Glück ist kein Zufall - GS1 Germany
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5,50 Euro INNOVATION . STANDARDS . COMMUNITY. 1/2020 ERFOLG BEIM POKERN Glück ist kein Zufall Weltmeister Hossein Ensan über die Kunst, mithilfe der richtigen Daten kluge Entscheidungen zu treffen TO P T H E M A DATEN haftlichen Warum für wirtsc ät immer Erfolg Datenqualit – un d der wichtiger wird au f der Datenschutz nicht rf. Strecke bleiben da gs1.de
Top 1.000 Neuauflage Oktober 20 Stationärer 19 Einzelhandel Deutschland 2019 Marktstudie der 1.000 größten Vertriebslinien Detaillierter Überblick über die Top 1.000-Vertriebs- Excel-Datei: Gesamtübersicht der 1.000 Vertriebs- linien im stationären Einzelhandel, sortiert nach linien mit sortier- und exportierbaren Merkmals- Umsätzen im Geschäftsjahr 2018 ausprägungen: Einzigartiges Instrument für Wettbewerbs- und stationärer Umsatz je Vertriebslinie Marktanalysen sowie für die Akquisition neuer Partner Vertriebskanäle im Handel Anzahl Verkaufsstellen und Verkaufsfläche in qm PDF-Datei: Zusammenfassung der wichtigsten Gesamtumsatz des Unternehmens und Konzernumsatz Ergebnisse der Studie inkl. Kommentierungen und Adresse inkl. Geschäftsleitung Statistiken Branchenzuordnung und Preisstrategie Mitarbeiteranzahl Traffic Homepage und vieles mehr EHI Retail Institute GmbH Spichernstraße 55 50672 Köln Jetzt bestellen. Tel. +49 221 57993-64 Fax +49 221 57993-764 vertrieb@ehi.org Ja, ich bestelle die Studie „Stationärer Einzelhandel Deutschland 2019“ zum Preis von 980,00 €, zzgl. gesetzlicher MwSt., ISBN 978-3-87257-522-7 Firma: Tel. / Fax: Name: E-Mail: Straße, Nr.: PLZ, Ort: Datum Unterschrift Mit freundlicher Unterstützung von Herausgeber
DIE BEDEUTUNG VON (PRODUKTSTAMM)DATEN Franz-Olaf Kallerhoff, Vorsitzender der Geschäftsführung Procter & Gamble DACH, stellvertretender Aufsichtsr atsvorsitzender GS1 Germany Christian Bodi, Geschäftsführer L ogistik der Drogeriem arktkette dm, Aufsichtsr atsv orsitzender GS1 Germany tral durch eine neutrale Instanz hinsichtlich Vollständig- keit, Korrektheit und Konsistenz geprüft. Die von GS1 DQX besiegelten Daten können damit vom Handel ohne weitere Überprüfung angenommen werden. Dies hat einen großen Mehrwert für alle Seiten. Jetzt gilt es, an W enn Industrieunternehmen dem Handel ihre einem Strang zu ziehen. „Gemeinsam“ ist der Schlüssel Produktstammdaten übermittelt haben, gin- zum Erfolg und unsere Antwort auf eine der Herausfor- gen sie lange davon aus, dass sie diese in derungen für Industrie und Handel – vor allem auch im guter Qualität bereitstellen. Aber die Zeiten haben sich Interesse der Shopper. geändert und gut ist nicht mehr gut genug. Die Diskussion Nehmen wir uns jetzt der Sache an, geben wir ein zwischen Industrie und Handel über Qualität und Quantität Commitment ab für qualitativ hochwertige Produkt- von Produktstammdaten wird seit langem geführt. Jetzt stammdaten – gemeinsam als Community. Denn eine kommt neue Bewegung in den Dauerbrenner und wir sa- hohe Datenqualität zahlt letztlich auch hierauf ein: eine gen: Es ist höchste Zeit! Schließlich steigen die ohnehin optimierte Shopper Experience und somit auf die Zufrie- hohen Anforderungen an das Produktstammdatenma- denheit unserer Kunden. Welche Potenziale das Unter- nagement weiter an. Rund 450 Attribute können bereits nehmen Henkel in der zentralen Qualitätssicherung der heute Produkte aus der FMCG-Branche beschreiben. Zu- Produktstammdaten durch GS1 DQX sieht, welche An- nehmende Produktvielfalt, wachsender E-Commerce und forderungen sich intern ergeben, darüber spricht Paul Regulationen durch den Gesetzgeber sorgen für zusätz- Vetter, General Manager Laundry & Home Care, auf Sei- liche Dynamik. Zugleich steht der Shopper mehr denn je te 28 dieser Ausgabe. Das vorliegende Magazin zeigt, im Zentrum: Die Kunden möchten immer mehr wissen, wie wichtig und vielschichtig das Thema „Daten“ ist . Wir bevor sie sich für ein Produkt entscheiden. Sie fragen zu- wünschen Ihnen eine spannende Lektüre! nehmend Informationen ab und vertrauen auf die ihnen zur Verfügung gestellten Daten. Mit dem Datenqualitätsservice GS1 DQX (Data Quality DATENQUALITÄT: Fotos: Thomas Luther Excellence) haben Industrie und Handel gemeinsam mit GS1 Germany eine Lösung für alle Marktteilnehmer entwi- GUT IST NICHT ckelt, die die Qualität von Produktstammdaten signifikant erhöht. Der Vorteil: Die Produktstammdaten werden zen- GUT GENUG! collaborate 1/2020 3
Inhalt 08 Datenkapitalismus Sebastian Matthes, stell- vertretender Handelsblatt- Chefredakteur, fordert mehr Kontrolle der Datenkonzerne. 03 Editorial Christian Bodi und Franz-Olaf Kallerhoff, Aufsichtsräte von GS1 Germany, über die Qualitätsfrage bei Produktstammdaten. 42 Volkszählung 42 Outro Posting statt Protest: Persönliche Daten werden heute freizügiger offenbart als zu analogen Zeiten. 1987 gingen viele Menschen aus Angst vor staatlicher Überwa- chung gegen einen Fragebogen auf die Straße. „Die Digitalkonzerne brauchen Sicherheitsme- chanismen – zu ihrem eigenen Besten und zum Wohl der Gesellschaft.“ Sebastian Matthes, Handelsblatt 1/2020 INNOVATION.STANDARDS.COMMUNITY. 4
06 Short Cuts 08 Leitplanken für Google, Facebook & Co. Gegen das unkontrollierte Sammeln von Daten und den intransparenten Umgang damit müssen nach Meinung von Digitalexperte Sebastian Matthes klare Regeln gefunden werden. 11 Infografik: Galaktische Datenwelt Die globale Datenmenge wächst immer schneller und benötigt riesige Speicherkapazitäten. 12 Poker: Die Kunst der Datenanalyse Wer beim Pokern gewinnen will, braucht mehr als Glück: Strategisches Denken und die analytische Stärke sind ebenso wichtig, weiß Weltmeister 12 Spieler und Stratege Hossein Ensan. Im Interview verrät Hossein Ensan, dass beim Pokern jede Information 16 B8ta definiert Rolle des Einzelhandels neu zählt und er seine Partien im Nach- Das US-amerikanische Startup liefert Herstellern gang akribisch analysiert. spannende POS-Daten. 20 Effizienz auf der letzten Meile Ein neues Forschungsprojekt setzt auf innovative Netzwerklösungen für die Last-Mile-Logistik. 36 Short Cuts 22 Short Cuts 38 Glückwunsch! Beim Wissenschaftspreis 2020 wurde 24 Stefan Genth im Interview neben akademischem Erkenntnisge- Der HDE-Chef über den Datenschutz und die winn erstmals ein Startup prämiert. Chancen von KI im Handel. 40 atrify: Plattform in der Cloud 26 Unterschätzte Informationsquelle Geschäftsführer Jochen Moll sagt, Wie zwei namhafte Unternehmen Kunden- wie die Tochter von GS1 Germany den Fotos: Marc-Steffen Unger; dpa - Bildarchiv; iStock (2); Thomas Luther; GS1 feedback für Verbesserungen nutzen. Produktdatenaustausch unterstützt. 