Einfluss der unterschiedlichen Landesgesetzgebung.                                                                      unter Berücksichtigung der Kategorien Ländlichkeit und so-
                                                                                                                                                                         zioökonomische Entwicklung.
                                                                                                                                                                         Des Weiteren wurden die As-
                                                                                                                                                                         pekte Tätigkeitsdauer, Haupt-,
                                                                                                                                                                         Ehren- oder Nebenamt,
                                                                                                                                                                         geographische Lage sowie
                                                                                                                                                                         eine angemessene Ost-West-
                                                                                                                                                                         Verteilung berücksichtigt. Die
                                                                                                                          ŝīĞƌĞŶnjŝĞƌƵŶŐĚĞƌćŶĚůŝĐŚŬĞŝƚ                         schnittlich zwei Stunden und
                                                                                                                               ƐĞŚƌůćŶĚůŝĐŚ
                                                                                                                                                                         wurden zwischen April und
                                                                                                                               ĞŚĞƌůćŶĚůŝĐŚ                             Juni 2018 persönlich vor Ort
                                                                                                                               ŶŝĐŚƚͲůćŶĚůŝĐŚ                            in den Kommunen durchge-
                                                                                                                                                                         führt. Ein offener Leitfaden
                                                                                                                                                                         gewährleistete die Vergleich-
                                                                                                                         ďŐƌĞŶnjƵŶŐůćŶĚůŝĐŚĞƌZćƵŵĞ͗dŚƺŶĞŶͲ/ŶƐƟƚƵƚĨƺƌ
                                                                                                                         >ćŶĚůŝĐŚĞZćƵŵĞϮϬϭϲ                            barkeit der Interviews.
unterschiedlichen Facetten von Gleichstellungsarbeit ans                                 ergänzt. Nach Abzug der nicht validen Fragebögen betrug
Licht zu bringen. Hierfür diente ein offener Leitfaden mit                               die Fallzahl 92. Darüber hinaus wurden Zahlen des statis-
folgenden Punkten:                                                                       tischen Bundesamtes zu Fläche, Einwohner*innenzahl und
                                                                                         Siedlungsdichte für die teilnehmenden Kommunen und
ƒ Themen- und Tätigkeitsschwerpunkte der Gleichstel-                                     Landkreise in der Auswertung herangezogen. Wie sich im
  lungsarbeit ländlicher Räume                                                           Laufe der Studie herausstellte, hätte eine Unterscheidung
ƒ Unterstützungsstrukturen für die kommunale Gleichstel-                                 auf Gemeindeebene zielführender sein können, da sich die
  lungsarbeit                                                                            Situationen in den einzelnen Kommunen auch innerhalb
ƒ Soziale und strukturelle Herausforderungen für die kom-                                eines Landkreises zum Teil stark unterscheiden. Dies war
  munale Gleichstellungsarbeit                                                           jedoch für die Fokusgruppen nicht umsetzbar, da je Kom-
ƒ Bewältigungsstrategien                                                                 mune maximal eine Gleichstellungsbeauftragte vorhanden
ƒ Zusammenhänge zwischen Infrastruktur und Gleichstel-                                   ist und die Bildung von Fokusgruppen gleicher Kategorien
  lungsarbeit                                                                            teils schon auf der Landkreisebene eine Herausforderung
ƒ Bedarfe kommunaler Gleichstellungsarbeit in ländlichen                                 war. Der Vergleich zwischen den verschiedenen Kategorien
  Räumen                                                                                 sozioökonomischer Entwicklung kommt so hauptsächlich
                                                                                         im Bereich der Infrastruktur zum Tragen. Die Kategorien
Analyse                                                                                  von Ländlichkeit haben sich als kaum relevant erwiesen.
                                                                                         Beide Kategorien werden im Folgenden nur dort erwähnt,
Die Fokusgruppen wurden zwischen November 2018 und                                       wo sie von Bedeutung waren. Aufgrund der zum Teil sehr
März 2019 durchgeführt. Im Rahmen einer qualitativen                                     individuellen Situationen in den Kommunen erscheint auch
Inhaltsanalyse wurden die Antworten der Fokusgruppen                                     ein Vergleich zwischen den Bundesländern über die gesetz-
transkribiert, zwecks intersubjektiver Überprüfbarkeit von                               lichen Unterschiede hinaus sehr schwierig. Auffälligkeiten
zwei Personen separat kodiert und anschließend vergli-                                   werden im Folgenden dennoch benannt.
chen. Gearbeitet wurde dabei mit einem Kategoriensys-
tem, das an den Transkripten der Interviews entwickelt                                   Für die Verwendung von Zitaten wurden die Fokusgruppen
wurde. Kodierung und Auswertung erfolgte mithilfe der                                    nach Reihenfolge der Durchführung nummeriert. Auf eine
qualitativen Analysesoftware MAXQDA, u. a. im Hinblick                                   nähere Beschreibung der Gruppen wird zugunsten der
auf allgemeine Schwerpunkte, Unterschiede zwischen                                       Anonymität der Teilnehmerinnen verzichtet. Alle direkten
Bundesländern und die verschiedenen Kategorien von                                       Zitate wurden im Originalton der Transkripte belassen
Ländlichkeit und sozioökonomischer Entwicklung. Die                                      und sind zum Teil umgangssprachlich formuliert. Wo dies
Fokusgruppen wurden mit einer quantitativen Erhebung                                     notwendig war, wurden sie für eine bessere Lesbarkeit dem
der Stellenausgestaltung in Form eines Kurzfragebogens                                   Satzbau angepasst.