28 Herausforderung Produktstammdaten Henkel-Manager Paul Vetter über die Stärken des Data Quality Excellence Service. 29 INSIDE: Die Datenversteherin Tina Krämer verbindet bei Smart Data One mit ihrer Datenkompetenz Handel und Industrie. Herausgeber: GS1 Germany GmbH, Maarweg 133, 50825 Köln, 30 Printed with Saphira Eco Gesunder Fortschritt www.gs1-germany.de, Chefredakteur: Florian Flicke, Redaktionsleitung: Mirko Hackmann, Andreas Hesse, CvD: Michaela Im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Freynhagen, Redaktion: Michaela Freynhagen, Verena Krick, Stefan klimaneutral natureOffice.com | DE-136-458027 hat die Zukunft der Medizin bereits begonnen. Schütz, Autoren: Florian Flicke, Thomas Luther, Projektleitung: gedruckt Jan Leiskau, V.i.S.d.P.: Julia Lerch, Gestaltung: Ernst Merheim, Andrea 34 Logistik 4.0 für Ladungsträger Goerke, Verlag: planet c GmbH, Postfach 10 11 02, 40002 Düsseldorf, Tel.: 0211 54227-700, www.planetc.co, Geschäftsführung: Eine Gruppe unter Leitung von GS1 Germany Jan Leiskau, Andrea Wasmuth will Blockchain zum Durchbruch verhelfen. collaborate 1/2020 5
SHORT CUTS Das Lebenselixier von Industrie 4.0 Nach Dampfmaschine, Fließband und Computer erfindet sich die Weltwirtschaft gerade neu. Menschen, Maschinen und industriel- le Prozesse verbinden sich zu intelligenten Netzwerken. Im Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) kommunizieren Geräte, Anlagen und Sensoren fortlaufend miteinander. Den Treibstoff der vierten industriellen Revolution liefern Datenströme, die in digitalen Clouds jederzeit verfügbar sind. Das „Die Infrastruktur wirtschaftliche Potenzial ist riesig. ist die Mutter der Digitalisierung.“ 40 Dr. Hannes Ametsreiter, Geschäftsführer von Vodafone Deutschland Milliarden Euro Quelle: ADAC Podcast unterwegs.NRW plant die deutsche Industrie im Jahr 2020 für Industrie- 4.0-Anwendungen ein. Quelle: BMWi 6
CYBERSICHERHEIT Aufrüsten gegen den Daten-GAU 2020 wollen mehr als zwei Drittel der Unternehmen weltweit 5 Prozent oder mehr ihres IT-Budgets für Cybersicherheit aufwenden. Das sind deutlich mehr als im Vorjahr (56 Prozent der Unternehmen). Knapp jede dritte Firma plant sogar, mehr als 10 Prozent des IT-Budgets in die IT-Sicherheit zu stecken. Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle PwC-Studie „Digital Trust Insights“, für die 3.000 Führungskräf- te von Unternehmen in 81 Ländern befragt wurden. Wie wichtig ein hohes Sicher- heitsniveau ist, um sensible Kundendaten zu schützen, Online bezahlen: machte das Datenleck beim Autovermieter Buchbinder Anfang des Jahres deutlich. Im Januar wurde publik, dass 3,46 Millionen Mietverträge und persönliche Daten von drei Millionen Buchbinder-Kunden wochenlang ungeschützt im Netz zugänglich waren, darunter die Kontaktdaten von Politikern inklusive Mobilfunknummern. Milliarden Bezahlvorgänge wurden DATENBESCHLEUNIGER RFID von PayPal allein im Inventur ohne Zählen vierten Quartal 2019 Die Radiofrequenztechnologie (Radio Frequency Identification, RFID) ermöglicht abgewickelt. es, Ware ohne Sichtkontakt und ohne Unterbrechung des Warenflusses zu 2010 waren es lediglich erfassen. RFID-Chips können zum Beispiel durch Lkw-Wände oder im Pulk 340 Millionen. ausgelesen werden. Sie entfalten ihre Stärken vor allem dort, wo Barcodes an ihre Grenzen stoßen: im Wareneingang, in der Produktionssteuerung, Kommissionie- Quelle: Statista/PayPal rung und Inventur. Der Einsatz rechnet sich: Einzelhändler, die Etiketten durch RFID-Tags ersetzen, sparen 75 Prozent des Aufwands im Wareneingang und 80 Prozent bei der Inventur. OMNI-CHANNEL E (RFOLG SFA KTOR ) -CON TE N T Der Onlinehandel wächst unvermindert weiter und ist mittlerweile für rund drei Viertel der Deutschen zur Selbstverständlichkeit geworden. Das veränderte Kaufverhalten veranlasst viele Händler dazu, eine Omni-Chan- nel-Strategie zu entwickeln. Diese Neuausrichtung stellt hohe Anforde- rungen an das Stammdatenmanagement der Händler. Sie stehen vor der Aufgabe, die zahlreichen Produktinformationen der Hersteller zu verarbei- ten oder durch eigene Datenpflege zu erhalten und die verschiedenen digitalen Touchpoints effizient damit zu bespielen. Die Hersteller wieder- um müssen die heterogenen Wünsche der Händler nach digitalem Pro- Fotos: iStock; Chris Tille/Vodafone; GS1 dukt-Content möglichst zeit- und kostengünstig erfüllen. Die GS1 Anwen- Kanalübergreifendes Einkaufen: Ist dungsempfehlung eContent greift diesen Wunsch auf und bedient die ein Produkt im Geschäft nicht mehr verfügbar, bestellt der Kunde es stark steigende Nachfrage nach Produktdaten im Omni-Channel-Umfeld. direkt per Händler-App, sodass es nach Hause geliefert wird. Sie zeigt auf, wie sich Produktinformationen auf allen Marketing- und Vertriebskanälen transparent und standardisiert darstellen lassen. collaborate 1/2020 7
KAMPF UM DIE GASTBEITRAG DATENHOHEIT Die Privatsphäre, wie wir sie kannten, ist am Ende. Höchste Zeit, über neue Regeln zu sprechen, meint Sebastian Matthes, Stellver- treter des Chefredakteurs und Head of Digital beim Handelsblatt. S agen wir, wie es ist: Niemand wird in na- her Zukunft noch unbeobachtet leben können. Gerade erst haben sich viele Menschen an den Gedanken gewöhnt, dass Google und Facebook nahezu jede ihrer Bewegungen im Internet verfolgen, da kommt die nächste Generation von Geräten mit vernetzten Sensoren heraus: Smarte Uhren, Laufschuhe, Gürtel, sogar Yoga- matten wollen ihre Besitzer coachen – und überwachen. Viele Geräte werden in Zukunft auch die Stimme ihrer kannten, weil sich dieser Entwicklung niemand entziehen Besitzer belauschen: Ende 2018 waren weltweit bereits kann. Selbst wenn es ein Einzelner versuchen würde, kom- 2,5 Milliarden Geräte mit Sprachassistenten im Einsatz – muniziert er doch mit Menschen, bei denen die Technik im 2023 sollen es laut Jupiter Research acht Milliarden sein. Einsatz ist. Die ehemalige Harvard-Professorin Shoshana Auf diesem Weg entsteht eine unvorstellbare Menge Zuboff sieht die Welt daher an der Schwelle zum Zeitalter an Daten. Und die meisten dieser Daten fließen bei Unter- des „Überwachungskapitalismus“. Die großen Datenkon- nehmen wie Google, Amazon und Facebook zusammen, zerne seien in der Lage, immer bessere Vorhersagen über werden von ihnen analysiert, gespeichert und verwertet das Verhalten einzelner Menschen zu treffen: was sie kaufen Foto: iStock – oft, ohne dass Nutzer im Detail verstehen, was da vor werden, wie es um ihre Beziehung steht und welche Partei sich geht. Das ist das Ende der Privatsphäre, wie wir sie sie wahrscheinlich wählen. 8
zu verdienen. Er meint, dass die großen Internetkonzerne Kontrollverlust erzeugt Widerstand eine Größe erreicht haben, die es selbst für ganze Staaten Doch gegen die Logik dieses neuen Zeitalters regt sich unmöglich macht, sie unter Kontrolle zu bringen. Die US- Widerstand – und der war selten zuvor so spürbar wie auf Senatorin und frühere Präsidentschaftskandidatin dem Digitalfestival South by Southwest (SXSW) 2019 im Elizabeth Warren plädiert gar für eine Zerschlagung der texanischen Austin. Viele Jahre herrschte auf Veranstal- größten Technologieunternehmen. tungen wie diesen vor allem Begeisterung für das Neue. Tatsächlich ist in diesem neuen Datenkapitalismus eini- Die Helden waren Gründer, die wie aus dem Nichts die ges außer Kontrolle geraten. Ungehindert konnte der At- ganze Welt eroberten. „Move fast and break things“ war tentäter von Christchurch seinen Anschlag am 15. März das Motto von Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Nun fra- 2019 live über Facebook streamen – millionenfach verbrei- gen sich immer mehr Vertreter der Szene, ob dabei nicht tete sich das Video anschließend über das Netzwerk. In zu viel kaputtgegangen ist. Vertrauen zum Beispiel. Googles Heim-Sicherheitstechnik „Nest“ wurden Mikrofo- Roger McNamee etwa, der ehemalige Mentor von Zu- ne eingebaut, ohne dass Nutzer davon wussten. Und Ama- ckerberg, fordert eine Debatte darüber, ob es legal sein zon verschickte eine über Alexa aufgezeichnete intime sollte, Geld mit dem Kauf oder Verkauf von privaten Daten Unterhaltung versehentlich an einen wildfremden Nutzer. è collaborate 1/2020 9
Weltweites Ringen um ethische Standards So sehr die Konzerne die Analyse der Nut- zerdaten perfektioniert haben, so lax ist all- zu oft ihr Umgang mit diesen Daten und mit den auf ihren Plattformen veröffentlichten Inhalten. In einer vergleichbaren Situation war die Chemieindustrie vor einigen Jahr- ZUR PERSON zehnten. Die Konzerne wuchsen, machten Sebastian Matthes ist seit 2018 Stell- Gewinne, scherten sich aber wenig um kran- vertreter des Chefredakteurs und Head ke Anwohner und verseuchte Flüsse. Das of Digital beim Handelsblatt in Düssel- ging so lange, bis die Unternehmen gezwungen wurden, bes- dorf. Davor hat der Wirtschaftsjournalist die deutsche Ausgabe der Huffington sere Filter zu entwickeln und höhere Sicherheitsstandards GASTBEITRAG Post aufgebaut. Vor seinem Wechsel zur einzuführen. Heute stimmt zumindest bei der deutschen Che- HuffPost war der Experte für Digitalisie- mieindustrie nicht nur die Reputation, sondern auch die Bilanz. rung und Medieninnovation fünf Jahre Die großen Digitalkonzerne brauchen ebenfalls bessere als Leiter des Ressorts Technik und Sicherheitsmechanismen, zu ihrem eigenen Besten ebenso Wissen“ bei der Wirtschaftswoche tätig. wie zum Wohl der Gesellschaft. Das strengere EU-Daten- schutzrecht ist ein richtiger erster Schritt, der bereits weltweit Nachahmer findet. Zusätzlich sollten sich Plattformen wie Google und Facebook selbst ethische Standards geben – und ihnen gehören. Deshalb erklären die Unternehmen auch deren Einhaltung von einer unabhängigen Institution über- nie im Detail, was sie über ihre Nutzer wissen und was mit wachen lassen. diesem Wissen geschieht. Auch das muss sich ändern. Es Zudem müssen Nutzer ihre Daten leichter als bisher auf müssen ja nicht gleich so prominente Warnhinweise wie andere Plattformen übertragen können. Zu oft verhalten sich auf Zigarettenpackungen sein – doch sichtbarer als heute die großen Internetkonzerne so, als würden all diese Daten ginge es allemal. Viele Nutzer würden die Einwilligung zur Nutzung ihrer Daten überdenken, wenn sie wüssten, dass daraus sexuelle Vorlieben oder beginnende Depressionen „Das strengere EU- herausgelesen und als Information an Dritte weitergereicht werden können. Fotos: iStock; Marc-Steffen Unger Die neuen Regeln sind umso wichtiger, als China im Datenschutzrecht ist weltweiten Datenkapitalismus längst ganz andere Maßstä- be setzt. Wir erleben nicht nur einen verschärften Wett- ein richtiger erster streit um die globale Technologieführerschaft, sondern auch ein weltweites Ringen um die ethischen Standards des digitalen Zeitalters. Schritt, der bereits weltweit Nachahmer findet.“ 10
Galaktische Ausdehnung Das weltweite Datenaufkommen wächst immer schneller. Im Jahr 2025 wird das Volumen rund 175 Zettabytes (eine 175 mit 21 Nullen) betragen und sich damit gegenüber 2017 fast verachtfacht haben. 175.000.000.000.000.000.000.000 23 x Würde man die Datenmenge von 175 Zettabytes auf herkömmlichen DVDs speichern, überträfe der Stapel mit Datenträgern 23 Mal die Entfernung zwischen Erde und Mond. 4,4x Die weltweite 3x Datenmenge betrug 2019 rund 33.000 Exabytes VERGLEICH 1 Exabyte entspricht VERGLEICH GEWICHT einer Milliarde BEVÖLKERUNG 1 Terabyte = Gigabyte oder einer 1 Terabyte = 1 Person 1 Büroklammer Million Terabyte. 33.000 Exabytes = 33.000 Exabytes = 33 Milliarden 33.000 Tonnen Menschen (dreifaches Gesamt- (4,4 mal mehr als VERGLEICH gewicht des Eiffel- 2019 auf der Erde POPMUSIK turms) lebten) 33.000 Exabytes als Musikdateien = Playlist mit rund 176 Billionen Songs (Das Durchhören Mehr als eine Billion Fotos stellen würde 1.711.933.911 die Menschen weltweit jedes Jahr Jahre dauern.) online. Zudem laden sie hunderte Stunden Videos pro Minute hoch und stellen in jeder Sekunde zig- tausende Suchanfragen im Inter- net. Die riesige Menge an Daten, Illustration: iStockphoto, GS1 die so erzeugt und irgendwo ge- speichert wird, nimmt von Jahr zu Jahr exponentiell zu. collaborate 1/2020 11