Forschungsprozess
                                                                                                                            Betrachtung von:
                                                                                                                            k 2FCKCL SLB2ƭRGƓICGRQQAFUCPNSLIRCL
                                                                                              Kategorisierung der Inhalte

                                                              13 Fokusgruppen in 13 Bundes-                                 k QMXG?JCLSLBQRPSIRSPCJJCL#GLØSQQ
                                      Kategorienentwicklung

  8 Tiefeninterviews mit kommunalen                           ländern (95 Teilnehmerinnen,                                     faktoren
  Gleichstellungsbeauftragten                                 57 Städte & Gemeinden / 36                                    k 3LRCPQRǞRXSLƓQQRPSIRSPCLSLB          Handlungsansätze
  (5 Städte & Gemeinden /                                     Landkreise)                                                      Bewältigungsstrategien                 zur Stärkung von
  3 Landkreise)                                               Zusätzlich: Fragebogen zur                                    k CB?PDCL                               Gleichstellung
                                                              Stellenausgestaltung                                          Vergleich zwischen (alten & neuen)        in ländlichen
  X Abstecken des Forschungs-
  gegenstandes „kommunale                                     X Erfassung des Forschungs-                                   Bundesländern, Ländlichkeit und sozio-    Räumen
  Gleichstellungsarbeit“                                      gegenstandes in seiner                                        ökonomischer Entwicklung
                                                              Komplexität                                                   X Qualitative Inhaltsanalyse
                                                                                                                            der Fokusgruppen und Auswertung der
                                                                                                                            Fragebögen