DISZIPLIN UND G ENAUE ANALYSE Ein Gespräch mit Poker- weltmeister Hossein Ensan BRINGEN darüber, was gute Spieler DATENANALYSE ausmacht und welche Rolle Datenaufbereitung spielt. DEN ERFOLG Welche Fähigkeiten muss man mitbringen, auf dem Tisch hat und mit wie vielen Punkten, um wie Sie auf Topniveau zu pokern? also Chips, jeder Spieler startet, spielt eine Rol- Hossein Ensan: Poker ist vom Grundsatz her ei- le. Bei einem Eintagesturnier braucht man schät- ne Mischung von Intelligenz, Fähigkeit und Er- zungsweise 40 Prozent Glück, 60 Prozent sind fahrung. Und zwischendurch braucht man si- Erfahrung und all die anderen Fähigkeiten, die cherlich auch mal ein bisschen Glück. An erster man mitbringen muss. Bei einem Turnier, das Stelle steht jedoch, dass man das Spiel in seinen über drei Tage geht, reduziert sich der An- Grundsätzen in- und auswendig kennt. Denn nur teil des Faktors Glück auf 25 oder sogar dann kann ich als Spieler in einer bestimmten 20 Prozent. Wenn es sechs Tage dauert, Situation die strategisch beste Entscheidung liegen wir eher bei 15 Prozent. Aber Glück treffen – wobei ich jede Entscheidung unter Un- gehört grundsätzlich immer dazu. Das sicherheit und unvollständigen Informationen gilt für andere Sportarten aber auch: Auch fällen muss. Ich kenne ja das Blatt meiner Gegner im Fußball braucht ein Spieler das Glück, in nicht. Aber ich muss den Weg beherrschen, mir einem bestimmten Moment richtig zu stehen darüber eine möglichst genaue Vermutung zu oder einen schwierig zu spielenden Ball so zu verschaffen. Aus den verschiedenen Optionen erwischen, dass er auf das Tor geht. So muss gilt es dann, die bestmögliche Entscheidung zu man das auch beim Poker sehen. treffen – also beispielsweise mitzubieten oder zu passen. Woraus besteht der Teil, der nicht Glück ist? Aus Statistik und sauberer mathematischer Ana- Ist Poker eher Glück oder Strategie und lyse. Eine starke Hand wie zum Beispiel Ass und Mathematik? König hat in einem Sechstageturnier einen nicht Eine Mischung aus allem, aber in unterschiedli- so hohen Wert wie bei einem Turnier, das am chen Anteilen. Das lässt sich nicht in einem Satz selben Tag zu Ende geht. Das heißt: Der Wert erklären. Es kommt auf die konkrete Situation einer bestimmten Hand ist nicht immer gleich. an – zum Beispiel, wie lange das Turnier dauert. Ich muss aber den konkreten Wert meiner Hand Fotos: Thomas Luther; iStock Dementsprechend mehr oder weniger Hände bei meinem Spiel berücksichtigen – und dazu werden schließlich gespielt. Aber auch, welchen bin ich nur in der Lage, wenn ich die mathema- Wert das eigene Blatt im Verhältnis zum Pott tischen Grundregeln von Poker beherrsche. è 12
ZUR PERSON Hossein Ensan ist seit rund zehn Jahren professioneller Pokerspieler. Bevor der Deutsch-Iraner seine Karriere startete, war er selbstständiger Taxiunter- nehmer. Mittlerweile ist der Wahl-Münsteraner zu einem der erfolgreichsten deutschen Profispieler geworden. Seinen bisher größten Erfolg feierte Ensan mit dem Sieg bei der jährlichen Poker-Weltmeis- terschaft im Spielerparadies Las Vegas im Sommer vergangenen Jahres. collaborate 1/2020 13
Was ist daran Mathematik und Daten- analyse? Mathematik ist es in dem Sinne, dass ich für mei- nen Einsatz kalkulieren und viele Informationen auswerten muss: Wo liegt der Mindesteinsatz, der Big Blind? In welchem Rhythmus steigen die Blinds? Es gibt Turniere, da steigen die Min- desteinsätze alle 20 Minuten. Wie viele Spieler habe ich vor mir? Wie groß ist der Pott in der Tischmitte, um den gespielt wird? Wie viele Chips habe ich vor mir stehen? Und wie viele Leute sind insgesamt am Tisch? Bin ich zum Beispiel derje- Weg zum Erfolg: Hossein nige am Tisch, der den Big Blind bringen muss, Ensan trainiert systema- DATENANALYSE heißt das: Ich bin auf jeden Fall mit im Spiel – ob tisch, um wie in Las Vegas 2019 den Poker- ich will oder nicht – und kann dementsprechend tisch als Sieger zu auch Chips verlieren. Dann muss ich um diese verlassen. Dazu gehört Punkte kämpfen. Auf der anderen Seite kann ich auch das Studieren und Analysieren von Händen, nicht mit jeder Hand meinen Big Blind verteidi- also dem, was der gen oder mit reingehen. Pokerspieler als Karten in der Hand hat und was auf dem Tisch liegt. Kommt es also im Grunde nur darauf an, so nüchtern wie ein Computer zu spielen? Zumindest in dem Sinne, dass man die ganze Zeit rechnen und diszipliniert seine Hände spie- len und die Einsätze machen muss. nation Ass-Zehn einen höheren Wert als in einer frühen Position. Diese Zusammenhänge muss Also ist Poker am Ende nur reine ich kennen, denn nur so kann ich die erfolgsent- Mathematik? „Der Wert einer scheidende Frage beantworten: Lohnt es, mit Nicht ganz. Strategie gehört genauso dazu. Ein meiner Hand in das Spiel reinzugehen und mit- wichtiger Faktor ist zum Beispiel die Position, bestimmten Hand zubieten – und wenn ja, mit wie viel? auf der man sitzt. Vom sogenannten Bottom, der ist nicht immer den Spieler mit dem Big Blind markiert, geht es Wie trainieren Sie die Analyse der Spiel gleich. Ich muss mit dem Einsatz der Wetten los. Die Frage ist: situation und das Berechnen der Chancen? Wie viele Spieler kommen ab da zum Zuge? Wo aber den konkre- Das ist vom Grundsatz her nicht anders als bei sitze ich in dieser Reihenfolge? Es ist ein großer ten Wert meiner anderen Sportarten. Ohne Training, gute Vorbe- Unterschied, ob ich der Erste bin, der seinen Ein- reitung und ein Aufwärmprogramm kann ein satz nach den Blinds machen kann oder der Letz- Hand bei meinem Turnier schnell zu Ende sein, weil man in der ers- te. Position spielt eine große Rolle beim Pokern. Spiel berücksichti- ten Runde rausfliegt. Ich muss als Profisportler Nehmen wir an, ich habe einen Ass und eine Zehn gen – und dazu bin immer im Training sein. Zum Beispiel schaue ich auf der Hand. Das ist nicht ganz schlecht, aber sehr oft die Videomitschnitte meiner Partien an auch nicht so stark, um unbedingt mitzuspielen. ich nur in der Lage, und analysiere noch einmal die Hände, die ich Meine Entscheidung, ob ich das tue, hängt in wenn ich die ma- gespielt habe. Sicherlich versuche ich, am Tisch diesem Fall von der Position ab. Nehmen wir an, immer das Beste aus einer Situation zu machen. thematischen Aber zweifellos lassen sich Einschätzung und der ich biete als Letzter. Dann kann ich abwarten, wie viele Spieler vor mir wie viel setzen. Ich muss Grundregeln von Analyseprozess immer noch optimieren – also: Fotos: dpa (3); Getty Images dann die Wahrscheinlichkeiten durchrechnen, Poker beherrsche.“ Wie könnte ich eine bestimmte Hand besser spie- welche Kombinationen möglich sind und welchen len? Mit einem befreundeten Spieler, der ebenfalls Wert meine Hand in Relation zum Pott bekommt. auf Topniveau spielt und dessen Stil ich sehr gut Also kurz gesagt: Wenn ich in einer Runde eine kenne, spreche ich regelmäßig über diese oder Position weiter hinten habe, hat meine Kombi- jene Hand und was die Schlüsselhände sind. 14
Ihr Einsatz, bitte! Texas Hold‘em ist die mittlerweile bekannteste Poker-Variante. Bei ihr werden zunächst zwei Karten verdeckt an jeden Spieler ausgespielt. Es erfolgt eine erste Bieterrunde, wobei mit einem reihum laufenden Button zwei Spieler verpflichtet werden, jeweils den „kleinen“ (Small Blind) und den „großen“ Mindesteinsatz (Big Blind) zu bringen. Die Höhe der Blinds steigt über die Spieldauer hinweg. Nach der ersten Bieterrunde werden drei Karten auf dem Tisch ausgespielt (Flop), dann eine einzelne Karte (Turn) und dann Lässt sich das vergleichen mit den Big Points Tisch- oder Turniersituation in einer analogen noch einmal eine Abschlusskarte im Tennis? und nicht etwa digitalen Welt. Ich muss mir also (River), sodass insgesamt fünf Nur bedingt. Schlüsselhände sind diejenigen, die die Hände, die ich an einem Turniertag spiele, Karten offen liegen. Dazwischen die entscheidenden Punkte bringen – so weit entweder auf einem Zettel oder im Handy no- findet jeweils eine weitere stimmt der Vergleich. Aber die Fragestellung ist tieren. Dazu gehört die Angabe, ob ich mit dieser Bieterrunde statt. Den Pott eine andere: Könnte ich mit einer bestimmten Hand gewonnen oder verloren habe und welche gewinnt derjenige Spieler, der am Hand auf dieser oder auch einer anderen Positi- Position ich gehabt habe. Diese Daten gehe ich Ende zusammen mit seinen on vielleicht verlieren – und wenn ja, mit welcher abends immer durch und überlege, ob sich eine eigenen beiden – dann aufge- Wahrscheinlichkeit? Vielleicht könnte ich mit bestimmte Hand auch besser spielen lasse wür- deckten – Karten die höchste dieser Hand aber auch mehr gewinnen, als ich de oder ob es genau richtig war, wie ich gespielt Kombination vorweisen kann gewonnen habe. Aus diesem Grund besuche ich habe. Auch diese Spielsituation bespreche ich (Pärchen, Doppelpärchen, Full House etc.) oder wenn alle zwischen den Majors immer mal wieder kleinere mit befreundeten Spielern und oftmals stellt sich anderen Spieler zuvor gepasst Turniere – um zu trainieren und dort mit dem dann heraus, ob es richtig war, wie ich entschie- und ihre Karten weggeworfen Wert, den ich meinen Händen zuvor in anderen den und gesetzt habe. haben (folden). Wettkämpfen gegeben habe, zu experimentieren. Wie zum Beispiel kann ich anders spielen, wenn Wie trainieren Sie außerhalb des Poker ich ein Pärchen, sagen wir zwei Zehnen, auf die tisches? Hand bekomme und ohne Position oder aber in Ab und an versuche ich es mit Meditation, mache einer guten Position am Tisch sitze? aber auch körperlichen Sport – ähnlich wie die Schachspieler auch. Vor jedem größeren Turnier Das heißt: Sie trainieren sich auf Basis Ihrer trainiere ich die drei bis vier Monate zuvor inten- eigenen Spiele wie ein selbstlernender siv im Fitnessstudio, um körperlich, aber auch Algorithmus? mental fit zu sein. Schließlich gilt es, täglich acht Das ist mir zu pauschal und einfach ausgedrückt. bis zehn Stunden am Tisch zu sitzen und auf die Es geht vor allem um nachträgliche Datenauf- Aktionen meiner Mitspieler und den Spielverlauf bereitung und -analyse. Wir bewegen uns in der fokussiert zu sein. Jede Information zählt. collaborate 1/2020 15
B8TA B8ta lädt die Kunden förmlich dazu ein, nur zum Anschauen und Ausprobieren in die Läden zu kommen. 16
AU S P R O B I E R E N ausdrücklich erwünscht! In den Geschäften von B8ta stehen Beratung und Shoppingerlebnis – und weniger das Verkaufen – im Vordergrund. Die Business- Idee des US-amerikanischen Startups: den Geschäftspartnern aus der Industrie Einzelhandelsdaten vom POS liefern. D ie Revolution im Einzelhandel könnte nicht weiter stört. Denn anders als herkömmliche Händler man fast übersehen. Wer in San Francis- lebt die Firma nicht vom Warenumsatz, sondern erhebt cos Hipster-Stadtteil Hayes Valley den von den Herstellern eine monatliche Platzierungsgebühr, Laden der Handelskette B8ta betritt, die pro Tisch abgerechnet wird. wird Werbeplakate und Sonderangebo- te vermissen, noch nicht einmal Preisschilder gibt es dort. HERSTELLER WOLLEN MEHR ERFAHREN Und auch keine Verkäufer. Der Laden wirkt eher wie eine B8ta versteht Einzelhandel als Service und betreibt sein Galerie als ein Einzelhandelsgeschäft. Auf hellen Holzti- Geschäft als eine physische Plattform, auf der Unterneh- schen stehen – in großzügigem Abstand voneinander – men ihre Produkte präsentieren können. Smarte Produkt- Produkte wie drahtlose Lautsprecher, ein Heimroboter und präsentationen und eine exzellente Kundenberatung gehen eine elektrische Zahnbürste. jedoch nicht einher mit dem Zwang, etwas verkaufen zu Über nichts haben stationäre Einzelhändler in den ver- müssen. Für die Entkopplung von Handel und Verkauf gangenen Jahren derart geklagt wie über das sogenannte sprechen wichtige Argumente. „Aus der Sicht des Herstel- Showrooming, also das seit dem Aufstieg des E-Commer- lers funktioniert der klassische Einzelhandel nicht“, sagt ce üblich gewordene Phänomen, dass Kunden sich in ei- Phillip Raub. „Man wirft seine Produkte in ein schwarzes nem Laden beraten lassen, die Waren dann aber online Loch und hat wenig bis keinen Einfluss darauf, wie die Wa- kaufen, weil das billiger ist. Der auf den eigenen Vorteil re aufgestellt, zu welchem Preis sie am POS angeboten bedachte Kunde wurde zur größten Herausforderung für und wie sie dort beworben wird.“ Die meisten Händler traditionelle Händler. In Deutschland leiden darunter vor beanspruchten zudem die Beziehung zum Endverbraucher allem viele Fachgeschäfte in den Innenstädten. In den USA für sich allein. Als Hersteller erhalte man kaum Daten zum kämpfen Kaufhäuser seit Jahren mit sinkenden Margen, Kundenverhalten und Verkaufszahlen erst mit Verzögerung, mehrere Ketten sind bereits pleitegegangen. Allerdings so Raub weiter. „Die Produzenten suchen eine viel engere zeigt das Showrooming-Phänomen auch, dass der Online- Beziehung zum Verbraucher. Sie wollen verstehen, wie die handel einen Makel hat: Viele Kunden wollen bestimmte Konsumenten einkaufen“, sagt Raub. Produkte offenbar erst ausprobieren, bevor sie sie kaufen. Aus ihrer Analyse entwickelten Raub und seine Mitstrei- B8ta weist einen Ausweg aus der Krise. Die Handels- ter das Konzept für B8ta. „Wir betrachten uns als ein Ein- kette lädt die Kunden geradezu dazu ein, nur zum Anfas- zelhandels-Technologieunternehmen mit klarem Service- sen und Ausprobieren in die Läden zu kommen. „Viele versprechen für die Hersteller“, so Raub. In den B8ta Shops Leute schauen abends rein, wenn sie auf dem Weg zu ei- können die Hersteller Fläche mieten, um ihre Produkte nem Restaurant oder einer Bar sind. Oft wollen sie dann flexibel und auf Zeit zu präsentieren. B8ta sammelt Daten nicht mit einem Karton aus dem Laden gehen“, sagt Phil- am POS und versorgt die Hersteller ähnlich gut mit Infor- lip Raub, Präsident und Mitbegründer von B8ta, den das mationen, wie Onlinehändler das tun. Das Geschäftsmo- Fotos: B8ta è collaborte 1/2020 17