                                                                                                                                                                                         13
4. EINFLÜSSE AUF
        DIE KOMMUNALE
        GLEICHSTELLUNGS-
        ARBEIT

     Über 40 % der Fokusgruppenteilnehmerinnen hat mehr als                      „und das hilft […] [vielen] mit dem wenigen Stundenpotenzi-
     zehn Jahre Erfahrung in der kommunalen Gleichstellungs-                     al“ (FG 5). Gleichzeitig gebe es wenig Fluktuation und damit
     arbeit in ländlichen Räumen, einige davon sogar mehr als 30                 eine große Beständigkeit unter Ansprechpartner*innen. Die
     Jahre. Etwas mehr als ein Viertel der Befragten ist zwischen                kommunalen Gleichstellungsbeauftragten agieren somit in
     fünf und zehn Jahren im Amt. Die Mehrheit der Befragten                     einem überschaubaren Umfeld und haben direkten Zugang
     verfügt damit über langjährige Erfahrung in der Gleichstel-                 zu relevanten Akteur*innen. Darüber hinaus schätzen sie
     lungsarbeit und umfassende Kenntnisse ihrer Region. Ihr
     Engagement erstreckt sich auf alle Bereiche der Verwaltung
     und des öffentlichen Lebens. Sie setzen sich für Belange der
                                                                                     „ Der Vorteil oder das Charmante
     Verwaltungsmitarbeiter*innen und der Bevölkerung ein und
                                                                                        […] bei der Arbeit im ländlichen
     sind Motor für Gleichstellungspolitik in den Kommunen.                             Raum ist tatsächlich, dass man
                                                                                        viele persönlich kennt […], Ak-
     Soziale und strukturelle Gegebenheiten der ländlichen
     Räume spielen in der Arbeit eine wichtige Rolle. Sie haben                         teure und Akteurinnen aus ganz
     einen erheblichen Einfluss auf den Fokus und den Spielraum
     der Gleichstellungsarbeit vor Ort. Im Folgenden werden die
                                                                                        unterschiedlichen Bereichen.
                                                                                        FG 10
                                                                                                                                “
     relevanten Faktoren und ihr Einfluss auf die kommunale
     Gleichstellungsarbeit näher beschrieben.                                    den direkten Zugang zu den Menschen vor Ort. Dieser er-
                                                                                 möglicht eine schnelle Einschätzung der Wirksamkeit von
                                                                                 lokalen Maßnahmen: „Dieses unmittelbare Agieren mit der
     4.1 Gleichstellung in der Diaspora?                                         Zivilgesellschaft und das unmittelbare Umsetzen – also […],
         – soziale Kontextfaktoren                                               man macht ein Projekt und man kriegt auch relativ sofort
                                                                                 heraus, klappt es oder klappt es nicht – das finde ich immer
     Persönlicher Kontakt
                                                                                 wieder einen ganz großen Vorteil meiner Arbeit“ (FG 1).
     Die „höhere Dichte der zwischenmenschlichen Bezie-
     hungen“22, die als Charakteristikum ländlicher Räume gilt,                  Auch für die ländliche Bevölkerung hat die persönliche
     wird von kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauf-                       Nähe gleichstellungsrelevante Auswirkungen auf den
     tragten ländlicher Räume durchweg als großer Vorteil in der                 Alltag. Ländliche Räume besitzen oftmals ein funktionales
     Arbeit beschrieben: „Der Vorteil oder das Charmante […]                     soziales Netz, das zum Beispiel in Fragen der Vereinbarkeit
     bei der Arbeit im ländlichen Raum ist tatsächlich, dass                     oder der Mobilität zum Tragen kommt: „ich glaube, dass es
     man viele persönlich kennt […], Akteure und Akteurinnen                     in den ländlichen Räumen noch mehr so was wie Nachbar-
                                                                                                                                                                           www.flaticon.com
                                                                                                                                                                             w.flaticon.com
                                                                                                                                                                                     n.com

     aus ganz unterschiedlichen Bereichen“ (FG 10). Der per-                     schaftshilfe und Zusammenhalt gibt. Das ist […] das Gute
                                                                                                                                                Icon: made by Freepik from www.flatico

     sönliche Kontakt mit Menschen ermöglicht ihnen zufolge                      dort“ (FG 6). So berichten Teilnehmerinnen der Studie zum
                                                                                                                                                                             w.

     in vielen Situationen eine individuelle Ansprache. Gepaart                  Beispiel von einer selbstverständlichen Hilfsbereitschaft,
     mit einer übersichtlichen Anzahl an Akteur*innen begünstigt                 wenn es um die Bewältigung von Strecken ohne öffentlichen
     dies kurze Kommunikationswege und direkte Absprachen –                      Nahverkehr geht. Viele profitieren außerdem von der Unter-
                                                                                 stützung von Familienangehörigen oder der Nachbarschaft
     22 Brunotte et.al. (Hrsg.) (2002): Lexikon der Geographie in vier Bänden.   in Fragen der Kinderbetreuung.
        Berlin: Spektrum, 302.