Neben jedem Produkt liegt ein Tablet, über das sich die Kunden zusätzlich infor- mieren können. B8TA dell funktioniert gut und spricht besonders Mar- schnelles Feedback. „Unsere Teams beantwor- kenhersteller an, die sich keinen eigenen Flag- ten Fragen innerhalb weniger Stunden“, sagt shipstore leisten können. Phillip Raub. B8tas Geschäftsmodell „Retail as a Service“ DATEN SAMMELN UND TEILEN ist aus der Online-Perspektive entstanden. Es Alle B8ta-Geschäfte sind mit 3D-Kameras aus- richtet sich vor allem an Hersteller, die ihre Pro- gestattet. Sie beobachten, wie die Kunden mit dukte ursprünglich ausschließlich über eigene den Produkten hantieren, was sie ausprobieren Webshops verkauft haben und nun in den stati- und wie lange sie sich damit beschäftigen. Neben onären Handel drängen. Hauptgrund für die jedem Produkt liegt ein Tablet, über das sich die neue Zweigleisigkeit: die aus Sicht vieler Herstel- Kunden zusätzlich informieren können. Es ist ler wachsende Bedeutung eines Zugangs zum sogar möglich, Preise zu vergleichen und Rezen- Verbraucher im physischen Verkauf. Ein Beispiel sionen zu lesen – ganz wie beim Onlineshopping. ist Quip. Zwar erzielt der Hersteller elektrischer Dazu kommt eine exzellente Beratung. Mitarbei- Zahnbürsten den größten Teil seines Umsatzes ter in schwarzen T-Shirts, die auf keinen Fall Ver- weiterhin über den eigenen Webshop. Von der käufer genannt werden wollen, erklären den Be- Partnerschaft mit B8ta erwartet Quip eine Reihe suchern Eigenschaften und Funktionen der Pro- von Vorteilen, vor allem Verbesserungen im Pro- »Die Produzenten suchen dukte. Nach jedem Gespräch geben sie auf dem duktdesign, eine bessere Markenkommunikati- eine viel engere Beziehung Tablet in anonymisierter Form ein, was der Kun- on in der innovativen Umgebung der B8ta- de über ein bestimmtes Produkt wissen wollte, Shops und einen allgemeinen Imagegewinn. zum Verbraucher. Sie wie lange er es in die Hand genommen und wel- wollen verstehen, wie die FAST WIE EIN EIGENER SHOWROOM che Kommentare er geäußert hat. B8ta verwen- Konsumenten einkaufen.« det eine spezielle Software, um auf Basis der Das Konzept von B8ta trifft einen Nerv vor allem P h i l l i p R a u b , P rä s i d e n t u n d gesammelten Daten detaillierte Reports zu er- bei Herstellern hochwertiger und beratungsin- M i t b e g r ü n d e r vo n B 8 t a Fotos: B8ta; DavidMagnusson; Vaude; privat stellen. Diese Berichte helfen den Herstellern, tensiver Qualitätsprodukte. Der „Retail as a ihre Produkte, das Design und die Art der Prä- Service“-Dienstleister kombiniert geschickt die sentation zu optimieren. Vorzüge des stationären Einzelhandels mit denen Die Hersteller haben Zugang zu allen Daten. des Onlinehandels. Da der Verkauf Nebensache Über eine Kommunikationsplattform stehen sie ist, sind keine größeren Lagerflächen nötig. Und zudem in Kontakt mit B8ta. Ein Chatbot meldet da jeden Monat neue Produkte ins Sortiment ihnen jeden einzelnen Verkauf mit Angaben zum aufgenommen werden, langweilen sich auch Erlös. Fällt dem Hersteller irgendetwas auf, etwa Stammkunden nicht, sondern finden stets neue eine ungewöhnliche Umsatzzahl, gibt B8ta Inspiration in den B8ta-Shops. 18 collaborate 1/2020
N a c h g e f r a g t „Beratung ist der Schlüssel zum Erfolg“ Markus Schelkle, Vertriebsleiter des Outdoorartikel- Herstellers Vaude, über die Bedeutung von POS-Daten für die Produktentwicklung und die Überbewertung des Showroom-Effekts. Welche Verkaufsdaten erhält Vaude von den stationären Händlern? Wir erhalten keine standardisierten Absatzdaten von den Händlern. Etwas anderes ist der standardisierte Austausch mit den Händlern zum Beispiel bei der Warenbestellung, die über EDI läuft. Einige Partner stellen uns auch Sales Reports zur Verfügung. Zum Ende jeder Saison ziehen unsere Vertriebsmitarbeiter mit den Händlern und Einkäufern Bilanz und analysieren die Verkaufszahlen. Dann können wir uns ein Bild davon machen, wie die Saison gelaufen ist. An welchen zusätzlichen POS-Daten wäre Vaude interessiert? Wertvoll wären Verkaufsdaten schon zu Beginn einer Saison, um frühzeitig zu erkennen, welche Artikel aus der aktuellen Kollektion absatzstark sind und welche nicht so gut funktionieren. Solche Daten würden uns auch wichtige Anhaltspunkte liefern, um die Kollektionen weiterzuentwickeln. Unsere Vertriebsmitarbeiter tauschen sich regelmäßig mit den Händlern aus. Aber anders als im Onlinehandel, wo Klickverhalten und Retou- renquote eine harte Datenbasis liefern, sind diese Daten nicht standardisierbar. Sehr spannend wären für uns auch mehr Daten über das Verhältnis von Verkaufsfläche, auf der unsere Produkte im Laden angeboten werden, und der Anzahl von Personen, die diesen Teil des Wie wichtig ist für Vaude die Kundenberatung im stationären Handel? POS durchqueren. Ergänzt durch Zahlen darüber, Extrem wichtig. Für uns ist ein exzellenter Beratungsservice der Schlüssel für wie viele Verkäufe jeweils ausgelöst werden. den Erfolg im stationären Handel. Wir investieren sehr viel in diesen Bereich. Die Beratungsqualität unterstützen wir mit einem umfassenden Schulungs- Kundenfeedback aus dem stationären Handel konzept für Mitarbeiter im Handel – sowohl analog als auch digital. Neben fließt also nicht direkt in die Weiterentwick- Präsenzschulungen an den Handelsstandorten bieten wir auf einer Help- lung des Produktangebots ein? Seite im Netz fundierte Informationen rund um die Vaude Produkte. Und wir Doch, aber nicht über eine Datenschnittstelle. Wir haben für Händler die Vaudepedia-App eingerichtet. Damit können Verkäu- haben eine Art Patensystem entwickelt, um Feed- fer den Barcode auf dem Artikel scannen und im Kundengespräch weitere back aus dem Handel für die Produktentwicklung Produktinfos abrufen. Schließlich kann kein Verkäufer alle Produkte im Detail zu nutzen: Jeder Produktmanager hat als Paten kennen. Aber er sollte in der Lage sein, schnell die Antwort auf eine Kunden- einen Außendienstmitarbeiter, der nahe am Händ- frage zu recherchieren. Außerdem bilden wir MItarbeiter im Handel zu Nach- ler und damit am Kunden ist. Online erhalten wir haltigkeitsexperten aus. Die Händler haben gemerkt, dass immer mehr Kun- über Kundenbewertungen ein direktes Meinungs- den wissen wollen, was ein schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen bild, das wir für die Produktentwicklung nutzen. bedeutet und wie Vaude dieses Versprechen einlöst. Wie begegnen Sie dem Showrooming-Phänomen, das impliziert, dass Kunden sich im stationären Handel beraten lassen und dann online woanders kaufen? Aus meiner Sicht, und das belegen auch Studien, findet derzeit eine Gegenbewegung statt. Statt Showrooming gilt immer häufiger das Ropo- Prinzip – also „Research online, purchase offline“. Ich glaube, dass viele Käu- fe im stationären Einzelhandel online vorbereitet werden. Wir unterscheiden beim POS auch gar nicht mehr so stark zwischen Onlinern und Offlinern. Das heißt, wir müssen die komplette Customer Journey sauber begleiten, egal wohin der Kunde geht. POS-Materialien sind dabei wichtig, aber noch wich- tiger ist gut geschultes Verkaufspersonal in den Geschäften. 19