14
Die Kehrseite dieser Familiarität zeigt sich in einer hohen sozia-   der älteren Generation, ein Bewusstsein für die Notwendig-
len Kontrolle. Fehlende Anonymität wirkt sich in der Erfahrung       keit von Gleichstellungsarbeit zu wecken, „weil es zumindest
der Gleichstellungsbeauftragten vor allem auf die Wahrneh-           in der Generation 50 plus dieses Denken gibt, Gleichstellung
mung persönlicher Beratungsangebote aus: „Gerade wenn es             ist vorhanden und ist da, weil [die] gab es ja schon in der
dann vielleicht […] um Gewalt oder um andere Themen geht,            DDR und wir haben es ja nur fortgesetzt“ (FG 1).
ist es für manche Frauen vielleicht auch schwieriger zu mir zu
kommen, weil man sich auch immer wieder über den Weg                 Andere als heterosexuelle Orientierungen gelten im ländli-
läuft“ (FG 13). Die Angst, dass andere mitbekommen, dass             chen Raum oft als nicht relevant. Hinzu kommt, dass die Kir-
man eine Beratung aufsucht, oder die Wahrscheinlichkeit der          che nach wie vor eine starke Präsenz in ländlichen Räumen
beratenden Person im Alltag wieder zu begegnen, sind große           hat. Diese religiöse Prägung verstärke konservative Rollen-
Hemmnisse. Für „unbequeme“ frauenpolitische Themen,                  bilder: „Das mag auch religiös bedingt sein, […] die tradieren
wie häusliche Gewalt oder Trennung und Scheidung, gibt es            bestimmte Verhaltensweisen und auch Erscheinungsbilder
meist keine Öffentlichkeit. Zu themenspezifischen Angeboten           zum Teil sehr stark männlich, weiblich sortiert“ (FG 5). Dies
in diesem Bereich „kommt niemand, das ist dann einfach zu            wird jedoch nur von den Gleichstellungsbeauftragten der
stigmatisierend“ (FG 6), stellt eine Teilnehmerin fest. In der       alten Bundesländer benannt – die Vermutung, dass das auf
Konsequenz werden Beratungs- und Informationsangebote –              die geringe Bedeutung der Kirche in der Geschichte der DDR
sofern den Betroffenen möglich – oft in anderen Kommunen,            zurückzuführen ist, liegt nahe.
über möglichst unauffällige Kanäle wie Telefon und E-Mail
oder gar nicht angenommen.                                           Im Rahmen der Gleichstellungsarbeit werden vorherrschen-
                                                                     de Rollenbilder auch als Hindernis für die Durchsetzung
Die große persönliche Nähe und die Überschaubarkeit ländli-          von mehr Vereinbarkeit sowie alternativen Arbeitsmodellen
cher Räume stellen einen zentralen Vorteil in der Gleichstel-        wahrgenommen. Zudem sei infolgedessen „die Tabuisie-
lungsarbeit dar, da sie Kontakte zu anderen Akteur*innen und         rung gerade im Bereich häusliche Gewalt […] natürlich auf
die Nähe zu Zielgruppen fördern. Was sich für die Menschen           dem Land viel stärker“ (FG 6), betonen die Teilnehmerinnen
in der Bewältigung ihres Alltags positiv auswirkt, hemmt al-         aus sehr ländlichen Räumen. Insgesamt wird die Gleichstel-
lerdings Betroffene in der Inanspruchnahme von Hilfsange-            lungsarbeit oft mit Skepsis betrachtet. So sagen viele der
boten und erschwert damit eine angemessene Hilfestellung.            Befragten, man müsse Gleichstellung in ländlichen Räumen
                                                                     „mit Verpackung anbringen“ (FG 2), also Gleichstellung nicht
Rollenbilder in ländlichen Räumen                                    direkt, sondern über ein anderes Thema ins Gespräch brin-
                                                                     gen. Natürlich gebe es auch Gegenbeispiele: „Es gibt auch
Kommunale Gleichstellungsbeauftragte in eher ländlichen              durchaus […] auch im ländlichen Raum sehr feministische
und sehr ländlichen Räumen erleben Rollenbilder mehrheit-            Menschen, aber das gibt es halt auch nicht überall.“ Einige
lich als „tendenziell eher traditionell konservativ“ (FG 9). Dies    sehen aber Fortschritte in der Rollenwahrnehmung bei
spiegelt sich zum Beispiel in den gelebten Rollenbildern: „Es        jüngeren Menschen. Nicht nur in der oft durch einen hohen
ist doch einfach von der Struktur her, von der ganzen Bevöl-         Altersdurchschnitt geprägten öffentlichen Verwaltung sind
kerung her […] noch sehr im alten. Der Mann geht arbeiten,           Rollenbilder jedoch vielfach nach wie vor „ein Kampf“ (FG 2).
die Frau passt auf die Kinder auf, ja, das ist doch auch alles
gut so. Also das ist so […] die gesellschaftliche Entwicklung,       Traditionelle Rollenbilder sind folglich sowohl die Ursache
die ein bisschen zäh voranschreitet“ (FG 12).                        bestimmter Gleichstellungsproblematiken in ländlichen
                                                                     Räumen als auch ein Hindernis diese zu thematisieren.
Das Versorgermodell spielt erfahrungsgemäß noch eine                 Die hohe eigene Betroffenheit bei Gleichstellungsthemen
größere Rolle, zum Beispiel ist die Elternzeit von Männern           bewirkt einen Abwehrreflex, denn das Thema „geht an den
gesellschaftlich oft nicht anerkannt. „Was bist du denn für          Kern der eigenen Identität“ (FG 8). Zusätzlich fehlen oft al-
eine Flitzpiepe, für ein Weichei?“ – so beschreibt eine der          ternative Rollenbilder, die als Vorbild dienen könnten.
Teilnehmerinnen die Reaktion von Kollegen auf den Wunsch
nach Elternzeit, die ein junger Vater im Betrieb erlebt hat.         Zugang zur Bevölkerung
Auch in der Freizeit, in der klassischen Geschlechterteilung
beim Sport oder beim Ehrenamt in männlich dominierten                „Schatzsucherinnen“ – mit diesem Wort beschreibt eine
Gemeinderäten finden sich diese traditionellen Rollenbilder           Gleichstellungsbeauftragte ihre Aufgabe im ländlichen
wieder. Die Berufstätigkeit von Frauen ist dagegen in den            Raum. Eine weitere ergänzt: „Was ich auch spannend an
neuen Bundesländern historisch bedingt akzeptierter. Abge-           meiner Arbeit finde, ist, dass es gerade in den ländlichen
sehen von diesem Aspekt sind traditionelle Rollenbilder aber         Räumen so viel tolle Frauen gibt, die einfach irgendwo im
auch dort verbreitet, denn in der DDR „wurde ja Gleichbe-            Untergrund sind und […] wirklich total schwierig […] zu
rechtigung nicht zum Selbstzweck der Gleichberechtigung              entdecken.“ Ländliche Räume haben viel Potenzial, und es
gefördert, sondern weil man Arbeitskräfte brauchte“ (FG 1).          gibt eine hohe Einsatzbereitschaft der Menschen für das
Diese vermeintliche Gleichstellung erschwere es gerade in            eigene Dorf, die auf eine „hohe Identifikation mit dem eige-

                                                                                                                                      15
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