LOGISTIK Der letzte Meter zählt Die Deutschen ordern immer mehr Pakete nach Smile – kurz für Smart-Last-Mile-Logistik – verfolgt daher Hause – dabei müssen gerade auf der letzten Meile den Ansatz kooperativer Vernetzung in urbanen und länd- lichen Räumen. Die zentrale Herausforderung des Projekts der Auslieferung die Abläufe stimmen. Innovative besteht darin, Verlader, Transportunternehmen, Pakete Lösungen setzen auf digitale Vernetzung und unter- sowie viele kleine Zustellplätze über alle Stufen der Liefer- nehmensübergreifende Zusammenarbeit. kette hinweg eindeutig zu identifizieren und eine unbe- schränkte Zusammenarbeit zu ermöglichen. Ziel des Projekts, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Fotos: Getty Images; Sandra Marusic/LuckaBox; Liefery Energie (BMWi) gefördert wird, ist ein offener Zugang zu D ie Last-Mile-Logistik hat durch den boomenden neuen Zustellformen wie etwa der Lieferung zur gewünsch- E-Commerce in den letzten Jahren stark an Be- ten Zeit und Crowd Logistics. deutung gewonnen. Das kostenintensive Ende der Lieferkette stellt Zustelldienste vor große Herausfor- SMARTE PLATTFORMSTRATEGIE derungen, da Paketempfänger häufig nicht anzutreffen Konkret soll möglich werden, dass zum Beispiel Dienstleis- und die Anfahrtswege in ländlichen Regionen lang sind. ter A ein Paket von Dienstleister B übernimmt, den Trans- Zudem schließen individuelle IT-Systeme und geschlosse- port über den größten Teil der Strecke ins Zielgebiet orga- ne Zustelllösungen Kooperationen auf der letzten Meile in nisiert und dann die Sendung an einen Dienstleister C der Regel aus, was in der Vergangenheit bereits zahlreiche übergibt, der diese an den Empfänger zustellt. Smile basiert Citylogistik-Projekte scheitern ließ. Das Forschungsprojekt auf Crowd Logistics-Konzepten sowie Sensoren, Identifi- 20
„Wir stellen 98,6 Prozent unserer „Unsere Liefer- Lieferungen direkt Bestzeit beträgt beim ersten Versuch 22 Minuten und erfolgreich zu.“ 30 Sekunden.“ Nils Fischer, Aike Festini, Gründer Liefery Mitgründerin LuckaBox kations- und Authentifizierungsmethoden wie den GS1 aus den Onlineshops der Firmenkunden, die mit der Lie- Standards. Smart-Services-Plattformen bilden zusammen fery-Plattform vernetzt sind. Auch stationäre Händler kön- mit umfangreichen Datenanalysen die technische und or- nen davon profitieren. Der Schweizer Logistikdienstleister ganisatorische Basis für vielfältige Mehrwertdienste. Die LuckaBox arbeitet unter anderem mit dem Züricher Spiel- Plattformstrategie erlaubt eine Vernetzung verschiedener warenhändler Franz Carl Weber zusammen und liefert die Teilnehmer, den Austausch von Daten innerhalb von Ge- Einkäufe direkt zu dessen Kunden nach Hause. Der Ver- schäftsverbünden und die dienstleisterübergreifende Iden- käufer muss lediglich die Bestellung in die LuckaBox-App tifikation von Paketen. Die neue technische Lösung, so die eingeben und Informationen zur Lieferung wie Größe, Erwartung, erlaubt zudem eine Öffnung des KEP-Marktes Lieferadresse und die gewünschte Zustellzeit notieren. Ein speziell auf der letzten Meile. Mit Smile werden vor allem Algorithmus errechnet dann die optimale Route und plat- kleinere Zustelldienste sowie Startups ermutigt, die Last- ziert den Auftrag bei einem Kurier. Der schwingt sich aufs Minute-Logistik mit innovativen Lösungen zu digitalisieren Fahrrad oder steigt in sein Lieferfahrzeug und liefert auf und am wachsenden Marktpotenzial von Netzwerklösungen einer Tour so viele Pakete aus wie möglich. „Unsere Liefer- zu partizipieren. Bestzeit beträgt 22 Minuten und 30 Sekunden“, sagt Grün- derin Aike Festini stolz. Auch wenn Startups wie Liefery ALGORITHMEN PLANEN ROUTEN und LuckaBox überwiegend (noch) allein agieren, um die Bereits heute gehen junge Logistikdienstleister neue We- Hürden auf der letzten Meile zu überwinden, wären sie mit ge, um den Service auf der letzten Meile zu revolutionieren. ihrer digitalen Innovationskraft und Praxiserfahrung wie So optimieren Tech-Startups wie Liefery und LuckaBox geschaffen für das Smile-Projekt. ihre Transportrouten mithilfe von Algorithmen. Ziel ist es, so viele Pakete wie möglich auf einer Tour ausliefern zu können. „Die letzte Meile ist der ausschlaggebende Teil der Customer Journey“, sagt Nils Fischer, Gründer der Tech- nologie- und Serviceplattform Liefery, die mittlerweile zur E U R O PÄ I S C H E I N T E G R AT I O N Otto Group gehört. Die Sendung soll vor allem dann an- Transport- und Logistikabläufe im europäischen kommen, wenn der Empfänger auch zu Hause ist. Liefery Verkehr effizienter gestalten: Das ist das Ziel des von der EU geförderten Projekts Fenix, in bietet deshalb einstündige Zustellfenster, zumeist am dem 43 Unternehmen und Organisationen bis Abend. „Wir stellen 98,6 Prozent unserer Lieferungen direkt April 2022 ein harmonisiertes Datennetzwerk beim ersten Versuch erfolgreich zu“, sagt Fischer. 1,2 Milli- entwickeln wollen. GS1 Germany und weitere onen Sendungen pro Monat wickelt Liefery ab, vor allem GS1 Länderorganisationen unterstützen Fenix mit ihrer Expertise für standardisierte Prozesse. im Auftrag von Händlern wie Asos, Rewe und Hello Fresh. Hinter Dienstleistern wie Liefery stecken meist selbst- www.fenix-network.eu entwickelte Plattformen und Algorithmen, die Routen und Touren intelligent planen. Die Daten erhält Liefery direkt collaborate 1/2020 21
SHORT CUTS ECHT ODER V E RFÄ L SC HT ? Der Grundstein ist gelegt: Mit FoodAuthent haben Forschungspartner unter der Leitung von GS1 Germany erstmals einen Lösungsansatz entwickelt, um den Weg von Lebensmitteln zurückzuverfolgen und die Produktechtheit zu überprüfen. Denn woher Waren tatsächlich stammen und ob es sich um ein Lebensmittel handelt, das seiner Kennzeich- nung entspricht, ist angesichts globalisierter Lieferketten immer schwieriger zu bestimmen. Im Eine App für nachhaltigeren Konsum Mittelpunkt des neuen Basiskonzepts steht die sogenannte Fingerprinting-Analyse. Sie erfasst Viele Lebensmittel sind bei richtiger Lagerung auch dann einen wesentlichen „chemischen Fingerabdruck“ noch frisch und können bedenkenlos verzehrt werden, wenn das aufgedruckte Mindesthaltbarkeitsdatum bereits abgelau- Fotos: seventyfour - stock.adobe.com; BLG LOGISTICS/Marcus Meyer; shutterstock; iStockphoto/Artem Egorov von Lebensmitteln. Dieser kann mit den natürlichen fen ist. Trotzdem landen Zehntausende Tonnen solcher Variationen unverfälschter Lebensmittelproben Lebensmittel in Deutschland jedes Jahr in der Mülltonne. Um verglichen werden. So lassen sich verfälschte diese Verschwendung einzudämmen, hat ein Verbund aus Produkte wie gepanschtes Olivenöl oder unbekann- Partnern, darunter GS1 Germany, im Forschungsprojekt te chemische Zusätze ermitteln. Das vom Bundes- FreshIndex wichtige Grundlagen für die Markteinführung ministerium für Ernährung und Landwirtschaft eines dynamischen Haltbarkeitsdatums (DHD) geschaffen. Ein DHD hätte den Vorteil, dass es auf den tatsächlichen Zustand geförderte Forschungsprojekt wurde Ende 2019 der Ware eingehen kann. Das Projekt wurde vom Bundesmi- abgeschlossen. Im beantragten Folgeprojekt nisterium für Bildung und Forschung mit etwa einer Million fAuthent wollen die Partner die Rahmenbedingun- Euro gefördert. Zentraler Schlüssel bei der Umsetzung ist eine gen für den breiten Einsatz der Fingerprinting-Tech- App, mit der die Konsumenten das jeweilige DHD im Geschäft nologie in der Lebensmittelbranche schaffen. oder zu Hause auslesen können. Bei mehrwöchigen Tests in fünf großen Handelsfilialen in Deutschland stieß die App FreshIndex auf hohe Akzeptanz. Aus der erfolgreichen Weitere Informationen unter: www.foodauthent.de Testreihe erhielten die Projektteilnehmer wichtige Impulse für eine weitere Zusammenarbeit im Folgeprojekt FreshAnalytics. Ihr langfristiges Ziel: eine optimier- te Prognose zum FreshIndex auf KI-Basis und damit eine exaktere Berechnung des DHD. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das Projekt FreshAnalytics im Rahmen des Programms „Smarte Datenwirtschaft“. Weitere Informationen unter: www.freshindex.org 22
L I E F E R K E T T E N T R A N S PA R E N T E R M AC H E N International agierende Industrieunternehmen sind darauf angewiesen, dass ihre global vernetzten Lieferketten reibungslos funktionieren. Wenn Bauteile zu spät oder beschädigt im Werk eintreffen, kann die Produktion schnell gefährdet und eine teure Nachlieferung von Ersatzprodukten notwendig werden. Solche Aufwände sind vermeidbar durch eine permanente Überwachung des Transports. Hier hat das Forschungsprojekt Sasch (Digitale Services zur Gestaltung agiler Supply Chains) neue Lösungen entwickelt. Im Mittelpunkt des Ende 2019 von GS1 Germany und vier weiteren Partnern erfolgreich beendeten Projekts stehen Sensortechnologien, die den Zustand der Ware durchgängig aufzeichnen. Die Sensoren werden an Ladungsträgern wie Paletten oder Gitterboxen angebracht und erfassen neben dem Standort auch Umweltein- flüsse während des Transports. In erfolgreichen Praxistests in den USA und Deutschland wurde deutlich, dass transparente Lieferketten umso effizienter funktionieren, je mehr Supply-Chain- Teilnehmer mitwirken. Weitere Informationen unter: www.sasch-projekt.de FORTSCHRITT FÜR MOBILITÄT 4.0 Klimafreundlich, leise und effizient: So fährt der Güterverkehr auf der Schiene in die Zukunft. Mobilität 4.0 ist hier das Stichwort und der Antrieb für das Forschungsprojekt Railconnect. Beim 6. Konsortialtreffen tauschten sich die Projektpartner Advaneo, FIR, die gleichnamige Eine halbe Milliarde Güter Railconnect GmbH, Willke und GS1 Germany werden aktuell pro Jahr auf aus. Ein wichtiger Meilenstein ist erreicht: Die Deutschlands Schienen App Railfox verfügt jetzt über eine Scanfunkti- transportiert. Das Transport- on. Mit ihr erfassen die Mitarbeiter bei der aufkommen im Güterverkehr Zugabfertigung Informationen für die weitere wird in den kommenden Transportkoordination einfach per Einlesen der Jahren um weitere 40% GS1 Codes am Waggon. Gespeichert und verteilt steigen. In der EU bis 2050 werden die Daten im Fahrzeuginformationssys- sogar um weitere 80% tem, das ebenfalls im Projekt entsteht: Die Digitalisierung nimmt Fahrt auf. Weitere Informationen unter: www.mfund.rail-connect.de collaborate 1/2020 23
Stefan Genth ist seit Juli 2007 Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE). Außerdem fungiert der 56-Jährige als Hauptge- schäftsführer der Außen- handelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels e. V. (AVE). DATENSCHUTZ „Datenschutz darf nicht zur Dauerbaustelle werden“ Die Datenökonomie macht’s möglich: Bestellung, Bezahlung und Warenwirtschaftssysteme laufen bei den meisten Händlern digital. Über den Daten- schutz im Einzelhandel und das Interesse der Verbraucher an neuen POS-Services spricht HDE- Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Die Datenethikkommission der Bundesregierung fordert von der Wirtschaft, sparsamer mit Daten der Kunden umzugehen. Wie kann der deutsche Einzel- handel hier mit gutem Beispiel vorangehen? Seit Jahren stehen die Betreiber großer Online-Markt- Die Datenethikkommission hat insgesamt 75 Vorschläge plätze unter Druck, die Privatsphäre ihrer Nutzer zur Nutzung von Daten für algorithmische Systeme ge- besser zu schützen. Manchmal wirkt es so, als richte macht. Einige davon sollen den Spielraum bei der Daten- sich der deutsche Einzelhandel im Schatten dieser verarbeitung noch weiter einschränken. Das halten wir für Debatte komfortabel ein und nehme beim Thema problematisch. Generell werden bei der Verwendung von Datenschutz eine Laissez-Faire-Haltung ein. Algorithmen zu sehr die Risiken betont und nicht der Nut- Stefan Genth: Von Laissez-Faire kann keine Rede sein. Der zen. Andere Vorschläge der Kommission betreffen die deutsche Einzelhandel hat bis Mai 2019, also ein Jahr nach Anonymisierung von Daten. Dies wäre ein wichtiger Schritt Foto: Thorsten Futh Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), für die Nutzung von künstlicher Intelligenz im Einzelhandel. circa 630 Millionen Euro in deren Umsetzung investiert. Die Für Daten ohne Personenbezug greift die DSGVO nämlich Kunden erwarten zu Recht, dass die Händler sich rechts- nicht und damit können anonymisierte Daten leichter ver- konform verhalten. Dem kommen die Händler nach. wendet werden, etwa für Machine Learning. 24
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